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HARVARD UNIVERSITY.
LIBRARY
OF THE
MUSEUM OP COMPARATIVB ZOÖLOGY.
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SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
HUNDERTZWÖLFTER BAND.
• 9 «<•>■ e>
WIEN, 1903.
AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREL
IN KOMMISSION BEI KARL GEROLDS SOHN,
BUCHHANDt.HR DKR KAISBRL1CHRN AKAPKMTK DRR WISSENSCHAFTEN
SITZUNGSBERICHTE
DER
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN KLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
CXII. BAND. ABTEILUNG I.
Jahrgang 1903. — Heft I bis X.
(MIT*1 KARTENSKIZZE, *47 TAFELN UND 27 TEXTFIGUREN.)
v WIEN, 1903.
AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREL
IN KOMMISSION BEI KARL GEROLDS SOHN,
BUCHHÄNDLER UKK KAISERLICHEN AKADEMIF DER WISSENSCHAFTEN.
1-',\
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INHALT.
Seite
I. Sitzung vom 8. Jänner 1903: Obersicht 3
II. Sitzung vom 15. Jänner 1903: Obersicht 5
III. Sitzung vom 22. Jänner 1903: Obersicht 6
IV. Sitzung vom 5. Februar 1903: Obersicht 63
V. Sitzung vom 12. Februar 1903: Obersicht 65
VI. Sitzung vom 19. Februar 1903: Obersicht 91
VII. Sitzung vom 5. März 1903: Obersicht 95
VIII. Sitzung vom 12. März 1903 Obersicht 295
IX. Sitzung vom 19. März 1903: Obersicht 317
X. Sitzung vom 2. April 1903: Obersicht 321
XI. Sitzung vom 7. Mai 1903: Obersicht 327
XII. Sitzung vom 14. Mai 1903: Übersicht 353
Xni. Sitzung vom 22. Mai 1903: Obersicht 430
XTV. Sitzung vom 4. Juni 1903: Obersicht 433
XV. Sitzung vom 12. Juni 1903: Obersicht 435
XVI. Sitzung vom 18. Juni 1903: Obersicht 437
XVn. Sitzung vom 2. Juli 1903: Obersicht 537
XVffl. Sitzung vom 9. Juli 1903: Obersicht 599
XIX. Sitzung vom 15. October 1903: Obersicht 709
XX. Sitzung vom 22. October 1903: Übersicht 714
XXI. Sitzung vom 29. October 1903: Obersicht 821
XXII. Sitzung vom 5. November 1903: Obersicht 825
XXTII. Sitzung vom 12. November 1903: Übersicht 828
XXIV. Sitzung vom 19. November 1903: Obersicht 841
XXV. Sitzung vom 3. December 1903 : Obersicht 845
XXVI. Sitzung vom 10. December 1903: Übersicht 847
XXVII. Sitzung vom 17. December 1903: Übersicht 849
Berwerth F., Der meteorische Eukrit von Peramiho. (Mit 2 Tafeln.)
[Preis: 1 K60h=l Mk. 60 Pfg.] 739
BrunnthdUr J., Phytoplankton aus Kleinasien. [Preis: 20 h =
20 Pfg.] 289
Busson B.t Über einige Landplanarien. (Mit 1 Tafel und 5 Text-
figuren.) [Preis: 1 K 40 h= 1 Mk. 40 Pfg.] 375
VI
Seite
Daday E., v.y Mikroskopische Süßwassertierc aus Kleinasien. (Mit
2 Tafeln und 2 Textfiguren.) [Preis: 1 K — h = 1 Mk.
— Pfg.] . 139
Doelter C, Der Monzoni und seine Gesteine. II. Teil. (Mit 2 Tafeln,
1 Kartenskizze und 1 Textfigur.) [Preis: 2 K — h = 2 Mk.
— Pfg.] 169
— Zur Physik des Vulkanismus. (Mit l Textfigur.) [Preis:
50 h = 50 Pfg.] 681
Eberwein R., Zur Anatomie des Blattes von Borassus flabclliformis.
(Mit 1 Tafel.) [Preis :40 h = 40 Pfg.] 67
Fritsch A., Bericht über die mit Unterstützung der kaiserlichen
Akademie unternommene Reise behufs des Studiums fossiler
Arachniden. [Preis: 30 h = 30Pfg,] 861
Handlirsch A., Zur Phylogenie der Hexapoden. (Vorläufige Mit-
teilung.) (Mit 1 Tafel.) [Preis: 6Q h« 60 Pfg.] 716
Krasser F., Konstantin von Ettingshausen's Studien über die fossile
Flora von Ouricanga in Brasilien. [Preis: 30 h = 30 Pfg.] . 852
Kulczynski VI., Arachnoidea in Asia Minore et ad Constantinopolim
a Dre. F. Werner eoileeta. (Mit 1 Doppeltafel.) [Preis:
1 K 30 h = 1 Mk. 30 Pfg.] 627
Lampa E., Untersuchungen an einigen Lebermosen. IL (Mit
4 Tafeln.) [Preis: 1 K 10 h = l Mk. 10 Pfg.] 779
Michniewicz A. R.t Die Lösungsweise der Reservestoffe in den
Zellwänden der Samen bei ihrer Keimung. (Mit 2 Tafeln.)
[Preis: 1 K 10 h = l Mk. 10 Pfg.] 483
Mogan L., Untersuchungen über eine fossile Konifere. (Mii 1 Tafel
und 2 Textfiguren.) [Preis: 50 h = 50 Pig.] 829
Molisch H., Bakterienlicht und photographische Platte. (Mit
3 Tafeln.) [Preis: 1 K 20 h= 1 Mk. 20 Pfg.] 297
Müller /., Die Coleopterengattung Apholeuonus Reitt Ein Beitrag
zur Kenntnis der dalmatinischen Höhlenfauna. (Mit 1 Tafel
und 4 Textfiguren.) [Preis: 60 h = 60 Pfg.] 77
— Über neue Höhlenkäfer aus Dalmatien. Resultate der im
Sommer 1903 unternommenen Forschungen in dalmatini-
schen Höhlen. (Mit l Textfigur.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] . . 870
Peter A.t Beiträge zur Anatomie der Vegetationsorgane von
Boswellia Carteri Birdw. (Mit 3 Tafeln und 3 Textfiguren.)
[Preis: 1 K — h=l Mk. — Pfg.] 511
Pinlntr Th., Studien über Tetrarhynchen nebst Beobachtungen an
anderen Bandwürmern. (III. Mitteilung.) Zwei eigentüm-
liche Drüsensysteme bei Rhynchöbothrius adenoplusius n.
und histologische Notizen über Antocephalus, Amphilina
und Taenia saginala. (Mit 4 Tafeln.) [Preis: 1 K 70 h =
1 Mk. 70 Pfg.] 541
VII
Seite
Parsek 0., Zur Kenntnis des Spaltöffnungsapparates submerser
Pflanzenteile. (Mit 3 Doppeltafeln.) [Preis: 1 K60h =
1 Mk. 60 Pfg.] 97
Schiller /., Untersuchungen über Stipularbildungen. (Mit 3 Tafeln.)
[Preis: 80 h = 80 Pfg.] 793
Siebenrock F., Schildkröten des östlichen Hinterindien. (Mit
2 Tafeln.) [Preis: 80 h = 80 Pfg.] 333
— Ober zwei seltene und eine neue Schildkröte des Berliner
Museums. (Mit l Tafel.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] .... 439
Steindachner F., Batrachier und Reptilien aus Südarabien und
Sokötra, gesammelt während der südarabischen Expedition
der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. [Preis: 20 h
= 20 Pfg.] 7
— Ober einige neue Reptilien- und Fischarten des Hofmuseums
in Wien. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 40 h = 40 Pfg.] 15
Tondera F., Das Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. (Mit
5 Tafeln.) [Preis: 1 K 80 h= 1 Mk. 80 Pfg.] 23
Xschermak G., Ober die chemische Konstitution der Feldspate.
(Mit 1 Textfigur.) [Preis: 40 h = 40 Pfg.| 355
Went K., Ober einige melanokrate Gesteine des Monzoni. (Mit
1 Tafel und 6 Textflguren.) [Preis : 1 K 30 h = 1 Mk. 30 Pfg.] 237
Wolf K„ Beitrag zur Kenntnis der Gattung Braunina Hei der.
(Mit 1 Doppeltafel und 1 Textfigur.) [Preis: 80 h = 80 Pfg.] 603
Zederbauer E., Myxobacteriaceae, eine Symbiose zwischen Pilzen
und Bakterien. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 1 K — h = 1 Mk.
— Pfg.] 447
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SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXIL BAND. L BIS III. HEFT.
JAHRGANG 1903, — JÄNNER bis MÄRZ.
ABTEILUNG [.
ENTHÄLT OLE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPH1E, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE URO REISEN.
/AflT*"1 KARTENSKIZZE, 19 TAFELN UND 13 TEXTFlGüRBN.)
' WIEN, 1903.
^D^ TCH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STA AT&DR UCKEREI.
AÜSDERKAISER^1
oJyjMlSSION BEI KARL GEROLD'S SOHN,
^^ „, dlt PER KMWWWGHB« A^P«1HL« *&* *'«S-^HArTO
INHALT
* ?
des 1. bis 3. Heftes Jänaer bis März 1903 des CXJI. Bandes» Abteilung I
der Sitsungsberiöhie der mathem.-naturw. Klasse.
Seite
L Sitzung vom 8. Jänner 1903: Übersicht 3
II. Sitzung vom 15. Jänner 1903: Übersicht 5
III. Sitzung vom 22. Jänner 1903: Übersicht 6
Steindachner F., Batrachier und Reptilien aus Südarabien und
Sokötra, gesammelt während der südarabi$chen Expedition
der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. [Preis: 20 h
= 20Pfg.] \. . . . . 7
— Über einige neue Reptilien- und Fischarten des Hoftnuseums
in Wien. (Mitf Tafel.) [Preis: 40 h = 40 Pfg.] . , . . . 15
Tondcra F., Das Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. (Mit
v5 Tafeln.) [Preis: 1 K 80 h = 1 Mk. 80 Pfg.] . 23
IV. Sitzung vom 5. Februar 1903: Übersicht 63
V. Sitzung vom 12. Februar 1903: Übersicht 65
Eberwein /?., Zur Anatomie des Blattes von Borassus ßabelliformis.
(Mit! Tafel.) [Preis : 40 h = 40 Pfg.] 67
Müller /., Die Coleopterengattung Äpholeuonus Reitt Ein Beitrag ••
zur Kenntnis der dalmatinischen Höhlenfauna. (Mirf Tafel vv
und 4 Textfiguren.) [Preis: 60 h = 60 Pfg.] ']7
VI. Sitzung vom 19. Februar 1903: Übersicht 91
VII. Sitzung vom 5. März 1903: Übersicht 9jt
Forsch 0., Zur Kenntnis des Spaltöffnungsapparates submerser
Pflanzenteile. (Mit 3 Doppeltafeln.) [Preis: 1 K60h =
1 Mk. 60 Pfg.] 97
Daday E., v., Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. (Mit
2 Tafeln und 2 Textfiguren.) [Preis: 1 K — h= 1 Mk.
— Pfg.] ,- • • ■ 139
Doelter C, Der Monzoni und seine Gesteine. II. Teil. (Mit'2 Tafeln,
1 Kartenskizze und 1 Textfigur.) [Preis: 2 K — h = 2 Mk.
— Pfg.] 169
W&Y •«« 1904
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTER
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXII. BAND. I. HEFT.
ABTHEILUNG I.
ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
I. SITZUNG VOM 8. JÄNNER 1903.
Dankschreiben sind eingelangt:
1. Von Dr. Alfred Exner in Wien für die Bewilligung einer
Subvention für die von ihm und Dr. G. Holzknecht
geplanten Untersuchungen über die biologische Wirkung
der Radiumstrahlen;
2. von Dr. Sigmund Frank el in Straßburg für die Bewilligung
einer Subvention zur Fortsetzung seiner Arbeiten über
Histidin und Haematoporphyrin;
3. von Prof. Dr. E. Heinrich er in Innsbruck für die Be-
willigung der Reisesubvention nach Buitenzorg.
Herr Arthur Michael übersendet eine Berichtigung zu der
in den »Monatsheften für Chemie« erschienenen Arbeit von
J. Svoboda: Ȇber einen abnormalen Verlauf der
MichaeTschen Kondensation«.
Prof. Dr. A. Schell in Wien übersendet eine Abhandlung
mit dem Titel: »Das Präzisions-Nivellierinstrument«.
Prof. Dr. Franz Tondera in Stanisiau übersendet eine
Abhandlung mit dem Titel: »Gefäßbüschelsystem der
Cucurbitaceen«.
Das c. M.Prof. C. Doelter in Graz übersendet den zweiten
Teil seiner Abhandlung: »Der Monzoni und seine Ge-
steine«.
Dr. Anton Lampa in Wien übersendet eine Arbeit mit
dem Titel: Ȇber die elektromagnetischen Schwin-
gungen einer Kugel, sowie über diejenigen einer
Kugel, welche von einer konzentrischen dielektri-
schen Kugelschale umgeben ist«.
l*
Das w. M. Prof. K. Grobben überreicht das von der
Verlagsbuchhandlung A. Holder in Wien der kaiserlichen
Akademie geschenkweise überlassene 2. Heft des XIV. Bandes
der »Arbeiten aus den zoologischen Instituten der
Universität Wien und der zoologischen Station in
Triest«.
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Albert Ier, Prince souverain de Monaco: Resultats des
campagnes scientifiques accomplies sur son yacht Fasci-
cule XXII: Echantillons d'eaux et de fonds provenant des
campagnes de la Princesse-Alice (1901) par J. Thoulet.
Monaco, 1902. 4°.
Di chi ara, Francesco, Dr.: La cura elettrica dei fibromi deir
utero. Palermo, 1902. 8°.
Jardin Botanique de TEtat in Brüssel: Bulletin, vol. I,
fasc. 1—3 (1902). Brüssel, 1902. 8°.
Klemensiewicsz, Rudolf: Weitere Beiträge zur Kenntnis des
Baues und der Funktion der Wanderzellen, Phagocyten
und Eiterzellen. (Abdruck aus: »Beiträge zur pathologi-
schen Anatomie und zur allgemeinen Pathologie«, 32. Bd.,
1902.) Jena, 1902. 8°.
Lachiche Hugues: Un seul Champignon sur le globe! Port-
Louis (Maurice), 1902. 8°.
Läska, W., Dr.: Ziele und Resultate der modernen Erdbeben-
forschung. (Sonderabdruck aus »Natur und Offenbarung«,
48. Bd., 1902.) Münster, 1902. 8°.
Pantocsek, Jözsef, Dr.: A Balaton Kovamoszatai vagy Bacil-
lariai. Budapest, 1902. 4°.
Universität in Lund: Akademische Publikationen 1901 und
1902.
IL SITZUNG VOM 15. JÄNNER 1903.
Erschienen: Sitzungsberichte: Bd. 111, Abt. IIa, Heft V bis VI (Mai
und Juni 1902). — Monatshefte für Chemie: Bd. XXIII, Heft X
(Dezember 1902).
Das w. M. Hofrat E. Weiß überreicht die bis jetzt
erschienenen acht Hefte des von der Royal Society in London
inaugurierten Internationalen Kataloges der Natur-
wissenschaften.
Das k. M. Prof. C. Doelter übersendet einen Bericht über
eine von Herrn K.Went und ihm aufgestellte neue Gesteins-
art, den Rizzonit.
Das w. M. Hofrath J. H ann überreicht eine Abhandlung des
Herrn Ed. Mazelle, Leiters des k. k. astr. met. Observatoriums
in Triest unter dem Titel: »Die mikroseismische Pendel-
unruhe und ihr Zusammenhang mit Wind und Luft-
druck.«
Das w. M. Prof. Franz Exner legt eine zum Teil in seinem,
zum Teil im Göttinger Institut für physikalische Chemie aus-
geführte Arbeit des Herrn Dr. J. Billitzer vor: »Elektrische
Doppelschicht und absolutes Potential, eine kontakt-
elektrische Studie.«
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Societe astronomique de France in Paris: Bulletin,
Jauvier 1903. Paris, 8°.
Wulff Thorild: Botanische Beobachtungen aus Spitzbergen.
Lund, 1903 8°.
III. SITZUNG VOM 22. JÄNNER 1903.
Das Ateneo di Brescia übersendet eine aus Anlaß
seines hundertjährigen Bestandes geprägte Jubiläumsplakette
sowie die Denkschrift: »II primo secolo delT Ateneo di
Brescia«.
Das w. M. Hofrat F. Steindachner übersendet eine Ab-
handlung mit dem Titel: Ȇber einige neue Fisch- und
Reptilienarten des k. k. naturhistorischen Hofmu-
seums«.
Ferner übersendet Hofrat F. Steindachner eine Mit-
teilung mit dem Titel: »Batrachier und Reptilien aus
Südarabien und Sokotra (gesammelt während der
südarabischen Expedition der kaiserl. Akademie der
Wissenschaften)«.
Prof. Johann Melichar in Kremsier übersendet eine
Abhandlung mit dem Titel: »Die Bestimmung der Selbst-
schattengrenze an Flächen 2. Grades bei Parallel-
beleuchtung« (I. Teil).
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Grüning, Wilhelm: Studien über Chemie und therapeutischen
Wert der offiziellen Eisenpräparate. Riga, 1902. 8°.
Universität in Klausenburg: Regia litt. Universitas Hung.
Ciaudiopoiitana Joannis Bolyai in memoriam. Klausen-
burg, 1902. 4°.
Universität in Columbia: Laws Observatory University of
Missouri Bulletin Nr. 1.
Vollü, Leopoldo Nery: La trigonometrie universeile. Rio de
Janeiro, 1902. 8°.
Batrachier und Reptilien aus Südarabien
und Sokötra,
gesammelt während der südarabischen Expedition der
kaiserliehen Akademie der Wissenschaften
Dr. Franz Steindachner,
w. M. k. Akad.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 22. Jänner 1903.)
Ich gebe nachfolgend ein Verzeichnis über die herpeto-
logische Ausbeute, welche während der südarabischen
Expedition an der Küste Südarabiens und auf Sokötra aus-
schließlich von dem Expeditionsmitgliede Herrn Prof. Dr. Oskar
Simo ny gemacht wurde und vereinige damit eine Liste jener
Arten, welche von Frau Dr. W. Hein in den Wintermonaten
1901 und 1902 gesammelt wurden. Letztere Arten sind mit
»(H.)« bezeichnet.
Einen ausführlichen Bericht behalte ich mir für spätere
Zeit vor. Die Gesamtzahl der gesammelten Arten beträgt 38,
von denen 23 auf die südarabische Küste entfallen.
A. Südarabien.
Fam.: Geckonidae.
1. Stenodactylus (Ceramodactylus) doriae Blanf.
Gischin (H.).
8 F. Steindachner,
2. Stenodactylus (Ceramodactylus) pulcher Anders.
Gischin (H.).
Vulgärname: Bod.
3. Pristurus collaris (Steind.) Anders.
Gischin (H.).
Vulgärname daselbst: Dallayn.
Westlich von Tauwahi (Aden) von Prof. Simony, am
sandigen, teilweise mit Steinen bedeckten Küstengebiete,
ferner am sandigen Küstengebiete von Makalla, zwischen
Gerolle unterhalb des Gipfels des nächst Dal Haf gelegenen
Vulkanes El Hasida el Hamra, an sandigen Stellen im untersten
Teile der Sohle des nächst Ras Fartak gelegenen Wadi
Dhaurüten, sowie im Küstengebiet von Ras Fartak auf sandigen,
teilweise mit Geröll bedeckten Stellen, an sandigen Stellen
der mit Geröll bedeckten Lavaströme in der Umgebung von
Bai Haf.
4. Pristurus cruciferVal.
Aden, in Geröllhalden des jüdischen Friedhofes.
5. Ptyodactylus hasselquistii Donnd.
In Einhöhlungen der nächst eAzzän gelegenen Felskuppen,
im Wadi Hamön nächst Ras Fartak, im Wadi Bagren nächst
Makalla.
6. Hemidactylus turcicus (L.) Böttg.
Gischin (H.).
Vulgärname: Mjezal.
7. Hemidactylus yerburii Anders.
Gischin (H.).
Vulgärname: Mjezal.
Südarabische Batrachier und Reptilien. 9
Farn. : Agamidae.
8. Agama sinaita Heyd.
Gischin (H.).
Vulgärname: Yirgad.
An sandigen Stellen der Felsgehänge des Wadi Bagren
bei Makalla, am Westgehänge des nächst Makalla gelegenen
Gebel al Karah, im Wadi Dhaurüten und Wadi Hamon nächst
Ras Fartak, endlich bei £Azzän.
9. Uromastix (Aporoscelis) benti Anders.
In Felsspalten, sowie unter größeren Steinen in den Vor-
gebirgen von 'Azzän und eAin Oä Ma'bad, ferner von Makalla.
Fam.: Laeertidae.
10. Acanthrodactylus boskianus Daud.
Längs der Karawanenstraße zwischen Bal-haf und "Azzän
somie, sowie in der Umgebung letztgenannter Festung an
sandigen Stellen.
Auf erdigen trockenen Stellen in den Gärten von Scheich
Othman.
11. Acanthrodactylus cantoris Gthr.
Gischin (H.).
Vulgärname: Latit.
12. Eremias guttulata Licht.
Gischin (H.).
Vulgärname: Latit.
Fam.: Scincidae.
13. Mabuia brevicollis (Wie gm.) Blgr.
Umgebung von cAzzän, in Felsspalten und unter größeren
Steinen.
10 F. Steindachner,
14. Scincus hemiprichii Wie gm.
In einem Baranco südlich von Gebel Samsan bei Aden
gefangen.
15. Scincus muscatensis Murr.
Gischin (H.).
Vulgärname: Bedbedad.
Nur bei einem der 6 größeren Exemplare steht das
1. Supraorbitale beiderseits und bei einem zweiten Exemplare
auf einer Seite mit dem Frontale nicht in Berührung.
Bei 6 Exemplaren mittlerer Größe ist das 1. Supraorbitale
2 mal vollständig, 3 mal nur auf einer Seite (links) vom Frontale
abgeschlossen und nur bei einem Exemplare mit diesem in
Kontakt.
16. Chalcides ocellatus (Forsk.)
Gischin (H.).
Vulgärname: Jemh (ad.), Lazog (jun.).
Scheich Othman längs den Gartenmauern; Umgebung von
rAzzän und cAin Oä Ma fbad an felsigen, mit Gerolle bedeckten
Stellen; Wadi Dhaurüten bei Ras Fartak.
Fam.: Chamaeleontidae.
17. Chamaeleon calcarifer Pet.
Auf Tamarix-Gebüschen in der Umgebung von cAzzän.
Fam.: Colubridae.
18. Zamenis rhodorhachis Jan.
Gischin (H.).
Vulgärname: Risid.
19. Psammophis schokari (Forsk.) Blgr.
Gischin (H.).
Südarabische Batrachier und Reptilien. 1 1
Am Fuße und auf den Festungsmauern von €Azzän; auf
einer von niedrigen Akazien umsäumten Sandfläche östlich
von eAzzän; in einer mit Geröll bedeckten Bergschiucht des
Schamscham, welche in die Ma Calla-Ebene ausmündet.
Fam.: Viperidae.
20. Cerastes cornutus (Hasselq.). Forsk.
Zwischen Bal-haf und der Oase Ain Gow'äri.
21. Echis carinatus (Sehn.) Wagl.
Gärten von Scheich Othman an den Gartenmauern unter
Reisig.
Batrachia.
Fam.: Ranidae.
22. Rana cyanophlyctis Sehn.
In kleinen, stagnierenden Wasseransammlungen in der
Umgebung von eAzzän.
Fam.: Bufonidae.
23. Bufo viridis Laur., var. arabica.
An den Rändern der seichten Wassergräben der Palmen-
gärten des Wadi Bagren bei Makalla und an den schlammigen
Rändern eines kleinen Wasserreservoirs nächst einem Dorfe
bei Ras Fartak.
B. Sokötra und benachbarte Inseln.
Fam.: Geckonidae.
1. Pristurus crueifer (Val.) Blgr.
Felsige Umgebung von Ras Shoab.
12 F. Steindachner,
2. Pristurus rupestris Blanf.
Küstengebiet des Wadi Felink, Kallansiye (Sokötra), Insel.
Abd el Kuri, westlich von Sokötra.
3. Ptyodactylus sokotranus Steind.
Unter Felsplatten im Westgehänge des Gebel Hali nächst
Kallansiye in zirka 460 m Seehöhe, ferner in Einhöhlungen,
sowie unter größeren Steinen der felsigen Umgebungen von
Ras Shoab.
4. Hemidactylus oxyrhinus Blgr.
Abd el-Kuri.
5. Hemidactylus granti Blgr.
Alpine Region des Haggier-Gebirges in zirka 900 m See-
höhe, in Einhöhlungen der Felsen.
6. Hemidactylus homoeolepis Blanf.
Kallansiye; Abd al-Kuri in circa 340 m Seehöhe, in Ein-
höhlungen des Gesteines.
Fam.: Amphisbaenidae.
7. Pachycalamus brevis Gthr.
Ebene von Tamarida und Vorhöhen des Haggier-Gebirges
bis zu 700 m Seehöhe, unter Steinen.
Fam.: Lacertidae.
8. Eremias guttulata (Licht.) D. B.
Im Dünensand des Strandgebietes von Kallansiye, Hakari
und des Wadi Felink; Gebel Haumeni; im Dünensand der Insel
Ab del-Kuri und Semhah.
Südarabische Batrachier und Reptilien. 1 3
Farn.: Seincidae.
9. Mabuia sokotrana (Pet.) Blgr.
Wadi Felink (Südsokötra); nächst Tamarida; Haggier-
Gebirge; Geröllhalden am Fuße des Gebel Mali bei Kallansiye;
Insel Hakari bis zu 400 m Seehöhe und Abd el-Kuri, unter
Steinen.
10. Parachalcides sokotranus Blgr.
Stpsina (Hakaria) srmonyi S t e i n d . *
Hakan und Wadi Felink, östlich von Hakari.
Fam.: Chamaeleontidae.
11. Chamaeleon monachus Gray.
Haggier-Gebirge; vereinzelt auf steiniger, zumeist mit
krautartigen Pflanzen und wenigen Büschen bewachsener
Ebene von Kallansiye.
Fam.: Typhlopidae.
12. Typhlops sokotranus Blgr.
Nach dem Nordrande der Ebene bei Ras Shoab, zirka
70 tn tief, unter der Oberfläche bei Erdarbeiten gefunden;
Hakari in feuchter Erde nächst der »Klamm« der Wildbach-
schlucht.
Fam.: Glauconidae.
13. Glauconia filiformis Blgr.
Hakari in feuchter Erde nächst der »Klamme der Wild-
bachschlucht.
i Anzeiger der k. Akad. d. Wissensch., Jahrg. 1899, Nr 12, im Drucke
erschienen und versendet am 12. Mai 1899.
14 F. Steindachner, Südarabische Batrachier und Reptilien.
Fam.: Colubridae.
14. Zamenis sokotrae Gthr.
Küstengebiet von Haulaf nächst Tamarida, von Ras
Shoab; Kallansiye, nächst den Cyperus-Sümpfen des Strand-
gebietes.
Hakari nächst der Mündung des Wadi Felink; Insel
Semhah, in Felslöchern des Küstengebietes.
15. Ditypophis vivax Gthr.
Unter Steinen auf den gegen Ras Shoab und Wadi Felink
abstürzenden Felsengehängen und benachbarten Kuppen.
15
Ober einige neue Reptilien- und Fischarten
des Hoftnuseums in Wien
Dr. Franz Steindachner,
w. M. k. Akad.
(Mit 1 Tafel.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 22. Jänner 1903.)
Epicrates wieningeri n. sp.
Rostrale etwas breiter als hoch, von oben sichtbar. Ober-
seite der Schnauze und Stirn mit meist regelmäßigen Schildern
mittlerer Größe bedeckt. Ein Supraoculare, größer als die
übrigen Schilder der Stirngegend.
Internasalia viel kleiner als die Präfrontalia, zwischen die
sich das vorne spitz zulaufende Frontale teilweise einschiebt.
An dem kurzen, konkaven Seitenrande des Frontale liegen
jederseits ein rundliches, an dem schwach konvexen breiten
Hinterrand 3 Schiidchen, von denen das mittlere schmal
rhombenförmig ist. Loreale groß, unregelmäßig viereckig, mit
der ganzen Länge seines unteren Randes an das 2.-5. Supra-
labiale stoßend.
1 großes Prä-, 3—4 Post- und 2 Subocularia, einen
geschlossenen Halbring bildend, so daß das Auge vollkommen
von den Supralabialia getrennt ist.
13 — 14 Oberlippenschilder; sie sind gleich den Unterlippen-
schildern nicht grubig.
Schuppen in 47 Reihen. V. 244. Subc. 64, viele derselben
geteilt, schuppenartig.
16 F. Steindachner,
5 tiefbraune Längsstreifen am Kopfe. Rücken mit zirka 60,
Oberseite des Schwanzes mit zirka 20 dunkelbraunen Quer-
binden, deren unterer Rand gerundet ist und welche nur durch
schmale hellbraune Zwischenräume voneinander getrennt
werden.
Die größten dieser Binden liegen gegen das Ende des ersten
Drittels und am Beginne des zweiten Drittels der Rumpflänge.
Die hellbräunlich gelben Rumpfseiten sind dicht mit schwarz-
braunen, fast hieroglyphenartigen Strichelchen und Fleckchen
besetzt, die gegen die oberen Reihen zu etwas an Größe zu-
nehmen und stellenweise durch Verschmelzung einen nach
unten offenen kleinen Halbring bilden. Die ganze Bauchseite ist
mit zahlreichen rundlichen Fleckchen übersät.
1 Exemplar, 59 cm lang, aus Paraguay bei Aitos, wurde
von Herrn Wieninger in Schärding dem Hofmuseum als
Geschenk übergeben.
Leptognathus intermedia n. sp.
Körper ziemlich stark komprimiert Schuppen der Verte-
braireihe nicht vergrößert. Auge klein, Rostrale breiter als hoch,
von oben nur wenig sichtbar. Internasalia klein, zirka halb so
lang als die auch der Breite nach viel größeren Präfrontalia.
Frontale breiter als lang. Den Vorderrand des Auges bilden das
Loreale und Präfrontale. Parietalia sehr groß, mindestens
doppelt so lang als das kleine Frontale. Nasale geteilt. Nur 5
Supralabialia wie bei Leptognathus ventrimaculata, von denen
das 3. und 4. am größten ist. Die hintere obere Ecke des 2.
und der weitaus größte Teil des oberen Randes des 3. Supra-
labiale begrenzen das Auge nach unten. 2 Postocularia, das
untere derselben sehr klein. Temporalia 1-4-2. Diebeiden ersten
Infralabialia an der Unterseite des Kopfes aneinander stoßend.
3 Paar Kinnschilder, die des ersten Paares sind ein wenig
größer als die des nächstfolgenden Paares. Schuppen in
15 Reihen. V. 155. Subc. 41.
Zeichnung und Färbung ähnlich wie bei L. turgida. Ein
großer ovaler, dunkelbrauner Fleck nimmt fast die ganze Ober-
seite des Kopfes ein.
Neue Reptilien und Fischarten. 1 7
Seiten des Kopfes gelblich, doch sehr dicht dunkel
gesprenkelt, nur auf den Oberlippenschildern sind größere
Stellen ohne Sprenkelung.
2 sehr breite, fast schwärzliche Querbinden oben und seit-
lich in der Halsgegend, die vordere ist nur durch einen schmalen
gelben Ring von der dunklen Färbung der Oberseite des
Kopfes getrennt. Auf diese beiden ersten Rumpfbinden folgen
am Rücken zahlreiche, viel schmälere und durchschnittlich
stark schräge gestellte Querbinden. Sie sind von einem hellen
Ringe umgeben und lösen sich hie und da in Flecken auf.
Unter und mit ihnen alternierend liegen ebenso viele quer-
gestellte schmale Flecken oder Querstreifen, die sich zuweilen
der Höhe nach spalten; dazwischen entwickeln sich sehr
häufig noch kleinere Flecken. Bauchseite fast weiß, vorderer
Teil derselben nur wenig, weiter zurück dagegen dichter und
unregelmäßig mit dunklen Längsstrichen oder Flecken besetzt.
1 Exemplar, 25 cm lang, von Altos und gleichfalls ein
Geschenk des Herrn Wieninger.
Plesiops altivelis n. sp.
Kopflänge unbedeutend weniger als 3 mal, Leibeshöhe
weniger als 2 a/5 mal, Länge der Caudale (bei g ?) 1 2/5 mal,
Länge der Ventralen zirka l^mal, die der Pectorale 3mal, die
höchsten vorletzten Gliederstrahlen der Dorsale wie der Anale
(bei cf ) 2V3 — 2V4nial in der Körperlänge (d. i. Totallänge mit
Ausschluß der Caudale), Länge der Schnauze 4 mal, des Auges
etwas mehr als 3l/8nial, Stirnbreite 5mal, letzter Analstachel
etwas mehr als l8/4mal in der Kopflänge enthalten.
Die Kiefer reichen gleich weit nach vorne. Das hintere
Ende des Oberkiefers fällt in vertikaler Richtung hinter die
Augenmitte. Ein schmaler supplementärer Knochen über dem
Maxillare.
3 Schuppenreihen zwischen dem Auge und der Vorleiste
des Präoperkels in dessen Winkelgegend. Die beiden Ränder
des Vordeckels treffen unter einem rechten Winkel zusammen
und sind ungezähnt.
Eine ziemlich hohe Schuppenscheide längs der Basis der
Dorsale und der Anale. Die Stacheln der Dorsale nehmen vom
Sitzb. d. mathexn.-naturw. KL; CXII Bd., Abt. I. 2
18 F. Steindachner,
ersten bis zum letzten gleichförmig, mäßig an Höhe zu, der
erste Stachel ist ein wenig kürzer, der letzte zirka 2 mal so lang
wie das Auge und minder kräftig als der 3. Anaistachel.
Die ersten Gliederstrahlen der Dorsale sind an dem vor-
liegenden Unicum beschädigt, dürften jedoch, nach den wohl-
erhaltenen Strahlen der Anale zu schließen, den letzten Stachel
um mehr als das Doppelte an Höhe übertroffen haben. Die Spitze
des längsten ersten gegliederten Ventralstrahles überragt das
hintere Basisende der Anale; der Ventralstachel ist ziemlich
lang, schlank, zirka l2/3mal in der Kopflänge enthalten.
Der obere Ast der Seitenlinie endigt unterhalb der Basis
der letzten gegliederten Dorsalstrahlen und durchbohrt 20, der
untere Ast 7 Schuppen am Rumpfe und zirka 2 auf der Caudale.
Sämtliche Rumpfschuppen äußerst zart und dicht am hinteren
Rande gezähnt.
Kaffeebraun mit dunkleren Längsstreifen, der Zahl der
Schuppenreihen entsprechend. Sehr kleine, scharf abgegrenzte
himmelblaue Punkte über Körper und Flossen zerstreut; am
dichtesten liegen sie am Kopfe rings um das Auge und an der
Unterseite der Unterkiefer; die auf der Caudale liegenden
Punkte sind ein wenig größer als die übrigen.
1 Exemplar, 16 cm lang, von Nias.
D. 11/9. A. 3/9. P. 19. L. 1. r. 25 + 2. L. tr. 2/1/11 (zurV.).
Chaetodon eques n. sp.
D. 13/20. A. 3/16. L. 1. 26-29. L. tr. 10/1/15. L. hör. c. 40.
Körperform erhöht. Schnauze stark und spitz vorgezogen.
Obere Profi ilinie des Kopfes steil ansteigend, in der Stirn- und
Schnauzengegend konkav. Die größte Körperhöhe mit Aus-
schluß der hohen Schuppenscheide an der Basis der Dorsale ist
etwas mehr als 2 mal, die Kopflänge etwas mehr als 3 mal, die
Länge des 3. höchsten Dorsalstachels (von seiner unter der
Schuppenscheide verborgen liegenden Basis an gemessen)
etwas weniger als 3 mal in der Totailänge, der Augendiameter
3V2mal, die Schnauzenlänge 22/5nial, die Stirnbreite nahezu
4V2 mal, die Länge der Pectorale l2/5nml, die der Ventrale 1 mal,
Neue Reptilien und Fischarten. 1 9
die Länge der fächerförmig ausgebreiteten Caudale nahezu
l2/3mal, Länge des 2. höchsten Stachels der Anale zirka l8/8mal
in der Kopflänge enthalten.
Der hintere Rand des Vordeckels ist nahezu vertikal
gestellt, der Vordeckelwinkel unbedeutend größer als ein rechter.
Kopfschuppen sehr klein.
Der 1. Dorsaistachel ist unbedeutend länger als der
Augendiameter, der 2. etwa um eine Augenlänge kürzer
als der Kopf, der 4. ebenso lang wie der Kopf. Vom 3. Dorsal-
stachel an bis zum 6. nimmt die Stärke der Stachel ziemlich
rasch ab, der 7. — 11. gleichen sich einander in dieser Beziehung,
ebenso die beiden letzten Stacheln, welche die schwächsten der
Flosse sind und an Höhe etwas mehr als iy8 Augenlängen
erreichen. Der 7., höchste Gliederstrahl der Dorsale ist halb so
lang wie der Kopf, der 3. Analstachel ein wenig kürzer als der
2. Der schlanke Stachel der Ventrale ist etwas mehr als l73mal
in der Kopflänge enthalten, der erste Gliederstrahl reicht mit
seiner fadenartigen Spitze bis zur Basis des 2. Analstachels
zurück.
Zwischen dem oberen Ende der Kiemenspalte und der
Basis der Caudale liegen zirka 40 Schuppen in einer hori-
zontalen Reihe, sie nehmen kurz vor Beginn des Schwanz-
stieles bis zur Basis der Caudale rasch an Größe ab. Sämtliche
Rumpfschuppen sind am hinteren Rande gleichmäßig gerundet,
die größten derselben liegen in etwa 4—5 Reihen am Vorder-
rumpfe über und zunächst unter der Höhe der Pectoralen und
verlaufen in fast horizontaler Richtung, während die folgenden
bis zur Seitenlinie nach hinten und oben ansteigen. Die über
der Seitenlinie gelegenen Schuppenreihen folgen der Richtung
der Seitenlinie und die untersten Schuppenreihen laufen fast
parallel zur Bauchlinie. Die Seitenlinie durchbohrt auf einer
Körperseite 26, auf der anderen 29 Schuppen und endigt nach
hinten nächst der Basis der mittleren Gliederstrahien der
Dorsale.
Eine schwarzbraune Binde zieht von der Basis der zwei
ersten Dorsalstacheln nach vorne zum Auge und nimmt unter
demselben rasch an Breite und Intensität der Färbung ab.Sie steht
an ihrer breitesten Stelle in einiger Entfernung über dem Auge
2*
20 F. Steindachner,
der Länge desselben nicht sehr bedeutend nach und ist am
ganzen hinteren Rande hell gesäumt.
Viel breiter ist die gleichfalls tiefbraune Rumpfbinde, die
an dem größten mittleren Höhendrittei des 5. Dorsalstachels
beginnt und im Bogen bis über die Anale herabzieht, auf weicher
sie in der Längenmitte des ersten Giiederstrahles der Anale
zugespitzt endigt. Diese Binde ist am vorderen Rande silber-
weiß gesäumt.
1 Exemplar, \0ctn lang, von der Küste Yucatans.
Durch die Länge und stark zugespitzte schnabelförmige
Form der Schnauze und die Zahl der Dorsalstacheln unter-
scheidet sich die hier beschriebene Art von den übrigen west-
indischen Arten, mit weichen sie in Körperzeichnung große
Ähnlichkeit zeigt, wie Ch. nigrirostris, Ch. ocellatus, Ch.
sedentarias, namentlich aber mit Ch. aya Jord. aus dem
Golfe von Mexico.
Gymnocharacinus n. g.
Körperform gestreckt, mäßig am Rumpfe komprimiert.
Körperhaut schuppenlos, chagrinartig, Fettflosse fehlend. Dor-
sale in der Längenmitte des Rumpfes gelegen. Ventrale sehr
klein, in vertikaler Richtung ein wenig vor der Dorsale ein-
gelenkt. Zähne im Zwischenkiefer zweireihig, im Ober- und
Unterkiefer einreihig, mit schlanker Basis, gegen das freie
Ende verbreitert und daselbst in 3 — 5 Spitzen geteilt. Eine
lange Fontanelle am Hinterhaupte.
Gymnocharacinus bergii n. sp.
Kopf kurz, vorne stumpf gerundet, steil abfallend.
Kopflänge 4mal, Rumpfhöhe 32/3mal in der Körperlänge
(d. i. Totallänge mit Ausschluß der Caudale), Kopfbreite zirka
1 1/2 mal, Kopfhöhe etwas mehr als lV3mal, Augendiameter
4 mal, Breite der querüber mäßig gewölbten Stirn fast 3 mal,
Länge der Mundspalte 3 mal, Höhe der Dorsale l8/4mal, Basis-
länge derselben 22/5 mal, Länge der Ventralen 22/6 mal, Basislänge
der Anale weniger als 2 mal, Höhe derselben 2 mal, Länge der
Neue Reptilien und Fischarten. 2 1
zweilappigen Dorsale etwas mehr als 1 mal, Länge der Pecto-
ralen l^mal in der Kopflänge enthalten.
Die Kiefer reichen gleich weit nach vorne. Das hintere
Ende des nach unten umgebogenen Oberkiefers fällt vor die
Augenmitte.
Die Dorsale ist höher als lang; vordere Strahlen derselben
höher als die folgenden, daher der obere Flossenrand schräge
nach hinten abfällt.
Auch der untere Rand der Anale ist schräge gestellt; die
letzten Flossenstrahlen derselben sind halb so lang wie die
vorderen höchsten.
Die geringste Rumpfhöhe des stärker komprimierten
Schwanzstieles übertrifft ein wenig die Hälfte der größten
Rumpfhöhe.
Der Seitenkanal läuft längs der Höhenmitte des Rumpfes
hin. Körperhaut dick, lederartig, fein gerunzelt.
Grundfarbe rötlichbraun. Eine breite dunkelbraune Längs-
binde, sie beginnt hinter dem Kopfe am oberen Teil der
Kiemspalte und liegt bis in die Nähe der Dorsale über dem
Seitenkanal weiter zurück, von der Analgegend an wird sie
von letzterem der Höhe nach gleich geteilt.
D. 11; A. 13. V. 6 an 7.
1 Exemplar, 7!/2 cm lang, aus einem Bache des südlichen
Argentinien, der nach kurzem Laufe in der Ebene verschwindet;
ein zweites kleineres Exemplar skelettiert, beide ein Geschenk
meines langjährigen Freundes Dr. Carlos Berg in Buenos Ayres,
dessen Gedächtnis diese hochinteressante Art gewidmet sei,
die wegen der Schuppenlosigkeit des Körpers eine ganz
exzeptionelle Stellung in der Familie der Characinen einnimmt.
22 F. Steindachner, Neue Reptilien und Fischarten.
Tafelerklärung.
Fig. 1. Chaetodon eques n. sp. in natürlicher Größe.
» 2. Gymnocharacinus btrgii n. g., n. sp., 3 mal vergrößert.
> 2 a. Vordere Ansicht der Mundspalte, 4 mal vergrößert.
F. Steindachner: Neue Reptilien und Fischarten.
* . ._'«
£ Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Classe, Bd. CXII., Abth. I. 1003.
Lichtdruck der k. k. Hof- und Staatsdruckerei.
23
Das Gefößbündelsystem der Cucurbitaceen
von
Prof. Dr. Franz Tondera in Stanislau.
(Mit 5 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 8. Jänner 1903 )
In seinem Werke: Vergleichende Anatomie der Vege-
tationsorgane (S. 259) äußert sich De Bar y bei der kurzen
Erörterung der Gefäßbündelanordnung in der Familie der
Cucurbitaceen, wie folgt: »Die Stränge beider Ringe sind,
soweit die Untersuchung reicht, Blattspurstränge, welche
durchschnittlich zwei Internodien abwärts laufen. Die durch
frühzeitig auftretende unregelmäßige Queranastomosen in den
Knoten sehr erschwerte genaue Ermittlung ihres Verlaufes
bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten.«
Eine nähere Einsicht in das Anastomosennetz der
Stengelknoten der Cucurbitaceen bestätigt wohl die Annahme,
daß die Erforschung des Gefäßbündelverlaufes durch die Quer-
anastomosen sehr erschwert ist; die Behauptung dagegen,
daß die Anastomosen, welche in den Stengelknoten die Ver-
bindung der Stränge vermitteln, unregelmäßig erfolgen, läßt
sich nur an einzelnen, und zwar nur an kultivierten Arten beob-
achten und begründen. Die Untersuchungen beweisen auch,
daß die durchschnittliche Länge der Blattspurstränge, welche
nach De Bary zwei Internodien betragen soll, zu kurz
angenommen wurde.
Die äußerst dürftige Erledigung dieses im hohen Grade
interessanten Gegenstandes, sowie die angeführten Äußerungen
im Werke eines gründlichen Forschers lassen vermuten, daß
24 F. Tondera,
die Untersuchungen über den Gefäßbündelverlauf der Cucur-
bitaceen vor der Verfassung der Vergleichenden Anatomie De
Bary's sehr unzulänglich sein mußten. In derTat beschränken
sich die damals bekannten Untersuchungen auf die Angaben
Lestiboudois',1 Bernhardi's2 und Sanio's,8 die aber, da
die Untersuchungen dieser Forscher einen anderen Zweck
verfolgten, nur gelegentlich erfolgten und vorwiegend den
anatomischen Bau der Stengelquerschnitte einiger Arten
betreffen.
Bald nachher erschien eine namhafte Arbeit, in welcher
die Anordnung der Gefäßbündel und ihr Verlauf, sowie
Anastomosen in den Stengelknoten einer Cucurbitacee gründ-
lich erforscht und dadurch die Grundlage weiterer Unter-
suchungen gegeben worden ist. Es ist dies die Arbeit von
M. G. Dutailly, die unter dem Titel: Recherches anatomiques
et organogeniques sur les Cucurbitacees et les Passiflorees im
Jahre 1879 erschien. In dieser Abhandlung legt der Verfasser
die Ergebnisse seiner Forschungen, welche er an Cucurbita
maxima mittels der Macerationen angestellt hat, nieder und
erläutert mit Hilfe gelungener Zeichnungen den Verlauf der
Gefäßbündel in den Stengelgliedern, sowie die Verzweigungen
und das Anastomosennetz derselben in den Stengelknoten.
Die Wahl der Art Cucurbita maxima fand, wie die Benennung
erklärt, ihre Begründung darin, daß die ausgewachsenen
Glieder dieser Art die mächtigste Entwickelung unter allen
anderen Kürbisarten erlangen. Durch die Untersuchungen
Dutailly's sind die Schwierigkeiten beseitigt worden, welche
die Erörterung der Frage des Gefäßbündelverlaufes in der
Familie der Cucurbitaceen bis dahin unmöglich machten.
Bald nachher erschien ebenfalls in Frankreich eine
umfangreiche Arbeit von H. A.Lotar,4 in welcher der Verfasser
die Anatomie, gelegentlich auch den Gefäßbündelverlauf der
1 Lestiboudois, Etüde sur l'anatomie et la physiologie des vegetaux.
Lille 1840.
* Bernhard i, Beobachtungen über Pflanzengefäße. Erfurt, S. 20.
s Sanio, Botanische Zeitung 1864, S. 227.
4 Henri-Aime Lotar, Essai sur l'Anatomie comparee des organes vege-
tatifs et des teguments seminaux des Cucurbitacees. Lille 1881.
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 25
Cucurbitaceen behandelt. Das schematische Bild des Anasto-
mosennetzes im Stengelknoten einer Cucurbitacee * ist leider
nicht nach der Natur, sondern vielmehr, wie der Verfasser
auch eingesteht, nach den theoretischen Erwägungen von
Bertrand, dem Leiter des Laboratoriums in Lille, gezeichnet.
Die Anastomosen und Kommissuren des Knotens, wie sie in
dieser Figur dargestellt sind, lassen sich in der Natur nicht
wiederfinden.
Die isolierten, d. h. ohne Begleitung von Gefäßbündeln
auftretenden Siebröhren, welche als Siebröhrenbündel als
Verlängerung der Gefäßbündel auch im inneren Bündelringe
der Cucurbitaceen sich vorfinden und welche bei Cucumis
sativus schon Sanio an der Innenseite des Sklerenchymringes
aufgefunden hatte und De Bary in anderen Cucurbitaceen,
immer jedoch an der Innenseite des Sklerenchymringes nach-
gewiesen hatte, wurden zum Gegenstande der Forschungen in
dem Aufsatze von Fischer2 erwählt. In dieser eingehenden
Arbeit, in welcher der Verfasser vorwiegend die Sproßachse
und die Fruchtrinde von Cucurbita Pepo behandelt, ist an über
zwanzig von der Sproßspitze aus sich nachfolgenden Stengel-
gliedern die Entstehung, die Lebensdauer, sowie die Oblitera-
tion der isolierten Siebröhren nachgewiesen worden. Der Ver-
fasser hat in dieser Abhandlung dargelegt, daß die isolierten
Siebröhren nicht nur an der Innenseite, sondern auch an der
Außenseite des Sklerenchymringes, ja sogar in Kollenchym-
strängen sich zahlreich vorfinden und nur wegen der früh-
zeitigen Obliteration im späteren Alter des Stengels kaum zu
erkennen sind. Auf die Ergebnisse dieser Arbeit werde ich
noch später zurückkommen.
Die übrigen Arbeiten, welche in einem gewissen Zu-
sammenhange mit meinen Untersuchungen stehen, werden
an geeigneten Stellen erwähnt werden.
Meine ersten Forschungen über den Gefäßbündelverlauf
i Henri-Aime Lotar, Essai sur l'Anatomie comparee des organes vege-
tatifs et de teguments seminaux des Cucurbitacees. Lille 1881, S. 36.
* Dr. A. Fischer, Untersuchungen über das Siebröhrensystem der
Cucurbitaceen. Berlin 1884.
26 F. Tondera,
der Cucurbitaceen habe ich an der Art Sicyos angulata L.
angestellt. Die Methode der Mazeration, weiche bei den
Pflanzen mit dicken Sproßachsen sehr gute Dienste leistet, ist
für die Arten mit Stengeln von geringer Dicke allein für sich
kaum zu verwenden. •
Die Übung hat mich dagegen belehrt, daß bei den Arten
mit schwach entwickelten Sproßachsen die Mazeration zwar
unumgänglich ist, daß aber die sorgfältig ausgeführten Serien
von Längs- und Querschnitten ein sehr wichtiges Hilfsmittel bei
der Erforschung des Gefäßbündelverlaufes darbieten. Vermittels
dieser kombinierten Untersuchung wird man in den Stand ge-
setzt, auch in sehr feinen Sproßachsen die Anordnung der
Gefäßbündel ohne Unterbrechung zu verfolgen und das Gesamt-
bild des Gefäßbündelnetzes genau darzulegen.
Meine Untersuchungen habe ich an den Stengeln von
achtzehn Arten, welche dreizehn Gattungen angehören, aus-
geführt. Die meisten dieser Arten sind einjährige Pflanzen; von
perennierenden Arten habe ich Thladiantha dubia Bunge,
Bryonia dioica Jacq., Bryonia alba L. und Cucurbita perennis
A. Gray untersucht.
An dem Querschnitte des kantigen Stengels einer Cucur-
bitaceenart — nur Ecballium Elaterium A. Rieh, bildet hier
eine Ausnahme — befinden sich, im Grundparenchym ein-
gebettet, zwei konzentrische Bündelkreise. Die Anzahl der
Gefaßbündel eines jeden Bündelkreises entspricht gewöhnlich der
Anzahl der Stengelkanten, wobei die Bündel des äußeren Kreises
kantenständig sind, die des inneren Kreises dagegen den
Furchen entsprechen.
Mit Ausnahme der Art Bryonia alba L., wo der Stengel
sieben Kanten besitzt, sind alle anderen von mir untersuchten
Cucurbitaceenstengel fünfkantig. Die allgemeine Regel, nach
welcher die Bündel des inneren, sowie des äußeren Bündel-
kreises mit den Stengelkanten gleichzählig sein sollen, weist in
einzelnen Arten Ausnahmen auf, welche bei derselben Art sich
stetig wiederholen. In gewissen Arten verschwindet ein Bündel
des äußeren, oder auch des inneren Bündelkreises so, daß die
Anzahl der Bündel um eins kleiner ist, als die Zahl der Stengel-
kanten, z. B. bei Bryonia dioica L. Bei manchen Arten dagegen
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 27
besitzt der innere Bündelkreis bei fünf Bündeln des äußeren
Kreises nur drei stark entwickelte Bündel im inneren Kreise;
die zwei anderen Bündel dieses Kreises sind sehr schwach und
bilden nur einfache Siebröhrenbündel, welche keinen Gefäßteil
aufweisen, wie z. B. Cyclanihera explodens Naud., Luffa
acutangula Roxb.
In einzelnen Arten befinden sich bei der regelmäßigen
Zusammensetzung der Bündelkreise einzelne überzählige
Bündel bald nur im inneren, bald auch im äußeren Bündelkreise,
wie bei Lagenaria vulgaris Ser. In der Art Cucurbita perennis
A. Gray ist die Anzahl der überzähligen Bündel so groß, daß
man anstatt zweier Bündelkreise am Querschnitte des Siengels
einen fünfstrahligen Bündelstern beobachtet, welcher durch die
Vermittlung der überzähligen Bündel, die zwischen den Bündeln
des inneren und des äußeren Bündelkreises erscheinen, ent-
standen ist. Endlich sind bei Ecballium Elateriutn A. Rieh, die
Gelaßbündel der beiden Kreise zwischen einander eingeschoben,
daß man am Querschnitte des Stengels nur einen Bündelkreis
beobachtet.
Beginnt man bei der Schilderung des Gefaßbündelverlaufes
der Cucurbitaceen mit dem einfachsten Stengelbau, in welchem
die geringste Anzahl der Gefäßbündel beobachtet wird, so
lassen sich nach der Zahl der Bündel und nach der Anordnung
derselben mehrere Typen unterscheiden, die zwar im all-
gemeinen große Verwandtschaft aufweisen, die sich aber durch
die Einzelheiten von einander sehr unterscheiden. Alle von mir
untersuchten Arten lassen sich in folgende Typen einteilen.
I. In dem fünfkantigen Stengel enthält sowohl der äußere
als auch der innere Bündelring je vier asymmetrisch verteilte
Gefäßbündel. Von den äußeren Bündeln sind nur drei kanten-
ständig, das vierte liegt in der Furche des Stengels Bryonia
dioica Jacq.
II. Der äußere Bündelring besteht aus fünf schwächeren,
kantenständigen Gefäßbündeln; im inneren Bündelringe be-
finden sich vier ungleich starke, asymmetrisch verteilte Gefäß-
bündel. Hieher gehören: Thladiantha dubia Bunge, Cucumis
sativus L.
28 F. Tondera,
III. Im äußeren Bündelkreise finden sich fünf schwächere,
kantenständige Bündel vor. Der innere Bündelring umfaßt fünf
Bündel von ungleicher Stärke: drei Gefäßbündel sind stark,
bikollateral und asymmetrisch angeordnet, zwei übrige dagegen
sind sehr schwach entwickelt und bestehen nur aus Sieb-
röhrenbündeln. Die meisten von mir untersuchten Arten weisen
den Bau dieses Typus auf, z. B. Cyclanthera pedata Schrad.,
Benincasa cerifera Sa vi, Trichosanthes colubrina Jacq., Luffa
acutangula Roxb., Sicyos angulata L. und viele andere.
Einige Abweichungen von diesem Typus weisen die Arten:
Cucumis meto L., Trichosanthes palmata Roxb., und Lagenaria
vulgaris Ser. auf. Im allgemeinen stimmt aber ihr Stengelbau
mit dem typischen überein.
IV. Am Stengelquerschnitte findet man fünf stark ent-
wickelte, kantenständige Bündel des äußeren Kreises und sechs
— ein Bündel spaltet sich gewöhnlich in zwei schwächere —
furchenständige Gefäßbündel des inneren Kreises. Zwischen
den alternierenden Bündeln des inneren und des äußeren
Kreises erscheint aber eine Menge überzähliger Bündel von
verschiedener Stärke, welche bewirken, daß im Grundparenchym
des Stengels aus allen Bündeln das Bild eines fünfstrahligen
Sternes entsteht. Hieher gehört Cucurbita per ennis A. Gray.
V. Stengel siebenkantig mit zwei konzentrischen Bündel-
kreisen. Die sieben äußeren Bündel sind kantenständig und stark
entwickelt; die Bündel des inneren Ringes sind von verschiedener
Stärke, jedoch alle bedeutend mächtiger, als die des äußeren
Ringes. Im Marke erscheinen zuweilen, besonders in stärkeren
Stengelgliedern, überzählige Siebröhrenbündel. Diesen Stengel-
bau findet man bei Bryonia alba L.
VI. Stengel glatt, stielrund, ohne Kanten. Die fünf inneren
und fünf äußeren Bündel stehen abwechselnd in einem Kreise;
einige der inneren Gefäßbündel spalten sich stellenweise in
zwei oder sogar drei nebenläufige Bündel: Ecballium Elaterium
A. Rieh.
Bei der Erörterung des Gefäßbündelverlaufes der auf-
gezählten Typen wählte ich für jeden Typus eine Art, deren
Stengelquerschnitt und Gefaßbündelverlauf abgebildet sind, um
Bn derselben die Anordnung der Gefäßbündel genau darzu-
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 29
legen. Diese Arten, welche in ihrem Baue mit der Beschreibung
der typischen Art übereinstimmen, werden als solche angeführt.
Diejenigen Arten dagegen, in welchen die einzelnen Bündel
eine Abweichung in ihrem Verlaufe aufweisen, werden, falls
diese Abweichungen als normal und konstant angenommen
werden müssen, eine besondere Erklärung finden.
Bryonia dioica Jacq.
Im fünfkantigen, an den Kanten abgerundeten Stengel
dieser Art findet man unter der einschichtigen Epidermis an
den Stengelkanten abgeflachte Kollenchymstränge (Taf. I, Fig. 8,
S.); zwischen den Stengelkanten erscheinen im chlorophyll-
haltigen Rindenparenchym stellenweise einzelne Kollenchym-
platten, welche mitunter, besonders in alten Stengelgliedern, zu
einer geschlossenen Kollenchymzone zusammenschmelzen
können. Die chlorophyllhaltige primäre Rinde schließt gegen
den Zentralzylinder mit einer oder zwei Zellschichten, deren
große Zellen reich an Stärkekörnern sind, der Stärkescheide.
Diese grenzt von der Innenseite an den aus mehreren Schichten
Sklerenchymfasern zusammengesetzten, nicht immer geschlos-
senen Skierenchymring. Der ganze innere Raum ist mit groß-
zelligem Parenchym gefüllt, in welchem die bikollateralen
Gefäßbündel scheinbar unregelmäßig zerstreut liegen, bei
genauer Beobachtung aber in zwei Bündelringe zu vier Bündeln
angeordnet erscheinen. Von den Bündeln des äußeren Ringes
stehen zwei an den Kanten des Stengeis, zwei andere weichen
von dieser Stellung so ab, daß alle vier Bündel ein asym-
metrisches Viereck bilden.
Diese bikollateralen Gefäßbündel setzen sich aus einem
äußeren und einem inneren Siebteile, zwischen weichen der
schwach entwickelte Gefäßteil sich befindet, zusammen. Eine
Cambiumschichte kommt in diesen Bündeln nicht vor. Der äußere
Siebteil ist bedeutend größer als der innere und enthält mehrere
große Siebröhren, die mit Geleitzellen versehen im Cribral-
parenchym eingebettet sind. Am äußeren Rande des Siebteiles
befinden sich zahlreiche Cribralprimanen. Der innere Siebteil
weist an seiner Peripherie vorwiegend Cribralparenchym auf.
30 F. Tondera,
Im Gefäßteile beobachtet man einige schmale, ringförmig
und schraubenförmig verdickte Gefaßtracheiden und Gefäße,
die im dünnwandigen Vasalparenchym eingeschlossen sind.
Die vier inneren Gefäßbündel sind bedeutend stärker und
weisen am Querschnitte eine breitere Gestalt auf, da ihr Gefäß-
teil den größten Raum im Bündel einnimmt. Sie sind, ähnlich
wie die Bündel des äußeren Bündelkreises, am Stengelquer-
schnitte asymmetrisch verteilt, unterscheiden sich auch von-
einander durch ihre ungleiche Größe. Von diesen Bündeln
stehen die drei größeren an den Ecken eines beinahe gleich-
schenkligen Dreieckes, das vierte, sehr schwach entwickelte
Bündel nimmt die Lage des fehlenden Bündels des äußeren
Kreises ein.
Im Gefäßteile der größeren Bündel des inneren Bündel-
kreises beobachtet man zunächst an der inneren Grenze sehr
schmale, englumige, im Vasalparenchym eingeschlossene, ring-
förmig verdickte Tracheiden; nach außen findet man ringförmig
und schraubenförmig verdickte Gefäße, denen sehr weitlumige,
behöft getüpfelte Gefäße folgen. Die größten Gefäße grenzen an
den äußeren Siebteil, in welchem zahlreiche Siebröhren mit
ihren Geleitzellen im Cribralparenchym eingebettet stehen.
Gegen den Rand des Siebteiles findet man vorwiegend das
Cribralparenchym, an der Peripherie selbst aber bemerkt man
eine Reihe von Siebröhrenerstlingen.
Ungefähr dieselbe Zusammensetzung weist der innere
Siebteil auf, mit dem Unterschiede, daß derselbe kleiner ist und
vornehmlich aus dem Cribralparenchym besteht, die Siebröhren
dagegen nur in geringer Anzahl sich darin vorfinden.
Im Inneren des Markes kommt zuweilen in älteren Stengeln
ein lysigenischer Hohlraum vor, wie er auch bei vielen anderen
Cucurbitaceenarten beobachtet wird.
Um den Gefäßbündelverlauf mit seinen Anastomosen in
den Stengelknoten übersichtlich darlegen zu können, muß man
zunächst den Verlauf der einzelnen Gefäßbündel von ihrer
Ursprungstelle bis an ihren Ausgang verfolgen. Faßt man nach-
her die bis nun gesondert betrachteten Bündel, die den Stengel
der Länge nach durchziehen, als ein Ganzes zusammen, und
ergänzt man den Längsverlauf mit den Anastomosen und
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 31
Kommissuren, durch welche die Bündel in den Stengelknoten
mit einander verbunden sind, so kommt das Gesamtbild des
Gefaßbündelverlaufes genau zum Vorschein.
An dem Querschnitte des Blattstieles von Bryonia dioica
beobachtet man mehrere, an der Unterseite stärkere, oben
schwächere Gefaßbündel, welche, kreisförmig angeordnet, in
das Parenchym eingebettet sind. An der Ansatzstelle des Blatt-
stieles vereinigen sich die Bündel durch Anastomosen in einen
Ring, aus dessen unteren Bögen drei Blattspurstränge in das
Parenchym des Stengels eintreten. Sie verlaufen an den
Kanten des Stengels, jedenfalls an der Innenseite des Skleren-
chymringes (Taf. I, Fig. 2, a, b> c).
Verfolgt man den Verlauf der einzelnen Blattspurstränge
von ihrer Einbiegungsstelle in den Stengel bis an die Ansatz-
stelle an den Anastomosen des inneren Bündelkreises, so
kommt man zum Schlüsse, daß am Querschnitte eines beliebigen
Stengelgliedes drei Blattspurstränge des nächstoberen Blattes
und ein Strang des zweitoberen Blattes durchschnitten sind.
Der Medianstrang (Taf. I, Fig. 2, b) steigt nur durch ein Stengel-
glied nach unten und setzt sich im nächstunteren Stengelknoten
mittels zweier schräger Kommissuren an die nebenläufigen,
markständigen Gefaßbündel 1 und 2 des inneren Bündelkreises
an. Am oberen Ende gabelt sich der Medianstrang in drei
Schenkel, deren mittlerer in dem Blattstiele verschwindet, die
beiden seitlichen dagegen mit den seitlichen Strängen a und c
sich verbinden.
Die beiden seitlichen Blattspurstränge a, c bilden insoferne
einen einzigen Strang, daß das Gefaßbündel a, welches als
linker lateraler Strang ein Stengelglied durchsetzt und sich im
nächstoberen Knoten mit dem Medianstrange durch eine Ana-
stomose verbindet, noch in das nächstobere Stengelglied hinauf-
steigt und als Bündel c den rechten Lateralstrang des zweit-
oberen Blattes ausmacht. Der linke Lateralstrang des unteren
Blattes wird demzufolge zum rechten Lateralstrange des nächst-
oberen Blattes. Man kann daher die zwei Blattspurstränge in
den unteren Stengelgliedern als vereintläufig betrachten.
Im ganzen steigt der Lateralstrang a! a c durch drei Inter-
nodien nach abwärts. Von der Ansatzstelle des Blattstieles, wo
32 F. Tondera,
er mittels der Kommissur mit dem Medianstrange verbunden ist,
geht er als rechter seitlicher Blattspurstrang c durch ein Stengel-
glied nach abwärts, verbindet sich im nächstunteren Stengel-
knoten durch eine kurze Kommissur mit dem Bündel 2 des
inneren Bündelkreises, außerdem durch eine bogenartige
Kommissur mit dem Medianstrange des Blattes; durch zweit-
unteres Stengelglied verlauft dieses Bündel als linker seitlicher
Blattspurstrang a zum zweitunteren Stengelknoten, wo es sich
durch zwei schräge Kommissuren mit der Queranastomose des
inneren Bündelringes in Verbindung setzt, steigt noch durch
das drittuntere Stengelglied als Blattspurstrang a! nach unten,
um sich im drittunteren Stengelknoten an das Gefäßbündei 2
des inneren Kreises seitlich anzusetzen.
Beobachtet man näher den Gefäßbündelverlauf des inneren
Bündelkreises, so bemerkt man bald, daß an der Entwicklung
der Achselorgane x,yy z eines jeden Stengelknotens sich nur
zwei größere Gefäßbündel beteiligen, nämlich die zwei am Quer-
schnitte nebeneinander liegenden großen Gefäßbündel 1 und 2.
Das Gefäßbündei 2 entspringt im zweitunteren Stengelknoten
als Bündel 2' aus der Queranastomose der unteren Gefäßbündel;
die miteinander bogenartig anastomosierenden Schenkel sind
die nach der Entstehung der Achselorgane, sowie der
horizontalen Queranastomosen zurückgebliebenen Teile der
Gefäßbündel 1 und 2. Das Bündel 2' wird im nächstfolgenden
oberen Stengelknoten durch Queranastomose verstärkt, durch-
setzt als das stärkste Gefäßbündel 2 das folgende Stengelglied
und liefert im zweitoberen Knoten, in Verbindung mit dem
seitlichen Zweige des Bündels 1, drei Seitenorgane, nämlich:
die seitwärts links ausbiegende Ranke x, den vegetativen Sproß
y und die aus der Vereinigung mit dem aus dem Gefäßbündel 2
entstandenen Bündelzweige rechts erscheinende Blüte z.
Der untere Teil des Gefäßbündels 1 entspringt als
schwaches Bündel l'aus der vom Gefäßbündel 1 sich horizontal
abzweigenden Queranastomose. Dieses Bündel wird im höheren
Stengelknoten durch die Verbindung mit der vom Gefäßbündel 2
stammenden Anastomose bedeutend verstärkt, steigt noch durch
ein Stengelglied aufwärts und spaltet sich im nächstfolgenden
Stengelknoten in drei Arme, deren einer die Blüte z liefert, der
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 33
zweite eine bogenförmige Anastomose mit dem Gefäßbündel 2
bildet, der dritte als Queranastomose im Gefäßbündel 2' ver-
schwindet.
Es leuchtet demnach ein» daß an einem Stengelquerschnitte
vom inneren Bündelkreise die drei starken Gefäßbündel 1, 2, 2'
und das schwache Bündel 1' durchschnitten werden.
Betrachtet man nun das Gesamtbild des Gefäßbündelnetzes
in zwei einander nachfolgenden Stengelknoten und dem
dazwischen liegenden Stengelglied, so treten uns zunächst die
Queranastomosen entgegen. Sie bilden die Übergangsglieder
zwischen den stärksten Gefäßbündeln des unteren und des
oberen Internodiums. In jedem Stengelknoten sind nämlich die
zwei Bündel des inneren Bündelkreises 1 und 2 die tätigsten.
Verfolgt man ihren Verlauf, so bemerkt man, daß sie zunächst
durch das untere Stengelglied dicht nebeneinander aufwärts
laufen und jedes derselben sich im nächsten Stengelknoten in
drei Äste spaltet. Aus den bogenartig oben sich vereinigenden
Asten entsteht das Bündel 2' des oberen Stengelgliedes; die
nach einwärts abweichenden Verzweigungen liefern die Seiten-
organe: die Ranke x, den vegetativen Sproß y und die Blüte z;
vermittels der stärksten Äste dagegen, die horizontal als Ana-
stomosen verlaufen, werden die ungefähr gegenüber stehenden
Gefäßbündel 1 und 2 verstärkt. Diese verstärkten Gefäßbündel
übernehmen im nächstoberen Stengelgliede die Rolle der
Bündel 1 und 2 des unteren Stengelgliedes. Außerdem entsteht
ein neues schwaches Gefäßbündel 1' an der horizontalen Ana-
stomose des Bündels 1.
Von den Gefäßbündeln des äußeren Kreises gehen die
Blattspurstränge b und c in den Blattstiel über; das Bündel a
verstärkt dieselben durch eine Seitenanastomose, steigt aber
selbst um ein Stengelglied aufwärts, um als Bündel c im nächst-
folgenden Blatte zu verschwinden.
In allen Stengelexemplaren von Bryonia dioica, die mir zur
Verfügung standen, habe ich den eben geschilderten Gefaß-
bündelverlauf gefunden. Es scheint aber, daß gewisse ältere
Stengelglieder am Querschnitte einen regelmäßigeren Bau,
welcher dem unten zu beschreibenden Stengelbaue von Cyclan-
thera pedata entspricht, haben mögen. Besonders auf Grund der
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 3
34 F. Tondera,
genauen Übereinstimmung des beschriebenen Gefäßbündel-
verlaufes mit dem Verlaufe einzelner Gefaßbündel in dem
Stengel der Art Cyclanthera pedata kann man die Vermutung
hegen, daß die Gefäßbündelanordnung von Bryonia dioica nur
eine einfachere Form des Typus der Cyclanthera pedata dar-
stellt, die durch Verkümmerung eines äußeren und eines inneren
Bündels entstanden ist. Diese Vermutung wird auch durch den
von Lotar beschriebenen und abgebildeten Stengelquerschnitt
bestätigt, an welchem fünf äußere und fünf innere Gefaßbündel
dargestellt sind. l
Cucumis sativus L.
Am Querschnitte des Stengels von Cucumis sativus finden
sich fünf unregelmäßig verteilte und ungleiche Kanten vor; drei
Kanten sind stumpf abgerundet und weit voneinander entfernt
(Taf. II, Fig. 1), zwei dagegen sind näher gerückt und durch
eine tiefe Furche getrennt. Den vier flachen Furchen entsprechen
vier asymmetrisch gestellte große Gefäßbündel des inneren
Bündelkreises; an den Kanten befinden sich fünf schwächere
Bündel des äußeren Bündelringes. Da der Verlauf und die
Anastomosen der Gefäßbündel des inneren Kreises denen von
Bryonia dioica ungefähr analog sind (Taf. II, Fig. 2), sehen wir
von der Beschreibung ihres Verlaufes vorläufig ab. Es kommt
nur darauf an, den Verlauf und die Kommissuren der Gefäß-
bündel des äußeren Kreises oder der Blattspurstränge zu
ermitteln.
Aus jedem Blattstiele steigen drei Blattspurstränge in den
Stengel, nachdem sie sich an der Ansatzstelle des Blattes durch
Anastomosen miteinander verbunden hatten. Der Medianstrang
b V durchsetzt zwei Stengelglieder nach unten und schließt
sich im zweitunteren Knoten seitlich an die Anastomose des
Gefäßbündels 1, welche dieses Bündel mit dem Gefaßbündel 2'
verbindet. Der linke seitliche Blattspurstrang a bildet die
Verlängerung des Stranges a', welcher den rechten Lateralstrang
des nächstunteren Blattes darstellt. Der Blattspurstrang a! geht
1 H. A. Lotar, Essai sur l'Anatomie comparee etc., S. 26.
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 35
durch ein Stengelglied nach unten, verbindet sich mittels
Kommissuren mit der Queranastomose des unteren Stengel-
knotens, durchsetzt noch ein Internodium als Blattspur-
strang an und legt sich seitlich an die Bogenanastomose des
Bündels 2 an.1
Vergleicht man nun den Gefaßbündelverlauf mit dem Quer-
schnitte des Stengels, so fällt sofort auf, daß an einem Stengel-
querschnitte dieselben Gefaßbündel zweimal, ja sogar dreimal
durchschnitten werden, je nachdem diese Bündel durch zwei
oder drei Stengelglieder nach unten steigen. Es treten nämlich
im Stengel zwei Gefaßbündel des inneren Kreises 1 und 2, deren
untere Verlängerung die Bündel \' und 2' bilden, und zwei
Gefaßbündel des äußeren Kreises a und b auf. Da der Blattspur-
strang a durch drei Stengelglieder nach unten steigt, findet man
ihn am Stengelquerschnitte in drei Punkten als ay a\ an. Der
Strang b durchsetzt zwei Stengelglieder, findet sich daher am
Querschnitte als b und V vor.
Der Unterschied zwischen dem Gefäßbündelnetze von
Bryonia dioica und Cucumis sativus besteht darin, daß in der
ersten Art der Blattspurstrang V verschwindet; im inneren Kreise
dagegen ist das Bündel V der Art Bryonia dioica bedeutend
schwächer als das Bündel 1, was bei Cucumis sativus nicht
vorkommt; außerdem hat das Bündel V in Cucumis sativus
seine Ansatzstelle an der Verlängerung des Bündels 1, in
Bryonia dioica ist dagegen dieser Ansatzpunkt auf die Quer-
anastomose des Bündels 1 übertragen.
Der bei Cucumis sativus geschilderte Gefäßbündelverlauf
findet sich auch bei Thladiantha dubia Bunge vor, mit dem
Unterschiede, daß der Blattspurstrang a mit seinem oberen
Ende nicht an die Queranastomose des Bündels 1 sich ansetzt,
sondern sich an den nebenläufigen Blattspurstrang a" anlegt,
um als rechter seitlicher Blattspurstrang des nächstoberen
Blattes noch ein Stengelglied zu durchsetzen.
* Die Angabe De Bary's (vergl. Anat., S. 249), daß die Stränge der
dreisträngigen Blattspur mit der 1 und 2 verschränktläufig seien, ist, wie aus
der Figur ersichtlich, irrtümlich.
3*
36 F. Tondera,
Cyclanthera pedata Schrad.
Dieser Typus umfaßt die meisten Arten, welche ich auf den
Gefäßbündelverlauf untersucht habe. Hiehergehören: Benincasa
cerifera Savi, Coccinia indica W. & A., Cyclanthera explodens
Naud., Luffa acutangula Roxb., Momordica Charantia L.,
Sicyos angulata L., Trichosanthes colubrina Jacq., Tricho-
santes palmata Roxb., Cucumis melo L. und Lagenaria
vulgaris Ser. Die drei letzteren Arten, welche in den Einzelheiten
ihrer Gefäßbündelanordnung gewisse Abweichungen von dem
typischen Bau darbieten, werden nachträglich besonders
besprochen werden.
An dem Querschnitte des Stengels von Cyclanthera pedata
beobachtet man an den Stengelkanten fünf mächtige Kollen-
chymbündel (Taf. I, Fig. 1, s). An das chlorophyllhaltige Paren-
chym grenzt der mehrschichtige Sklerenchymring r, welcher in
jungen Stengelgliedern einen geschlossenen Kreis bildet, in
ausgewachsenen Stengelgliedern dagegen an den Stellen
zwischen den Gefäßbündeln sich auflöst und nur aus Stücken,
die über den Gefäßbündeln liegen, besteht. In dem großzelligen
Grundparenchym finden sich zehn in zwei Bündelkreisen ange-
ordnete Gefäßbündel vor. Die bikollateralen Gefäßbündel des
äußeren Kreises besitzen alle ungefähr dieselbe Entwicklung;
die Bündel des inneren Ringes unterscheiden sich vielfach
voneinander durch ihre Stärke und ihren Bau. In der Regel
besitzen die drei großen Gefäßbündel 1, 2, 1' den gleichen
bikollateralen anatomischen Bau und gleiche Entwicklung;
ganz anders verhalten sich die zwei schwächeren Bündel 2'
und 2", welche die untere Verlängerung des bikollateralen
Bündels 2 bilden.
Was den anatomischen Bau der letztgenannten Bündel
anbelangt, nimmt man bei den Arten dieses Typus eine große
Verschiedenheit wahr; sie sind manchmal sogar bei derselben
Art, je nach dem Alter des Stengelgliedes, veränderlich.
Im einfachsten Falle enthalten diese Bündel auch in den
ältesten Stengelgliedern nur Siebteile, sie bilden somit die
isolierten Siebröhrenbündel, welche im drittoberen Stengelgliede
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 37
zu gewöhnlichen bikollateralen Bündeln sich umgestalten.
Solche Bündel kommen in den Arten: Coccinia indica W. & A.,
Trichosanthes colubrina Jacq., Sicyos angulata L. und Cyclan-
tkera explodens Naud. vor.
In anderen Arten erscheinen in jungen Stengelgliedern in
diesen Bündeln nur Siebteile, sie bekommen aber in älteren
Internodien an ihren Innenseiten ein oder einige Gefäße, bilden
sich daher in kollaterale Bündel um. Sie unterscheiden sich von
den bikollateralen Bündeln des inneren Kreises nicht nur durch
den einfachen kollateralen Bau, sondern auch durch die
Abwesenheit der englumigen Gefaßtracheiden, welche jedenfalls
in den bikollateralen Bündeln vorhanden sind. Solche Bündel
beobachtet man in den Arten: Momordica Charantia L., Luffa
acutangula Roxb., Cyclanthera pedata Schrad.
Endlich gehören diesem Typus auch Arten an, in welchen
alle fünf Bündel des inneren Bündelkreises einen ungefähr
gleichen bikollateralen Bau aufweisen, z. B. die Arten: Benin-
casa cerifera Savi, Cucurbita Pepo L. und Cucumis ntelo L.
Der äußere Bündelring von Cyclanthera pedata enthält
fünf Blattspurstränge, die von den oberen drei Blättern herab-
steigen ; a, b, a! gehören als dreisträngige Blattspur dem nächst-
oberen Blatte an, af, V, a11 biegen im zweitoberen Stengelknoten
in den Blattstiel aus, a" bildet noch eine Verlängerung als
rechter seitlicher Blattspurstrang in das drittobere Blatt, in
dessen Basis er verschwindet.
Von den Bündeln des inneren Kreises finden die Gefäß-
bündel 1 und 2 in dem nächstoberen Stengelknoten in den
seitlichen Achselorganen ihren teil weisen Abschluß; das Gefaß-
bündel V und das kollaterale Bündel 2' verlängern sich in das
obere Stengelglied, wo sie als bikollaterale Bündel 1 und 2
auftreten und im zweiten Stengelknoten die seitlichen Organe
liefern. Das kollaterale Bündel 2" gehört als späteres Bündel 2
dem drittoberen Stengelknoten an.
Der Verlauf und die Anastomosen der einzelnen Gefaß-
bündel bieten keinen bedeutenden Unterschied von dem Verlaufe
und den Anastomosen der Gefäßbündel in der Art Cucumis
sativus. Man muß dennoch zunächst die einzelnen Bündel ins
Auge fassen und ihren Verlauf von dem Eintritte in den Stengel
38 F. Tondera,
bis an die Ansatzstelle an den Anastomosen genau verfolgen,
wenn man eine klare Übersicht des ganzen Bündelnetzes
erlangen will.
Bei der Beobachtung der Bündel des äußeren Bündelringes
bemerkt man, daß alle diese Bündel Blattspurstränge sind. Der
mediane Strang verlauft durch zwei Stengelglieder, die lateralen
Blattspurstränge steigen durch drei Internodien nach abwärts.
Der mittlere Blattspurstrang b tritt in den Stengel durch die
Mitte des Querbogens, welcher aus den Anastomosen an der
Ansatzstelle des Blattes entsteht. Von diesem Punkte steigt
dieser Strang durch ein Stengelglied hinab, vereinigt sich durch
Kommissuren mit der Queranastomose «, verlauft noch ein
Stengelglied nach abwärts und legt sich seitlich an den bogen-
artigen Schenkel / des Bündels 2 an.
Die lateralen Blattspurstränge a und a! sind für je zwei
aufeinander folgende Blätter gemeinschaftlich, indem der rechte
obere Lateralstrang die Verlängerung des linken unteren
Lateralstranges bildet.
Verfolgt man den Verlauf des Blattspurstranges a, so
bemerkt man, daß er als rechter seitlicher Strang ein Stengel-
glied durchsetzt und sich im unteren Stengelknoten mittels
einer einfachen Kommissur mit der Anastomose m verbindet.
Unter dem Knoten erscheint an diesem Strange eine Abzwei-
gung, welche nach der rechten Seite ausbiegt und sich als
linker Lateralstrang mit dem medianen Blattspurstrange des
unteren Blattes verbindet. Nachher zieht er als linker Blattspur-
strang noch durch zwei Stengelglieder nach unten und schließt
sich seitlich dem bogenartigen Arm 5 des Bündels 1 an. Der
untere Teil dieses Blattspurstranges gehört somit durch zwei
Stengelglieder als linker Lateralstrang dem rechten Blatte an
und ist mit dem linken Lateralstrange des nächstoberen Blattes
vereintläufig.
Die Stränge an und b'y die am Querschnitte sich vorfinden,
entsprechen den gleichnamigen Blattspursträngen des hinteren
Blattes.
Von den Bündeln des inneren Bündelkreises sind für jeden
Stengelknoten die Bündel 1 und 2 die wichtigsten. Das Bündel
1, welches im z<veitunteren Stengelknoten als Bündel l7 aus
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 39
der Vereinigung der beiden Schenkel 5 und / der unteren
Gefäßbündel 1 und 2 entstanden ist, verstärkt sich während
seines Verlaufes im mittleren Stengelknoten durch die Ana-
stomose «; es steigt noch durch ein Stengelglied nach aufwärts
und spaltet sich im nächstoberen Stengelknoten in drei große
Zweige. Der nach auswärts ausbiegende Zweig teilt sich in
drei kleinere Arme, aus welchen die drei Seitenorgane sich
bilden: x die links ausbiegende Ranke, xf der vegetative Seiten-
sproß und xf' die weibliche Blüte. Der Arm m bildet die Quer-
anastomose, aus welcher das Gefäßbündel 2 des nächstoberen
Stengelgliedes hauptsächlich entstanden ist; aus dem bogen-
artigen Arme 5 entsteht in Verbindung mit dem Arme / das
Gefaßbündel 1' des folgenden Internodiums. An diesen Arm
setzt sich der Blattspurstrang a" seitlich an. In der Ecke, wo
die Zweige m und 5 zusammenkommen, hat das Bündel 2 des
drittoberen Stengelgliedes seinen Ursprung als schwaches
kollaterales Bündel 2".
Das mit dem Bündel 1 nebenläufige Bündel 2, dessen
Ursprungsstelle eben angegeben worden ist, geht durch drei
Stengeiglieder und zwar in den zwei unteren Internodien als
kollaterales Bündel 2" und 2'; vor dem Eintritte in das dritte
Stengelglied wird dieses Bündel durch die Anastomose m
verstärkt, steigt als mächtiges bikollaterales Gefäßbündel durch
das dritte Internodium nach oben und teilt sich im nächsten
Stengeiknoten in drei Äste. Der Ast t steigt bogenartig nach auf-
wärts, um in Verbindung mit dem Arme 5 das Bündel 1' zu
bilden; der zweite hxmy liefert den männlichen Blütenstand;
der dritte Schenkel n tritt als Anastomose zwischen dem Bündel
2 und dem Bündel 1 des nächstoberen Stengelgliedes auf. Die
anderen Bündel 2' und 2", die am Querschnitte sich vorfinden,
gehören den gleichnamigen Teilen der Bündel an, die in höheren
Stengelknoten ihren Abschluß finden.
Aus dieser Darlegung ersieht man, daß in jedem Stengel-
knoten die zwei Bündel des inneren Bündelkreises 1 und 2 die
tätigsten sind, indem aus denselben alle achselständigen Seiten-
organe ihren Ursprung nehmen; der Überschuß derselben wird
teilweise zur Bildung der Bündel des oberen Stengelgliedes 1'
und 2, teilweise zur Verstärkung des Bündels 1 verwendet
40 F. Tondera.
Die Bündel 1 und 2 übernehmen dieselbe Tätigkeit im folgenden
Stengelknoten.
Den eben dargelegten Gefäßbündelverlauf weisen die
meisten von mir untersuchten Arten dieses Typus auf. Die
Abweichungen, die in einzelnen, oben erwähnten Arten vor-
kommen, betreffen hauptsächlich die Bündelstücke 2' und 2",
d. h. die untere Verlängerung des Bündels 2. Dieses Bündel ist
nämlich in dem unteren Teile vorwiegend ein Siebröhrenbündel,
welches keinen Gefäßteil besitzt. Es kommt aber in gewissen
Arten vor, daß entweder das Stück 2/, oder aber 2' und 2" zu
kollateralen Bündeln sich umgestalten, d. h. an ihrer Innen-
seite von einem Gefaßbündel begleitet werden, z. B. in den
Arten: Momordica Ckarantia, Luffa acutangula, Cyclanihera
pedctia (Taf. I, Fig. 1, 2', 2").
In den Arten Benincasa cerifera und Cucurbita Pepo x sind
die genannten Bündelstücke sehr stark entwickelt und den drei
anderen Gefäßbündeln des inneren Bündelringes beinahe gleich
(Taf. I, Fig. 7).
In den Stengeln von Cucumis tnelo ist dagegen mitunter
ein Bündel des inneren Bündelkreises in zwei sehr schwache
nebenläufige Bündel gespalten.
Auf dem Querschnitte des Stengels von Lagenaria vulgaris
(Taf. II, Fig. 5) beobachtet man zwischen den Bündeln 1 und 2'
des inneren Bündelringes ein sehr schwaches Siebbündelchen «,
welches an der Anastomose zwischen den Bündeln 2' und 1
seinen Ursprung nimmt (Taf. II, Fig. 7, 5) und nur ein Stengel-
glied durchsetzt, um an der Anastomose des folgenden Stengel-
knotens zu verschwinden. *
Das Gefäßbündelsystem von Coccinia indica stimmt in den
meisten untersuchten Stengelgliedern mit dem typischen Bau
überein (Taf. V, Fig. 4). Es kommen aber auch einzelne
Exemplare vor, an deren Querschnitte nur vier äußere und vier
innere Gefäßbündel erscheinen, oder fünf äußere und vier innere
Bündel sich vorfinden. In diesen Fällen entspricht der Gefäß-
1 Vergl. Dutailly, Recherches anatomiques et organogeniques sur los
Cucurbitacees, Taf. I, Fig. 7.
H. A. Lotar, Essai sur Vanatomie comparee etc., S. 60.
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 41
bündel verlauf von Coccinia inäica den zwei zuerst geschilderten
Typen. Auf Grund dieser Erscheinung kann man auch der
Vermutung beistimmen, daß die Typen mit vier inneren Bündeln
durch Verkümmerung eines Gefäßbündels entstanden sind, daß
daher die Gefäßbündelanordnung mit zwei Bündelkreisen zu
fünf Bündeln als das Ursprüngliche und Maßgebende in der
Familie der Cucurbitaceen anzunehmen ist.
Als eine besondere Abart in der Anordnung der Gefäß-
bündel dieses Typus, deren Eigentümlichkeiten konstant sind,
ist noch das Gefaßbündelsystem von Trichosanthes palmata
anzuführen. Man beobachtet in dieser Art Abweichungen
sowohl in dem äußeren wie in dem inneren Bündelkreise.
Im äußeren Bündelringe ist der Verlauf der seitlichen Blatt-
spurstränge a und V1 (Taf. III, Fig. 3) insoferne auffallend, daß
beide Lateralstränge von der Ansatzstelle ihres Blattes aufwärts
steigen, wobei V1 zwei Stengelglieder, a sogar drei Stengel-
glieder durchsetzt, um nachher als Medianstrang in das höher
liegende Blatt auszubiegen.
Unter den Bündeln des inneren Ringes beobachtet man,
daß das Bündel V nicht aus der Vereinigung der Bogenana-
stomosen 5 und / seinen Ursprung nimmt, sondern eine gerade
Verlängerung des Bündels 2 ausmacht. An der Steile dagegen,
wo sich die Bogenanastomosen verbinden, entsteht ein
schwaches Bündel des äußeren Bündelkreises.
Es leuchtet ein, daß, wenngleich der Stengelquerschnitt
von Trichosanthes palmata (Taf. IV, Fig. 6) dem Querschnitte
von Cyclanthera pedata ungefähr gleichkommt, die an beiden
Querschnitten beobachteten Bündel nicht analog sind.
Cucurbita perennis A. G r ay.
An dem Querschnitte des fünfkantigen, an den Kanten
abgerundeten Stengels von Cucurbita perennis findet man unter
der Epidermis beinahe am ganzen Umfange des Stengels breite
Kollenchymplatten, die aber niemals in einen geschlossenen
Kollenchymring verschmelzen, sondern stellenweise durch das
Rindenparenchym unterbrochen sind. Dieses Parenchym bildet
eine an der Innenseite der Kollenchymplatten ausgebreitete
42 F. Tondera,
Zone, welche an den Sklerenchymring (Taf. V,Fig. 1, r) angrenzt.
In der Umgebung des Sklerenchymringes, besonders aber in
dem Parenchym an dessen Innenseite, finden sich zahlreiche, im
späteren Alter der Stengelglieder obliterierte, isolierte Sieb-
röhren vor, die das Grundparenchym in allen Richtungen durch-
setzen. Solche Bündel hat Fischer in der Art Cucurbita Pepo
genau untersucht und ebenfalls in der Nähe des Sklerenchym-
ringes in großer Anzahl nachgewiesen.
Im Grundparenchym des Stengels beobachtet man am
Querschnitte einen fünfstrahligen Stern. Das Bild dieses Sternes
wird durch eine im Zickzack laufende Linie hervorgerufen,
welche aus Gefäßbündelquerschnitten, die reihenweise an-
geordnet sind, besteht (Taf. V, Fig. 1). An den inneren und
äußeren Ecken dieser gebrochenen Linie befinden sich die
stärksten Gefäßbündel; die geraden Linienstücke enthalten
gegen außen kleinere, gegen innen größere Gefäßbündel. Mit
Ausnahme der kleinsten Bündel (Taf. V, Fig. 1, 1), die neben
den äußersten Bündeln verlaufen und isolierte Siebbündel dar-
stellen, sind alle Bündel bikollateral. Mitunter bemerkt man
querverlaufende Siebröhren, welche die äußersten Gefäßbündel
untereinander oder auch mit dem entokyklischen Siebbündel-
systeme verbinden.
Wie bei den meisten Cucurbitaceenarten, die einen fünf-
kantigen Stengelbau aufweisen, unterscheidet man bei Cucur-
bita perennis fünf äußere: a8, 7, ß, a'8', Y Gefaßbündel, deren
einzelne sich in zwei nebenläufige Bündel (a8, a'8') spalten
können. Dasselbe bemerkt man an den inneren Bündeln: aa\ c,
e, bVy äy unter welchen die Bündel aa\ bV doppelt erscheinen.
Von den Bündeln des inneren Bündelringes spalten sich
gewöhnlich diejenigen in zwei nebenläufige Bündel, welche in
den nächstoberen Stengelknoten an der Bildung der Achsel-
organe sich beteiligen.
Der Verlauf und die Anastomosen der Gefäßbündel sind an
der Taf. V, Fig. 2 übersichtlich dargestellt. Die zwei neben-
läufigen Bündel des inneren Bündelkreises bV, die an der Quer-
anastomose m ihren Ursprung nehmen, steigen durch zwei
Stengelglieder nach oben,anastomosieren als Bündel aa! in dem
zweitoberen Stengelknoten miteinander und mit dem Bündel 8
Gefaßbündelsystem der Cucurbitaceen. 43
des äußeren Bündelringes und bilden die Achselorgane. Aus
dem Bündel a! entspringt ein nach auswärts ausbiegender
Bündelarm, der sich sofort in drei Zweige spaltet. Der mittlere
Zweige bildet den vegetativen Seitensproß, an welchem zur
Rechten die Blüte z, zur Linken die Ranke x entspringt. In die
Ranke biegt auch ein Teil des äußeren Bündels a aus. Aus dem-
selben Gefäßbündel entspringt auch das Bündel des äußeren
Kreises a'; aus der Anastomose, welche die Bündel a und a!
verbindet, nimmt das mit a! nebenläufige Bündel 87 seinen
Ursprung. Das Bündel a setzt nach der Anastomose seinen
Verlauf nach oben als Bündel e fort, anastomosiert im nächsten
Stengelknoten mit dem Gefäßbündel c, steigt noch durch vier
Stengelglieder als Bündel dy c, b, a nach oben, um im fünften
Stengeiknoten die ursprüngliche Rolle zu übernehmen. Ähn-
lichen Verlauf weisen die übrigen Gefäßbündel des inneren
Bündelringes auf.
Die Blattspurstränge bieten einen einfacheren Verlauf dar.
Der rechte Blattspurstrang des zweitoberen Blattes aa' und der
linke Blattspurstrang des erstoberen Blattes besitzen eine
gemeinschaftliche Ursprungsstelle an der Queranastomose der
Gefößbündel a und a\ Der mittlere Blattspurstrang y'y setzt sich
an die untere Anastomose der Gefaßbündel b d an, zieht durch
zwei Stengelglieder nach oben und verbindet sich mit den
Lateralsträngen a, ß durch bogenartige Kommissuren, an welche
die zahlreichen Gefäßbündel des Blattstieles sich anschließen
(auf der Zeichnung Taf.V, Fig.2 sind diese Bündel weggelassen).
Was die übrigen bikollateralen Gefäßbündel sowie Sieb-
bündel anbelangt, die den Raum zwischen den Bündeln des
inneren und des äußeren Bündelkreises erfüllen, sind dieselben
als überzählige oder Nebenbündel zu betrachten. Ihr Ursprung
ist immer an der Anastomose m zu finden; sie setzen sich nach
dem Verlaufe von vier Stengelgliedern an die Anastomose n an
und beteiligen sich derart an der Bildung der Achselorgane.
Bryonia alba L.
Der Stengel dieser perennierenden Art unterscheidet sich
von anderen Cucurbitaceenstengeln dadurch, daß er nicht fünf-,
sondern siebenkantig ist (Taf. III, Fig. 2). Die Kanten weisen
44 F. Tondera,
zwar eine ungleiche Entwicklung auf, die Untersuchung des
inneren Stengelbaues liefert aber den Beweis, daß alle Stengel-
kanten gleichwertig sind.
Am Umfange des Stengels beobachtet man unter der
Epidermis breite Kollenchymplatten (S,s), deren Mächtigkeit an
den Stengelkanten die auffallendste ist. Das chlorophyllhaltige
Rindenparenchym ist von dem Sklerenchymring durch eine
zweischichtige Stärkeschicht getrennt. Die Zellen des Grund-
parenchyms sind auch in alten Stengelgliedern mit Stärke-
körnern gefüllt so, daß alle Gefäßbündel im stärkehaltigen
Grundparenchym eingebettet sind. Der äußere Gefäßbündelring
umfaßt sieben kantenständige, bikollaterale gleichgroße Gefaß-
bündel; die sieben Bündel des inneren Ringes unterscheiden
sich von einander durch ihre Größe. Die Gefäßbündel nämlich,
aus welchen im nächstoberen Stengelknoten die achselständigen
Seitenorgane entspringen, erscheinen immer als die mächtigsten
am Querschnitte des Stengels. Im Inneren des Markes älterer
Stengelglieder beobachtet man einige markständige Siebbündel
(Taf. III, Fig. 2, d).
Die Blattspur ist in der Art Bryonia alba immer drei-
strängig, der Verlauf der Blattspurstränge kurz und einfach.
Der linke Lateralstrang a steigt durch drei Stengelglieder, der
Medianstrang b und der rechte seitliche Strang c durch zwei
Stengelglieder hinab und schließen sich den Anastomosen des
drittunteren, respektive des zweitunteren Stengelknotens an.
Der linke Lateralstrang geht mithin (Taf. III, Fig. 1, a) von der
Ansatzstelle des Blattes als das Bündel a durch ein Stengel-
glied nach unten, verbindet sich durch schräge Kommissuren
mit den Bündeln 3 und 5 neben der Anastomose m, zieht als
Bündel a! und an noch durch zwei Internodien nach abwärts,
und setzt sich an die Anastomose m an. Der Medianstrang geht
als b und bf durch zwei Stengelglieder nach unten und schließt
sich der Anastomose n dicht neben der Verzweigungsstelle
des Bündels 5 an. Der rechte Lateralstrang c vereinigt sich
durch Kommissuren im nächstunteren Stengelknoten mit der
Anastomose w, steigt als Bündel d durch das zweituntere
Stengelglied und legt sich seitwärts an die bogenartige
Anastomose des Bündels 7 an.
Geräßbündelsystem der Cucurbitaceen. 45
Um den Verlauf der Gefäßbündel des inneren Bündel-
kreises genau verfolgen zu können, muß man mit dem Gefäß-
bündel 6 beginnen. Dieses Bündel entsteht an dem Vereinigungs-
punkte y der zwei bogenförmigen Anastomosen der Bündel 5
und 7; es zieht durch ein Stengelglied nach oben, wird durch
die Anastomose n, die vom Bündel 5 ausgeht, im nächsten
Stengelknoten verstärkt, steigt noch durch ein Stengelglied nach
oben und teilt sich im zweitoberen Knoten in vier ungleiche
Äste ein. Der stärkste dieser Äste steigt als Bündel 1 nach auf-
wärts; der rechte Ast m bildet die Anastomose mit zwei benach-
barten Gefaßbündeln und dient hauptsächlich zur Verstärkung
des Bündels 5; der linke bogenartig aufsteigende Schenkel
trägt zur Bildung des oberen Bündels 6 bei, der nach auswärts
ausbiegende Arm gabelt sich in zwei schwächere Bündel z und
y. Das Bündel z versieht die un verzweigte Ranke, das Bündel^
vereinigt sich mit der gleichnamigen Abzweigung des Bündels
5 und bildet den vegetativen Sproß.
Beobachtet man den Verlauf des Bündels 1, welches die
Verlängerung des Bündels 7 ausmacht, so bemerkt man, daß
dasselbe als Bündel 1, 2, 3, 4, 5 fünf aufeinander folgende
Stengelglieder durchlaufen muß, um im fünftoberen Stengel-
knoten als das Bündel 5 an der Verästelung des Stengels teil-
zunehmen. Dabei gabelt sich dieses Bündel in drei Arme. Der
mächtigste teilt sich wieder in zwei kleinere x und y; x ver-
schwindet in dem Blutenstände, y vereinigt sich mit dem
entsprechenden Zweige des Bündels 7 und biegt in den oben
erwähnten vegetativen Achselsproß aus. Die aufsteigende
Anastomose bildet den Ursprung des Bündels 6, die horizontale
Anastomose n verstärkt das Bündel 7 des oberen Stengelgliedes.
Aus der Gefäßbündelanordnung ersieht man leicht, daß die
Blattstelhing der Art Bryonia alba der Divergenz 8/7 entspricht.
Diese Blattstelhing findet sich bei keiner anderen von mir
untersuchten Art vor; demgemäß findet man einen analogen
Gefäßbündel verlauf in keiner anderen Cucurbitaceenart.
Ecballium Elaterium A. Rieh.
In allen bisher beschriebenen Arten trat uns ein kantiger
Stengel entgegen; die Zahl der Blattspurstränge, sowie die
46 F. Tondera,
Zahl der Bündel des inneren Bündelringes richtete sich vor-
wiegend nach der Zahl der Stengelkanten. In der Art Cucurbita
perennis sind zahlreiche Gefäßbündel in einem fünfstrahligen
Stern angeordnet. In allen diesen Fällen sind demnach alle
Gefäßbündel, ohne Unterschied, ob sie dem äußeren oder dem
inneren Bündelkreise angehören, in einem der Stengeloberfläche
parallelen Gürtel zusammengestellt. Bei Ecballium Elaterium
nimmt man einen stielrunden Stengel wahr; demzufolge sind
alle Gefäßbündel in einem einzigen Kreis angeordnet. Dessen-
ungeachtet lassen sich die Blattspurstränge von den Gefäß-
bündeln, die dem inneren Bündelkreise entsprechen, genau
nach ihrer Größe und Funktion unterscheiden.
Der bikollaterale Bau der Gefäßbündel von Ecballium
Elaterium weist aber einen Unterschied vom anatomischen
Bau der übrigen Cucurbitaceenbündel auf. An den Gefäßbündeln
beobachtet man hier nämlich einen mächtigen äußeren Sieb-
teil und einen großen Gefäßteil; der innere Siebteil ist dagegen
auffallend klein und besteht aus Cribralparenchym und Cribral-
primanen am Rande des Siebteiles. Je breiter der Gefaßteil,
desto kleiner der innere, desto größer der äußere Siebteil. Da
die Bündel von Ecballium Elaterium nahe nebeneinander
stehen, kann man annehmen, daß der innere Siebteil nur in
diesem Falle sich ausbilden kann, wenn zwischen den einzelnen
Bündeln ein genügender Raum für das Grundparenchym hinter-
bleibt. Zwar ist das Vorhandensein der inneren Siebbündel
in bikollateralen Bündeln nicht durch das Grundparenchym be-
dingt, wohl aber durch die isolierten Siebbündel, welche in
diesem Parenchym als Kommissuren eingebettet sind und die
Eiweißströmung zwischen der Rinde und den Siebröhren des
inneren Siebteiles vermitteln. Diese Annahme wird durch die
Untersuchungen Fischer* s an den Stengeln von Cucurbita Pepo
bestätigt. x Umgekehrt muß man daraus folgern, daß in allen
Fällen, wo in dem Stengel bikollaterale Gefäßbündel vorhanden
sind, auch die isolierten Siebbündel als Kommissuren sich auf-
finden lassen müssen. Am Querschnitte des stielrunden Stengels
1 Dr. A. Fischer, Untersuchungen über das Siebröhrensystem der
Cucurbitaceen, Taf. VI, Fig. 1, 8, 10, 14.
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 47
von Ecballium Elaterium beobachtet man unter der Epidermis
das rundzellige,chlorophyllhaltigeRindenparenchym, welches an
den einschichtigen, stellenweise unterbrochenen Sklerenchym-
ring (Taf. V, Fig. 6, r) angrenzt. Das Rindenparenchym, welches
an der inneren Seite des Sklerenchymringes liegt, besitzt sehr
zahlreiche, isolierte Siebröhren; dieselben erscheinen in der
Nähe der äußeren Siebbündel als querverlaufende Kommissuren.
Die bikollateralen Bündel erreichen in älteren Stengelgliedern
solche Mächtigkeit, daß die Zellen des dazwischenliegenden
Grundparenchyms durch seitlichen Druck deformiert sind.
In dem Grundparenchym des Stengelquerschnittes findet
sich, wie oben erwähnt, nur ein Bündelkreis vor. Die fünf
stärkeren Gefaßbündel 1, 2, l7, 27, 277, welche den Bündeln des
inneren Bündelkreises der bisher geschilderten Arten ent-
sprechen, alternieren mit den schwächer entwickelten, neben-
läufigen Blattspursträngen (a, b, c, d, e) Das Bündel 27 (Taf. V,
Fig. 7) spaltet sich während des Verlaufes durch das Stengel-
glied in drei oder vier nebenläufige Bündel, die sich vor dem
oberen und unteren Stengelknoten vereinigen, so daß man im
Knoten nur ein mächtiges Bündel findet. Dieselbe Erscheinung
tritt auch im Bündel l7 auf mit dem Unterschiede, daß die
schmalen nebenläufigen Bündel durch zwei Internodien getrennt
verlaufen und erst in der unteren Hälfte als Bündel 2 vereint-
läufig sind.
Die seitlichen Sprosse nehmen ihren Ursprung aus den
Bündeln l7 und 27; diese Gefaßbündel verbinden sich im
Stengelknoten mit den Gefaßbündeln 1 und 2/7 durch Quer-
anastomosen. An den Blattspursträngen finden sich die
Kommissuren nur am unteren Teile des rechten seitlichen Blatt-
spurstranges vor, und verbinden denselben mit den neben-
läufigen Bündeln 1' und 2'7.
Die Blattspur ist dreisträngig und umfaßt in jedem Stengel-
knoten die drei schmalen Bündel, welche neben den Bündeln
r und 27 verlaufen. Vor dem Eintritte in den Blattstiel vereinigen
sich die drei Blattspurstränge durch bogenförmige Kommissuren,
aus welchen die Bündel des Blattstieles entspringen.
Der linke Lateralstrang steigt noch durch ein Stengelglied
nachoben,umim nächstoberen Stengelknoten als rechter Lateral-
48 F. Tondera,
sträng in den Blattstiel einzutreten. An die Stelle des medianen
und des rechten Blattspurstranges, welche sich in das obere
Stengelglied nicht verlängern, treten zwei neue Bündel auf: der
mediane Blattspurstrang des zweitoberen Blattes, welcher aus
der Anastomose m zwischen den Bündeln 2 und 2" entspringt,
und der linkje seitliche Blattspurstrang des genannten Blattes,
welcher aus dem unteren Teile des Bündels 1 seinen Ursprung
nimmt.
Bei der Beobachtung des Gefaßbündelverlaufes fällt der
Umstand auf, daß, wenngleich die Blattspuren in demselben
Bündelringe mit den markständigen Bündein abwechselnd
angeordnet sind, der Verlauf derselben jedoch dem Verlaufe
der Bündel des äußeren Ringes anderer Arten analog ist; die
Ansatzstellen der Blattspurstränge an den anastomosierenden
größeren Gefäßbündeln, sowie die Kommissuren, mittels deren
sich dieselben mit den Queranastomosen verbinden, entsprechen,
soweit sie vorhanden sind, den bei dem Typus der Cyclanthera
pedata dargelegten Verhältnissen.
Die untersten Stengelglieder.
Die bisher erörterten Gefäßbündelsysteme finden sich in
allen vollkommen ausgewachsenen Stengelgliedern der ge-
schilderten Arten vor; die untersten Stengelglieder weisen
dagegen verschiedene Abweichungen auf, welche bei manchen
Arten in konstante Eigentümlichkeiten übergehen können.
Mit Ausnahme des hypokotylen Gliedes tritt uns an den
Querschnitten der meisten Arten schon in den unteren
Stengelgliedern der ungleich pentamere Stengelbau entgegen;
die Blattstellung entspricht damals der Divergenz 2/s- Ich habe
aber unter den untersuchten Arten in dieser Hinsicht Aus-
nahmen angetroffen; es gibt nämlich Arten, welche in den
untersten Stengelgliedern einen tetrameren Stengelbau besitzen,
die unteren Laubblätter sind in diesem Falle opponiert, in den
aufeinanderfolgenden Blattparen alternierend. Diese Eigen-
tümlichkeit wiederholt sich stetig in den Arten: Trichosanthes
palmata, Trichosanthes colnbrina, Momortica Charanthia und
Cyclanthera pedata. Das Gefäßbündelsystem der untersten
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 49
Stengelglieder und Stengelknoten der genannten Arten habe
ich einer eingehenden Untersuchung unterzogen und die
Ergebnisse dieser Arbeit will ich hier wenigstens an der Art
Trichosanthes palmaia vorlegen. Der Übergang von der
gegenständigen Blattstellung der Kotyledonen in die schrauben-
ständige Anordnung der höheren Laubblätter, welcher in den
meisten Arten schon in dem Kotyledonarknoten sich vollzieht
(Taf. II, Fig. 4), erstreckt sich in diesen Arten auf einige
Stengelglieder und bildet in einzelnen Stengelknoten be-
merkenswerte Übergangsstadien.
Trichosanthes palmata Roxb.
Der Querschnitt des hypokotylen Stengelgliedes weist
zwei Bündelringe zu sechs Gefaßbündeln auf. Die Gefäßbündel
des inneren Ringes sind ungefähr gleich stark, die des äußeren
Ringes sind schwächer und bilden die Kotyledonarspuren. Vor
dem Eintritte in die Kotyledonen verbindet sich jeder Blatt-
spurstrang mittels schwacher Kommissuren mit den benach-
barten Gefäßbündeln des inneren Bündelringes. In den Achseln
der Kotyledonen treten zwei Seitensprosse als x, x auf, die aus
den Bündeln 3, 4 und 5, 6 entspringen.
Unmittelbar über dem Kotyledonarknoten spalten sich die
Bündel 1 und 2, welche ein wenig stärker entwickelt sind, als
die übrigen Gefäßbündel des inneren Kreises, in zwei
schwächere Bündelzweige; aus je einem derselben entspringt
der Blattspurstrang a und b, welcher zum Medianstrange des
ersten Paares der Laubblätter sich umgestaltet. Die aus der
Gabelung der Bündel 1 und 2 entstandenen Seitenzweige
werden durch Anastomosen, welche von den Bündeln 3, 4
und 5, 6 kommen, verstärkt und bilden sich zu vier starken
Gefaßbündeln des inneren Bündelkreises 1', 1", 2', 2" im
epikotylen Stengelglied um.
In dem ersten Stengelknoten bemerkt man, daß nicht in
den beiden Blattachseln der opponierten Laubblätter y, y,
sondern nur neben dem Blatte y eine schwache Knospe 4/
sich gebildet hat; daß hiemit bei der opponierten Blattstellung
die zwei gegenüberstehenden Blätter sich ungleich verhalten.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CX1I. Bd., Abt. I. 4
50 F. Tondera,
In dem zweiten Stengelknoten befindet sich nur ein Blatt y
mit der Knospe xf;\ das zweite Blatt, welches mit dem Blatte v7'
ein opponiertes Blätterpaar bilden sollte, steht in dem nächst-
folgenden Stengelknoten y"1. Mari beobachtet hier den Über-
gang aus der opponierten Blattstellung der ersten Laubblätter
in die abwechselnd zweizeilige Anordnung der Blätter. Das
Blatt y7 befindet sich aber nicht nur in ungleicher Höhe mit
dem Blatte y", sondern es zeigt auch eine horizontale
Abweichung von der opponierten Stellung, was durch die
Entstehung des neuen Bündels l7 und des Blattspurstranges a"
im dritten Stengelgliede hervorgerufen wird. Diese zwei Bündel
bewirken, daß der tetramere Stengelbau des epikotylen
Stengelgliedes in einen pentameren Bau übergeht, wobei die
zweizeilig abwechselnde Blattstellung in eine spiralige Anord-
nung der Blätter sich umgestaltet.
Im fünften Stengelgliede beobachtet man endlich, daß die
Bündel des inneren Bündelringes eine ungleiche Entwickelung
aufweisen und daß nur die Bündel 1;/, 37/ und 477 stark ent-
wickelt sind, die Bündel 277 und 5/7 dagegen sehr schwach
ausgebildet erscheinen. Gleichzeitig bemerkt man, daß alle
Gefaßbündel mittels stärkerer Anastomosen oder wenigstens
durch schwache Kommissuren mit einander verbunden sind.
Bei der Beobachtung des Gefäßbündelsystems der übrigen
Cucurbitaceen, welche keine gegenständige Blattstellung in
den unteren Stengelknoten aufweisen, wie z. B. bei Sicyos
angulata L. findet man (Taf. II, Fig. 4), daß der eben
geschilderte Übergang aus der opponierten Blattstellung der
Kotyledonen in die spiralige Anordnung der höheren Laub-
blätter sich bereits in dem Kotyledonarknoten vollzieht. Das
erste Primordialblatt V erscheint damals in dem Kotyledonar-
knoten an der einen Seite der Spalte, welche durch die breiten
Kotyledonen gebildet ist und besitzt in seiner Achsel die
Knospe k. Im ersten epikotylen Stengelgliede findet man schon
den ungleich pentameren Bau des Stengels.
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 51
Rückblick auf den Bauplan des Stengels der Cucurbitaceen.
Sieht man von den verschiedenen Einzelheiten des
Stengelbaues der geschilderten Cucurbitaceen-Arten ab und
faßt man nur die gemeinschaftlichen Kennzeichen des Bündel-
gerüstes zusammen, so bemerkt man, daß der allgemeine
Bauplan des Stengels, ungeachtet der vielen Abweichungen,
in den meisten Arten ungefähr derselbe ist.
Um diesen Bauplan genauer kennen zu lernen, muß man
zunächst den Stengelbau des Typus der Cyclanthera pedata,
welcher die meisten Arten umfaßt und mit welchem die zwei
ersten Typen im wesentlichen übereinstimmen, einer kritischen
Untersuchung unterziehen. Bei der Beobachtung des Gefäß-
bündelverlaufes fällt nämlich auf, daß in jedem Stengelgliede
nur die drei Gefaßbündel 1, 2, l7, (bei Bryonia dioica 1, 2, 27,
bei Cucumis sativus 1,2, l7) die wichtigste Rolle spielen, wobei
das dritte stark entwickelte Gefäßbündel (l7, 21) zuerst im
zweitoberen Stengelknoten zur Bildung der Seitenorgane bei-
trägt. In jedem Stengelknoten sind hiemit die Gefäßbündel l
und 2 die tätigsten, da aus diesen Gefaßbündeln die Seiten-
organe ihren Ursprung nehmen, nämlich: der schwach ent-
wickelte vegetative Sproß x' mit der weiblichen Blüte od1 an
der rechten, mit der Ranke x an der linken Seite aus dem
Bündel l und der männliche Blütenstand y aus dem Bündel 2.
Beobachtet man das Äußere eines Knotens, in welchem
alle achselständigen Seitenorgane vollkommen entwickelt sind,
so bemerkt man,1 daß die aus einem Stengelknoten ent-
springenden Organe niemals in der Achsel des Tragblattes
stehen, sondern in einer Querreihe zwischen der links ent-
springenden Ranke und dem rechts stehenden Blatte ange-
ordnet sind. Neben der Ranke erscheint der vegetative Sproß,
aus welchem rechts die weibliche Blüte sich abzweigt; in der
Blattachsel steht nur der männliche Blütenstand y (Taf. I,
Fig,4, x,x?,x!\y).
i Vergl. Engler und Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien, IV. Teil,
5. Abteilung, Fig. 22, S. 39.
4*
52 E. Tondera,
Diese Organe können auch in verkehrter Reihenfolge
angeordnet sein, da die Grundspirale an den Sprossen
nächstfolgender Ordnung in allen Cucurbitaceen-Arten gegen-
läufig ist.1
Daß von den angeführten Organen nur der männliche
Blütenstand achselständig ist, geht aus diesem Umstände her-
vor, daß die Spur eines jeden Blattes scheinbar dreisträngig, in
der Tat aber zweisträngig ist, und zwar gehören einem jeden
Blatte nur die zwei Blattspurstränge an, welche neben dem
Gefäßbündel 2 verlaufen (Taf. I, Fig. 3,a, b); der Strang af
gehört dem nächstoberen Blatte als rechter Lateralstrang an
und ist nur durch eine Seitenanastomose mit dem Strange b
verbunden. Demzufolge liegt die Insertionsstelle des Blattes
vor dem Gefäßbündel 2, nicht aber zwischen den Gefaß-
bündeln 1 und 2.
Diese Anordnung der Seitenorgane eines Stengelknotens
führt zum Schlüsse, daß dieselben nicht als achselständige
Sprosse betrachtet werden dürfen, weil nur der männliche
Blütenstand achselständig ist, sondern daß der vegetative
Sproß eines jeden Stengelknotens die Verlängerung der Haupt-
achse ausmacht, das heißt den Hauptsproß darstellt. Dieser
Hauptsproß muß aber infolge des Verbrauches seiner Nahrungs-
stoffe durch die an demselben wachsende Frucht verkümmern,
oder es beschränkt sich sein Wachstum auf einige schwach
entwickelte Stengelglieder. Die Rolle des Hauptsprosses über-
nimmt im folgenden Stengelgliede der seitliche Sproß, aus
dessen Adventivknospe der achselständige männliche Blüten-
stand entspringt.
Diese Annahme wird auch durch die Richtung jedes fol-
genden Stengelgliedes bestätigt: dasselbe bildet nämlich bei
den frei schwebenden Stengeln niemals eine Verlängerung des
unteren Stengelgliedes, sondern weicht unter einem stumpfen
Winkel von der Richtung des unteren Stengelgliedes ab, was
beweist, daß dies keine Hauptachse, sondern eine Neben-
achse ist.
i Vergl. F. Tondera, Über den sympodialen Bau des Stengels von
Sicyos angulaia, Taf. I, Fig. 1. Sitzungsber. d. kais. Akad d. Wiss., Bd. CXI,
Abt. I.
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 53
Eine genaue Beobachtung des weiteren Verlaufes der
Gefäßbündel 1 und 2 führt auch zu demselben Schlüsse. Wir
haben dargelegt, daß aus denselben in jedem Stengelknoten
die Seitenorgane entstehen. Der Überschuß dieser Gefäßbündel
schlägt durch die Anastomosen m und n in die gegenüber-
liegende Hälfte des Stengels über, um die Gefäßbündel 1'
und 2' zu verstärken und zu den Gefäßbündeln 1 und 2 des
folgenden Stengelgliedes umzubilden (Taf. V, Fig. 5). Aus
diesen Gefaßbündeln nehmen die Seitenorgane des nächst-
oberen Stengelknotens ihren Ursprung.
Es leuchtet ein, daß der Stengel der Cucurbitaceen einen
sympodialen Bau darbietet, welcher dem des Wickels
(Cicinnus) am nächsten steht, demselben aber nicht gleich-
kommt, da die konsekutiven Abzweigungen nicht zweizeilig
rechts und links erfolgen, sondern eine Abweichung in hori-
zontaler Richtung aufweisen und mit der Divergenz 2/5 über-
einstimmend einer spiraligen Anordnung entsprechen.
Die Ranke der Cucurbitaceen.
Neben dem Gefaßbündelverlauf der Cucurbitaceen habe
ich auch gelegentlich das Gefaßbündelsystem der Ranke und
der Blätter untersucht. Was den morphologischen Charakter
der Ranke anbelangt, hat man denselben vielfach zu erklären
versucht, die bisherigen Deutungen laufen jedoch erheblich
auseinander. Die Überzeugung, welche heutzutage vorwiegt
und welche Dutailly1 geltend gemacht hat, erklärt diese
Ranke als einen beblätterten Sproß; besonders aus dem ana-
tomischen Baue des Rankenstieles, welcher dem des Stengels
entsprechen soll,2 hat man geschlossen, daß der Rankenstiel
einem Stengel, die Verzweigungen desselben den Blättern
gleichzustellen sind.
Die handförmige Verzweigung der Ranken der meisten
Cucurbitaceen weist jedoch darauf hin, daß man hier ganz
1 M. G. Dutailly, Recherches anatomiques et organogeniques sur les
Cucurbitacees, S. 1.
1 Dr. A. Fischer, Untersuchungen über das Siebröhrensystem der
Cucurbitaceen, S. 71.
54 F. Tondera,
einfach mit rankenförmig metamorphosierten Blättern zu tun
hat Außerdem geben die Zeichnungen, durch welche E. G. O.
Müller1 die Bedeutung der Ranke der Cucurbitaceen zu
erklären sucht, einen vollständigen Aufschluß über die Natur
derselben. Man ersieht nämlich aus diesen Zeichnungen, daß
die Ranken umgestaltete Blätter darstellen, indem sich der Blatt-
stiel um eine Stütze zu wickeln vermag oder umgekehrt, am
Rankenstiele anstatt der Ranken sich eine blattartige Form
entwickelt.
Die auf dem anatomischen Bau angeblich begründete
Vermutung, daß der Rankenstiel einen Stengel darstellt, geht
hauptsächlich aus dem Umstände hervor, daß in dem Ranken-
stiel ein geschlossener Sklerenchymring vorhanden ist,
wogegen in den Blattstielen nur an der Außenseite der bikol-
lateralen Gefäßbündel Sklerenchymsicheln vorkommen.
Meines Erachtens liefert der angeführte Umstand keinen
untrüglichen Beweis dafür, daß der Rankenstiel einen Stengel
darstellen soll. In allen stengelartigen Organen der Cucur-
bitaceen finden sich nämlich zwei Bündelringe vor: im äußeren
sind die kantenständigen Blattspurstränge angeordnet, der
innere Ring umfaßt erheblich größere markständige Bündel.
In dem Rankenstiele beobachtet man dagegen nur einen
Bündelring, und zwar sind es kantenständige Bündel oder
Blattspurstränge (Taf. I, Fig. 2 ay b). Dasselbe beobachtet man
am Querschnitte eines Blattstieles (Taf. II, Fig. 6). Außer der
Anordnung gestattet auch die Entwickelung der Bündel im
Rankenstiele über die morphologische Bedeutung der Ranke
zu schließen. Es fällt nämlich bei der Beobachtung der Quer-
schnitte sowohl der Rankenstiele, als auch der Blattstiele auf,
daß die untersten Gefäßbündel die mächtigste Entwickelung
aufweisen; gegen die obere Hälfte des Organes sind sie paar-
weise immer schwächer.
Diese Umstände beweisen, daß der Rankenstiel ungeachtet
der veränderten äußeren Gestalt dem Blattstiele analog
gebaut ist.
i Engler und Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien, IV. Teil,
5. Abt., S. 2.
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 55
Was den Sklerenchymring anbelangt, ist man der Ansicht,
daß derselbe in einem Stengel eine ununterbrochene Zone
bilden soll, was eben im Rankenstiele vorkommt. Ich habe
aber während meiner Untersuchungen einzelne Arten gefunden,
deren Sklerenchymring in den ausgewachsenen Stengelgliedern
immer unterbrochen ist und nur aus nicht zusammenhängenden
Sklerenchymplatten besteht (Taf. I, Fig. l;Taf. V, Fig. 3;Taf.V,
Fig. 6), was beweist, daß der Sklerenchymring ebenfalls unter-
brochen angetroffen wird, und zwar ist dies eine konstante
Eigentümlichkeit gewisser Arten.
Diese Erörterung dürfte genügen, um die vielmals
bestrittene Deutung der Ranke, nach welcher dieselbe als ein
metamorphosiertes Blatt erklärt wird, gelten zu lassen und die
Bedenken, die dagegen erhoben wurden, zu beseitigen.
56 F. Tondera,
Tafelerklärung.
Tafel I.
Fig. 1. Cyclanthcra peäata Sehr ad. Querschnitt durch ein ausgewachsenes
Stengelglied. 5 Kollenchymbündel an den Stengelkanten, /jchlorophyll-
haltiges Rindenparenchym, st Stärkeschicht, r stellenweise unter-
brochener Sklerenchymring; a% bf a\ b'f a" Blattspurstränge oder der
äußere Bündelkreis; 1, 2, 1', 2', 2" Gefäßbündel des inneren Bündel-
kreises, darunter 1, 2, 1' bikollaterale und 2', 2" kollaterale Gefäß-
bündel.
Fig. 2. Bryonia dioica J a c q. GeflLßbündelsystem in dem durchsichtig gedachten
Stengel ; die dem Beobachter abgekehrten Gefäßbündel sind blasser, die
zugekehrten schwarz. 1,2, 1', 2' sind die vier Gefäßbündel des inneren
Bündelkreises; a, b, a', c die Blattspurstränge, oder die Gefäßbündel
des äußeren Bündelringes, x die Ranke, y der vegetative Sproß, z die
Blüte.
Fig. 3. Bcnincasa cerifera Sa vi. Querschnitt durch den Rankenstiel; r ge-
schlossener Sklerenchymring, 5 Kollenchymbündel, a, b kantenständige
bikollaterale Gefäßbündel, die an der Unterseite mächtiger (a) als an
der Oberseite sind.
Fig. 4. Cyclanthcra pedata Schrad. Gefäßbündelsystem zweier aufeinander-
folgenden Stengelglieder, die durchsichtig gedacht sind. Die dem Beob-
achter abgekehrten Gefäßbündel sind blasser, die zugekehrten schwarz
gezeichnet a, b, a\ b\ a" sind die Gefäßbündel des äußeren Bündel-
ringes oder die Blattspurstränge; 1, 2,1' sind die bikollateralen, 2', 2" die
kollateralen Gefäßbündel des inneren Bündelringes, x die Ranke, x' der
vegetative Sproß, x" die weibliche Blüte, y der männliche Blütenstand.
Fig. 5. Cucumis melo L. Querschnitt durch ein ausgewachsenes Stengelglied,
s Kollenchymbündel an den Stengelkanten, p chlorophyllhaltiges
Rindenparenchym, r Sklerenchymring. Im äußeren Bündelringe erscheint
ein überzähliger Blattspurstrang 3; im inneren Bündelringe ist ein Gefäß-
bündel in zwei kleinere nebenläufige Bündel x, x' gespalten.
Fig. 6. Cyclanthcra cxplodcns Naud. Querschnitt durch ein Stengelglied, s die
Kollenchymbündel an den Stengelkanten, p chlorophyllhaltiges Rinden-
parenchym, r der Sklerenchymring. Die äußere Stärkeschicht (zwischen
dem Chlorophyllparenchym und dem Sklerenchymringe) fehlt, anstatt
derselben erscheint eine stärkehaltige Parenchymzone st, welche die
Bündel des äußeren mit denen des inneren Bündelringes verbindet. Die
Bündel 2' und 2" sind isolierte Siebröhrenbündel.
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 57
Fig. 7. Btnincasa cerifera Savi. Querschnitt durch ein ausgewachsenes
Stengelglied, in welchem die Gefäßbündel des äußeren und des inneren
Bündelringes durch eine breite stärkehaltige Zone st verbunden sind,
s Kollenchymbündel, p chlorophyllhaltiges Parenchym, r Sklerenchym-
ring.
Fig. 8. Bryonia dioica Ja cq. Querschnitt durch ein Stengelglied. 5 Kollenchym-
bündel an den Stengelkanten, $ Kollenchymplatten in den Furchen des
Stengels, p chlorophyllhaltiges Rindenparenchym, r Sklerenchymring.
1, 2, 2' die bikollateralen Gefäßbündel des inneren Bündelringes, 1' das
kollaterale Bündel dieses Ringes, a, a% b, c die Gefäßbündel des äußeren
Bündelringes oder Blattspurstränge.
Tafel II.
Fig. 1 Cucumis sativus L. Querschnitt eines Stengelgliedes mit fünf äußeren
und vier inneren Gefäßbündeln, s Kollenchymbündel an den Stengel-
kanten, p chlorophyllhaltiges Rindenparenchym, r Sklerenchymring.
Fig. 2. Cucumis sativus L. Gefäßbündelsystem zweier aufeinanderfolgenden
Stengelglieder, wobei der Stengel durchsichtig gedacht ist; die dem
Beobachter abgekehrten Gefäßbündel sind blasser, die zugekehrten
schwarz. 1, 2, 1', 2' sind die Gefäßbündel des inneren Bündelringes,
a, 6, a', b', a" sind die Blattspurstränge, oder die Bündel des äußeren
Bündelringes, x die Ranke, y der vegetative Sproß, z die Blüte.
Fig. 3. Sicyos angulata L. Querschnitt durch ein ausgewachsenes Stengel-
glied. 5 Kollenchymbündel, p chlorophyllhaltiges Rindenparenchym,
st Stärkeschicht, r Sklerenchymring. 2' und 2" sind die isolierten Sieb-
bündel des inneren Bündelringes.
Fig. 4. Sicyos angulata L. Gefäßbündelsystem des hypokotylen und des
epikotylen Stengelgliedes. Der tetramere Bau des hypokotylen Gliedes
wird im epikotylen Stengelgliede durch die Spaltung des Bündels 3 in
die Bündel 1 und 2, die durch Anastomosen vom Bündel 4 verstärkt
sind, und durch die neuentstandenen Bündel 2' und 2" des inneren
Bündelringes zu einem ungleich pentameren Stengelbaue umgestaltet;
gleichzeitig erscheinen die fünf Blattspurstränge, oder die Bündel des
äußeren Bündelringes a, b, c, d, e. Dieser Stengelbau wiederholt sich in
allen folgenden Stengelgliedern. (Vergl. Taf. IV, Fig. 1.) b' sind die
Blattspuren, welche in das unterste Blatt eintreten, k die seitliche
Knospe in dem Kotyledonarknoten, **, n die Kotyledonarspuren.
Fig. 5. Lagenaria vulgaris Ser. Zwischen den Gefäßbündeln 1 und 2' erscheint
ein überzähliges Siebbündel 5, welches nur ein Stengelglied durchlauft.
s Kollenchymbündel,/? chlorophyllhaltiges Rindenparenchym, r Skleren-
chymring.
Fig. 6. Benincasa cerifera Savi. Querschnitt durch den Blattstiel; r Skleren-
chymsichel an der Außenseite der Gefäßbündel, die an der Unterseite
mächtiger entwickelt sind (a), als an der Oberseite (a').
58 F. Tondera,
Fig. 7. Lagenaria vulgaris Ser. Gefäßbündelsystem in zwei aufeinander
folgenden Stengelgliedem. 1, 2, 1', 2', 2" und 5 sind die Bündel des
inneren Bündelkreises ; 5 ist ein überzähliges Siebröhrenbündel, welches
aus der Anastomose n bei x den Ursprung nimmt und an der Ana-
stomose m bei y verschwindet.
Tafel III.
Fig. 1. Bryonia alba L. Gefäßbündelsystem in zwei aufeinander folgenden
Stengelgliedern in die Vertikalebene ausgebreitet, x der Blütenstand,
y der vegetative Sproß, z die Ranke.
Fig. 2. Bryonia alba L. Querschnitt durch ein altes Stengelglied. S Kollenchym-
bündel an den Stengelkanten, s Kollenchym platten in den Furchen des
Stengels, p chlorophyllhaltiges Rindenparenchyra, r Sklerenchymring,
d isolierte Siebröhrenbündel im Markparenchym.
Fig. 3. Trichosanthes palmata Roxb. Gefäßbündelsystem in dem durchsichtig
gedachten Stengel. Die dem Beobachter abgekehrten Gefäßbündel sind
blasser, die zugekehrten schwarz. (Der Querschnitt eines Stengelgliedes
ist Taf. IV, Fig. 6 abgebüdet.) 1, 2, 1', 2', 2" sind die Bündel des
inneren Bündelringes, a, b, a', b\ b" sind die Blattspurstränge oder die
Bündel des äußeren Bündelringes.
Tafel IV.
Fig. 1. Trichosanthes palmata Roxb. Gefäßbündelsystem in dem hypokotylen
Gliede und in den fünf aufeinander folgenden untersten Stengelgliedern
in die Vertikalebene ausgebreitet. Die Zeichnung legt die allmähliche
Umbildung des tetrameren Stengel baues in eine ungleich pentamere
Gefäßbündelanordnung dar. Die nebenstehenden Figuren 2, 3, 4, 5, 6
stellen die Querschnitte des Stengels in den mit I, II, III, IV, V bezeich-
neten Stellen dar.
j Tafel V.
Fig. 1. Cucurbita perennis A. Gray. Querschnitt eines ausgewachsenen Sten-
gelgliedes: a $, 7, ß, 8' o! und 7' sind die Gefäßbündel des äußeren
Bündelringes ; a a\ b b't c, d, t sind die Bündel des inneren Bündel-
ringes. Den Zwischenraum zwischen den alternierenden Gliedern des
äußeren und des inneren Bündelringes erfüllen die überzähligen Bündel
1, 2, 3.
Fig. 2. Cucurbita pertnnts A. Gray. Gefäßbündelsystem zweier Stengelglieder
in die Vertikalebene ausgebreitet. Die Gefäßbündel des inneren Bündel-
ringes sind schwarz, die des äußeren Ringes blaß gezeichnet Die über-
zähligen Bündel (1, 2, 3 Fig. 1) sind vorwiegend weggelassen, x die
Ranke, y der vegetative Sproß, z die Blüte.
Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen. 59
Fig. 3. Thladiantha dubia Bunge. Querschnitteines ausgewachsenen Stengel-
gliedes, s Kollenchymbündel, p chlorophyllhaltiges Rindenparenchym,
st Stärkeschicht, r stellenweise unterbrochener Sklerenchymring. Die
Gefäßbündel des inneren Bündelringes 1, 2, 1', 2' und 2" sind mit den
Bündeln des äußeren Kreises mittels einer Cambiumschicht c verbunden,
welche nicht nur in den Gefäßbündeln, sondern auch in dem da-
zwischen liegenden Parenchym (Interfascicularcambium) erscheint.
Das Bündel 2" ist ein isoliertes Siebbündel.
Fig. 4. Coccinia indica W. & A. Querschnitt durch ein Stengelglied. 1, 2, 1', 2',
1" sind die Bündel des inneren Bündelringes, 1' und 1" isolierte Sieb-
bündel, s Kollenchymbündel, p chlorophyllhaltiges Rindenparenchym,
r Sklerenchymring.
Fig. 5. Schema des Gefäßbündelverlaufes des inneren Bündelringes bei
Cyclanthera pedata Sehr ad. Alle Blattspurstränge, sowie die untere
Verlängerung des Bündels 2 sind weggelassen, um den Bauplan des
Stengels nachzuweisen und hauptsächlich um das Überschlagen der
Gefäßbündel in jedem Stengelknoten genau verfolgen zu können.
Fig. 6. Ecballium Elatcrium A. Rieh. Querschnitt durch ein ausgewachsenes
Stengelglied, p chlorophyllhaltiges Rindenparenchym, r stellenweise
unterbrochener Sklerenchymring ; a, b, c, d, e Blattspurstränge, welche
mit den Gefäßbündeln 1, 2, 3, 4, 5, die den Gefäßbündeln des inneren
Bündelkreises anderer Cucurbitaceen entsprechen, einen gemeinsamen
Bündelring bilden.
Fig. 7. Ecballium Elatcrium A. Rieh. Gefäßbündelsystem in zwei Stengel-
gliedern in eine Ebene ausgebreitet. 1, 1', 2, 2', 2" sind die größeren,
stellenweise gespaltenen Gefäßbündel; zwischen diesen Gefäßbündeln
verlaufen die schmalen Blattspurstränge.
F. Tondera: Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen.
Tafel I.
Ad mit. dcl. Tondera.
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXII, Abt. I, 1903.
Lichtdrack der k. k. Hof- und Staatsdrackerfi.
F. Tondera: Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen.
Tafel II.
Ad nai. del. Tondera.
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXII, Abt. I, 1903.
Lichtdruck der k. k. Hof- und Staatsdruckerei.
F\ Tondera: Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen.
Tafel III.
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S c/ 1 aT 3 * 5 l 7 o 2 a! y.
Ad nat. del. Tondera.
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CX1I, Abt. I, 1903.
Lichtdruck der k. k. Hof- und Staatsdruckerei.
F. Tondera: Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen.
i.
Tafel IV.
Adnat. del. Tondera.
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXII, Abt. I, 1903.
Lichtdruck der k. k. Hof- und Staatsdrucktrei.
F. Tondera: Gefäßbündelsystem der Cucurbitaceen.
Tafel V.
Ad nal. dcl. Tondera.
t r r r x
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math:-natur\v. Klasse, Bd. CXII, Abt. I, 1903.
Lichtdruck der k. k. Hof- und Staatsdruckerei.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXII. BAND. II. HEFT.
ABTEILUNG I.
ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
63
IV. SITZUNG VOM 5. FEBRUAR 1903.
Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 111, Abt. I. Heft VI (Juni 1002).
Der Vorsitzende, Präsident Prof. E. Sueß, macht Mit-
teilung von dem am 2. Februar 1. J. erfolgten Ableben des aus-
ländischen Ehrenmitgliedes dieser Klasse, Professors George
Gabriel Stokes.
Die anwesenden Mitglieder geben ihrem Beileide durch
Erheben von den Sitzen Ausdruck.
Das Kuratorium der Schwestern Fröhlich-Stiftung
zur Unterstützung bedürftiger und hervorragender schaffender
Talente auf dem Gebiete der Kunst, Literatur und Wissenschaft
übermittelt die diesjährige Kundmachung über die Verleihung
von Stipendien und Pensionen aus dieser Stiftung.
Das k. M. Hofrat A. Bauer übersendet eine Arbeit von
Prof. Ferdinand Breinl in Reichenberg mit dem Titel: >Über
das Verhalten der tierischenFasern und der tierischen
Haut zu Säuren (Beiträge zur Theorie der Färberei
und Gerberei)«.
Das k. M. Hofrat E. Ludwig übersendet eine von Prof.
Dr. J. Mauthner und Prof. Dr. W. Suida in Wien ausgeführte
Arbeit unter dem Titel: »Beiträge zur Kenntnis des Chole-
sterins« (V. Abhandlung).
Prof. Dr. W. Laska in Lemberg übersendet eine Ab-
handlung mit dem Titel: Ȇber die Berechnung der
Fernbeben«.
Dr. Josef Schießler in Wien übersendet ein versiegeltes
Schreiben zur Wahrung der Priorität mit der Aufschrift: »Ein
64
genau die Richtung bestimmender Sender für draht-
lose Telephonie (respektive Telegraphie)«.
Kand. med. Gottwald Schwarz in Wien übersendet ein
versiegeltes Schreiben zur Wahrung der Priorität mit dem
Titel: »Mitteilung einer neu beobachteten Natur-
erscheinungc.
Das w. M. Hofrat J. Hann legt eine Abhandlung mit
dem Titel vor: »Beobachtungen und Messungen der
Temperatur, des Salzgehalts, der Farbe und Durch-
sichtigkeit des Wassers in der nördlichen Adria,
ausgeführt im Winter 1901«. Aus dem Nachlasse von
Prof. J. Luksch, zusammengestellt von Prof. Julius Wolf in
Fiume.
Das w. M. Hofrat J. Wiesner berichtet über eine von
Cand. phil. R. Eberwein im pflanzenphysiologischen Institute
der Wiener Universität ausgeführte und demnächst zur Vor-
lage kommende Arbeit über die anatomischen Ver-
hältnisse des Blattes der Palmyrapalme (Borassus
fldbelliformis).
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Ungarisches Nationalmuseum in Budapest: A Magyar
Nemzeti Müzeum multja es jelene. Budapest, 1902. 4°.
Universität in Missouri: Studies, vol. I, number 3. Missoun
1902; 8°.
65
V. SITZUNG VOM 12. FEBRUAR 1903.
Das w. M. Prof. G. Goldschmiedt übersendet eine im
chemischen Laboratorium der k. k. deutschen Universität in
Prag ausgeführte Arbeit von Dr. Hans Meyer: »Über Ester-
bildung und Betaine«.
Herr Josef Müller in Triest übersendet eine Abhandlung
mit dem Titel: »Die Coleopteren-Gattung Apholeuonus
Reitt Ein Beitrag zur Kenntnis der dalmatinischen
Höhlenfauna«.
Herr Gustav Paganetti-Hummler in Wien übersendet
einen Bericht über seine in den Monaten April und Mai 1902
mit Unterstützung der kaiserlichen Akademie unternommenen
Forschungen in Höhlen Süd-Dalmatiens und der Herzegowina
und teilt mit, daß er das Sammlungsmaterial bereits an das
k. k. naturhistorische Hofmuseum in Wien abgegeben hat.
Das w. M. Prof. Franz Exner legt eine Arbeit von
Dr. F. Hasenöhrl vor: »Nachtrag zu der Abhandlung
über die Absorption elektrischer Wellen in einem
Gase«.
Derselbe legt ferners eine in seinem Institute ausgeführte
Arbeit des Herrn M.Topolansky vor, betitelt: »Bestimmung
der Farben der Radde'schen internationalen Farben-
skaia«.
Derselbe legt weiters die in seinem Institute ausgeführte
Abhandlung des Herrn F. Ehrenhaft: »Das optische Ver-
halten der Metallcolloide und deren Teilchengröße«
vor.
Prof. Max Bamberger überreicht eine im Laboratorium
für allgemeine Chemie an der technischen Hochschule in Wien,
in Gemeinschaft mit Heinrich Renezeder, ausgeführte Arbeit,
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CX1I. Bd., Abt. 1. 5
betitelt: »Zur Kenntnis der Überwallungsharze« (VIII. Ab-
handlung).
Das w. M. Herr Hofrat J. Wiesner überreicht die in der
Sitzung vom 5. Februar 1. J. angekündigte Abhandlung von
cand. phil. Richard Eberwein: »Zur Anatomie des Blattes
von Borassus flabelliformis«.
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Associazione medica Triestina in Triest: Bollettino,
1901 bis 1902, annata Va. Triest, 1902. 8°.
Fuhrmann, Franz: Über Präcipitine und Lysine. (Abdruck
aus »Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie« ;
3. Band. Braunschweig, 1903.)
Klemensiewicz, Rudolf: Über Amitose und Mitose. (Abdruck
aus »Beiträge zur pathologischen Anatomie und zur all-
gemeinen Pathologie«; 33. Band. Jena, 1903.)
Klug, Anton, Dr.: Der Hausschwamm, ein pathogener Parasit
des menschlichen und tierischen Organismus, speziell
seine Eigenschaft als Erreger von Krebsgeschwülsten.
Freiheit-Johannisbad, 1903. 8°.
Königl. technische Hochschule in Berlin: Ist die Un-
freiheit unserer Kultur eine Folge der Ingenieurkunst?
Festrede zum Geburtsfeste Seiner Majestät des Kaisers
und Königs Wilhelm IL, gehalten vom Rektor Kammerer.
Berlin, 1903. 8°.
Ministere de Tlnstruction publique et des Beaux-
Arts in Paris: Atlas photographique de la lune, execute
par M. M. Loewy et M. P. Puisseux; Fascicule 7 (mit
Tafeln). Paris 1902.
— Carte photographique du ciel, Zone +3, Feuille 46; Zone
+7, Feuilles 3, 4, 18, 121, 124, 142; Zone +9, Feuilles 1,
3, 18, 121, 125, 168; Zone +16, Feuilles 23, 78, 124; Zone
+22, Feuilles 21, 61, 66, 67, 79; Zone +24, Feuille 34.
Righi, Augusto und Bernhard Dessau: Die Telegraphie ohne
Draht. Braunschweig, 1903. 8°.
67
Zur Anatomie des Blattes von Borassus flabelli-
formis
von
cand. phil. Richard Eberwein.
Aus dem pflanzenphysiologischen Institute der k. k. Universität in Wien.
(Mit 1 Tafel.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 12. Februar 1903.)
Die Veranlassung zu dieser Untersuchung gab eine
paläographische Frage, nämlich die bis in alte Zeiten zurück-
reichende Verwendung gewisser Palmblätter in Indien als
Beschreibstoff. Es wurde nachgewiesen, daß die zu diesem
Zwecke benützten Blätter von Borassus fldbelliformis und
Corypha umbraculifera stammen.1 Obwohl nun die Blätter
dieser beiden Palmen schon makroskopisch erkennbare Unter-
schiede zeigen, so ergab sich doch die Notwendigkeit, zur
genauen Erkennung kleinerer Bruchstücke oder stark ver-
änderter Manuskripte auch Verschiedenheiten im anatomischen
Verhalten heranzuziehen. Deshalb unterzog ich auf Veran-
lassung des Herrn Professors Hofrat Dr. Wiesner die Blätter
der beiden genannten Palmenarten einer eingehenden ver-
gleichenden mikroskopischen Untersuchung. Die Unterschei-
dung der zwei Palmblätter gelingt leicht und sicher und stützt
sich hauptsächlich auf Kennzeichen, die in den Oberhaut-
elementen sich finden.2
1 Siehe hierüber Wiesner, Rohstoffe des Pflanzenreiches, 2. Aufl.,
Bd. II, Abschnitt: Fasern; S. 453 ff.
2 Wiesner, 1. c, Bd. II, S. 455 ff.
5*
68 R. Eberwein,
Bei dieser vergleichenden Untersuchung zeigten sich im
Bau des Borassus-BlsiUes einige auffällige anatomische Be-
sonderheiten, die sich auf den Bau der Spaltöffnungen und auf
die Lage und Anordnung der Stegmata beziehen. Mit diesen
Gegenständen wird sich die vorliegende Abhandlung be-
schäftigen.
Borassusflabelliformis, unter dem Namen »Palmyrapalme«
bekannt, gehört zu den Fächerpalmen; ihr Blatt erreicht mit
dem Blattstiele eine Länge von 3 bis 4 m. Dieser ist an seiner
Ansatzstelle scheidig verbreitert, unterseits konvex, oben leicht
gehöhlt und reicht mit seinem oberen Ende scharf dreieckig -
zungenförmig in die breit-kreisförmige Blattfläche hinein,
welche in zahlreiche Fächerstrahlen von 1 bis 2 m Länge zer-
schlitzt ist.
Diese Fächerstrahlen sind es, welche in Indien seit den
ältesten Zeiten als Beschreibstoff dienten und noch dienen.
In seinem anatomischen Verhalten zeigt das Blatt im
großen und ganzen einen isolateralen Bau. Ein Schwamm-
parenchym ist überhaupt nicht ausgebildet, sondern wir sehen
nur ein lockeres Gewebe aus palissadenförmigen Zellen, das
sich allerdings in sechs- bis siebenfacher Reihe zwischen den
beiden Oberhautschichten vorfindet.
In diesem Parenchym verlaufen die Gefäßbündel, die eine
sehr verschiedene Größe aufweisen. Wir sehen größere, die
sich durch ein bis zwei besonders weite Treppengefäße aus-
zeichnen. Sie sind ringsum von mechanischen Elementen ein-
geschlossen, die namentlich oben und unten einen mächtigen
Belag bilden, so daß diese Gefäßbündel die ganze Dicke des
Blattes ausfüllen. Die mechanischen Elemente schieben sich
auch zwischen Phloem und Xylem ein und gliedern das erstere
selbst in mehrere Teile. Auf jedes solche größere Gefäßbündel
folgen nun zwei bis drei kleinere und diese weisen einen
bedeutend einfacheren Bau auf. Das Xylem ist bei diesen meist
nur durch eine einzige Schicht dickwandiger mechanischer
Zellen vom Phloem getrennt, dieses selbst ist zusammen-
hängend, ohne eingelagerte Bastelemente, seitlich schwinden
die mechanischen Elemente vollständig, außen ist das Phloem
nur von einem kleinen Baststreifen begleitet, der bei einigen
Blatt von Borassus flabelliformis. 69
auf eine einzige Schicht reduziert ist, bei manchen schwindet
er auf dieser Seite vollständig; auf der oberen, der Xylemseäte,
dagegen weist auch das kleinste Gefäßbündel eine ziemlich
starke Schichte von mechanischen Elementen auf; daher
kommt es auch, daß das Gefäßbündel auf der oberen Seite
stets bis an die Epidermis herantritt, während das Phloem nur
ungefähr bis zur Mitte des Blattparenchyms reicht. An dieser,
der unteren Seite des Blattes, treten aber dafür isolierte Bast-
bündel auf, die jedoch zumeist keine große Mächtigkeit er-
reichen, bisweilen aus bloß 3 bis 5 Bastzellen bestehen. Jedes
Gefaßbündel ist von einer Bündelscheide umgeben, die aus
ziemlich großen, dünnwandigen Zellen besteht. Das Lumen der
Bastzellen ist nicht gleichmäßig zylindrisch, sondern an ver-
schiedenen Stellen von sehr ungleicher Weite.
Die Epidermis erscheint dreischichtig.1 Die äußerste
Schichte setzt sich aus kleinen Zellen zusammen, die an der
Außenseite etwas stärker verdickt sind als an den Seiten-
wänden; die zweite Lage besteht aus nahezu kubischen Zellen,
deren Wände bei Behandlung mit Phloroglucin und Salzsäure
eine leichte Verholzung erkennen lassen; die dritte Schichte
endlich ist gebildet aus flachen, dünnwandigen Zellen mit
unverholzten Membranen. Wo Baststränge in der Querrichtung
des Blattes verlaufen, da ist die Epidermis einschichtig, da
finden sich in ihr die größeren Stegmata, deren weiter unten
gedacht werden soll.
Die Trichome, die sich auf beiden Seiten des Blattes
finden, sind mehrzellig und treten zumeist über den Gefäß-
bündeln auf. Die Epidermis ist hier trichterig eingesenkt, am
Grunde der Vertiefung liegen vier Oberhautzellen, welche die
1 Ob hier eine mehrschichtige Oberhaut oder eine einfache, mit hypo-
dermaler Mesophyllschicht verbundene Oberhaut vorliegt, konnte ich nicht
entscheiden, da mir die hiezu erforderlichen meristematischen Entwicklungs-
stadien des Borassus-Blattes nicht zur Verfügung standen. Mit Rücksicht jedoch
auf die drei Schichten der Spaltöffnung, von denen weiter unten die Rede sein
wird, die genau den drei Oberhautschichten entsprechen und von denen man
mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit annehmen kann, daß sie aus der jungen
Epidermis (Dermatogen) hervorgegangen sind, glaube ich in diesem Falle eine
dreischichtige Epidermis annehmen zu dürfen.
70 R. Eberwein,
Fußzellen des Trichoms bilden. Dieses ragt säulenförmig aus
dem Zelltrichter heraus bis etwas über den Rand desselben,
dort verzweigt es sich in sieben bis acht einzellige, braune
Lappen, welche dem Rande der Einsenkung aufliegen.1
Die Spaltöffnungen treten, dem isolateralen Bau des
Blattes entsprechend, auf beiden Seiten und zwar in annähernd
gleicher Anzahl auf, es entfallen auf 1 nttn* oben wie unten
zirka 22.
In der Oberflächenansicht scheint jede Spaltöffnung jeder--"
seits zwei Nebenzellen zu haben, die an den Scheiteln der
Spaltöffnung an einer gemeinsamen Polzelle (Fig. 1, p) sich
ansetzen, so daß also an die Polzelle vier Nebenzellen (zwei
Nebenzellenpaare) grenzen (Fig. 1; w2, w8). Bei den meisten
Spaltöffnungen erfolgt ein solcher Anschluß nur an einem
Scheitel der Spaltöffnung, während auf dem anderen die Pol-
zelle der Breite nach geteilt ist, so daß das innere Nebenzellen-
paar an die innere, das äußere an eine zweite Polzelle
(Fig. 1,//) sich ansetzt. Wiederholt tritt auch eine Kombination
der beiden Fälle ein, indem die beiden Nebenzellen der einen
Seite an eine gemeinsame Polzelle anschließen, während an
derselben Polzelle auf der anderen Seite desselben Scheitels
nur die innere Nebenzelle anliegt, die äußere dagegen eine
weiter nach außen liegende Polzelle berührt. — Es wurde
gesagt, die Spaltöffnung scheine zwei Paare von Nebenzellen
zu besitzen: Wenn man nämlich die Spaltöffnung im Quer-
schnitte betrachtet (Fig. 2), so bemerkt man, daß die eigentliche
Nebenzelle (nx) — wenn man nämlich mit diesem Namen die-
jenige Zelle bezeichnet, die unmittelbar neben der Schließzelle
liegt — in der Oberflächenansicht gar nicht zu sehen ist, da
sie von der zweiten Nebenzelle (n2) seitlich überwallt wird, so
daß also das, was in der Flächenansicht als innere und äußere
Nebenzelle erscheint, in Wirklichkeit die zweite und dritte
Nebenzelle ist; wir haben also in diesem Falle bei jeder Spalt-
öffnung drei Paare von Nebenzellen, von denen aber die eigent-
lichen, die innersten, nur am Querschnitte zu sehen sind. In
den Querdurchschnitten der Oberhaut bemerkt man dann auch
1 Die Trichome sind abgebildet in Wiesner, 1. c.t Bd. II, S. 455.
Blatt von Borassus fläbelliformis. 7 1
unter jeder Schließzelle je zwei Querschnitte von sehr zart-
wandigen, engen Zellen (r) und bei geeigneten Schnitten, die
näher gegen die Spitze der Spaltöffnung geführt sind, kann
man dann sehen, daß diese so erhaltenen vier Zellquerschnitte
zwei Zellringen angehören, deren jeder an zwei Stellen durch-
schnitten ist. Diese beiden Ringe sind unter den Schließzellen
so eingelagert, daß ihre Berührungslinie gerade unter die Spalte
der Stomata zu liegen kommt (Fig. 4), während die Ringe
anderseits ungefähr unter der zweiten Nebenzelle an einer
Zelle der zweiten Epidermisschicht festgewachsen sind. Jeder
solche Zellring hat ungefähr die Form einer Ellipse, deren
große Achse annähernd doppelt so groß ist als die kleine
(so daß also beide Ringe nebeneinandergelegt zusammen
ungefähr eine Kreisfläche bilden) und besteht aus zwei Zellen
(Fig. 3).
Unter diesem doppelten Zellringe ist in noch tieferer Lage,
der dritten Epidermisschicht entsprechend, ein einfacher Zell-
ring zu sehen (Fig. 2, R), der den oberen Rand der Atemhöhle
bildet; er ist in der Flächenansicht kreisförmig (Fig. 5, R) und
zumeist aus zwei Zellen zusammengesetzt, seltener aus drei
bis vier.
Wo zwei Spaltöffnungen ganz nahe nebeneinander zu
liegen kommen (Fig. 2), sehen wir sie voneinander getrennt
durch eine Zelle der zweiten Epidermisschicht; diese Zelle ist
von länglich-birnförmiger Gestalt und dient als Basis für die
der ersten Oberhautschicht angehörigen drei bis fünf Zellen,
welche im Querschnitte fächerförmig angeordnet erscheinen.
An die genannte Zelle, die man in diesem Falle als Träger-
zelle bezeichnen könnte, setzen sich unten beiderseits die oben
erwähnten doppelten Zellringe an, während zwei neben-
einanderliegende, kreisförmige Zellquerschnitte unter dieser
Trägerzelle den beiden einander berührenden einfachen Zell-
ringen entsprechen. Wenn man bisweilen unter der Trägerzelle
nur einen Zellquerschnitt vorfindet wie in Fig. 2 unter der
Trägerzelle, welche die zweite Spaltöffnung von der dritten
trennt, so hat das darin seinen Grund, daß zwei benachbarte
einfache Zellringe oft eine Zelle gemeinsam haben, wie ein Fall
auch in Fig. 5 (bei R') abgebildet ist.
72 R. Eberwein,
Was nun die Deutung dieser eigentümlichen Zellbildungen
der Spaltöffnung betrifft, so ist der einfache Zellring wohl ganz
ungezwungen als Aussteifung des Einganges zur Atemhöhle
zu betrachten. Schwieriger ist es dagegen heute noch, dem
doppelten Zellringe eine bestimmte Funktion zuzuschreiben;
es konnte dies umsoweniger geschehen, als dem Verfasser
nur Herbarmaterial zur Verfügung stand und infolgedessen
weder eine entwicklungsgeschichtliche noch eine experi-
mentelle Untersuchung durchgeführt werden konnte; es lassen
sich daher über diesen Punkt augenblicklich nur Mutmaßungen
anstellen. Mir scheint die Annahme nicht unberechtigt, daß die
beiden Zellringe, die nach unten leicht bewegt werden können,
nach obenhin dagegen in den beiden Schließzellen einen Wider-
stand finden, wie ein Ventil tätig sein könnten, das dem Ein-
tritte der Luft kein Hindernis entgegensetzt, das Entweichen
der mit Wasserdampf gesättigten Luft aus den Intercellularen
der inneren Blattgewebe dagegen erschwert — eine Annahme,
die wohl auch in den trockenen Standorten, welche diese Palme
vorzugsweise aufsucht, begründet erscheint.
Als Begleiter der Sklerenchym-Elemente finden sich bei
vielen Monokotylen und Kryptogamen (nach bisherigen Unter-
suchungen nie bei Dikotyledonen) eigentümliche Zellen, die
einen Kalk- oder Kieselkern enthalten. Zum erstenmale wurden
diese Zellbildungen beobachtet von Link,1 dann später von
Crüger2 (an Moquilea), im Jahre 1864 von Mettenius,3 der
ihnen den Namen Stegmata oder Deckzellen beilegte, »da sie
stets das Sklerenchym bedecken, insoferne als sie an der
äußeren Grenze desselben von dem Parenchym liegen«.
1871 beobachtete Rosanoff4 diese Gebilde bei einer Anzahl
von Palmen; aber erst Kohl5 ließ diesen eigentümlichen Zellen
i Link, Botan. Ztg., 1849, S. 750.
2 Crüger H., Westindische Fragmente. Botan. Ztg., 1857.
3 Mettenius G., Abh. d. math.-phys. Klasse d. kön. sächs. Ges. d. Wiss.
Bd. VII, Nr. II, 1864, S. 419 ff.
* Rosanoff S., Über Kieselsäure-Ablagerungen in einigen Pflanzen.
Botan. Ztg. 1871, Nr. 44 und 45.
5 Kohl F., Anatomisch-physiolog. Unters, d. Kalksalze und Kieselsäure
in der Pflanze. Marburg, 1889.
Blatt von Borassus ßabelliformis. 73
eine eingehende Behandlung zuteil werden und konstatierte,
daß die Kiesel- (seltener Kalk-) Körper, die sich in den Deck-
zellen finden, nicht als innere Verdickung der Membran zu
betrachten sind, wie die früheren Autoren annahmen, sondern
frei im Lumen der Zellen liegen. Sie bestehen aus reiner,
amorpher Kieselsäure ohne jede Grundlage von Cellulose, denn
sie zeigen keine der Eigenschaften, wie sie verkieselte Cellulose
aufweist, sie werden durch kein Cellulose-Reagens tingiert und
hinterlassen bei Einwirkung von Fluorwasserstoffsäure keinen
organischen Rest. Die Membran der Deckzelle ist an der Seite,
die der Bastfaser anliegt, am stärksten verdickt, nach oben hin
nimmt die Verdickung allmählich ab, so daß an der der Bast-
faser abgewendeten Seite die dünnste Membranstelle sich
findet. An der Seite der stärksten Verdickung, d. i. an der
Grenze gegen die Bastfaser, finden sich in der Regel Poren, die
sich in die Wand der Bastfaser hinein fortsetzen und so die
beiden Lumina miteinander verbinden. In den Deckzellen,
deren Wand in der ersten Anlage an allen Stellen gleichmäßig
dünn ist, findet man ursprünglich viel Plasma und einen ver-
hältnismäßig großen Zellkern, später erscheint daneben ein
stark lichtbrechendes Kügelchen, das sich bei eingehender
Untersuchung als Kieselkörper erweist.
Mit einer allmählichen Verdickung des unteren Teiles der
Deckzellenmembran geht ein allmähliches Heranwachsen des
Kieselkörpers Hand in Hand, so daß derselbe späterhin in der
Höhlung der Deckzelle nicht mehr so frei beweglich ist wie
früher und zuletzt in vielen Fällen den ganzen vorhandenen
Raum vollständig ausfüllt. Gleichzeitig verändert sich die
zuerst glatte Oberfläche des Kieselkörpers, er enthält eigentüm-
liche Leisten, Wärzchen und Skulpturen. Die ganze Gestalt des
vollständig entwickelten Kieselkörpers ist sehr verschieden;
neben der reinen Kugelform gewahrt man oft niedrige oder
höhere Kegel oder oft auch Gebilde, deren Gestalt an die eines
Brotlaibes oder eines niedrigen Hütchens erinnert.
Deckzellen finden sich nach Kohl in folgenden Familien
der Monokotyledonen: Palmen, Pandaneen, Scitamineen (exklu-
sive Zingiberaceen) und Orchideen (exklusive Ophrydeen,
Listereen, Arethuseen und Cypripedieen) und zwar enthalten
74 R. Eberwein,
die Deckzellen der Pandaneen kohlensauren Kalk, die der
übrigen genannten Familien dagegen Kieselkörper.
Nur in einer Pflanze, in der Palme Kentia, hat man
zweierlei Formen von Kieselkörpern beobachtet: In den
größeren Deckzellen treten größere, kugelförmige Kieselkörper
auf, in anderen dagegen sind dieselben scheibenförmig und
von geringerer Größe. Diese Eigentümlichkeit zeigt sich nun
auch bei Borassus; auch hier finden sich zweierlei Formen
von Deckzellen, aber während die kleineren ein normales
Verhalten zeigen, da sie den Bast begleiten, der ganz im
Innern des Blattes verläuft, treten andere dickwandige Faser-
elemente (Bastfasern) beiderseits sehr nahe an die Oberfläche
des Blattes heran, so daß die sonst dreischichtige Epidermis
an diesen Stellen einschichtig wird. Diejenigen dieser hoch-
gelegenen Bastfaserstränge nun, welche die Queranastomosen
der Hauptstränge bilden, sind sehr häufig begleitet von Deck-
zellen, die in diesem Falle, ganz abweichend von den übrigen
untersuchten Palmen, in der Epidermis selbst liegen.1 Die
Kieselkörper dieser letzterwähnten Deckzellen unterscheiden
sich nur durch ihre Größe von den oben genannten; ihre
Form ist dieselbe, sie sind kugelförmig, mit warzigen Vor-
sprüngen dicht besetzt.
Aus der Tatsache nun, daß die Kieselkörper frei im Zell-
lumen liegen, daß ferner die Stegmata zumeist durch Poren
mit der Bastfaser, auf der sie aufsitzen, verbunden sind und
daß sie mit ihrem freien äußeren Ende in Intercellularen
hineinragen, hat Kohl die Hypothese abgeleitet, die Kiesel-
körper in den Deckzellen wirkten ähnlich wie Ventile, die den
Zweck hätten, bei reichlicher Wasserzufuhr den Interceliular-
raum von den Gefäßen her rasch mit Wasser zu füllen und
anderseits bei eintretender Trockenheit zu verhindern, daß
das auf diese Weise in die Zwischenzellräume gelangte
Wasser wieder in die Bastzellen zurückweicht.
Gegen diese Auffassung ließe sich mancherlei sowohl
vom physikalischen als auch vom physiologischen Standpunkte
1 Ein ähnliches Verhalten zeigt nach den bisherigen Veröffentlichungen
nur noch Aspidium deltoiäeum. Mettenius, 1. c. S. 426.
Blatt von Borassus flabdliformis. 75
einwenden. Allein ich will davon ganz absehen und nur
darauf hinweisen, daß diese Auffassung keine allgemeine
Gültigkeit haben kann, vor allem deshalb nicht, weil es
Stegmata gibt, welche einen kompakten, festen Körper dar-
stellen, indem das Lumen der Deckzelle von dem Kieselkörper
vollkommen, ja bisweilen bis in die Poren hinein erfüllt ist.1
Ein Gleiches gilt auch für die Stegmata der Musaceen und
Farne,2 wo die Kieselkörper den ganzen verfügbaren Raum
innerhalb der Deckzelle einnehmen. In diesem Falle ist es ganz
unmöglich, daß die Stegmata als Ventile wirken. Aber auch
rücksichtlich der Zingiberaceen und mancher Marantaceen2
kann die von Kohl aufgestellte Hypothese über die Funktion
der Stegmata nicht aufrecht erhalten werden, da die Deckzellen
dieser Pflanzen entweder keine Kieselkörper enthalten oder
sehr kleine, in kleinerer oder größerer Zahl vorhandene Kiesel-
körper führen.3 Vollends die Tatsache, daß Stegmata in der
Epidermis vorkommen können, erscheint wohl als ein wichtiges
Argument gegen die Annahme einer Ventiltätigkeit. Bei
Borassus ist ebenso wie bei den Deckzellen anderer Pflanzen
die größte Verdickung der Membran an der Stelle, wo die
Deckzelle dem Gefäße aufsitzt, die dünne Wand aber liegt frei
in der Epidermis; ist nun eine Ventiltätigkeit anzunehmen, so
kann sie bei Borassus ebenso wie in den übrigen Pflanzen nur
in der Weise wirken, daß das Wasser aus den Bastzellen
heraustreten kann. Nun ist aber Borassus eine Palme, die stets
trockene Standorte bevorzugt und die mit allen Mitteln gegen
einen zu starken Wasserverlust geschützt ist; sie hat eine
ziemlich starke Cuticula und sogar die Spaltöffnungen sind,
wie oben gezeigt wurde, in ganz hervorragender Weise dazu
eingerichtet, einen Wasserverlust möglichst hintanzuhalten; es
ist wohl kaum anzunehmen, daß eine Pflanze sich einen so
komplizierten Mechanismus aufbaut, wie es die Spaltöffnungen
1 Siehe hierüber Wiesner, Rohstoffe, IL, S. 796. Nach Beobachtungen
von T. F. Hanausek: »Die Kieselkörper (der Stegmata aus der Attalea-Schsile)
stellen Ausgüsse des Zeltumens aus amorpher Kieselsäure dar<.
2 Kohl, l. c.
s Kohl betrachtet die erwähnten Formen als rudimentär oder reduziert.
76 R. Eberwein, Blatt von Borassus fläbelliformis.
von Borassus sind, um dann den dadurch erreichten Effekt
durch eine entgegengesetzte Einrichtung wieder aufzuheben.
Über die Funktion der Stegmata ist außer der oben
angeführten Ansicht, soviel mir bekannt, nichts veröffentlicht
worden. Wohl aber äußert sich Prof. Wiesner in seinen Vor-
lesungen über die Stegmata dahin, daß in jenen Fällen, in
welchen der Kieselkörper die Deckzelle erfüllt, das aus diesen
Elementen bestehende Gewebe naturgemäß den Gefaßbündel-
scheiden (speziell den Schutzscheiden) zugezählt werden
müßte, welche den Stoffwechsel zwischen dem Stranggewebe
und dem umgebenden Grundgewebe lokal herabzusetzen oder
aufzuheben bestimmt sind, wofür nicht nur die schließliche
Erfüllung der Zelle mit dem Kieselkörper spricht, sondern auch
die bei Schutzscheiden oft beobachtete Tatsache, daß die die-
selben zusammensetzenden Elemente an ihrer gegen das
Gefäßbündel gerichteten Seite am stärksten verdickt sind.
Ich glaube, daß die hier ausgesprochene Ansicht umso
acceptabler ist, als sie in der gegebenen Einschränkung kaum
einen Widerspruch zuläßt.
Erklärung der Tafel.
Fig. 1. Spaltöffnung, Flächenansicht. — Vergr. hier und Folge 400.
» 2. Querschnitt durch 3 nebeneinander liegende Spaltöffnungen.
» 3. Flächenansicht der zweiten Spaltöffnungsschicht.
» 4. Spaltöffnung, Flächenansicht, Orientierung des doppelten Zellringes.
» 5. Flächenansicht des einfachen Zellringes.
» 6. Deckzelle, Querschnitt.
» 7. Dieselbe, von der Fläche.
s Schließzelle.
nv n2> nz Nebenzellen.
r Doppelter Zellring.
R Einfacher Zellring.
A Atemhöhle.
K Kieselkörper der Deckzelle.
Eberwein RTIiil ^or; h.TH^riis liäbollifcrmis.
.-jrvi:.^ r. a .\ qcz
l r.r>' vor: : • ^i:j'j: jr s j--
rjobcriohie -ilrs^ .'.kald'^J rr.aih.:
77
Die Koleopterengattung Apholeuonus Reitt.
Ein Beitrag zur Kenntnis der dalmatinischen Höhlenfauna
von
Josef Müller,
Supplent an der k. k. Oberrealschule in Triest.
(Mit 1 Tafel und 4 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 12. Februar 1903.)
Im Jahre 1889 wurde von Apfelbeck 1 ein neuer Höhlen-
silphide aus Südbosnien unter dem Namen Hexaurtts nudtts
beschrieben und in demselben Jahre stellte Reitter2 für diese
Art das Genus Apholeuonus auf. Seither sind keine weiteren
Apholeuonus- Arten beschrieben worden.
Ich bin nun in der glücklichen Lage, zwei neue Arten der
in Rede stehenden Gattung bekannt zu machen und zwar
beide aus dalmatinischen Höhlen. Die eine dieser Spezies
(A. pubescens m.) wurde auf einer Höhlentour entdeckt, die im
September 1901 von mir in Begleitung meiner Freunde Peter
Novak und Anton Mucalo in der Umgebung von Verlicca
(Zentraldalmatien) unternommen wurde. Die andere (A. Taxi m.)
fand Herr Franz Tax aus Graz zusammen mit Herrn Dr. Ed.
Karaman in einer von mir angegebenen Höhle östlich von
Spalato.
1 Apfelbeck V.: »Nove bube u pecinama juzne Bosne (Speluncarum
Coleoptera nova e Bosnia meridionali)«. Glasnik zemaljskog muzeja u Bosni
i Herzegovini, I, 1889, S. 61 — 65. (Text kroatisch, mit lateinischen Diagnosen
der neuen Arten. Eine deutsche Übersetzung findet sich in den Wiss. Mit-
teilungen aus Bosnien und Herzegowina, IL Bd., 1894, 511 bis 514.)
* Deutsche entoraolog. Zeitschr., 1889, S. 295 und 297.
78 J. Müller,
Wie weiter unten näher auszuführen sein wird, sind diese
beiden neuen Spezies miteinander seht nahe verwandt. Dagegen
ist die Kluft zwischen diesen beiden und Apholeuonus nudus
bedeutend größer, aber nach meiner Ansicht zu einer
generischen Abtrennung doch nicht hinreichend. Ich habe es
daher vorgezogen, die beiden neuen Spezies (pubescens und
Taxi) zur Gattung Apholeuonus zu stellen, und mich damit
begnügt, für dieselben ein eigenes Subgenus (Haplotropidius m.)
innerhalb der genannten Gattung zu kreieren. Natürlich muß
dadurch das Genus Apholeuonus in einem etwas weiteren Sinne
aufgefaßt und seine ursprüngliche Diagnose etwas abgeändert
werden. Darauf werde ich aber später zurückkommen.
Nun soll zunächst die Beschreibung der beiden neuen
Arten folgen:
Apholeuonus pubescens nov. spec.
Taf. I, Fig. 1.
Ferrugineus, transparens; capite nitidissimo, latitudine
sesqui longiore, subtiliter sparsimque punctulato, fronte sub-
depressa; autennis corpore paulo longioribus, articttlo primo
pernio incrassato, seeundo prior e f er e duplo longiore, articulis
7°, 9° et 10° apice leviter incrassatis; prothorace nitidissimo,
subtiliter sparsimque punctulato, pilis brevissimis, vixperspieuis
vestito, paulo transverso, latitudine maxima in basi, adhinc
usque ad medium vix, dimidio anteriore leviter angustato,
augulis posticis rectis, margine basali haud sculptnrato, lae-
vissimo, sed a reliqua colli parle nulla linea separato; elytris
valde convexis, subtiliter pnbescetitibus, sat dense punetatis,
prothorace fere duplo latioribus, latitudine maxima in medio,
in anteriorem et in posteriorem partem fere aequaliter
angustatis; epipleuris marginem lateralem corporis haud
attingentibus, in parte ventrali collocatis, ad basin haud
fortiter dilataiis ; carina mesosternali fortiter elevata, simplici ;
abdomine pube subtili et aequali vestito; pedibus sat longis,
femoribus ad apicem vix angustatis; tibiis finissime spinulosis;
larsis auticis apud marem S-articulatis et paulo dilataiis.
Koleopterengattung Apholenonus. 79
Long. 5 — 5m5 mm.
Habitat in antris dalmaticis (Verlicca, Dragovic).
Rostrot, durchscheinend, auf dem Kopfe und dem Hals-
schilde mit starkem, auf den Flügeldecken mit schwächerem
Glänze.
Der Kopf deutlich schmäler als der Halsschild, andert-
halbmal so lang als breit, nach hinten kaum verengt (noch
schwächer verengt als bei Apholeuonus nudus), auf der Stirn
zwischen den Fühlerwurzeln mit einem sehr seichten Eindruck.
Die Skulptur des Kopfes besteht aus einer äußerst feinen
Chagrinierung und einzelnen, ziemlich feinen Punkten.
Die Fühler sind verhältnismäßig etwas dicker und
bedeutend länger als bei Apholeuonus nudus; sie ragen in
vollkommen ausgestrecktem Zustande über das Hinterende des
Körpers hinaus. Ihr erstes Glied ist nicht so stark verdickt wie
bei Apholeuonus nudus und nur wenig stärker als das zweite;
dieses ist nur doppelt so lang als das erste. Das dritte Glied ist
nicht oder nur sehr wenig kürzer als das zweite, das vierte,
fünfte und sechste und zwar namentlich das fünfte etwas
länger. Das siebente, neunte und zehnte Glied gegen die Spitze
sehr schwach verdickt, bedeutend schwächer als bei A. nudus.
Das achte Glied gegen die Spitze kaum verdickt, etwas mehr
als halb so lang als das siebente; das neunte nur sehr wenig,
das zehnte deutlich kürzer als das siebente; das Endglied fast
so lang als das vorletzte, an seiner breitesten Stelle, welche
sich der Spitze näher befindet als der Basis, ebenso dick als die
Spitze der beiden vorhergehenden Glieder.
Der Halsschild etwas breiter als lang, mit der Maximal-
breite an der Basis, von da an bis zur Mitte des Seitenrandes
fast parallel, in der apikalen Hälfte dagegen schwach verengt.
Die Hinterwinkel rechtwinkelig; die Halsschildseiten der ganzen
Länge nach scharf gerandet, die Randlinie in der Seitenansicht
fast gerade erscheinend. Der Halsschild ist so wie die Oberseite
des Kopfes im Grunde fein chagriniert und außerdem mit
zerstreuten Pünktchen besetzt; längs der Basis befindet sich,
ähnlich wie bei A. nudus, eine spiegelglatte, nicht skulptierte
Randleiste, die aber im Gegensatze zur letzgenannten Spezies
gegen die chagrinierte Fläche des Pronotums nicht scharf
80 J. Müller,
abgesetzt erscheint. l Erwähnt sei noch, daß aus dem Pünktchen
des Halsschildes äußerst feine Härchen entspringen, die aber
nur bei sehr starker Vergrößerung wahrzunehmen sind.
Die Flügeldecken sind fein anliegend behaart, stark
gewölbt, erheblich stärker als bei A. nudus, von elliptischem
Umrisse, nach vorn und hinten ziemlich gleich stark verengt,
mit der größten Breite in ihrer Mitte, daselbst meist doppelt so
breit als die Halsschildbasis; ich sage ausdrücklich »meist«,
weil die Breite der Flügeldecken ganz erheblich variiert und
zwar bei ein- und demselben Geschlechte. Zwischen Halsschild
und Flügeldecken ist ein deutlicher einspringender Winkel
vorhanden (im Gegensatze zu A. Taxi). Die Skulptur der
Flügeldecken besteht aus einer feinen, netzartigen Chagrinierung
und einer ziemlich dichten, aber mäßig starken Punktierung
(bei weitem nicht so stark wie bei Apholeuonus nudus). Die
Randleiste2 der Flügeldecken ist der ganzen Länge nach auf
die Ventralseite des Körpers verschoben und daher von oben
nicht sichtbar. Die Epipleuren sind nach vorne nur allmählich
erweitert, vor der Basis kaum halb so breit als bei A. nuäus.
Hinter der Spitze der Flügeldecken tritt das Pygidium hervor.
Das Prosternum besitzt in der Mitte des Basalrandes einen
Einschnitt. Das Meso- und Metasternum und die dazu gehörigen
Pleuralstücke sind fein netzartig chagriniert. Die Naht zwischen
den Epimeren und Episternen des Mesothorax ist sehr deutlich;
1 Bei Apholeuonus nudus ist nämlich die glatte Randleiste an der Hals-
schildbasis durch eine feine, aber scharfe Linie von der skulptierten
Halsschildfläche getrennt.
2 Ich verstehe unter diesem Ausdruck das, was man^bisher als »Seiten-
rand« bezeichnet hat. Der Ausdruck »Seitenrand« ist schon deshalb unpassend,
weil damit meistens doch nicht die seitliche Grenzlinie der Flügeldecken
gemeint ist, sondern die daselbst befindliche, oft durch eine Furche abgesetzte
Leiste; und dann ist diese Leiste nicht immer an den Seiten gelegen, sondern
manchmal, wie z. B. in unserem Falle, auf der Ventralfläche des Körpers. Ich
würde daher vorschlagen, den Ausdruck »Randleiste« einzuführen und
denselben, ganz abgesehen von der geometrischen Lage, für die äußere
Begrenzung der Epipleuren zu gebrauchen; dann könnte man den Aus-
druck »Seitenrand« in rein geometrischem Sinne verwenden, um damit
den Umriß der Flügeldecken zu bezeichnen, wie er sich bei direkter
Betrachtung von oben ergibt.
Koleopterengattung Apholeuonus.
81
die die Episternen des Mesothorax vom Mesosternum
abgrenzende Naht ist nur hinten deutlich, nach vorne erlischt
sie allmählich. Die Epimeren der Mittelbrust sind deutlich breiter
als bei A. nudus, ihre Maximalbreite überschreitet etwas jene
der Vorderschienen. Der Mesosternalfortsatz reicht zwischen
den Mittelhüften bis zum Vorderrand des Metasternums; der
Mesosternalkiel ist sehr hoch, an seinem ventralen Rande
schwach ausgebuchtet, etwas gesägt und mit Wimperhaaren
versehen (vergl. Textfig. 2). Das Abdomen ist fein und gleich-
mäßig pubeszent.
Die Beine sind ziemlich lang, die Schenkel fast gleich breit,
an der Spitze kaum verengt. Die Tibien sind sehr fein
abstehend bedornt; an der Außenseite der Vorderschienen ist
eine dichte Reihe von äußerst kurzen, aber ziemlich dicken
Dörnchen vorhanden, welche bei geeigneter Beleuchtung von
hinten lebhaft schimmern und dadurch am leichtesten zu
Fig. l.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 1. Mesosternalkiel von Apholeuonus nuäus in der Seitenansicht;
Fig 2 derselbe von Apholeuonus pubescens m.; co die mittleren Hüfthöhlen.
Vergr. 48.
Fig. 3. Penis (pc) samt Parameren (pa) von Apholeuonus pubescens m., Seiten-
ansicht Vergr. zirka 60.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXII. Bd., Abt. I. 6
82
J. Müller,
'"•.
erkennen sind. Die Vordertarsen sind beim d" fünfgliederig,
schwach erweitert; das erste Glied nur wenig schmäler als die
Spitze der Vorderschienen, fast viermal
so lang als breit; die folgenden allmählich
schmäler, das dritte und vierte nur halb
so lang als das erste; das letzte so lang
als die drei ersten zusammen. Beim 9
sind die Vordertarsen viergliederig, ein-
fach, das erste und letzte Glied sehr
lang, die beiden mittleren kurz, zu-
sammen etwas kürzer als das erste.
Das männliche Kopulations-
organ (vergl. Textfig. 3 und 4) ist 1*1 mm
lang und viel plumper als bei Spelaeo-
bates gebaut.1 Der Penis stellt ein weites,
ungefähr in der Mitte eingeknicktes
Rohr dar, welches im Basalteil und zwar
auf der ventralen Seite kragenförmig
erweitert ist. Der Basalrand des Penis-
rohres besitzt zwei dorsolateral gelegene,
von oben betrachtet fast kreisförmige
Einschnitte; der dazwischen liegende
dorsale Teil der Peniswandung ent-
sendet jederseits einen spitzen Fortsatz,
der die vordere Begrenzung dieser beiden
Einschnitte bildet. Die Parameren, welche dem Penis eng
anliegen, sind wie bei Spelaeobates ventral verwachsen; jedoch
sind sie hier insofern komplizierter gebaut, als sie sich in
ihrem Basalteile in zwei Gabeläste spalten. Der eine Ast verläuft
gerade nach vorne und inseriert an dem oben erwähnten, die
vordere Begrenzung der kreisförmigen Einschnitte bildenden
lateralen Fortsatz der Penisbasis; der andere biegt auf die
Ventralseite, um daselbst mit dem der anderen Seite zu ver-
wachsen.
Körperlänge: 5 bis 5*5 mm.
Fig. 4.
Penis und Parameren von
Apholcuonus pubesecns
m., Dorsalansicht.
Vergr. zirka 60.
1 Vergl. Jos. Müller, Beitr. z. K. der Höhlensilphiden in den Verhand-
lungen der k. k. zoolog.-botan. Gesellschaft in Wien, 1901, Taf. I, Fig. 7 und 9.
Koleopterengattung Apholeuonus. 83
Fundort: Höhlen bei Verlicca und Dragovic (Zentral-
dalmatien).
Apholeuonus Taxi nov. spec.
Taf. I, Fig. 2.
Aph. pubescenti m. affinis, sed praecipue sequentibus notis
bene distinctus. Antennarutn articulo primo minus incrassato,
sectmdo prior e paulo magis quam sesqni longiore; protkorace
finissitne, sed perspique pubescente, transverso, basi latitudine
maxima, adhinc ad apicem fere rede angusiato, angulis
posiicis acutis; elytris prothorace paulo magis quam sesqni
latioribns, latitudine maxima in medio, vel paulo pone medium,
ad apicem magis angustatis quam basin versus.
Long. 5 - 5 mm.
Habitat in antro quodam Dalmatiae centralis (Kotlenice).
Mit der vorigen Spezies in allen wesentlichen Merkmalen
übereinstimmend, jedoch in folgenden Punkten verschieden:
Das erste Fühlerglied ist noch schmäler und länger, das
zweite nur anderthalb so lang als das erste.
Kopf und Halsschild ist etwas stärker und dichter
punktiert, der letzte ist zwar sehr fein, aber deutlicher als bei
der vorigen Spezies behaart;1 die Hinterwinkel des Halsschildes
spitzwinkelig, daher die Seiten schon von der Basis an nach
vorne (fast geradlinig) konvergierend; der Seitenrand des
Halsschildes erscheint bei seitlicher Betrachtung vor den
Hinterecken in schwachem, nach unten konkavem Bogen
gekrümmt.
Die Flügeldecken sind nur anderthalbmal so breit als die
Halsschildbasis und nach vorne schwächer als nach hinten
verengt; zwischen Flügeldecken und Halsschild ist bei Be-
trachtung von oben kaum ein deutlich einspringender Winkel
zu erkennen.
Die Beine sind etwas robuster gebaut, namentlich die
Schenkel.
Länge: 5' 5 mm.
1 Trotzdem ist diese feine Pubeszenz des Halsschildes nur bei starker
Vergrößerung deutlich wahrnehmbar!
6*
84 J. Müller,
Fundort: Höhle westlich von Spalato (Kotlenice).
(Das männliche Kopulationsorgan ist von derselben Größe
wie bei Apholeuonus pubescens und auch sonst demjenigen der
letztgenannten Spezies sehr ähnlich.)
Es erübrigt mir noch, die Umgrenzung der durch die
beiden oben beschriebenen Arten bereicherten Gattung Apho-
leuonus festzustellen.
Als Reitter (1. c.) für den Hexaurus nudus Apfelbeck
die Gattung Apholeuonus kreierte, konnte er dieselbe durch die
kahle Oberseite, das kurze erste Fühlerglied, den vorne haken-
förmig vortretenden Mesosternalkiel, die Form des Halsschildes
und das hinter der Spitze der Flügeldecken hervortretende
Pygidium scharf definieren. Ganglbauer1 machte in seiner
Beschreibung der Gattung Apholeuonus auch noch auf die
glatte Randleiste an der Halsschildbasis, auf die vorne sehr
breiten Epipleuren der Flügeldecken und auf die nicht
erweiterten fünfgliederigen Vordertarsen des cf aufmerksam.
So war bis jetzt die Gattung Apholeuonus eine der am
schärfsten umgrenzten Gattungen der Höhlensilphiden. Durch
das Bekanntwerden der beiden oben beschriebenen dalmatini-
schen Arten (A. pubescens und Taxi) müssen aber mehrere
Merkmale, denen man bisher generischen Wert beigelegt hat,
aus der Definition der Gattung Apholeuonus entfallen, so das
Fehlen der Behaarung auf der Oberseite, die starke Erweiterung
der Epipleuren der Flügeldecken in ihrem vorderen Teile, der
Besitz eines zahnartigen Vorsprunges am Mesosternalkiel und
nicht erweiterter Vordertarsen im männlichen Geschlechte. Die
Angabe über die relative Länge des ersten Fühlergliedes muß
wenigstens eine Einschränkung erfahren, da dasselbe bei A.
pubescens und Taxiy wenn auch kürzer als das zweite Glied,
doch relativ erheblich länger als bei A. nudus ist.2 Freilich
verliert dadurch die Umgrenzung der Gattung Apholeuonus an
i Die Käfer von Mitteleuropa, III. Bd., S. 86.
2 Bei Apholeuonus nudus ist das erste Fühlerglied nur ein Drittel so
lang, bei pubescens halb so lang und bei Taxi fast zwei Drittel so lang als
das zweite.
Koleopterengattung Apholeuonus. 85
Schärfe; trotzdem läßt sich aber dieses Genus als solches
aufrechterhalten. Wir wollen nun auf die Unterschiede, welche
zwischen der Gattung Apholeuonus im weiteren Sinne (nämlich
mit den drei Arten nuäus, pubescens und Taxi) und den
verwandten Genera bestehen, kurz eingehen, um so zur Auf-
stellung der Gattungscharakteristik zu gelangen.
Was zunächst die Unterscheidung von dem mit Apho-
leuonus habituell etwas ähnlichen Propus (Protobraharthron)
Reitteri betrifft, so muß in erster Linie auf den Mesosternal-
fortsatz hingewiesen werden. Dieser reicht nämlich bei
Apholeuonus bis an den Vorderrand des Metasternums,
während er bei Propus und sämtlichen von mir in meinem
Beitrag zur Kenntnis der Höhlensilphiden * behandelten
Gattungen mehr oder minder abgekürzt erscheint und daher
das Metasternum nicht erreicht. Ferner ist bei Protobraharthron
Reitteri der Halsschild schmäler, um ein Drittel länger als
breit, hinter der Mitte ausgeschweift; bei Apholeuonus ist da-
gegen der Halsschild mehr oder minder quer und hinter der
Mitte nicht ausgeschweift. Ob bei Protobraharthron Reitteri
die für Apholeuonus charakteristische glatte Randleiste an der
Halsschildbasis fehlt, kann ich vorläufig nicht mitteilen, da mir
zur Zeit von der erstgenannten Form kein Exemplar vorliegt;
sollte dies der Fall sein, so würde sich ein weiterer Unterschied
zwischen den beiden in Rede stehenden Formen ergeben.
Von der Gattung Hexaurus Reitt, von der mir durch die
Freundlichkeit des Herrn Kustos L. Ganglbauerin Wien drei
Exemplare vorliegen, läßt sich das Genus Apholeuonus i. w. S.
folgendermaßen abgrenzen. Das erste Fühlerglied ist bei
Hexaurus mindestens so lang als das zweite — bei Apholeuonus
erheblich kürzer; an der Halsschildbasis ist bei Hexaurus —
im Gegensatze zu Apholeuonus — eine deutliche glatte Rand-
leiste nicht vorhanden. Die Flügeldecken sind bei Hexaurus
weniger gewölbt, ihre Randleiste befindet sich am Seitenrande
des Körpers; bei Apholeuonus ist hingegen die Randleiste der
Flügeldecken wenigstens größtenteils auf die Ventralseite des
i Vergl. Verhandlungen der k. k. zoolog.-botan. Gesellschaft in Wien,
1901, S. 27 bis 29.
86 J. Müller,
Körpers verschoben. Schließlich ist hervorzuheben, daß nach
Reitter die Vordertarsen des Männchens von Hexaurus nur
viergliederig sind, was ich leider an den mir vorliegenden drei
Exemplaren des Wiener Hofmuseums nicht nachprüfen kann.
Allerdings zeigen alle drei Exemplare nur viergliederige Vorder-
tarsen; nur müßte man durch Untersuchung des Kopulations-
apparates feststellen, ob darunter auch wirklich männliche
Exemplare vorhanden sind.
Von der neulich beschriebenen Gattung Leonhardia Re i 1 1. l
differiert unser Genus Apholeuonus schon durch seine
bedeutendere Größe und die hinter der Mitte nicht aus-
geschweiften Halsschildseiten. Dann ist bei Leonhardia die
Randleiste der Flügeldecken ungefähr an dessen Seitenrande
gelegen, nicht oder kaum auf die Ventralseite des Körpers
verschoben. Eine spiegelglatte, nicht skulptierte Randleiste an
der Halsschildbasis, wie wir sie bei sämtlichen bisher bekannten
Apholeuonus- Arten antreffen, fehlt bei Leonhardia; überhaupt
ist die Skulptur des Halsschildes bei den zwei hier verglichenen
Gattungen total verschieden. Das erste Glied der Vordertarsen
des tf von Leonhardia ist nicht länger als das zweite, während
es bei den Apholeuonus- Arten erheblich länger, gestreckter ist.
Schließlich sei noch erwähnt, daß die Schienen bei Apholeuonus
fein bedornt sind, was bei Leonhardia nicht deutlich zu
sehen ist.2
i Wiener entom. Zeitung, 1901, S. 128.
2 Ich muß hier bemerken, daß mir von der Gattung Leonhardia nur die
L, Hilft Reitt. (Wiener entom. Zeitung, 1891, S. 128) vorliegt, nach der allein
die oben erwähnten generischen Unterschiede zwischen Leonhardia und
Apholeuonus zusammengestellt sind. Die später beschriebene L. Reitteri Breit
<Soc. entom., 1902, Nr 12, p. 89; Wiener entom. Zeitung, 1902, S. 223) ist mir
in natura nicht bekannt.
Als Ergänzung der Reitter'schen Beschreibung der Leonhardia Hilft
möchte ich noch erwähnen, daß die erweiterten Vordertarsen des tf so breit
als die Spitze der Vordertibien sind; ihre einzelnen Glieder besitzen am
Vorderrande einen tiefen, winkeligen Einschnitt, aus dem das folgende Glied
entspringt. Die Schenkel sind vor der Spitze ein wenig verengt. Der Hinterrand
des Prosternums besitzt in der Mitte einen kleinen Einschnitt. Am Mesothorax
sind sowohl die Epiraeren von den Episternen als auch diese letzteren vom
Mesosternum durch deutliche Nähte getrennt. Der Mesosternalfortsatz ist nach
Koleopterengattung Apholcuonus. 87
Von Spelaeodromus und Pholeuo» (die man vielleicht
besser zu einer einzigen Gattung vereinigen könnte) unter-
scheiden sich die Apkoleuonus-Axten schon habituell durch die
viel breiteren Flügeldecken, weiters durch das hinter der Spitze
der Flügeldecken etwas hervortretende Abdomen, durch die
hinter der Mitte nicht ausgeschweiften Halsschildseiten, den
spiegelglatten Streifen an der Halsschildbasis und die Lage der
Randleiste der Flügeidecken. Diese ist nämlich bei Pkolenon
und Spelaeodromus nicht, respektive nur sehr wenig gegen die
Ventraiseite verschoben im Gegensatze zu Apholeuonus, wo sie
sich, ziemlich weit vom Seitenrande des Körpers entfernt, auf
dessen Ventralseite befindet. Von Spelaeodromus speziell unter-
scheidet sich unsere Gattung Apholeuouns auch durch die fein
bedornten Schienen und namentlich durch die dichte Reihe von
kurzen, aber ziemlich dicken Dörnchen an der Außenseite der
Vordertibien.
Aus diesen Betrachtungen ergibt sich für unsere Gattung
Apholeuonus i. w. S. (nämlich mit den drei Spezies: nudus,
pnbescens und Taxi) folgende Diagnose:
Ziemlich groß. Kopf bedeutend schmäler als der
Halsschild; dieser mehr oder minder quer, die Seiten
hinter der Mitte nicht ausgeschweift, am Basalrande
mit einem spiegelglatten, unskulptierten Streifen.
Flügeldecken erheblich breiter als der Halsschild,
etwas blasenförmig angeschwollen, mehr oder minder
dicht, einfach punktiert; ihre Randleiste wenigstens
größtenteils vom Seitenrande des Körpers abgerückt,
auf dessen Ventralseite verschoben. Das Pygidium
von den Flügeldecken nicht ganz bedeckt. Das erste
Fühlerglied kürzer als das zweite. Die Tibien sehr
fein bedornt, an der Außenseite der Vorderschienen
eine dichte Reihe von kurzen, aber ziemlich dicken
Dörnchen. Vordertarsen beim c? fünfgliederig. Pro-
sternum in der Mitte des Basalrandes ausgeschnitten;
hinten bis zum Metasternum verlängert. An den Fühlern sind nicht, wie
Reitter angibt, »die letzten fünf Glieder fast doppelt stärker als die anderen«,
denn das achte Glied ist wie gewöhnlich einfach, nicht erweitert.
88 J. Müller,
Mesosternalfortsatz bis an das Metastern um
reichend.
Die so definierte Gattung Apholeuonus zerfällt naturgemäß
in zwei Subgenera:
Subgen. Apholeuonus s. str.
Oberseite unbehaart. Der Kiel des Mesosternums niedrig,
vorne zahnförmig vortretend (vergl. Textfig. 1). Randleiste der
Flügeldecken größtenteils auf die Ventralseite des Körpers
verschoben, nur im basalen Viertel am Seitenrande befindlich,
daher die Epipleuren der Flügeldecken vorne sehr breit. Die
glatte Randleiste an der Basis des Halsschildes durch eine
feine aber scharfe Linie von der skulptierten Fläche abgegrenzt.
Vordertarsen beim d* einfach.
Hieher Apholeuonus nudus Apfelb.
(Zur Ergänzung der Beschreibung dieser Spezies in
Ganglbauer's Werke »Die Käfer von Mitteleuropa« Bd. III,
S. 86, möchte ich folgendes bemerken:
Die Mittel- und Hinterbrust sind äußerst dicht schuppig
gekörnt. Die die Seitenstücke des Mesothorax abgrenzenden
Nähte sind undeutlich; namentlich die Naht zwischen den
Epimeren und Episternen ist nur bei gewissen Stellungen
erkennbar. Hat man diese Naht gefunden, so sieht man, daß die
Epimeren schmale, bogenförmige Stücke darstellen, welche von
außen und hinten die Episternen umgeben und keinesfalls
breiter, eher etwas schmäler als die Spitze der Vorderschienen
sind. Die Mitte des Metasternums und das Abdomen sind
behaart und zwar ist die Behaarung des Abdomens ganz
deutlich eine doppelte, neben einer feinen, anliegenden, kurzen
und ziemlich dichten Grundbehaarung sind zerstreute, erheblich
längere und mehr abstehende Haare vorhanden.
Das männliche Kopulationsorgan ist 1 mm lang, also etwas
kürzer als bei A. pubescens und Taxi. In der Seitenansicht ist
es etwas plumper als bei den letztgenannten Spezies und fast
gleichmäßig gebogen (nicht eingeknickt). Bei Betrachtung von
der Dorsalseite erscheint das männliche Begattungsorgan nicht
so parallelseitig wie bei den zwei anderen Apholeuonus- Arten:
an der Stelle, wo sich die Parameren gabeln, ist es deutlich
Koleopterengattung Apholeuonus. 89
verengt, erheblich schmäler als an der Basis. Eine Folge dieser
Verengung ist, daß die dorsalen Gabeläste der Parameren
einander erheblich näher gerückt sind als bei A. pubescens
und Taxi.)
Subgen. Haplotropidius 1 mihi.
Flügeldecken oder auch der Halsschild behaart. Der Kiel
des Mesosternums hoch, vorne nicht zahnförmig vortretend
(vergl. Textfig. 2). Randleiste der Flügeldecken auch vorne
vom Seitenrande abgerückt, auf die Ventralfläche des Körpers
verschoben, daher die Epipleuren der Flügeldecken vorne nicht
viel breiter als hinten. Die glatte Randleiste an der Halsschild-
basis nicht scharf abgegrenzt. Die Vordertarsen des $ schwach
erweitert.
Hieher die oben ausführlich beschriebenen Arten pube-
scens m. und Taxi m.
Nachtrag.
Erst nach Fertigstellung dieser Arbeit ist es mir gelungen,
ein Exemplar (rf) der mir bei der Aufstellung der Gattungs-
unterschiede zwischen Leonhardia und Apholeuonus nicht
vorgelegenen Leonhardia Reitteri Breit zu bekommen. Eine
Untersuchung desselben ergab, daß die oben (S. 86) angegebenen
Unterschiede zwischen den beiden genannten Gattungen auch
für Leonhardia Reitteri zutreffen.
i Von ÄzXoog = einfach und Tporc'.g = der Kiel.
90 J. Müller, Keleopterengattung Aphohtionus.
Tafelerklärung.
Fig. 1. Apholeuoniis (Haploiropidius) pubescens nov. spec, cf. Vergr. 8.
Fig. 2. Apholenonus (Haplotropidius) Taxi nov. spec., (^. Vergr. 8.
Fig. 3. Apholeuontts nudus Apfelb., tf. Vergr. 8.
Anmerkung. In Fig. 1 konnten die letzten fünf Glieder des linken
Fühlers wegen Raummangels nicht dargestellt werden und dasselbe gilt für
den rechten Fühler in Fig. 2. Ferner ist in Fig. 1 und 2 die feine Behaarung
der Flügeldecken und in Fig. 2 die äußerst feine Pubeszenz des Halsschildes
nicht eingezeichnet worden.
J. Müller: Koleopteren-Gattung Apholeuonus.
Tafel 1.
Autor dcl.
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXII., Abt. I, UK)M.
Lichtdruck der k. k. Hof- und Staatsdruckeret.
91
VI. SITZUNG VOM 19. FEBRUAR 1903.
Erschienen: Monatshefte für Chemie, Band XXIV, Heft I (Jänner 1003).
Das Generalsekretariat des internationalen bota-
nischen Kongresses in Wien übersendet die Mitteilung von
der Wahl des Organisationskomitees für den im Jahre 1905 in
Wien abzuhaltenden internationalen botanischen Kongreß.
Von Seite der Dampfschiffahrtsgesellschaft des
österreichischen Lloyd in Triest ist folgendes, die von
der kaiseri. Akademie nach Brasilien entsendete zoologische
Expedition betreffende Telegramm eingelangt: »Orion Sonn-
tag 15./2. Pernambuco eingelaufen. Lloyd«.
Dr. Wolfgang Pauli in Wien übersendet eine weitere Ver-
öffentlichung über seine mit Unterstützung der kaiseri. Aka-
demie der Wissenschaften vorgenommenen Untersuchungen
über physikalische Zustandsänderungen der Kolloide,
welche im 4. bis 6. Hefte des HI. Bandes der »Beiträge zur
chemischen Physiologie und Pathologie« (Braunschweig,
1902) erschienen sind.
K. k. Bergrat Leopold Schneider in Wien übersendet
eine Abhandlung mit dem Titel: »Die Löslichkeit der Salze
im Wasser und ihre Beziehung zur Salzgewinnung
aus dem Meere«.
Privatdozent Dr. Franz Werner in Wien übersendet eine
Abhandlung mit dem Titel: »Mikroskopische Süßwasser-
tiere aus Kleinasien.« Mit Unterstützung der kaiser-
lichen Akademie der Wissenschaften in Wien ge-
sammelt im Jahre 1900 von Dr. Franz Werner.
92
Bearbeitet von Prof. Dr. Eugen v. Daday in Budapest. Nebst
einem Anhange: »Phytoplankton aus Kieinasien«. Be-
arbeitet von Josef Brunnthaler.
Das w. M. Prof. F. Becke überreicht eine Arbeit aus dem
mineralogisch-petrographischen Institute der k. k. Universität
in Graz von K. Went, betitelt: Ȇber einige melanokrate
Gesteine des Monzoni«.
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Foveau de Courmelles, Dr.: L'annee electrique electro-
therapique et radiographique. Revue annuelle des progres
electriques en 1902. Troisieme annee. Paris, 1903. 8°.
Heil, Albrecht: Beobachtungen über thermoelektrische Ströme
und Mitteilungen über ein neues Thermoelement. (Sonder-
abdruck aus »Zeitschrift für Elektrochemie«, 1903, Nr. 5.)
Lebon, Ernest: Sur un manuscrit d'un cours de J. N. Deliste
au College royal. Paris, 1902. 8°.
Pannekoek, Ant.: Untersuchungen über den Lichtwechsel
Algols. Leiden, 1902. 8°.
Popoff, Boris: Über Rapakiwi aus Süd-Rußland. (Mit 4 Tafeln.)
St. Petersburg, 1903. 8°.
Saint-Lager, Dr.: La perfidie des synonymes devoilöe ä pro-
pos d'un astragale. Lyon, 1901. 8°.
— Histoire de TAbrotonum. Signification de la desinence Ex
de quelques noms de plantes. Paris, 1900. 8°.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXII. BAND. III. HEFT.
ABTEILUNG I.
ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
11
95
VII. SITZUNG VOM 5. MÄRZ 1903.
Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 111, Abt. I, Heft VII (Juli 1902). —
Abt II b, Heft VI und VII (Juni und Juli 1902).
Das Ministerio di Pubblica Istruzione in Rom über-
sendet als Geschenk den XII. Band des Druckwerkes: »Le
opere di Galileo Galilei. Edizione nationale sotto
gli auspicii di Sua Maesta il Rc d* Italia«.
Das Sekretariat des XIV. internationalen Kongresses
für Thalassotherapie übersendet eine Einladung zu der vom
19. bis 21. April 1903 in Madrid abzuhaltenden Versammlung.
Die Dampfschiffahrts-Gesellschaft des österrei-
chischen Lloyd in Triest übersendet folgendes weitere, die
akademische Expedition nach Brasilien betreffende Telegramm
vom 24. Februar 1. J.: »Orion Bahia eingetroffen«.
Dr. Josef Wiesel in Wien übersendet einen Sonder-
abdruck seiner im 91. Bande des Archivs für die gesamte
Physiologie veröffentlichten Arbeit: »Über die funktionelle
Bedeutung der Nebenorgane des Sympathi cus(Zucker-
kandl) und der chromaffinen Zellgruppen«, in welcher
ein Teil des Materials verwendet wurde, weiches derselbe an
derk. k. zoologischen Station in Triest mittels Subvention der
kaiserlichen Akademie angeschafft hat.
Das w. M. Hofrath J. Hann übersendet eine Abhandlung
von Herrn Ladistaus Satke in Tarnopol, welche den Titel
führt: »Die tägliche Periode und Veränderlichkeit der
relativen Feuchtigkeit in Tarnopol*.
Das k. M. Hofrat A. Bauer übersendet eine vorläufige
Mitteilung von Prof. M. Bamberger und A. Landsiedl über
ein Vorkommen von Harnstoff im Pflanzenreiche.
96
Das k. M. Prof. Dr. G. Haberlandt übersendet eine Arbeit
des Assistenten am botanischen Institute der Universität Graz,
Dr. Otto Porsch: »Zur Kenntnis des Spaltöffnungs-
apparates submerser Pflanzenteile«.
Hofrat Prof. W. F. Loebisch übersendet eine im Labora-
torium für medizinische Chemie der k. k. Universität in Innsbruck
von ihm in Gemeinschaft mit Herrn Assistent Max Fischler
ausgeführte Arbeit: »Über einen neuen Farbstoff in der
Rindergalle*.
Stud. med. Gottwald Schwarz in Wien übersendet
eine Mitteilung aus dem Röntgeninstitute des Sanatoriums
Low über die assimilatorische Wirkung der Röntgen-
strahlen.
Herr Wilhelm Lausch in Wien übersendet ein ver-
siegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität mit der Auf-
schrift: »Eine neue mathematische Entdeckung«.
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht eine mit Unter-
stützung der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in dem
physiologisch-chemischen Institut der Universität Straßburg
ausgeführte Arbeit: »Zur Kenntnis des Suprarenins« von
Dr. O. v.Fürth.
Prof. Hans v. Jüptner legt eine Arbeit über die Disso-
ziation des Stickstofftetroxydes vor.
Das w. M. Hofrat F. Mertens legt eine Abhandlung von
Prof. Dr. Georg Pick an der k. k. deutschen Universität in
Prag vor, welche den Titel führt: »Über lineare Differential-
gleichungen in invarianter Darstellung«.
Das w. M. Prof. K. Grobben überreicht das von dei
Verlagsbuchhandlung A. Holder in Wien der kaiserlichen
Akademie geschenkweise überlassene 3. Heft des XIV. Bandes
der »Arbeiten aus den zoologischen Instituten der
Universität Wien und der zoologischen Station in
Triest«.
97
Zur Kenntnis des Spaltöffhungsapparates
submerser Pflanzenteile
von
Dr. Otto Porsch,
Assistenten am botanischen Institute der k. k. Universität Graz.
Aus dem botanischen Institute der k. k. Universität Graz.
(Mit 3 Doppeltafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 5. März 1903.)
Einleitung.
Die vorliegende Untersuchung hat kurz folgende Vor-
geschichte. Auf Grund phylogenetischer Studien über den
Spaltöffnungsapparat gelangte ich zu dem Ergebnisse, daß
derselbe als ein in langer, allmählicher Anpassungsgeschichte
erworbener Organkomplex mit großer Zähigkeit erblich fixiert
wird. Dies spricht sich nicht bloß darin aus, daß eine einmal
erreichte Organisationshöhe desselben wenigstens bis zu einem
gewissen Grade auch dann noch vererbt wird, wenn die
ursprünglich ihr zukommende Funktion von einer späteren
leistungsfähigeren Neuerwerbung übernommen wurde, nicht
nur in der Tatsache, daß in vielen Fällen die Hauptetappen der
Anpassungsgeschichte des Apparates heute noch im Laufe der
ontogenetischen Entwicklung des Individuums nachweisbar
sind, sondern vor allem darin, daß es Fälle gibt, wo der
Apparat selbst dann, wenn er für die Pflanze nicht nur
überflüssig ist, sondern seine Ausbildung für diese
sogar eine gewisse Gefahr einschließt, noch nicht
preisgegeben wird, sondern diese lieber zu sekundä-
ren Einrichtungen greift, den eventuellen schädlichen
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; Bd. CXII, Abt. 1 . 7
98 O. Porsch,
Folgen der Ausbildung dieses Erbstückes wirksam zu
begegnen als dasselbe einfach gänzlich zu unter-
drücken.
Indem ich die ausführliche Darstellung der oben erwähnten,
rein phylogenetischen Ergebnisse einer späteren, vorzugsweise
der Phylogenie des Apparates gewidmeten Arbeit vorbehalte,
möchte ich im folgenden bloß das letzgenannte Hauptergebnis
an dem im Titel bezeichneten Spezialfälle näher beleuchten.
Die Untersuchung dieser Teilfrage, deren Besprechung ur-
sprünglich als ein Kapitel der phylogenetischen Hauptarbeit
gedacht war, lieferte derart einheitliche Ergebnisse, daß ihre
getrennte Publikation geboten schien.
Die oben erwähnten Gesichtspunkte führten naturgemäß
zunächst zur Forderung, daß an assimilierenden Organen,
welche in verschiedener Höhe ihrer Ausdehnung gleichzeitig
dauernd den beiden Medien Luft und Wasser ausgesetzt sind,
wobei wegen der wechselnden Höhe des flüssigen Mediums in
der histologischen Differenzierung der Epidermis eine scharfe
Grenze nicht zu erwarten war, auch in dem dauernd unter-
getauchten Teile derselben bis zu einer gewissen Tiefe noch
Spaltöffnungen entwickelt werden. Am ehesten war dies bei
jenen Formen zu erwarten, welche noch nicht ausschließlich
oder wenigstens nicht weitgehend dem Wasserleben angepaßt,
bei niedrigstem Wasserstande auch auf sumpfigem Boden zu
vegetieren imstande sind. Umgekehrt standen bei hochgradig,
beziehungsweise ausschließlich an das Wasserleben angepaßten
oder zeitlebens gänzlich untergetauchten Formen die Aussichten
für die vorliegende Frage viel ungünstiger, dabei der weitgehenden
und auch zeitlich weit zurückreichenden Differenzierung nach
dieser Richtung hin die vollständige Auslöschung des dem
ehemaligen terrestrischen Leben angehörigen Erbstückes voraus-
zusehen war.
Da nun in der Ausbildung des Apparates in der bezeich-
neten Region zum mindesten die Gefahr der Infiltration der
Interzellularräume des Durchlüftungssystems mit Wasser liegt,1
1 In zweiter Linie wäre in Betracht zu ziehen, daß der Apparat in dieser
Region bei physiologisch und histologisch normalem Verhalten eine gefähr-
liche Eingangspforte für Bakterien, parasitische Pilze etc. bilden könnte.
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 99
war eine Umbildung desselben im Sinne einer Verhinderung
dieser Eventualität wahrscheinlich. Wir werden im folgenden
sehen, daß die eben geäußerten Gesichtspunkte durch die
daraufhin untersuchten Arten auch ihre Bestätigung finden.
Der Apparat, welcher in seiner Haupteigenschaft als
Regulator des Gasaustausches an den dauernd der
Luft ausgesetzten, assimilierenden Teilen der Pflanze
die doppelte Funktion der Freihaltung, beziehungs-
weise Sistierung der Kommunikation zwischen dem
inneren Durchlüftungssystem und dem Medium der
umgebenden Luft hat, fungiert in der dauernd unter-
getauchten Region derselben bloß als Verschluß-
apparat, erfüllt also nunmehr bloß einen Teil seiner
ursprünglichen Aufgabe und dies bloß deshalb, weil
die Pflanze nicht imstande ist, seine mit großer
Zähigkeit erblich fixierte Anlage zu unterdrücken.
Bevor ich jedoch auf die in der Literatur unsere Frage
betreffenden Angaben sowie die Ergebnisse meiner eigenen
Untersuchung näher eingehe, fühle ich mich veranlaßt, der
Dankespflicht gegen meinen hochverehrten Herrn Vorstand,
Prof. Dr. G. Haberlandt, unter dessen Leitung die Arbeit im
hiesigen botanischen Institute ausgeführt wurde, für die viel-
seitige Anregung und weitgehende Unterstützung, die er der-
selben angedeihen ließ, im vollsten Maße entgegenzukommen.
Weiters bin ich Herrn Prof. Dr. E. Palla für manche freundliche
Aufklärung verbunden. Bei der Beschaffung des Materiales war
mir Herr Garteninspektor Petrasch in dankenswerterweise
behilflich.
Historisches.
Indem ich die zahlreichen, auf mit Wasserspalten ver-
sehene Hydathoden submerser Blätter bezüglichen Unter-
suchungen, die sich besonders an die Namen Borodin,
Askenasy, Volkens, Gardiner, Sauvageau und andere
knüpfen, übergehe,1 habe ich hier in Kürze bloß jener Angaben
1 Vergl. diesbezüglich Schenk, Vergleichende Anatomie der submersen
Gewächse in Biblioth. botan., Heft 1, Cassel 1886; Haberlandt, Physio-
logische Pflanzenanatomie, 1896, S. 454, Anmerkung 2; Max v. Minden,
7*
100 0. Porsch,
zu gedenken, welche echte Spaltöffnungen submerser
Organe betreffen. Am längsten scheint das Vorkommen echter
Spaltöffnungen an den untergetauchten Blättern einiger Isoetes-
Arten bekannt zu sein. Diese Gattung ist besonders dadurch
interessant, daß, wie namentlich Braun1 gezeigt hat, die An-
oder Abwesenheit der Spaltöffnungen mit der Lebensweise der
einzelnen Arten in- oder außerhalb des Wassers nicht immer
gleichen Schritt hält, also jedenfalls auch die erbliche Fixierung
des Apparates mitspielt Im Jahre 1864 gibt Hegelmaier8 für
die untergetauchten Stengel und Blätter der Callitrickc-Arten
seiner Sektion Encallitriche Spaltöffnungen an. Über ihren Bau
spricht sich der Autor folgendermaßen aus:8 »Die wie
gewöhnlich chiorophyllhaltigen Porenzellen liegen, wie Durch-
schnitte zeigen, im Niveau der Epidermis, sind von beträchtlich
geringerem Dickedurchmesser als die angrenzenden Zellen der
letzteren und der Eingang in die Spalte wird von der Cuticula
in Form eines schmalen Vorsprungs überragt.« Später gab
Weiß4 für die beständig untergetauchten Teile von Najas
und Potamogeton Spaltöffnungen an, was De Bary 18776
leugnete. Für den untergetauchten Blattstiel von Potamogeton
natans konnte ich, wie später gezeigt werden wird, die
Weiß'sche Angabe bestätigen. Im Jahre 1870 wies Askenasy6
für die Oberseite der unter Wasser aufgekeimten Kotyledonen
von Ranunculus aquatilis die Existenz einiger weniger Spalt-
öffnungen nach. In demselben Jahre beobachteten Alex. Braun7
Beiträge zur anatom. und physiolog. Kenntnis Wasser sezernierender Organe
in Biblioth. botan., Heft 46, Stuttgart 1899.
i »Über die Isoctes-Arien der Insel Sardinien.« Monatsber. der Berliner
Akad.,1863.Vergl. überdies Sadebeck, »Die Gefäßkryptogamen« in Sehen k's
Handb. der Botanik, I, S. 309 bis 310, sowie dessen Bearbeitung der Isoetaceen
in Engler-Prantl's Natürl. Pflanzenfamilien, I, 4, S. 764 bis 766, 1902.
2 Monographie der Gattung Callitriche, S. 9 und 10.
8 Die Kenntnis der Originalstelle verdanke ich der freundlichen Mit-
teilung des Herrn Dr. R. v. Keissler in Wien.
* Untersuchungen über die Zahlen- und Größen Verhältnisse der Spalt-
öffnungen. Pringsheim's Jahrbücher, IV, 1865/66, S. 189.
5 Vergleich. Anatomie der Vegetationsorgane, S. 49.
6 Über den Einfluß des Wachstumsmediums auf die Gestalt der Pflanzen.
Botan. Zeitung, 1870, S. 198.
7 Monatsber. der Berliner Akad., S. 665.
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 1 0 1
solche an den submersen Primordialblättern und dem Keimblatt
der Marsilien und Hildebrand1 an den Blattstielen und an
der Unterseite der den Luftblättern vorhergehenden Schwimm-
blätter von Sagittaria sagittifolia. Später fand Kamienski2 auf
der Unterseite der Adventivsproßblätter von Utricularia
vulgaris »zahlreiche große, einfach gebaute, mit sehr breiter,
fast runder Spalte versehene Spaltöffnungen«. Ihm folgten
Schenk,3 welcher für die submersen Blätter der Wasserform
von Cardamine pratensis, und Hildebrand,4 der für jene von
Heterantherazosterifolia echte Stomata nachwies. In seiner 1886
erschienenen »Vergleich. Anatomie submerser Gewächse« weist
Schenk hier mit Recht auf die Bedeutung der Vererbung
für die Erklärung des vereinzelten Auftretens von Spaltöffnungen
an submersen Organen hin, ohne weitere neuere diesbezügliche
Tatsachen anzuführen. Pax reproduziert in seiner Bearbeitung
der Callitrichaceen in Engler-PrantTs Natürl. Pflanzenfamilien,
III. 5,S. 122, 1890, die allgemeine AngabeHegelmaier's für die
Encallitrichen. In demselben Jahre wies Arcangeli5 für die
submersen Blätter von Nuphar luteum Spaltöffnungen nach
und schließlich fand Weinrowsky6 solche auf den unter-
getauchten Blättern von Elisma sparganiifolium, Veronica
Anagallis und Typha angustifolia. Wichtig ist die auf die
Stomata der beiden letzten Arten bezügliche Angabe des Autors,
daß ihre Spalte immer geschlossen ist. Merkwürdiger-
weise übersah er die zahlreichen Spaltöffnungen an den unter-
getauchten Blättern von Callitriche vema (1. c, S. 127). Bezüglich
1 Botan. Zeitung, 1870, Nr. 2, S. 19.
2 Vergleich. Untersuchungen über die Entwicklungsgesch. der Utricu-
larien. Botan. Zeitung, 1877, S. 769.
8 >Über Strukturänderung submers vegetierender Landpflanzen« in Ber.
der Deutschen botan. Ges., II, 1884, S. 485.
4 »Ober Heteranthera zoslerifolia* in Engler's botan. Jahrb., VI, 1885,
S. 142.
5 Sülle foglie delle piante acquatiche e specialmente sopra quelle della
Nymphaea e del Nuphar. Nuovo Giorn. Bot. Ital., XXII, 1890. Vergl. das
Referat von Solla in Jusfs Botan. Jahre9ber. pro 1890, 1, S. 649, Nr. 81.
* Untersuchungen über die Scheitelöffnungen bei Wasserpflanzen. Bertis
1898 (Inauguraldissertation), S. 17, 34. 35.
102 O. Porsch,
seiner Angabe über Hippuris vergleiche das im IL Abschnitte
Gesagte.
Wie die eben mitgeteilten Literaturstellen ergeben,
begnügen sich die für unsere Frage vorliegenden Angaben,
welche sich überdies fast ausschließlich auf Blattflächen
beziehen, zumeist mit der bloßen Feststellung der Tatsache des
Vorkommens von Spaltöffnungen; im besten Falle sind die
Querschnittsform, der allgemeine Umriß, Verschluß und Inhalt
der Atemhöhle nur sehr kurz und zumeist zweideutig erwähnt.
Nirgends finden sich genauere histologische Angaben über die
Art des Verschlusses im speziellen, die Differenzierung der Vor-
und Hinterhofleisten, die Querschnittsform der Schließzellen,
ihre Beweglichkeit u. s. w. Diese Lücken an der Hand genauer
histologischer Zeichnungen auszufüllen, soweit es das zur
Verfügung stehende Untersuchungsmaterial erlaubt, ist Zweck
vorliegender Untersuchung. Bei der Auswahl der zu unter-
suchenden Objekte bin ich meine eigenen Wege gegangen. In
erster Linie ließ ich mich hiebei von den eingangs erwähnten
Gesichtspunkten leiten, denen zufolge gerade die Untersuchung
untergetauchter Stammteile und Blattstiele als besonders
wünschenswert erschien und welche, wie aus dem Folgenden
hervorgehen dürfte, im allgemeinen auch interessantere Ergeb-
nisse als jene der Blattflächen lieferte. Die von älteren
Autoren gemachten Angaben wurden, soweit mir Material zur
Verfügung stand, berücksichtigt. Über die Untersuchungs-
ergebnisse einer Reihe von Objekten, die derzeit noch in Kultur
sind, hoffe ich in einer späteren Mitteilung berichten zu können.
I. Bei normalem histologischen Bau physiologisch
abweichende Spaltöffnungen.
Dieses Verhalten fand ich an den untergetauchten Stengeln
und Blättern von Callitriche vema L.1 und Hippuris vulgaris L.
In zweiter Linie wären die meisten der in den folgenden Ab-
schnitten besprochenen Arten anzuführen, da sie in der obersten
i Die nahe verwandte C. stagnalis Scop., für welche Hegelmaier 1. c.
ebenfalls Spaltöffnungen an den untergetauchten Organen angibt, stand mir
lebend nicht zur Verfügung.
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 103
Region des noch untergetauchten Stammes, beziehungsweise
Blattstieles neben histologisch rückgebildeten oder in ver-
schiedener Weise nach außen verschlossenen Spaltöffnungen
auch solche von normalem Baue, aber physiologisch
abweichendem Verhalten besitzen. Die physiologische Um-
Stimmung scheint hier den ersten Schritt zur Umbildung des
Apparates im Sinne eines Verschlußapparates darzustellen,
wozu sich in der untersten, auch bei niedrigem Wasserstande
konstant untergetauchten Region die später genau zu
erörternden histologischen Differenzierungen gesellen. Die
Pflanze, welche begreiflicherweise in ihrer Anpassung mit den
jeweiligen Schwankungen des Wasserstandes nicht gleichen
Schritt zu halten vermag, hat sich in der weitgehenden Um-
bildung des Apparates gewissermaßen an ein Minimum des
Niveaustandes gehalten, das für sie als Normalzustand in erster
Linie in Betracht kommt. Dementsprechend zeigen auch die in
der obersten, nur bei gelegentlichem, besonders hohem Wasser-
stande untergetauchten Spaltöffnungen ein normales physio-
logisches Verhalten.
Callitriche verna L.
(Taf. II, Fig. 2.)
Von dieser Art stand mir jene Form zur Verfügung, deren
oberste, rosettenartig zusammengedrängte Blätter als Schwimm-
blätter fungieren. An den längeren, untergetauchten Blättern,
welche sich im Gegensatze zu den kürzeren, breiteren, elliptisch
eiförmigen Schwimmblättern durch einen schmalen linearen
Umriß auszeichnen, finden sich, über die ganze Epidermis der
Oberseite zerstreut, zahlreiche Spaltöffnungen. Frische Ober-
flächenschnitte, welche so geführt wurden, daß die Schließ-
zellen nicht verletzt wurden, zeigen, im Wasser beobachtet,
die Zentralspalten der meisten Apparate geschlossen; ja der
Verschluß derselben erstreckt sich nicht selten auch auf die
Eisodialöffnung, welche durch engen Anschluß der Cuticular-
leisten entweder bis auf einen sehr feinen Spalt oder fast
gänzlich verschlossen ist1 Median geführte Querschnitte zeigen
1 Die an den untergetauchten Stengeln sehr zerstreut auftretenden
Apparate zeigen dasselbe Verhalten.
104 O. Porsch,
eine mächtige Förderung der vorderen Cuticularleisten den
hinteren gegenüber, ein Verhalten, welches bekanntlich an den
Schwimmblättern der Wasserpflanzen in meist noch weiter
vorgeschrittenem Maße ganz allgemein verbreitet ist1 (Taf. II,
Fig. 2).
Wenn man dagegen dünne Oberflächenschnitte mit ver-
letzten Epidermiszellen, aber intakten Schließzellen in Wasser
beobachtet, findet man die Zentralspalten weit offen. Daraus
geht hervor, daß am intakten Blatte der Turgor der an die
Spaltöffnung angrenzenden Epidermiszellen größer sein muß
als der Turgor der Schließzellen, so daß diese von den
Epidermiszellen zusammengedrückt werden, wie dies von
Leitgeb für Potamogeton natans angegeben wurde (vergleiche
diesbezüglich das im nächsten Abschnitte über diese Art
Gesagte). Doch muß ausdrücklich erwähnt werden, daß diese
Mechanik des Schließens und öffnens nur den untergetauchten
Blättern zukommt. An den Schwimmblättern sind die Schließ-
zellen an dieser Mechanik aktiv beteiligt. Die Rückbildung
äußert sich also an den untergetauchten Blättern in der Herab-
setzung des Turgors der Schließzellen und ihrer damit ver-
bundenen Inaktivität beim Bewegungsmechanismus. Anatomisch
kommt dieselbe lediglich dadurch zum Ausdrucke, daß der
Assimilationsapparat der Schließzellen fast ganz rückgebiidet
ist. Es kommen in ihnen nur ganz wenige, meist zwei bis drei
kleine und blasse Chloropiasten vor.
Eine Kontrolluntersuchung von Oberflächenschnitten der
Schwimmblätter zeigte regelmäßig geöffnete Spaltöffnungen,
auch die Eisodialöffnung war gewöhnlich weit offen. Für den
Grad der Verschlußfähigkeit ihrer Zentralspalte gilt im all-
gemeinen das von Haberlandt2 über die Spaltöffnungen der
Schwimmblätter Gesagte.
Wie aus der großen Zahl der ausgebildeten Spaltöffnungen
sowie dem gelegentlichen zerstreuten Auftreten von solchen
mit geöffneter Zentralspalte und Eisodialöffnung hervorgeht,
1 Vergl. Haberlandt, Zur Kenntnis des Spaltöffnungsapparates. II. Die
Spaltöffnungen der Schwimmpflanzen. »Flora«, 1887, Nr. 7.
2 L. c, 1887; S. A., S. 11 bis 13.
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 105
haben wir es hier mit einer Pflanze zu tun, bei der die
Umbildung des Spaltöffnungsapparates in der untergetauchten
Region nur bis zu einem gewissen Grade gediehen ist1 Dies
erscheint nicht befremdend angesichts der Tatsache, daß die
untersuchten Exemplare, welche aus der Umgebung von Graz
stammten, am natürlichen Standorte in seichtem Wasser
wuchsen, wo sie wenigstens in der heißen Jahreszeit der
Gefahr ausgesetzt sind, auch in der unteren Region mit der
Luft in Berührung zu kommen und als Landpflanzen vegetieren
zu müssen. Auch in der Ausbildung der Rosette verschieden
großer und gestalteter Schwimmblätter erweist sich diese Form
gewissermaßen als ein niedrigeres Anpassungsstadium, inso-
ferne als die typische Wasserform derselben Art gänzlich
untergetaucht wächst, überhaupt keine Schwimmblätter mehr
ausbildet und nur die länglichen, schmallinealen Blätter der
untergetauchten Region unserer Form besitzt. Von diesem
Gesichtspunkte aus wäre eine vergleichende Untersuchung
der Wasserform auf die Zahl sowie das physiologische und
histologische Verhalten ihrer Spaltöffnungen von besonderem
Interesse.
Hippuris vulgaris L.
(Taf. I, Fig. 1.)
Von dieser Art wurde eine größere Anzanl von Exemplaren
aus dem Bassin des hiesigen botanischen Gartens untersucht.
Die in ihrem gesamten histologischen Bau ziemlich weit-
gehend an das Wasserleben angepaßte Pflanze bildet zweierlei
Blätter aus. Die der dauernd untergetauchten untersten Quirle
sind dünner, länger, chlorophyllärmer und sterben verhältnis-
mäßig früh ab, indem sie bis auf die am längsten erhalten
bleibenden Gefäßbündel verfaulen. Diese auch in ihrem sonstigen
histologischen Bau weitgehend an das flüssige Medium an-
gepaßten Blätter, welche, soweit sie für die Untersuchung zur
1 Auch der sonstige histologische Bau der Blätter zeigt noch keine weit-
gehende Anpassung an das Wasserieben.
106 O. Porsch,
Verfügung standen,1 keine Spaltöffnungen aufwiesen,2 gehen
nach oben zu in kürzere, dickere Blätter über, von denen ein
Teil auch bei gewöhnlichem durchschnittlichem Wasserstande
untergetaucht ist. Letztere besitzen gleich den Luftblättern
beiderseits zahlreiche Spaltöffnungen, bei welchen ein möglichst
ausgiebiger Verschluß des Apparates gegen das umgebende
Wasser durch gegenseitige Annäherung der Vorhofleisten
angestrebt wird. Die Eisodiaiöffnung erscheint daher zumeist
als sehr schmaler Spalt (Taf. I, Fig. 1). Dabei ist die Zentral-
spalte häufig offen. Es handelt sich hier um eine Region der
Pflanze, welche zwar unter gewöhnlichen Verhältnissen noch
untergetaucht ist, aber bei niedrigerem Wasserstande an die
Luft gesetzt wird. Hand in Hand damit geht auch der Grad der
Umbildung des Apparates. Die Pflanze hat in der untersten
konstant untergetauchten Region den Apparat als überflüssig
und gefährlich bereits aufgegeben, in der höheren Region
wechselnden Niveaustandes bloß den ersten Schritt der Um-
bildung, beziehungsweise physiologischen Umstimmung der
Schließzellen gemacht, welcher sich in dem Streben nach
möglichst weitgehendem Verschlusse der Eisodiaiöffnung,
respektive Zentralspalte äußert.
Die obersten, dickeren, kürzeren, chlorophyllreichen, scharf
bespitzten Luftblätter besitzen beiderseits zahlreiche normale
Spaltöffnungen.
Callitriche gegenüber bedeutet also das Verhalten von
Hippuris einen merklichen Fortschritt in der Anpassung an
das Wasserleben, insoferne erstere auch in der gewöhnlich
untergetauchten Region ganz allgemein zahlreiche Spalt-
öffnungen entwickelt, letztere hingegen in dieser den Apparat
bereits aufgegeben hat. Doch betrachte ich es keineswegs als
ausgeschlossen, daß auch Hippuris gleich Marsilia und
Ranunculus aqttatilis auf den Kotyledonen, ja vielleicht selbst
noch auf den ersten, diesen folgenden Blättern noch vereinzelt
* Denn die ältesten, unmittelbar über dem Boden angelegten Quirle
waren auch an jüngeren Exemplaren bereits abgefault.
2 Auf diese dürfte sich auch die Angabe Weinrowsky's (1. c, S. 26)
beziehen, wonach an den jungen untergetauchten Blättern typische Stomata
fehlen.
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 107
Spaltöffnungen als erblich fixierte Organe ausbildet, was an
den im Wachstum zu weit vorgeschrittenen Versuchspflanzen
leider nicht mehr festzustellen war.
Wie bereits eingangs dieses Abschnittes erwähnt, gilt das
eben für Callitriche und Hippuris geschilderte Verhalten auch
für die meisten der in den späteren Abschnitten besprochenen
Arten, welche in der untersten, konstant untergetauchten Region
der bezüglichen Organe in der Umbildung des Apparates viel
weiter gegangen sind. Auch hier treten namentlich im obersten
Drittel noch häufig histologisch normal gebaute, aber physio-
logisch abweichende Spaltöffnungen auf, so an den Blattstielen
von Alisma Plantago, Sagittaria sagittifolia und montevidensis,
Calla palustris und Menyanthes trifoliata, am Stamme von
Schoenoplectus lacustris. Bei den erstgenannten erfolgt der
Verschluß häufiger durch Verengung der Zentralspalte als der
Eisodialöffnung, bei Schoenoplectus hingegen meist umgekehrt,
aber auch bei offener Eisodialöffnung durch Verschluß der
Zentralspalte. (Über die im untergetauchten Teile des Stammes
von Oenanthe aquatica gelegentlich auftretenden, normal
gebauten, aber physiologisch abweichenden Spaltöffnungen
vergleiche das im III. Abschnitt über diese Art Gesagte.)
IL Spaltöffnungen mit verwachsener Elsodialöffiiung.
Vollständige Verwachsung fand ich bei Potamogeton
naians, Oenanthe aquatica, Alisma Plantago, Schoenoplectus
lacustris und Polygonum amphibium und zwar bei Potamogeton
und Polygonum als das gewöhnlichere Verhalten, bei den
übrigen Arten bloß als Ausnahmsfall, teilweise Verwachsuug
überhaupt nur an Schoenoplectus. Da ich in diesem Abschnitte
des Zusammenhanges halber bloß jene Fälle bespreche, in
denen Verwachsung bei gleichzeitiger normaler histologischer
Ausbildung der Schließzellen auftritt, verweise ich bezüglich
Schoenoplectus und Polygonum, wo zur Verwachsung auch eine
histologische Umbildung des Apparates tritt, auf den
IV. Abschnitt. Um irrigen Vermutungen vorzubeugen, bemerke
ich ausdrücklich, daß sich sämtliche im folgenden gemachte
Angaben auf vollständig ausgewachsene Organe beziehen und
108 O. Porsch,
die oft gebrauchte Bezeichnung »Verwachsung« nicht in dem
Sinne zu verstehen ist, als ob die beiden ursprünglich durch
einen Spalt getrennten Schließzellen später miteinander ver-
wachsen wären. Es soll damit nur ein kurzer Ausdruck für die
Tatsache gewonnen werden, daß eine Trennung der
Schließzellen von vornherein unterblieben ist
Potamogeton natans L.
(Taf. I, Fig. 2 bis 5.)
Von dieser Pflanze untersuchte ich den untergetauchten
Schwimmblattstiel. Unter den nur im obersten Teile desselben
und auch hier nur sehr vereinzelt auftretenden Spaltöffnungen
sind in erster Linie jene zu erwähnen, welche bei sonst
normalem Baue gegen das umgebende Wasser voll-
ständig verschlossen sind, d. h. es fehlt jede Differen-
zierung einer Eisodialöffnung, die Cuticula zieht an
Querschnitt enauchbei genau median erEinstellung als
kontinuierliches Häutchen über den Vorhof hinweg
(Fig. 2 und 5).
Die Zentralspalte ist weit geöffnet oder in verschiedenem
Grade verschlossen, der Hinterhof stets offen, niemals durch
die Hinterhofleisten geschlossen, die Atemhöhle ausnahmslos
normal entwickelt.
Die Cuticula,1 welche sich innen an der Grenze zwischen
Schließ- und Nebenzelle verliert, bildet deutliche Hinterhof-
leisten, die häufig etwas stärker entwickelt sind als an der
Blattlamina, und ist an den Bauchwänden der Schließzellen nur
so weit entwickelt, daß diese auch bei verschlossenem Apparate
noch einen geräumigen Vorhof zwischen einander freilassen
(Fig. 2). Oberhalb desselben erhebt sie sich in Form eines hohen,
seitlich meist steil abfallenden (Fig. 2), seltener niedrigeren,
seitlich flach abfallenden Längswalles (Fig. 5). Dieses Quer-
schnittsbild findet durch die Oberflächenansicht seine
Bestätigung, wie Fig. 3 und 4 zeigen, welche den Apparat in
1 Hier in kollektivem Sinne als Gesamtbezeichnung für eigentliche
Cuticula und cutinisierte Schichten gemeint.
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 109
dieser Ansicht bei höherer und tieferer Einstellung darstellen.
Stellt man zunächst auf jene Höhe ein, welche bei einem nor-
malen Apparate der Eisodialöffnung entspricht, so fällt sofort
die Plastizität des dieselbe stellvertretenden elliptischen Feldes
auf; welche in der Abbildung durch die seitliche Schattierung
angedeutet ist (Fig. 3). Bei höherer Einstellung erscheint in
der Mitte desselben ein anfangs doppelt konturierter, stark
lichtbrechender Streifen, welcher dem besonders in Fig. 2
deutlichen Längswalle entspricht, um schließlich bei höchster
Einstellung von einer dunklen, der obersten Kante desselben
entsprechenden Linie ersetzt zu werden (vergleiche die etwas
kombinierte Abbildung 3). Bei tieferem Einstellen verschwinden
der Reihe nach die dem Längswalle entsprechende Mittellinie,
die seitlichen Schatten, die Bauchwände der Schließzelle nähern
sich, bis schließlich bei genau medianer Einstellung die hier
geöffnete Zentralspalte sichtbar wird (Fig. 4). Diese Figur zeigt
gleichzeitig, wie die in 3 dargestellte kollabierte rechte Neben-
zelle bei Einstellung auf die Zentralspalte vollständig ver-
schwindet; von ihrem Lumen ist nichts mehr zu sehen, ihre
beiden Seitenwände sind mit der Rückenwand der Schließzelle
vollständig verschmolzen und nur die Bräunung der mittleren
Partie (in der Abbildung durch Schattierung angedeutet),
erinnert noch an ihr Vorhandensein. Diese Reduktion ist in dem
in Fig. 5 dargestellten Falle noch weiter vorgeschritten. Hier
sind beide Nebenzellen in mittlerer Höhe mit der Rückenwand
der ihnen anliegenden Schließzelle vollständig verschmolzen
und bloß im obersten und untersten Teile finden sich noch
Reste ihres Lumens, welche Interzellularräumen täuschend
ähnlich sehen, besonders dann, wenn ihr Plasma bereits aus-
gefallen ist.
Die Zentralspalte ist häufiger weit geöffnet (Fig. 5) als
teilweise bis fast vollständig verschlossen (Fig. 2). Der Grad
ihres Verschlusses hängt nämlich von dem Entwicklungs-
zustande der Nebenzellen ab. Diese sind bloß ausnahmsweise
beide normal entwickelt, häufig beide oder eine derselben ab-
gestorben, kollabiert, ihre Membran gebräunt. Sind beide
erhalten, so finden wir die Zentralspalte meist teilweise, seltener
fast vollständig verschlossen (Fig. 2). Umgekehrt ist sie bei
110 O. Porsch,
Rückbildung einer oder beider Nebenzellen in verschiedenem
Grade meist weit geöffnet (Fig. 5). Dieses Abhängigkeits-
verhältnis findet besonders in der Oberflächenansicht des
Apparates seinen klaren Ausdruck. Der dauernd untergetauchte
Apparat ist nämlich in der Regel in seinem Gesamtumrisse viel
breiter als jener der Blattlamina, oft beinahe kreisrund, ja bis-
weilen sogar senkrecht zur Längsachse breitgedrückt. Mit
dem Absterben der Nebenzellen geht selbstverständlich eine
beträchtliche Abnahme ihres Turgors Hand in Hand, wodurch
der von ihnen im normalen lebensfähigen Zustande auf die
Schließzellen ausgeübte Seitendruck auf ein Minimum herab-
sinkt und diese, selbst im normalen Turgor befindlich, sich
naturgemäß nach der Seite der Druckabnahme hinkrümmen.
Dies ist nicht nur am untergetauchten Apparate, sondern an
dem der Lamina bei Rückbildung einer oder beider Nebenzellen
regelmäßig zu beobachten. Mit vollem Rechte vergleicht
Leitgeb1 die Schließzellen der Blattfläche unserer Art mit
zwei federnden Stahllamellen, »welche durch seitlichen Druck
bis zur Berührung genähert werden können, aber stets ihre
frühere Krümmung wieder zu gewinnen streben«. Ohne auf
eine Kritik der verschiedenen Meinungen einzugehen, welche
über die ausschließliche oder teilweise Übernahme der Funktion
des öffnens und Schließens des Apparates durch die Neben-
zellen geäußert wurden,2 möchte ich hier bloß auf die zum Teil
aus rein physikalischen Gründen hervorgehende Notwendigkeit
der erwähnten Erscheinung hinweisen. Zu erklären bleibt vor
allem das auffallend häufige, ja beinahe regelmäßige frühzeitige
Absterben einer oder beider Nebenzellen am dauernd unter-
getauchten Apparate. Zur Erklärung dessen sei folgendes bei-
getragen.
i Leitgeb, »Beiträge zur Physiologie des Spaltöffnungsapparates« in
Mitteil, aus dem botan. Institut Graz. Jena 1888, S. 156.
2 Leitgeb, 1. c. — Schaefer, Über den Einfluß des Turgors der
Epidermiszellen auf die Funktion des Spaltöffnungsapparates. Pringsheim's
Jahrb., IX, 1888, S. 178 ff. — Benecke, Die Nebenzellen der Spaltöffnungen.
Botan. Zeitung, 1892. — Schellenberg, Beiträge zur Kenntnis vom Bau und
Funktion der Spaltöffnungen. Daselbst, 1896.
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 111
Schon Leitgeb hat (1. c.) gezeigt, daß, wenn man trockenen,
auf den Objektträger gebrachten Oberflächenschnitten der
Blattlamina unserer Pflanze Wasser zusetzt, im ersten Augen-
blick sofortiger Verschluß der Zentralspalten erfolgt. Später
werden diese geöffnet, »wenn durch Verdunstung des Wassers
die Nebenzellen wieder wasserärmer werden« (1. c, S. 156).
Mag nun diese Erklärung Leitgeb's richtig sein oder
nicht, jedenfalls folgt aus der weiteren, schon von ihm
beobachteten unzweifelhaften Tatsache, daß während des
Spaltenverschlusses die Gesamtbreite des Apparates (inklusive
Nebenzellen) vollkommen gleich bleibt, die Nebenzellen
dagegen an Breite bedeutend zunehmen, daß der gesteigerte
Turgor derselben, wenn auch nicht gerade ausschließlich, so
doch wesentlich am Spaltenverschlusse aktiv beteiligt ist.
Weiters geht aus der zeitlichen Aufeinanderfolge von Spalten-
verschluß und Spaltenöffnung hervor, daß die Nebenzellen
jedenfalls für Reize, welche von den Turgor beeinflussenden
äußeren Faktoren ausgehen, weitaus empfindlicher sind als die
Schließzellen. Nun wissen wir sowohl aus den Untersuchungen
Leitgeb's als denen anderer Autoren,1 daß die Schließzellen
im allgemeinen gegen die verschiedensten äußeren Einflüsse
ungleich widerstandsfähiger sind als die übrigen Epidermis-
zellen. Angesichts dessen kann es daher nicht befremden, daß
die für die oben erwähnten Reize so empfindlichen Nebenzellen
durch dauerndes Untergetauchtsein früher und folgenschwerer
betroffen werden als die widerstandsfähigeren Schließzellen.
Worin diese Beeinflussung im speziellen besteht, festzustellen,
bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten.
Wie bereits erwähnt, fand ich den Hinterhof niemals durch
engen Anschluß der hinteren Cuticularleisten verschlossen,
was auf der Blattlamina häufig der Fall ist, wo diese dann
allein den Verschluß übernehmen.2
1 Vergl. Kindermann, Über die auffallende Widerstandskraft der
Schließzellen gegen schädliche Einflüsse. Diese Sitzungsber., CXI, Abt. I, 1902.
2 Vergl. Haberlandt, Zur Kenntnis des Spaltöffnungsapparates. II. Die
Spaltöflfnungen der Schwimmpflanzen. »Flora«, 1887, Nr. 7, Taf. II, Fig. 3 und
Text S. A., S. 7.
112 O. Porsch,
Ein derartiger Verschluß wäre auch im vorliegenden Falle
gänzlich überflüssig, da jedes Eindringen von Wasser in die
Atemhöhle durch Verwachsung der Eisodialöffhung allein
wirksam verhindert ist.
Außer den beschriebenen Spaltöffnungen, welche die über-
wiegende Mehrzahl der allerdings überhaupt nur sehr zerstreut
auftretenden derartigen Apparate bilden, fand ich auch vereinzelt
solche, deren Eisodialöffhung und Zentralspalte weit geöffnet
waren. Diese zeigten ausnahmslos eine oder beide Nebenzellen
abgestorben. Auch der Hinterhof war meist geöffnet. Der
Gesamtumriß des Apparates war beinahe kreisrund, ja in einem
Falle sogar querelliptisch.
Oenanthe aquatica (L.) Lam.
(Taf. I, Fig. 6.)
Am untersten, dauernd untergetauchten Teil des Stammes
dieser Pflanze fand ich ausnahmsweise neben den im folgenden
Abschnitte besprochenen, in verschiedenem Grade reduzierten
Spaltöffnungen einen Apparat, welcher am Querschnitte das für
Potatnogeton geschilderte Verhalten zeigte (vergleiche Ab-
bildung). Auch hier waren Zentralspalte und Hinterhof weit
geöffnet. Die bei dieser Art überhaupt geräumigere Atemhöhle
war normal entwickelt, nur der den Vorhof überwölbende
Cuticularwall niedriger und breiter.
Alisma Plantago L.
(Taf. II, Fig. 5 bis 9.)
Auch für diese Art, welche in der untersten, dauernd unter-
getauchten Region des Blattstieles regelmäßig die im IV. Ab-
schnitte genauer besprochenen Verschlußeinrichtungen zeigt,
bildet vollständige Verwachsung der Eisodialöffhung einen
sehr seltenen Ausnahmsfall. Im Gegensatze zu den früher
beschriebenen Fällen waren die Schließzellen mit ihren Bauch-
wänden eng aneinander gedrückt und zwar an frischen, im
Wasser beobachteten Schnitten. Der Hinterhof war durch engen
Anschluß, beziehungsweise Übereinandergreifen der hinteren
Spaltöffnungsappäraf submeVscr Pflanzenteile. 11 o
Cuticuterleteteö tost ganz verschlössen, die Atemhöhiö dagegen
normal eftWrtfckelt. Dfcr für die mit eigenen Verschlüß-
einrichtungen versehenen Schließzellen der später besprochenen
Arten konstante Höhenunterschied denen des normalen
Apparates gegenüber mächte äich auch hier geltend (vergleiche'
Fig. 5 mit Fig. 3, letztere den normalen Apparat darstellend).
Die Nebenzellen waren normal entwickelt
Mit diesem Querschnittsbilde stimmte auch die Oberflächen -
ansieht vollkommen überein (Fig. 6 bis 9). Bei hoher Einstellung
finden wir nämlich in dem mittleren, der Eisodialöffnuiig ent-
sprechenden Teile des Apparates einen durch seinen seitlichen
Schatten besonders plastisch hervortretenden breiteren Längs-
wall, welcher der mittleren Cuticularerhebung der Querschnitts-
ansicht entspricht (Fig. 6), rechts und links von diesem und mit
ihm parallel laufend je einen schmäleren, der am Fuße des
Mittelwalles auftretenden kleineren, seitlichen Erhebung ent-
sprechenden Seitenwall. Bei etwas tieferer Einstellung
verschwindet der Mittelwall, dessen Wände jetzt besonders
deutlich iri der Profilansicht hervortreten und den in die
mittlere Erhebung hineinreichenden Teil des Vorhofes zwischen
einander freilassen (in der Abbildung dunkel gehalten). Diese
Wände weichen bei weiterem Senken des Tubus dem seitlichen
Abfalle des Mittelwalles entsprechend auseinander, bis
schließlich das Maximum der Vorhofweite erreicht ist (Fig. 8).
Nähern wir uns der medianen Einstellung, so nähern sich diö
Seitenwände wiedör, utft sich schließlich bei genau medianer
Einstellung eng aneinander zu legen (Fig. 9).
Unter den ift diesem Abschnitte besprochenen Pflanzen
stellt also die einheitliche Verwachsung der Eisodialöffnung
seitens der Cuticula bloß für den Schwimmblattstiei von
Potantogeton natans das gewöhnliche Verhalten dar, während
sie für Oenanthe aquaiiecu und Alistna Plantago immer einen
seltenen Ausnahmsfall bedeutet. Aber gerade für Potamogeton
fällt diese Schutzeinrichtung umsomehr ins Gewicht,
als diese Pflanze bei dem aktiven Anteil ihrer gerade
am untergetauchten Apparate meist abgestorbenen
Nebenzellen am Bewegungsmechanismus desselben
über kein anderes Mittel verfügt, das Eindringen des
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 8
114 O. Porsch,
Wassers zu verhindern, während die beiden anderen,
wie später gezeigt wird, dieses Ziel auf verschiedene
Weise erreichen.
III. Histologisch weitgehend rückgebildete Spaltöffnungen.
Oenanthe aquaüca (L.) Lam.
(Taf. I, Fig. 7 bis 13; Taf. II, Fig. 2.)
Während bei den übrigen daraufhin untersuchten Gewächsen
weitgehende histologische Rückbildungserscheinungen des
Spaltöffnungsapparates selbst an den dauernd untergetauchten
Organen nur vereinzelt auftreten und die Rückbildung dann
meist nur einen geringen Grad erreicht, sind dieselben für
Oenanthe aquatica geradezu charakteristisch und erreichen hier
ihren Höhepunkt. Diese Pflanze, welche auch in der untersten,
konstant untergetauchten Region des Stammes regelmäßig noch
vereinzelt Spaltöffnungen entwickelt und, wie der tatsächliche
Befund zeigt, in der Regel nicht imstande ist, spezieller
differenzierte Verschlußeinrichtungen auszubilden,1 findet in
der möglichst weitgehenden histologischen Rückbildung des
Apparates das beste, ihr erreichbare Mittel, das Eindringen des
Wassers in die Interzellularräume des Stammes möglichst zu
verhindern. Alle übrigen Versuche der Pflanze, diesen Zweck
auf anderem Wege zu erreichen — wie der gelegentliche
Verschluß der Zentralspalte oder des Hinterhofes durch An-
einanderlegen der Bauchwände, beziehungsweise hinteren
Cuticularleisten der Schließzellen — treten diesem Mittel gegen-
über nicht nur qualitativ in der Wirkung, sondern numerisch
in der Häufigkeit ihres Auftretens weit zurück. Es ist sehr
interessant zu sehen, wie in der erwähnten Region und nur in
dieser an ein und demselben Stammteile sozusagen als Ergebnis
des Kampfes zwischen Vererbung und Anpassung alle Stadien
der Rückbildung des Apparates in geschlossener
Übergangsreihe zu verfolgen sind. Ja selbst die Aus-
bildung der Atemhöhle, weiche auch bei den im folgenden
1 Denn die im vorigen Abschnitte geschilderte Überwachsung der Eisodial-
öffnung stellt nur einen sehr seltenen Ausnahmsfall dar.
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 115
Abschnitte besprochenen, mit den am weitestgehenden ver-
änderten, beziehungsweise als Verschlußapparate angepaßten
Spaltöffnungen versehenen Pflanzen ausnahmslos normal ent-
wickelt ist, kann hier unterbleiben.
Bevor ich auf die ausführliche Schilderung der verschiedenen
Rückbildungsgrade eingehe, von denen ich bloß die Haupt-
etappen der Reduktion des Apparates vorführe, mag erwähnt
sein, daß neben den weitgehend rückgebildeten auch gelegentlich
normal gebaute, aber physiologisch insoferne abweichende
Spaltöffnungen ausgebildet werden, als dieselben gänzlich
unbeweglich, selbst unter Wasser dauernd offen bleiben. Sie
sind klein, im Umrisse kreisrund mit ebenso geformter Eisodial-
Öffnung.1 Neben diesen treten vereinzelt auch solche auf,
welche bei offener Eisodialöffnung und Zentralspalte selbst an
frischen, im Wasser beobachteten Schnitten den Hinterhof durch
Aneinanderlegen der hinteren Cuticularleisten verschlossen
zeigen. Am Querschnitt bekommen wir in diesem Falle das
durch die Untersuchungen Haberlandt's2 für die Spalt-
öffnungen der Schwimmblattlamina von Potamogeton natans
bereits bekannte Bild.
Das erste Stadium der histologischen Rückbildung wird
durch die Fig. 7 und 8 auf Taf. I dargestellt. Die eine der
beiden Schließzellen, selbst die Eisodialöffnung ist normal
entwickelt, die andere abgestorben, kollabiert, ihre Membran
gebräunt,unregelmäßigverdickt und von abweichendem Umrisse,
(Fig. 7). Die Querschnittsansicht Fig. 8 stellt rechts eine normal
gebaute, links die rückgebildete Schließzelle dar. Das Lumen
der letzteren ist für mediane Einstellung ausgezogen, für tiefere
Einstellung punktiert gezeichnet. Im vorliegenden Falle war
sowohl Eisodial- als Opisthialöffnung durch Vor-, beziehungs-
weise Hinterhofleisten verschlossen. An dem in Fig. 7 dar-
gestellten Apparate ergab sich bei Tiefeneinsteilung Verschluß
des Hinterhofes.
i Ganz dasselbe Verhalten fand Haberlandt für die rückgebildeten
Spaltöffnungen des Sporogons von Splachnum ampullaceum. Vergl. »Beiträge
zur Anatomie und Physiologie der Laubmoose«. Pringsheim's Jahrb., XVII,
1886, S. 473 und Fußnote 2, und Taf. XXVI, Fig. 11.
2 L. c, 1887, Taf. II, Fig. 3. Vergl. Text S. A., S. 7.
8*
116 O. Pbrffch,
Ein weitere* Rückbildungsstadium zeigt Fig. 9, wo1 auch
dieBildung der Eisodiaiöffnung unterblieb. Die Tiefeneinstöllurrg:
ergab eine an Größe allerdings reduzierte Atemhöhie. Fig. 10'
stellt zwei abgestorbene Schließaellen. dar; deren unregelmäßig«'
Geatait bei dem Mangel eines eigenen Targors demselben aus
dem seitlichen Überdrucke der Nachbarzellen resultiert Beide
Zellen' lassen zwischen* einander einen sehr feinea Spalt fcei*,
weither der rudimentären Ausbildung der Eisodiatöffhuflg
entspricht Hier war die Atemhöhle bereits als kleiner Inter-
zellularraum rückgebiidet. Ein ähnliches Stadium, aber ohne
Andeutung einer Eisodialöffnung und mit normal entwickelter
Atemhöhle stellt Fig. 1 auf Tat II dar. Das Querschnittsbüd:
entspricht hier der genaa medianen. Einstellung. Auch bei
höherer oder tieferer Einstellung war jede Kommunikation der
Atemhöhle mit dem äußeren. Medium» durch- vollständige Ver-
wachsung unterbrochen. Beide Schiießzellen sind abgestorben,
ihre Membran sßark verdickt, die rechte Zelle, ihrer unregel-
mäßigen Gestalt entsprechend, an zwei Stellen angeschnitten,
die CutiGula zwischen beiden bis in die Atemhöhle differenziert.
Die Nebenzellen führen wie auch die subepidermalen Zellen
des Stammes dieser Art spärlich Chlorophyllkörner.
Vollständige Rückbildung der Atemhöhle 1 zeigt Taf. I,
Fig. 12. Die beiden abgestorbenen, doppelt angeschnittenen
Schließzellen sind bei dem ersten Versuche der Differenzierung
der Vorhofleisten stehen geblieben* Die Cuticula reicht bis zu
jener Stelle, wo unter normalen Verhältnissen die Zentral-
spalte auftritt;
In allen bisher erwähnten Fällen war selbst bei frühzeitigem
Absterben der Schließzellenanlagen wenigstens die Teilung der
Urmutterzelle des Apparates eingeleitet. Doch auch diese kann
unterbleiben, wie Fig. 1 1 auf Taf; I zeigt Die Mutterzelle stirbt
ab, bevor sie durch Teilung die erste Anlage der Schließzellen
gebildet hat. Wir haben dann eine kollabierte Zelle von unregel-
mäßiger Gestalt und verdickter gebräunter Membran vor uns,
welche zwischen die benachbarten Epidermiszellen wie ein-
1 Dasselbe zeigen nach Haberlandt die weitgehend rückgebildeten
Spaltöffnungen der Sphagnumkapsel (vergl. 1. c, 1886, Taf. XXVI, Fig. 23).
Spaltöffnungsapparat sübmorser Pflanzenteile. 117
gekeilt erscheint. Begreiflicherweise kann jede andere frühzeitig
abgestorbene Epidermiszelle aus rein physikalischen Gründen
im wesentlichen dieselben Eigenschaften zeigen, gleichgültig,
zu welcher späteren Differenzierung dieselbe auch ihrer Anlage
nach bestimmt war. Es fragt sich daher, welche Kriterien
uns im vorliegenden Falle berechtigen, eine derartig
aussehende Zelle als frühzeitig abgestorbene Mutter-
zelle eines Spaltöffnungsapparates aufzufassen. Es
sind dies die folgenden: zunächst die vollkommen geschlossene
Obergangsreihe der in verschiedenem Grade reduzierten
Apparate; weiters die bei Tiefeneirastellung gelegentlich noch
nachweisbare, allerdings an Größe stark rückgebildete Atem-
höhle. Diese Tatsache fallt umsomehr ins Gewicht, als, wie
die vergleichende Untersuchung zahlreicher Querschnitte ergab,
die unmittelbar unter den Epidermiszellen liegenden sub-
epidermalen Zellen ausnahmslos mit diesen in lückenlosem
Verbände stehen, derart, daß beim Durchmustern der Quer-
schnitte auf Spaltöffnungen hin jeder Interzellularraum als
bequemer diesbezüglicher Hinweis dienen kann; schließlich
das Fehlen derartiger Zellen im obersten, dauernd in Luft
befindlichen Teile der Stammepidermis. Selbstverständlich will
damit nicht gesagt sein, daß alle in der untersten unter-
getauchten Region des Stammes unserer Pflanze gelegentlich
auftretenden Zellen mit solchen Eigenschaften in diesem Sinne
zu deuten sind.
Doch selbst mit der bloßen Ausbildung der Mutterzelle des
Apparates hat die Rückbildung seiner Anlage noch nicht ihren
Höhepunkt erreicht. Nicht selten bleibt die Pflanze bei den
ersten vorbereitenden Zellteilungen stehen, die der Bildung der
Mutterzelle vorausgehen. Diese sind in unserem Falle umso
sicherer als solche zu erkennen, als die großen, in der Ober-
flächenansicht fast isodiametrischen, polygonalen, sechs- oder
viereckigen Epidermiszellen in ziemlich regelmäßigen Längs-
reihen am Stamme verlaufen, in denen derartige Zellteilungen
distinkte Inseln bilden, deren Identität mit den in der Umgebung
normal entwickelter Spaltöffnungen auftretenden gleichen
Erscheinungen bicht durch den Vergleich festzustellen ist,
(vergleiche Taf. I, Fig. 11, wo der gesamte mittlere, aus fünf
118 O. Porsch,
Zellen bestehende Zellkomplex aus einer einzigen Dermatogen-
zelle hervorgegangen ist. Ober- und unterhalb desselben sind
die Ansatzstellen der in der Reihe folgenden Zellen zu sehen).
Zum Schlüsse noch einige Worte über die in den Ab-
bildungen 7, 9 und 10 auf Taf. I wiedergegebene Cuticular-
streifung der Nachbarzellen. Ich fand dieselbe bei Reduktion
einer Schließzelle häufig an der dieser seitlich direkt
angrenzenden Zelle (Fig. 7) oder einer (Fig. 9) bis sämtlichen
direkten Nachbarzellen, bei bloßer Ausbildung der Mutterzelle
des Apparates an mehreren oder häufiger an allen direkten
Nachbarzellen (Fig. 10). In allen Fällen laufen die Streifen direkt
auf den Apparat zu. Über die Bedeutung dieser Erscheinung
läßt sich vorläufig nichts Bestimmtes aussagen.1
Ein Rückblick über das von Oenanthe aquatica in diesem
Abschnitte Gesagte ergibt also, daß diese Pflanze in der
möglichst weitgehenden histologischen Rückbildung des
Apparates das beste Mittel besitzt, das Eindringen von Wasser
zu verhindern. Daß diese Erscheinung wirklich sozu-
sagen der Ausdruck eines Kompromisses zwischen
Vererbung und Anpassung ist, beweist die Tatsache,
daß im obersten, konstant derLuft ausgesetztenTeile
des Stammes Rückbildungserscheinungen des Spalt-
öffnungsapparates in der Regel überhaupt fehlen oder
in den seltenen Fällen ihres Auftretens über die
teilweise Reduktion einer Schließzelle nicht hinaus-
gehen, während sie im untersten, dauernd unter-
getauchten Teile desselben nicht nur graduell bis
zum Maximum der erreichbaren Reduktion schreiten,
1 Bemerkenswert ist, daß dieselbe an Stammteilen von 3V2 bis 4 cm
im Durchmesser ausschließlich an den bezeichneten Zellen, an einem jüngeren
Stamme von bloß 1 cm Dicke an sämtlichen Epidermiszellen auftrat. Im
letzteren Falle war in der Mitte fast jeder Zelle ein warzenförmiger Höcker
ausgebildet, von dessen Spitze die Cuticularfalten über die ganze Zelle strahlig
herabliefen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Verlust der Streifung an den
Epidermiszellen der dickeren, älteren Stammteile auf einem Ausgleiche der
Cuticularfalten infolge der durch das Dickenwachstum bewirkten peripheren
Spannung beruht. Ich behalte mir vor, auf diese Erscheinung in einer späteren
Mitteilung zurückzukommen.
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 119
sondern auch numerisch die histologisch normal
entwickelten Apparate weit überwiegen.
Sagittaria montevidensis Cham, et Schlecht.
(Taf. II, Fig. 10.)
Im Anschlüsse an die eben für Oenanthe geschilderten
Tatsachen sei ein Fall histologischer Rückbildung aus der
untersten, dauernd untergetauchten Region des Blattstieles der
oben angeführten Art erwähnt. Diese Pflanze, welche, wie im
folgenden Abschnitte gezeigt werden wird, in der bezeichneten
Region Spaltöffnungen mit eigenen Verschlußeinrichtungen
ausbildet, zeigt nur ausnahmsweise weitgehende histologische
Rückbildungserscheinungen1 des Apparates. Im vorliegenden
Falle war die rechte Schließzelle abgestorben, die Bauchwand
außergewöhnlich stark verdickt und ebenso wie die Rücken-
wand gebräunt, ihr Lumen auf einen Spalt reduziert. Es fehlte
jede Differenzierung von Vorhofleisten, die Cuticula zog über
den durch Verwachsung der Bauchwände beider Schließzellen
gebildeten Zellulosepfropf einheitlich hinweg. Der fehlende
Vorhof war durch einen feinen Spalt schwach angedeutet. Ein
besonderes Interesse verdienen die Innenwände. Nicht nur an
der linken, weiter entwickelten, sondern auch an der rechten
Schließzelle waren trotz der sonstigen weitgehenden Rück-
bildung derselben die Hinterhofleisten sowohl ihrer Gestalt
nach als, wie die Chlorzinkjodreaktion zeigte, auch chemisch
differenziert. Die Cuticula erstreckte sich noch in einen Teil
der normal entwickelten Atemhöhle hinein.
IV. Bei abweichendem physiologischen Verhalten histo-
logisch umgebildete Spaltöffnungen mit eigenen Verschluß-
einrichtungen.
Die in diesem Abschnitte zu schildernden Fälle haben alle
das eine gemeinsam, daß der mit großer Zähigkeit erblich fixierte
1 Denn die weiter unten besprochene histologische Veränderung des
Apparates ist keine bloße Rückbildung, sondern auch eine Umbildung
in Anpassung an eine bestimmte Funktion.
120 0. Porsch,
Apparat zwar ausgebildet .wird, aber außer seiner physio-
logischen Umstimmung $uch durch sekundäre histologische
Umbildung im Sinne eines Verschlußapparates nach außen
möglichst unschädlich gemacht wird.
Um Wiederholungen zu vermeiden, bemerke ich gleich im
vorhinein, daß mit Ausnahme von Schoenoplectus lacustris, wo
der Stamm zur Untersuchung gelangte, sich alle im folgenden
gemachten Angaben auf die dauernd untergetauchte Region des
Blattstieles beziehen.1 Wie bereits zu Beginn des Abschnittes I
hervorgehoben wurde, hat sich die Pflanze in der weit-
gehenden Umbildung des Apparates an eine durch-
schnittliche Niveauhöhe gehalten, die ftfr sie als
Normalzustand in erster Linie in Betracht kommt.
Demgemäß finden sich auch an den Luftblattstielen in der
obersten, nur bei höherem Wasserstande untergetauchten
Region normal gebaute und normal funktionierende Spalt-
öffnungen und, je mehr man sich dem durchschnittlichen
Niveau nähere, desto zahlreichere Übergänge zu den im
folgenden geschilderten Spaltöffnungen treten auf. Das erste
Stadium der Umbildung besteht zunächst bloß in der physio-
logischen Umstimmung der Schließzellen, welche bei sonst
normalem histologischen Bau auch im lebenden Zustande die
Zentralspalte verschlossen zeigen. Indem die Stomata nach
unten zu immer seltener werden, erweisen sie sich immer mehr
histologisch umgebildet, bis sie schließlich im untersten Drittel
des Blattstieles, wo sie überhaupt nur sehr vereinzelt auftreten,
die im folgenden geschilderten Verschlußeinrichtungen in
vollendetster Ausbildung zeigen. In einem gewissen Abstände
vom Boden hören sie dann überhaupt auf. Allen, auch den
•histologisch am weitestgehenden umgebildeten ist die normale
•Entwicklung der Atemhöhle gemeinsam.
In Übereinstimmung mit dem eben Gesagten bestand die
Untersuchungsmethode darin, daß von den möglichst tief
abgeschnittenen Blattstielen, an denen die obere Grenze des
Wasserstandes durch einen farbigen Strich bezeichnet wurde,
1 Und zwar bloß bei Polygonum atnphibium das oberste, bqi allen
übrigen Formen das unterste Drittel derselben.
SpaltöffnungsappfHrat sufrmerser Pflanzenteile. 1 21
zunächst von der Sqhnittfläphe flach aufwärts zahlreiche Ober-
flftchepschnitt? angefertigt wurden, so lange, bis in einem
derselben die erste Spaltöffnung auftrat. D#nn «wurden vqp der
Höhe derselben nach aufwärts Freihandqwrschmtte gemacht
und auf Spaltöffnungen untersucht. Dies wurde so lange fort-
gesetzt, ;bis der farbige Strich erreicht war. Selbstverständlich
verblieb, da diese ziemlich mühsame Methode für einen Blattstiel
mehrere Tage beanspruchte, dieser für die Zeit der Untersuchung
bis zu der durch dßn Strich markierten Höhe unter Wasser.
Dasselbe gilt für den Stamm von Schoemoplectus lacustris.XJm mir
ein sicheres Urteil über die allgemeine Gültigkeit der auf diesem
Wege gewonnenen Ergebnisse bilden zu können, wurden von
jeder Art mehrere Blattstiele verschiedener Individuen von
verschiedener Herkunft untersucht. Die Schnitte wurden in
Alkohol fixiert und, wenn nötig, mit Eau de Javelle aufgehellt.
Die Beweglichkeit der Schließzellen wurde an frischen Schnitten
studiert. Für das Studium der Membrandifferenzierung bewährte
sich in kritischen Fällen als Färbemittel am besten das Dela-
field'sche Hämatoxylin.
Alisma Plantago L.
(Taf. II, Fig. 3 und 4.)
Die histologische Umbildung des normal untergetauchten
Apparates geht am besten aus einem Vergleiche der beiden
Fig. 3 und 4 hervor. Fig. 3 stellt den Querschnitt durch den
normalen Apparat aus dem obersten, grünen, auch bei hohem
Wasserstande dauernd in Luft befindlichen Teile des Blattstieles
dar, Fig. 4 den untergetauchten dar. Zunächst fällt die größere
Höhe der Schließzeilen des letzteren im Verhältnis zur Breite
dem ersteren gegenüber auf, eine Erscheinung, die auch für die
meisten folgenden Arten gilt (vergleiche Taf. II, Fig. 11 mit 14,
16 mit 15, Taf. III, Fig. 2 und 5, 8 und 7, 18 und 20). Weiters
sind die bei dieser wie auch bei den folgenden Arten un-
beweglichen Schließzellen auch im lebenden Zustande mit den
Bauchwänden fest aneinandergedrückt, wodurch ein intimer
Verschluß der Zentralspalte bewirkt wird. Das auffallendste und
für den untergetauchten Apparat charakteristischeste Merkmal
122 O. Porsch,
liegt jedoch in dem Verschlusse der Eisodial- und Opisthial-
öffnung. Die beiden Vorhofleisten schließen nämlich enge an-
einander an und lassen nur einen äußerst schmalen Kanal
zwischen einander frei. Dabei erfolgt der gegenseitige Anschluß
so ausgiebig, daß die eine Leiste durch die andere schief nach
aufwärts umgebogen wird, wodurch ein schiefer Kanal zustande
kommt. Auch die Hinterhofleisten legen sich entweder in
gleicher Höhe direkt enge aneinander (vergleiche Fig. 4) oder
sie greifen, wie in dem in Fig. 5 dargestellten Falle über-
einander. Bei dem engen Anschlüsse beider Zellen kann ein
Rest des Vorhofes noch erhalten bleiben (Fig. 4) oder er ist auf
einen Spalt von der Breite des durch die Vorhofleisten gebildeten
reduziert. Mit dem eben geschilderten Querschnittsbilde stimmt
auch die Oberflächenansicht des Apparates überein, indem bei
höchster Einstellung etwas seitlich von der Mitte desselben
parallel zur Längsachse ein sehr feiner dunkler Strich auftritt,
welcher dem schmalen Spalte der Eisodialöffnung entspricht
Die seitliche Verschiebung desselben ergibt sich aus der
Umbiegung der einen Vorhofleiste.
Jedenfalls haben wir es hier, wie aus dem Gesagten hervor-
geht, mit einem Spaltöffnungsapparate zu tun, der in Anpassung
an seine nunmehr ausschließliche Funktion, einen möglichst
ausgiebigen Verschluß der Atemhöhle nach außen zu erzielen,
in hohem Grade histologisch umgebildet ist.
Sagittaria montevidensis Cham, et Schlecht.
(Taf. II, Fig. 11 bis 14.)
Die eben für Alisma geschilderten Verhältnisse wieder-
holen sich im wesentlichen auch bei dieser Art. Auch hier sind
die Schließzellen des untergetauchten Apparates (Fig. 1 1) höher
als die des normalen (Fig. 14). Aber der Verschluß erfolgt hier
noch radikaler, indem der zwischen den Bauchwänden derselben
frei gelassene, äußerst schmale Kanal nur bei schärfster
medianer Einstellung einen Augenblick sichtbar ist; bei der
geringsten Veränderung derselben nach oben oder unten zu
bekommt man die in den Fig. 12 und 13 dargestellten
Bilder, nämlich Verwachsung der Bauchwände in der Vor- oder
Spaltöffnungsapparat submcrser Pflanzenteile. 123
Hinterhofregion oder in beiden. Da diese Ansichten zwischen
der polaren und medianen Einstellung auftreten, so folgt daraus,
daß die Verwachsung der Schließzellen unter der
Eisodialöffnung noch etwas über die Pole gegen die
Mitte des Apparates zu reicht. Besonders klar tritt dieses
Verhältnis am Hinterhofe hervor, wo die miteinander ver-
wachsenen Cuticularleisten einen letzten Rest des Hinterhofes
zwischen einander freilassen können (Fig. 13). Aber auch in
jenen Fällen, wo sie bloß eng aneinander schließen, ist der
Verschluß sehr ausgiebig, indem sich je ein Vorsprung der
einen Leiste einer entsprechenden Einsenkung der anderen
dicht anschmiegt (Fig. 12). Alisina gegenüber bedeutet mithin
die Verschlußeinrichtung unserer Pflanze einen merklichen
Fortschritt.
Sagittaria sagittifolia L.
(Taf. II, Fig. 15 und 16.)
Für diese Art gilt in allen wesentlichen Punkten das für
die vorhergehende Gesagte, nur ist hier der untergetauchte
Apparat dem deutlich erhabenen normalen gegenüber als
schwach eingesenkt zu bezeichnen (vergleiche Fig. 16 mit 15),
während in dieser Beziehung bei der früheren Art kein regel-
mäßiger Unterschied besteht, wenn auch im einzelnen
Variationen eintreten können. Interessant ist der in Fig. 16 dar-
gestellte Querschnitt, welcher einem an der oberen Grenze der
untergetauchten Region gelegenen Apparate angehörte und für
diese Art das Maximum der Öffnungsweite der Zentralspalte in
der bezeichneten Region darstellt. Der Verschluß der Eisodial-
öffnung war durch starke Verdickung der beiden Vorhofleisten
erleichtert, was gleichzeitig eine bedeutende Reduktion des
Vorhofes zur Folge hatte. Dagegen war die Zentralspalte
ziemlich weit geöffnet, die Opisthialöffnung dagegen durch die
hier zwar dünneren, aber entsprechend breiteren Hinterhof-
leisten merklich eingeengt. Bei höherer oder tieferer Einstellung
zwischen den Polen traten ganz ähnliche Bilder wie die in
Fig. 12 und 13 dargestellten auf.
124 O. Porsch,
Calla palustris L.
(Taf. III, Fig. 1 bis 5.)
Bei dieser und der folgenden Art bilden die Vor- und
Hinterhofleisten nicht nur wie bei den vorhergehenden durch
die Art ihres gegenseitigen Anschlusses eine ausgezeichnete
Verschlußeinrichtung, sondern erscheinen jenen des normalen
Apparates gegenüber auch in ihrer Entwicklung mächtig
gefördert, wie ein Vergleich der Fig. 1 und 2 (untergetauchter
Apparat) mit 5 (normaler Apparat) ergibt. Auch hier wird durch
enges Übereinanderlegen der Vorhofleisten ein enger schiefer
Kanal gebildet, nur erscheint die von der anderen gedeckte
Leiste nicht hinauf, sondern herabgebogen (vergleiche Fig. 1
und 2). Dagegen ist die Zentralspalte meist offen. Ein wirk-
samerer Verschluß kommt dagegen der Opisthialöffnung zu.
Die mächtig entwickelten Hinterhofleisten (vergleiche besonders
Fig. 2 bis 4), welche nicht selten gegen die Zentralspalte hinauf
gekrümmt sind (Fig. 1), sind fest aneinander gelegt und lassen
nur bei genau medianer Einstellung einen äußerst feinen Kanal
zwischen einander frei (Fig. 1, 2, 4); bei einer Zwischen-
einstellung zwischen dieser und der polaren sind sie mit-
einander direkt verwachsen (Fig. 3). So wird durch den
Verschluß der mächtig geförderten Hinterhofleisten das wieder-
gewonnen, was der Apparat an Wirksamkeit durch die Öffnung
der Zentralspalte und den bei dieser Pflanze nicht selten
verhältnismäßig weniger ausgiebigeren Eisodialverschluß
verliert.
Menyanthes trifoliata L.
(Taf. III, Fig. 6 bis 8.)
Bei dieser Art ist der Höhenunterschied zwischen den
Schließzellen des untergetauchten Apparates und jenen .des
normalen noch auffallender als bei der vorhergehenden, wie ein
Vergleich der Fig. 6 und 7 mit 8 zeigt. Besonders verkürzt
erscheinen an letzterem die Bauchwände den Rückenwändea
gegenüber. Auch hier ist für den umgebildeten Apparat Se
mächtige Förderung der Vorder- und besonders der Hinterhof-
leisten charakteristisch (vergleiche Fig. 6 und 7 mit 8). Der
Spaltöffnungsapparat submefrScr Pflanzenteile. 1 25
VoitofVerschluß erfolgü durch» enges Aneinander* (Fig. ö) oder
Übereinanderlegen der Vorderleisteni Im erstseren Falle" erscheint
in der Oberflächenansicht bei höchster Einstellung ein sehr
schmaler, dem Zwischenraum zwischen beiden Leisten ent-
sprechender Spalt Der Hinterhof wird entweder durch engen
Anschluß der beiden hinteren Leisten (Fig. 6) oder aber durch
vollständig-e Verwachsung1 derselben verschlossen. Im
letzteren Falle ist* selbst bei genau medianer Einstellung leein
Kanal zwischen^ den beiden hinteren Leisten nachweisbar
(Figi 7). Dagegen1 ist dieZentttalspalte meist; mehr oder Weniger
weit geöffnet.
Wie die gelegentliche vollständige Verwachsung der
hinteren Cuticularleisten zeigt» ist diese Art im Verschlusse des
Hinterhofes bei' sonst im allgemeinen gleichen Verschluß-
einrichtungen um einen Schritt weitergegangen als die vorige.
Schoenoplectus lacüstris (L.) Palla.
(Taf. III, Fig. 9 bis 14.)
Von dieser Pflanze gelangte, wie bereits erwähnt, der
Stamm zur Untersuchung; Die nach dem Gramineentypus
gebauten* Spaltöffnungen, treten hier in ziemlich regelmäßigen
Längsreihen zwischen den subepidermalen Bastgurtungen auf
und zwar werden sie in dem obersten, dauernd in Luft
befindlichen Teile des Stammes von 1 bis 2, seltener 3
Epidermiszellen unterbrochen. Je weiter man jedoch von oben
nach unten am Stamme vorrückt, desto mehr Epidermiszellen
weisen zwischen je zwei aufeinanderfolgende Spaltöffnungen
eingeschaltet, bis diese* im' untersten, konstant untergetauchten
Teile desselben nur sehr selten auftreten, um schließlich von
einer bestimmten Entfernung vom Boden an ganz aufzuhören.
Der konstant untergetauchte Apparat unterscheidet sich
schonin der Oberflächenansicht auf den ersten Blick merklich
von dem normalen. Zunächst ist seine Gesamtbreite inklusive
Nebenzellen etwas größer als die des normalen (vergleiche
Fig. 10, welche den untergetauchten, mit Fig. 9, welche den
1 In dem oben S. 10S angegebenen Sinne gemeint.
126 O. Porsch,
normalen Apparat darstellt). Weiters sind beide Schließzeilen
zusammengenommen etwas breiter. Da nun die Eisodialöffnung
des untergetauchten Apparates, wenn sie überhaupt geöffnet
ist, gewöhnlich bloß ein Drittel der Breite jener des normalen
besitzt, resultiert auch für die einzelne Schließzelle des ersteren
eine größere Breite. Dagegen steht ersterer dem letzteren an
Länge etwas nach (vergleiche Abbildung). Ein Vergleich der
beiden zitierten Abbildungen gewinnt umso mehr an Interesse,
als beide Apparate bei maximaler Eisodialöffnungsweite
in nahezu gleicher Vergrößerung dargestellt sind.
Wenn man weiters bedenkt, daß die in Fig. 10 abgebildete
Eisodialöffnung 1140fach vergrößert ist und die seitliche
Abgrenzung derselben durch schwer benetzbare Cutinleisten
hergestellt ist, erscheint wohl selbst bei schwach geöffneter
Zentralspalte jedes Eindringen des Wassers wirksam verhindert.
Ein Vergleich der beiden Oberflächenansichten liefert weiters
das interessante Ergebnis, daß die polare Verwachsung
der Schließzellen am untergetauchten Apparate viel
weiter gegen die Mitte derselben reicht als am nor-
malen, wodurch selbst bei maximaler Öffnungsweite
der Eisodialöffnung der Spielraum derselben beträcht-
lich eingeschränkt wird. Nach dem Gesagten weist der
untergetauchte Apparat schon in seiner Oberflächenansicht eine
auf Rechnung der Anpassung an den möglichst ausgiebigen
Verschluß der Atemhöhle gegen das flüssige Medium zu setzende
weitgehende histologische Umbildung auf.
In physiologischer Hinsicht ist der beinahe regelmäßige
Verschluß der Zentralspalte auch an frischen, im Wasser
beobachteten Schnitten hervorzuheben. Dabei kann die Eisodial-
öffnung schwach geöffnet oder, was häufiger der Fall ist, bis
auf einen äußerst feinen Spalt verschlossen sein (vergleiche
Fig. 11). Die hinteren Cuticularleisten können enge aneinander
gedrückt sein (Fig. 1 1) oder einen typischen Hinterhof zwischen
einander frei lassen.
Mit den eben geschilderten Differenzierungen hat jedoch
die Umbildung des Apparates noch nicht ihren Höhepunkt
erreicht. Wie aus der erwähnten, weiter gegen die Mitte der
Schließzellen reichenden Verwachsung derselben hervorgeht,
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 1 27
tritt deutlich dasBestreben zutage, zu jener Verschlußeinrichtung
zu greifen, welche nicht nur am promptesten wirkt, sondern
auch allem Anscheine nach am einfachsten zu erreichen wäre,
nämlich zur gänzlichen Verwachsung der Eisodialöffnung, Aber
gerade dieser scheinbar kürzeste und leichteste Weg scheint
der Pflanze der schwierigste zu sein. Die Bildung eines Spaltes
zwischen den beiden Schließzellen ist eben als phylogenetisch
sicherlich erster und ältester Schritt * zur Differenzierung des
Spaltöffnungsapparates mit der inneren Anlage desselben so
innig verbunden und hochgradig erblich fixiert, daß die Pflanze
unter Umständen elier befähigt ist, auf dem Umwege einer
weitgehenden histologischen Umprägung den Folgen der Aus-
bildung desselben zu begegnen als auf dem kürzeren Wege
der Unterdrückung desselben. So auch hier. An den zahlreichen
daraufhin untersuchten Apparaten fand ich bloß je zwei Fälle
einer teilweisen und vollständigen Verwachsung der Eisodial-
öffnung, die beiden ersteren in Oberflächenansicht, von den
zwei letzteren einen ebenso, den anderen in Querschnitt. In dem
einen in Fig. 12 dargestellten Falle war die Eisodialöffnung bis
auf sechs, in dem zweiten bis auf drei unregelmäßig gestaltete,
mit rauhen Rändern versehene Poren verwachsen. Vollständige
einheitliche Verwachsung zeigt in der Oberflächenansicht
Fig. 13, im Querschnitte Fig. 14. Die Oberflächenansicht zeigte
in der Medianlinie des Apparates eine einheitliche plastische
Erhöhung, die bloß an den Polen die Mittellamelle in schwacher
Andeutung erkennen ließ. Dagegen war in dem in Fig. 14 dar-
gestellten Querschnitte die Verwachsungssteile keineswegs
durch eine partielle Erhebung charakterisiert, sondern die
Cuticula zog über die schwach gewölbten Außenwände glatt
hinweg. Bemerkenswert ist, daß auch hier noch deutlich ein
Rest des Vorhofes in Form eines kleinen Spaltes nachweisbar
1 In demselben Sinne sagt Haberlandt (Beiträge zur Anatomie und
Physiologie der Laubmoose, III, S. 475, Fußnote 1, Pringsheim's Jahrb., 17,
1886): »Offenbar hat man sich die phylogenetische Entstehung der Spalt-
öffnungen so vorzustellen, daß zuerst zwischen gewöhnlichen Epidermis-
zellen Spalten auftraten und daß dann später infolge des Bedürfnisses,
diese Spalten öffnen und schließen zu können, die beiden betreffenden Epi-
dermiszellen zu entsprechend gebauten Schließzellen umgestaltet wurden«.
f28 O. Forsch,
war und der Hinterhof normale Entwicklung zeigte. Wie wir
später sehen weisen, kehren gan^ dieselben' Verhältnisse bei
Polygonam amphibium wieder. Im allgemeinen können wir
sagen, daß im Vergleiche zu den vorhergehenden Arten dte
Umbildung des untergetauchten Apparates bei SökoeHoplecfus
lacustris merklich weiter gediehen ist.
Polygonum amphibium L. (Wasserform.)
(Taf. III» Fig. 15 bis 20.)
Die für Schoenoplectus als seltener Ausnahmezustand
nachgewiesene vollständige Verwachsung der Eisodialöffhurtg
seitens der Cuticula stellt für den SpaltöffhungSapparat der
obersten untergetauchten Region des Schwimmblattstieles
obiger Pflanze nicht nur das gewöhnliche Verhalten dar, sondern
wird in ihrer Funktion überdies noch durch die Beteiligung der
stark entwickelten vorderen Cuticularleisten an der Verschluß-
einrichtung unterstützt. Und zwar geschieht dies in folgender
Weise. Die denen des normalen Apparates gegenüber deutlich
geförderten Vorderleisten (vergleiche die beiden Fig. 20
und 17, erstere den normalen, letztere den untergetauchten
Apparat darstellend) sind enge miteinander verbunden und
lassen zwischen einander nur selten einen bis zur Cuticula
reichenden, sehr feinen Spalt frei, welcher den letzten Rest des
ursprünglichen Vorhofes darstellt (Fig. 17); zumeist sind sie
jedoch vollständig miteinander verwachsen (Fig. 19) oder der
Spalt reicht weder bis zur Cuticula noch bis zur Zenträlspalte,
beziehungsweise der dieser entsprechenden Region (Fig. 18)
wie in dbm oben für Schoenoplectus geschilderten Spezialfälle
(vergleiche Fig. 14).
Die Ausdehnung des Spaltes variiert dort, wo er überhaupt
erhalten ist» wie aus der Oberflächenansicht hervorgeht. Bei
höchster, der Eisodialöffnung entsprechender Einsteilung tritt
wie bei Potamogeton natans ein von der stark lichtbrechenden
Cuticula überwachsenes, plastisches, elliptisches Feld auf. In
manchen Fällen wird ein durch die Mittellinie desselben durch-
gehender hellerer Strich sichtbar, der dann einer mittleren, über
dem Spalte gelegenen Erhebung der Cuticula entspricht, wie
dies etwa am Querschnitte in Fig. 17 zum Ausdrucke gelangt.
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 1 29
Steift man jedoch etwas tiefer ein, so tritt der Spalt in Form
eines rötlich erscheinenden Striches von verschiedener Länge
auf. Entweder nimmt er bloß die Mitte des elliptischen Feldes
ein, kaum ein Drittel des Längendurchmessers desselben
betragend (Fig. 16), oder er reicht weiter gegen die Ver-
wachsungsstelle der beiden Schließzeilen, ohne dieselbe zu
erreichen (Fig. 15). Nur selten erstreckt er sich bis zu dieser.
Wie bei den übrigen, in diesem Abschnitte geschilderten
Arten sind auch hier die Schließzellen gänzlich unbeweglich
und jenen des normalen Apparates gegenüber im Verhältnisse
zur Breite merklich höher (vergleiche Fig. 17 bis 19 mit 20).
Die Zentralspalte ist ausnahmslos verschlossen. Weiters ist
wichtig hervorzuheben, daß der Hinterhof bei medianer Ein-
stellung am Querschnitte fast regelmäßig normal entwickelt
ist (Fig. 17, 18), und ebensowenig unterscheiden sich für
gewöhnlich die hinteren Cuticularleisten von jenen des nor-
malen Apparates. Nur einmal fand ich dieselben an einem
Querschnitte über ihr gewöhnliches Maß hinaus ausgebildet,
wo sie in ihrer scharfen Zuspitzung, welche räumlich einer
schneidigen Kante entspricht, an die ganz ähnliche für Sagit-
taria sagittifolia beschriebene, auf Taf. II, Fig. 16, dargestellte
Bildung erinnern. Wie dort waren sie auch hier einander stark
genähert In der Regel wird jedoch, wie erwähnt, eine Verschluß-
einrichtung für den Hinterhof nicht ausgebildet und ist auch im
vorliegenden Falle gänzlich überflüssig, da durch den radikalen
Verschluß der Eisodialöffnung, beziehungsweise des Vorhofes
und der Zentralspalte allein die Atemhöhle gegen jedes Ein-
dringen von Wasser wirksam geschützt ist.
Wie aus dem Gesagten hervorgeht, Stelltuns der unter-
getauchte Spaltöffnungsapparat von Polygonum atnphi-
biutn in seiner weitgehenden physiologischen und
histologischen Differenzierung unter allen bisher
beschriebenen Fällen insoferne den Höhepunkt der
Umbildung desselben in Anpassung an seine Funkt io n
als Verschlußapparat der Atemhöhle dar, als er in der
Gesamtheit seiner Organisation eine Kombination
fast sämtlicher Verschlußeinrichtungen darstellt, die
zum Teile allein auf die einzelnen Arten verteilt
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 9
130 O. Porsch,
erscheinen, wie Unbeweglichkeit der Schließzellen
(Callitriche, Hippuris), Verwachsung derEisodialöffnung
(Potatnogeton, ausnahmsweise Alistna, Oenanthe), För-
derung der vorder en Cuticu\eir\eiste n(Calla,Menyanthes)>
Verschluß der Zentralspalte (SchdenoplectusJ. Zu all dem
tritt als Neuerwerbung die gänzliche Verwachsung
der Vorhof leisten hinzu, dagegen unterbleibt der unter
diesen Umständen auch überflüssige Verschluß des
Hinterhofes.
Zum Schlüsse habe ich noch auf die interessante Ver-
teilung der Spaltöffnungen am Blattstiele einzugehen. Macht
man durch den Blattstiel des Luftblattes der Wasserform
einen Querschnitt, so erscheint derselbe seitlich in zwei schmale,
dünne, flügelartige Erweiterungen ausgezogen, welche in dem
subepidermalen, an Interzellularräumen reichen Grundgewebe
zahlreiche und große Chlorophyllkörner enthalten. Die grünen
Zellen dieser beiden Assimilationsflügel weichen in ihrer
eiförmigen bis fast kugeligen Gestalt von den gewöhnlichen
Grundgewsbezellen des Blattstieles nicht ab, nur stehen sie
etwas dichter als diese. Wie Oberflächenschnitte ergeben, liegen
die Spaltöffnungen nicht unregelmäßig über den ganzen Blatt-
stiel verteilt, sondern sind, dieser Differenzierung des Grund-
gewebes entsprechend, auf die Assimilationsflügel beschränkt.
Der oberste, untergetauchte Teil des Schwimmblatt-
stieles hingegen besitzt weder die seitlichen flügel-
artigen Erweiterungen noch ein subepidermales
Assimilationsgewebe. Ab er auch an diesem zeigen die
Spaltöffnungen eine strenge Lokalisierung an die
den Assimilationsflügeln des Luftblattstieles ent-
sprechende Region. Der erste Schritt zur Rückbildung der
Assimilationsfähigkeit des Blattstieles im Laufe seiner all-
mählichen Anpassung an das ausschließliche Wasserleben war
die Rückbildung des Assimilationsgewebes. Dies war im vor-
liegenden Falle umso leichter, als die assimilierenden Zellen
wahrscheinlich noch keine weitgehende histologische Differen-
zierung in Anpassung an ihre Funktion aufwiesen, indem sie
sich von gewöhnlichen subepidermalen Grundgewebszellen
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 131
hauptsächlich durch den Besitz von Chloroplasten unterschieden,
die Reduktion des Assimilationsgewebes in erster Linie also
auf die Rückbildung der Chloroplasten hinauslief. Ungleich
schwieriger jedoch muß die Rückbildung des Spaltöffnungs-
apparates sein, dessen Bildung nicht bloß eine weitgehende
physiologische und histologische Differenzierung bestimmter
Epidermiszellen, sondern auch die Kommunikation ihres
Spaltes mit dem Durchlüftungssystem voraussetzt. Bei der
innigen Wechselbeziehung zwischen der Anlage dieses
Apparates und den Assimilationsgeweben wurden die Spalt-
öffnungen begreiflicherweise schon frühzeitig auf die assimi-
lierende Region beschränkt und die Fähigkeit zur Ausbildung
derselben ausschließlich gewissen Dermatogenzellen dieser
Region erblich übertragen. Der vorliegende Fall gewinnt
umsom ehr an Interesse, als wir, wie Haberland t gezeigt
hat,1 in der Rückbildung des Assimilationssystems am
Sporogon der Sphagnutn-Arten ein ganz ähnliches
Verhältnis vor uns haben. Auch hier ist dieses bereits
vollständig rückgebildet, die Spaltöffnungen sind
jedoch, wenn auch auf reduzierter Stufe, immer noch
erhalten. Wenn wir weiters bedenken, daß, wie Hildebrand
bereits nachgewiesen hat,2 die Luftblätter der Wasserform
unserer Art auf ihrer Lamina beiderseits Spaltöffnungen führen
und überdies, wie eben gezeigt wurde, an eigenen assimilierenden
Teilen des Blattstieles, die Schwimmblätter dagegen bloß auf
ihrer Oberseite, an ihren Blattstielen dagegen bei Reduktion des
Assimilationsgewebes, die erblich fixierten Spaltöffnungen
dagegen selbst noch gegenwärtig in der den ursprünglich
assimilierenden Teilen entsprechenden Region ausbilden, so
stellt uns Polygonum amphibium das seltene Beispiel
einer Pflanze dar, welche an verschiedenen Organen
eines und desselben Individuums die Hauptetappen
seiner wechselnden Anpassungsgeschichte auch im
1 »Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Laubmoose« in Prings-
heim's Jahrb., 17. Bd., 1886, S. 475.
2 »Über die Schwimmblätter von Marsilia und einigen anderen amphibi-
schen Pflanzen.« Botan. Zeitung, 1870, S. 20.
9*
132 O. Porsch,
histologischen Bau gegenwärtig noch klar zum Aus-
drucke bringt.
Ein vergleichender Rückblick über die Verteilung der in
der vorliegenden Untersuchung geschilderten Verschlußarten
auf die einzelnen daraufhin untersuchten Objekte liefert zwei
interessante Ergebnisse: zunächst die Tatsache, daß die Pflanze
im allgemeinen bei der Ausbildung der jeweiligen Verschluß-
einrichtungen gewissermaßen mit einer gewissen Ökonomie zu
Werke geht, indem zu einer auf den Vorhof sich erstreckenden
Verschlußeinrichtung eine zweite, die Zentralspalte oder Hinter-
hof betreffende, in der Regel nur dann hinzutrit, wenn die erstere
allein nicht volle Garantie für ausgiebigen Abschluß bietet
(vergleiche Alisma, Taf. II, Fig. 4, Sagittaria, Taf. II, Fig. 1 1
und 16, Calla, Taf. III, Fig. 1, 2, Menyanthes, Taf. III, Fig. 6, 7).
Umgekehrt verzichtet die Pflanze auf einen Verschluß des
Hinterhofes, wenn durch eine auf Eisodialöffnung, Vorhof oder
Zentralspaite sich erstreckende Einrichtung der wirksame
Verschluß nach außen gesichert erscheint (vergleiche Pota-
mogeton, Taf. I, Fig. 2, 5, Oenanthe, Taf. I, Fig. 6, Schocnoplecttis,
Taf. III, Fig. 14, Polygonum, Taf. III, Fig. 17, 18). Weiters zeigt
sich, daß die weitgehendste histologische Umbildung des
Apparates in Form der soeben beschriebenen Verschluß-
einrichtungen nicht nur gerade jenen Pflanzen zukommt, welche
auch durch die Fähigkeit der gelegentlichen amphibischen
Lebensweise eine höhere Anpassungsfähigkeit bekunden,
sondern unter diesen wieder bei einer Art den Höhe-
punkt erreicht, welche geradezu ein Paradigma adap-
tiver Plastizität darstellt.
Zusammenfassung der Hauptergebnisse.
I. Bei einer Reihe von Wasserpflanzen finden sich in der
bei normalem Wasserstande dauernd untergetauchten Region
gewisser Organe als Erbstück ihres ehemaligen terrestrischen
Lebens vereinzelt Spaltöffnungen entwickelt.
II. Der mit der erblich fixierten Anlage derselben ver-
bundenen Gefahr der Infiltration der Durchlüftungsräume durch
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 1 33
dsa umgebende Wasser wird bei den verschiedenen Arten auf
verschiedene Weise begegnet und zwar:
1. bei sonst normalem histologischem Baue durch eine
Veränderung des physiologischen Verhaltens der Schließzellen,
welche sich darin äußert, daß diese auch in Berührung mit
Wasser und unter günstigen Beleuchtungsverhältnissen die
Zentralspalte oder Eisodialöffnung verschließen, in ihrer
Wirkungsweise also genau das umgekehrte Verhalten normaler
Schließzellen zeigen. Beispiele: Callitriche verna, Hippuris
vulgaris;
2. durch Abänderung des histologischen Baues bei
physiologisch abweichendem Verhalten.
a) Die Schließzellen trennen sich wie gewöhnlich vollständig
voneinander, es entsteht ein Spalt. Vor- und Hinterhof-
leisten mächtig gefördert, erstere enge aneinander oder
dicht übereinander gelegt, letztere bis auf einen sehr
schmalen Spalt einander anliegend. Vorhof, Zentralspalte
und Hinterhof vorhanden. Calla palustris, Menyanthes
trifoliata.
b) Beide Schließzellen sind getrennt, aber die polare Ver-
wachsung derselben weiter vorgeschritten. Der in seinen
Größenverhältnissen abweichende Apparat ist durch engen
Anschluß der Vorhofleisten, Bauchwände und Hinterhof-
leisten verschlossen. Zentralspalte fehlt. Schoenoplectus
lacustris.
c) Beide Schließzellen sind getrennt, die Spalte zwischen
ihnen ist äußerst schmal. Vor- und Hinterhof fehlen in der
Regel oder sind sehr reduziert. Alisma Plantago, Sagittaria
montevidensis und sagittifolia.
d) Beide Schließzellen sind bis auf die inneren Cuticularleisten
getrennt, letztere bleiben verwachsen. Vorhof, Zentralspalte
und Hinterhof sind vorhanden. Menyanthes trifoliata.
e) Beide Schließzellen sind bis auf die äußeren Cuticular-
leisten getrennt, letztere bleiben miteinander verwachsen.
Vorhof und Hinterhof sind vorhanden. Potamogeton natans,
ausnahmsweise bei Alisma Plantago und Oenanthe
aquatica.
134 O. Porsch,
f) Beide Schließzellen bleiben bis auf die inneren Cuticular-
leisten verwachsen, letztere sind getrennt Vorhof entweder
auf einen schmalen Spalt reduziert oder fehlend. Zentral-
spalte fehlt, Hinterhof ist vorhanden. Polygonum amphU
bium9 Schoenoplectus lacustris.
3. Die Spaltöffnungsmutterzelle teilt sich, die beiden
Tochterzellen trennen sich, eine derselben stirbt frühzeitig ab.
Verschluß durch engen Anschluß der äußeren und inneren
Cuticularleisten bewirkt. Oenanthe aquatica.
4. Die Spaltöffnungsmutterzeile teilt sich; eine Tochterzelle
stirbt vor ihrer Trennung von der Schwesterzelle ab. Oenanthe
aquatica, ausnahmsweise bei Sagittaria montevidensis.
5. Beide Schließzellen sterben frühzeitig ab, ihre Trennung
erstreckt sich bloß bis zur halben Höhe derselben. Oenanthe
aquatica.
6. Beide Schließzellen sterben noch vor ihrer Trennung ab.
Oenanthe aquatica.
7. Die Teilung der Spaltöffnungsmutterzelle unterbleibt,
diese stirbt frühzeitig ab. Oenanthe aquatica.
8. Die Spaltöffnungsmutterzelle wird überhaupt nicht mehr
gebildet, die Pflanze beschränkt sich bloß auf die ihrer Bildung
vorhergehenden Zellteilungen. Oenanthe aquatica.
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 1 35
Erklärung der Abbildungen.
Tafel I.
Fig. 1 . Hippuris vulgaris, L. Untergetauchter Apparat in Oberflächenansicht.
Eisodialöffnung bis auf einen schmalen Spalt verschlossen. Vergr. 1000.
Fig. 2 bis 5. Potamogeton natans L.
Sämtliche Figuren beziehen sich auf den untergetauchten Apparat der
obersten Region des Schwimmblattstieles.
Fig. 2. Querschnitt. Eisodialöffnung vollständig verwachsen. Nebenzellen
normal entwickelt. Vergr. 1240.
Fig. 3. Oberflächenansicht bei höherer Einstellung. Die mittlere Cuticular-
erhebung erscheint als stark lichtbrechender Strich. Rechte Neben-
zelle abgestorben. Vergr. 700.
Fig. 4. Ebenso, bei Einstellung auf die Zentralspalte, letztere schwach
geöffnet. Seitenwände der rechten Nebenzelle mit der Rückenwand
der Schließzelle verschmolzen. Vergr. 670.
Fig. 5. Querschnitt. Eisodialöffnung vollständig verwachsen. Beide Neben-
zellen abgestorben, ihre Seitenwände in mittlerer Höhe mit der
Rückenwand der Schließzelle verschmolzen, ihre Lumina ober- und
unterhalb der Verwachsungsstelle je auf einen einem Intercellular-
raum ähnlichen Spalt reduziert. Vergr. 820.
Fig. 6 bis 13. Ocnanthc aquatica (L.) Lam.
Sämtliche Figuren beziehen sich auf den untersten, dauernd unter-
getauchten Teil des Stammes.
Fig. 6. Querschnitt durch einen untergetauchten Apparat mit vollständig ver-
wachsener Eisodialöffnung. Atemhöhle normal entwickelt. Vergr. 780.
Fig. 7. Oberflächenansicht; rechte Schließzelle abgestorben, Eisodialöffnung
normal, offen. Vergr. 460.
Fig. 8. Querschnitt Linke Schließzelle abgestorben. Begrenzung ihres Lumens
für mediane Einstellung ausgezogen, Air tiefere Einstellung punktiert
gezeichnet. Eisodialöffnung und Hinterhof durch die Vor-, beziehungs-
weise Hinterhof leisten verschlossen. Vergr. 1100.
Fig. 9. Oberflächenansicht. Eine Schließzelle abgestorben. Es fehlt jede
Differenzierung eines Spaltes. Vergr. 700.
136 O. Porsch,
Fig. 10. Beide Schließzellen abgestorben. Zwischen beiden ein sehr feiner,
der Eisodialöffnung entsprechender Spalt. Vergr. 660.
Fig. 11. Abgestorbene Mutterzelle des Apparates. Vergr. 470.
Fig. 12. Querschnitt. Beide Schließzellen rückgebildet, doppelt angeschnitten.
Vorhof leisten schwach angedeutet; die Spalte reicht bloß bis zur
Mitte der Bauchwand. Atemhöhle vollständig rückgebildet.
Vergr. 890.
Fig. 13. Oberflächenansicht, von der Anlage des Apparates bloß die der
Bildung der Mutterzelle vorhergehenden Zellteilungen zeigend.
Vergr. 800.
Tafel II.
Fig. 1. Otnantht aquatica (L.) Lam. Querschnitt durch einen untergetauchten,
rückgebildeten Apparat. Beide Schließzellen abgestorben, vollständig
verwachsen, die rechte doppelt angeschnitten. Atemhöhle normal
entwickelt. Vergr. 870.
Fig. 2. Callitriche vcrna L. Querschnitt durch den untergetauchten Apparat.
Verschluß der Eisodialöffnung durch die Vorhofleisten. Vergr. 750.
Fig. 3 bis 9. Alisma Plantago L.
Fig- 3. Querschnitt durch den normalen Apparat aus der obersten Luftregion
des Blattstieles. Vergr. 1060.
Fig. 4 bis 9 beziehen sich auf die unterste, dauernd untergetauchte Region
desselben.
Fig. 4. Querschnitt. Vorhofleisten als Verschlußeinrichtung ausgebildet,
einen zarten, schiefen Kanal bildend. Zentralspalte und Hinterhof
geschlossen. Vergr. 1400.
Fig. 5. Querschnitt eines untergetauchten Apparates mit verwachsener Eiso-
dialöffnung. Zentralspalte geschlossen, Hinterhofleisten eng über-
einandergreifend. Atemhöhle normal. Vergr. 1140.
Fig. 6 bis 9. Oberflächenansicht hiezu, zum Teil nur die mittlere Partie des
Apparates eingezeichnet.
Fig. 6. Der mittlere, plastisch hervortretende Längswall entspricht der über
dem Vorhof gelegenen mittleren Cuticularerhebung der Querschnitts-
ansicht (Fig. 5). Rechts und links von diesem, parallel mit ihm, je
eine kleinere seitliche Erhebung (vergl. Querschnitt).
Fig. 7 bis 9. Tiefere Einstellung. Fig. 7 zeigt den in die mittlere Cuticular-
erhebung hineinragenden Teil des Vorhofes (dunkel), die begrenzenden
Wände einander stark genähert. Fig. 8 Einstellung auf das Maximum
der Vorhofweite, Fig. 9 auf die Zentralspalte (vergl. Querschnitt,
Fig. 5). Vergr. 850.
Fig. 10 bis 14. Sagütaria montcvidensis Cham, et Schlecht.
Fig. 10. Rückgebildeter Apparat aus der untersten, dauernd untergetauchten
Region des Blattstieles. Beide Schließzellen sind miteinander
Spaltöffnungsapparat submerser Pflanzenteile. 137
verwachsen, die rechte kollabiert, ihre Bauchwand stark verdickt,
das Lumen bis auf einen feinen Spalt reduziert, Hinterhofleisten
dagegen entwickelt. Atemhöhle normal. Vergr. 1000.
Fig. 11. Querschnitt durch den untergetauchten Apparat. Vor- und Hinterhof-
leisten eine deutliche Verschlußeinrichtung bildand. Vergr. 1300.
Fig. 12 und 13. Querschnitte der Bauch wände desselben bei Einstellungen,
welche zwischen der medianen und polaren Einstellung liegen. Fig. 12
vordere Leisten miteinander verwachsen, Fig. 13 Verwachsung der
hinteren Leisten bis auf einen kleinen, dem Reste des Hinterhofes
entsprechenden Spalt. Vergr. 1300.
Fig. 14. Querschnitt durch den normalen Apparat der Luftregion. Vergr. 1300.
Fig. 15 und 16. Sagittaria sagittifolia L.
Fig. 15. Normaler Apparat, deutlich erhaben. Vergr. 980.
Fig. 16. Querschnitt durch den untergetauchten Apparat, das Maximum der
öffnungsweite der Zentralspalte desselben darstellend. Hinterhof-
leisten mit verlängerten, schneidigen Kanten, einander genähert.
Apparat schwach eingesenkt. Vergr. 1200.
Tafel III.
Fig. 1 bis 5. Calla palustris L.
Fig. 1 bis 4 beziehen sich auf den Apparat der untersten, dauernd unter-
getauchten Blattstielregion.
Fig. 1. Querschnitt bei genau medianer Einstellung. Vergr. 1500.
Fig. 2. Dasselbe wie vorige ; zeigt besonders deutlich den engen Anschluß der
mächtig entwickelten Hinterhofleisten, welcher auch für ihre Form
bestimmend ist. Vergr. 1680.
Fig. 3 und 4. Hinterhofleisten bei hoher oder tiefer, beziehungsweise medianer
Einstellung, im ersten Falle gänzlich miteinander verwachsen, im
letzteren einen sehr feinen Kanal freilassend. Vergr. 1500.
Fig. 5. Querschnitt durch den normalen Apparat. Vergr. 1500.
Fig. 6 bis 8. Mcnyanthes trifoliata L.
Fig. 6 und 7. Untergetauchter Apparat der untersten Blattstielregion. Beide bei
genau medianer Einstellung, in Fig. 7 Hinterhofleisten vollständig
miteinander verwachsen. Vergr. 1240 und 1280.
Fig. 8. Normaler Apparat. Vergr. 1600.
Fig. 9 bis 14. Schoenoplcctus lacustris (L.) Palla.
Mit Ausnahme von Fig. 9 beziehen sich sämtliche Figuren auf den
konstant untergetauchten Apparat der untersten Stammregion.
Fig. 9. Normaler Apparat der Luftregioh des Stammes im geschlossenen
Zustande. Oberflächenansicht. Vergr. 1100.
j
138 Ü. Porsch, Spaltöffnungsapparat s üb mers er Pflanzenteile.
Fig. 10. Untergetauchter Apparat. Eisodialöffnung offen, Zentralspalte ge-
schlossen. Die polare Verwachsung der Schließzellen reicht viel
weiter gegen die Mitte des Apparates als im normalen Zustande.
Vergr. 1180.
Fig. 11. Querschnitt durch denselben. Vergr. 1200.
Fig. 12. Desgleichen. Oberflächenansicht. Eisodialöffnung bis auf sechs Löcher
verwachsen. Vergr. 1200.
Fig. 13. Desgleichen. Eisodialöffnung gänzlich verwachsen. Vergr. 1200.
Fig. 14. Querschnitt bei vollständiger Verwachsung der Eisodialöffnung.
Vergr. 1270.
Fig. 15 bis 20. Polygonum amphibium L. (Wasserform).
Fig. 15 bis 19 beziehen sich auf den untergetauchten Apparat der
obersten Region des Schwimmblattstieles.
Fig. 15 und 16. Oberflächenansichten bei Einstellung auf den als Spalt von
verschiedener Ausdehnung entwickelten, unterhalb der Cuticula
gelegenen Rest des Vorhofes. Letzterer ist dunkel gehalten. Vergr. 1 140.
Fig. 17. Querschnitt. Eisodialöffnung und Zentralspalte verwachsen, Rest des
Vorhofes bis zur Cuticula reichend. Vergr. 840.
Fig. 18. Desgleichen. Vorhof leisten bis auf einen kleinen Rest des Vorhofes
verwachsen. Vergr. 800.
Fig. 19. Desgleichen. Vorhof leisten vollständig miteinander verwachsen. Ver-
größerung 980.
Fig. 20. Querschnitt durch den normalen Apparat Vergr. 830.
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139
Mikroskopische Süß wassertiere aus Kleinasien
von
Dr. Eugen v. Daday,
o. ö. Professor der Zoologie am Polytechnikum zu Budapest.
(Mit 2 Tafeln und 2 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 19. Februar 1903.)
Mit Unterstützung der kaiserl. Akademie der Wissen-
schaften zu Wien hat Dr. Franz Werner, Privatdozent der
Zoologie an der Universität zu Wien, im Jahre 1900 eine
Sammlungsreise nach dem nördlichen Kleinasien unternommen,
dabei an den Fundorten, den beiden Seen Albullonia-Göl
und Isnik-Göl, Planktonmaterial gesammelt und mich ersucht,
die Bearbeitung des in sieben Fläschchen wohl konservierten
Materials zu übernehmen. Dieser Aufgabe habe ich mich umso
bereitwilliger unterzogen, als sich mir dadurch Gelegenheit bot,
zu der bisher nur sehr lückenhaft bekannten Süßwasser-Mikro-
fauna von Kleinasien einige neuere Daten zu liefern.
Bei meinen Untersuchungen war ich bestrebt, insoweit
es irgend möglich war, sämtliche mikroskopische Tiere zu
studieren und zu determinieren, um auf diese Weise ein
möglichst erschöpfendes Bild dieser Fauna zu bieten. Trotzdem
aber ist das Verzeichnis der nachstehend aufgezählten Tier-
arten durchaus nicht als vollständig zu betrachten, weil darin
140 E. v. Daday,
der größte Teil der äußerst schwierig oder überhaupt nicht zu
konservierenden Protozoen fehlt, welche doch sicherlich das
Plankton der erwähnten Fundorte in ziemlicher Menge be-
völkern.
Hinsichtlich der qualitativen und quantitativen Beschaffen-
heit des mir vorliegenden Planktonmaterials führten meine
Untersuchungen zu dem Resultate, daß das an dem Fundorte
Isnik-Göl an der Oberfläche vom Ufer und aus dem offenen
Wasserspiegel gesammelte Material an Arten und deren Indivi-
duen auffallend ärmer war als das vom Grund gesammelte,
wogegen das an dem Fundorte Albullonia-Göl an der
Oberfläche vom Ufer und aus dem offenen Spiegel gesammelte
Material dieselben Arten in ansehnlicher Individuenzahl enthielt,
die Grundprobe aber sich sehr ärmlich erwies, die Arten
indessen, mit Ausnahme einer einzigen, mit denjenigen der
ersteren übereinstimmten.
Verzeichnis der beobachteten Arten.
I. Protozoa.
1. Arcella vulgaris Ehrb.
Fundort: Isnik-Göl, Mitte, Oberfläche und Grundprobe,
ziemlich häufig, besonders in der Grundprobe. Aus Kleinasien
bisher unbekannt.
2. Difflugia acuminata Ehrb.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
vereinzelt; auch in der Grundprobe. Diese Art ist aus Kleinasien
bisher noch nicht bekannt.
3. Difflugia constricta (Ehrb.).
Fundort: Isnik-Göl, Grundprobe, selten. Aus Kleinasien
noch nicht bekannt.
4. Difflugia pyriformis Perty.
Fundort: Isnik-Göl, Grundprobe, nur vereinzelt. Aus
Kleinasien bisher noch nicht verzeichnet.
Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. 141
5. Centropyxis aculeata (Ehrb.).
Fundort: Isnik-Göl, Mitte, Oberfläche, vereinzelt; Grund-
probe zahlreich. Diese Art war aus Kleinasien noch nicht
verzeichnet.
6. Euglena deses Ehrb.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberpäche, ziemlich häufig. Aus Kleinasien bisher
unbekannt.
7. Euglena viridis Ehrb.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, häufiger als vorige Art. Aus Kleinasien
bisher noch nicht verzeichnet.
8. Peridinium quadridens Stein.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, ziemlich häufig. Auch diese Art war
bisher aus Kleinasien nicht bekannt
9. Ceratium macroceros Schrank.
Taf. I, Fig. 1.
Fundort: Isnik-Göl, Ufer, Oberfläche, ziemlich häufig;
Grundprobe vereinzelt; fehlte indessen in dem oberflächlichen
Material der Seemitte, d. i. im eigentlichen Plankton.
Diese Art erscheint in der Literatur auch unter den Namen:
Ceratium longicorne Perty, Ceratium Hirundinella Auct.
und Ceratium reticulatum Imhof. G. Entz aber hat jüngst
nachgewiesen, daß von den vielen Benennungen zufolge des
Prioritätsrechtes eigentlich nur die Schrank'sche Bezeichnung
zu gelten hat (siehe Fauna Regni Hungariae. Protozoa, S. 21).
Hiernach kann und muß man zwei Formen dieser Art unter-
scheiden und zwar die Perty- und Stein'sche schlanke, lang- und
dünngehörnte forma procera sowie die gedrungene, kurz- und
breitgehörnte forma obesa, welche O. E. Imhof als Ceratium
räiculatum aus der Schweiz, Saville Kent dagegen auf
Grund der von Carter in Ostindien gesammelten Exemplare
unter dem Namen Ceratium longicorne Perty beschrieben hat.
142 E. v. Daday,
Die von mir untersuchten Exemplare gehören insgesamt
der forma obesa an, indem sie gedrungenen Körpers und ihre
Hörner kurz, im Verhältnis breit und dick sind, auch sind
darunter Exemplare mit vier Hörnern nicht selten (Taf. I, Fig. 1).
Diese Form ist, insofern es mir gelang festzustellen, in
Europa verhältnismäßig häufig, so z. B. ist sie im Balaton und
im See von Kazan eine charakteristische, massenhaft auftretende
Form; außerhalb Europa aber ist sie bloß aus Asien bekannt
und zwar aus Ostindien (Carter-Saville Kent) und aus
Sibirien, Baltim-See, Tojanov-Gorodok (Csiki-Daday). Aus
Kleinasien war die Art und Form bisher nicht bekannt.
10. Tintinnopsis ovalis Dad.
Taf. I, Fig. 2.
Tintinnopsis ovalis Daday, Die mikroskopische Tierwelt der Mezöseger Teiche.
Term. rajzi füzetek, Vol. XV, 1892, p. 200, Taf. t, Fig. 9.
Fundort: Albullonia-Göl, Mitte und Oberfläche, sehr
häufig.
Diese Art war bisher bloß aus den Mezöseger Teichen
Siebenbürgens bekannt. Die mir derzeit vorliegenden Exemplare
weichen in der Form und Struktur der Hülse einigermaßen ab
von den aus der Mezöseg. Die Hülse ist nämlich gegen die
Öffnung nur schwach verschmälert, nahe zur Öffnung aber
plötzlich eingeschnürt, so zwar, daß demzufolge an der Hülse
annähernd ein Wohnfach und ein sehr schmaler Aufsatz wahr-
nehmbar ist. Diese Art bildet somit einen Übergang zwischen
den Gattungen Tintinnopsis und Codonella.
Der Rand des Aufsatzes hat einen größeren Durchmesser
als der Basalteil, so daß derselbe einem schmalen Trichter
gleicht, an dessen Saum sich in dem gallertigen Stoffe winzige
Sandkörner anhäufen.
Das Hinterende des Wohnfaches ist stumpf abgerundet
und die Oberfläche mit fremden Partikeln, Kalk- und Quarz-
körperchen dicht bedeckt.
11. Vorticella nebulifera 0. F. Müll.
Fundort: Isnik-Göl, Mitte, Oberfläche, an Algen befestigte
Kolonien, nicht häufig. Aus Kleinasien bisher nicht verzeichnet
Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. 143
12. Cothurniopsis imberbis (Ehrb.).
Taf. I, Fig. 3.
Fundort: Isnik-Göl, Grundprobe; drei Exemplare an
einem Harpactiden festsitzend.
Die Hülsen der beobachteten Exemplare sitzen an ziemlich
kurzen, dicken und geringelten Stielen. Die durchsichtige Hülse
ist farblos oder kaum wahrnehmbar gelblich, der Mittelteil in
drei gleich große Ringe gegliedert, das distale Ende schwach
gekrümmt, die Öffnung durch den in der Mitte befindlichen
Einschnitt zweilappig erscheinend.
Eines der Exemplare saß an der Furca der Harpactida,
das andere am Unterrand des ersten Rumpfsegments, das dritte
aber am Genitalsegment; es scheint indessen, daß diese Art
kein beständiger Bewohner der betreffenden Harpactida ist,
weil ich sie unter zahlreichen Exemplaren derselben nur an
einem einzigen vorfand.
IL Vermes.
13. Trilobus gracilis Bast.
Fundort: Isnik-Göl, Grundprobe. Ich fand bloß ein
einziges, völlig geschlechtsreifes Männchen. Diese Art war
bisher aus Kleinasien nicht bekannt.
14. Rotifer sp.
Fundort: Isnik-Göl, Mitte, Oberfläche, selten. Die unter-
suchten Exemplare waren sämtlich so zusammengeschrumpft,
daß die nähere Artbestimmung unmöglich war.
15. Asplanchna Brightwelli Gosse.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, massenhaft. Aus Kleinasien bisher un-
bekannt.
16. Adactyla verrucosa Barr. Dad.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche; sehr häufig.
144 E. v. Daday,
Diese Art wurde zuerst von Th. Barrois aus dem Plankton
des Houleh-Sees gesammelt. Allem Anscheine nach ist es
eine für die Gewässer Kleinasiens charakteristische Rotatorie.
Ungeachtet mir bei meinen Untersuchungen sehr zahlreiche
Exemplare zu Gesicht kamen, gelang es mir nicht, auch nur
eines zu finden, dessen Räderorgan genau zu untersuchen
gewesen wäre, und auch hinsichtlich der allgemeinen Struktur-
verhältnisse vermag ich keine neueren Daten beizubringen.
17. Mastigocerca bicornis Ehrb.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche; vereinzelt. Bereits vorher von Th. Barrois
aus dem Houleh-See gesammelt.
18. Mastigocerca elongata Gosse.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, ziemlich häufig. Diese Art war aus Klein-
asien bisher noch nicht verzeichnet.
19. Mastigocerca heterostyla n. sp.
Taf. I, Fig. 4.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
einige Exemplare.
Körper spindelförmig, nach hinten stark verjüngt. Fuß
kurz, eingliedrig, an der Spitze mit zwei geißeiförmigen Fingern,
deren einer länger ist als der andere, daher der Name hetero-
styla. Der längere Finger sitzt oberseits, überragt nur wenig
ein Drittel der Körperlänge und ist nach unten gebeugt. Der
kürzere Finger ist unterständig, erreicht nicht ein Viertel der
Körperlänge und ist ebenfalls abwärts gebogen.
Die Körperhülle bildet auf dem Rücken einen Kamm,
welcher zum größten Teile durchsichtig, strukturlos, an der
Basis jedoch gekörnt ist; die Körner sind in sägeartige Er-
höhungen gruppiert. Am vorderen Körperende geht die Hülle
in je fünf Fortsätze aus, von welchen der auf dem Rücken
befindliche oberste an der Basis breit ist, sich aber vor der
Mikroskopische Süfiwassertiere aus Kleinasien. 145
Mitte plötzlich und auffallend verjüngt und dann sichelförmig
gegen den Bauch gebogen ist. Die unterwärts folgenden drei
Fortsätze sind fingerförmig, der obere derselben ist indessen
länger als die übrigen und endigt in einer dünnen Spitze,
während die beiden anderen an der Spitze abgestumpft sind.
Der Fortsatz am Bauche ist kürzer als alle übrigen, spitz
endigend, nach vorn gerichtet und an ein schmales Dreieck
erinnernd.
Von den inneren Organen fallen die zwei großen Kleb-
drüsen auf, welche schlauchartig sind und vermöge ihres
dunklen granulierten Inhaltes leicht erkennbar werden.
Von den bisher bekannten Arten stehen Mastigocerca
bicornis Ehrb. und Mastigocerca cornuta Eyf. dieser Art am
nächsten. Vermöge der Fortsätze der vorderen Hüllenöffnung
stimmt dieselbe mit Mastigocerca cornuta überein, unterscheidet
sich jedoch von derselben sowie von Mastigocerca bicornis
dadurch, daß ihr Fuß zwei Zehen aufweist, während der Fuß
der zwei anderen Arten bloß eine Zehe hat, welche so lang ist
wie der Körper. Gerade letzterer Umstand veranlaßte mich,
dieses Tier als eigene Art anzusprechen.
20. Notops macrourus Barr. Da d.
Taf. I, Fig. 5 bis 7.
Notops macrourus Barrois et Daday, Resultats scientifiques d'un voyage
entrepris en Palestine et en Syrie. Contribution a l'etude des Rotifera
de Syrie. Revue Biologique du Nord de la France, 1894, PI. 1, Fig. 3.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, massenhaft. Diese Art ist bisher nur aus
dem Houleh-See bekannt.
Unter den mir vorliegenden sehr zahlreichen Exemplaren
gelang es mir auch, einige zu finden, deren Räderorgan nicht
zurückgezogen war und überhaupt keine hochgradige Ein-
schrumpfung zeigte, demzufolge ich eine ziemlich genaue
Beschreibung ihrer Körperform und ihrer Organisationsverhält-
nisse überhaupt glaube bieten zu können, was übrigens umso-
mehr vonnöten ist, weil ich dadurch glaube, nachweisen zu
können, daß diese Art nicht mit Notops Brachionus identisch,
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 10
146 E.v. Daday,
wie es Rousselet voraussetzte,1 sondern tatsächlich eine
selbständige Art ist.
Der mit einer dünnen Cuticularhülle bedeckte Körper ist
eiförmig, nach hinten auffallender verschmälert und unmerklich
in den Fuß übergehend, dagegen vorn an der Basis des Räder-
organs eingeschnürt, beziehungsweise unterhalb des Räder-
organs halsformig verengt (Taf. I, Fig. 7). Der Rumpf erlangt
hinter der halsförmigen Verengung seine größte Breite und ist
dagegen an der Basis des Fußes am schmälsten.
Das Räderorgan ist auf dem Rücken in drei Lappen
gegliedert, dessen mittlerer am kleinsten erscheint und einen
abgerundeten Hügel bildet, während die äußeren zwei Lappen
größer und weniger erhaben und sicherlich auch gegen den
Bauch hinabgebogen sind. Welchen Verlauf der Rand des
Räderorgans auf dem Bauche hat, das vermochte ich nicht
sicher festzustellen sowie es mir nicht gelang, zu beobachten,
ob sich an der Stirn Füllhügel befinden.
Das den Zentralteil des Nervensystems bildende Gehirn-
ganglion war mit seinen dunkelgrauen, körnigen, großen Zellen
leicht zu erkennen und selbst jenes Nervenfaserbündel war
deutlich wahrnehmbar, welches zu dem vor dem Gehirnganglion
liegenden, kegelförmigen Taster hinläuft. Die Seitennerven
sind gleichfalls gut entwickelt und laufen bis zum hinteren
Körperdrittel.
Die Struktur des Kaumagens ist ganz ebenso, wie sie die
Abbildung von Barrois und Daday darstellt.
Die Hepatopankreasdrüsen zeigten sich kugelförmig und
gelang es mir, im Inneren derselben mehrere kleine Kerne
wahrzunehmen.
Die Exkretionsgefäßstämme waren zwar zu erkennen,
allein die Zitterorgane vermochte ich dennoch nicht zu beob-
achten.
Das Ovarium zeigte sich bei den meisten Exemplaren
in Form eines halbmondförmig gekrümmten Schlauches.
Der Fuß ist, von der Afteröffnung bis zu den Fingerspitzen
gemessen, fast so lang wie der ganze Rumpf; nahe zur Basis
i Syrian Rotifers. Science-Gossip., 1895, Vol. 11, No 14, p. 30.
Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. 147
zeigen sich zwei ringförmige Einschnürungen; derselbe ist
jedoch in seiner ganzen Länge ungegliedert, beziehungsweise
er zeigt keine Spur einer Gliederteiiung; die im Inneren hin-
ziehenden Muskelbündel sind scharf konturiert. Die Klebdrüsen
sind spindelförmig, das obere Ende zugespitzt, sie sind im
Verhältnisse kurz und überragen kaum ein Viertel der Fußlänge.
Die Fußmuskel laufen bis zur Basis der Zehen.
Die Finger sind blattförmig, an der Basis sehr breit, gegen
Ende plötzlich verjüngt und etwas bogig seitwärts, beziehungs-
weise auswärts gekrümmt (Taf. I, Fig. 6).
Die ganze Körperlänge beträgt, vom Rande des Räder-
organs bis zu der Fingerspitze gemessen, 0*54 bis 0*56 mmy
die Länge des Fußes 0*26 bis 0*28 mm.
Diese Art wurde, wie oben erwähnt, von C. F. Rousselet
für ein infolge der Konservierung zusammengeschrumpftes und
nicht leicht erkennbares Exemplar von Notops Brachionus
erklärt; wenn wir indessen beide Arten etwas vergleichen,
zeigt sich sofort ihre Selbständigkeit.
Der Rumpf von Notops Brachionus gleicht nämlich in
gewissem Maße einem viereckigen Schlauche, dessen hintere
Spitzen schwach abgerundet sind; der Rumpf von Notops
macrourus dagegen ist, wie erwähnt, eiförmig. Einiger Unter-
schied zeigt sich auch in der Struktur des Räderorgans, des
Kaumagens und der Hepatopankreasdrüsen, am auffallendsten
aber ist immerhin der Unterschied in der Struktur des Fußes.
Der Fuß von Notops Brachionus ist nämlich kaum halb so lang
als der Rumpf, zumindest überragt er dessen halbe Länge
nicht beträchtlich (vergl. Hudson und Gosse, The Rotifera,
PI. XV, Fig. 1 und E. F. Weber, Faune Rotatorienne du Bassin
duLeman, 2e partie, PI. 17, Fig. 9), ist in drei Glieder geteilt
und die Finger klein, schmal, wogegen der Fuß von Notops
macrourus so lang wie der Rumpf, nicht gegliedert und die
Finger breit und groß sind. Zudem hat Notops macrourus
vor dem Gehirnganglion einen Taster, welcher bei Notops
Brachionus fehlt.
Den in der Struktur des Fußes sich zeigenden Unterschied
allein halte ich meinerseits für genügend, um Notops macrourus
von Notops Brachionus zu trennen, umsomehr als dieser
10*
148 E. v. Daday,
Unterschied selbst für eine generische Trennung der beiden
Arten hinreichend wäre.
21. Anuraea cochlearis Gosse.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, vereinzelt. Diese Art kommt nach Barrois
und Daday auch im Planktonmaterial des Tiberias-Sees vor.
22. Anuraea Testudo Ehrb.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, ziemlich häufig, besonders in dem Material
von der Oberfläche. Aus Kleinasien bisher nicht bekannt.
23. Brachionus angularis Gosse.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
vereinzelt, auch in dem Material von der Mitte und Oberfläche.
Aus Kleinasien bisher nicht verzeichnet.
24. Brachionus budapestinensis Dad.
Taf. I, Fig. 8.
Brachionus budapestinensis Daday, Neue Tierarten aus der Süßwasserfauna
von Budapest. Term. rajzi ftizetek, Vol. IX, 1885, p. 211, Tab. XI, Fig. i
bis 4, 9, 10.
Brachionus punctatus Hempel A., Descriptions of new species of Rotifera
and Protozoa from the Illinois River and adjacent waters. Bulletin of the
Illinois State Laboratory of Nat. Hist., Vol. IV, 1896. p. 311, PI. XXIII,
Fig. 3 bis 5.
Brachionus budapestinensis var. Scorikow A. S., Rotateurs des environs de
Kharkow, 1896, p. 143, Taf. VIII, Fig. 25 a, b.
Brachionus lineatus Scorikow A. S., Ibid., p. 144, PI. VIII, Fig. 26.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia wie
auch Mitte und Oberfläche, häufig. Aus Kleinasien bisher noch
nicht erwähnt.
Diese Art ist zuerst aus der Fauna von Budapest bekannt
geworden, später fand sie A. Hempel auch in den Wässern
Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. 149
von Illinois sowie A. S. Scorikow in denen von Kharkow.
A. Hempel hat die von ihm untersuchten Exemplare mit
Rücksicht auf die annähernd eiförmige Schale als Vertreter
einer selbständigen Art betrachtet und unter dem Namen
Brachionus punctatus beschrieben. A. S. Scorikow fand fast
gleichzeitig mit Hempel unter den von ihm beobachteten
Exemplaren eine anscheinende Varietät des typischen Brachi-
onus budapestinensis sowie außerdem auch mit der Hempel-
schen Art in allem übereinstimmende Exemplare, zu deren
Bezeichnung er die Benennung Brachionus lineatus anwandte.
Meiner Ansicht nach unterliegt es keinem Zweifel., daß
A. HempeTs Brachionus punctatus und A. S. Scorikow's
Brachionus lineatus identisch, beziehungsweise synonym sind;
indessen irre ich wohl nicht sehr, wenn ich diese beiden
zugleich für Synonyme von Brachionus budapestinensis erkläre
und höchstens für Varietäten dieser Art halte, in welchem
Falle für dieselben zufolge des Prioritätsrechtes die Bezeichnung
Brachionus budapestinensis var. punctatus Hempel anzu-
wenden wäre. Den Unterschied, welcher bei den Hempel-
Scorikow'schen Arten und bei Brachionus budapestinensis in
der äußeren Schalenform, im Verlaufe der auf dem Schalen-
rücken sich zeigenden Linien sowie in Länge und Richtung
der Rückenrandfortsätze bemerkbar ist, halte ich nämlich nicht
für wesentlich genug, um eine neue Art aufzustellen. Die an
den erwähnten Körperteilen auftretenden Abweichungen sind
nämlich nur als Varietäten solchen Wertes zu betrachten,
welchen Wert z. B. die Veränderlichkeit des hinteren Schalen-
fortsatzes an den Exemplaren von Brachionus Bakeri besitzt.
Körperlänge 0*14 bis 0 '19 mm, größte Breite 0*08 bis
0-12 mm.
Die mir vorgelegenen Exemplare erinnern gemäß der Form
ihrer Schale, zahlreiche derselben sogar auch durch die Struktur
der Rückenrandfortsätze einerseits in gewissem Grade an den
eigentlichen Brachionus budapestinensis, anderseits aber in
eben dem Maße an die Hempel-Scorikow'schen Exemplare,
sind somit Übergangsformen, welche, so es beliebt, als Vertreter
von Brachionus budapestinensis var. punctatus betrachtet
werden können.
150 E. v. Daday,
25. Brachionus forficula Wierz.
Taf. I, Fig. 8, 10, 11.
Brachionus forficula Wierzejski A., Liste des Rotiferes observes en Galicie.
Bull, de la Soc. Zool. de France, Tom. XVI, 1891, p. 51, Fig. 3.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, massenhaft Diese Art war bisher nur
aus Galizien bekannt.
Die Schale gleicht annähernd einem gestreckten Viereck,
die Seiten sind indessen schwach gewölbt, demzufolge an der
Mitte breiter als vorn und hinten, den kleinsten Durchmesser
aber weist der Vorderrand auf. Am Vorderrande des Rückens
ragt beiderseits je ein ziemlich langer Fortsatz hervor, welcher
jedoch ein Drittel der Länge des hinteren Fortsatzes nur wenig
überragt; dieselben sind zumeist gerade nach vorn gerichtet,
zuweilen aber schwach einwärts gekrümmt. In der Mitte des
Rückenrandes erheben sich gleichfalls zwei Fortsätze, welche
durch eine schmale Bucht voneinander getrennt sind; beide
sind gleich lang, gerade nach vorn gerichtet, weit kürzer als
die seitlichen, d. i. kaum halb so lang. Der Bauchrand zwei-
lappig, d. i. in der Mitte schwach eingebuchtet, an der Basis der
beiden mittleren Rückenfortsätze aber ist bogig gewölbt.
An den beiden Hinterenden der Schale entspringt je ein
mächtiger Fortsatz, die bald gerade nach hinten (Taf, I, Fig. 8),
bald etwas einwärts blicken (Taf. I, Fig. 10, 11), zuweilen aber
säbelförmig etwas gegeneinander gebogen sind. Die Basis aller
Fortsätze ist etwas schmal, verbreitert sich aber alsbald auf-
fallend, indem im proximalen Viertel des Innenrandes sich eine
mehr oder weniger stumpf abgerundete, zahnartige Erhebung
befindet, welche ihnen eine eigentümliche und charakteristische
Form verleiht. Auffallend werden diese Fortsätze durch ihre
ziemlich große Breite und ihre Länge, indem sie so lang sind
wie der Rumpf ohne die äußeren Rückenrandfortsätze.
An der Basis der hinteren Schalenfortsätze bildet der
Schalenrand drei Buchten, zwei seitliche und eine mittlere,
welch letztere der Fußöffnung entspricht. Ober der Fußöffnung
liegt auf dem Rücken eine lappenförmige Lamelle.
Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. 151
Die Schalenoberfläche ist mit feinen, runden Körnern
bedeckt, auf dem Rücken indessen zeigen sich auch Konturen
von kleineren oder größeren, regelmäßigen, vier-, fünf- und
sechseckigen Felderchen, ganz ebenso wie z. B. auf der Schale
von Noteus quadricornis.
Der Fuß ist zylindrisch, ungegliedert, nicht ganz halb so
lang wie die Schale von der Spitze des hinteren Fortsatzes bis zur
Spitze des Fortsatzes am vorderen Seitenrand gemessen, die
Oberfläche fein geringelt. Die Finger sind blattförmig, ziemlich
groß. Die Hepatopankreasdrüsen sind annähernd nierenförmig,
nahe zum oberen und unteren Ende sitzt je ein großer Kern.
Die ganze Körperlänge beträgt, von der Spitze des hinteren
Schalenfortsatzes bis zur Spitze des Fortsatzes am vorderen
Seitenrande gemessen, 0'17 bis 0'2ww, die größte Breite
0*08 mm.
Die mir vorgelegenen Exemplare unterscheiden sich von
den galizischen nur dadurch, daß der Rücken der Schale
gefeldert ist.
26. Brachionus rubens Ehrb. var. Werner i n. var.
Taf. I, Fig. 12.
Fundort: Isnik-Göl, Ufer, Oberfläche und Grundprobe,
ziemlich häufig.
Die Schale gleicht einem kurzen, breiten Ei, ist in der
Mitte am breitesten und vorn auffallend verschmälert. Am
Stirnrande des Rückens erheben sich sechs Fortsätze, deren
zwei mittlere weit länger sind als die übrigen, die äußersten
aber sind von allen die kürzesten. Die Basis der äußeren Fort-
sätze ist ziemlich schmal, zwischen ihnen und den mittleren
Fortsätzen befindet sich ein schmaler und tiefer Einschnitt.
Die Basis der mittleren Fortsätze ist breit, ihr Ende spitz,
zwischen ihnen und den inneren Fortsätzen zeigt sich ein
ziemlich breiter und tiefer Einschnitt. Die inneren Fortsätze
werden durch einen fast ebenso tiefen und schmalen Einschnitt
voneinander getrennt wie die äußeren von den mittleren; ihre
Basis ist ziemlich breit.
Am Bauchrand der Schale erheben sich vier Hügel, von
welchen der äußere annähernd kegelförmig ist, ihre äußeren
152 E. v. Daday,
Seiten allmählich, die inneren hingegen steil abfallen. Die
mittleren Hügel sind breiter als die äußeren, zwischen ihnen
liegt eine schmale Bucht, in der Mitte bildet ihr Rand je einen
spitzen Gipfel.
Die Fußöffnung am Bauch ist bogig ausgeschnitten,
während auf dem Rücken ein spitzer Einschnitt sichtbar
ist, welcher gerade in der Mittellinie des hinteren Schaien-
randes liegt.
Die Schalenoberfläche ist ganz glatt, zumindest vermochte
ich an derselben weder Kämme noch scharfe Linien wahr-
zunehmen.
Die Muskulatur ist kräftig und sah ich in der vorderen
Schalenhälfte außer den in der Längsrichtung liegenden Muskel-
bündeln auch zwei Ringmuskelbündel, deren eines am Kau-
magen, das andere aber etwas tiefer hinzieht.
Die Hepatopankreasdrüsen sind quergestreckte Schläuche,
beziehungsweise bandförmig, ihr äußeres Ende trägt einige
breite oder enge Fortsätze; in ihrem Inhalt sind 4 bis 5 kleine,
runde Kerne wahrzunehmen.
Das Ovarium ist wurstförmig und annähernd hufeisen-
förmig gekrümmt. Die ganze Schalenlänge beträgt 0 • 35 mm9
die größte Breite 0*25 mm.
Die Stammart ist aus Kleinasien bereits bekannt; Th.
Barrois sammelte sie aus den Wässern von Abbadi und
Hadar sowie aus den Sümpfen bei Teil Forkloos.
Diese Varietät, welche ich nach dem Sammler Dr. Franz
Werner benenne, unterscheidet sich von der Stammform in
erster Reihe durch die Struktur der Schale, besonders die
Gliederung des Stirnrandes der Bauchseite sowie Lage und
Ausschnitt der Fußöffnung, sodann in zweiter Linie durch die
Struktur und Form der Hepatopankreasdrüsen, welche bei der
Stammform einem Schauche gleicht.
27. Schizocerca diversicornis Daday.
Taf. I, Fig. 13 bis 16.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, massenhaft. Aus Kleinasien bisher nicht
bekannt.
Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. 153
Bei meinen Untersuchungen fand ich bloß die Stammform
mit dem sehr kurzen linken und dem langgestreckten rechten
hinteren Schalenfortsatz. Die vorderen Seitenfortsätze der Schale
variieren bloß in geringem Maße, d. i. sie sind entweder gerade,
oder schwach einwärts gebogen. Dagegen ist der hintere rechte
Fortsatz in hohem Grade variabel; an den meisten Exemplaren
ist derselbe nämlich säbelförmig einwärts gekrümmt (Taf. I,
Fig. 14) und, wie es scheint, ist auch dies der Typus; allein es
kommen auch Exemplare vor, an welchen der hintere rechte
Fortsatz nahezu gerade nach hinten gerichtet (Taf. I, Fig. 13),
oder bald schwächer, bald stärker nach außen gekrümmt ist; an
einem Exemplar ist derselbe im ersten Viertel noch gerade und
erst dann nach außen gekrümmt (Taf. I, Fig. 15), an einem
anderen dagegen beginnt er schon an der Basis sich zu krümmen
(Taf. I, Fig. 16) und dies dürfte als extremste Form zu
betrachten sein.
Die mir vorgelegenen Exemplare waren im Verhältnis
auffallend groß, insofern die ganze Schalenlänge von der Spitze
des hinteren rechten Fortsatzes bis zur Spitze des rechten
Stirnrandfortsatzes 0*5 bis 0*57 mm beträgt; dies beruht
übrigens in der ziemlich bedeutenden Verlängerung der Fort-
sätze; der Rumpfan sich ist nur 0*2 bis 0%2imm lang. Auch
der Fuß ist sehr langgestreckt; derselbe ist über 0*4 mm lang,
mithin doppelt so lang wie der Rumpf.
28. Pedalion mirum Huds.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, vereinzelt; Isnik-Göl, Grundprobe, nur
einige Exemplare.
Diese Art wurde von Th. Barrois und E. v. Daday
bereits aus den Planktonmaterial des Yamoun-Sees verzeichnet
und zwar unter dem Namen Hexarthra polyptera Schmarda.
Wenn ich bei dieser Gelegenheit zur Bezeichnung der Art nicht
die Benennung von Schmarda, sondern die von Hudson
anwende, wie ich es schon hie und da getan, so komme ich
bloß dem Usus nach; denn die von mehreren Forschern vor-
gebrachten Gründe haben mich noch immer nicht von der
unbedingten Sonderstellung von Hexarthra polyptera und
154 E. v. Daday,
Pedalion mirum überzeugt. Bereitwillig anerkenne ich zwar,
daß die Abbildungen und Beschreibungen der beiden Tiere
auffallende Verschiedenheiten aufweisen und zur generischen
und speziellen Sonderstellung derselben eine berechtigte Basis
bilden, allein ich halte die von Schmarda abgebildete und
beschriebene Hexarthra polyptera für nicht zutreffend und
wohl auf einen PWa//o«-Organismus beziehbar. Es scheint
eine unzureichende Beobachtung vorzuliegen. Daß diese Form
dennoch zustande kam, schreibe ich einem Observationsfehler
zu, was leicht erklärlich wird, wenn man die technischen
Schwierigkeiten in Betracht zieht, welche Schmarda bei seinen
Untersuchungen während einer Weltumsegelung zu bekämpfen
hatte, und wenn man hinweist auf die Schwierigkeiten, welche
sich dem Forscher beim Studium der verwickelten Struktur der
Pedalion- Arten entgegentürmen.
In dieser Überzeugung bestärkt mich in erster Reihe die
Ähnlichkeit, welche sich in der Struktur der Ruder zeigt, in
zweiter Reihe aber die geographische Verbreitung des Tieres,
beziehungsweise der Umstand, daß dem Hudson'schen Pedalion
mirum vollständig analoge Exemplare auch in Kleinasien
vorkommen, während die Schmarda'sche Hexarthra polyptera
bisher außer von dem Entdecker nirgends und durch niemand
beobachtet wurde. Nach dem Vorgebrachten dürfte es sich bei
der Schmarda'schen Hexarthra um ein Pedalion handeln. Die
Entscheidung in dieser Streitfrage wird natürlich bloß durch
die Entdeckung eines mit dem Schmarda'schen Hexarthra
polyptera oder zumindest in Hinsicht der Anordnung der Ruder
übereinstimmenden Tieres erbracht werden können. Bis dahin
aber hängt es bloß von der individuellen Ansicht ab, ob man
die beiden Gattungen und Arten trennen oder vereinigen will,
und in letzterem Falle, ob man mit Berücksichtigung oder
Umgehung des Prioritätsrechtes den einen oder den anderen
Namen benützt.
29. Triarthra longiseta Ehrb.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, zahlreich. Th. Barrois hat diese Art
schon früher aus dem Homs- und Houleh-See gesammelt.
Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. 1 55
30. Polyarthra platyptera Ehrb.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, nicht häufig. Diese Art wurde von
Th. Barrois vormals aus dem Homs-, Houleh- und Yamoun-
See gesammelt.
III. Crustacea.
31. Cyclops languidus G. 0. Sars.
Fundort: Isnik-Göl, Grundprobe ein reifes Weibchen
und mehrere Jugendstadien. Aus Kleinasien bisher noch nicht
verzeichnet.
32. Cyclops oithonoides G. 0. Sars.
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
ein reifes Männchen und zahlreiche Exemplare in verschiedenen
Entwicklungsstadien; Mitte, Oberfläche und Grundprobe, einige
reife Weibchen und Massen von Larvenstadien. Aus Kleinasien
bisher noch nicht bekannt.
33. Canthocamptus sp. ?
Taf. I, Fig. 17; Textfig. la, b.
Fundort: Isnik-Göl, Mitte und Oberfläche, selten.
Die mir vorgelegenen wenigen Exemplare waren nur
Bruchstücke, so zwar, daß ich die Art nicht sicher zu deter-
minieren vermochte, noch die eingehende Beschreibung zu
geben vermag. Die beobachteten Daten fasse ich nachstehend
zusammen.
An den Abdominalsegmenten ist am Bauche der Hinterrand
mit einer Dornenreihe versehen, welche indessen in der Mitte
des Randes unterbrochen ist und seitlich sich auch etwas auf
den Rücken erstreckt. Das letzte Abdominalsegment geht
innerhalb der Furcalbasis in je einen fingerförmigen Fortsatz
aus. Die Basis der Furca ist von einem Borstenkranz umgeben
(Textfig. 1 a).
Von den Schwimmfüßen fand ich bloß die letzten zwei
Paare in erkennbarem Zustande; die Äste derselben waren
dreigliedrig, die Borsten und Dornen aber fehlten größtenteils.
156
E. v. Daday,
Der freie Rand des Analoperculums ist gerade abge-
schnitten, in der Mitte aber etwas vertieft, erscheint somit als
in zwei Lappen gegliedert; beiderseits erhebt sich an der Basis
je ein kurzer, kräftiger Dorn (Textfig. 1 a).
Am fünften Fußpaare (Textfig. 1 b) ist die Basallamelle mit
dem Endopodit verwachsen, das äußere Ende aber fingerförmig
gestreckt. Das Exopodit ist blattförmig, die Basis breiter als die
Spitze, am Außenrand mit drei, an der Spitze gleichfalls mit
drei langen Borsten bewehrt, außerdem ist die proximale Hälfte
Fig. 1.
des Außenrandes fein behaart, während am Innenrand in der
ganzen Länge feine Haare sich erheben. Das Endopodit erhebt
sich bloß halb so hoch als das Exopodit, an seiner Spitze sitzen
drei kräftige, lange Borsten, deren innere indessen weit länger
als die beiden anderen, die äußere aber die kürzeste von allen
ist; am Innenrande stehen zwei ziemlich lange Borsten, unter-
halb derselben folgt eine Reihe von einigen feinen Härchen und
auch am Außenrande zeigen sich einige solcher Härchen.
Das Cuticulargerüst der weiblichen Genitalöffnung, welches
aus einem zentralen senkrechten und zwei querliegenden
Teilen besteht, ist auf Taf. I, Fig. 17 dargestellt. Borsten ver-
mochte ich daran nicht wahrzunehmen.
Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. 157
34. Onychocamptus heteropus n. gen. n. sp.
Taf. I, Fig. 18 bis 24.
Character gener. Der Körper ist aus zehn Segmenten
zusammengesetzt, nach hinten allmählich verjüngt. An den
Schwimmfüßen des Weibchens ist der äußere Ast am ersten
Fuße zwei-, an den drei hinteren dreigliedrig, der innere Ast
am ersten Fuße drei-, an den übrigen Füßen zweigliedrig; an
den Schwimmfüßen des Männchens ist der äußere Ast drei-
gliedrig; der innere Ast am ersten, zweiten und vierten Fuße
zwei-, am dritten Fuße dreigliedrig. An der inneren Astspitze
des ersten Fußpaares sitzt eine kräftige, sichelförmige Kralle.
Das fünfte männliche Fußpaar besteht aus zwei, mit dem
Segment in direkter Verbindung stehenden, selbständigen An-
hängen. Das Weibchen trägt zwei Eiersäckchen.
Das erste Rumpfsegment ist so lang oder auch etwas
länger als die darauffolgenden drei zusammen, geht vorn in
ein mehr oder weniger gerade geschnittenes Rostrum aus,
dessen Spitze fein behaart ist, die hinteren Seitenecken sind
spitzig, ebenso wie auch die darauffolgenden drei Segmente,
während am fünften Segment die unteren Seitenecken ab-
gerundet sind (Taf. 1, Fig. 18).
Die Abdominalsegmente sind fast gleich lang, die Seiten-
enden der drei ersteren spitzig, die Cuticula hier stark verdickt,
auch am vierten Segmente sind die Seitenenden zwar spitzig,
die Randcuticula aber ist nur an der Spitze verdickt. Sämtliche
Segmente, mit Ausnahme der zwei letzten Abdominalsegmente,
sind am Hinterrande mit gleich weit voneinander stehenden
Chitinverdickungen versehen, welche auf dem Gipfel mit je
einer Borste bewehrt sind.
Das Analoperculum bildet einen bogigen Lappen, am
freien Rande erheben sich feine Härchen und auch an der
Basis sitzen in einer Querreihe ähnliche feine Härchen.
Die Furcallamellen sind so lang wie das letzte Abdominal-
segment, welches sie trägt, sind im Verhältnis schmal, fast
dreimal so schmal als lang, ihre Basis mit feinen Haaren
umgebten. Von den Endborsten sind bloß drei entwickelt und
zwar eine mittlere, sehr kräftige und auffallend lange, welche
158 E. v. Daday,
fast die halbe Körperlänge erreicht und fein gefiedert ist, ferner
eine äußere und eine innere Endborste, welche die halbe Lange
der Furcallamellen kaum überragen und glatt sind. Am Außen-
rande der Furcallamellen erheben sich nahe zur Spitze auf
kleinen Hügelchen nahe beieinander einzelne Borsten, welche
glatt und fast so lang sind wie die Furcallamelle. Der Innenrand
der Furcallamellen ist fein behaart; auf dem Rücken derselben
sitzt, auf doppelt eingeschnürter Basis, eine ziemlich lange
Borste.
Das weibliche erste Antennenpaar ist fünfgliedrig (Taf. L
Fig. 19); am längsten ist das dritte Glied, welches sicherlich
durch Verwachsung zweier Glieder entstanden ist und an der
gestreckten distalen vorderen Spitze das charakteristische
Riechstäbchen und eine lange Borste trägt. Auf dem Rücken
des ersten Gliedes erheben sich feine Härchen in zwei Quer-
reihen. Das letzte Glied ist nahezu doppelt so groß als das
voranstehende, welches von allen Gliedern das kleinste ist;
charakteristisch ist es, daß am Vorder- und Hinterrande sowie
auch auf dem Rücken des letzten Gliedes sich mehrere Borsten
befinden. Das erste Antennenpaar ist übrigens sehr kurz, kaum
so lang oder nur wenig länger als das erste Rumpfsegment
samt dem Rostrum.
Das männliche erste Antennenpaar ist beiderseits gleich-
förmig zu Greifantennen gestaltet und besteht aus sechs
Gliedern (Taf. I, Fig. 20). Die ersten drei Glieder sind zylindrisch,
fast gleich dick, wogegen das vierte, welches das Gelenkglied
bildet, auffallend gedunsen, in der Mitte des Hinterrandes vertieft
ist und an der Basis des Vorderrandes einen fingerförmigen
Cuticularfortsatz trägt. Das Riechstäbchen samt der sie be-
gleitenden Borste entspringt an diesem Gliede. Das fünfte Glied
ist weit dünner als die vorherigen, dabei fast so lang wie das
vierte, am Hinterrande der äußeren Seite erhebt sich auf breiter
Basis eine Cuticularlamelle mit abgerundeter Spitze. Das letzte
Glied ist sehr kurz und dünn, kaum ein Drittel der Länge des
fünften Gliedes erreichend, an der Spitze mit dem Riechstäbchen
und der langen Borste versehen.
Der äußere Ast der Schwimmfüße ist am ersten weiblichen
Fuße zwei-, am zweiten, dritten und vierten sowie an samt-
Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. 1 59
liehen männlichen Füßen stets dreigliedrig, wogegen der
innere Ast des ersten weiblichen Fußes aus drei, die übrigen
aber sowie am ersten, zweiten und vierten männlichen Fuße
aus zwei Gliedern zusammengesetzt ist, am dritten männlichen
Fuße hingegen aus drei Gliedern besteht. Der äußere Ast der
Füße ist, mit Ausnahme der ersten, stets länger als der innere
Ast, von den Gliedern am inneren Aste des ersten Fußes an
und für sich länger als der äußere Ast und fast doppelt so
lang als die zwei anderen Glieder zusammen (Taf. I, Fig. 21),
sein Innenrand ist fein behaart; das basale Glied ist breiter als
das mittlere, fast so breit als lang und trägt an der inneren
Spitze einen kleinen Dorn; das letzte Glied ist gegen Ende
verschmälert, am Außenrande mit einigen Borsten, an der
Spitze mit einer kräftigen, sichelförmig gekrümmten Kralle
bewehrt, an deren Basis ein kleiner Dorn sitzt. Das Basalglied
des äußeren Astes ist so lang als das erste Glied des inneren
Astes, gegen das Ende allmählich verbreitert, die Ränder
behaart, am distalen äußeren Ende mit einer kräftigen, langen,
dornartigen Borste versehen; das zweite Glied ist weit länger
als das erste, die Ränder gleichfalls behaart, am Außenrande
aber sitzt nahe zur Spitze und auf dieser je ein Dorn, wogegen
am distalen Ende drei verschieden lange Borsten sitzen (Taf. I,
Fig. 21). An den übrigen Füßen ist der innere Ast kürzer als
der äußere, d. i. nur so lang als die zwei ersten Glieder des
äußeren Astes zusammen.
Am dritten männlichen Fuße sind beide Äste dreigliedrig.
Das erste Glied des äußeren Astes ist gegen das distale Ende
verbreitert, am Außenrande fein behaart und auch an der
Innenseite zeigen sich im Bogen angeordnete, feine Härchen,
wogegen am äußeren Ende ein kräftiger Dorn sitzt (Taf. I,
Fig. 24). Das zweite Glied ist fast überall gleich breit, der
Außenrand fein behaart, das äußere Ende mit einem Dorn, das
innere mit einer Borste versehen. Das dritte Glied ist dünner
als die übrigen, am Außenrande mit drei kräftigen Dornen
bewehrt, wogegen der Innenrand in der Mitte eine Borste, am
distalen Ende aber zwei kräftige, lange Borsten trägt. Der
innere Ast ist bloß so lang als die zwei proximalen Glieder des
äußeren Astes zusammen, das erste Glied länger als die beiden
ICO E. v. Daday,
anderen, überall gleich breit, weder mit Borsten noch mit
Domen versehen; am äußeren und inneren Ende des zweiten
Gliedes sitzt je eine Borste; am Innenrand und distalen Ende
des dritten Gliedes erheben sich je zwei Borsten (Taf. I,
Fig. 24).
Das fünfte weibliche Fußpaar ist gut entwickelt (Taf. I,
Fig. 22); das Protopodit mit dem Endopodit verwachsen, das
äußere Ende fingerförmig stark verlängert und an der Spitze
mit einer Borste bewehrt; das Exopodit sitzt auf einer hals-
artigen Erhöhung des Protopodits, ist annähernd blattförmig,
die Oberseite nahe zur Spitze mit feinen Härchen versehen,
wogegen an der Spitze sich ein kürzerer, schwächerer und
zwei kräftigere Dornen erheben; das Endopodit trägt am Innen-
rand eine Reihe feiner Haare, welche mit einer größeren Borste
endigt, das distale Ende ist in zwei Hügel gegliedert, auf
deren Gipfel je eine Fiederborste emporragt; an der Basis des
äußeren Hügels stehen kleine Härchen in einer Bogenreihe.
Das männliche fünfte Fußpaar hat eine sehr eigentüm-
liche und charakteristische Form (Taf. I, Fig. 23), indem das-
selbe aus einem mit dem Cuticularrande des Segmentes in
unmittelbarer und selbständiger Berührung stehenden, finger-
förmigen und einem annähernd herzförmigen Anhang besteht;
das Protopodit scheint zu fehlen. Von den beiden Anhängen
liegt der fingerförmige gegen außen, trägt an der Spitze eine
lange Borste und ist seiner Lage nach als Exopodit zu
betrachten. Der herzförmige Fortsatz liegt nach innen, ist am
distalen Ende mit zwei kräftigen Fiederborsten, am Innenrande
nahe zur Spitze mit einem kleinen Dorn versehen und scheint
dem Endopodit zu entsprechen. Am zweiten Endominal-
segment ragen gegen das fünfte Fußpaar zwei Borsten empor,
welche gewissermaßen das sechste Fußpaar andeuten.
Hier ist zu bemerken, daß ich es nicht für ausgeschlossen
halte, daß am fünften männlichen Fußpaar derjenige Teil,
welcher als äußerer Ast betrachtet werden kann, dem letzten
Rudimente des Protopodits entsprechen dürfte, und in diesem
Falle würde der als Endopodit erscheinende Teil das Exo-
podit repräsentieren, während das eigentliche Endopodit im
Verlaufe der Entwicklung spurlos verschwunden ist. Für die
Mikroskopische Süöwassertiere aus Kleinasien. 161
Wahrscheinlichkeit dieser Annahme scheint der fünfte männ-
liche Fuß von W. Lilljeborg's Canthocamptus gracilis zu
sprechen, an welchem das Endopodit fehlt (vergl. Lilljeborg,
Synopsis specierum hucusque in aquis dulcibus Sueciae observ.
Famil. Harpactidarum, Tab. II, Fig. 13).
Das Weibchen trägt die Eier in zwei Säckchen; dieselben
sind gestreckt schlauchförmig, liegen parallel der Längsachse
des Körpers und enthalten nur wenig (6 bis 8) Eier. Das
Spermatophor ist kurz schlauchförmig.
Die Länge des Weibchens beträgt ohne die Furcalborste
0-63 bis 0-65 mm, mit der Furcalborste 0*90 bis 0*95 mm;
die Furcalborste ist 0*3 ptm, die Furcallamellen sind 0*05 mm
lang; die größte Breite des Rumpfes beträgt 0*2 bis 0*22 mm.
Die Länge des Männchens beträgt ohne die Furcalborste
0-53 mm, mit der Furcalborste 0*7 mm\ die der Furcallamellen
0'04mm; die größte Breite des Rumpfes beträgt 0*15 mm.
Fundort: Isnik-Göl, Grundprobe, einige Männchen und
Weibchen.
35. Argulus foliaceus L.
Fundort: Albullonia-Göl, Mitte, ein einziges Exemplar.
Aus Kleinasien bisher unbekannt
36. Alona rectangula G. O. Sars.
Fundort: Isnik-Göl, Grundprobe, einige eiertragende
Weibchen. Aus Kleinasien bisher noch nicht verzeichnet.
37. Leydigia Leydigi (Schödt).
Fundort: Isnik-Göl, Grundprobe, nicht häufig; ein maze-
riertes Exemplar und einige leere Schalen. Aus Kleinasien jetzt
zuerst verzeichnet.
38. Bosmina longirostris (O. Fr. Müll.).
Fundort: Isnik-Göl, Mitte, Oberfläche, vereinzelt und nur
Bruchstücke; Ufer, Oberfläche, Vorkommen ebenso; Grund-
probe, zahlreiche komplette Exemplare. J. Richard verzeichnete
diese Art aus dem Ho ms -See.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXII. Bd., Abt. I. 1 1
162 E.v. Daday,
39. Moina brachiata (0. Fr. Müll).
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
vereinzelt; Mitte und Oberfläche, zahlreich. Diese Art wurde
von Th. Barrois schon früher an zwei Lokalitäten gesammelt
und zwar bei Birket-Hadar und Ain-Katab.
40. Diaphanosoma brachyurum (Liev.).
Fundort: Albullonia-Göl, Ufer gegenüber Albullonia,
Mitte und Oberfläche, massenhaft; Isnik-Göl, Ufer, Oberfläche,
vereinzelt, Grundprobe, zahlreicher. Diese Art scheint in Klein-
asien gemein und sehr verbreitet zu sein, denn auch Th. Barrois
hat sie an einigen Fundorten und zwar aus dem Homs-,
Tiberias- und Houleh-See gesammelt.
41. Darwinula Stewensonii Brad. Rob.
Fundort: Isnik-Göl, Grundprobe, einige leere und gelb-
braun gefärbte Schalen. Aus Kleinasien bisher nicht bekannt.
42. Limnicythere dubiosa n. sp.
Taf. I, Fig. 25 bis 27; Textfig. 2.
Die Schalen des Männchens sind, von der Seite gesehen,
gestreckt nierenförmig (Taf. I, Fig. 25), vorn spitziger ab-
gerundet und verschmälert als hinten. Der vordere Schalenrand
ist am vorderen Teile, beziehungsweise am Berührungspunkte
mit dem Rückenrand etwas abschüssig, am unteren Teile
dagegen scharf abgerundet, in der ganzen Länge mit kurzen
steifen Borsten bedeckt. Der Rückenrand ist im ganzen
Verlaufe fast ganz gerade und erscheint bloß oberhalb der
Augen etwas erhaben. Der Hinterrand der Schale ist stumpf
und nahezu gleichmäßig abgerundet, höher als der Vorderrand,
am Berührungspunkte mit dem Rückenrande wenig abschüssig,
in der ganzen Länge mit kurzen Borsten bedeckt, unter welchen
sich, ebenso wie am Vorderrande, auch lange feine Randborsten
erheben. Der Bauchrand der Schale ist vor der Mitte breit und
stumpf gebuchtet, so zwar, daß die Bucht den Bauchrand in
eine vordere kleinere und in eine hintere größere Partie
Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. 163
abteilt, welch letztere abwärts laufend schwach bogig ist,
demzufolge die Schalen hier am höchsten sind.
Von oben gesehen sind die Schalen annähernd kahnförmig,
vorn spitz, hinten dagegen etwas stumpf abgerundet, vor der
Mitte seichter oder stärker vertieft und ist demzufolge der
Rand beiderseits hügelartig vorspringend (Taf. I, Fig. 26, 27).
Die linke Schale erscheint hinten etwas länger als die rechte.
Die Schalenwandung zeigt unregelmäßige vieleckige
Felderchen, welche fein granuliert erscheinen.
Fig. 2.
Von den Füßen ist das dritte Paar weit länger und kräftiger
als die übrigen; besonders auffallend lang ist die Endkralle,
welche die Länge des ganzen Fußes überragt und dabei sehr
dünn ist.
Sehr auffallend und zugleich äußerst charakteristisch ist
das männliche Kopulationsorgan, welches in Textfig. 2 von der
Seite dargestellt ist. Außer der verwickelten Struktur ist auch
die Größe desselben auffallend, insofern es in der Schalen-
höhlung nicht Platz genug findet, sondern mit einem Teile frei
aus den Schalen ragt.
n*
164 E. v. Daday,
Die weiblichen Schalen gleichen den soeben beschriebenen
männlichen Schalen in hohem Grade, sind indessen weit kleiner
und ihr Vorder- und Hinterrand ist fast gleich hoch, der Vorder-
rand jedoch etwas schärfer abgerundet
Die Länge der weiblichen Schalen beträgt 0-58 mm, ihre
größte Höhe 0-3 mm, die größte Breite 0'18mw. Die Länge
der männlichen Schalen beträgt 0'65ww, ihre größte Höhe
0 • 3 mm, die größte Breite 0 • 25 mm.
Fundort: Isnik-Göl, Grundprobe, einige leere und einige
das Chitingerüst des Tierchens enthaltende Schalen.
43. Limnicythere inopinata (Baird).
Fundort: Albullonia-Göl, Grundprobe, mehrere leere
Schalen; Isnik-Göl, Grundprobe, ziemlich häufig; ich f^nd
indessen bloß leere Schalen. Aus Kleinasien bisher nicht bekannt.
Vergleicht man nunmehr die oben verzeichneten Daten
miteinander, so wird man unter den aufgezählten Arten
zunächst solche finden, welche aus Kleinasien schon früher
bekannt waren, sodann aber solche, welche erst zufolge der
Sammlung von F. Werner aus Kleinasien bekannt geworden
sind. Aus diesem Gesichtspunkte zerfallen die von F. Werner
gesammelten und hier verzeichneten Arten in folgender Weise:
a) Aus Kleinasien schon früher bekannte Arten.
Rotifer sp.
Adactyla verrucosa Barr. Dad.
Mastigocerca bicornis Ehrb.
Notops macrourus Barr. Dad.
5. Anuraea cochlearis Ehrb.
Brachionus rubens Ehrb.
Pedalion mirum Huds.
Triarthra longiseta Ehrb.
Polyarthra platyptera Ehrb.
10. Bosmifta longirostris (0. Fr. M.).
Moina brachiata (O. Fr. M.).
Diaphanosoma brachyttrum (Liev.).
Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. 165
b) Aus Kleinasien bisher nicht bekannte Arten.
Aredia vulgaris Ehrb.
Difflugia acutninata Ehrb.
» constrieta Ehrb.
> pyriformis Perty.
5. Centropysis aculeata (Ehrb.).
Euglena deses Ehrb.
> viridis Ehrb.
Peridinium quadridens Stein.
Ctraüum macroceros Schrank.
10. Tintinnopsis ovalis Dad.
Vorticella nebulifera 0. F. M.
Cothurniopsis imberbis (Ehrb.).
Trilobus gracilis Bast.
Asplancha Brigthtvelli Gosse.
15. Mastigocerca elongata Gosse.
> heterostyla n. sp.
Anuraea testttdo Ehrb.
Brachionus angularis Gosse.
» budapestinensis Dad.
20. » forficula Wierz.
» rubens var. Werneri n. v.
Schizocerca diversicornis Dad.
Cyclops languidus Sars G. O.
» oithonoides Sars G. O.
25. Canthocamptus sp.?
Onychocamptus keteropus n. gen. n. sp.
Argulus foliaceus L.
-d/ewa reetangula Sars G. O.
Leydigia Leydigi (Schödt).
30. Dartvinula Stetvcnsoni Brad. Rob.
Limnicythere dubiosa n. sp.
> inopinata (Baird).
Laut den Daten dieser beiden Gruppen sind unter den
von F. Werner gesammelten Arten wenig mehr als ein Viertel
solche, welche aus Kleinasien schon früher bekannt waren,
166 E. v. Daday,
wogegen nahezu drei Viertel derselben erst auf Grund der
Sammlungen von F. Werner bekannt geworden sind.
Überblicken wir schließlich die verzeichneten Arten aus
allgemein zoogeographischem Gesichtspunkte, so zeigt es
sich, daß der größte Teil derselben kosmopolitisch, d. i. bereits
aus mehreren zoogeographischen Regionen bekannt ist, ein
kleiner Teil aber bisher entweder bloß aus Kleinasien oder
außer Kleinasien nur aus Europa verzeichnet wurde. Den beiden
letzteren Gruppen gehören nachstehende Arten an:
a) Bisher bloß aus Kleinasien bekannte Arten.
Adactyla verrucosa Barr. Dad.
Notops macrourus Barr. Dad.
Mastigocerca hcterostyla n. sp.
Brachionus rubens var. Werneri n. var.
5. Canthocamptus sp.?
Onychocamptus heteropus n. gen. n. sp.
Limnicythere dubiosa n. sp.
b) Außerhalb Kleinasiens, bloß aus Europa bekannte
Arten.
Peridinium quadridens Stein.
Tintinnopsis ovalis Dad.
Argulus foliaceus L.
Brachionus forßcula Wierz.
5. Schizocerca diversicomis Dad.
Dartvinula Stetvensoni Brad. Rob.
Limnicythere inopinata (Baird).
Aus dieser Zusammenstellung geht somit hervor, daß der
sechste Teil der von F. Werner gesammelten 43 Arten bisher
bloß aus Kleinasien, der andere Sechstelteil außerdem nur
aus Europa bekannt ist, während die übrigen vier Sechstelteile
aus Kosmopoliten bestehen.
Mikroskopische Süßwassertiere aus Kleinasien. 167
Erklärung der Abbildungen.
Tafel I.
Fig. 1. Ccralium macroccros Schrank. Reich. Oc. 5, Obj. 5.
Fig. 2. Tiniinnopsis ovalis Dad. Reich. Oc. 3, Obj. 7.
Fig. 3. Cothumiopsis imbcrbis (Ehrb.). Reich. Oc. 3, Obj. 9.
Fig. 4. Mastigocerca heterostyla n. sp. Reich. Oc. 3, Obj. 7.
Fig. 5. Notops macrourus Barr.-Dad. Taster. Reich. Oc. 3, Obj. 5.
Fig. 6. > » » » Fußende. Reich. Oc. 3, Obj. 7.
Fig. 7. » > » > von oben. Reich. Oc. 3, Obj. 5.
Fig. 8. Brachionus forficula Wierz. Schale von oben. Reich. Oc. 3, Obj. 4.
Fig. 9. Brachionus budapcstinensis Dad. Schale von oben. Reich. Oc. 3, Obj. 5.
Fig. 10. Brachionus forficula Wierz. Schale von oben. Reich. Oc. 3, Obj. 4.
Fig. 11. » > von oben. Reich. Oc. 3f Obj. 7.
Fig. 12. Brachionus rubens var. Werneri n. v. Von oben. Reich. Oc. 5, Obj. 4.
Fig. 13 bis 16. Schizocerca divcrsicornis Dad. Hinterende der Schale. Reich.
Oc. 3, Obj. 5.
Fig. 17. Canthocamptus sp. Cuticulargerüst der weiblichen Geschlechtsöffnung.
Reich. Oc. 3, Obj. 7.
Fig. 18. Onychocamptus heteropus n. gen. n. sp. 9 » von oben. Reich. Oc. 5,
Obj. 3.
Fig. 19. » »9» erste Antenne. Reich. Oc. 5, Obj. 5.
Fig. 20. » » (j\ erste Antenne. Reich. Oc. 5, Obj. 7.
Fig. 21. » » $, erster Fuß. Reich. Oc. 5, Obj. 7.
Fig. 22. » »9, fünfter Fuß. Reich. Oc. 5, Obj. 7.
Fig. 23. » » cf » fünfter Fuß. Reich. Oc. 5, Obj. 7.
Fig. 24. » cf » dritter Fuß- Reich- 0c- 5» 0bJ- 7-
Fig. 25. Limnicythcrc dubiosa n. sp. tf, Schale von der Seite. Reich. Oc. 5,
Obj. 3.
Fig. 26. » » tf , Schale von oben. Reich. Oc. 5, Obj. 3.
Fig. 27. » > 9 » Schale von oben. Reich. Oc. 5, Obj. 3.
169
Der Monzoni und seine Gesteine
(II. Teil)
von
C. Doelter.
(Mit 2 Tafeln, 1 Kartenskizze und 1 Textfigur.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 8. Jänner 1903.)
Der erste Teil dieser Untersuchung beschäftigte sich mit
den Gesteinen des Monzoni, in dem vorliegenden zweiten
Teile sollen die topographischen Verhältnisse desselben, dann
die Zusammensetzung der einzelnen Gebirgsteile, ferner das
gegenseitige Verhältnis, das Alter der Gesteine und die Genesis
des Monzoni behandelt werden.
Eine eingehende Würdigung der Arbeiten der Vorgänger
habe ich unterlassen, teils weil ich mich hierin der von v. Moj-
sisovics1 geäußerten Ansicht, dieselben seien unnützer
Ballast, der nur dazu diene, die eigenen Verdienste hervor-
zuheben, anschließe, teils weil ohnedies in älteren und neueren
Arbeiten die Literatur sattsam behandelt wurde.
Der Monzoni erhebt sich zwischen Val Pellegrin und
Val Pozza, sein Steilabhang ist gegen N, während er im
allgemeinen gegen S sanfter abfallt. Die höchsten Erhebun-
gen sind Ricoletta,* Rizzoni und Mal Inverno. Längere, tief
eingeschnittene Schluchten, sogenannte Toals, sind am Süd-
abhange zu beobachten. Die wichtigsten sind von E nach W
aufgezählt: Val Allochet, Toal Rizzoni, Toal del Mason, das
kurze Toal della Foja und Val Pesmeda oder Pizmeda.
J v. Mojsisovics, Dolomitriffe von Südtirol. Wien, 1881. Vorrede.
2 Vcrgl. bezüglich dieser Namen meinen Aufsatz. Tsch. Min. Mitt,
XXI, Heft 1.
170 C. Doeiter,
Am Nordabhang stürzen von allen Seiten steile Schrunden
gegen den Zirkus des Piano Monzoni. Im E vereinigen sich
die zwei Ketten Allochet-Le Seile und die nördliche Kette des
Camorzaio-Costa bella zu dem hochgelegenen Zirkus von
Le Seile. Ein Paß, 2531 m hoch, führt von S. Pellegrin und
der Campagnazza-Ebene westwärts zum Piano.
Bezüglich der topographischen Verhältnisse verweise ich
auf meine erste Arbeit (1875) sowie auf den geologischen
Führer (1903).
Ich habe seinerzeit ausgeführt, daß der Name Monzoni
sich nur auf eine unbedeutende Spitze am Ausgange des
Monzonitales sowie auf die Monzonialpe bezieht, aber später
in der geologischen Literatur auf das südlich gelegene Gebirge
übertragen wurde. Im S wird dieses von dem Val Pellegrino
begrenzt, im W durch das Kalkgebirge der Valaccia, im
E durch das Plateau von Campagnazza, im N durch den
Kalkzug Costa bella, Col di Lares und durch den Piano
di Monzoni. Der Kamm des Gebirges geht in der Richtung
EW, die wichtigsten Spitzen sind Pa. Allochet1 (an welche
sich der Paß Allochet anschließt), hierauf kommt die auf allen
Seiten fast senkrecht abfallende Rizzonispitze, aufweiche die
Ricolettaspitze, die höchste des Gebirges, folgt; durch eine
tiefe Schlucht, die Ricolettascharte, getrennt, liegt im W
der Mal Inverno, an welchen sich eine Einsenkung, die
Palla verde, schließt, hierauf kommen wir zu dem westlichen
Teile: der Costella, welcher sich an die Kalkspitze der
Valaccia anreiht.
Charakteristisch für den Monzoni ist das Vorkommen
von Kesseltälern mit steilen Wänden, die zirkusartig aus-
gebildet sind.
So schließt sich an das östlich von P. Allochet gegen den
Le Seile-Paß von SW gegen NE gerichtete Kalkgebirge, das
parallel mit dem Hauptkamm verlaufende, an, welches im E von
der Fucchiada, die Cima Costa bella, dann den Camorzaio
* Die eigentliche P. Allochet der Karte Hegt östlich vom Paß, doch geben
manche diesen Namen auch der westlichen Spitze; es herrscht hier wie im
ganzen Fassatal große Verwirrung bezüglich der Bergnamen.
Der Monzoni und seine Gesteine. 171
und den Col di Lares bildet und dann gegen N umbiegt.
Hier liegt zwischen dem Zuge Allochet-Le Seile-Paß und
dem, Costa bella-Col di Lares (Larice) der zirka 2400 m hoch
gelegene Zirkus von Le Seile; gegen den Piano zu sind
von da an mehrere terrassenförmige Hochplateaus zu beob-
achten, so jenes, welches den kleinen Le Seile-See bildet, und
ein zweites unbedeutendes. Südlich von dem aus dem See
entspringenden Bach, der von E nach W fließt, erheben
sich gegen den Hauptkamm mehrere Terrassen, untereinander
durch steile Abhänge getrennt. Im W fällt der schmale
Kamm steil ab und bildet gewaltige Schutthalden. An dem
mittleren Teil zwischen der Ricolettaschlucht und der Rizzoni-
spitze ist der Monzonistock viel breiter, zuerst fällt auch hier
das Gebirge sehr steil gegen N ab, zwischen diesem Steil-
abfall und dem Monzonital, respektive dem Le Seile-Bach
findet sich ein von vielen tief eingeschnittenen Schluchten
zerrissenes Vorland; alle diese Schluchten1 konvergieren
ebenso wie die aus dem W kommenden und an ihrem End-
punkte liegt ein fast ebenes, zirkusartig umschlossenes Hoch-
plateau von mächtigen Geröllmassen bedeckt, der Piano
di Monzoni, welcher die verschiedensten Gesteinsvarietäten
aus allen Gegenden des Monzoni zeigt; der fast ebene Tal-
boden ist gegen N sanft geneigt.
Im S ist das Gehänge etwas weniger steil als gegen
N. Nur die Rizzoni- und Ricolettaspitze zeigen zuerst 200 m
hohe, fast senkrechte Abhänge, welche aber weiter südwärts
sanfter verlaufen. Im westlichen Teil haben wir überhaupt auf
der Südseite sanftere Abhänge.
Eine Anzahl Gräben verläuft von N nach S, zuerst
das Val d'Allochet, welches südlich der Punta Allochet beginnt
und im weiteren Verlauf ein breites Tal bildet, welches den
Monzoni von dem Col Lifon und der Campagnazza trennt.
Es folgen dann einige tiefer eingeschnittene, steile Schluchten
1 Diese Schluchten haben keine Namen, werden aber von den Mineral-
suchern nach den wichtigsten Mineralfundstätten genannt. Eine der längsten
ist das nach dem Traversellit genannte Tal, das westlichste ist das Fassait-
tal, dazwischen liegt das Chabasittal.
172 C. Doelter,
und wir kommen dann in ein längeres Tal, welches aus zwei
Runsen gebildet ist, von welchen die eine vom Mal Inverno, die
andere von der Ricolettaschlucht zieht; nach ihrer Vereinigung
bilden sie eine tiefe Schlucht, das Toal dei Rizzoni, wie es seit
langer Zeit genannt wird (obgleich manche Bewohner es Toal
Mal Inverno nennen), hierauf folgt das breitere Toal del Mason
und dann das kurze Tal Toal della Foja (Foglia). Im W
wird der Monzoni begrenzt von dem Val Pesmeda (auch Piz-
meda genannt), dasselbe endigt nach oben (N) in einen breiten
Zirkus mit flachem Boden, welcher Cadin brut genannt wird,
ein westliches Seitental ist Cadin bei. Der schmale Grat
zwischen dem Kessel von Cadin brut und Toal del Mason führt
den Namen Palle rabbiose, die Fortsetzung desselben gegen
S wird Pizmedakamm genannt, doch führt auch der nicht
mehr in unser Gebiet gehörige Kalkberg jenseits westlich des
Pizmedatales denselben Namen.
Der Palle rabbiose reicht bis zum Mal Inverno, er fällt dort
sehr steil gegen Cadin brut; auch der Südabhang zwischen
Mal Inverno und Valaccia ist ein sehr steiler, während der
östlichere Teil des Südabhanges im allgemeinen sanfter ist.
Am Südende des Palle rabbiose erhebt sich, 2484 m hoch,
ein kleiner Kopf, von wo aus der Grat sich gabelt; nach SW
zieht der Pizmedakamm, der mit einer kleinen Erhebung,
1966 m hoch, endigt, gegen SE erhebt sich ein breiterer
Kamm, der im E nicht zu schroff gegen Toal del Mason
fällt. Zwischen den genannten Gebirgskämmen liegt das kurze,
von N nach S gerichtete Toal della Foja. Der Kamm zwischen
Pizmedatal und diesem ist seit alters her durch seine Kontakt-
mineralien bekannt.
Die wichtigsten Höhen sind in Metern:
Punta Valaccia 2641
Cima di Mal Inverno 2632
Ricolettascharte 2481
Ricolettaspitze . 2644
Rizzonispitze 2624
P. d'Allochet 2608
Le Seile-Paß 2531
Cima di Costa bella 2701
Der Monzoni und seine Gesteine. 173
Piano di Monzoni zirka 1900
Cadin brut (Boden) > 24 11
Palla verde-Paß 2530
Südende des Palle rabbiose 2484
Die Zahl der sonstigen Höhenmessungen ist leider keine
große, was bei der Orientierung sehr mißlich ist. Man kann
allerdings durch eigene barometrische Bestimmungen dies
verbessern, aber solche Messungen mit unvollkommenen
Instrumenten und ohne Kontrollstation sind sehr mangelhaft,
namentlich bei Höhen über 2000 m. Ich habe mit einem Visier-
instrument, welches ein Mechaniker in Graz nach Angaben
von Frischauf hergestellt, von bekannten Punkten ausgehend
approximative Messungen durchgeführt, aber sie können auch
keinen hohen Grad von Genauigkeit beanspruchen.
Die durchbrochenen Schichten des Monzoni.
Wir haben im ersten Teil gesehen, welcher Natur die
durchbrechenden Gesteine waren. Viel weniger interessant sind
die durchbrochenen Gesteine und einige Worte werden zu ihrer
Charakterisierung genügen. Im S wird der Monzonit durch
Quarzporphyr von grüner und roter Farbe begrenzt, letzterer
tritt namentlich zwischen Toal Rizzoni und Allochet auf,
im E liegen über dem Quarzporphyr die Grödner Sandsteine,
im Westen Quarzite und Tuffe.
Ein sehr merkwürdiges Gestein ist im unteren Allochet-
tal unter dem grünen, oft ausgeblaßten Quarzporphyr zu
finden, es zieht sich in nicht unbeträchtlicher Ausdehnung
gegen W an dem Gehänge ins Pellegrintal. Das Gestein
ist kein Quarzporphyrit, mit welchem es äußerlich viel Ähn-
lichkeit hat, da es keinen Quarz enthält. Solche Quarzpor-
phyrite kommen im Pellegrintal vor.1 Die Farbe des fraglichen
Gesteines ist eine graugrüne, es ist dicht, oft sogar felsitisch
und besteht hauptsächlich aus Feldspat; große Plagioklase
sieht man öfters darin.
1 G. Tschermak, Porphyrgesteine Österreichs. Wien, 1869.
174 C. Doelter,
Eine Analyse, welche Herr Dr. Ippen unternahm, ergab
einen Si02-Gehalt von fast 60%. Es gehört das Gestein daher
nicht zu der Quarzporphyrgruppe, aber auch nicht zu den
eigentlichen Plagioklasporphyriten, mit denen es im Schliff
einige Ähnlichkeit hat. Auch über das Alter dieses Gesteines
fehlt jeder Anhaltspunkt, wahrscheinlich ist es, daß es mit der
Monzoniteruption nichts zu tun hat Eine nähere Unter-
suchung dieses Gesteines wird Herr Dr. Ippen ausführen, ich
nenne es vorläufig »dioritischen Porphyr«.
An der Ost- wie an der Westgrenze des Monzonit-
massivs treten die unteren Triasschichten auf: Werfener,
Wengener Schichten, Buchensteiner Kalke.
Die Stellung und das Alter der eingeschlossenen Kalke
läßt sich schwer bestimmen, es ist wahrscheinlich, daß die
Kalkscholle am Toal del Mason wohl nicht einer Etage ange-
hören kann, sondern aus der Serie der unteren Trias- und
Permschichten zusammengesetzt ist. Es kommen auch Quar-
zite vor.
Am Nordabhang unter der Ricoletta findet man bei etwa
2250 m eine kleine, merkwürdigerweise fast ganz wenig ver-
änderte Kalkscholle, deren Gestein rötlich ist, was auf Werfener
Schichten hindeuten würde.
In der Ebene von Campagnazza, welche aus permischen
und unteren Triasschichten aufgebaut ist, findet man auch
porphyritische Gänge. Im N und O des Monzonitmassivs
haben wir die Serie der Triasschichten.
Der Zug Fucchiada-Costa bella ist von vielen Melaphyr-
gängen durchzogen.
Das Auftreten der Eruptivgesteine.
Das Auftreten der Gesteine ist entweder ein stock- oder
gangförmiges. Das ganze Eruptivgebiet des Monzoni ist ein
Paralleltrapez, welches jedoch durch etwas gekrümmte Linien
begrenzt wird. Die Längsachse erstreckt sich von WSW nach
ENE. Dies ist die Richtung der Eruptivspalte. Innerhalb des
Massivs treten zahlreiche Gänge auf; nicht nur die eigentlichen
Ganggesteine, auch die gangförmig auftretenden Tiefen-
gesteine treten zumeist in zwei Richtungen auf, von denen die
Der Monzoni und seine Gesteine. 175
eine der ohen erwähnten Achse parallel, die andere senkrecht
steht, mit kleineren Abweichungen.
Schon 1875 hatte ich das so häufige Auftreten der Mon-
zonite, Pyroxenite in Gängen erkannt, es ist seitdem zum
Beispiel von Huber das gangförmige Vorkommen geleugnet
worden, es ist aber an vielen Punkten deutlich zu sehen,
insbesondere im Ricolettagebiet; allerdings sind es zum Teil
Differentiationsgänge, welche ein mehr schollenförmiges Aus-
sehen haben, aber man hat immer scharfe Grenzen zwischen
den einzelnen Gesteinen; die Gänge entsenden oft kleine Apo-
physen m das Nebengestein. Stockförmige Massen scheint
der Monzonit der Westseite zu bilden und auch wohl teilweise
der Gabbro im E des Eruptivgebietes.
Der Labradorfels wie der Anorthosit kommen nur in
kleinen Partien im Gabbro vor, Hauptgebiet ist das Traversel-
littal und das davon westlich gelegene, der Nordostabhang
des Mal Inverno, aber auch am Kamm der Ricoletta kommt
er vor. Augitdiorit kommt wie Pyroxenit in Gangmassen,
teilweise in Schollen vor, wobei auch vielfach scharfe Grenzen
beobachtet werden. Größere gangartige Apophysen entsendet
an einzelnen Stellen der Pyroxenit, der in großen Gangmassen
vorkommt, die oft sehr bedeutend sind. Die wichtigsten Gänge
sind am Allochet S gegen Col Lifon, im Toal dei Rizzoni,
nordöstlich vom Mal Inverno, unter der Ricolettaschlucht, im
Chabasittal und im Traversellittal, auch in dem Massiv zwi-
schen beiden. Der Gabbro und Olivingabbro bilden Gänge und
größere stockförmige Massive, ihr Hauptverbreitungsgebiet ist
südlich von Le Seile gegen Rizzoni, dann das Traversellittal,
der Nord- und Südabhang der Ricoletta. Die Diorite und Gabbro-
diorite sind hauptsächlich im" W der Ricoletta gegen Mal Inverno
verbreitet.
Sowohl der Gabbro wie der Monzonit scheinen bereits
in größeren Tiefen sich getrennt und dann im Eruptivstock
sich weiter gesondert zu haben (siehe darüber Genesis des
Monzoni). Innerhalb des Monzonimassivs treten dann noch
schmale Gänge auf, welche außerhalb desselben nicht vor-
kommen, es sind die sauren leukokraten granitischen und
syenitischen Gesteine sowie die camptonitischen und mela-
176 C. Doelter.
phyrähnlichen. Vor allem sei konstatiert, daß ein Zusammen-
vorkommen dieser Gesteine, nämlich saurer und basischer,
nicht vorkommt und daß keine diaschisten Gänge zu sehen
sind, während bei Predazzo Liebenerit-undCamptonit-,respektive
Melaphyrgänge zusammen vorkommen. Im Gegenteil, es
treten zum Beispiel am Palle rabbiose die basischen Gänge
mehr nördlich auf, die sauren im südlichen Teile. Auch am
Allochet und Rizzoni sind beide getrennt, ebenso am Mal
Inverno, nur einschlußartig treten basische Gesteine in sauren
auf (respektive als basische Ausscheidungen).
Die Richtung der Gänge ist vorherrschend den beiden
vordem angegebenen Linien parallel, aber da die in schmalen
Gängen auftretenden Gesteine Spaltenausfüllungen sind, so
sieht man sowohl in der Mächtigkeit als auch im Streichen
und Fallen an einem nud demselben Gange bedeutende Unter-
schiede.
Was nun die Verteilung der Tiefengesteine innerhalb des
Gangstockes anbelangt, so ist dieselbe keine regelmäßige,
im W herrscht unbedingt der Monzonit vor, der auch im
E vereinzelt auftritt, die basischen Gesteine sind mehr im
E und namentlich im Zentrum an der Ricoletta verbreitet.
Mehr Symmetrie in der Verteilung herrscht zwischen Nord-
und Südabhang als zwischen Ost- und Westhälfte. Die basi-
schen Gesteine bilden aber kein zusammenhängendes Massiv,
sie werden durch kleinere und größere Massen von Monzonit
unterbrochen.
Die Melaphyrformation.
Westlich vom Monzonitmassiv erhebt sich aus den Kalken
unter der Valaccia eine große Melaphyrgangmasse. Auch am
Col di Lares im N des Monzonis von Le Seile haben
wir ein größeres Melaphyrmassiv, ebenso am Camorzaio;
außerdem treten bekanntlich eine Unmasse von kleinen Gängen
allenthalben in der Umgebung des Monzoni in den Triaskalken
auf. Hängen nun diese Gesteine mit der Eruption des Mon-
zonits zusammen oder sind sie unabhängig von derselben?
Bekanntlich setzen die Melaphyre im N fort und ihr ver-
breitestes Gebiet ist die Gegend zwischen Pozzatal und
oberstem Fassa.
Der Monzoni und seine Gesteine. 177
Ehe wir diese Frage entscheiden, wäre noch eine weitere
aufzuwerfen. Sind die zahlreichen kleinen Gänge im Zusam-
menhange mit den größeren Gang- und Strommassen? Die
beiden Fragen sind heute schwer zu beantworten, da noch nicht
genug Studien namentlich bezüglich der nördlicheren Mela-
phyre vorliegen und auch keine chemischen Untersuchungen
der verschiedenen Gruppen ausgeführt wurden.
Was nun die erste Frage anbelangt, so ist zu konstatieren,
daß die Gesteine des Pizmedatales petrographisch von ande-
sitischem Habitus sind, sie stimmen aber mit jenen des Mulatto,
welche ebenfalls teilweise andesitischen Typus haben, nicht
überein, letztere scheinen diesen vielleicht durch Kontakt-
umwandlung erhalten zu haben.
Die kleinen Ganggesteine von Le Seile haben mit den Piz-
medagesteinen keine große Ähnlichkeit, denn erstere sind teils
echte Melaphyre, häufiger aber noch Plagioklasporphyrite, die
aber keinen andesitischen Habitus besitzen; es könnten also
beide voneinander unabhängig sein, wenn man nur die petro-
graphische Ähnlichkeit berücksichtigt; bei den großen Mela-
phyrgängen von Pizmeda, Col di Lares, Camorzaio ist jedoch
eine gewisse petrographische Ähnlichkeit vorhanden.
Es ist indessen doch zu bemerken, daß in der Richtung
sowohl der kleineren Melaphyr- (Porphyrit-) Gänge als auch
der großen Gangmassive vom Pizmedatal eine gewisse Über-
einstimmung mit der Richtung der Eruptivspalte des Monzoni
herrscht. Die Gänge sind entweder parallel oder senkrecht zu
dieser, es dürfte demnach ein genetischer Zusammenhang
zwischen der Eruption des Monzonits und der Melaphyre
bestehen.
Das Melaphyrmassiv von Pizmeda.
Von großem Interesse ist die Beschaffenheit des Melaphyr-
massivs, wie wir es an dem Wege nach Ronchi oder besser
noch in dem Bette des Baches, welcher westlich davon mündet,
beobachten können. Man sieht deutlich, daß das Gestein in
Lavabänke abgesondert ist, oft schieben sich Tuffe mit Lapüli
ein und wirkliche Blocklaven, bei denen einzelne runde Blöcke
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXII. Bd., Abt. I. 1 2
178 C. Doelter,
herausragen, wie es auf der Photographie sichtbar ist.1 Nirgends
habe ich diese Erscheinung, welche ja im oberen Fassatal,
dann am Col di Lares und auch an einigen Punkten bei Pre-
dazzo in ähnlicher Weise, aber doch mehr im kleinen auftritt,
so beobachten können. Allerdings treten solche breccienartige
Bildungen auch bei Gängen auf, zum Beispiel am Kontakt,
sie sind von Richthofe n dort als Reibungsbreccien bezeichnet
worden. Hier aber sind die Dinge etwas anders, es treten
große runde Blöcke in tuffartigem oder aber auch in dichtem
Gestein auf; offenbar sind es wie bei der Blocklava rasch
erstarrte Ströme, zum Teil größere und kleinere Auswürflinge,
welche von Asche zementiert wurden, es sind aber keine
nachträglich gebildeten, geschichteten Breccien, denn auch
die Bankung, das Einfallen gegen das Pellegrintal unter
sanftem Winkel, die Auswürflinge und Bomben sprechen für
einen Lavaerguß, der von der Valaccia sich in das zwischen
Korallenriffen bestehende Tal ergoß vielleicht auch in ein
vulkanisches Spaltental, eine Art Barranco, ergoß.
M. Ogilvie Gordon will alle von Mojsisovics als
Augitporphyrlaven bezeichneten Ströme für Lagergänge an-
sehen und erklärt die Breccienstruktur für Verwitterungs-
erscheinungen: eine ganz unrichtige Erklärungsweise. (Zu
unterscheiden ist übrigens die breccienartige Struktur in
Gängen, welche nur eine scheinbare ist, da die Bestandteile
der Breccien oft nur wenig voneinander differieren und in den
eigentlichen, eben beschriebenen Blocklaven.)
Es ist allerdings richtig, daß manches Lagergänge sind,
was früher für Lavaströme gehalten wurde, zum Beispiel das
Melaphyr- (Porphyrit-) Massiv unter Pordoi-Joch, wo ich im
Melaphyr einige Meter von der Kalkgrenze (untere Trias-
schichten) einen Kephalopodenrest fand,2 anderseits scheint
es mir unrichtig, die Breccien auch für Gangbildungen zu
halten, und für die lavaähnlichen, Bänke bildenden Melaphyre
des Cornons und andere Punkte in Ober-Fassa kann ich mich
nicht entschließen, sie für Lagergänge zu halten, ich finde
auch nirgends einen Beweis dafür.
i Siehe Tafel II, D.
2 Siehe Anzeiger der kais. Akademie. Sitz, vom 23. Okt. 1902.
Der Monzoni und seine Gesteine. 1 79
Schon Richthofen1 sagt 1859 bei Besprechung der
Melaphyre:
»Durch jene drängen stets Augitporphyrmassen aufwärts,
sie durchsetzten alle vorher gebildeten Schichten in Gängen.
Dort aber, wo der Gang die einstige Oberfläche erreichte,
breitete sich seine feurig flüssige Masse stromartig aus; verfolgt
man sie weiter, so verliert sie mehr und mehr den Charakter
eines massigen Eruptivgesteines, sie wird konglomeratisch,
dickbankig geschichtet und verliert sich in Eruptivtuffen.
Diesen Erscheinungen begegnet man in großer Zahl am Bufaure-
gebirge. So kommt es, daß der ganze reiche Wechsel der
Eruptivtuffe mit ihrem Muttergestein, wie wir ihn bereits mehr-
fach beschrieben, hier in verwirrender Mannigfaltigkeit auftritt.«
Diese Worte lassen sich auch auf die Melaphyrlaven des
Pizmedatales anwenden, es ist ein überraschender Wechsel
von massigem Gestein, Konglomerat oder Tuff zu konstatieren.
Die Ansicht von M. Ogilvie, daß die Breccienstruktur
durch Verwitterung hervorgerufen und daß man es nur mit
intrusiven Lagergängen zu tun habe, scheint mir ganz
unhaltbar; wohl mag die Verwitterung zu der Herausbröcke-
lung der Einschlüsse beitragen, aber u. d. M. erkennt man oft
ganz unverwitterte Gesteine.
In manchen Fällen handelt es sich um Einschlüsse ähn-
licher Gesteine oder um basische Ausscheidungen, dies scheint
namentlich in Gängen der Fall zu sein, denn dort waren die
Einschlüsse zum Teil porphyritähnliche Gesteine, zum kleineren
Teil Melaphyre; am Col di Lares trifft man derartige Ein-
schlüsse und auch am Pordoi, dies kann aber nicht mit jenen
Breccien verwechselt werden, welche ganz den Eindruck
eines rasch erstarrten Lavastromes machen und bei welchen
auch das Gestein durch seine Ähnlichkeit mit andesitischen
Gesteinen auffällt. Hier handelt es sich um blocklavaartige
Gebilde.
Das Melaphyrmassiv, welches wir bei Ronchi treffen,
zieht sich weithin im Pizmedatal aufwärts bis zu einer Höhe
von zirka 1850 m, dann sehen wir aufwärts steigend nur Kalk
1 v. Richthofen, Geognostische Beschreibung v. Predazzo etc., S. 248.
12*
180 C. Doelter,
und erst oben finden wir westlich von Cadin brut wieder Mela-
phyr gegen die Valaccia. Auf der Mojsisovics'schen Karte ist
ein Zusammenhang zwischen dem unteren und oberen Massiv
verzeichnet, welchen ich nicht auffand.
Das Melaphyrmassiv läßt sich von der Kammhöhe östlich
der Valaccia verfolgen, die Gesteine sind teils Melaphyre (mit
Olivin), teils Augit- und Plagioklasporphyre mit andesitischem
Habitus.
Die Mächtigkeit des Massivs beträgt am Kamm mindestens
100 m. Wenn wir von Cadin brut das Pizmedatal herabsteigen,
verqueren wir den Melaphyr, welcher von dem Monzonit
durch eine Kalkzone getrennt ist. Nach Traversierung des
Melaphyrs kommen wir in das Kalkgebirge und erst bei zirka
1900 m Höhe gelangen wir zu dem zweiten unteren Melaphyr-
massiv, welches gewiß mit dem oberen ursprünglich in
Zusammenhang war, der durch Erosion zerstört wurde. Einen
direkten Zusammenhang zwischen oberem und unterem Teile
konnte ich nicht finden, er war aber zweifellos vorhanden.
Die Breite des unteren Teiles ist bedeutend größer als
die des oberen, man hat den Eindruck, als wenn der Melaphyr
am Kamm durchgebrochen und sich nach S stromartig
ergossen h$tte; diesen Eindruck hat man namentlich dort, wo
durch den Bach das Melaphyrmassiv aufgeschlossen ist und
man die durch Blocklava und tuffartige Massive getrennten
festen Gesteine sieht; die Neigung der scheinbaren Ströme
ist gegen S, es beträgt ihr Einfallen zwischen 20 bis 35°. Wenn
aber hier Ströme vorliegen, so müßte das Tal schon zur Zeit
der Eruption existiert oder vielmehr wie ein Barranco durch die
Eruption sich gebildet haben oder das Ganze verworfen sein.
Daß die Melaphyre jünger sind wie die Triaskalke, ist
sicher, es existieren auch Melaphyrgänge im Monte Pizmeda
(westliche Seite des Tales). Eine zweite Hypothese wäre die,
daß der Monte Pizmeda ein Korallenriff war und daß die Lava
sich zwischen zwei Riffe ergoß. Endlich könnte aber auch
das ganze untere Melaphyrmassiv verworfen sein und ursprüng-
lich die Höhe des oberen Pizmedatales (Cadin bei) einge-
nommen haben. Diese EW-Verwerfung müßte in posttriasischer
Zeit stattgefunden haben. Eine solche dürfte vorliegen.
Der Monzoni und seine Gesteine. 181
Die Melaphyrmassive dehnen sich auch westlich weit
gegen die Straße, die nach Someda führt.
Im E wird sie durch Kalkstein und weiter unten durch
Monzonit begrenzt; das kleine Tal, welches in der Richtung
SN von Ronchi führt, bezeichnet ungefähr die Grenze; jenseits
des Pellegrinbaches haben wir ebenfalls Melaphyr, welcher viel-
leicht mit dem oben geschilderten nördlichen im Zusammen-
hange steht; wir sehen es an der Straße Lusia Moena und
oberhalb der Finanzerhütte an der Pellegriner Straße.
Der südliehe Abhang des Monzoni.
Der Pizmedakamm.
Die Grenze zwischen Monzonit und Melaphyr im E
des letzteren ist in dem angegebenen kleinen Graben von
Ronchi aus zu sehen, sie ist aber schlecht aufgeschlossen,
ebenso wie die Kalkmelaphyrgrenze; der unter dem Melaphyr
liegende Quarzporphyr ist an manchen entblößten Stellen zu
beobachten; Schutt, der hoch hinaufzieht, erschwert die Beob-
achtung, aber in den Schluchten ist der Melaphyr gut zu
sehen.
Ein sehr merkwürdiges Gestein fand ich an der Monzonit-
melaphyrgrenze im genannten Graben; es hat äußerlich ganz
den Anschein eines Hornblendeporphyrits, u. d. M. sieht es
aber ganz anders aus. Makroskopisch zeigt es schwarzgraue
Färbung mit vielen winzigen Glimmerblättchen und größeren
schwarzen Hornblendekrystallen. U. d. M. zeigt es einzelne
porphyrartig auftretende Plagioklase, dann größere braune und
grüne Hornblendekrystalle und eine Grundmasse, aus viel hell-
gelbem Glimmer und grüner Hornblende, Plagioklasleisten und
Orthoklas bestehend.
Das Gestein ist eine Art Dioritporphyr, erinnert manchmal
an die kersantitähnlichen Gesteine vom Pizmedakamm, nur
daß es statt Augit Hornblende enthält.
Wenn wir den kleinen Graben, welcher die Melaphyr-
monzonitgrenze bildet, verlassen und aufwärts steigen, kommen
wir gleich zu der Eisenmine, deren Erze wir schon unten
182 C. Doelter,
fanden. Es ist Magneteisen, mit Eisenkies und mit Baryt
gemengt. Die sogenannte Eisenmine ist nur eine Art Versuchs-
bau und scheint der Abbau bald wieder eingestellt worden
zu sein.
Ein bemerkenswerter Quarzporphyr findet sich noch unter
der Eisenmine, er zeigt große Quarzkörner in einer aplitischen
Grundmasse (siehe I. Teil, S. 967). Solche Gesteine haben äußer-
lich ein etwas gneisartiges Aussehen.
Das Gestein von der Eisenmine selbst ist ein graues zer-
setztes Gestein, durch größere Plagioklase porphyrartig, es
ist fast gar kein Magnetit in demselben vorhanden, die Augite
sind gebleicht, der Plagioklas zersetzt. Manchmal erinnert das
Gestein an Plagioklasporphyrit, doch ist es tuff- bis breccienartig.
Von der Mine führt eine Art Steig zum Monzonit aufwärts
und man kommt auf einen breiteren Weg; die Kalkgrenze
liegt 20 bis 35 m entfernt von diesem, man sieht kein eigent-
liches Feinkörnigerwerden des Monzonites am Kontakt, das
Gestein ist mittelkörnig, weiter oben erscheinen porphyrartige
Varietäten.
Nun gelangen wir immer im Monzonit auf den Kamm,
der nicht ganz 2000 m hoch ist, um von dort gegen N den
Pizmedakamm emporzusteigen. Die Grenze des Kalkes und
des Monzonites befindet sich nicht am Kamm, sondern an
der Westseite unterhalb desselben. Man kann auch einen
anderen Weg als den eingeschlagenen verfolgen, indem man
den Steig von Ronchi aus wählt, welcher in Windungen ins
Pizmedatal führt; man begegnet zuerst Schutt, dann Quarz-
porphyr, der jedoch nur an wenigen Stellen unter dem Mela-
phyr sichtbar ist; hierauf kommt man in das Melaphyrgebiet
und wieder nach Passierung von Gerolle in den Kalk, in
welchem zwei Melaphyrgänge zu sehen sind, einer davon
scheint sich in den benachbarten Monzonit fortzusetzen; hier
sind wir auch schon an der Monzonitgrenze angelangt und
kommen bald auf den vorhin beschriebenen Weg, man kann
aber auch nördlich davon in der Nähe der Kalkgrenze aufsteigen,
ohne jedoch Bemerkenswertes zu beobachten. Von diesem
Abhang mehr nördlich stammt übrigens ein von mir 1875
beschriebener Melaphyrgang im Kalk, welcher am Kontakt
Der Monzoni und seine Gesteine. 183
Magnetit zeigt, es ist kein Camptonit. Dagegen finden sich
Camptonitgänge im Monzonit bei der Krümmung des Weges
zirka 1800 m hoch.
Das Gestein dieses Teiles des Monzoni gegen die Kalk-
grenze ist viel mehr syenitisch als monzonitisch, da es sehr
orthoklasreich ist, auch Hornblende und Glimmer kommt darin
neben Augit reichlich vor. Dazwischen kommen auch quarz-
reiche Syenitmonzonite vor und scheinen also gerade hier an
der Südwestecke die saureren Glieder des Monzonits vorzu-
herrschen. Sie sind oft porphyrartig ausgebildet durch Feld-
spateinsprenglinge und zeigen granitporphyrische Struktur.
Wir kehren nun an unseren vorhin erwähnten Punkt bei
1960 m Höhe zurück und setzen unseren Weg am Kamm fort.
Schon zirka 100 m höher treffen wir auf eine Kontaktstelle,
welche namentlich Fassait zeigt.
Das Gestein ist hier Biotitmonzonit, oft wird das Gestein
orthoklasreich und enthält auch Quarz; weiter ist viel Syenit
zu sehen.
Nun steigen wir weiter, die Gesteinsgrenze bleibt westlich
zirka 100 m tiefer als der Kamm, die bisher mehr geradlinige
Kalkgrenze wird nun sehr unregelmäßig; während die Haupt-
grenze noch tiefer heruntersinkt, kommen im Monzonit mehrere
zungenartig in diesen eingreifende Schollen vor; an der ersten
zirka 2150 bis 2200 m hinaufragenden Kalkzunge finden wir
ein serpentinähnliches Kontaktgebilde, während der Monzonit
zirka 150 m tiefer gegen das Pizmedatal sich erstreckt.
An jener Zunge ist ein wichtiger Mineralfundort. Wir
finden hier einen Gang jenes im ersten Teil beschriebenen
kersantitähnlichen Biotitmonzonits. Zirka 50 bis 90 m höher ist
eine zweite Kalkzunge zu verzeichnen, die aber nicht ganz an
den Kamm heranreicht (siehe die photogr. Taf. II). Auch hier
finden wir einen größeren Gang jenes eben erwähnten Gesteines,
über demselben herrscht mittelkörniger Biotitmonzonit. Hier
findet sich einer der bekanntesten und ergiebigsten Mineral-
fundorte.
Bezüglich der Mineralfundstätten habe ich keine neuen
Studien gemacht und verweise auf frühere Untersuchungen.
184 C. Doelter,
Die Ursache der Mineralbildung liegt in dem Vorkommen
von Kalkschollen, diese erstrecken sich am Pizmedakamm
in den Monzonit; es scheint, daß auch kleinere Schollen im
Toal della Foja vorhanden sind, welche auf einen Zusammen-
hang zwischen den Kalken des Pizmedakammes und der
Kalkscholle von Toal del Mason deuten. Die Mineralfundorte
scheinen übrigens nicht mehr so ergiebiges Material zu liefern
wie ehedem; Fassait, Spinell, Anorthit dürften noch am meisten
gefunden werden; die von G. v. Rath beschriebenen Pseudo-
morphosen scheinen selten geworden zu sein.1
Oben ist der feinkörnige, dunkle, kersantitähnliche Monzonit
am Kontakt spinellisiert und es tritt dafür der Augit ganz
zurück; man sieht bei Stücken, die nicht weit voneinander
gesammelt sind, große Strukturunterschiede, bald zeigen sich
porphyrartige, bald feinkörnige, bald ophitische Ausbildungs-
weisen; zu erwähnen wäre noch von derselben Stelle ein
Gestein, welches dem früheren, im ersten Teil beschriebenen
sehr ähnlich ist, allmählich augitreich und biotitarm wird und
sich dann zu einem Aggregat von hell graugrünem Augit
sondert, eine Art Mikropyroxenit. Es kommt auch ein gabbroides
Gestein vor.
Der in der Nähe dieser Gänge auftretende Monzonit ist
ein mittelkörniger Biotitmonzonit.
Bald sind wir auf der Höhe angelangt, von welcher der
Kamm gegen das Toal del Mason abzweigt (2484 m nach der
Karte), hier tritt ein gabbroartiges Gestein im Monzonit auf und
dann ein rotes granitisches Gestein. Von hier erstreckt sich
gegen N der Palle rabbiose, gegen SE der das Toal del
Mason vom Toal della Foja trennende Kamm.
Palle rabbiose. Es ist dies die Fortsetzung des Pizmeda-
kammes nach N und trennt das Toal del Mason von Cadin
brut. Die Monzonit-Kalkgrenze liegt auch hier westlich unter-
halb des Kammes. Das Gestein ist Monzonit; bei zirka 2500 m
finden wir einen roten Granitgang, dann ein gabbroartiges
Gestein, im ganzen sind es vier kleine rote Gänge von Quarz-
syenit oder Granit. Tief unten kommt Liebeneritporphyr vor.
i G. v. Rath, 1. c, S. 37.
Der Monzoni und seine Gesteine. 185
Weiter nördlich senkt sich der Kamm; dort, wo der leichteste
Übergang zwischen Cadin brut und Toal del Mason ist, finden
wir am Westabhange ein grobkörniges, etwas porphyrartiges,
rotes, syenitisches Gestein.
Geht man zirka 100 m am Kamm aufwärts, so findet man
kleine, schmale, zirka NNW bis SSE streichende Gänge in
Abständen von zirka 30 bis 40 m, es sind vier solche, sie sind
ziemlich versteckt und reichen nicht alle bis zum Kamm.
Das eine davon ist ein melaphyrähnliches,1 ein anderes ist
Monchiquit, ein weiteres ist hornblendefrei und kommt dem
Rizzonit nahe, es besteht hauptsächlich aus Olivin, Augit,
Magnetit Jedes dieser Gesteine ist also anders; das melaphyr-
ähnliche ist das von mir analysierte.
Das herrschende Gestein am Palle rabbiose ist Monzonit,2
doch sind am Kamm einzelne gangförmige Syenitvorkommen
zu beobachten, diese sind namentlich durch starken Titanit-
gehalt ausgezeichnet und enthalten einen grünen fassaitähn-
lichen Pyroxen. Auch Syenitporphyre mit rötlichem, großen
Orthoklas von sehr grobkörniger Textur sind hier namentlich
an der Grenze gegen den Kalk zu beobachten. Ich vermute,
daß eine Analyse von Lemberg sich auf ein derartiges
Gestein bezieht, es besteht nach ihm hauptsächlich aus
großkrystallinem Orthoklas; dem CaO-Gehalt nach muß aber
auch etwas Plagioklas vorhanden gewesen sein, also ein
Orthoklasit mit sehr wenig Plagioklas und Augit.3
1 Siehe auch J. Ippen, Ganggesteine von Predazzo. Sitzungsberichte
1902, Märzheft. Ippen spricht von »Melaphyrgängen«, aber seine Stücke
stammen alle von einem einzigen Gange, dem hier erwähnten.
2 v. Huber erwähnt Monzonit von hier mit 59% Si02f es handelt sich
offenbar um einen der erwähnten Syenite.
J Die Analyse ergab (Zeitschr. der geol. Ges. 1877, S. 465):
H20 0-59
Si02 63-10
A1203 15*34
Fe203 2-24
MgO 0-35
CaO 4-09
Na20 1-06
K20 13*41
186 C. Doelter,
Palla verde und Cadin brut. Das Pizmedatal teilt sich
in seinem oberen Ende in zwei Teile, der eine Graben zieht
gegen die Valaccia — Cadin bei — der andere endigt gegen NE
in einen prachtvollen Zirkus, welcher von dem Palle rabbiose
im E, von Palla verde im N begrenzt wird ; es ist der Zirkus
von Cadin brut. Sein Boden ist ziemlich eben, gegen E schließt
sich eine 30 m höhere Terrasse an, während im W und
namentlich im N die Wände schroff abfallen. Gegen SW ist der
Zirkus offen. Der Kontakt zwischen Triaskalk und Monzonit
zieht von Palle rabbiose-Kamm (hier ziemlich weit vom Kamm
entfernt) gegen N und macht bei der Südostwand des Zirkus
eine schwache Biegung gegen W, an der Westseite desselben
kann man die Apophyse des Monzonites beobachten, welche
von der äußersten Spitze aus gegen W sich erstreckt.1 Die
Gesteine, welche den Zirkus einschließen, gehören zum Mon-
zonit, an einer Stelle der Nordwand traf ich einen Gang von
basischem, pyroxenreichen Gabbro und an zwei anderen Stellen
des westlichen Monzonitmassivs Gänge von Gabbrodiorit.
Von Interesse sind ferner an dem Südgehänge zwei rote
Gänge von Syenitporphyr, respektive Monzonitporphyr, welche
auch am Nordabhange des Monzoni in der Nähe der Kalk-
grenze auftauchen und früher beschrieben wurden; auch
bezüglich des bei Palla verde vorkommenden Ganges eines
camptonitischen Gesteins verweise ich auf die Beschreibung
des Nordabhanges.
Zwischen Melaphyr- und Monzonitmassiv ist eine Kalk-
wand von zirka 200 m zu beobachten, das Gestein ist ein
ungemein grobkörniger Marmor, ein ähnliches Gestein ist das
auf dem Wege von Malga Gardone zur Hochebene der Tresca
am Fuße des Cornons anstehende.
Im W gelangen wir zu der Apophyse des Monzonites,
welche ich bereits 1875 aufgefunden hatte; dieselbe ist schwer
zu besichtigen, so daß ich selbst im vorigen Jahre an eine Ver-
wechslung mit dem Melaphyrgang, welchen ich eben erwähnt
habe, glaubte. In diesem Jahre konnte ich aber die Apophyse
von beiden Seiten und auch am Kamm genau besichtigen. Die
i Siehe Tafel I. A.
Der Monzoni und seine Gesteine. 187
Apophyse, welche eine Mächtigkeit von 20 bis 30 m hat, ist
am Kamme vollkommen vom Hauptmassiv getrennt durch eine
Kalkscholle von zirka 40 fw, der Apophysengang steigt schräg
gegen W und verästelt sich in zwei Gänge, einen breiteren
und einen schmalen im W; man sieht oben, daß die Apo-
physe mit dem Hauptmassiv verbunden ist. Das Gestein ist
Monzonit, an der Grenze des Hauptmassivs tritt ein dunkles
Übergangsgestein zwischen Monzonit und Diorit auf, das aber
nur einige Meter mächtig ist; von hier gegen E steht bis zur
Palla verde Monzonit an.
Toal dellaFoja. Dieser Teil des Monzoni besteht aus
Syenit und zumeist orthoklasreicherem Monzonit, nur im E
gegen Toal del Mason treten die am Monzoni gewöhnlich vor-
kommenden plagioklasreichen Monzonite auf. Am Kontakt mit
dem Kalk des Pizmedatales trafen wir die bekannten Kontakt-
lagerstätten, die zumeist eingeklemmten Kalkschollen ihrDasein
verdanken. Ein weiterer derartiger Fundort liegt auf der linken
Talseite. Wir lernen dieses Toal kennen, wenn wir es von
dem früher bezeichneten Ausgangspunkte bei 2000 m nach E
verqueren. Die Gesteine sind hier zumeist saurer, da sie Quarz
enthalten. In den kleineren Rinnen des Westabhanges finden
wir Kontaktmineralien.
Toal del Mason. Dieses sehr breite Kesseltal ist besonders
durch die am linken Abhänge auftretende große Kalkscholle
charakterisiert, welche von zirka 2200 m im Toal bis 2550 m
Höhe sich erstreckt und eine Breite von 150 bis 200 m besitzt.
Das Toal del Mason ist in seinem untersten Teile gegen
Pellegrintal sehr tief eingeschnitten. Ein Weg führt aus diesem
am rechten Gehänge aufwärts im Quarzporphyr. Hier treffen
wir am Wege noch an dem Abhänge gegen S - Pellegrintal
ein gangähnliches Vorkommen von kugelförmig abge-
sondertem Quarzporphyr. Die Grenze des Monzonites
gegen den Quarzporphyr ist verschüttet.
Es kommen verschiedene Monzonitvarietäten vor; die eine
sehr verbreitete ist die von mir analysierte (I. Teil, S. 892), aber
auch andere, mehr orthoklasreiche treten auf, namentlich am
Kamm zwischen Toal della Foja und Toal del Mason, ein
Übergang zum Syenit mit Spuren von Quarz.
188 C. Doelter,
Wenn man, von Cadin brut kommend, das Toal in einer
Höhe von zirka 2400 bis 2460 m verquert, so findet man am
Kontakt mit der Kalkscholle ein gabbroartiges, dunkles Gestein.
Dort ist auch eine Mineralkontaktstätte, während man in den
unteren Teilen nichts findet. Von Mineralien, welche an dem
erwähnten Punkte zu finden sind, erwähne ich: Pyroxen (der
sogenannte Pyrgom), Spinell, Glimmer, Granat.
Wenn man von der Hütte im Toal aufwärts in nordöst-
licher Richtung hinaufsteigt, so kommt man bald zu der im
Monzonit eingeschlossenen großen Kalkscholle; die Schichten
derselben sind zum Teil noch erhalten, sie sind ziemlich steil
aufgerichtet und fallen gegen SW oder WSW.
Bei der Höhe von zirka 2350 m ist die größte Breite der
Scholle, nach oben und unten wird sie geringer, sie erstreckt
sich, durch Quarzit getrennt, bis fast zum Quarzporphyr; ein
schmaler Kalkstreifen geht bis zum Kamm des Mal Inverno
und kommt auf der Südseite, wo die Fundorte des Vesuvian und
des Fassait sich finden, wieder zum Vorschein. Es wird der
Monzonit durch diese Sedimente in zwei Teile getrennt.
In der Kalkscholle finden sich sowohl im Toal del Mason
als auch im nächsten Toal Mal Inverno einige Gänge, ein roter
Granit- oder Quarzsyenitgang und drei melaphyrähnliche (im
letzteren, aber auch im ersteren Toal fand ich einen Gang). Die
melaphyrähnlichen Gänge sind olivinreich und plagioklasarm,
eines davon erinnert an den Rizzonit, enthält aber Plagioklas.
Ein eigentümliches Ganggestein erinnert äußerlich an das
früher von der Eisenmine beschriebene, es ist durch größere
Augite und .Plagioklase porphyrartig, enthält biotitreiche
Schlieren und einschlußähnliche Partien, aus einem Aggregat
körnigen, grünen Augits bestehend. Es scheint dieses Kontakt-
gestein eine Monzonitapophyse, kein eigentlicher Gang zu sein.
Sehr merkwürdig ist das Auftreten an der Ostseite eines
mittelkörnigen, quarzreichen Biotitsyenits, den man fast schon
als Granit bezeichnen könnte, er findet sich zirka lOOw unter-
halb des Mal Inverno-Kammes, seine Ausdehnung konnte aber
nicht festgestellt werden. Auch auf der Rizzoniseite treten
kleine Gänge sowohl basischer als auch syenitischer roter
Gesteine auf. Schon im Toal dei Rizzoni liegt an der Kalk-
Der Monzoni und seine Gesteine. 189
grenze ein bekannter Mineralfundort, es ist der sogenannte
Batrachitfundort (siehe meine Arbeit 1875, S. 240, und G. v.
Rath, I.e., S. 30).
Kommt man vom Toal della Foja in das Toal del Mason,
so findet man verschiedene Monzonitvarietäten, von welchen die
unten herrschende die von mir analysierte ist, oben findet man
orthoklasreiche, syenitische Gesteine.
Toal dei Rizzoni. Den Namen Rizzoni führen mehrere
Schluchten am Südabhang des Monzoni, der Name ist in der
Literatur immer für das längere, an seinem unteren Ende tief
eingeschnittene Tal angewendet worden, welches aus zwei
Schluchten besteht, von denen die eine, vom Mal Inverno hin-
ziehend, auch Toal Mal Inverno heißt, während die andere von
der Ricolettaschlucht ihren Ursprung nimmt (Toal Ricoletta).
An der Vereinigung beider ist ungefähr die Grenze
zwischen Quarzporphyr und Konglomerat und Monzonit. Wir
lernen sie kennen, wenn wir aus dem Pellegrintal die Schlucht
des Rizzoni-Toals aufwärts steigen, die Monzonitgrenze liegt
bei zirka 2060 w, sie ist nicht direkt aufgeschlossen.
Bald, nachdem man in das Monzonitgebiet eingedrungen
ist, findet man Blöcke von Pyroxenit, einer derselben von
bedeutender Größe enthält Einschlüsse von Monzonit. Wir
verqueren eine wegen der Bewachsung nur schlecht aufge-
schlossene Pyroxenitmasse und kommen wieder in Monzonit.
Nun kommen wir an Felswände, welche zur Ricoletta
gehören, und passieren von E nach NW folgende Gesteine:
Gabbro, Pyroxenit, einen diabasartigen Gabbro, Pyroxenit. Süd-
südöstlich von der Ricolettaschlucht, etwa 100 bis 150w tiefer,
findet man groben Pyroxenit, Dioritgabbro und Monzonit.
Der Pyroxenit enthält Einschlüsse des Dioritgabbros, dieser
scheint von einem feinkörnigen Monzonit durchbrochen.
Von dem Kamme bis zur Spitze der Ricoletta wechselt
das Gestein sehr häufig: Monzonit, dann ein Gang eines fein-
körnigen aplitischen Gesteines, ferner Gabbro, Labradorfels-
Gabbro, Monzonit, ein Camptonitgang, wieder Monzonit und ein
Gabbrodiorit.
Wenn man von Toal dei Rizzoni gegen 0 das
Gehänge verfolgt, so haben wir zuerst ein pegmatitisches
190 C. Doelter,
Gestein zu erwähnen, welches große Biotite, Augite sowie
auch Plagiokiase enthält. Geht man von der Ricolettaschlucht
im Toal abwärts, so hat man zuerst Pyroxenit. dann fein-
körnigen Monzonit, dann wieder Pyroxenit, dann wieder Mon-
zonit und wieder Pyroxenit. An der Grenze des Monzonits
gegen den Quarzporphyr zu, aber noch zirka 100 tn Luftlinie
von ihm entfernt findet sich eine kleine Kalkscholle, welche
am Kontakt durch das Vorkommen von krystallisiertem
Glimmer charakterisiert wird.
Der Südabhang zwischen Ricoletta und Rizzoni
ist noch steiler als der Nordabhang, es sind senkrechte Fels-
wände von zirka 300 m Tiefe, welche schon infolge der Mürb-
heit des Gesteins ein Begehen unmöglich machen. Doch war es
mir möglich, einige Schluchten zu untersuchen.
Die Begehung des Kammes, welche bis zur Ricoletta-
spitze leicht ist, gestaltet sich weiter gegen E zur Rizzonispitze
recht schwierig wegen der vielen senkrecht zum Kamme ge-
richteten Schluchten. Ich bemerkte folgende Gesteine: Monzonit,
Labradorfels, Gabbro,einen schmalen Camptonitgang, Pyroxenit,
Monzonit, Gabbrodiorit.
Hier mußte die Kammbegehung abgebrochen werden, da
eine tiefe Schlucht einsetzt, es wurde nun an dieser gegen S
abgestiegen; folgende Gesteine wurden getroffen: Gabbro, sehr
grobkörnig, dann Olivingabbro, ein Camptonitgang (Rizzonit),
ein aplitisches graues Gestein, Gabbro und wieder ein camp-
tonitischer schmaler Gang (Rizzonit, siehe I. Teil, S. 978); dieser
Gang ist in der ganzen Erstreckung der Schlucht zu verfolgen,
dann folgt ein eigentümlicher erzführender Gang, feinkörniger
grauer Aplit, ein große Feldspate führender Pegmatit, Diorit-
gabbro. Gegen Westen tritt ein Bostonit auf.
Gegend zwischen Rizzoni und Allochet.
Diesen östlichsten Teil des Monzonitmassivs können wir
in den zwei breiten Schrunden des Südabhanges, sowie durch
eine Kammwanderung kennen lernen. Wenn man vom Allochet-
paß nach W wandert, so trifft man zuerst Monzonit, dann Pyro-
xenit, Gabbro, wieder Monzonit mit roten Syenitgängen, hierauf
Der Monzoni und seine Gesteine. 191
Gabbro mit einem Gang von hellem augitarmen Monzonit, einen
Peridotitgang (siehe I. Teil, S. 963), Gabbro und einen mächtigen
Gang von Pyroxenit. In der Nähe des Peridotits findet man einen
Pegmatit. Weiter gegen W trifft man Gabbro, Augitdiorit, Pyro-
xenit, Gabbro.
Am Abhänge des Rizzoni selbst finden sich abwechselnd
Monzonit, Pyroxenit, Gabbro, man sieht in dem dunklen Gestein
an der senkrechten Felswand schmale, graurötliche Gänge,
wahrscheinlich syenitische. Einige 300 m unter der Spitze bei
zirka 2200 m schiebt sich zwischen den roten Quarzporphyr
und den Pyroxenit umgewandelter Marmor ähnlich dem Pre-
dazzitmarmor von Canzoccoli, mehr westlich Quarzit ein.
In der nächsten Schlucht gegen W ist Gabbro mit Monzonit
abwechselnd zu beobachten, man sieht mehrere schmale Gänge
eines feinkörnigen Monzonits.
Die große breite Schlucht westlich von Allochet zeigt uns
vorherrschend Pyroxenit, sowohl an dem rechten wie an dem
linken Abhang, dazwischen groben Gabbro und Diorit; dann
folgt gegen E vorherrschend Pyroxenit, welcher die Apophysen
gegen Col Lifon aussendet; in diesem Pyroxenit findet man
Gänge von grobkörnigem hellen Syenit.
Der Südabhang zwischen Rizzoni und Allochet besteht in
seinem unteren, felsigen, steil abfallenden Teile aus rotem und
grauem Quarzporphyr und Quarzit, der unmittelbar an den
Monzonit stoßt; weiter westlich schiebt sich dazwischen um-
gewandelter Predazzitmarmor. Am Kontakt ist das Eruptiv-
gestein meistens Pyroxenit oder Gabbro.
Im unteren Teile von Allochet an dem Südgehänge gegen
W finden wir jenes graue porphyritähnliche Gestein, welches
früher, S. 173, erwähnt wurde, in ziemlicher Ausdehnung, auf
beiden Seiten von Quarzporphyr umgeben.
Das Allochettal.
Über dem Quarzporphyr liegt im Allochettal die Serie der
sedimentären Schichten, vom Grödener Sandstein bis zu den
Wengener Schichten. Die Grenze zwischen dem Eruptivgesteine
und dem Kalk verläuft im E nicht gradlinig, sondern zeigt zahl-
reiche Einbuchtungen und Apophysen, man hat namentlich drei
192 C. Doelter,
größere Apophysen zu unterscheiden. Wenn man von unten
kommend den Quarzporphyr und einen Teil der unteren Trias-
schichten passiert hat, so kommt man zur ersten Apophyse, die
sich sehr weit nach E ausdehnt und schräg in dieser Richtung
gegen Col Lifon aufsteigt; ihr äußerster Punkt ist zirka 2300 m
hoch. Die Mächtigkeit dieser Apophyse beträgt 35 bis 50 m. Das
Gestein ist bläulichbrauner, mittelkörniger bis grobkörniger
Pyroxenit
Zirka 30 m über dieser Apophyse finden wir eine zweite
aber weit kleinere und weniger nach E ausgedehnte, welche
im Bett eines kleinen, steil abfallenden Baches aufgeschlossen
ist. Am oberen Kontakt des Eruptivgesteines hat sich ein Kies-
lager, welches sogar abzubauen versucht wurde, gebildet1 Es
ist ein Gemenge von Brauneisen mit Eisen- und Magnetkies.
In der Nähe fand ich auch einen kleinen Gang von spinel-
lisiertem, kersantitähnlichen Biotitmonzonit.
Nun steigt man am rechten Gehänge der steilen Schrunde
weiter und hat fast stets Monzonit; zirka 150 m höher sehen
wir eine Apophyse wieder gegen E verlaufen, es ist Monzonit
von wechselnder Beschaffenheit. Weber beschreibt von hier
einen Hornblendemonzonit, etwas unter dieser Apophyse.
Wenn wir aufsteigen, so kommen wir zu den bekannten Fund-
orten von Granat und Epidot Es finden sich in der Nähe ver-
schiedene interessante schmale Gänge, von diesen ist namentlich
ein rotes Gestein mit vielen schwarzen Butzen bemerkbar.
Das Gestein ist, wie schon Weber bemerkt, ein granitisches,
ich glaube jedoch kaum, daß sein Ursprungsort die Granitzone
von Predazzo ist; solche quarzsyenitische oder granitische
Gänge sind, wie wir gesehen haben, sehr häufig, es sind die
sauren Differentiationsprodukte des Monzonits; es läßt sich
nicht entscheiden, ob die dunklen Butzen Einschlüsse oder
basische Ausscheidungen sind, jedenfalls liegt etwas Ähnliches
vor, wie bei den früher erwähnten Gesteinen der Costella. Der
Gehalt an Spinell und Korund, welchen Weber hervorhebt,
dürfte ähnlich wie am Pizmedakamme eine Kontakterschei-
nung sein.
i Vergl. Weber, 1. c., S. 47.
Der Monzoni und seine Gesteine. 1 93
Wenn man vom Mineralfundort aufwärts schreitet, so
gelangt man bald in die Kalkschichten, der Kontakt ist mehr
rechts in einer schmalen steilen Schrunde.
Das Nordgehänge des Monzoni.
Wir wollen, wie bei der Beschreibung des Südabhanges,
von W nach E schreiten. Dicht unter den Kalkwänden der
Valaccia zeigt sich die Fortsetzung des Melaphyrmassivs,
welches wir am Südgehänge wahrnahmen; auch hier ist in den
obersten Teilen das Gestein vollkommen massig, während es in
seinen unteren wieder breccienartig, blocklavaähnlich wird. Die
Mächtigkeit dieses Melaphyrs, welcher in Hohlräumen auch
Zeolithe zeigt, beträgt zirka 120 bis 140 m. Zwischen diesem
Melaphyr und dem östlich gelegenen Monzonit liegt grob-
körniger Marmor in einer Breite von zirka 200 *w, und dann
folgt die erwähnte Monzonitapophyse, zwischen dieser und
dem Hauptstock liegt eine eingeklemmte Marmorscholle, etwa
30 m breit.
Die Monzonite des westlichen Massivs an dem Co Stella
genannten Nordabhange sind zumeist orthoklasarm, enthalten
aber nicht sehr viel Augit ; als Typus diene der von mir be-
schriebene und analysierte.1 Sie zeigen das normale Bild eines
Monzonits, Spuren von Quarz kommen vor, ferner treten einige-
male gegen die Kalkgrenze kleine Mengen eines Augits auf,
welcher eine kleine Auslöschung hat, Pleochroismus zeigt und
vielleicht dem Ägyrin nahe steht, worüber allerdings erst an
genügendem Material auszuführende Untersuchung zu ent-
scheiden hat.
Der Monzonit dicht an der Kalkgrenze hat graubraune
Färbung und ist mittelkörnig, er zeigt schon dem unbewaffneten
Auge viele schwarzbraune Biotittafeln. U. d. M. sieht man, daß
das Gestein sehr biotitreich ist. Der Augit ist hier viel dunkler
als in den benachbarten Gesteinen.
Orthoklas ist verhältnismäßig nicht viel vorhanden, kleine
Mengen von Quarz kommen vor. Es kommt hier jener als
ägyrinähnlich bezeichnete Augit vor.
* Tscherm. Min. Mitt., 1902, Heft I.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXII. Bd., Abt. I. 1 3
194 C. Doelter,
Daß die Monzonile an der Kalkgrenze einen größeren
Kalkgehalt zeigen, ist durch den Einfluß der Kalksteine leicht
erklärlich.
An der Costella treten an zirka drei Stellen mehrere 8 bis
10 m mächtige dunklere Gänge auf, welche indessen qualitativ
in Bezug auf ihren Mineralgehalt sich nicht vom Monzonit
unterscheiden, jedoch reicher an Augit und an Biotit, ärmer an
Orthoklas sind; es sind daher jedenfalls basischere Gesteine, die
sich dem Diorit nähern.
Bemerkenswert sind zwei mächtige Gänge eines rötlichen
Syenitporphyrs (siehe I. Teil, S. 975), welcher an der Nordseite
viel mächtiger als an der Südseite zu sein scheint, allerdings ist
dies teilweise dem besseren Aufschluß an der Nordseite, welche
vollkommen felsig ist, zuzuschreiben. Es wurde bereits bemerkt,
daß dieses Gestein zahlreiche Bruchstücke eines dunklen
dichten Gesteines enthält (siehe S. 40), welches ein biotitreicher,
aplitisch ausgebildeter, kersantitähnlicher Monzonit ist, aber vom
chemischen Standpunkte aus kein Monzonit mehr ist.
An der Schrunde zur Palla verde kommt im hellen Mon-
zonit gangbildend, zirka 50 bis 80 m unter dem Kamme, ein
dunkles Gestein vor, welches einen Übergang des Monzonits
zum Dioritgabbro bildet, aber sich schon dem letzteren nähert.
Orthoklas ist vorhanden. Augit und Biotit bilden eine Meso-
stasis, in der Plagioklase liegen. Die Mineralien Augit, Biotit,
Magnetit herrschen gegen Plagioklas vor.
Am Westgehänge der Schrunde, nicht sehr weit von dem
Kamme, tritt ein mittelkörniger roter Quarz-Syenitgang auf mit
einzelnen größeren Feldspaten; der Quarz findet sich in
kleineren, recht häufigen Körnern. Biotit und Augit sind selten.
Auch links von der Palla verde finden sich ähnliche Gänge.
An der Palla verde tritt ein camptonitisches Gestein auf,
es ist ein von Stunde 2 nach 9 streichender, sehr schmaler
Gang.
Nun kommen wir zum Nordabhang des Mal Inverno.
Ich lernte diesen durch mehrere Verquerungen teilweise an der
Basis der Felswände, teilweise durch die Begehung des Kammes
(nur ein kleines Stück westlich des Gipfels ist nicht passierbar)
und durch eine Verquerung der Nordwand auf einer Höhe
Der Monzoni und seine Gesteine. 1 95
gegen 2500 m kennen. Ferner wurden mehrere Schrunden
besichtigt.
Der westliche Teil des Mal Inverno bis zum östlichen
Gipfel (es gibt zwei Gipfel, die sich nur wenig in der Höhe
unterscheiden) besteht fast ganz aus Monzonit, während in dem
östlichen Teile ein kontinuierlicher Wechsel sowohl in verti-
kaler wie in horizontaler Reihenfolge besteht. Es kommen
Olivingabbro, Dioritgabbro, Augitdiorit, Anorthosit, Pyroxenit
und Monzonit vor.
Pyroxenit und Augitdiorit habe ich bereits früher be-
schrieben und analysiert.1
Ein typischer Olivingabbro gleicht jenem des Traversellit-
tales, der reichliche Augit ist bräunlichgelb bis violett, Olivin
ist ziemlich viel vorhanden, auch Biotit fehlt nicht ganz, der
Plagioklas gehört der Bytownitreihe an. Das Gestein wurde in
der westlichen Parallelschlucht zur Ricolettaschlucht bei zirka
2450 m Höhe geschlagen.
Die unteren Abhänge des Mal Inverno sind von unge-
heuren Schutthalden und Felsenmeeren, die sich bis zum Piano
hinziehen, bedeckt, aus ihnen ragen bei einer Höhe von zirka
2300 m zwei kleine Kalkfelsen hervor, die wahrscheinlich die
Grenze des Eruptivgesteines bezeichnen, möglicherweise aber
nur eingeschlossen sind. Wenn man von der Monzonialpe in
südwestlicher Richtung hinaufsteigt, so hat man zuerst
Werfener Schichten, welche fast senkrecht stehen, es dürfte
hier eine größere EW- Verwerfungslinie vorhanden sein.
Die Schutthalden, die zumeist Monzonit, oft mit größeren
Einschlüssen eines dichten, schwarzen Gesteines (siehe I. Teil
S.968) aufweisen, und die erwähnten Kalkfelsen durchquerend,
kommen wir bei zirka 2300 m an die Felswände, welche wir in
der Richtung nach W passieren. Wir bemerken einen Gang
von Pyroxenit, zirka 80 m westlich der Mal Inverno-Spitze,
westlich nur Monzonit mit 2 bis 3 Gängen von rotem Syenit,
die Schrunde zur Palla verde zeigt uns Monzonit.
Geht man vom Fassaitfundort nach W, so passiert
man anfangs nur riesige Schutthalden, in denen man unter
anderen Bruchstücke von grünem Idokras, Fassait etc. findet.
i Tscherm. Min. Mitt, Bd. XXI.
13*
198 C. Doelter,
findet sich der Fundort der bekannten Fassaite und grünen
Idokrase. Unter diesem Fundort sieht man Monzonite, welche
bankförmige Absonderung zeigen, was man vom Piano sehr
gut beobachten kann; sie fallen unter 30° nach E.
Wir können aber zu dieser Stelle nicht gelangen und
wenden uns gegen W zur Traversierung der Nordwand des
Mal Inverno; dieselbe besteht hauptsächlich aus Monzonit,
doch kommen Gänge eines gabbrodioritähnlichen Gesteines
ebenfalls vor. Sehr häufig sind Gänge von rotem Granit oder
Syenit, welche zumeist sehr schmal sind, oft von 50 bis 80 cm
Mächtigkeit, sie sind nicht senkrecht, sondern schräg auf-
steigend, aber ganz unregelmäßig, oft wieder horizontal
gelagert, manche senden kleine Apophysen in das Neben-
gestein. Den Kamm erreichen wir westlich des höchsten
Gipfels wieder und verfolgen ihn bis Palla verde; hier herrscht
überall Monzonit, westlich des Gipfels treten zwei kleine rote
Gänge auf.
Der Abhang zwischen Ricolettaschlucht und Piano.
Zwischen dem Piano und dem Steilabhang der Ricoletta
erhebt sich ein Vorland, welches durch eine Anzahl tiefer
Gräben durchschnitten wird.
Das Fassaittal und seine Gesteine wurden bereits erwähnt.
Westlich von diesem haben wir eine, kleine Schlucht, welche
namentlich im oberen Teil durch Serpentingänge im Monzonit
interessant ist, diese finden sich am Übergange gegen das
' Chabasittal; wenn man von dort gegen das Fassaittal schreitet,
So hat man wieder einen Serpentingang im Augitdiorit, dann
feinkörnigen Monzonit; im Fassaittal selbst trifft man eine
Marmorscholle mit Serpentin und dann wieder Monzonit,
Gabbrq, Pyroxenit, Monzonit, Orthoklasgabbro, Marmor und
Serpentin, dann kommt man zu dem Fundorte des Fassaites,
einer kleinen Kalkscholle.
Wenn man dagegen von der Monzonialpe zum Chabasit-
(Melanit-) Tal * geht, so trifft man zuerst groben Augitdiorit,
i Der Chabasit kommt im Gabbro an vielen Stellen in Klüften vor,
Melanit findet sich in Gerollen.
Der Monzoni und seine Gesteine. 1 99
zersetzt, dann ein feinkörniges, zwischen Gabbro und Pyroxenit
stehendes, dunkelgraues Gestein, dann Augitdiorit, welcher bald
einem dunklen Gabbro weicht, der das Hauptgestein in diesem
Tale und auch ostwärts ist. Am Talschlusse erscheint ein
großes mächtiges Pyroxenitmassiv, das sich gegen S und
gegen E verfolgen läßt.
An der Grenze der Täler haben wir ein Serpentinvor-
kommen, welches im ersten Teile dieser Arbeit beschrieben
wurde, im Pyroxenit steckt eine Scholle von weißem Anorthosit.
Der Serpentin setzt in einem Gabbro auf mit diallagartigen
größeren Augiten, daneben findet sich aber auch zersetzter
Monzonit, der sehr grobkörnig ist. Die Gegend zwischen
Melanittal und Fassaitfundort zeigt einen überaus reichen
Gesteinswechsel. Am Abhang im Fassaittal gegen das kleine
genannte Tälchen ist zu erwähnen in der Nähe der Marmor-
scholle ein braunumrindetes Gestein, welches zwischen Ortho-
klasgabbro und Syenit steht. Der Augit kommt wie in den
Gabbros vor in größeren Tafeln und in Körnern, er ist gelb mit
leisem Stich ins Violette, Plagioklas und Biotit sind selten, der
Orthoklas bildet für alle Bestandteile eine Grundmasse; sehr
reich ist das Gestein an Kiesen (Magnetkies), auch an Magnetit.
Bemerkenswert ist das Vorkommen an einer Stelle von zoisit-
ähnlichen Durchschnitten und von Granat, beide Kontakt-
produkte, wie sie auch bei Le Seile am Kontakt mit dem Kalk-
stein auftreten.1
Der Nordabhang der Ricoletta.
Große Verschiedenheiten in petrographischer Hinsicht und
sehr interessante Verhältnisse bietet der Abhang zwischen der
Ricolettaschlucht und dem Traversellittal, welches wir zuerst
betrachten wollen. Am Piano treffen zahlreiche Schluchten
zusammen, welche keine Namen haben, die aber zum Teil von
den Mineraliensuchern nach den Mineralien die sich dort finden,
benannt wurden. Das östlichste (abgesehen von der später zu
betrachtenden Gegend von Le Seile) ist das Traversellittal nach
dem dort vorkommenden, fälschlich Traversellit genannten
Vergl. Weber Inaugural-Dissertation.
200 C. Doelter,
Pyroxen, das westlichste ist das Fassaittal, und zunächst, durch
einen kleinen Zwischengraben getrennt, das Chabasit- oder
Melanittal, etwas mehr östlich das Monzonital und zwei kleinere
Gräben.
Zwischen Traversellittal und Chabasittal hat man vor-
herrschend Gabbro, oben Pyroxenit, auch stellenweise dunklen
Labradorfels. Wenn wir das kleine, westlich vom Traversellittal
gelegene Tal aufwärts steigen, so haben wir Olivingabbro, der
dann allmählich in olivinfreien übergeht. Gänge von fein-
körnigem, rotem Syenit treten in ihm auf, im oberen Teile tritt
Pyroxenit auf. Der Olivingabbro scheint in dem olivinfreien
gangartig aufzutreten. Im obersten Teile der Schlucht treten
Pyroxenit und Labradorfels auf. Auch mittelkörniger Syenit
und Monzonit kommt zwischen dem Gabbro vor. Die einzelnen
Gesteine scheinen bankförmig vorzukommen und alternieren.
Das Einfallen jener Bänke ist zirka 30° gegen W.
Eines der interessantesten Täler ist das Traversellittal.
Schon am Eingange sehen wir Blöcke mit Gängen eines fein-
körnigen Gesteins eines Monzonits, dann gelangen wir zu dem
von mir analysierten Labradorfeis, welcher gleich an der Fels-
wand rechts ansteht, in diesem und dem Gabbro nebenan
sehen wir kleine schmale Gangadern von grünem Augitfels,1
weiter aufwärts ist Gabbro mit kleinen Partien von Labrador-
fels zu sehen. Weiter oben macht das dunkle Gestein einem
helleren Platz, ein Gabbro mit ophitischer Textur, welcher
manchmal in Anorthosit übergeht. Die linke Seite des Abhanges
besteht in ihrem unteren Teil auch aus Gabbro, in welchem
man einen Serpentingang bemerkt; an der Biegung des Tales
gegen E tritt Gabbro, dann ein Gang dioritischen Gesteines,
welcher aber von Pyroxenit überlagert wird, auf. Man sieht,
daß es mehr Schollen als wirkliche Gänge sind, jedenfalls
Differentiationsprodukte. Es folgt dann Pyroxenit, an dessen
Grenze tritt ein Peridotitgang auf.
Dann haben wir, die Schlucht aufsteigend, Olivingabbro
(siehe Beschreibung und Analyse in Tscherm. Min. Mitt.,
Bd. XXI, 2. Heft, 1902) mit Pyroxenit An der erwähnten
1 Ein fassaitartiger grüner Augit.
Der Monzoni und seine Gesteine. 201
Biegung des Tales nach E, gabelt sich dieses in drei, ver-
folgt man das mittlere bis zu seinem Ursprünge, so findet man
der Reihe nach: Gabbro, Anorthosit, Pyroxenit (mit größeren
Plagioklasen), Gabbro, dazwischen auch Monzonit.
Der Abhang zwischen dieser Schlucht und der Ricoletta-
schlucht, der nördliche Steilabhang des Ricolettaberges, zeigt
einen starken Gesteinswechsel, sowohl wenn man den Abhang
von ostwestlicher Richtung verquert als auch beim Aufstiege
selbst Monzonit, Gabbro, Diorit wechseln fortwährend. In
einer kleinen Schrunde, welche von S nach N zieht und bei der
Gabelung des Tales einmündet, findet man einen bankförmigen
Wechsel zwischen Gabbro und Monzonit. Bei der Verquerung
des Abhanges zwischen 2300 bis 2400 m sieht man Augit-
diorit und Monzonit, Gabbro alternierend. Der Gabbro hat oft
Diabasstruktur, weiter gegen E dominiert Gabbro und
plagioklasreicherer Pyroxenit. Zu erwähnen sind die nicht
seltenen camptonitischen Gänge, von weichen man schon im
Traversellittal Blöcke findet, an zwei Stellen des Abhanges in
NNE-Richtung von der Ricolettaspitze fand ich schmale Gänge.
Ein Gestein, welches aber leider nicht anstehend gefunden
wurde, ist von großer Wichtigkeit: ein Labradorporphyrit. Der
Fund in einer kleinen Seitenschrunde gegen S des Traversellit-
tales deutet darauf hin, daß hier Porphyrit vorkommt. Ein mela-
phyrähnliches Gestein, aus Olivin, Augit, Plagioklas bestehend,
bildet einen Gang am Abhänge der Ricoletta gegen das Traver-
sellittal.
Wenn man von der früher erwähnten Teilung des Tales
gegen SE zur Rizzonispitze steigt, so hat man folgende Ge-
steine: Gabbro, Anorthosit, Pyroxenit mit vielen Plagioklas-
krystallen, Gabbro.
In der Traversellitschlucht sieht man, soweit sie begehbar,
Augitdiorit, Gabbro, Pyroxenit; es treten im Pyroxenit und
Gabbro zahlreiche rote, schmale Syenitgänge auf, die ich in
meiner ersten Arbeit 1875 abgebildet habe.
Die Besteigung der Ricoletta von S zeigt zuerst Gabbro,
Pyroxenit, Labradorfels, dann findet man Monzonit und Diorit-
gabbro alternierend, dazwischen Olivingabbro und Labrador-
fels. Der ganze Nordabhang zwischen Traversellittal und der
202 C. Doelter,
Fortsetzung des Monzonitales, welcher ja kaum mehr als 1000 m
Breite mißt, zeigt einen kaum glaublichen Wechsel der Gesteine,
sowohl in vertikaler Richtung als in horizontaler, wie ich bei
mehreren Begehungen konstatierte. Vorherrschend ist Gabbro,
Augitdiorit, Gabbrodiorit, auch diabasartige Varietäten.
Wenn man von dem Kamme bei Allochet, dort wo die
Traversellitschrunde entsteht, gegen WSW herabgeht, so sieht
man noch auf der Höhe einen eigentümlichen Turm, aus
dunklem Gabbro und Pyroxenit gebildet, mit hellem, anscheinend
syenitischen Gang; wir verfolgen den steilen Abhang links von
diesem, es wechselt Pyroxenit mit Augitdiorit und Olivingabbro.
Weitere 200 m tiefer tritt ein eigentümlicher Plagioklaspyro-
xenit auf, ein Mittelding zwischen Pyroxenit und Gabbro; im
dunkelgrünen Augit liegen Plagioklase, die u. d. M. oft parallele
Anordnung zeigen; dann kommt wieder Gabbro mit einzelnen
Partien von Plagioklasit und Gabbro mit Diabasstruktur.
Es ist kaum möglich, diesen Wechsel auf einer Karte ein-
zuzeichnen, dazwischen -kommt auch untergeordnet Mon-
zonit vor.
Wenn man von dem westlich vom Traversellittale gele-
genen Tale in südlicher Richtung aufsteigt, so sieht man
zwischen 2300 bis 2500 m meistens Gabbro, Diorit und auch
Monzonit. Hier begegnen wir auch dem früher (I. Teil, S. 959)
beschriebenen Ganggestein mit aplitischer Textur und brauner
Rinde, welches sehr kiesreich ist; feinkörniger Monzonit durch-
bricht den Gabbro in kleinen, 50 cm mächtigen Gängen, dann
treffen wir einen Monchiquitgang (bei zirka 2500 bis 2550 m
Höhe), später Gabbro und Diorit mit einem sehr feinkörnigen,
monzonitähnlichen Gang; dann gelangen wir zum Kamme.
Der Kamm zwischen Ricolettaschlucht und Rizzoni.
Um das Bild zu vervollständigen, will ich die Gesteine
aufzählen, welche man bei der Kammwanderung von der Rico-
lettaschlucht gegen E findet. Wir haben hier einen sehr grob-
körnigen Augitdiorit, dann großblättrigen Gabbro, Olivingabbro
mit Ophitstruktur, also eine Art Olivingabbrodiabas, dann ein
monzonitähnliches Gestein, einen sehr feinkörnigen Monzonit,
Der Monzoni und seine Gesteine.
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204 C. Doelter,
feinkörnigen Gabbro, Labradorfelseinlagerungen, wieder Mon-
zonit und etwas vor der Spitze einen schmalen Gang von
Hornblendecamptonit. An der Spitze findet man Monzonit,
dann dunkles, gabbroähniiches Gestein. Weiter östlich gegen
die Rizzonispitze zu finden wir Monzonit, Gabbro, Labradorfels
mit Pyroxenit, Monzonit, ein anorthositähnliches helles Gestein.
Es folgt eine zweite, fast ebenso hohe Spitze wie die Ricoletta,
östlich davon treffen wir wieder Labradorfels und Gabbro, einen
weiteren Camptonitgang, dann Gabbrodiorit, Pyroxenit, Mon-
zonit und Gabbro. Es stellt sich eine tiefe Schlucht ein; am
Südabhange folgen Monzonit und Olivingabbro und ein weiterer
Gang eines camptonitischen Gesteines, ein Rizzonit. Eine
weitere Verfolgung war unmöglich. An der Nordseite hat man
von der Rizzonispitze aus Olivingabbro, Augitdiorit ab-
wechselnd.
Man sieht also auch hier einen fortwährenden Gesteins-
wechsel.
Der nordöstliche Teil des Monzoni
ist das Gebiet von Le Selie-Allochet. Es besteht teils aus durch
Melaphyre durchbrochenen Triasschichten, teils aus Eruptiv-
gestein. Wir unterscheiden den eigentlichen oberen Le Seile-
Kessel und den unteren von Le Seile-See. Die Abhänge von
hier in das Monzonital zeigen eine Anzahl von Terrassen.
Wir wollen zuerst den aus Eruptivgesteinen bestehenden,
zwischen Traversellittal, Le Seile-See und Allochetpaß liegenden
Teil betrachten.
Das Gebiet zwischen Traversellittal und Le Seile-Bach lernt
man gut kennen, wenn man die früher erwähnte Schlucht,
welche vom Fuggeritfundort gegen ESE verläuft, hinaufsteigt.
Beim Verlassen des Weges, welcher dort eine Biegung macht,
trifft man Pyroxenit und Gabbro; der Pyroxenit, welcher oft als
Mikropyroxenit ausgebildet ist, durchzieht in Bändern den
Gabbro. Das Pyroxenitgestein besteht oft aus gelbem diallag-
ähnlichen Augit mit parallel angeordneten Einschlüssen und
Absonderungsrichtung, welches sonst in Pyroxeniten selten
vorzukommen scheint. Biotit ist fast gar nicht vorhanden und
Magnetit fehlt ganz! Dagegen ist der Plagioklas recht häufig,
Der Monzoni und seine Gesteine. 205
stets in kleinen Individuen. An der Grenze gegen den Gabbro
wird das Gestein sehr feinkörnig und geht in Mikropyro-
xenit über.
Wenn wir die Schlucht aufwärts steigen, haben wir ab-
wechselnd Gabbro (mit im Schliff violett erscheinendem Pyroxen,
oft olivinhaltig) und Monzonit oder Diorit. In diesen Gesteinen
treten drei Gänge von rotem Syenit auf, die stets mit einem
grauen Gange von Monzonitporphyr verbunden sind; da das
rote Gestein in den Monzonitporphyr eindringt, so ist es das
jüngere. Die Richtung dieser Gänge ist ungefähr parallel der
Monzoniachse, ihre Mächtigkeit ist sehr gering, zirka ll2 m. Am
Ende der Schlucht findet man wieder Gabbro, welcher am
Plateau das herrschende Gestein ist; dagegen ist an der Kalk-
grenze Monzonit zu finden. Gegen S tritt wieder Gabbro auf,
welcher sich auch am Le Seile-See findet.
Wenn man vom oberen Traversellittale den nördlicheren
Steilabhang aufsteigt, so gelangt man auf ein kleines Plateau.
Das herrschende Gestein ist Gabbro und man hat auch ein
ähnliches Gestein vor sich, wenn man zum zweiten Plateau
aufsteigt; das Gestein ist hier dunkler, enthält oft viel Olivin und
größere spiegelnde Biotite. Dieses Gestein ist das herrschende
Gestein bis zum Allochetkamme. An dem Abhang zum Allochet
findet man häufige kleine rote Gänge von Quarzsyenit und
Syenit, welche nur 0*50 bis Im mächtig sind. Oft tritt der
Augit ganz zurück und man hat einen Feldspatit mit etwas
Quarz.
Von dem Eingange der Schlucht nördlich gegen die Kalk-
grenze haben wir zumeist Monzonit, aber auch an einzelnen
Punkten Pyroxenit, so an der Grenze, welche an dem kleinen
Wasserfalle, der von Le Seile-See herunterfällt, gegen den Kalk.
Hier bildet der Pyroxenit eine Apophyse in den Kalk; er wird
durchbrochen von zwei schmalen, roten Syenitgängen. Der
Pyroxenit wird in dieser Apophyse feinkörnig; später verläuft
die Grenze mehr geradlinig, wird aber durch Schutt verdeckt.
Der unterste Teil vom Piano gegen E besteht zum größten
Teile aus Monzonit, welcher sich auch an der Grenze gegen den
Kalk im N findet. Die Grenze verläuft nicht geradlinig, sondern
es treten viele Apophysen auf, deren auch Weber gedenkt.
206 C. Doelter,
Die Nordgrenze ist zuerst der Bach, der aus dem Le Seile-
See gegen das Monzonital fließt, dann überschreitet sie den
Bach.
Fast ganz unten an dem ersten kleinen Plateau findet sich
am Abhänge ein camptonitähnliches Gestein, welches größere
Olivine zeigt, doch ist es kein normaler Camptonit, da es Horn-
blende nur in einzelnen Schlieren zeigt.
Bei der zweiten Kreuzung vom Weg und Bach finden wir
ein lichtes titanitreiches Gestein, welches früher beschrieben
wurde; unmittelbar daneben ist eine unbedeutende Mineral-
kontaktlagerstätte mit Granat, Idokras, Fuggerit.
Von da geht die Monzonitgrenze nördlicher und über-
schreitet auch etwas den Bach. Eine größere Apophyse dringt
von jener Kontaktstelle in den Kalk ein.
Hier fand ich einen pegmatitisch ausgebildeten, weißen
Syenit, der fast ganz frei ist von färbigen Bestandteilen und
welcher ein pyroxenitisches Gestein, welches aber durch
Plagioklasaufnahme in Gabbro übergeht, durchbricht. Die Augite
des letzteren sind tiefgrün und entsprechen jenen, welche
Weber auf Grund einer Analyse als Fassait bezeichnet.
Die weitere Grenze verläuft mehr geradlinig, ist aber durch
Schutt oft versteckt. So gelangen wir zu dem bekannten Granat
und Gehlenitfundort am Le Seile-See.
Weber hat eine Anzahl von Kontaktgesteinen genauer
beschrieben, ohne jedoch dieselben zu klassifizieren; bedauer-
licherweise fehlt eine Karte, so daß bei dem Fehlen von Orts-
namen am Monzoni die Identifizierung naturgemäß schwer wird,
wie übrigens bei allen Monzoniarbeiten.
Am Ostende des Le Seile-See wendet sich die Eruptiv-
gesteinsgrenze gegen S, aber es scheint, daß auch in der
früheren Richtung sich im Kalk steckende Apophysen aus-
dehnen.
Wir gelangen nun an einen hohen abschüssigen Kalk-
felsen, einen Predazzitmarmor, welcher ein ähnliches Gestein
zeigt wie der Canzoccoli bei Predazzo und an welchem sich
auch mehrere Kontaktmineralien finden, so z. B. Granat,
Vesuvian, Fassait. In demselben findet man auch gangartige
Serpentine.
Der Monzoni und seine Gesteine. 207
Nun wollen wir noch das Grenzgebiet des Eruptivmassivs
zwischen Le Seile-See und Allochetpaß besichtigen.
Am Le Seile-See haben wir Olivingabbro, oft auch mit
Ophitstruktur. Wir steigen in südlicher Richtung in der Nähe
der Grenze des Predazzitbruches aufwärts. Das Gestein ist
Monzonit, doch kommen stellenweise auch andere Gesteine,
gabbro- und dioritähnliche, vor; an der Grenze selbst scheint
aber meistMonzonit. Südlich des großen Kalkfelsens, in welchem
der Predazzitbruch sich findet, sendet der Monzonit noch eine
kleine Apophyse gegen E. Der Kalk erscheint hornfelsartig,
dann verläuft die Grenze mehr geradlinig, soweit sich dies unter
der häufigen Schuttbedeckung ersehen läßt. Unter dem Allochet-
paß erscheint eine größere Apophyse.
Hier will ich noch ein Gestein beschreiben, welches un-
mittelbar über Le Seile-See in der Richtung gegen Allochet
unter dem großen Kalkfelsen am Kontakt sich findet; es ist von
schwarzgrauer Farbe und gleicht einem feinkörnigen Pyroxenit.
U. d. M. ergibt sich aber ein anderes Bild. Der sehr häufige
Augit ist tiefgrün, zeigt starke Dispersion, also derselbe, der
sich so häufig an der Kontaktgrenze einstellt und den Weber
zum Fassait stellt.
Plagioklas ist verhältnismäßig wenig vorhanden, dagegen
ist der als Grundmasse auftretende Orthoklas der häufigste
Bestandteil. Auffallend ist der Reichtum an Titanit in kleineren,
selten großen Krystallen von schmutzigbrauner Farbe.
Die früher genannte größere Apophyse dürfte aller Wahr
scheinlichkeit nach zusammenhängen mit dem am Kamme des
Allochet vorkommenden, von mir schon 1875 beschriebenen
Durchbruch. Zwischen diesem Kamme und der früher er-
wähnten Apophyse findet man noch einen kleinen Durchbruch
des Eruptivgesteines, um welchen herum Hornsteine von grün-
licher Farbe liegen, und in der Fortsetzung der durch diese
beiden unteren Apophysengänge gebildeten Linie findet sich
am Kamme jenes gangförmige Eruptivgestein, das dem der
Apophyse ähnlich ist, aber mehr Porphyrstruktur angenommen
hat (siehe I. Teil, S. 960), entsprechend seinem wenig mächtigen
Auftreten, denn der Gang hat oben nur einige Meter Mächtig-
keit. Erwähnt sei noch sein bedeutender Kiesgehalt.
208 C. Doclter,
Das Gestein dieser Apophyse, welche gegen SE streicht,
ist nicht unähnlich dem, welches wir am Kamm östlich von
dem Aliochetpaß finden (vergl. die Karte) und dürfte daher ein
Zusammenhang zwischen beiden vorhanden sein, dies umso-
mehr, als zwischen den beiden sich jene Hornfelsmasse gang-
artig erstreckt und auch über der großen Apophyse zirka
20 bis 30 m darüber an einer Stelle Eruptivgestein aus den
umgebenden Hornfelsen herauslugt.
Das Gestein ist schwer zu klassifizieren, da es zwischen
Monzonit und Gabbro steht, am besten einem Orthoklasgabbro
oder shonkinitähnlichem Gestein entspricht. Am Kamm ist es ent-
sprechend seiner geringen Ausdehnung, respektive Mächtigkeit
mehr porphyrartig durch Auftreten großer Augite und erinnert
äußerlich sehr an Augitporphyr, respektive Gabbroporphyr,
ähnlich ist z. B. das am Plateau der Malgöla vorkommende
Gestein.
An der Grenze des Kalkes und Monzonits finden sich
auch die Gänge jenes von Dr. Ippen analysierten und
näher beschriebenen nephelinhaltigen Labradorporphyrits, des
Allochetit. Das eine Gestein, welches von Ippen analysiert
wurde, bildet einen schmalen Gang in der Nähe des Predazzit-
bruches südöstlich vom See, es ist durch große Labradortafeln
ausgezeichnet; ein zweites stammt von dem Plateau über dem
Predazzitbruch und setzt an der Grenze zwischen Monzonit
und Kalkstein ein; nach Dr. Ippen ist das Gestein reich an
etwas zersetztem spreusteinbildenden Nephelin; ähnlich ist ein
Gestein auf dem Plateau im Kalk. Das den Monzonit durch-
brechende Gestein zeigt breittafelige Plagioklase, ist in der
Grundmasse hornblendenreich, aber weit weniger nephelin-
haltig; es enthält jedoch nach Ippen Analcim. Dieses von mir
analysierte Gestein ist schon etwas zersetzt und neigt mehr zu
den normalen Plagioklasporphyriten. Ganz in der Nähe treffen
wir auch einen Gang eines spinellisierten Plagioklasporphyrites
im Monzonit. Er geht in Monzonitporphyr über.
Der Zirkus von Le Seile.
Zirka 150 m über dem Le Seile-See erhebt sich ein Kessel,
der von den Kalkbergen des Allochet, Costa bella, Camorzaio
Der Monzoni und seine Gesteine. 209
umschlossen wird; der Boden desselben liegt 2400 bis 2450 m
hoch. Hier finden wir nur Triasschichten mit einzelnen Durch-
brüchen von Metaphyr und vereinzelten Apophysen des Mon-
zonites. Die den Kessel umgebenden Berge, welche sehr schroff
gegen denselben einfallen, bestehen aus der Serie der unteren
Triasschichten. An der Nordwand sehen wir mehrere kleinere
Gänge, deren Streichen parallel dem des Kalkes ist. Es ist
Melaphyr; eine größere Gangmasse desselben über dem Le
Seile-See folgt jedoch einer anderen Richtung.
Im NE haben wir am Camorzaio einen größeren, von mir
seinerzeit beschriebenen Melaphyrdurchbruch,1 an den Kon-
takten gegen den Kalk ist er breccienartig ausgebildet; ein
weiterer bedeutender Gang findet sich nördlich links vom Le
Seile-Paß gegen die Costa bella. Mehrere Plagioklasporphyrit-
gänge sind auf beiden Seiten des Passes zu beobachten. Von
da zur Allochetspitze finden wir drei solche. Im Kessel selbst
trifft man eine große Zahl solcher Porphyritgänge, 2 bis 7 m
mächtig; eine genauere Beschreibung dieser Gänge wird mein
Begleiter Herr K. Went liefern.
Ganz sonderbar sind die am Werneritfundorte (der
sogenannte Wernerit ist, wie ich 1876 zeigte, nur ein grüner
Amphibol, daneben kommt Kupferkies, Gehlenit, Eisenglanz
vor) auftretenden Gesteine, welche mehrere Meter mächtige
Gänge bilden; neben echten Plagioklasphorphyriten tritt ein
Gang auf, welcher vielleicht eine schmale Apophyse des
Monzonitmassivs darstellt, obgleich ein Zusammenhang sich
nicht konstatieren läßt. Das zersetzte Gestein ist ein Mittelding
zwischen Monzonitporphyr und Plagioklasporphyrit. Ähnlich
ist ein Gestein, welches ich für eine Apophyse des Monzonites
halte und welches auf der Höhe des Predazzitfelsens auftritt,
südlich vom Kalk.
Was nun die Richtung der größeren Gangmassen anbe-
langt, so ist sie zumeist die Richtung der Monzoniachse, also
von WSW nach ENE, das sehen wir an der Costa bella, am
Camorzaio. Andere stehen ungefähr senkrecht dazu. Die
kleineren sind Spaltenausfüllungen und folgen dem Streichen;
i Jahrb. der geol. R. A. 1875, S. 231.
Sitzh. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 14
210 C. Doelter,
da dasselbe wechselt, so gilt dies auch für die Gänge. Dies ist
namentlich an der Le Selle-Allochetkette zu beobachten, wo die
Schichten gestört sind, wenn auch durchaus nicht so stark
gefaltet, wie dies M. Ogilvie Gordon abbildet.1
Der Absturz des Kalkgebirges, welches von Costa beiia
bis Allochet sich hinzieht, ist gegen die Ebene von Campag-
nazza steil, das Terrain ist in diesem Wieseniand schlecht auf-
geschlossen, doch kommen auch hier porphyritartige Gänge
vor. Die Kalkschichten sind oft stark metamorphosiert, aber an
manchen Stellen wieder gar nicht, wenn man auch an anderen,
sogar am Campagnazzabhang noch Kontaktmineralien findet;
es ist schwer zu sagen, ob die Melaphyrgänge oder ob unter-
irdische Monzonitapophysen diese Umwandlungen erzeugten.
Bei der Bestimmung des Gesteinsmaterials, welches hier
geschildert wurde, war mir Herr Privatdozent Dr. Ippen viel-
fach behilflich und danke ich ihm für diesen Beistand, ebenso
Herrn Trappmann in Vigo.
Das Alter der Monzonigesteine.
Über das Alter der südosttiroler Eruptivgesteine sind die
verschiedensten Ansichten ausgesprochen worden, sowohl in
Bezug auf ihr Alter gegenüber den durchbrochenen Schichten
als auch ihre gegenseitigen Aitersverhältnisse. Da am Monzoni
ein Zusammenvorkommen der verschiedenen eruptiven Feis-
arten weit weniger gut zu beobachten ist wie etwa bei
Predazzo, so wird wohl an letzterem Orte eher die Lösung des
Rätsels gefunden werden.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß am Monzoni alle Gesteine2
derselben geologischen Epoche angehören, was für dieFassaner
Eruptivgesteine nicht feststeht; weitere Studien an letzteren
würden behufs Lösung der Altersfrage notwendig sein. Am
Monzoni fehlen die oberen Triasschichten, wir können daher
nur mit Sicherheit sagen, daß die fraglichen eruptiven Bildungen
jünger sind als die vorhandenen unteren Triasschichten.
1 Upper Fassa and Monzoni.
* Selbstverständlich abgesehen von dem Quarzporphyr.
Der Monzoni und seine Gesteine. 211
Bezüglich des Alters der Melaphyre gehen die Ansichten
ja auch weit auseinander; während Mojsisovics die großen
Melaphyr- (seine Augitporphyre), respektive Porphyritmassen als
Lavaströme auffaßt, die dann als Äquivalente der Wengener
Schichten aufzufassen wären, vertritt namentlich M. Ogilvie die
Ansicht, es seien dies jüngere (tertiäre) Intrusivgänge. Für
einzelne dürfte die Gangnatur, respektive die Lagergangnatur
richtig sein, namentlich dort, wo keine Erscheinungen für eine
Lava sprechen. Bestätigt wird dies am Pordoi-Joch durch den
Fund eines Kephalopoden im Melaphyr, welcher die unteren
Triasschichten durchbrechen mußte und nicht mehr als Lava
aufgefaßt werden kann. Aber es ist doch anderseits auf-
fallend, daß man in den oberen Triasschichten keine solche
Lagergänge findet, was wohl zu erwarten wäre, wenn die
Melaphyre jünger als die gesamte Trias wären. Also selbst,
wenn die sogenannten Laven der Cima Rossi oder des Sasso
di Capell Intrusivmassen wären, so würde dadurch nur be-
wiesen, daß sie jünger als die Wengener Schichten sind, sie
könnten aber immer noch älter sein als die oberen Trias-
schichten. Was nun die Melaphyre vom Pizmedatal anbelangt,
so kann man nur sagen, daß sie wohl jünger sind als die
dortigen Triasschichten, welche auch kein Detritusmaterial aus
ihnen aufgenommen, aber die Grenze nach oben ist unsicher.
Hier handelt es sich wie auch wahrscheinlich am Cornon, am
Sasso di Dam und anderen Punkten um wirkliche Lavaströme.
Man sieht, daß bisher die Ansichten noch wenig geklärt
sind und daß neue Untersuchungen im oberen Fassatal not-
wendig sind, um eine Entscheidung herbeizuführen; ein
zwingender Grund, das triadische Alter der südtiroler Eruptiv-
gesteine aufzugeben, liegt bisher nicht vor und es müssen
erst neue Funde und neue Tatsachen eine gegenteilige Ent-
scheidung herbeiführen.
Relatives Alter der saureren und basischen
Tiefengesteine. Monzonit einerseits, Gabbro, Pyroxenit
anderseits kommen nur in Verbindung miteinander vor und
dürften daher, wie ich schon 1875 aussprach, genetisch mit-
einander zusammenhängen. Brögger1 vermutete, daß die
* Die Eruptionsfolge der triadischen Gesteine von Predazzo 1896.
14*
212 C. Doelter,
basischen Gesteine eine Randfacies seien, diese Ansicht war
nur auf die Analogie mit anderen Gebieten, nicht auf eigene
Beobachtung gestützt; ich habe gezeigt,1 daß dieselbe nicht
haltbar ist. Allerdings kommen an der Kalkgrenze stellenweise,
z. B. unterhalb Le Seile-See, bei Allochet, Pyroxenite vor, aber
selbst, wenn man zugibt, daß dies die Randfacies wäre, was in
Anbetracht ihres gangförmigen Verhaltens nicht einmal wahr-
scheinlich ist, so wären die zahlreichen Gabbro- und Pyroxenit-
massen, die allenthalben in den Monzonitmassiven an den ver-
schiedensten Stellen stecken, nicht auf diese Weise zu erklären.
Diametral der Brögger'schen Ansicht entgegengesetzt ist die
Rombergs,2 nach welcher der Pyroxenit durchwegs jünger
ist als der Monzonit; er stützt seine Ansicht besonders auf die
nicht gerade sehr häufigen Vorkommnisse bei Predazzo, wo er
ein Feinkörnigerwerden des Pyroxenits und kleine schmale
Apophysen beobachtete. Ich hatte selbst an manchen Punkten
solche gesehen, z. B. an der Malgola,3 dann am Le Seile-See,
wo sie aber im Gabbro stecken.4
Anderseits erwähnt Brögger5 Einschlüsse von Pyroxenit
im Monzonit. Meiner Ansicht sind Monzonit, Syenit einerseits,
Gabbro, Pyroxenit anderseits Differentiationsprodukte eines
Stammagmas und nicht wesentlich altersverschieden; ich
habe aber bereits 1875 darauf hingewiesen, daß letztere gang-
förmig im Monzonit auftreten, daher als jünger erscheinen, es
gibt aber auch im Pyroxenit Gänge von Monzonit, wenn das
auch selten ist. So z. B. kommt, wie erwähnt, ein monzonit-
ähnlicher, feinkörniger Gang im Pyroxenit der Ricolettaschlucht
vor, das Gestein ist aber sehr orthoklasarm und daher mehr
dioritisch. Syenit kommt unzweifelhaft als Gang im Pyroxenit
und im Gabbro vor. Pyroxenit scheint gegenüber dem Gabbro
eher der jüngere zu sein, aber bei den vielen Übergängen wäre
es nicht ausgeschlossen, wenn ausnahmsweise plagioklas-
1 Chemische Zusammensetzung und Genesis der Monzonigesteine, Tsch.
Min. Mitt 1902.
2 Sitzungsb. d. Berl. Akademie, 26. Juni 1902.
3 Vergl. Reyer, Predazzo, S. 19.
* Tscherm. Min. Mitt. Bd. XXI, Heft 2.
^ L. c, S. 70.
Der Monzoni und seine Gesteine. 2 1 3
reichere Pyroxenite auch älter als mancher Gabbro wären, wie
es an manchen Punkten, z. B. am Nordabhang der Ricoletta,
den Anschein hat.
Da nun die basischen Gesteine einerseits, die sauren
anderseits aus einem gemeinsamen Stammagma entstanden
sind, so muß dieses, dort, wo es noch erhalten ist, ja das ältere
sein. Ich schließe nun aus dem Analysenmaterial, daß die
Monzonite des Toal del Mason und ein Teil der vom Nord-
abhang des westlichen Mal Invemo dieses Stammagma
repräsentieren; solche nicht differenzierte Monzonite wären also
die ältesten Gesteine; aus diesen scheint nun eine erste
Sonderung in mehr saure Monzonite, etwa von der Zusammen-
setzung des Monzonites der Analyse Schmelck (Nr. I meiner
Analysentabelle) einerseits, in basischere Gesteine von der
Zusammensetzung des Augitdiorits (Nr. V der Tabelle) ander-
seits erfolgt zu sein oder es entsteht ein Olivingabbro, aus
welchem Pyroxenit, Anorthosit (Labradorfels) sich abspalten.
Das saurere Monzonitmagma zerfällt in Quarzsyenite und
basische kersantitähnliche Magmen.
Die Pyroxenite, Peridotite, Plagioklasite müssen im allge-
meinen jünger sein als jene Monzonite und Gabbro, aus denen
sie sich allmählich durch Sonderung der Bestandteile bildeten,
ebenso die Syenite, Syenitporphyre etc.
Daß die Reihenfolge der Mineralien im allgemeinen die
Altersfolge der differenzierten Gesteine ist, ist für mich umso
wahrscheinlicher, als ich die Differentiation als den nahezu
ganz durchgeführten Prozeß der Mineralsonderung betrachte;
da nun Orthoklas, Quarz die jüngsten Bestandteile sind, so
müssen die aus diesen Mineralien bestehenden Gesteine die
jüngsten sein, jünger als die Pyroxenite, Gabbro, da die
Pyroxene älter sind; tatsächlich findet man bei Allochet körnigen
Syenit den Pyroxenit durchbrechend, ebenso am Fuße des
Nordabhanges.
Die Reihenfolge der Mineralbildung muß daher auch dem
Alter entsprechen. Nun ist in unseren Gesteinen der Plagioklas
zumeist der ältere Bestandteil, älter als der Pyroxen, daher
auch die Pyroxenite zumeist jünger sind; die Orthoklasite,
welche wir aber nur als Syenit, also nicht in rein differenziertem
214 C. Docltcr,
Zustande kennen, sind die jüngsten Gesteine, entsprechend
dem jüngeren Alter des Orthoklases.
Auch mußten die weniger differenzierten Gesteine die
älteren sein, daher auch die Monzonite zumeist älter sind als
die Pyroxenite, aber nicht unbedingt älter sein müssen wie
der Gabbro; das bestätigt die Beobachtung des so häufigen
Zusammenvorkommens von Gabbro und Monzonit.
Der Gabbro ist älter als der Pyroxenit, einerseits weil
Pyroxen zumeist jünger ist als Plagioklas und dann weil im
Gabbro der Prozeß noch nicht vollendet war, erst aus Augit-
diorit und Gabbro sondert sich Pyroxenit, daher dieser die
ersteren häufig durchbricht.
Als ältere Bildungen erscheinen daher Monzonite, die noch
das Stammagma repräsentieren, dann die noch nicht völlig
abgespaltenen Gabbros. Dann folgen die Differentiationspro-
dukte: Pyroxenit, Peridotit, Plagioklasit, Orthoklasit (letzterer
fast immer quarzführend). Untereinander werden sich die letzt-
genannten zumeist wie die Reihenfolge der betreffenden Mine-
ralien verhalten; hierbei ist zu beachten, daß in den Monzoni-
gesteinen meist der Plagioklas der ältere Bestandteil ist, manch-
mal aber das umgekehrte stattfindet.
Spätere Nachschübe von Monzonitmagma können Ver-
anlassung geben, daß jüngere Monzonitgänge (oft porphyrisch,
oft aplitisch ausgebildet), die sicher existieren, entstehen.
Was nun speziell die eigentlichen Ganggesteine anbelangt,
so kommen sie nur in Verbindung mit Monzonit vor, nicht als
Durchbruchsgesteine des Kalkes (abgesehen von der Kalkscholle
am T. d. Mason); ebenso wenig fand ich Camptonite, Rizzonite
und Monchiquite außerhalb des Monzonites. Es sind dies also
Gesteine aus der Ganggefolgschaft des Monzonites. Bei
Predazzo kommen Quarzsyenite und Granitgänge auch Im
Kalke vor.
Welche von den Ganggesteinen, die basischen melano-
kraten oder die sauren leukokraten, jünger sind, kann ich nicht
sicher entscheiden, da Beweise fehlen; gemischte Gänge habe
ich nicht beobachtet und kommen die beiden Klassen von Ge-
steinen durchaus getrennt vor. Da jedoch die syenitisch-grani-
tischen Ganggesteine an einigen Punkten Einschlüsse enthalten.
Der Monzoni und seine Gesteine. 215
welche dem Monzonitporphyrit entsprechen (siehe unten S. 208),
so waren sie wahrscheinlich jünger als letztere.
Bezüglich der Camptonite gegenüber Syeniten fehlt ein
sicherer Anhaltspunkt. Zu bemerken ist, daß allerdings dort,
wo Camptonite zu beobachten sind, in der Nähe auch saure
granitische oder quarz-syenitische Gesteine zu beobachten sind,
wenn auch niemals unmittelbar nebeneinander (siehe Verbreitung
der Gesteine). Es könnten also die beiden Klassen von Gesteinen
als Sonderungsprodukte eines monzonitischen Magmas be-
trachtet werden und sie wären daher wohl ziemlich gleichalterig.
Im allgemeinen wird man daher sagen können: Als ältestes
Magma erscheint an einigen Stellen noch das ungesonderte
monzonitische Magma, als jüngstes das vollständig gesonderte,
wobei die Reihenfolge der Mineralausscheidung dem Alter der
differenzierten Gesteine entspricht. Zum Schluß kommen die
Gesteine der Ganggefolgschaft, wobei wohl die Camptonite die
jüngsten sein dürften.
Geologisches Alter der Eruptivgesteine. Was nun
die von Salomon und Ogilvie vertretene Ansicht anbelangt,
es seien die Monzonite tertiären Alters, so liegt für dieselbe
kein Beweis vor, sie ist nicht einmal wahrscheinlich. Die angeb-
liche Analogie mit anderen Eruptivgesteinen, deren Alter
ebensowenig bestimmt ist, kann doch nicht als Beweis ange-
sehen werden. Für eines dieser Tiroler Eruptivgebilde ist nach
einer vor kurzem veröffentlichten Beobachtung von H. v. Wolff 1
ein jüngeres Alter ausgeschlossen, da der Quarzporphyr Bruch-
stücke des Granits enthält. Speziell für das Bachergebirge,
welches Salomon zu seinen tertiären peri-adriatischen Graniten
rechnet, habe ich bei einer Besichtigung in diesem Jahre wieder
die Unwahrscheinlichkeit des jüngeren Alters des Granits er-
kannt; die Tertiärgesteine liegen gewiß darüber. Auch für die
Cima d\Asta dürfte eher ein früheres Alter vorliegen. Auch aus der
neuesten Publikation von M. Ogilvie Gordon2 kann ich keinen
Beweis für ihre Behauptung des tertiären Alters herausfinden.3
i Sitzungsber. Berl. Akad., November 1902.
2 Monzoni and Upper Fassa, Journ. of Geology, 1902, July.
3 M. Ogilvie-Gordon deduziert das tertiäre Alter der Monzonite aus
der Richtung der Faltungslinien, welcher dasMonzonitmassiv folgt; da nun diese
216 C. Doelter,
Was die lamprophyrischen Ganggesteine im E des Mon-
zoni anbelangt, so wird für sie in deren Schrift ein miozänes
Alter deduziert auf Grund von Faltungserscheinungen und Ver-
werfungen an der Campagnazza und dem Allochet-Le Seilezug.
Einen zwingenden Beweis für jene Annahme konnte ich nicht
finden, man wird sie allerdings für jünger als die dortigen Trias-
schichten halten müssen.
Wenn es jedoch richtig wäre, daß im Schierndolomit und
den oberen Triasschichten solche Gänge auftreten, so würde
daraus allerdings folgen, daß sie noch jünger wären, was ich
nicht für unmöglich halte; ob man nun daraufhin einen Rück-
schluß auf das Alter des Monzonils zu machen haben wird und
denselben für jünger als die Trias halten soll, läßt sich schwer
sagen, wäre aber unter der Voraussetzung der Richtigkeit jener
Behauptung nicht unwahrscheinlich, da ein Zusammenhang
mit den basischen Gängen leicht denkbar ist.
Sehr wichtig ist für uns die Frage, ob Monzonit oder
Melaphyr jünger ist. Gerade am Monzoni ist die Frage nicht
leicht zu entscheiden; die großen Durchbrüche von Melaphyren
und Breccien stehen nicht im Zusammenhang mit dem Monzonit.
Wahrscheinlich ist nun, daß die von mir für Ströme gehaltenen
Pizmcdamelaphyre erst nach der Bildung der dortigen Triaskalke
geflossen. Was nun die vielen basischen Gänge anbelangt, so
halte ich sie für jünger als die Monzonite. Bei Allochet sehen
wir einen analcimhaltigen Labradorporphyrit, einen Allochetit,
den Monzonit und die Kalksteine durchbrechen; da diese Ge-
steine Übergänge in Labradorporphyrite, die auch den Kalk
durchbrechen, zeigen, so ist Wahrscheinlichkeit vorhanden,
daß der Labradorporphyrit jünger ist als der Monzonit. An
der Westseite des Pizmedaabhanges hatte ich 1874 einen Por-
phyrie (Melaphyr-) Gang gefunden, welcher sowohl den Mon-
zonit als auch die Kalksteine durchbricht; es war dies auf einer
Exkursion mit Prof. Hoernes und rührt die Zeichnung des
Vorkommens von ihm her (Taf. V, Jahrb. d. g. R. A., 1875).
Falten sich erst in der Tertiärzeit, wie alle Störungen dort, gebildet haben
sollen, so muß auch die durch diese Bewegungen der Erdrinde hervorgetretene
Eruption des Monzonits dieser Periode angehören.
Der Monzoni und seine Gesteine. 217
Dies Gestein habe ich wieder untersucht, es ist kein Camptonit.
Ich erwähnte dann noch zwei Beispiele am Toal de Mason und
am Ricoletta-Nordabhang von melaphyräholichem Gestein, ab-
gesehen von dem als Findling vorkommenden, im Traversellit-
tale gefundenen Plagioklasporphyrit.
Dagegen ist das am Mal Inverno in der Parallelschlucht
zur Ricolettaschlucht gefundene, den Monzonit durchbrechende
Gestein ein zur Melaphyrgruppe gehöriger Diabasporphyrit.
Es ist also in einigen Fällen sicher, daß Gesteine dieser
Gruppen, die übrigens den Monzonitporphyren verwandt sind,
den Monzonit durchbrechen.
Sehr reich an eruptiven basischen Gängen ist die Fort-
setzung der Costa bella gegen Fucchiada und das nordöstliche
Kalkgebirge. Es ist zwar unsicher, ob auch diese Gänge mit
der Intrusion am Monzoni zeitlich in Verbindung stehen, ob sie
jünger oder älter sind als der Monzonit, aber das Vorkommen
einiger allerdings seltener solcher Gänge im Monzonit würde
eher für ein jüngeres Alter sprechen. Die Richtung der Gänge,
welche mit der Richtung der Monzonispalte im Einklänge steht,
spricht für einen genetischen Zusammenhang.
Bei Predazzo sind nach Becke, Brögger, Romberg die
Granite jünger als die Porphyrite. Für einen Teil derselben
dürfte dies ziemlich sicher sein, ob für alle Porphyrite, wird
noch strenger zu beweisen sein.
Die am Kontakt zwischen Monzonit und Melaphyr (Por-
phyrit)zutage tretenden Erscheinungen : porphyrartige Struktur,
respektive Kleinkörnigwerden des Monzonits machen es wahr-
scheinlich, daß die Melaphyre des Mulatto, des Feodale, der
Forcella älter sind als die Monzonite, doch sprechen gerade
manche Erscheinungen für Übergänge dieser Gesteine.
Anderseits dürfte es auch dort Melaphyre geben, welche
in kleinen Gängen den Monzonit durchbrechen und keine
Camptonite sind, z. B. an der Malgola.
Unwahrscheinlich erscheint mir die zuerst von Salomon
ausgesprochene Ansicht, daß zwischen Melaphyren und Mon-
zonit bei Predazzo kein Zusammenhang bestehe und daß die
Melaphyre, einer älteren Epoche angehörend, nur zufällig von
dem Monzonit und Granit durchbrochen wurden; da scheint es
218 C. Doclter,
mir dann noch weniger wahrscheinlich, zwischen Granit und
Monzonit einen Zusammenhang anzunehmen.
Freilich, kann niemand den Zusammenhang nachweisen
(auch das Gegenteil nicht), aber das Zusammenvorkommen der
drei Gesteine einem Zufalle zuzuschreiben, ist doch untunlich.
Die Frage, ob der Monzoni ein Lakkolith (oder Batholith)
sei, hatte ich schon früher1 besprochen und zwar im verneinenden
Sinne beantwortet. Die Zusammensetzung des Monzoni aus
vielen Gängen, von denen ja manche ganz deutlich sind, zeigt,
daß keine Bildung aus einem Guß vorliegt. Die Grenzen gegen
die durchbrochenen Schichten stimmen nicht mit den für die
Lakkolithen geforderten, der Monzonit entspricht nicht einem
bestimmten Niveau.
Selbst Salomon ist nicht überzeugt, daß die Monzonite
Lakkolithe seien. Diese Bezeichnung würde nur dann anwend-
bar sein, wenn man sie mit der eines intrusiven, in größerer
Tiefe erstarrten Gesteins identifiziert.
Die Entstehung der Monzonigesteine.
Ich habe bereits früher auseinandergesetzt, daß die Mon-
zonigesteine durch Differentiation aus einem Stammagma
entstanden sind, da sich die Variationen der Zusammensetzung
nicht anders erklären lassen; eine wenn auch nicht sehr bedeu-
tende Beeinflussung durch das Nebengestein mag aber stellen-
weise stattgefunden haben und der höhere Kalkgehalt dürfte
mit den vielen kleinen im Monzonit versunkenen Kalkschollen,
die sowohl am Süd- wie am Nordabhange beobachtet wurden,
zusammenhängen.
Dem Einfluß des Nebengesteines müssen wir den bei den
Monzoniten des Monzoni konstatierten höheren Kalkgehalt zu-
schreiben, welcher an der Kalkgrenze natürlich wächst, wie
dies die Analyse des Gesteines von Costella gegen Valaccia
zeigt. Selbstverständlich können wir aber nicht annehmen, daß
die Verschiedenheiten in den Analysen nur durch den Einfluß des
Nebengesteines zu erklären wären. Da aber sämtliche Gesteine
i L. c, 1902.
Der Monzoni und seine Gesteine. 219
Verwandtschaften aufweisen und örtlich aneinander gebunden
sind, so werden sie wohl aus einem gemeinsamen Herd durch
Differentiation entstanden sein. Daß dieselben teilweise in scharf
abgegrenzten Gängen auftreten und sich gegenseitig durch-
setzen, kann daran nichts ändern. Solche scharfe Abtrennung
kann auch bei Differentiationsgängen auftreten.1 Die Gänge
sind am Monzoni nicht immer von großer Ausdehnung, sie sind
oft mehr schollen-, ja sogar mehr linsenartige Einlagerungen.
Aber auch dort, wo deutliche Gänge zu beobachten sind, sind
diese als Differentiationsgänge aufzufassen.
Die Ansicht, daß Pyroxenite und Monzonite nicht zu-
sammenhängen, ist schon deshalb unhaltbar, weil niemals
Pyroxenit- oder Gabbrogänge etwa im Kalk vorkommen oder
überhaupt außerhalb des Monzonimassivs. Sie können auch im
Alter nicht bedeutend verschieden sein und selbst, wenn am
Kontakt von Pyroxenit und Monzonit Erscheinungen wie: kleine
Apophysen, feineres Korn etc. auftreten sollten, so würde dies
nicht beweisen, daß der Pyroxenit erst nach völligem Festwerden
des Monzonits entstanden wäre, denn es ist hiebei zu bemerken,
daß auch bei durch Differentiation entstandenen Gesteinen eine
feinkörnige Struktur am Kontakt denkbar ist; es kommt dies
auch vor, z. B. an dem Traversellitfundort findet man das grüne
Pyroxengestein in Verbindung mit Labradorfels und einem
Mittelgestein zwischen Gabbro und letzterem, wobei das
Pyroxengestein jedenfalls zu dem Labradorfels in dem Verhältnis
steht, daß beide aus Gabbro durch Differentiation hervor-
gegangen sind (auch an anderen Stellen wird Pyroxenit mit
Labradorit zusammen gefunden). An jener Stelle nun entsendet
der grüne Augitfels Gangschnüre in das Nebengestein und ist
sogar am Kontakt etwas feinkörniger. Trotzdem glaube ich, daß
die beiden Gesteine einem Sonderungsprozeß ihre Entstehung
verdanken.
Ebenso bei kleinen apophysenartigen Eindringlingen von
Pyroxenit und Gabbro. Nehmen wir an, eine solche Sonderung
finde statt (aus welchen Gründen wollen wir hier nicht erörtern),
i Vergleiche auch meine Versuche, Tscherm. Min. Mitt., 1902, Bd. XXI,
Heft III.
220 C. Doelter,
so werden die Sonderungsprodukte, z. B. Labradorit und Pyro-
xenit, nicht gleichzeitig zu erstarren brauchen, da die Erstar-
rungspunkte (ob es nun die Schmelzpunkte oder die soge-
nannten eutektischen Punkte sind, ist gleichgütig) verschieden
sein können; erstarrt das eine früher, so befindet sich das
zweite noch teilweise flüssige im Kontakt mit dem bereits festen,
und kann es an der Kontaktfläche rascher erstarren und auch
Hohlräume im ersteren ausfüllen; bei Labradorfels und Augitfels
scheint dies durchaus nicht unmöglich.
Aber auch in anderen Fällen können Differentiations-
produkte infolge solcher Vorgänge bei der Erstarrung den Ein-
druck hervorbringen, als sei das eine später in das andere
eingedrungen, ohne daß solches tatsächlich stattgefunden
zu haben braucht. Überhaupt sind unsere Beobachtungen be-
züglich der Genesis verschiedener Strukturen noch sehr unvoll-
kommen; Experimente, die maßgebend wären, fehlen ganz und
trotzdem werden Schlüsse gezogen, die an einem Punkt viel-
leicht richtig, an anderen Orten sich nicht bewähren. So erwies
sich auch die frühere Annahme, daß die basischen Ausschei-
dungen die älteren sein müssen und daher an der Außenfläche
erstarren, wie Brögger für den Monzoni annahm, als durch-
wegs unrichtig. Die Pyroxenite sind weder Grenzbil-
dungen noch sind sie die ältesten Ausscheidungen,
das Gegenteil ist eher richtiger. Ebenso wenig bewiesen wie
jene Annahme ist die neuerdings so häufig auftauchende, daß
die basischen Gesteine die ältesten sein müssen, während man
früher genau das Gegenteil annahm. Es gibt für beide Reihen-
folgen genügend Beispiele, welche eben beweisen, daß eine der-
artige gesetzmäßige Reihenfolge weder in dem einen noch in
dem anderen Sinne existiert.
Als Endresultate derDifferentiation des Magmas erscheinen
die gesteinsbildenden Mineralien: Olivin (als Peridotit), Pyroxen
(als Pyroxenit), Labrador (als Labradorit und Anorthosit),
Orthoklas (als Orthoklasit, aber zumeist mit Plagioklas gemengt,
daher Feldspatit). Wir sehen hier wie anderwärts die über-
einstimmende Wirkung der Differentiation in der Sonderung
der Mineralien, welche die eigentlichen Kerne sind, wie
Brögger überzeugend nachgewiesen hat. Da aber die völlige
Der Monzoni und seine Gesteine. 221
Sonderung nur selten eintrifft, weil der Prozeß eben nur selten
vollständig beendet werden konnte, weil die hemmenden
Gegenreaktionen eintrafen, so entstehen Gemenge verschiedener
Mineralien: Pyroxen und Olivin, Labrador und Augit, Augit
und Orthoklas etc. Als solche der Differentiation entgegen-
wirkende Ursachen können geringerer Druck, Entweichen des
Wassers und der Gase, welche die Sonderung durch Fluidität
(geringere innere Reibung) ermöglichen, Umkrustung, in Betracht
kommen, natürlich auch kürzere Dauer des Prozesses durch
raschere Abkühlung, doch dürfte letztere nicht so wichtig sein.
Die vollständige Differentiation kann daher nur ausnahms-
weise auftreten.
Die Frage, wo hat sich die Differentiation des Magmas
vollzogen, ließ ich in meinem vorjährigen Aufsatze noch offen,1
es ist mir jedoch wahrscheinlich, daß die Differentiation der
zwei Hauptgesteine Gabbro und Monzonit aus ihrem Stamm-
magma vielleicht schon in größerer Tiefe begann,2 jedenfalls
aber hat sich die Sonderung im Gangstocke fortgesetzt und
der größte Anteil derselben ist an Ort und Stelle gebildet.
Bestimmte Anhaltspunkte darüber fehlen gänzlich.
Welches ist nun das ursprüngliche Magma gewesen,
dessen Sonderung die jetzt vor uns liegenden Gesteine ergab?
Man nimmt gewöhnlich einen Monzonit als das zerfallende
Magma an, ich habe aber bereits früher gezeigt, daß am Mon-
zoni das Stammagma nicht etwa dem Mittel der Monzonite
entsprach, da den Mengen basischen Magmas des Monzoni zu
wenig saures entgegensteht; auch Gesteine von der erwähnten
Zusammensetzung werden noch imstande sein, sich wieder
zu sondern, wie das Beispiel des Syenitporphyrs von der
Costella zeigt, aber ein ursprüngliches Magma von 54 bis 55%
Si02 kann nicht Gesteine von 41% Si02 geben, ohne ander-
seits auch ebensoviel saure Gesteine zu liefern, und solche
sind am Monzoni nur in geringer Menge vorhanden.
Das Mittel der basischen Tiefengesteine habe ich unter
Berücksichtigung des Gesteines vom Mal Inverno (Anal. VII
i L. c, s. 213.
2 Also eventuell vor der Ausfüllung der Gangspalte.
222 C. Doelter,
der Tabelle, siehe I. Teil) neu (unter A) berechnet; die
Zahlen weichen von den früher1 angegebenen nur wenig ab (B).
A B
Si02 42-76 43-05
A1203 20-35 19-18
Fe208 5-05 5-27
FeO 8-55 8-7
MgO 5-22 527
CaO 14-40 14-36
NajO 2-45 2*54
K20 0-92 0*96
H20 0-82 0-95
Nun erinnere ich daran, daß der Monzonit vom Toal del
Mason, den ich analysierte, ein im Westteile des Monzoni
vielfach verbreiteter Typus ist und daß seine Zusammen-
setzung in der Mitte der basischeren Gesteine und der mehr
sauren Monzonite steht, er nähert sich chemisch dem früher
berechneten Mittel. Ich habe nun unter Berücksichtigung der
neueren Analysen das Mittel der Gesteine nochmals berechnet
und dabei auch die am Pizmedakamm und anderen Orten vor-
kommenden mehr sauren Syenite berücksichtigt und als Typus
das Gestein derCostella mit 63% Si02 genommen. Die Massen
des Monzonites und die basischen Gesteine2 verhalten sich
ungefähr wie 2:1-1. Für die Syenite kann man nur das Ver-
hältnis 2 :01 1 ungefähr zum Monzonit nehmen. Die Proportion
der drei Gesteine wäre demnach 2:1-1:0-11 für Monzonit,
basische Gesteine und Syenite. (Von den jüngeren Gang-
gesteinen wurde abgesehen.)
Diese Zahlen sind allerdings keine sicheren, ich habe
aber das Verhältnis der sauren und basischen Gesteine eher
etwas zu Gunsten ersterer verschoben, da das Verhältnis 2 : 1
oder selbst 2 : 1-1 nicht ganz richtig ist, eher dürfte die Zahl
2:12 entsprechen. Da aber doch unter den Monzoniten, wie
i Tscherm. Min. Mitth., XXI, Heft 3, S. 154.
2 Vergl. Tscherm. Min. Mitt., XXI, S. 212.
Der Monzoni und seine Gesteine. 223
auch die Kieselsäurebestimmungen Huber's zeigen, auch
solche mit 54 bis 55% existieren, so habe ich obiges Verhältnis
angenommen.
Ich stelle nun folgende Daten zusammen:
I. Monzonit vom Toai del Mason.
IIa. Früher berechnetes Mittel der basischen und sauren Ge-
steine unter Annahme des Massenverhältnisses 1 : 2 der
basischen Gesteine zum Monzonit (Mittelwerte Brögger's).
IIb. Mittel unter Annahme des Massenverhältnisses 1 : 2, wobei
für die Monzonite das Mittel sämtlicher Fleimser Mon-
zonite zugrunde liegt.1
III. Neu berechnetes Mittel unter der Annahme eines Massen-
verhältnisses 2 : 1*1 : 0"11 " für Monzonite, basische Ge-
steine und saure syenitische.
I IIa II* III
Si02 50-07 50-68 49-19 49*30
AI208 19-40 18-07 18-11 19* 1
l*2®* [ll-14 10-18 10-69 10-93
FeO )
MgO 4-01 3-68 4-01 3*8
CaO 9-99 10-65 11-53 10*94
NajO 3-60 3-01 3-02 2-9
KgO 2-19 2-65 2-46 23
H20 0-55 1-00 1-05 1-0
Wie ich schon früher bemerkte, haben diese Zahlen Ähn-
lichkeit mit Analysen, die Lemberg an Monzoniten vom Can-
zoccoli ausführte.
Der Gang der Differentiation: Als intermediäre Mag-
men zwischen den Endmagmen Pyroxenit, Anorthosit (Plagio-
klasit), Quarz-Feldspatit treten verschiedene Gesteine auf, die
mehr sauren Monzonite, wie der von Brögger analysierte,
der Augitdiorit, Gabbro; der Monzonit teilt sich wieder in
Syenitporphyr und den kersantitähnlichen basischeren Mon-
zonit. Der Augitdiorit und der Gabbro teilen sich in Pyro-
xenit und Plagioklasit. Der Monzonit kann sich auch in den
* Tscherm. Min. Mitt., XXI, S. 212.
224 C. Doelter,
Granit, Quarz-Feldspatit und ein camptonitisches Magma sondern
oder in ein melaphyrisches trennen.
Der Gang der Differentiation ist jedenfalls kein einfacher,
daher eine genaue Angabe, wie dieselbe erfolgte, sich in Zahlen
schwer ausdrücken läßt. Doch möchte ich darauf hinweisen,
daß, wenn man das anorthositähnliche Gestein von Mal
Inverno (Anal. VII der Tabelle) und den Pyroxenit (Anal. VI)
zusammen betrachtet und das Mittel der Zahlen berechnet,
unter der Annahme, daß man zweimal soviel von ersterem nimmt
als von letzterem (dem häufigen Massenverhältnisse Labrador-
Augit entsprechend), die erhaltenen Zahlen nicht sehr viel
abweichen (mit Ausnahme derjenigen für Magnesia und auch
etwas für Natron) von den Zahlen des Olivingabbro (Anal. VIII).
Die Abweichungen in den Zahlen der Magnesia erklären sich
durch den Olivingehalt dieses, es ist also nicht ein olivinhaltiges
Gestein als Muttergestein der beiden Sonderungsprodukte zu
betrachten, sondern ein olivinfreies.
Differentiation derGanggesteine aus dem Stamm-
magma. Wir können nur die Camptonite, Rizzonite, melaphyr-
artigen Gänge einerseits, die granitischen oder die Quarz-
syenite anderseits betrachten; hiebei zeigt sich aber, daß das
Mittel der letzteren und der ersteren ein Magma gibt, welches
zwar auch ungefähr einem Monzonit entspricht, aber doch
einen viel geringeren Tonerdegehalt und einen zu großen
Magnesiagehalt aufweist, so daß eine direkte Sonderung des
Monzonites andere Gesteine ergeben müßte. Zu bemerken ist,
daß das Magma der Rizzonite so ziemlich dem der Pyroxenite
entspricht, sehr hohen Magnesiagehalt und geringen Ton-
erdegehalt aufweist und ebenso geringe Mengen Alkali.
Wir haben vor allem Gesteine aus der Ganggefolgschaft,
welche so ziemlich derMonzonitzusammensetzung entsprechen,
dies wären die allerdings nicht sehr häufigen Monzonit-
porphyre, die sich ja nur durch die Struktur von den eigentlichen
Monzoniten unterscheiden. Dann haben wir Gesteine, welche
mit den Monzoniten chemisch und ihrem Mineralbestande nach
verwandt sind und zwar sowohl in der basischen melanokraten
Gruppe als auch in der leukokraten. Das beste Beispiel sind
für die ersteren die kersantitähnlichen, biotitführenden Gang-
Der Monzoni und seine Gesteine. 225
gesteine vom Pizmedakamm und anderen Orten (siehe I. Teil,
S. 968) und die eigentümlichen, zwischen Syenit- und Monzonit-
porphyr stehenden Gesteine der Costella (ibid. S. 975). Allerdings
ist dieses monzonitische Magma schon nicht mehr das ursprüng-
liche Stammagma.
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß das Mittel der
beiden Gesteine von der Costella (zwischen Mal Inverno und
Valaccia, das saure, porphyrartige, syenitische Gestein und
die darin enthaltenen Einschlüsse) Zahlen ergibt, welche den
Zahlen eines Monzonites sehr angenähert sind.
Die Zahlen sind:
Si02 55*65
Al2Os 16*95
Fe208 2-99
FeO 385
MgO 3-33
CaO 7-26
NagO 3*77
K20 4-04
Es verbleiben jetzt noch die Quarzsyenite, Granite einer-
seits, Camptonite, Rizzonite, melaphyrische Gesteine ander-
seits. Beide Gesteinsgruppen haben verhältnismäßig wenig
Tonerde, während die anderen Bestandteile ziemlich komple-
mentär sind; so ist das Mittel von Si02 für Rizzonit und den
quarzführenden Feldspatit 53*5, also einem Monzonit ent-
sprechend; auch CaO, NagO, Fe203 entsprechen den Zahlen
für Monzonit, während der Magnesiagehalt etwas zu hoch
ausfällt. Es ist infolgedessen nicht gestattet, die beiden Typen
als direkte Diflferentiationsprodukte eines monzonitischen Mag-
mas zu betrachten, die hier vorkommenden Camptonite sind
durchwegs feldspatarm, die Rizzonite sogar ganz feldspatfrei,
sie haben große Ähnlichkeit in ihrem Mineralbestand mit olivin-
führenden Pyroxeniten. Nephelin kommt in Camptoniten in
kleinen Mengen vor, dieser konnte in Pyroxeniten nicht ge-
funden werden, doch wäre es nicht unmöglich, daß sie aus-
nahmsweise einen kleinen Nephelingehalt führten. Die Spaltung
hat also nach mehr als zwei Richtungen stattgefunden.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXII. Bd., Abt. I. 1 5
226 C. Doelter,
Bei den melanokraten Ganggesteinen müssen noch die
Allochetit- und die Plagioklasporphyrite berücksichtigt werden,
welche neben den Camptoniten und Rizzoniten dieser Gruppe
angehören. Berücksichtigt man diese, so erhält man dann ein
Mittel der basischen Gesteine, welches zusammen dem Stamm-
magma entsprechen würde. Jedenfalls sind diese Ganggesteine
aber nicht durch einfache Subtraktion oder Addition
aus dem Stammagma ableitbar, sondern durch kompliziertere,
nicht ganz durchsichtige Prozesse. Es handelt sich eben um
eine Differenzierung, wobei nicht zwei, sondern mindestens
drei Faktoren eine Rolle spielen, indem eine gleichzeitige
Spaltung in drei oder mehr Richtungen zu vermuten ist.
Vergleich der Eruptivgesteine des Monzoni mit
jenen von Predazzo. Zwischen diesen beiden Eruptions-
stellen sind wichtige Unterschiede hervorzuheben. Die Mon-
zonite beider sind zwar vielfach ähnlich und viele sehr über-
einstimmend, doch sind Quarzmonzonite bei Predazzo viel
häufiger und zeigen sich zwischen den Monzoniten beider
Lokalitäten auch kleinere chemische Unterschiede im Kalk-
gehalt. Insbesondere aber in dem Verhältnisse der basischen
Tiefengesteine zu den Monzoniten liegt ein großer Unterschied;
während am Monzoni zirka ein Drittel oder eher drei Achtel
des Massivs den basischen Gesteinen angehört, sind solche
bei Predazzo selten und immer nur in kleinen Massen auf-
tretend. Ferner fehlen am Monzoni die Granite, welche bei
Predazzo ein gewaltiges Massiv bilden, während am Monzoni
nur einige kleine Gänge vorkommen.
Ein weiterer Unterschied, welcher aber wegen der Gering-
fügigkeit der Masse nicht so sehr ins Gewicht fallt, bezieht
sich auf die Nephelingesteine; abgesehen von den Liebenerit-
und Tinguait-Porphyrgängen, die jedenfalls, da nur in schmalen
Gängen vorkommend, eine ganz geringe Masse bilden (da sie
überdies selten sind), haben wir an der Ostseite des Mulatto
eine Anzahl auch nicht sehr mächtiger Nephelin-Syenitporphyre
und ein etwas größeres Massiv von teralithischem Nephelin-
syenit, die am Monzoni fehlen; diese sind jünger als der
Monzonit, den sie durchbrechen, dürften aber doch zu dem-
selben in einem genetischen Verhältnisse stehen. Nun ist es
Der Monzoni und seine Gesteine. 227
allerdings nicht ausgeschlossen, daß in einigen Pyroxeniten,
wie Weber meint, Nephelin vorhanden war, aber dieses
Mineral ist in den Tiefengesteinen des Monzoni äußerst selten,
die einzigen Nephelingesteine am Monzoni sind einzelne Gang-
gesteine, Camptonite und Allochetite, in welchen aber der
Nephelin auch nicht stark verbreitet ist.
Die Melaphyr- und Porphyritmassive sind am Monzoni
ebenfalls selten, während sie dagegen bei Predazzo häufig
sind; es sind also hier die basischen Tiefengesteine durch
solche Ergußgesteine ersetzt, wenngleich die letzteren keinen
so basischen Charakter haben wie die Tiefengesteine des Mon-
zoni. Die Masse der Ergußgesteine von Predazzo, wie sie am
Mulat, Viezzena, Feodale, Dosso Capello auftreten, ist viel
bedeutender als die der Monzonite; meiner Ansicht sind
Monzonite und Melaphyre chemisch ident und nur durch
die Struktur verschieden. Geschmolzener Monzonit erstarrt
als Porphyrit, respektive Augitandesit.
Das Mittel der Melaphyre und Porphyrite von Predazzo
wurde von Brögger berechnet aus 7 Analysen (II), K. Fabian
hat aus 15 Analysen ein von jenem nicht sehr abweichendes
Mittel berechnet.
Vergleichen wir die Zahlen Brögger's mit den von K.
Fab i an * als Mittel für die Melaphyre und Porphyrite erhaltenen,
so ist der Unterschied kein sehr großer (I); unter II ist das von
Brögger für Melaphyranalysen berechnete.
I II
Si08 50-37 49-14
A1208.... 18-04 17-06
^••'j 9-14 9-68
FeO (
MgO 4-50 5-51
CaO 9-08 10-81
Na^O 2-56 247
K20 309 2-86
H20 2-38 2-04
1 Ober einige Porphyrite und Melaphyre des Fassa- und Fleimsertales.
Graz, 1902.
15*
228 C. Doelter,
Indessen muß betont werden, daß gerade von den etwas
mehr sauren Plagioklasporphyriten nur wenig Analysen exi-
stieren, daß dagegen die herangezogenen Lemberg'schen sich
zumeist auf Gänge beziehen, die also nicht maßgebend sind.
Brögger hat die nicht unwahrscheinliche Hypothese auf-
gestellt, daß die Porphyrite (Melaphyre) das effusive Äquivalent
der Monzonite seien.
Gerade das Fehlen der größeren Massen von basischen
Tiefengesteinen bei Predazzo im Gegensatz zu Monzoni weist
darauf hin, daß ein basisches Äquivalent in den Melaphyren
(Porphyriten) zu suchen ist, umsomehr als hier größere, am
Monzoni fehlende Massen sauren Magmas (Granite) auftreten.
Ein strikter Beweis liegt allerdings bisher nicht vor, da ein
direkter Übergang bisher nicht mit Sicherheit konstatiert
wurde.
Schwerer verständlich ist bei dieser Hypothese, wie sich
einerseits Gesteine vom Typus der Tiefengesteine, anderseits
effusive bilden konnten; die einen müßten unter großem Druck,
die anderen bei geringem erstarrt sein; das würde aber vielleicht
voraussetzen, daß sie zu verschiedenen Epochen entstanden
sind. Allerdings sind unsere Erfahrungen in petrogenetischer
Hinsicht bezüglich unter hohem Druck erstarrter Gesteine sehr
gering.
Diese Beziehungen zwischen Struktur und Druck sind noch
zu wenig aufgeklärt. Sehr merkwürdig ist bei den Monzoniten
das wiederholt konstatierte Wechseln der Struktur,1 welches
man nicht nur bei räumlich voneinander getrennten Gesteinen,
sondern an einem und demselben Gang beobachtet, die normale
granitisch körnige Struktur wird bald porphyrartig, bald
ophitisch. Ähnliches konstatiert man auch bei den basischen
Dioriten, Gabbro etc. des Monzoni.
Man müßte annehmen, daß der Druck gewechselt hat
während der Eruption. Unmittelbar ist es aber nicht nur der
Druck noch die Temperatur gewesen, welche den steten
Wechsel erzeugten, sondern ein dritter Faktor, die Anwesenheit
der Mineralisatoren und des Wassers; deren Einfluß auf die
i Weber, Zentralblatt, 1901.
Der Monzoni und seine Gesteine. 229
Struktur ist noch nicht im Detail studiert, aber er dürfte sicher
kein geringer sein. Am Monzoni findet auch bezüglich der
Größe des Kornes ein steter Wechsel statt, auch bei Predazzo;
zum kleinsten Teil ist dies auf Veränderungen durch Erstarren
in der Nähe bereits erkalteter Massen zurückzuführen, da z. B.
oft gerade am Kalk recht grobkörnige Gesteine vorkommen
und größere Gänge feinkörnig erscheinen.
Nun hängen aber die Mengen von Wasser und der
Mineralisatoren ja von Druck und Temperatur ab und daher
sind wir gewohnt, nur diese zu berücksichtigen, es könnte
jedoch das Verhältnis obgenannter Faktoren auch noch von
anderen Ursachen z. B. von chemischen Prozessen und der
Temperatur abhängen und daher, ohne daß der Druck sich zu
verändern brauchte, Strukturunterschiede eintreten.1
Das Stammagma der Predazzaner Gesteine. Es ist
immerhin wahrscheinlich, daß das Mittel der Predazzogesteine
etwas saurer war als das vom Monzoni; unter den Tiefen-
gesteinen gibt es (abgesehen vom Granit) saurere als am Mon-
zoni, es kommen bei Predazzo viel mehr Quarzmonzonite mit
57 bis 59% Si02 vor, dann Augitsyenite,8 auch die typischen
Monzonite haben einen Si02 -Gehalt von 54 bis 57% nac^
v. Huber (Jahrb. d. geol. R. A., 1900). Ferner fehlen die großen
Massen von Pyroxenit und Gabbro, die nur wenig verbreitet
sind. (Man könnte noch anführen, daß die Porphyrite vom
i Reyer hatte die Hypothese aufgestellt, daß die Granite sich unter dem
Druck des Meerwassers submarin bildeten. Nun wissen wir heute, daß dies
nicht der allgemeine Fall, sondern daß der häufigere der der lakkolithischen oder
batholithischen Erstarrung unter dem Druck der höheren Schichten sich voll-
ziehende. Es wäre von Interesse zu erfahren, welches der Minimaldruck ist, der
notwendig wäre, um die Struktur der Granite zu erzeugen. Nebenbei möchte
ich die Bemerkung machen, daß der Granit bei Predazzo am Südabhang des
Mulatto schon bei 1300 m, also auch in tieferen Schichten bereits feinkörnig ist,
also nicht nur am Kontakt. Ich vermute, daß der Granit von Mulatto keinem
sehr hohen Druck unterworfen war, sonst könnte er auch wohl nicht Glasein-
schlüsse fuhren. Bei diesem Vorkommen wäre daher Reyer*s Ansicht nicht
ungerechtfertigt, wenngleich sie jetzt weniger wahrscheinlich erscheint.
8 Der Augitsyenit südlich der Gardonealpe hat nach einer unveröffent-
lichten Analyse von Dr. Ippen zirka 60 °/0 Si09. (Dieses Gestein darf nicht
mit dem in der Nähe befindlichen Monzonit von 52 % Si02 verwechselt
werden, was Romberg 1. c, S. 30 tat.)
230 C. Doelter,
Mulatto saurer sind als die vom Monzoni.) Freilich liegen von
den Predazzotiefengesteinen noch zu wenig Analysen vor, um
sicheres sagen zu können, aber die Wahrscheinlichkeit, daß
das Magma, welches die Predazzogesteine lieferte, etwas
saurer war, ist vorhanden.
Ein Mittel für Predazzo läßt sich viel schwerer berechnen,
weil es viel schwerer ist, die Massen der einzelnen Gesteine zu
schätzen, und auch deshalb, weil die chemische Zusammen-
setzung der Melaphyrmassive nicht genügend bekannt ist, da
die meisten Analysen sich auf kleinere Gänge beziehen. Es ist
auch schwer zu sagen, ob alle Melaphyre zeitlich mit den
Eruptionen der Tiefengesteine zusammenhängen, ob nicht
einzelne ersterer viel älter, manche gar jünger sind, z. B. die
Cornongesteine.
All dieses erschwert eine Berechnung. Der von mir
gemachte Versuch kann also nur ganz annähernde Resul-
tate liefern. Ich habe nun nach der Karte die von den einzelnen
Gesteinen eingenommenen Areale geschätzt und unter Berück-
sichtigung der Höhen würde man ungefähr für Granit, Mon-
zonit und Melaphyr das Verhältnis 1:2*5:8 erhalten, dabei
sind die Cornongesteine in die Rechnung nicht einbezogen
worden.
Berechnet man nun nach dem oben angegebenen Verhält-
nisse die Mittelzahien für Granit, Monzonit, Porphyrit, Mela-
phyr, so erhält man nachstehende Zahlen. Das Mittel der Mela-
phyre ist nach K. Fabian angenommen, das der Granite aus
den vorhandenen fünf Analysen berechnet und für die Mon-
zonite die Brögger'schen Werte eingesetzt worden.
Mittel der Mittel der Mittel der
Melaphyre Granite Monzonite
SiOt 50-37 70-94 55*88
A1208.... 18-04 14-60 18-77
Fe203<
FeO
9-14 3-25 8-20
MgO .... 4-50 0-51 2-01
CaO 9-08 0-76 7- —
NagO .... 2-56 2-98 3-17
K20 3-09 6-39 3-67
H20 2 38 0-87 1-25
Der Monzoni und seine Gesteine. 231
Unter Berücksichtigung der angegebenen Zahlen für diese
Massen, die allerdings, wie ich ausdrücklich betone, sehr
dehnbar sind, erhielt ich nun nachstehendes Mittel für das
Magma.
Si02 53-44
A1208 17-9
£<?:::{•■«
MgO 3-51
CaO 7*94
Na20 2-76
K20 3-48
H20 1-88
Wie man sieht, entsprechen diese Zahlen auch der
Zusammensetzung eines Monzonites, und wenn sie auch
im Detail anfechtbar sind, so ist das Interessante dabei doch
das, daß das Magma bei Predazzo wie am Monzoni ein mon-
zonitisches ist, an ersterem Orte ein saureres als an letzterem.
Stammen nun die Monzonigesteine einerseits, die von
Predazzo anderseits aus demselben Magma? Bei der großen
Ähnlichkeit des Hauptgesteins sowohl wie auch aller Typen
(die Nephelingesteine etwa abgesehen) ist dies zu vermuten;
man ist allerdings früher in der Schätzung dieser Ähnlichkeit zu
weit gegangen und hat ohneweiters die Gesteine völlig identi-
fiziert, z. B. auch die in kleinen Gängen vorkommenden grani-
tischen Gesteine des Monzoni als aus dem Predazzoherde
stammend dargestellt, dieMonzonite beider Lokalitäten alsident
betrachtet, trotzdem z. B. der Kalkgehalt und Alkaliengehalt
beider doch verschieden zu sein scheint, wie sich denn alle
Monzonigesteine, sogar der saure Syenitporphyr der Costella
durch höheren Kalkgehalt auszeichnen. Immerhin wird man zu
dem Resultate gelangen, daß die Stamm agmen ähnlich sind und
beide einen gemeinschaftlichen Ursprung haben.
Bezüglich des Kalkgehaltes, welcher in allen Monzoni-
gesteine n ein sehr hoher ist, habe ich bereits früher ausge-
sprochen, daß das Einsinken vieler Kalkschollen in das Magma
nicht ohne Einfluß geblieben sein kann.
232 C. Doelter,
Man könnte auch auf die Idee kommen, daß ein Magma
wie das von Predazzo sich in ein basisches Monzonimagma
und in saures Astamagma gespalten habe. Solche Berechnungen
sind aber sehr hypothetisch, um so mehr, als die Cima d'Asta-
gesteine chemisch wenig bekannt sind und Berechnungen der
Massen äußerst unsicher sind. Noch weiter zu gehen und die
übrigen südtiroler eruptiven Bildungen ebenfalls ihrer Zu-
sammensetzung und Masse nach in Rechnung zu ziehen, wie
es Brögger getan hat,1 scheint mir denn doch vorläufig von
äußerst problematischem Nutzen.
Die Kontakt Wirkungen. — Eine gewisse Beziehung
zwischen Differentiation und Kontaktwirkung ist schon von
Brögger wahrscheinlich gemacht worden. Die Mineralien, die
im Kontakt erscheinen, sind zumeist die Mineralbestandteile:
Olivin, Fassait, Augit, Magnetit, Anorthit, Labrador, Biotit, teil-
weise aber sind sie aus der Einwirkung auf das Nebengestein
und durch den Einfluß des Kalkes entstanden: Idokras, Brucit
(aus Periklas), Granat, Spinell.
Was nun die an den Fundstätten auftretenden Gesteine
anbelangt, so ist daran sowohl der Monzonit als der Syenit,
Gabbro und Pyroxenit beteiligt.
Bezüglich der Kontaktverhältnisse der Eruptivgesteine hat
Lemberg zahlreiche chemische Untersuchungen ausgeführt,
die, trotzdem aus seinen Beschreibungen nicht immer sicher zu
erkennen ist, um welches Gestein es sich handelt, respektive
wie diese jetzt zu benennen wären, durch die vielen Analysen
immer noch als sehr wertvoll gelten müssen. Weber* hat
anderseits viele Schliffe von Kontaktgesteinen an der Ostseite
des Monzoni untersucht, leider ohne chemische Analysen.
Eine Untersuchung der Kontakte mit Zuhilfenahme von
Analysen, namentlich auch von Mineralien, wird noch manches
Neue zutage fördern.
Zu den früher bekannten Kontaktmineralien ist noch hin-
zuzufügen der Perowskit, auf welchen Weber aufmerksam
machte, der wohl nur in kleinen, mit freiem Auge gerade noch
i L. c, s. 158.
* Die Kontaktverhältnisse vom Monzonital nach Allochet. Würz-
burg, 1899.
Der Monzoni und seine Gesteine. 233
sichtbar, selten in etwas größeren auftritt. Weber erwähnt noch
ein dem Dysanalyt ähnliches Mineral.
Ein Mineral, welches am Kontakt häufig auftritt, ist der
Titanit, welcher sonst in Monzonigesteinen nicht gerade häufig
auftritt; nur in einzelnen Kontaktgesteinen tritt er in größeren
Mengen auf, so südlich vom Le Seile- See, am Fuggeritfundort,
in den syenitischen Gesteinen des Palle rabbiose.
Auch das von mir erwähnte,1 sehr titanitreiche monzoni-
tische Gestein zwischen Palle rabbiose liegt zwar nicht un-
mittelbar am Kontakt, aber in der Nähe des Kalkes.
Über das Verhalten des Augits hat Weber berichtet.
Spinell erscheint sehr häufig in den Kalken, vollkommene
Spinellisierung der Gesteine scheint hauptsächlich bei kleineren
Gängen aufzutreten. Hämatit scheint nur sehr vereinzelt in den
Kontaktgesteinen aufzutreten.
Korund erscheint äußerst selten, ebenso ist der Zirkon
nicht häufig; beide finden sich, wie früher (I. Teil, S. 971) ange-
geben, am Pizmedakamm. Weber erwähnt ihn von Allochet
mit Sillimanit.
Zur Karte des Monzoni.
Eine petrographische Karte des Monzoni, auf welcher alle
Varietäten zur Ausscheidung gelangen würden, ist derzeit
schon mit Rücksicht auf die mangelhafte topographische Unter-
lage unmöglich; der Maßstab von 1 : 25.000 wäre dazu auch
ungenügend, aber selbst bei dem von mir früher 1875 ange-
wandten Maßstabe von 1: 12.500 müßte vor allem eine genaue
Karte des Gebirges vorhanden sein; außerdem ist aber ein
Teil des felsigen Gebirges überhaupt nicht zugänglich. Es ist
also nur möglich, die Haupttypen auszuscheiden, aber immer
nur die vorherrschenden, da in einer Distanz von 100 m oft ein
acht- bis zehnfacher Gesteinswechsel eintritt.
Von einer Ausscheidung der verschiedenen Gesteinsarten
habe ich aus diesen Gründen abgesehen; die mangelnde topo-
graphische Unterlage ist auch die Ursache, welche mich bewog,
i Tscherm. Min. Mitt., XXI.
234 C. Doelter,
eine Reproduktion im Maßstabe 1:12.500 zu unterlassen, da auf
meiner alten Karte infolge von unrichtigen Höhenangaben (ins-
besondere am Mal Inverno) die Höhenkoten nicht ganz richtig sind
und eine Korrektur eben nicht möglich war; es wäre allerdings
noch der Ausweg geblieben, die jetzige Generalstabskarte zu
vergrößern, aber es wären dann die Fehler ebenfalls vergrößert
worden. Zu einer solchen Karte im großen Maßstabe fehlt noch
das topographische Material und kann erst nach Vollendung
der neuen Karte mit den nötigen Höhenmessungen erhalten
werden.
So blieb nichts übrig, als, abgesehen von den Gang-
gesteinen, nur die sauren und basischen Tiefengesteine zu
sondern, wobei aber weder die im Gebiete der letzteren vor-
kommenden sehr häufigen Monzonite noch die innerhalb der
Monzonite allerdings weit seltener erscheinenden kleineren
Gänge von Gabbro und Pyroxenit besonders verzeichnet werden
konnten. Es wurden daher auf der Karte ausgeschieden vor-
wiegend Monzonit, d. h. hauptsächlich Monzonit mit unter-
geordnetem Diorit, Gabbro, Pyroxenit, und vorwiegend
basischeGesteine, also Gabbro, Diorit, Gabbrodiorit (Gabbro-
diabas), Pyroxenit mit untergeordneten Einlagerungen von
Monzonit.
Die im Verbände des Monzonits auftretenden Syenite und
sauren Quarzmonzonite konnten nicht speziell ausgeschieden
werden. Sie sind namentlich an der Südwestecke und im Toal
della Foya vorherrschend, auch am Palle rabbiose. Es wurden
Monzonite und diese Syenite zusammengezogen.
Unter Melaphyr sind zu verzeichnen eigentliche Mela-
phyre und Plagioklasporphyrite sowie Augitporphyrite.
Die mit den Plagioklasporphyriten verwandten Allochetite
werden mit der Farbe des Melaphyrs bezeichnet, aber durch ein
A hervorgehoben.
Die ganz seltenen Liebeneritgänge konnten nicht besonders
getrennt werden.
Die Serpentingänge, die am Predazzitbruch bei Le Seile
vorkommen, wurden mit derselben Farbe wie die Peridotite
bezeichnet, obgleich sie wohl eine andere Entstehungsart haben
dürften.
Der Monzoni und seine Gesteine. 235
Camptonite Monchiquite und Rizzonite wurden zusammen-
gezogen, auch wurden die jüngeren Granite, Quarzsyenite,
Syenite, Feldspatite vereinigt, ebenso wurden Monzonitporphyre
und die kersantitähnlichen Monzonite zusammengezogen.
Den graugrünen, S. 173, erwähnten Dioritporphyr von
Allochet habe ich aus dem Quarzporphyr besonders ausge-
schieden und als dioritischen Porphyr bezeichnet. Die an der
Porphyrgrenze auftretenden Quarzite und Porphyrtuffe wurden
nicht vom Porphyr und Quarzporphyrit getrennt.
236 C. Do elter, Der Monzoni und seine Gesteine.
Tafelerklärung.
A.
Das Melaphyrgangmassiv bei Cadin bei.
B.
Das oberste Pizmedatal mit den Durchbrüchen von Melaphyr und dem
Kalkmonzonitkontakt : 1 Kalk, 2 Melaphyr, 3 Monzonit.
Der Kontakt zwischen Kalkstein und Monzonit am Westabhang des
Pizmedatales.
X X Eingeklemmte Kalkschollen mit den Mineralfundstätten.
D.
Melaphyrstrom, blocklavaähnlich, in der untersten Pizmedaschlucht.
C. Doelter: Der Monzoni und seine Gesteine.
A
Tafel I.
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Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXII, Abt. I, 1903.
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237
Über einige melanokrate Gesteine des Monzoni
von
K. Went.
(Mit 1 Tafel und 6 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 10. Februar 1903.)
Einleitung.
In den Jahren 1901 und 1902 begleitete ich Herrn Prof.
Dr. Cornelio Do elter auf einem Teile seiner Exkursionen im
Fassaner und Fleimser Eruptivgebiet. Namentlich war es der
Monzonistock, der im Sommer 1902 eifrig begangen wurde,
und von den dort gesammelten Gesteinen wurden von Herrn
Prof. Doelter diejenigen zur Bearbeitung mir übergeben, die
dem melanokraten Typus angehören.
Doch wurden auch Gesteine anderer örtlichkeiten, vom
Pordoi, von Forno und der Predazzaner Gegend zum Vergleiche
herangezogen.
Die von mir untersuchten Gesteine gehören
A zur Melaphyrgruppe und
B zur Camptonitgruppe.
Zur Gruppe A. wurden
1. die eigentlichen Melaphyre als Strom- und Gang-
gesteine,
2. die Plagioklasporphyrite und
3. die Diabas porphy rite
gerechnet.
An diese Gruppe sind Plagioklasporphyrite anzureihen,
die einen Übergang zu den Kersantiten einerseits und zu den
Monzonitporphyren anderseits darstellen.
238 K. Went,
In die Gruppe B wurden eingereiht:
1. Camptonite,
2. Monchiquite,
3. Rizzonite und deren Übergänge.
Daß nicht behauptet werden kann, es seien sämtliche
existierende Gänge des Monzonistockes aufgefunden worden,
ist bei der Zerklüftung des Terrains und der Schwierigkeit, es zu
begehen, selbstverständlich. Es kann somit diese Arbeit auf
Vollzähligkeit der Gänge, namentlich jener, die der Gruppe B
angehören, keinen Anspruch erheben.
Es seien nun einige Bemerkungen zur Charakterisierung
der Einteilung angereiht und jene Gesichtspunkte besonders
betont, von welchen aus obige Einteilung getroffen wurde.
Bei der Erwägung, ob ein Gestein den eigentlichen Mela-
phyren beigezählt werden oder den Plagioklasporphyriten
zugesellt werden sollte, mußte zuerst die Überlegung voran-
gehen, ob wirklich die An- oder Abwesenheit des Olivins das
entscheidende Kriterium bilden sollte.
In den Bemerkungen über die Trennung von Melaphyr
und Augitporphyr führt v. Richthofen1 als bestimmende
Gemengteile des Melaphyrs den Feldspat, den Augit und die
Hornblende auf, tat jedoch des Olivins als wesentlichen Gemeng-
teiles keine Erwähnung. Ebensowenig nannte Tschermak*
unter den wesentlichen Gemengteilen des Melaphyrs den
Olivin. Auch von Doelter3 wurde dieses Mineral nur zu den
untergeordneten Bestandteilen des Melaphyrs gezählt, ihm also
keine besondere Wichtigkeit beigemessen.
Erst Rosenbusch4 war es, der, gestützt auf die Arbeit
Haarmann's und anderer, seine bekannte Definition, der
Melaphyr sei die porphyrartige Ausbildung der Olivindiabase,
er sei ein älteres Gestein, das wesentlich aus Plagioklas, Augit
und Olivin und einer irgendwie gearteten Basis bestehe,
1 Erschienen in den Sitzungsber. der königl. Akademie der Wissensch.,
XXXIV, 1859.
2 Die Porphyrgesteine Österreichs. Wien 1863.
3 Über die mineralogische Zusammensetzung der Melaphyr- und Augit-
porphyre Südtirols, 1875.
4 Rosenbusch, Massige Gesteine, 1877.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 239
aufstellte. Er führte also zuerst den Olivin als wesentlichen
Bestandteil des Melaphyrs ein. Diese Definition wurde denn
auch, wie Rosenbusch1 selber bemerkt, ziemlich allgemein
angenommen. Doch zog er den Vorschlag, daß der Schwerpunkt
des Melaphyrbegriffes im Olivin gelegen sei, wieder zurück
und meinte, es sei gut, bei Erkennung des Melaphyrs sich von
der mineralogischen und chemischen Zusammensetzung des
Gesteines leiten zu lassen. Es gibt also nach obigem Verfasser
olivinfreie und solchen führende Melaphyre.
Doch hat K. Fabian a den Vorschlag Rosenbusch' 1877
in seiner Arbeit beibehalten und den Olivin bei genügendem
Augitreichtum des Gesteins als Kriterium zwischen Melaphyr
und Plagioklasporphyrit beibehalten; dasselbe tat Ippen.8 Er
rechnete Gesteine mit vorherrschendem Plagioklas deshalb nicht
zu den Melaphyren, weil diesen der Olivin fehlte, und nannte
die olivinfreien Gesteine Plagioklasporphyrite. Auch Romberg4
scheint nach dem Olivingehalt beide Typen getrennt zu haben,
wenn er sich auch nicht klar darüber ausspricht. Denn er sagt im
Abschnitt über Plagioklasaugitporphyrite und Melaphyre: »es
lassen sich nach dem Olivingehalte zwei Hauptgruppen auf-
stellen« und weiter unten im selben Abschnitte: »die Zusammen-
setzung der Plagioklasaugitporphyrite ist, abgesehen vom
Olivingehalte, die gleiche der Melaphyre«.
Ich kann mich nunmehr diesem letzteren Teilungsprinzipe
nicht voll anschließen, da es doch bei der innigen Verwandt-
schaft zwischen beiden Gesteinen ein mehr künstliches ist und
daher wenig klassifikatorischen Wert besitzt, wenn es auch
eine gute Trennung beider Typen zuließe, und glaube annehmen
zu dürfen, daß es ebensogut olivinfreie wie olivinführende
Melaphyre gibt, gleichviel ob letztere Melaphyre olivinarm oder
oiivinreich seien.
Es ist nun natürlich, daß Porphyrite, in welchen lediglich
der den anderen Konstituenten gegenüber ausgesprochen
1 Rosenbusch, Massige Gesteine, 1896.
2 Konrad Fabian, Über einige Porphyre und Melaphyre des Fassa- und
Fleimsertales, 1902.
8 Über einige Ganggesteine von Predazzo, 1902.
4 Geol.-petrographische Studien im Gebiete von Predazzo, I und II, p. 6.
240 K. Went,
porphyrische Plagioklas der Hauptgemengteil ist, in denen der
Augit gegen den Feldspat zurücktritt und — jedoch in geringster
Menge — Olivin vertreten ist, doch noch als Plagioklasporphyrite
zu bezeichnen sind. Unterscheidende Merkmale zwischen
beiden Gesteinsarten sind jedenfalls das Verhältnis des Olivins
zu den anderen Konstituenten und dieser zueinander, sicher
die Struktur und im Zusammenhalte mit den übrigen Gemeng-
teilen die chemische Zusammensetzung.
Die Lagerungsformen der Melaphyre sind Ströme von
ziemlicher Dimension, z. B. der von der Punta Valaccia,
westlich Cadin brut in das Pellegrintal, und Gänge. Auf erstere
wie letztere wird bei der besonderen Beschreibung unten näher
eingegangen.
Interessant ist die Tatsache, daß den Strommelaphyren
weit mehr glasige Grundmasse zukommt als den Gang-
melaphyren.
Daß der Melaphyrgruppe die Diabasporphyrite eingereiht
wurden, erscheint wohl selbstverständlich.
In Betreff jener Plagioklasporphyrite, die Übergänge zu
den Kersantiten einerseits und anderseits zu den Monzonit-
porphyren darstellen, bestand ursprünglich die Absicht, sie
der Melaphyrgruppe einzureihen; diese Absicht wurde jedoch
fallen gelassen, da es das weiter unten gegebene mikro-
skopische Bild nicht zuließ. Eine eigentliche Grundmasse fehlt
diesen Plagioklasporphyriten beinahe stets, die Zwischenräume
zwischen den Plagioklasen sind ganz von Biotit erfüllt: diese
Gesteine vermitteln den Übergang zu den Kersantiten. Jene
Plagioklasporphyrite, die außer Biotit auch noch Orthoklas
als Nebengemengteil führen, stellen den Übergang zu den
Monzonitporphyren dar. Durch sie würde, was sehr interessant
ist, eine allmähliche Übergangsreihe von den Mela-
phyren zu den Monzoniten hergestellt sein. Schon
Ippen1 erwähnte bei der Beschreibung des Monzonitporphyrs
vom Mulattogipfel, daß dieses Gestein durch die vorherrschen-
den Plagioklase und den grundmasseartigen Charakter des
Orthoklases eine Annäherung zu den Plagioklasporphyriten
1 L. c. p. 51.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 24 1
eintrete. Ich habe dieses Gestein mit meinen Plagioklas-
porphyriten verglichen und in der Tat eine makroskopisch
wie mikroskopisch überraschende Ähnlichkeit gefunden.
Gruppe B.
Von Hawes1 wurden gangbildende Gesteine beschrieben,
die, aus Plagioklas und einer sehr stark pleochroitischen basal-
tischen Hornblende nebst einer braunen Hornblende bestehend,
nach ihrem Vorkommen Camptonite genannt wurden. Rosen-
busch2 nannte unter den Hauptgemengteilen seiner Camptonite
die barkevikitische Hornblende, Augit, Feldspat nebst akzessori-
schem Olivin. Er stellte die Forderung auf, daß die barkevikitische
Hornblende ein Hauptgemengteil sein müsse. Bei der Unter-
suchung der mir zugewiesenen Gesteine ergab sich nun die
Notwendigkeit, den Camptonitbegriff im ursprünglichen Sinne
zu gebrauchen und ein Gestein auch dann noch als Camptonit
zu bezeichnen, wenn es auch nur basaltische Hornblende
enthält. Romberg8 beobachtete ebenfalls Camptonite, die
außer der barkevikitischen Hornblende noch eine zweite
grünlichbraune, in schlierenartigen Gebilden auftretende Horn-
blende enthielten.
Nach Rosenbusch* sind nun jene Camptonite, die eine
glasige Basis besitzen, als Monchiquite zu bezeichnen, er gibt
aber zu, daß Camptonite und Monchiquite durch viele Über-
gänge miteinander verbunden sind. Schon aus diesem Grunde,
dann auch deshalb, weil beide Gesteine strukturell nur wenig
verschieden sind, glaube ich, daß diese Einteilung keinen
besonderen Wert besitzt, daß sie eine mehr gekünstelte ist. Ich
behalte sie aber doch der Übereinstimmung halber bei.
Letztgenannter Autor unterschied Amphibolcamptonite,
Biotitcamptonite und Amphibolbiotitcamptonite, weiters eben-
solche Monchiquite. Zu diesen Arten kamen durch Romberg5
1 Hawes, Mine ralogy and lithotogyofNew-Hampshire.Concord 1878,160.
2 Massige Gesteine, 1896.
3 L. c. II, p. 53.
* Massige Gesteine, 1896.
& Romberg, Geologisch-petrographische Studien im Gebiete von
Predazzo, II, 53. Königl. preußische Akademie der Wissenschaften, Sitzungs-
bericht XXXII.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXII. Bd., Abt. I. 1 6
242 K. Wcnt,
Augitcamptonite, Augitamphibolcamptonite, endlich ebensolche
Monchiquite. Was nun Romberg unter diesen neuen Typen
versteht, ist sehr unklar, da selbst eine kurze Beschreibung
seinerseits unterblieb, eine Beschreibung, die doch unbedingt
notwendig gewesen wäre. In meiner Arbeit werden jene
Camptonite (Monchiquite) als Augitcamptonite, beziehungsweise
Monchiquite bezeichnet, bei welchen der Augit die Hornblende
an Menge übertrifft, mindestens aber ihr gleichkommt. Unter
den aufgesammelten Gesteinen fanden sich auch solche, die
zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit den Monchiquiten auf-
weisen, die aber infolge der Abwesenheit des Feldspates und
infolge des Umstandes, daß nur Augit nebst Olivin als Haupt-
gemengteile auftreten, nicht als Monchiquite anzusprechen
sind. Für diesen Typus wurde von Herrn Prof. Dr. C. Do elter
der NameRizzonit vorgeschlagen. Die ausführliche Beschreibung
folgt unten.
Bemerkenswert ist die unter dem Mikroskope evident zu-
tage tretende strukturelle Ähnlichkeit mit dem Weiselbergit.
Von diesem Gestein unterscheidet sich der Rizzonit durch das
Fehlen des Feldspates und durch eine bedeutende Divergenz
bezüglich der chemischen Zusammensetzung, wie später zu
zeigen sein wird. Derselbe Unterschied liegt den Augit-
porphyriten gegenüber vor. Dagegen ist die Ähnlichkeit der
Rizzonite mit den feldspatarmen, zugleich augitreichen Mela-
phyren eine nicht zu leugnende.
Nach Rosenbusch * würden alle Gesteine vomCamptonit-
typus als Ganggefolge zu den foyaitischen und theralitischen
Tiefengesteinen gehören; diese Ansicht scheint für die Camp-
tonite des Monzonistockes nicht zu passen, da sie niemals in
Begleitung obiger Gesteine auftreten und ihnen, wenn nicht
stets, so doch beinahe immer jeglicher Nephelingehalt zu fehlen
scheint. Es ist endlich auch auffallend, daß im Gegensatze zur
Predazzaner Gegend im Monzonigebiete die Zahl der eigent-
lichen Camptonite im Vergleiche zu den Monchiquiten und
den übergangen zwischen beiden sehr gering ist.
i 1896, 1. c. p. 536.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 243
Bei der Untersuchung eines Gesteines von Palla verde,
das schon Ippen1 als Camptonit beschrieb, stellte sich beim
Vergleich mit dem Schliff, den Ippen untersuchte, eine
ziemliche Verschiedenheit heraus, die nur so erklärt werden
kann, daß man annimmt, beide Proben rühren zwar vom selben
Fundorte her, stammen aber von verschiedenen Zonen des
Ganges. Auch Romberg2 erwähnt diese Tatsache, daß der
Bau eines Ganges durchaus nicht gleichartig sei, » ... je nach
der Entnahme des Schliffsplitters aus der feinkörnigen Gang-
mitte oder dem dichten Saalbande würde die Nomenklatur
verschieden ausfallen, da in der Randfacies die Basis und die
älteren Ausscheidungsprodukte vertreten sind«. Das ist eine
Tatsache, die auch durch die gesteinssynthetischen Versuche
bestätigt wird, wo ja auch das Bild der Randzone und des
Zentrums der Schmelze wesentlich verschieden ist, wo an
verschiedenen Stellen eines Schliffes große mineralogische
Verschiedenheiten sich ergeben.3
Zur Physiographie der Bestandteile.
In den zu behandelnden Gesteinen sind trikliner Feldspat,
Augit, Hornblende, Magnetit, Olivin und teilweise Biotit die
Hauptgemengteile; untergeordnet beteiligen sich Chlorit, Ortho-
klas, Apatit am Aufbaue. Sekundäre Produkte sind Calcit,
Delessit, Seladonit, Serpentinsubstanz und teilweise Chlorit.
Der Feldspat ist meist ein Labrador, seltener ein Oligoklas,
Bytownit oder Anortit. Sehr häufig lassen sich in ein und
demselben Gesteine Feldspate zweier Bildungsperioden nach-
weisen, Einsprengunge und Grundmassefeldspate. Die Form der
Durchschnitte ist namentlich in den Plagioklasporphyriten eine
breitleistenförmige, doch kommen bei Melaphyren, Camptoniten
und Diabasporphyriten auch äußerst schmale Leisten vor.
Zonarer Bau der Feldspatindividuen, eine oft mit diesem Baue
Hand in Hand gehende undulöse Auslöschung, sowie eine
zonare oder zentrale Anordnung von Einschlüssen sind eine
i L. c. p. u.
2 L. c. II, p. 52.
8 Siehe C. Do elter, Löslichkeit der Mineralien im Magma. Tscherm.
Min. Mitteil., XXI. 1901, p. 312.
16*
244 K. Went,
häufige Erscheinung. Chlorit, Magnetit, Apatit, Glas und
Grundmasse sind die Einschlußmineralien des Feldspates.
Durch massenhafte Anhäufung von Einschlüssen oder von
Verwitterungsprodukten bilden die Feldspate häufig ein ver-
worren filziges oder faserig struiertes Bild. Eine nähere Be-
stimmung ist dann unmöglich. Die polysynthetische Zwillings-
bildung ist eigentlich nirgends gut ausgebildet, die Lamellen
sind ungleich breit, sie keilen sich häufig aus. Beinahe in allen
untersuchten Gesteinsarten konnte magmatische Korrosion des
Plagioklas beobachtet werden.
Orthoklas wurde nur in manchen Plagioklasporphyriten
gefunden. Er ist wie der Plagioklas zwar nicht häufig zu förm-
lichen Nestern gruppiert, doch kann man, wenn auch oft schwer,
die Grenzen der einzelnen Individuen auch noch ohne Nicols
constatieren.
Die Farbe des Augites, es handelt sich beinahe stets um
den gemeinen, ist entweder grünlich, gelblich oder rötlich;
durch eingelagerten Magnetitstaub ist er auch schwärzlich
gefärbt. Die Auslöschungsschiefe wurde nur nach c : c gemessen,
sie schwankt innerhalb weiter Grenzen, von 39° an erreicht sie
in den Augiten der Rizzonite den größten Wert: 46 bis 48°.
Die Augite sind häufig schwach pleochroitisch, oft zonar gebaut,
während Sektorenbildung und Sanduhrstruktur sehr selten
beobachtet wurde. Ebenso tritt polysynthetische Zwillings-
bildung auf. Einschlüsse sind Magnetit, Apatit, Biotit, auch
Grundmasse. Wiederholt wurde die Umwandlung in Chlorit
oder Delessit konstatiert, wobei sich Kalk bildete. Auch Serpen-
tinisierung kommt vor. Ebenso wie der Feldspat ist auch der
Augit in zwei Generationen vertreten und es ist merkwürdig,
daß die Einsprengunge, die mitunter eine Größe von 4 bis 7 mm
erreichen, in den Gesteinen, in welchen sie mit Feldspat ver-
gesellschaftet sind, demselben zwar an Menge, nicht aber an
Größe nachstehen. Meist sind die Grundmasseaugite Säulchen
oder auch Körner. Die größeren Augite erscheinen oft durch die
Grundmasse randlich angegriffen.
Die Trennung der Hornblende, der basaltischen wie der
barkevikitischen, von Biotit und Augit ließ sich ziemlich leicht
durch den Brechungsquotienten, durch Farbe undAuslöschungs-
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 245
schiefe durchführen. Weniger leicht war die Trennung von
Biotit in einigen Fällen, wo die Auslöschungsschiefe der Horn-
blende sehr gering war, hier wurde die Untersuchung der pleo-
chroitischen Erscheinungen zu Hilfe genommen. Die Horn-
blende ist häufig in Chlorit umgewandelt und merkwürdig
ist in den Camptoniten und Monchiquiten ihre mitunter
schlierenartige Anordnung. Größere Hornblendeindividuen
wurden nie beobachtet, stets hatte dieses Mineral die Form von
Stengeln, schmalen Leistchen oder unregelmäßigen Blättchen.
Der Magnetit tritt in beinahe allen Konstituenten als Ein-
schluß auf, selten erscheint er in größeren Körnern, noch
seltener waren gut ausgebildete Krystalle zu beobachten. Sein
Anteil am Aufbaue der Gesteine wechselt sehr; mitunter fehlt
er überhaupt, zu anderenmalen tritt er so massenhaft auf, daß
dadurch die Grundmasse, in der er sich befindet, wie schwarz
gefärbt erscheint.
Der Olivin ist selten unverändert, in den meisten Fällen ist
er serpentinisiert und hat Magnetit- oder, wenn auch seltener,
schöne kleine Picotitoktaeder als Einschlüsse. Er ist durch die
für ihn so charakteristische spitzdomatische Durchschnittsform,
in nicht zersetztem Zustande durch sein außerordentlich frisches
Weiß leicht von Augit auseinanderzuhalten.
Der Biotit ist stets akzessorisch, er tritt aber, wie schon
erwähnt, in manchen Plagioklasporphyriten als Hauptgemeng-
teil auf, ist sehr stark pleochroitisch und lebhaft rötlich braun
gefärbt.
Der Apatit war sonderbarerweise nur selten zu beobachten,
häufig dagegen konnt.e sekundär entstandener Kalk schon mit
Salzsäure nachgewiesen werden.
Was die Struktur der Gesteine und die Altersfolge der
Ausscheidungen betrifft, so verweise ich auf die Einzelbeschrei-
bungen.
Spezieller Teil.
Bevor ich mit der Einzelbeschreibung der Gesteine beginne,
will ich einige Bemerkungen bezüglich der Fundorte hier ein-
fügen.
Es ist besonders im Monzonistock sehr schwer, richtige
Fundortsangaben zu geben, da für nur wenige Punkte genaue
246 K. Went,
Bezeichnungen existieren, da die meisten kleinen Täler, Gräben
und Schrunden gar keine Namen haben und für dieselben leider
noch keine konventionellen Bezeichnungen geschaffen sind.
Die Bezeichnung nach Höhen verliert deshalb an Wert, weil
solche mit Taschenaneroiden ausgeführte Bestimmungen in der
Regel ungenau sind, weil Irrtümer bis zu lOOw leicht denkbar
sind und es eine bekannte Tatsache ist, daß Höhenbestim-
mungen über 2000*w selbst mit guten Aneroiden durchaus
unverläßlich sind. Es ist daher unbegreiflich, daß Romberg
solche Messungen bis auf Im als genaue angibt, dagegen
anderen, die solche ungenaue Messungen überhaupt nicht
anführen, diese Unterlassung vorwirft. Was soll man dazu
sagen, wenn er eine Fundortangabe Ipp en's deswegen kritisiert,
weil sie nach Romberg's Angabe und Messung um 17 Schritte
differiert, wo dazu noch der Schritt ein nicht zulässiges Maß
ist. Romberg's Fundortsangaben sind zumeist nur scheinbar
genau. Er gibt z. B. an (III, S. 8) einen Gang bei etwa 2180w
im Monzonit des Palle rabbiose! Diesen Gang dürfte man wahr-
scheinlich erst nach längerem Suchen, wenn überhaupt, finden.
Oder Westseite des Ostarmes des Val Ricoletta (III, S. 6), bei
2400w zwischen Rizzoni und Allochet (III, S. 7) oder Val sorda
bei 1900w oder (II, S. 16) mächtige Schrunde zwischen Allo-
chet und Ricoletta, man weiß nicht, ob Nord- oder Südabhang.
Wenn schon Romberg mit Unrecht Ippen den Vorwurf
macht, daß seine Fundortsangaben ungenau sind, so sollte man
von ihm umsoweniger Ungenauigkeiten zu erwarten haben.
Ich gebe nun im folgenden die Beschreibung der Gesteine
nach der in der Einleitung gegebenen Einteilung und bemerke,
daß die Beschreibung der Melaphyre von Forno und Pordoi, von
den Melaphyren des Monzoni getrennt, unmittelbar an die
Diabasporphyrite angereiht wurde.
A. Melaphyrgruppe.
Vom Melaphyrstrom im Pizmedatale.
Von dem Strome, der sich von der Punta Valaccia in das
Pellegrintal erstreckt. Sämtliche Gesteine zeichnen sich durch
schwarze oder auch etwas grünliche Farbe aus und enthalten
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 247
durchgehends sehr scharf ausgebildete und scheinbar unver-
ändert erhaltene Augite, deren Größe bis zu 5 mm betragen
kann. Die porphyrische Struktur tritt namentlich bei einem
Handstücke, das ziemlich tief unten aufgesammelt wurde,
deutlich zutage.
Diese Melaphyre zeichnen sich ferner durch eine mehr
oder weniger- reiche Glasbasis, durch ihren andesitischen
Habitus und ihre hypokrystallinporphyrische Struktur aus.
Pizmedatal südlich von der Punta Valaccia bei zirka 2100 m.
Dieses Gestein enthält außer den Augiten auch schon mit
freiem Auge erkennbare Feldspatindividuen und größere Kalk-
mandeln. Die Grundmasse ist schwarz bis schmutziggrün,
glasig, in ihr sind äußerst kleine Feldspatleistchen ausgeschieden.
Die Einsprenglingsfeldspate gehören der Labradorreihe an.
Häufig sind Plagioklasnester zu beobachten. Jedenfalls waren
die Feldspate dieser Nester ursprünglich selbständig und haben
sich erst im Laufe des Wachstums aneinander gelagert. Durch
dünne Grundmassefaden, die sich zwischen den Individuen
befinden, sind sie auch jetzt leicht voneinander zu halten.
Schalig gebaute Individuen sind ebenso häufig wie Individuen
mit zonar gelagerten Einschlüssen. Die Augite sind grünlich
gefärbt und teilweise in Chloritsubstanz umgewandelt. Selten
sind exzentrisch gebaute Kalkmandeln.
Pizmedatal südwestlich von Cadin brut 2200 m.
Die Gesteinsfarbe ist schwarz. Die Augite messen bis 4mm
und sind wohl ausgebildet, die Feldspate klein, kaum erkennbar.
In der wesentlich schwarzgrünen, teilweise glasigen Grundmasse
befinden sich in abnehmendem Mengenverhältnis Feldspat und
Augit. Die Grundmasse enthält massenhaft Magnetitkörner, die
häufig den Feldspat und Augit mit einem dünnen Saume um-
geben; sie enthält quadratische, rektanguläre bis längliche, sehr
helle Durchschnitte, die teils Plagioklasleistchen sind, teils
Orthoklas sein mögen, und ist von kleinsten, divergentstrahlig
angeordneten Nädelchen einer grünlichen Substanz ziemlich
erfüllt. Die Einsprenglingsfeldspate sind Anorthite und häufig
zonar gebaut, ihre Durchschnitte breit, leistenförmig bis rundlich,
248 K. Went,
oft auch infolge magmatischer Korrosion von unregelmäßiger
Gestalt. Chloritische Einschlüsse, jedenfalls sekundäre Produkte,
sind ebenso wie Magnetiteinschlüsse zentral oder zonar ange-
ordnet und eine häufige Erscheinung bilden Plagioklasdurch-
kreuzungen.
Die Augite sind schwach rosa gefärbt, etwas pleochroitisch,
teilweise im Innern chloritisiert, haben außerdem- Grundmasse-
einschlüsse. Die Auslöschungsschiefe beträgt 40°. Der Olivin ist
stets serpentinisiert, er zeigt Magnetit- und spärliche Glas-
einschlüsse.
Nordseite des Monzoni 250 m östlich der Punta Valaccia,
2450 m hoch.
Man erkennt schon mit unbewaffnetem Auge die Plagioklase,
doch ist ihre Größe unbedeutend. Auffällig ist im Schliff der
Wechsel zweier eigentlich verschiedener Grundmassen, als ob
man es mit einem Kontakte zu tun hätte, ein Wechsel, der
makroskopisch am Gestein ganz und gar nicht zutage tritt.
Während die eine Grundmasse vorwiegend grün ist, ist die
andere schwärzlich bis braunschwarz. Die Farbe ist zum Teil
auch durch das Auftreten von Magnetit bedingt. Die Einspreng-
unge sind dieselben wie beim vorigen Gestein, die Grenze
zwischen beiden Grundmassen scharf ausgeprägt. Die grüne
Grundmasse ist stellenweise entschieden glasig. Es lassen sich
viele streng umgrenzte Stellen erkennen, zweifellos Durch-
schnitte nach Augit, die, wie die Grundmasse gefärbt, Magnetit-
körner wie noch unversehrte Augitreste als Einschlüsse
enthalten. Die Magnetitkörnchen sind stets von einem grünen
Hof umgeben, es scheint sich hier auch dieses Mineral umzu-
wandeln.
In der Grundmasse und zur selben gehörig sind kleinste
Plagioklase und rektanguläre bis quadratische farblose, schwach
doppelbrechende Durchschnitte, die bei -+- Nicols dunkel
blieben oder gerade auslöschten, die also auf Nephelin deuten.
Für diese Annahme spricht das beobachtete Auftreten von
Kochsalzwürfeln beim Versetzen mit Salzsäure, wenn auch
dies als Beweis eigentlich noch nicht stichhältig ist, da das Na
auch von anderen Mineralien stammen kann. Der Feldspat ist
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 249
ein Labrador ohne typische Zwillingsbildung, stets ist er korro-
diert, viele Individuen sind zonar gebaut, Einschlüsse sind
Chlorit.
Der Augit ist grünlich und schwach pleochroitisch.
Die andere durch großen Magnetitgehalt schwarze Grund-
masse ist ebenfalls glasig. Eingelagerte Konstituenten wie farb-
lose glasige Stellen sind häufig
grün umsäumt, stellenweise ist
die Grundmasse vollkommen opak.
Die Augite sind korrodiert, haben
Magnetit und Grundmasseein-
schlüsse, ihre Auslöschung beträgt Jfagnetil
40°. Olivin ist serpentinisiert. Der Magnetit
Plagioklas zeigt dasselbe Verhalten Fig ,
wie in der grünen Grundmasse, der
Schalenbau wird nicht selten durch Einlagerung von Magnetit
noch deutlicher zum Ausdruck gebracht. Nebenstehende Figur
zeigt ein Augit- und Feldspatindividuum von Magnetit ganz
umschlossen.
Oberes Pizmedatal westlich von Cadin brut. 2300 m.
Dieses Gestein ist etwas grünlich, es enthält Kalk, wie
das Brausen mit Salzsäure zeigt. In der lauchgrünen Grund-
masse sind Augit und Feldspat die einzigen Einsprengunge.
Die Grundmasse ist glasig, sie enthält kleine Feldspate und
nebst frischen auch chloritisierte Augitkörner. Sehr gering ist
die Menge des serpentinisierten Olivins. Die Plagioklase sind
durch massenhafte Interpositionen getrübt, es scheinen Oligo-
klase zu sein. Nicht gerade häufig sind krystallographisch
begrenzte Augit-Individuen mit 44° Auslöschung. Magnetit ist
in diesem Gestein selten, es sind stets größere Körner. Augit
wie Feldspat sind von der Grundmasse korrodiert.
Nunmehr sei noch ein Gestein beschrieben, das ein aus-
gesprochenes Ergußgestein und ausgezeichnet hyalopilitisch
struiert ist. Es stammt von den großen Massen der Punta
Valaccia, westlich Cadin brut, 2300 m, und enthält außer
den kleinen Augiten keine makroskopisch erkennbaren Gemeng-
teile. Die Einsprengunge Feldspat und Augit, die Akzessorien
250 K. Went,
Magnetit und Olivin schwimmen gewissermaßen in einer Glas-
basis, die sicher 20% des Schliffes einnimmt.
Das Glas ist zum Teil farblos oder auch grünlich gefärbt,
es ist namentlich das weiße granuliert, die Körnchen sind manch-
mal sphäroidisch angeordnet. Auch hier bildeten sich beim
Ätzen Chlornatriumwürfel, doch ist trotzdem die Anwesenheit
von Nephelin aus dem schon oben erwähnten Grunde mehr als
zweifelhaft. Es könnte sich eher um Analcim handeln. Augite
wie Feldspate sind beinahe stets von einem grünlichen Saume
umgeben. Ungefähr die Hälfte der Augite ist chloritisiert, doch
sind beinahe alle frischen Augite von der Glasbasis abgerundet
oder anders korrodiert. Einschlüsse sind Magnetitkörner.
Am meisten hat wohl der Oligoklas durch die Glasbasis
gelitten, er ist immer korrodiert, meist reich an Glaseinschlüssen
und vorzüglich reich an Chloritblättchen. Letztere sind auch
ausnahmsweise zonar gelagert. Olivin ist nur in wenigen
serpentinisierten Individuen vertreten. DerGehalt dieses Gesteins
an Magnetit ist nicht eben groß.
Auf der linken Seite des Pellegrinbaches, ungefähr gegen-
über dem Pizmedatale an der Straße zum Lusiapasse oberhalb
der Finanzerhütte, ist der Melaphyr wieder anstehend. Das
Gestein ist grauschwarz und enthält sehr viele Augite, die
größtenteils zersetzt sind. Einsprengunge sind daneben trikliner
Feldspat und Olivin. Der Feldspat ist ein Anorthit, mit recht-
eckigen bis rundlichen Durchschnitten, häufig mit zonarem Bau.
Magnetit und Limonitblättchen sind seine Einschlüsse. Ebenso
wurden Individuen beobachtet, bei welchen einschlußfreie
Zonen mit solchen wechseln, die Einschlüsse führen. Endlich
sind meist zentral gelagerte Chloritblättchen zu erwähnen. Der
Olivin ist serpentinisiert mit Limoniträndern und -ädern ver-
sehen. Der Augit ist schwach grün gefärbt, zeigt 40° Aus-
löschung; er ist zersetzt, dann rotbraun gefärbt von Limonit.
Auch Delessitmandeln wurden beobachtet. Die Grundmasse ist
ohne glasige Ausscheidung, sie besteht aus Feldspat und ent-
hält sehr viel Magnetit, daneben auch Chlorit und Limonit-
blättchen.
Dieses porphyrisch struierte Gestein zeigt daher ein ganz
anderes Bild als der Melaphyr von der Punta Valaccia; es geht
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 251
daher schwer anzunehmen, daß das Melaphyrvorkommen an
der Straße zum Lusiapasse nichts anderes als eine Fortsetzung
des Melaphyrstromes von der Punta Valaccia darstelle.
1. Gangmelaphyre.
Ich will vorher einige Bemerkungen zur Bezeichnung Toal
Rizzoni geben.
Es ist eine in der alpinen Literatur bekannte Tatsache,
daß im Fassanergebiete die Bergnamen schwer eruierbar sind,
da sie immer mehrfache Bezeichnungen tragen. Ein Vergleich
der Generalstabskarte von 1875 mit der jetzigen zeigt dies und
es hat Doelter dies in seiner Abhandlung (Tschermak, Min.
Mitteil. XXI., Heft 3) wieder betont. Nur Romberg gibt mit
apodiktischer Sicherheit neue Namen ohne nähere Begründung
derselben; das, was früher Rizzoni hieß, nennt er Allochet-
spitze, während auf der Karte die Kalkspitze östlich vom Paß
diesen Namen trägt. Dagegen wäre allenfalls nichts einzu-
wenden, wenn nicht Romberg die von ihm — auf welche
Weise sagt er nicht — ermittelten Namen, die sich auch auf
keiner Karte finden, als unanfechtbar betrachten würde und
anderen, die seine Angaben nicht benützen, dies vorwirft. Hier
wäre doch die Kritik durch irgend einen Beweis zu stützen,
nicht durch einfache Gegenbehauptung. So wird das Tal
zwiischen Mal Inverno und Ricoletta von den einen Toal Rizzoni,
von anderen Toal Mal Inverno, von anderen wieder Toal Rico-
letta genannt, welche letztere Namen in der älteren Literatur
nirgends vorkommen. Dagegen wird die Bezeichnung »Toal
Rizzoni« für den Mineralfundort schon von Lie bener gebraucht
und später von G. v. Rath (Der Monzoni, Bonn 1875), bei
Doelter 1875 u. a. Trotzdem sagt Romberg (111,4) ohne-
weiters, das bei Doelter genannte Toal Rizzoni heiße Toal
Ricoletta.
Von der Kalkscholle im Toal Rizzoni am Kamme, zirka
2450 bis 2500 m.
Es ist ein Gang im Monzonit. Der Melaphyr ist schwarz-
grün mit grünlicher bis bräunlicher Verwitterungsrinde. Ein-
252 K. Went,
geschlossen im Melaphyr sind kleinere, auch größere, bis 3'5 cm
im Durchmesser messende Monzonitknauern. Interessant ist
es, daß die größeren Monzonitknauern deutlich wieder kleinere
Melaphyrpartien enthalten, jedenfalls ein Beweis der innigen
Durchdringung der beiden Gesteine. Mit freiem Auge lassen
sich deutlich Augit und spärlicher Olivin erkennen.
Die Grundmasse enthält wesentlich Augit und in geringerer
Menge Olivin. In dieser teilweise auch feldspatigen Grund-
masse sind Plagioklas, hauptsächlich aber Augit und Olivin die
Einsprengunge. Der Olivin ist teilweise serpentinisiert und
ebenso wie der Augit korrodiert. Doch kommen auch idio-
morphe Augite vor, sie besitzen häufig einen grünen Kern,
dessen Auslöschungsschiefe von der des Randes abweicht
Doch ist der Unterschied eben nicht groß. Die Auslöschungs-
schiefe beträgt 40 bis 43°. Einschlüsse sind Magnetit und
Apatit. Der Feldspat tritt an Menge sehr zurück, er ist immer
sehr stark angegriffen, zeigt (siehe Tafel, Fig. 1) gut polysyn-
thetische Zwillingsbildung und ist ein Labrador. Der Biotit hat
nicht den Charakter eines Hauptgemengteiles, er ist zwischen
die anderen Konstituenten eingelagert, rötlichbraun, er hat
unregelmäßige Umrisse und ist stark pleochroitisch, Glas
scheint nur spurenweise vorhanden zu sein.
Am Kontakt mit dem Monzonit zeigt er keinerlei besondere
Veränderungen. Dagegen sind die Monzonitkonstituenten be-
deutend am Kontakte korrodiert. Kleinste mikroskopische
Melaphyradern haben Teile des Monzonites abgegrenzt, wie
dies ja auch makroskopisch auffällt. Sehr bemerkenswert sind
im Monzonite scheinbar ganz vom Melaphyr abgesonderte Ein-
schlüsse, bestehend aus stets idiomorphem Augit, ganz abge-
rundetem Biotit mit Magnetiträndern und großen Apatit-
einschlüssen. Dieser Augit ist vollkommen chloritisiert
Der Melaphyr ist hypokristallin porphyrisch struiert.
Kalkscholle Toal da Mason 2350 m.
Die Verwitterungsrinde dieses sonst schwarzen Gesteins
ist grau. Auffällig sind bis 5 mm messende Olivine und bis zu
10 mm messende gelbliche Augite. Das Gestein zeigt unter dem
Mikroskope eine überraschende Ähnlichkeit mit dem vorigen, es
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 253
ist ebenfalls ein Melaphyr. Das gegenseitige Verhältnis der drei
Konstituenten: Feldspat, Augit und Olivin ist dasselbe wie
beim vorigen Gestein. Hoch ist die Auslöschungsschiefe des
Augits, sie beträgt 48°. Der Feldspat ist, soweit eine exakte
Messung möglich war, ein Anorthit. Kalk sieht man nur wenig,
er ist jedenfalls beim Serpentinisierungsvorgang des Olivins
entstanden.
Abhang zwischen Ricoletta und Rizzoni (Nordseite), Gang in
einem kleinen Seitenbache südlich des Traversellittales, zirka
2300 m.
Auch bei diesem Gesteine ist die Übereinstimmung mit
den vorigen zwei Gesteinen eine außerordentliche. Der Magnetit-
gehalt ist beträchtlich und etwas größer als bei den zwei
vorigen Gesteinen. Die Grundmasse enthält außer Augit und
Olivinkörnchen entschieden auch Glas. Daneben kommen noch
trikline Feldspatleistchen vor, eine nähere Bestimmung der-
selben war jedoch nicht möglich. Augit vor allem und auch
Olivin sind die Einsprengunge. Der Augit ist schwach rötlich
oder auch grünlich gefärbt, namentlich sind grüne Kerne in
Augitindividuen häufig zu beobachten. Er ist wie der Olivin
häufig zersetzt und korrodiert. Auch hier hat sich bei der Ser-
pentinisierung des Olivins Kalk gebildet. Der Olivin war also
ein Monticellit. Mit Salzsäure bildeten sich Kochsalzwürfel; es
mag daher wohl sein, daß Nephelin in Spuren vorkommt, doch
ist die Anwesenheit dieses Minerals immerhin wie in früheren
Fällen fraglich, da es im Schliffe nicht aufgefunden werden
konnte.
Es wurde mir endlich vergleichshalber noch ein im Jahre
1901 (Sommer) gesammeltes Gestein von jenem Melaphyr von
Palle rabbiose übergeben, der von Ippen1 in den »Gang-
gesteinen von Predazzo« beschrieben wurde.
Ich kann die Beschreibung Ippen's nur bestätigen, be-
merke aber, daß der Feldspat in meinem Schliffe nicht so reich-
lich vorkommt, wie Ippen ihn schildert und ich denselben auch
in seinem Schliffe gesehen habe. Es ist dies jedenfalls ein
p. 20.
254
K. Went,
Beleg für die von mir in der Einleitung gemachte, schon von
Romberg (siehe Einleitung) erwähnte Bemerkung, daß ein
Gang durchaus nicht an allen Stellen denselben Schliff zu
liefern braucht.
Prof. Doelter1 hat den Melaphyr von Palle rabbiose
analysiert und ich wiederhole nunmehr das Analysenergebnis.
Vergleicht man nun diesen Melaphyr mit dem Mittel
Brögger's,2 so ergibt sich folgendes: Die schon mineralogisch
erkannte Tatsache, daß dieses Gestein, somit auch die ihm sehr
ähnlichen vom Toal Rizzoni, Toal da Mason und vom Gang im
Bachbette ein End-, beziehungsweise Übergangsglied in der
Melaphyrreihe ist, erscheint erhärtet.
1
■
II
,„
IV
SiO*
43-41
13-20
7-00
5-66
13* 12
12-88
1-84
0-99
3-02
44-25
13-46
7-14
5-77
13-37
13-13
1-87
1-01
73-75
13-19
4-46
8-01
33-44
23-44
3-03
1-07
45-98
8-22
2-78
5-00
20-85
14-61
1-89
0-67
3
AIO3
FeoO, '.
1 dS 3
FcO
MgO
CaO
Na20
K20
HoO
Summe . . .
101-12
100-00
160-39
100-00
II. Analysenergebnis (1) nach Abzug von H20 auf 100 berechnet.
III wurde erhalten durch Division der Zahlenreihe II durch die Molekular-
gewichte der einzelnen Verbindung und Multiplikation der Quotienten mit 100
und in
IV auf 100 berechnet.
Das Verhältnis CaO : K80-hNaäO = 14*61 : 2-56.
Wesentlich verschieden von den eben beschriebenen
Gesteinen ist ein Melaphyr vom
1 Akad. Anzeiger, 1902, Nr. XVII.
2 Brögger, Eruptionsfolge, p. 101.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 255
Eingang ins Pizmedatal, über Ronchi. 1500 m.
Das Gestein ist schwarzgrün und enthält kleine Plagio
klase. Die Grundmasse ist braunschwarz bis schwarz. In ihr
befinden sich äußerst schmale Feldspatnädelchen divergent-
strahlig angeordnet, sehr viele Magnetitkörnchen und Limonit.
Die Einsprengiingsfeldspate, es sind Oligoklase, heben sich
eigentümlich stark ab, eine Erscheinung, die durch die dunkle
Grundmasse bedingt ist. Die Feldspate sind breitleistenförmig
bis rundlich im Durchschnitte, aber immer korrodiert und haben
Grundmasse — Limonit — und Magnetiteinschlüsse. Delessit
wie Seladonit wurde häufig beobachtet. Augit kommt auch
verzwillingt vor, doch ist er wie der serpentinisierte Olivin
mehr oder weniger spärlich.
Die Anwesenheit von Nephelin ist zweifelhaft, wenn auch
die NaCl-Reaktion gelang.
Aufstieg vom Pizmedatale auf Palle rabbiose, zirka 1850 m.
Das Gestein ist ein Gang im Kalk, die Verwitterungsrinde
ist braun. An frischen grauschwarzen Flächen erkennt man
deutlich kleine Plagioklase und ebensolche Augite. Die Grund-
masse ist graugrün bis schwarzgrün und enthält neben
Magnetitkörnchen kleinste Feldspatleistchen.
Die Einsprengunge sind Feldspat und Augit, beide in
ungefähr derselben Größe. Olivin fehlt im Schliffe. Beide Ein-
sprengunge sind weniger idiomorph,
die Grundmasse hat sie abgerundet.
Namentlich trifft dies beim Feldspat
zu, der der Bytownitreihe angehört.
Die Individuen sind häufig schalig
gebaut, man sieht in gut ausgeprägter
zonarer Anordnung chloritische Inter-
positionen. Ebenso trifft man auch mn ma^r
r\ *ig. 2.
Durchkreuzungen. Die Zwillings-
lamellen sind ungleich. Der Augit
enthält Magnetit und Grundmasse. Letztere ist jedoch (Fig. 2) erst
nachträglich in den Augit eingedrungen und tritt nun infolge
der zufalligen Schliffrichtung im Augit scheinbar als Einschluß
256 K. Went,
auf. Der Augit, der eine Auslöschungsschiefe von ungefähr 45°
besitzt, ist teilweise chloritisiert und kommt auch in Körner-
form zu kleinen Nestern angeordnet vor. Dieser Melaphyr
scheint dem Schliffe nach olivinfrei zu sein und nähert sich
infolge des hohen Augitgehaltes ziemlich dem Augitporphyrit-
typus.
2. Plagioklasporphyrite.
Ich beginne mit der Beschreibung jener Plagioklaspor-
phyrite, die durch ihren, wenn auch spärlichen Olivingehalt
äußerst lebhaft an die Melaphyre erinnern — man könnte sie
treffend melaphyroide Plagioklasporphyrite nennen — doch
aber deshalb, wie in der Einleitung schon dargetan wurde,
nicht zu den Melaphyren gerechnet werden, weil der Feldspat
alle anderen Gemengteile an Größe und Menge weitaus
übertrifft.
Eine scharfe Abtrennung der Plagioklasporphyrite von
den Melaphyren gehört, glaube ich, zu den größten Schwierig-
keiten.
Die nun folgenden Gesteine haben das Gemeinsame, daß
die Grundmasse diabasisch struiert ist und reich an grasgrüner
Hornblende, beziehungsweise Chlorit sind.
Es sind dies kleine Gänge.
Le Seile-Paß am Weg, zirka 50 m vor dem Paß westlich.
Man sieht schon makroskopisch in diesem grauschwarzen
Gestein kleine Plagioklasleistchen, Augite und spärlich Kalk-
mandeln.
In der beinahe phaneromeren holokrystallinen Grund-
masse befindet sich der Labrador, der in regelloser, auch
zonarer oder zentraler Anordnung Chloritblättchen enthält; er ist
vergesellschaftet mit Augit, der 39 bis 45° Auslöschungsschiefe
besitzt, mit Magnetiteinschlüssen versehen ist Die Grundmasse
besteht aus regellos gelagerten Feldspatleistchen, dazwischen
gelagerten Chloritblättchen, die jedenfalls sekundär nach Augit
entstanden sind, einigen Hornblendelblättchen und Magnetit-
körnern. Der sehr spärliche Olivin ist serpentinisiert, mit
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 257
Magnetiträndern versehen. Kalk wurde ebenfalls konstatiert.
Ziemlich häufig trifft man auch Kalkmandeln mit Delessitum-
randung.
Le Seile. Gang unter Costabella, Westabhang. 2500 m.
Die Gesteinsfarbe ist schwarzgrün. Es fällt sofort auf,
daß die Plagioklasleisten unregelmäßig angeordnet sind. Die
Feldspate sind Bytownite, ihre Durchschnitte sind breitleisten-
förmig, sie sind meist frisch, selten angegriffen. Die Zwillings-
lamellen sind ungleich, sie keilen sich aus. Die Feldspate sind
auch mit zonar oder zentral gelagerten Chloritblättchen ver-
sehen. Zurücktretend an Menge sind die schwach rosa ge-
färbten Augite mit 44° Auslöschung und mit Magnetit- wie
Chloriteinschlüssen. Manche haben einen Magnetitsaum.
Spärlich ist der Olivin, serpentinisiert, mit Magnetit-
rändern.
Die Grundmasse besteht aus Plagioklasleistchen, da-
zwischen liegen grüne unregelmäßige chloritische Blättchen.
Oberes Traversellittal zwischen 2200 und 2250 m.
Das Gestein ist ziemlich reich an Augiten, deren Durch-
messer bis zu 4 mm beträgt. Einsprengunge sind vor allem
Plagioklas, dann Augit und auch spärlicher serpentinisierter
Olivin. Die Grundmasse besteht aus kleinen Feldspatleistchen,
ferner beteiligen sich am Aufbaue derselben Augitkörner und
Augitsäulchen, sehr stark ist sie durch Magnetitkörner ange-
reichert, selten sind Ilmenite mit Leukoxenhof. Die Grundmasse
ist durch chloritische Substanzen grünlich gefärbt. Der Ein-
sprenglingsfeldspat ist durchgehends unfrisch, zersetzt und,
soweit das Umwandlungsstadium des Feldspates eine Messung
zuließ, ein Oligoklas. Er hat dieselben Einschlüsse wie die
vorigen Gesteine. Auch der Augit ist unfrisch und zugleich
etwas pleochroitisch. Als Einschluß enthält er Magnetit.
Ein Gestein von Le Seile, zirka 2450 m hoch, 230m
westlich vom Paß unterscheidet sich kaum vom vorigen, es
gleicht schon äußerlich sehr dem vorigen. Der Feldspat ist ein
Labrador, der Augit hat 46° Auslöschung.
Sitib. der raathcm.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. L 17
258 K. Went,
Von diesem Gestein ist das folgende auch mehr wenig
geschieden; es ist ein
Gang beim Aufstieg im Pizmedatale gegen Toal della Foja;
im Kalk. 1750 m hoch.
Das Gestein ist graugrün, es enthält kleine Augite und
wenig Erz als makroskopische Gemengteile. Das Gestein ist
dicht. Unter dem Mikroskop treten Feldspat und Augit als
Hauptgemengteile hervor. Der Augit zeigt wie der Feldspat keine
krystallographischen Durchschnitte, sondern ist wie dieser
zersetzt. Auch in Körnern kommt er vor. Meist ist er in Chlorit
umgewandelt. Die Individuen erreichen einen Durchmesser bis
4 mm. Die Augite der Grundmasse zeigen dasselbe Verhalten
wie die Einsprenglingsaugite. Einschlüsse sind Magnetite.
Ebenso reich an Einschlüssen sind die Feldspate, namentlich
an Chlorit, sie sehen bei 4-Nicols faserig filzig aus, eine genaue
Bestimmung war schwierig, sie dürften aber der Oligoklasreihe
angehören.
Die Grundmasse ist stark durch chloritische Mineralien
angereichert, besteht wesentlich aus kleinen, aber ebenfalls sehr
angegriffenen Feldspaten.
Eigentliche olivin freie Plagioklasporphyrite.
Campagnazza am Abhänge des westlichen Allochetzuges gegen Le Seile-Paß.
Das Gestein ist grauschwarz, stellenweise durch Eisen
rötlich gefärbt. Es ist nur der Labrador ausgeschieden; er ist
stark zersetzt und hat nur Chloriteinschlüsse. Die Länge der
Feldspatleisten beträgt bis 8 mm. Die Grundmasse enthält sehr
viele lichtbräunliche Augitkörner, lebhaft pleochroitischen
Chlorit, letzterer in vielen Fällen sekundär nach Augit Seltener
konnte in der Mitte des Chloritblättchens ein noch intakt
gebliebener Augitkern beobachtet werden.
Die Grundmasse, vorwiegend feldspatig, ist ebenso wie
der Feldspat durch Eisen rötlich gefärbt. In der annähernd
diabasisch struierten Grundmasse befinden sich außerdem noch
Magnetitkörner.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 259
östlich vom Le Seile-See, Gang über der Quelle.
Das schwarzgraue Gestein enthält Feldspatleistchen und
kleine Augite. Die Verwitterungsrinde ist braun. Es ist holo-
krystallinporphyrisch struiert. Die Grundmasse besteht aus
kleinen Feldspatindividuen, vereinzelt sind Apatite. Nur Feld-
spat und zurücktretender Augit sind ausgeschieden. Die Feld-
spate haben breitleistenförmige Durchschnitte, viele sind schön
polysynthetisch verzwillingt.
Sie gehören der Labradorreihe an. Zonar gebaute Indi-
viduen sowie Einschlüsse von Magnetit und kleinsten braunen
Biotitblättchen sind nicht besonders häufig. Der beinahe stets
idiomorphe Augit mit 41° bis 45° Auslöschung hat nicht die
Rolle eines Hauptgemengteiles. Er ist auch in Chlorit umge-
wandelt, wobei der Umwandlungsprozeß auch im Zentrum zu
beginnen scheint; er ist mitunter randlich korrodiert und enthält
Magnetitkörner.
Der Umstand, daß der Feldspat teilweise von Augit
umrandet wird, spricht für das höhere Alter des Feldspates.
In der Grundmasse finden sich neben Magnetit, Chlorit, Apatit
und Augitmikrolithen auch noch vereinzelte Biotitblättchen.
Gang im Kalk neben den Monzonitapophysen südlich der
Predazzitbrüche, 2350 tn.
Das Gestein ist graugrün, die Zahl der Augite bedeutend,
ebenso ihre Größe. Die Länge mancher Individuen beträgt 7 ntm.
Das mikroskopische Bild ist merkwürdig. Die Grundmasse ist
erfüllt von kleinsten, äußerst dicht gelagerten, stark licht-
brechenden Augitmikrolithen, sie ist feldspatig, ihr Charakter
kann nur bei stärkerer Vergrößerung erkannt werden. Glas
fehlt. Der Einsprenglingsfeldspat ist ein Labrador. Er ist stark
zersetzt und enthält Magnetitinterpositionen, auch schwach
grünliche Körner, die mit den Augitmikrolithen der Grundmasse
zu identifizieren sind. Der Feldspat überwiegt den Augit.
Letzter, etwas grünlich bis schwärzlich gefärbt, ist ein Diallag
mit 42° bis 44° Ausiöschung. Man findet auch zonar gebaute
Individuen, ebenso Zwillinge.
17*
260 K. Wcnt,
Bei einem Augitindividuum wurde ein Plagioklasein-
schluß (Fig. 3) beobachtet, eine Erscheinung, die das höhere
Alter des Feldspates zu beweisen scheint.
Zersetzte Augite erscheinen von einem Kranze brauner
kurzer Biotitleistchen umgeben.
Mit folgendem Gesteine erscheinen die Plagioklasporphy-
rite beendet.
östlich vom Le Seile-See, Gang im Kalk.
Dieses Gestein enthält zwar Olivin, ist aber von den
melaphyrähnlichen Plagioklasporphyriten gut geschieden. Es
steht den biotitführenden Plagioklasporphyriten
ungleich näher, die unten näher beschrieben
werden.
Die Farbe ist grauschwarz und nur der
Feldspat ist mit freiem Auge erkennbar. Die
Grundmasse ist feldspatig, sie führt sehr viele
bis rotbraune Biotitblättchen, ferner stellen-
Fig. 3. weise stark angehäufte winzige, mit schwacher
Augit mit Feldspat- Vergrößerung kaum wahrnehmbare Augit -
einschluß (a). mikrolithen, endlich reichlich Magnetit und
Chlorit. Die Grundmasse stellt somit ein
schwärzliches Gefüge dar, in welcher nur Feldspat und akzesso-
risch Augit ausgeschieden sind. Der Feldspat ist ein unfrischer
Labrador, der von Biotit- und Chioritblättchen, dann von
Magnetit ganz erfüllt ist. Es finden sich im Schliff zwei Olivine,
die serpentinisiert sind, einen breiten Magnetitsaum besitzen
und von einem förmlichen Kranz von Biotitblättchen umgeben
sind. Vom Augit fehlen größere Individuen.
Nepheiin wurde nicht beobachtet, wiewohl sich beim
Versetzen mit Salzsäure Kochsalzwürfel bildeten. Die Struktur
ist porphyrisch.
Kersantitähnliche, beziehungsweise monzonit-
porphyrähn liehe P lag ioklasporphy rite.
Plateau südlich von den Predazzitbrüchen, 2350 tn.
Das dichte Gestein ist grauschwarz gefärbt und enthält
kleine Augite. Selten sind solche, die 2 mm messen. Die
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 261
Verwitterungsrinde ist rotbraun. Von einer eigentlichen Grund-
masse kann kaum gesprochen werden, denn der ganze Schliff
ist förmlich erfüllt von Feldspaten, ziemlich großen Leisten, die
wirr durcheinander liegen und meist zersetzt sind. Sie scheinen
der Oligoklasreihe anzugehören. Die Trübung der Plagioklase
ist durch kleinste, nicht erkennbare Körnchen und durch braune
kleine Biotitblättchen verursacht. Die Augitindividuen sind öfters
verzwillingt, auch zonar gebaut, ihre Auslöschungsschiefe be-
trägt 45°. Sie sind ganz eingezwängt zwischen die Feldspat-
individuen.
Die übrigen Zwischenräume füllen braune Biotitblättchen
aus und Magnetitkörner.
Die Struktur dieses Gesteins ist holokrystallinporphyrisch,
es ähnelt strukturell ziemlich den Kersantiten.
Toal da Mason bei der Hütte in der Kalkschrunde.
Das Gestein ist ebenfalls dicht grauschwarz. Das Ver-
hältnis des Feldspates zu den anderen Gemengteilen ist dasselbe
wie vorhin. Der Feldspat gehört jedoch der Anorthitreihe an.
Namentlich enthält er viele Biotitblättchen und Magnetit-
körnchen. Eine eigentliche Grundmasse fehlt auch hier.
Zwischen den Feldspaten befinden sich Biotitblättchen, sehr
lebhaft pleochroitisch, Magnetit, ziemlich viele Augitkörner
und endlich kleinere Feldspatindividuen. Größere Augite fehlen.
Auf dem Plateau über dem Predazzitbruch von Le Seile.
Ziemlich große bis bmm messende schwarze Augite
fallen auf in einem grauschwarzen Gestein, das eine rotbraune
Verwitterungsrinde besitzt. Nur schwer erkennt man mit
unbewaffnetem Auge kleinste Feldspatindividuen.
Die Plagioklase gehören der Labradorreihe an, ihre
Durchschnitte sind durchgehends breitleistenförmig; sie zeigen
sich häufig erfüllt von Biotitblättchen und sind teilweise zonar
gebaut Der Augit übertrifft den Plagioklas zwar an Größe,
nicht aber an Häufigkeit, er besitzt eine Auslöschungsschiefe
von 44° bis 47°; er ist etwas rosa gefärbt, birgt Magnetit-
einschlüsse in sich, die Sprünge sind durch Eisen rot gefärbt.
262 K. Went;
Plagioklas wie Augit liegen in einer Grundmasse, die aus
kleinen Orthoklasen und Plagioklasen nebst Magnetit sowie
massenhaften Biotitblättchen besteht, welche rotbraun gefärbt
sind.
Gang zirka 150 m über Le Seile-See.
Äußerlich könnte man dieses und das vorige Gestein ver-
wechseln. Es besteht wesentlich aus drei Konstituenten: aus
Feldspat, Biotit und Augit, wobei eine eigentliche Grund-
masse fehlt (Tafel, Fig. 5). Der Feldspat ist breitleistenförmig,
ein Labrador mit typischer polysynthetischer Zwillingsbildung.
Er ist ziemlich reich an Biotitinterpositionen. Manche Indi-
viduen zeigen undulöse Auslöschung.
Zwischen den Feldspaten eingezwängt finden sich streng
idiomorphe schwärzliche Augite mit 40 bis 42° Auslöschung.
Sie sind schwärzliche Diailage und man
merkt bei stärkerer Vergrößerung, daß sie
(Fig. 4) von einem System von kurzen,
^ » - ■ schwarzen, parallelen Rissen durchzogen sind,
welche 0*3 |x durchschnittlich voneinander
entfernt sind.
,,. t Die schwarze Farbe dürfte aller Wahr-
Fig. 4.
scheinlichkeit nach durch Magnetitstaub be-
Augitzwilhng. °
a Magnetit, dingt sein. Häufig sind die Individuen ver-
b Biotit. zwillingt und zeigen prächtigen Schalenbau.
Die Zahl der Individuen ist geringer, als man
nach dem Äußeren erwarten sollte. Die Biotite sind lebhaft
pleochroitisch; sie vereinigen sich mit Augitkörnern zu Nestern.
Dieses wie das vorige Gestein ist den Kersantiten sehr
ähnlich.
Le Seile-See — Allochet, Gang am Kamme des Zuges, 2600 w.
Der Unterschied zwischen diesem Typus und den voran-
gegangenen ist sehr gering. Der Labrador zeigt außer Biotit
auch noch spärliche unregelmäßige Chloritschuppen als Ein-
schlüsse. Große Augitindividuen fehlen, dagegen ist er nicht
selten in Delessit umgewandelt, wobei Kalk gebildet wurde. Die
Biotitblättchen verleihen dem Schliff durch ihre Menge eine
bräunliche Färbung. Dieses holokrystallinporphyrische Gestein
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 263
ist also ebenfalls ein biotitführender Plagioklasporphyrit mit
Kersantithabitus.
Die folgenden Gesteine sind deshalb wichtig, weil durch
ihre Ähnlichkeit mit den Monozonitporphyren ein Übergang
von den Melaphyren zu den Monzoniten hergestellt wäre.
Plateau über dem Predazzitbruch südlich vom Bruch, 2350 tn.
Schwarzgraues Gestein mit winzigen Augiten; porphyrische
Struktur ist nicht ausgeprägt. In einer teilweise orthoklastischen
Grundmasse sind Augit und Feldspat die Einsprengunge.
Letztere sind Plagioklase der Labradorreihe, daneben kommen
zu Nestern vereint in kleinen Individuen auch Orthoklase vor.
Biotit und Magnetit sind die Interpositionen des Augites. Der
Biotitgehalt ist mehr oder weniger gering, es sind meist Blätt-
chen, auch Lamellen von geringen Dimensionen, aber starkem
Pleochroismus. Die Grundmasse ist reich an Augitmikrolithen.
Den Monzonit durchbrechend. Plateau unter Allochetpaß
gegen Predazzitbruch. 2400 m.
Das Gestein ist grau; man bemerkt in demselben größere
Plagioklasindividuen.
Die Grundmasse ist feldspatig; sie wird gebildet von
kleinen, regellos gelagerten Blättchen ohne Zwillingsstreifung,
mit niederen Interferenzfarben, jedenfalls Orthoklase. Dazwischen
befinden sich rötiichbraune Biotitblättchen mit starkem Pleo-
chroismus, weiter Magnetitkkörnchen und sehr dicht gelagerte,
stark lichtbrechende, grüne Körnchen, schwach pleochroitisch,
die Augitkörnchen sind. Endlich finden sich noch unregel-
mäßig begrenzte, längs einer Linie angeordnete zusammen-
hängende Granaten als Kontaktprodukte. Als Einsprengung
finden sich nur größere Labradore.
Endlich seien noch drei Gesteine hier angeführt, die von-
einander wenig oder gar nicht verschieden sind. Sie stammen vom
Werneritfundort
und sind sehr zersetzte Plagioklasporphyrite, die einige Ähn-
lichkeit mit den Monzonitporphyren besitzen. Auch Weber1
i Dr. Max Weber, Inauguraldissertation. Würzburg 1899.
264 K. Went,
beschrieb von diesem Fundort ein Ganggestein, das er als
Porphyrit mit lamprophyrischer Grundmasse bezeichnet. Doch
ist dieses Gestein mit dem hier beschriebenen nicht identisch,
soviel aus Weber's Beschreibung hervorging. Alle drei sind
rötlich gefärbt, jedenfalls durch Eisen, brausen mit Salzsäure
und haben außer kleinen undeutlichen Feldspaten keinen
sonstigen größeren Gemengteil ausgeschieden.
Die Grundmasse ist stark verwittert, feldspatig, in der die
Einsprengiingsfeldspate erst bei -fNicols deutlich sichtbar
werden. Ihre Grenzen sind der Grundmasse gegenüber
nicht scharf ausgeprägt. Ihre nähere Bestimmung ist un-
möglich, doch scheint auch Orthoklas vorzukommen. Die
Augite sind ebenfalls stark zersetzt, teils farblos, teils gelblich-
grün. Magnetit kommt nur selten vor.
3. Diabasporphyrite.
Cathrein1 bemerkt in seiner Abhandlung: »Diabas-
porphyrite bezeichne ich analog den Dioritporphyriten por-
phyrische Gemenge von Plagioklas, Augit, Uralit und oft etwas
Hornblende«; dann fügt er hinzu: »Sie führen oft etwas
Olivin«. Sie sind also nach Cathrein meist olivinfrei und
Rosenbusch,2 der im allgemeinen auch in Bezug auf den
Olivin derselben Ansicht betreffs der Diabasporphyrite ist, setzt
hinzu, daß die Grundmasse ausgezeichnet hoiokrystallin und
deutlich phaneromer sein müsse. Die olivinfübrenden Diabas-
porphyrite wurden von Cathrein1 auch Meiaphyre genannt.
Gang im Monzonit beim Aufstieg von Ronchi zum Toal della
Foja, zirka 1830 m.
Das Gestein gleicht äußerlich sehr einem Camptonit, es ist
schwarz und besitzt keine schon makroskopisch erkennbaren
Gemengteiie. Es findet sich unweit des Camptonites p. 34.
Die Struktur ist diabasisch. Von einer Grundmasse kann
kaum gesprochen werden. Hauptkonstituenten sind Feldspat
i Zur Dünnschliffsammlung des Tiroler Eruptivgebietes. N. J. f. M. 1S90.
2 Rosenbusch Elemente 1896.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 265
und Augit, daneben kommen in abnehmender Reihenfolge
Chlorit, Hornblende und Biotit vor. Die Feldspate sind schmal
leistenförmig, sie liegen auf kurze Strecken parallel; sie
gehören der Labradorreihe an. Es befinden sich in ihnen häufig
äußerst dünne Nädelchen, die Apatit sein dürften. Der Augit
ist rötiichbraun, fast etwas bräunlich, selten sind breite Indi-
viduen, meist hat man es mit Säulchen und Körnern zu tun.
Seine Auslöschungsschiefe beträgt 44°. Die Mesostasis bilden
die anderen Gemengteile. Die Hornblende wie der Biotit ist
kräftig pleochroitisch.
Den größten Teil der Grundmasse bildet Chlorft mit ein-
gestreuten Magnetitkörnern. Auch vereinzelte Kalklamellen
wurden beobachtet.
Gang im Augitdiorit (Mal Inverno), Nordabhang.
Schrunde westlich von der Ricolettaschlucht, Westabhang 100 m unter dem
Kamme.
Dieses Gestein ist dem vorigen sehr ähnlich. Es ist ein
vollkommen dichtes schwarzes Gestein ohne einen makro-
skopisch erkennbaren Gemengteil (Tafel, Fig. 2). Es ist aus-
geprägt intersertai struiert. Die schmalleistenförmigen dünnen
Feldspate gehören der Bytownitreihe an. Dazwischen befinden
sich als Mesostasis schwach rötliche Augitkörner, sehr reich-
lich chlorotisierte Augitkörner, Chloritblättchen, Magnetitkörner
und endlich spitzdomatische Durchschnitte, die größtenteils
Kalk enthalten und ein Umwandlungsprodukt des Olivin sind.
Die im Jahre 1901 bei Forno gesammelten Gesteine wur-
den schon durch Ippen1 und Fabian2 beschrieben.
Ich habe^ nunmehr noch ein paar Gesteine beschreibend
hinzuzufügen, die während der Exkursion 1902 aufgesammelt
wurden, die aber nur das in den erwähnten Arbeiten Gefundene
i L. c.
2 L. c.
266 K. Went,
bestätigen. Die Gesteine stammen von den Gängen am rechten
Avisio-Ufer in der Nähe von Forno. Allen diesen Gesteinen ist
eigentümlich, daß sie mehr oder weniger ausgeprägt dia-
basisch struiert sind, daß sie sich durch einen wenn auch
manchmal geringen Gehalt an Chlorit, beziehungsweise Horn-
blende auszeichnen.
Melaphyre.
An der Straße. Vor Forno (von Predazzo aus).
Es sind serpentinfarbige Gesteine, die mit Salzsäure
brausen, die kleine, sehr scharf begrenzte, zum Teil auch
größere, bis 6 mm messende, grünliche Augite enthalten. Doch
sind sie nicht besonders augitreich.
Zwischen den Einsprengungen Feldspat und Augit sind
intersertal eingelagert zur Grundmasse gehörig kleine Feld-
spatleistchen, Chloritblättchen, wahrscheinlich nach Augit und
dann auch Magnetit.
Der Feldspat ist breitleistenförmig, enthält Chlorit und
Magnetit und gehört der Labradorreihe an. Er ist zersetzt und
korrodiert. Die Augitgröße wechselt sehr, der Augit ist gelblich
gefärbt, seine Auslöschungsschiefe beträgt 43°. Der Olivin ist
serpentinisiert, daneben kommt Kalk vor.
Ein anderes Gestein
hinter Forno an der Straße
unterscheidet sich dadurch, daß die porphyrische Struktur be-
deutend besser zum Ausdruck kommt. Die Grundmasse besteht
aus einem Gewirr kleinster Plagioklasleistchen
mit Magnetit, Hornblende und größtenteils
Chlorit. Einsprengunge sind rundliche oder
breitleistenförmige Bytownite, meist frisch,
doch auch mit zonar gelagertem Chlorit,
ferner zurücktretend Augit mit 42 bis 46°
Auslöschung — auch Sektorenbildung (Fig. 5)
wurde beobachtet — und endlich spärlich
serpentinisierter Olivin.
Beide Gesteine ähneln sehr den oben
beschriebenen Plagioklasporphyriten, die auch
Olivin haben.
&?
b
Fig. 5.
Augit mit Sektoren
bildung.
a Feldspat,
b Magnetit.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 267
Diabasporphyrite.
Sie sind wenig verschieden von den Melaphyren von
Forno und den Monzoni-Diabasporphyriten ziemlich ähnlich.
Ausgezeichnet kommt hier die divergentstrahlige Struktur zum
Ausdruck.
Zwischen Forno und Moena Gang im Kalke an
der Straße, vor Bisola.
Außer den Feldspatleisten sind Augitkörner, Magnetit,
Limonit zum Teil und Chlorit die Konstituenten der Grund-
masse. Einsprengunge sind ganz zersetzter, zentral vollkommen
chloritisierter Feldspat — Messungen waren nicht möglich —
und teilweise frischer, meist zersetzter Augit.
Vor Forno.
Zum Schlüsse beschreibe ich noch einen Diabasporphyrit
von Forno, der infolge des Augitgehaltes eher eigentlich ein
Augitporphyrit genannt werden sollte. Das Gestein ist schwarz,
es enthält zahlreiche braune Augite; es erschien durch den
Plagioklas wie weißgesprenkelt und braust mit Salzsäure. Grund-
masse sind Plagioklasleistchen, die ungefähr ein Drittel des
Schliffes einnehmen. Zwischen denselben befinden sich unregel-
mäßige Chloritblättchen, so daß die Grundmasse etwas grün-
lich ist. Augitsäulchen sieht man in derselben Größe wie die
Feldspatleisten, wirr gelagert, von derselben Farbe und dem-
selben Aussehen wie die Augite des Augitporphyrs von Bufaure.
Auch der Magnetit beteiligt sich an der Grundmasse, die hoio
krystailinporphyrisch ist. Einsprengunge sind Anorthite, breit
leistenförmig bis rundlich, öfters mit undulöser Auslöschung
und zu Nestern vereint mit spärlichen Chloriteinschiüssen.
Korrosionen sind sehr häufig am Augit; er besitzt eine Aus-
löschungsschiefe von 45°.
Man könnte dieses Gestein eigentlich einen Diabasaugit-
porphyrit nennen.
268 K. Went,
Melaphyr von Col de Lares.
Schon K. Fabian1 hat über dieses Gestein von breccien-
und tuffartigem Habitus berichtet. Ich kann auf Grund der
Beobachtungen an drei anderen Handstücken von Col de Lares
seinen Befund nur bestätigen. Alle drei Handstücke sind des-
halb merkwürdig, weil sie durchaus kein gleichartiges Gestein
darstellen, sondern fremde Gesteinsteile enthalten, die ungefähr
eine kugelige Form besitzen. Die Farbe des Melaphyrs ist
schwarzgrün, die der Schlieren rötlichschwarzbraun. Der
Melaphyr ist dicht, die Schliere grobkörniger. Mit Salzsäure
brausen beide Teile.
Die Grundmasse des Melaphyrs enthält zersetzten trüben
Plagioklas, ferner zersetzten Augit als Einsprengunge. Sie ist je
nach dem Magnetit-, beziehungsweise Limonitgehalt schwarz,
rötlich auch gelblich gefärbt. Stellenweise gleicht das Gestein
strukturell einem Andesit. In der Grundmasse befinden sich
kleinste Feldspatnädelchen, auch breitere. Die Plagioklase ent-
halten Magnetitkörner, sind auch nicht selten zu mehreren
vereint ganz von Magnetitkörnern eingehüllt. Augit wie Olivin
sind umgewandelt, es hat sich dabei Kalk gebildet. Delessit
beteiligt sich ebenfalls an der Zusammensetzung dieses
Gesteins. Die Schlieren weichen in ihrer Beschaffenheit etwas
ab. Ihre Grundmasse ist wohl durch Eisen rötlich gefärbt; sie
ist ebenso wie die des Melaphyrs teilweise glasig und enthält
kleine Feldspate. Die Einsprengunge sind, soweit ihre Zersetzt-
heit eine Messung zuließ, Oligoklase, ihr Verhalten, ist dasselbe
wie im Melaphyr. Augit wie Olivin sind überhaupt gänzlich
zersetzt.
In der Schliere bemerkt man mehr Kalkmandeln, Delessit,
auch Seladonit.
Es liegt jedenfalls eine Schliere vor, die infolge einer etwas
von der Melaphyrzusammensetzung abweichenden chemischen
Beschaffenheit leichter zersetzbar war.
1 K. Fabian, Über einige Porphyrite und Melaphyre. Mitt. des naturw.
Vereines für Steiermark, 1902.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 269
Das Gestein von der
neuen Pordoistrafie
ist äußerlich und mikroskopisch sehr dem von Col de Lares
ähnlich. Die Grundmasse ist glasig, schwarz, enthält Feldspat-
leistchen und ist magnetitreich. Breite Oligoklasleisten mit
Grundmasse- und Magnetiteinschlüssen sind weit häufiger
als die beiden stets zersetzten anderen Einsprengunge Olivin
und Augit. Es ist dieses Gestein wohl ein sehr verwitterbarer
Melaphyr mit annähernd andesitischem Habitus.
B. Camptonitgprappe.
Der Begriff Camptonit wird bei den verschiedenen Autoren
sehr wechselnd aufgefaßt. Es wäre besser, um denselben
schließlich nicht als Sammelname gelten zu lassen, darunter nur
die Hornblendegesteine als solche zu bezeichnen, von jenen
Gesteinen aber, die noch einen anderen Gemengteil führen, die
besondere Natur hervorzuheben. Demnach würde die Ein-
teilung der Camptonite sich, wie folgt, ergeben:
1. Eigentliche Camptonite mit Hornblende, Plagioklas und
Olivin.
2. Biotitcamptonite mit Hornblende, Biotit, Plagioklas und
Olivin;
3. Augitcamptonite mit Hornblende, daneben Augit, Plagio-
klas und Olivin.
Nur dann ist die Bezeichnung Augitcamptonit richtig, wenn
es sich um ein Gestein handelt, welches neben Hornblende in
größerer Menge Augit enthält. Ein hornblendefreies Gestein
kann nie ein Camptonit sein, da, wie sich namentlich in
unseren Gesteinen zeigt, solche Gesteine mit den Augit-
porphyren und Melaphyren ident sind, weiche ja auch gang-
förmig auftreten. Es wäre unzulässig, jüngere Gesteine Camp-
tonite zu nennen, die eine ganz andere Zusammensetzung
besitzen. Daß Augit bei den eigentlichen Camptoniten und
Biotitcamptoniten als akzessorischer Gemengteil auftreten kann,
wird vorausgesetzt; ebenso ist wohl selbstverständlich, daß
270 K. Went,
Zwischenglieder zwischen den angeführten Camptoniten
existieren.
Die Monchiquite zerfallen in
1. eigentliche mit Hornblende, Plagioklas und Olivin;
2. Biotitmonchiquite mit Hornblende, Biotit, Plagioklas und
Olivin;
3.Augitmonchiquite mit Hornblende, dann Augit, Plagioklas
und Olivin.
Die bei den Augitcamptoniten gemachten Bemerkungen
treffen analog auch hier zu. Es reihen sich außerdem an :
4. Fourchite, das sind olivinfreie Augitmonchiquite,
5. Ouachitite, das sind olivinfreie Biotitmonchiquite, und
6. Rizzonite mit Augit, Olivin und Glasbasis.
Auf Grund dieser Einteilung ist folgende Beschreibung
zusammengefaßt worden.
1. Camptonite.
Ippen's1 Camptonit hinter der Brauerei von Predazzo
stimmt, abgesehen von dem geringeren Barkevikitgehalt, ganz
mit vorliegendem Gesteine überein. Es stammt vom
Aufstiege von Pizmeda zum Toal della Foja, am Wege, bei
zirka 1800 m.
Das Gestein ist grünlichschwarz, enthält große bis &mm
messende Hornblenden und ist ein Gang im Monzonite. Es ist
in Bezug auf die feldspatige Grundmasse annähernd ophitisch
struiert. Der Magnetitgehalt ist gering. Hornblende wie Augit
sind idiomorph. Die barkevikitische Hornblende kommt in
schönen Durchschnitten vor, die häufig einen dunkleren Kern,
wie ihn Ippen1 beschrieb, besitzen, sie ist tiefbraun gefärbt, hat
einen kräftigen Pleochroismus und man kann in ausgezeichneter
Weise an den meisten Individuen den charakteristischen
Spaltungswinkel von 124° messen.
Bei einem Barkevikit war nur der Rand unzersetzt, im
Innern befand sich ein eigentümliches Gebilde, Dendriten ver-
1 L. c. p. 12; dieses vom rechten Avisioufer stammende Gestein durch-
bricht den Monzonit und nicht, wie Romberg (III p. 3) fälschlich behauptet,
den Granit.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 27 1
gleichbar, bestehend aus Magnetitkörnern, zwischen welchen sich
eine lauchgrüne Substanz (Chlorit?) und daneben eine stärker
brechende weiße, vielleicht Epidot, befand. Der Augit tritt gegen
den Barkevikit zurück, er ist auch in Chlorit umgewandelt.
Olivin wenig, immer aber serpentinisiert. Magnetit ist Einschluß
im Augit und in der Hornblende. Ebenso wurde Apatit in einem
größeren Labradorindividuum beobachtet. Spärlich sind Kalk-
blättchen.
Traversellittal an der Gabelung (nicht anstehend).
Gesteinsfarbe schwarz, Kalkmandeln häufig ohne schon
makroskopische Gemengteile.
Als Hauptgemengteil ist der Augit aufzufassen, seine Größe
ist unbedeutend, die Durchschnitte sind rundlich bis rechteckig,
Säulchen sieht man häufig. Die Auslöschungsschiefe steigt bis
48°, er ist idiomorph, beinahe einschlußfrei, selten sind Mag-
netiteinschlüsse. Die Hornblende steht dem Augit an Menge
nach, es sind stets nur kurze Stengel, die meist dem Barkevikit,
selten der basaltischen Hornblende angehören. Auch in der
Hornblende wurden Magnetitkörnchen beobachtet, ein Umstand,
der wohl für die gleichzeitige Bildung des Augites und der
Hornblende spricht. Zwischen beiden eingelagert, findet man
Labradorleistchen, die nie über die Größe des Augites hinaus-
gehen. An Größe steht obenan der Olivin, größtenteils in Kalk
umgewandelt, mit einem dünnen Saume von Augitkörnchen und
Hornblendeleistchen. Die kleinen Kalklamellen haben öfters
einen dünnen chloritischen Saum. Ganz vereinzelte Stellen
schienen Glas zu sein, doch ist diese Beobachtung zweifelhaft.
Die Bildung von Kochsalzwürfeln unterblieb beim Versetzen
mit Salzsäure. Das Gestein, holokrystallinporphyrisch struiert,
ist ein Augitcamptonit.
Endlich sei noch ein Gestein von der
Ricolettaspitze
beschrieben, das neuerlich von Romberg als Monchiquit an-
gesprochen wurde, in der Tat aber ein Camptonit ist, da es keine
Glasbasis enthält. Hierin hat Romberg1 Unrecht.
* Romberg, TU, S. 10.
272 K. Went,
Das dichte Gestein ist schwarz gefärbt, mit kleinen
höchstens \mm messenden Augiten. Diese und die Hornblende
halten sich in Bezug auf Menge das Gleichgewicht. Augit hat
auch stengelige Durchschnitte, ist idiomorph wie auch die
Hornblende. Sein Pleochroismus ist schwach, er ist etwas
rötlich gefärbt, beinahe stets einschlußfrei und besitzt eine
Auslöschungsschiefe von 48°. Größere Augite sind selten. Der
immer serpentinisierte Olivin erreicht bedeutendere Größe; er
erscheint ganz umsäumt von sehr dicht gelagerten Magnetit-
körnchen, die sich auch auf Sprünge im Innern ansammeln. Die
Hornblende — es handelt sich nur um Barkevikit — ist in
kurzen Säulchen vertreten, der Pleochroismus kräftig. Die
Zwischenräume zwischen Augit und Hornblende füllen sehr
dünne, wohl aber streng begrenzte, auch breitere Plagioklas-
leistchen aus.
Jene Partien, die scheinbar zwischen -4- Nicols dunkel
blieben, erwiesen sich bei Anwendung des Gipsblättchens doch
nicht als isotrop. Glas fehlt also. Es liegt wieder ein Augit-
camptonit vor.
• 2. Monehiquite.
Zu betonen ist, daß die hier angeführten Monehiquite nur
wenig von den Camptoniten verschieden sind.
Gang im Monzonit. Nordabhang zwischen Ricoletta und
Rizzoni.
NNO der Spitze, 2300 m.
Das tiefschwarze Gestein braust mit Salzsäure, enthält
barkevikitische Hornblende als Hauptgemengteil, ferner reichlich
Augit und Olivin. Die Hornblende hat die Form langer Nadeln,
sinkt zu kleinsten Individuen herab. In beinahe porphyrischer
Ausbildung ist Olivin vertreten, stets serpentinisiert und fast
stets korrodiert. Grundmasse mit Hornblende dringt häufig in
den Olivin ein (Fig. 6). Bisweilen enthält er im Innern noch
frische Kerne und häufig Picotit.
In größerer Zahl, jedoch kleineren Körnern oder Stengeln
sieht man den Augit zwischen der Hornblende eingelagert mit
Melanokrate Gesteine des Monzom. 273
39 bis 45° Auslöschung. Der Feldspat ist ein Anorthit, es sind
kleine schmale Lamellen, er ist sehr spärlich. Glas ist vor-
handen, doch nur wenig.
Sicher ist, was die Reihenfolge der Ausscheidungen betrifft,
daß sich zuerst Olivin und Augit, dann erst, wie ja das Ein-
dringen von Grundmasse mit Hornblende in den Olivin beweist,
Hornblende und später Feldspat sich bildeten. Magnetit kommt
sowohl im Augit wie im Olivin als Einschluß vor.
Das Gestein ist ein Augitmonchiquit.
III. Gang auf Palle rabbiose gegen Mal Inverno, zirka 2550 m.
Das Gestein braust mit Salzsäure. Äußerlich sehen sich
dieses und das vorige Gestein vollkommen gleich. Als Ein-
sprengunge erscheinen schwach rötlicher,
idiomorpher Augit in Körnern und 6- bis
8-eckigen Durchschnitten mit 45° Aus-
löschung, daneben in gleicher Menge
bräunliche Hornblende — Barkevikit —
ebenfalls idiomorph in Nadeln, Stengeln,
mit nicht besonders lebhaftem Pleochro-
ismus und einer Auslöschungsschiefe
von ungefähr 14°. Größere Augite sind Fi 6
in Chlorit umgewandelt, dabei hat sich .,. . ...
° a Ohvin serpentinisiert.
Kalk gebildet. Einige spitzdomatische b Barkevikitnadein.
Schnitte einer gelblichgrünen Substanz
sind serpentinisierter Olivin; auch hier wurde Kalk gebildet, es
handelte sich also um einen Monticellit.
Endlich nehmen teil am Aufbaue des Gesteins regellos
zwischen Augit und Hornblende in der grünlichen, teilweise
glasigen Grundmasse liegende, unzersetzte Labradorleistchen.
Dieses Gestein ähnelt strukturell sehr den Rizzoniten, es
ist ein Augitmonchiquit.
Aufstieg zur Ricolettaspitze.
200 m Horizontaldistanz NNW von dieser, 2400 bis 2500 m.
Das Gestein ist vollkommen dicht, schwarz gefärbt, braust
mit Salzsäure und zeigt keine makroskopischen Gemengteile.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXII. Bd., Abt. I. 1 8
274 K. Went,
Bei schwacher Vergrößerung scheinen in einer ungleich
schmutzig grünbraunen Grundmasse nur Augit und Olivin sich
ausgeschieden zu haben. Bei starker Vergrößerung löst sich
diese Grundmasse auf; sie besteht aus äußerst dicht aneinander
gelagerten bräunlichen Hornblendenadeln, nebst kleinsten Augit-
körnern und -leisten. Die Barkevikitnadeln sind nur schwach
pleochroitisch, haben eine Auslöschungsschiefe von 12°.
Zwischen diesen erwähnten Nadeln und Körnern lagern sich
kleine Oligoklas- (?) Leistchen. Alles befindet sich in einerteilweise
glasigen Grundmasse.
Augit wie Olivin sind idiomorph, ebenso die Hornblende-
nädelchen. Den Augit sieht man in deutlichen kristallo-
graphischen Durchschnitten, er ist blaß rosa, zeigt mitunter
Sanduhrstruktur und eine Auslöschungsschiefe von 49°. Olivin
stets serpentinisiert mit Magnetit- und Picotiteinschlüssen. Kalk-
blättchen sind nicht selten. Dieses Gestein, auch ein Augit-
monchiquit, stellt mehr oder weniger nur ein Übergangsgestein
zu den Camptoniten dar.
3. Rizzonite.
Es ist dies ein Gesteinstypus, der, wie Herr Prof.
Doelter1 bereits berichtete, sich eng an die Camptoni tgruppe
und zwar infolge seiner teilweise glasigen Basis an die Monchi-
quite anschließt. Das Gestein braust mit Salzsäure nur an
Verwitterungsflächen, an frischen jedoch nicht
Die Rizzonite sind feldspatfreie Augitolivingesteine mit
glasiger Basis, deren Menge gegenüber den Einsprengungen
verschwindend gering ist, mit unbedeutendem Magnetitgehalt
und spärlicher Hornblende, die nur in kleinen Schlieren zu
treffen ist.
Durch Zunahme dieses Übergemengteiles und das Auf-
treten von geringsten Feldspatmengen erscheint schon minera-
logisch die Annahme begründet, daß man es hier mit einer
Gesteinsart zu tun hat, die sich an die Augitmonchiquite anlehnt
und aber auch durch große Verwandtschaft mit gewissen feld-
i Akad. Anzeiger Nr. II, 1903.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 275
spatarmen augitreichen Melaphyren besitzt. Von den Mond-
haldeiten sind sie strukturell und mineralogisch vollkommen
abweichend.
Südseite der Ricoletta, 2400 m.
In der Schrunde zwischen Ricoletta und Rizzoni-Spitze, zirka 300 m östlich
von ersterer.
Die Farbe des Gesteins ist vollkommen schwarz; es sieht
äußerlich sehr den hier vorkommenden Camptoniten, be-
ziehungsweise Monchiquiten ähnlich. Außer ein paar kleinen
höchstens 2 mm messenden Augiten sind keine Gemengteile mit
unbewaffnetem Auge erkennbar. An Verwitterungsflächen ist es
grünlichschwarz bis schmutzigbraun gefärbt. Unter dem Mikro-
skope sieht man folgendes: Hauptgemengteile sind Augit, dann
Olivin (siehe Tafel, Fig. 3). Der Augit ist vollkommen idiomorph.
Er kommt vor in kleinen Säulchen, die bisweilen strahlig
angeordnet sind, doch hält diese Form ungefähr das Gleich-
gewicht mit der Körnerform. Die Länge dieser Säulchen beträgt
durchschnittlich im Maximum 0*2 mm, sehr selten sind Augite
mit0#6ww. Die Größe der Körner schwankt zwischen O'Ol
bis 0* 1 mm. Körner mit 0*1 mm im Durchmesser sind schon
sehr spärlich. Die Säulchen und Körnchen erfüllen gewisser-
maßen den ganzen Schliff; sie sind gelb, auch äußerst schwach
rosa gefärbt. Pleochroitische Augite konnten nicht beobachtet
werden. Die Auslöschungsschiefe beträgt bis 47°. Selten sind
Augite mit Einschlüssen von kleinsten Magnetitkörnchen.
Der Olivin tritt an Menge zurück, zeichnet sich aber, was
auch sonst häufig beobachtet wurde, dadurch aus, daß er
durchschnittlich in größeren Individuen vorhanden ist, als der
Augit. Auch spitzdomatische Schnitte wurden gefunden. Stets
ist er ganz oder teilweise serpentinisiert und beinahe immer
von der Grundmasse angegriffen. Kleinste Magnetitkörnchen
bilden seine Einschlüsse. Er wird meist von Magnetit, auch
von Augit umsäumt; letztere Erscheinung spricht für die
frühere Bildung des Olivin.
Bei schwacher Vergrößerung hat es den Anschein, als ob
das Gestein reich an kleinsten Hornblendenädelchen wäre,
denn die Grundmasse zwischen den Augiten und Olivinen ist
18*
276
K. Wont,
grün. Bei starker Vergrößerung sieht man aber, daß die Horn-
blende mit Ausnahme einiger seltener Schlieren, die kaum die
Größe der bedeutendsten Augitkörner erreichen, mit basalti-
schen Hornblendenädelchen, überhaupt fehlt. Diese grüne,
eben erwähnte Grundmasse erwies sich bei -h- Nicols isotrop,
ist also Glas. Feldspat fehlt gänzlich. Beim Versetzen mit Salz-
säure bildeten sich Kochsalzwürfel. Doch dürfte das Natron
aus dem Glas stammen, da Nephelindurchschnitte bei sorg-
faltiger Durchsuchung des Schliffes nicht aufgefunden wurden.
Das Gestein ist hypokrystallinporphyrisch struiert.
Herr Prof. Doelter analysierte diesen Rizzonit; das
Ergebnis wurde im Akad. Anzeiger Nr. II, 1903, veröffentlicht
Es ist folgendes:
in
IV
Ti02
Si02
Al2Os
Fe2Os
FeO
MgO
CaO
N^O
K20
H^O
Summe
0-41
42-35
16-25
5-33
6*28
8-97
12-46
2-37
2-01
2-87
0*43
43-92
16*84
5-53
6*51
9-30
12-92
2-46
2-09
0-53
73-20
16-51
3-45
9-04
23-26
23-08
3-96
2-22
0-34
47-15
10-64
2-22
5-82
14-98
14-87
265
1-43
99-29
100-00
155-25
100-00
IL Analysenergebnis (I) nach Abzug von H20 auf 100 berechnet.
III wurde erhalten durch Division der Zahlenreihe II durch die Molekular-
gewichte der einzelnen Verbindungen und Multiplikation der Quotienten mit
100 und in
IV auf 100 berechnet.
Das Verhältnis CaO : K20-hNa20 = 14-87 : 3 '98.
Welchen Gesteinen und wie sehr der Rizzonit denselben
chemisch gleicht, wird weiter unten dargelegt.
Mclanokrate Gesteine des Monzoni. 277
Ein Gang unmittelbar unter dem Kamme, 2550w
hoch, am Ausgange der oben erwähnten Schrunde sieht äußer*
lieh vollkommen dem vorigen Typus gleich. Das mikroskopische
Bild ist aber etwas abweichend.
Zu den Hauptgemengteilen Augit und Olivin tritt akzes-
sorisch hinzu die Hornblende. Das Verhältnis des Augits zum
Olivin ist dasselbe, seine Durchschnittsgröße mag etwas die des
vorigen Gesteins überwiegen, sein sonstiges Verhalten, abge-
sehen von dem hier deutlichen Pleochroismus, ist dasselbe. Der
Olivin ist etwas größer, er birgt außer Magnetit auch noch
Picotitoktaederchen als Einschluß; letzteres Mineral wurde
auch — aber ganz vereinzelt — im Augit beobachtet. Das
Altersverhältnis zwischen Augit und Olivin ist dasselbe wie
vorhin.
Der Olivin ist nur teilweise serpentinisiert. Magnetit ist in
der glasigen Grundmasse häufig, die Körnchen sind von einem
grünlichen Saume umgeben. Spärlich durch den Schliff ver-
teilt, ausgezeichnet durch starken Pleochroismus, mit einer
geringen Auslöschungsschiefe, trifft man die grüne Hornblende.
Es ist wohl eine natronreiche, die auch hier schlierenartig
angehäuft vorkommt.
Schließlich seien noch ein paar unregelmäßige mikrosko-
pische Stellen erwähnt, die eventuell Feldspat sein mögen. Die
früher über Nephelin gemachte Bemerkung gilt auch für dieses
Gestein.
Zweiter Gang von Norden auf Palle rabbiose gegen Mal
Inverno am Kamme. 2530 m hoch.
Das Gestein ist schwarz, vollkommen dicht, makroskopisch
erkennbar sind nur kleinste spärliche Augite. Augit und Olivin
im selben Mengenverhältnis sind die Hauptgemengteile. Der
Schliff ist bedeutend heller, wohl infolge der nicht so sehr grün-
lichen als weißlichen glasigen Grundmasse. Der Augit ist stets
idiomorph, seine Ausbildungsform und Größe stimmt mit den
schon oben erwähnten Verhältnissen überein. Er ist etwas
rötlich gefärbt, seine Auslöschungsschiefe ist hoch, sie beträgt
46 bis 48°. Der Augit ist einschlußfrei.
278 K. Went,
Der Olivin tritt auch im selben Verhältnis auf, er ist kor-
rodiert, mit schwachen Limonitsäumen, mit Picotit- und
Magnetiteinschlüssen versehen, vielfach ganz oder teilweise
serpentinisiert. Hier wie im vorigen Gestein trifft man grüne
Hornblendenadeln. Bemerkenswert ist auch, daß sie öfters
schlierenartig angehäuft und dann in der Regel mit kleinsten
Kalkblättchen vergesellschaftet sind. Auch hier mag erwähnt
sein, daß die Anwesenheit von Nephelin ja möglich ist, die
Probe mit Salzsäure deutete darauf hin, mit Sicherheit konnte
dieses Mineral nicht nachgewiesen werden. Die im vorigen
Gestein über Feldspat gemachten Bemerkungen gelten auch hier.
Ippen1 beschrieb von Palla verde ein Ganggestein als
Camptonit, es enthält Kalkmandeln und geht, wie der Autor
bemerkt, zum Teile durch die Abnahme brauner barkevikitischer
Hornblende in Augitporphyrit über. Dieses Gestein besitzt eine
gewisse Ähnlichkeit mit dem Rizzonit.
Anschließend sei noch ein
Gestein vom Traversellittal 2250 m
beschrieben; es ist dicht, schwarz und enthält größere Augite.
Zwischen den Hauptgemengteilen Augit und Olivin befinden
sich als unregelmäßige Blättchen verteilt Biotit. Die Grund-
masse tritt sehr zurück und ist glasig. Das Verhalten der
Augite ist dasselbe wie in den soeben beschriebenen Gesteinen ;
größere Augite haben häufig einen grünen Kern, dessen Aus-
löschungstiefe wenig von der Randzone verschieden ist. Der
Olivin ist korrodiert und stets serpentinisiert. Einschlüsse sind
Augitsäulchen, doch wurden auch Augite beobachtet, die den
Olivin umschlossen; jedenfalls gehören beide Mineralien der-
selben Bildungszeit an.
Endlich wurden meist äußerst kleine, mitunter auch
größere Feldspate gefunden, deren Auslöschungsschiefe nicht
mit Sicherheit festgestellt werden konnte. Magnetit ist sehr
häufig. Die Anwesenheit des Nephelin schien auch hier die
Probe zu beweisen, doch konnte das Mineral im Schliffe nicht
entdeckt werden. Es ist somit dieses Gestein ein Biotitmonchi-
quit, der dem Rizzonite äußerst ähnelt und in dieses übergeht.
i L. c. p. 11.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 279
Rückblick und chemische Betrachtung.
Es erübrigt nunmehr, die Ergebnisse meiner Arbeit über-
sichtlich zusammenzustellen und die Vergleiche, die sich bei
der Beobachtung der Gesteine in mineralogischer, struktureller
und chemischer Hinsicht ergaben, zusammenzufassen.
Die Einteilung der von mir untersuchten Gesteine und die
Gründe, welche diese Einteilung zur Folge hatten, finden sich
schon in der Einleitung. Diesbezüglich ist nichts hinzuzufügen.
In mineralogischer Beziehung ergaben sich folgende
Resultate: Der Feldspatgehalt ist in den Plagioklasporphyriten
am größten, er geht zurück in den Melaphyren und Diabas-
porphyriten, noch mehr in den Camptoniten und Monchiquiten;
das Ende der Reihe bildet der Rizzonit, dieser ist feldspatfrei.
Der Augitreichtum ist am größten in den Rizzoniten, dann in
den Augitcamptoniten und Augitmonchiquiten, er wird geringer
in den Melaphyren und Diabasporphyriten, am geringsten ist er
wohl in den Plagioklasporphyriten.
Den Olivin trifft man am häufigsten in den Rizzoniten, er
tritt zurück in den Monchiquiten und Camptoniten, noch mehr
in den Melaphyren und in den Plagioklasporphyriten, endlich
sind die Diabasporphyrite, manche Melaphyre und die eigent-
lichen Plagiosklasporphyrite olivinfrei. Der Hornblendegehalt
ist wohl in den Camptoniten und Monchiquiten am bedeutendsten,
in den anderen Gesteinen wechselnd. Sehr viel Biotit führen die
kersantitähnlichen beziehungsweise monzonitporphyrähnlichen
Plagioklasporphyrite, auch in den Melaphyren wurde er
beobachtet. Am meisten Glas führen die Melaphyre der Punta
Valaccia, glasärmer sind die Monchiquite, Rizzonite und Gang-
melaphyre.
Auf das Verhältnis der anderen Mineralien gehe ich hier
— da es unwesentlich ist — nicht mehr ein, ich verweise auf
die einzelnen Gesteinsbeschreibungen.
In struktureller Hinsicht läßt sich folgendes bemerken:
Allein stehen da die Strommelaphyre der Punta Valaccia mit
ihrer annähernd oder auch ausgesprochen hyalopilitischen
Struktur. Sehr ähnlich sind einander manche Gangmelaphyre
280 K. Went,
und Plagioklasporphyrite einerseits und anderseits die feldspat-
armen, zugleich augitreichen Meiaphyre den Rizzoniten, diese
den Monchiquiten. Man kann von ersteren wie von letzteren
ganz gut sagen, daß sie ineinander übergehen.
Am besten charakterisiert sind außer den obgenannten
Strommelaphyren die typischen Plagioklasporphyrite, eben-
solche Diabasporphyrite, die Camptonite und Rizzonite, letztere
schon durch ihren Feldspatmangel. Schwerer zu trennen waren
einzelne Meiaphyre von den Diabasporphyriten.
Andere Angaben über Struktur wären nur Wiederholungen,
sie finden sich im Texte, soweit als notwendig, genügend
hervorgehoben.
Chemisch verwandt erscheinen die auch strukturell ver-
wandten Rizzonite, Camptonite und der Melaphyr von Palle
rabbiose, doch ist hier immerhin für die Aufstellung einer
chemischen Verwandtschaft Vorsicht geboten und vorerst nötig,
Analysen, soweit sie von den hier behandelten Gesteinen
bekannt sind, heranzuziehen.
Von Melaphyren wie Augitporphyriten hat K. Fabian1
mehrere Analysen zusammengestellt, sie sind allerdings ebenso
wie die jüngst von Ippen* veröffentlichten Cornonmelaphyr-
analysen nicht völlig vergleichend auf meine Gesteine anzu-
wenden, da sich darunter keine von Monzonimelaphyren
befinden.
Doelter3 hat nun in letzter Zeit eine Analyse eines
Melaphyrs von Palle rabbiose und die eines kersantitähnlichen
Monzonitporphyrs vom Pizmedakamm veröffentlicht.
Vergleicht man nunmehr mit diesen beiden Analysen das
Melaphyrmittel, das ich aus Analysen von Fornogängen (Zahlen-
reihe I) berechnete, einerseits sowie anderseits mit den Cornon-
analysen Ippen's, mit der Plagioklasporphyritanalyse
Petersen's und der Augitporphyranalyse Streng's, so ergibt
sich folgendes:
i K. Fabian, Über einige Porphyrite und Meiaphyre.
2 Ippen, Über Meiaphyre von Cornon. Centralblatt, 1903, S. 6 bis 13.
» Akad. Anzeiger, 1902, XVII, XXIII.
Melanokrate Gesteine des Monzoni.
281
I
n
III
IV
V
VI
SiO,
49-29
48-16
47-59
55 02
45-05
48-71
Al3Os
17-63
16-17
16-84
21-72
18-55
18-66
P«A
( 9-16
6*94
633
( 7*53
—
2-89
FeO
)
4-64
662
)
9-64
5-50
MgO
5-81
5-62
5-48
1-83
3-22
6-04
CaO
10-75
5-66
5-99
6*77
12-89
12-44
N14O
2-12
2-60
2-23
2-72
2-99
3-21
K20
1-63
4-87
4-43
341
1-61
2-07
HjO
3-26
375
3-30
0-40
3- 14
0-93
TiOa
—
—
—
0*40
—
—
CO,
0-17
1-26
2-10
—
3-81
—
Summe . . .
99-82
99-67
100*91
99-80
100*90
100-45
I. Melaphyrmittel aus K. Fabian, »Ober einige Porphyrite und Mela-
phyre«, S. 151, 152. Analysen IV, XI, XII, XV bis XVIII.
II. J. A. Ippen, Ȇber Melaphyre von Cornon und theralitische Gesteine
vom Viezzenatal bei Predazzo«, S. 10, Analyse C.
III. Ebenda, Analyse D.
IV. Analyse Petersen Plagioklasporphyrit : aus K. Fabian, Analyse I.
V. Augitporphyr vom Fassatal. Analyse Streng: aus K. Fabian,
Analyse XX.
VI. Kersantitähnlicher Monzonitporphyr. Analyse Do elter, Akad. An-
zeiger Nr. XXin. 1902.
282
K. Went,
Si02.
Al2Og
Fe208
FeO.
MgO
CaO.
NajO
K20 .
H20.
Ti02
C02.
Summe . .
VII
43-41
13-20
7-00
5-66
13-12
12-88
1-84
0-99
3-02
101-12
VIII
42-35
16-24
5.33
6-28
8-97
12*46
2-37
2-01
2-87
0-41
99-29
IX
40-57
13-94
7-29
6-65
7-06
10-16
3-82
1-37
2*84
3-78
2-31
99-79
38-46
17-75
5-09
12-66
7-50
7-86
4-56
1-73
2-97
1-12
0*56
100-26
XI
43-93
15-66
5-91
6-99
5-22
11-70
5-94
206
2-38
2-39
0-48
102-66
XII
59-37
17-74
4-17
2-97
2-49
5-57
3-23
2-47
2-19
0-82
101-02
XIII
42-31
13*76
6-56
6-95
9-19
19-94
3-98
1-62
2-79
1-05
99-15
VII. Melaphyr von Palle rabbiose. Analyse Doelter, Akad. Anzeiger
Nr. XVII. 1902.
VIII. Rizzonit vom Rizzoni W. Analyse Doelter, Akad. Anzeiger
Nr. II, 1903.
IX. Rosenbusch, Elemente; aus den Analysen 1 bis 5, das Camptonit-
mittel, S. 235.
X. Camptonit. I p p e n J. A., Ȇber einige Ganggesteine von Predazzo, S. 1 6.
XL Rosenbusch, Elemente; aus den Analysen 60, 7 bis 9 das Monchiquit-
mittel, S. 235.
XII. Ebenda; aus den Analysen 20 bis 24 das Weiselbergitmittel, S. 297.
XIII. Ebenda; aus den Analysen 1 bis 4 das Limburgitmittel, S. 363.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 283
Die Ganggesteine von Forno sind mit dem Melaphyr von
Palle rabbiose nicht zu identifizieren, besonders infolge des
bedeutend höheren Si02- und A^Og -Gehaltes sowie des
geringeren Eisen- und Magnesiumoxydgehaltes. Auch mit dem
kersantitähnlichen Monzonitporphyr stimmen sie trotz des
ungefähr gleichen Si02+Al2Os-Gehaltes nicht überein. Ich
verweise auf die Differenzen bezüglich der Alkalien und
bezüglich Fe208+FeO.
Vergleicht man die Cornonmelaphyranalysen Ippen's mit
dem Melaphyr von Palle rabbiose und dem Rizzonit, so sieht
man, daß sie von ersteren bezüglich Si02, MgO+CaO und
durch die Alkalien geschieden sind. Vom Rizzonit sind sie
bezüglich Si02, namentlich durch den Alkaliengehalt und den
MgO-Gehalt geschieden. Mit dem kersantitähnlichen Monzonit-
porphyr lassen sie sich überhaupt nicht identifizieren.
Der Plagioklasporphyrit Peters en's ist viel saurer als die
Melaphyre. Ein Vergleich ist daher nicht möglich.
Vergleicht man nunmehr die Analyse des Rizzonites mit
denen der Camptonite, Monchiquite, mit den Analysen des
Melaphyrs von Palle rabbiose, endlich mit den Weiselbergiten,
Limburgiten und dem Augitporphyr Strengt, so erhellt
folgendes :
Die Camptonite sind basischer als der Rizzonit, namentlich
ist dadurch der Campton it ausgezeichnet, den Ippen analysierte;
dieser differiert auch bezüglich FeO-t-CaO und der Alkalien.
Das Camptonitmittel stimmt sonst etwas mehr überein.
Der Rizzonit ist daher sicher mit den Camptoniten
verwandt. Eine noch größere Verwandtschaft ergibt sich mit
den Monchiquiten, wenn auch der MgO-Gehalt bei letzteren
kleiner, die Alkalienzahl größer ist und sie wie die Camptonite
auch titansäureärmer sind. C02 fehlt den Rizzoniten.
Interessant ist die nahe Beziehung der Rizzonite mit dem
Melaphyr von Palle rabbiose. Dagegen ist letzterer von den
Camptoniten zu sehr verschieden, als daß er noch als Camptonit
aufgefaßt werden könnte.
Das Ergebnis dieser Analyse stimmt noch mehr mit
der Rizzonitanalyse überein als diese mit dem Monchiquit-
mittel.
284 K. Went.
Die schon früher erwähnte Tatsache, daß die Ähnlichkeit
der Rizzonite mit dem Weiselbergit nur eine strukturelle sei,
wird deutlich durch die Analysen bestätigt.
In dem Berichte, den Herr Prof. Do elter über den
Rizzonit gab, wurde der Rizzonit als ein gangförmiges Äqui-
valent mancher Limburgite dargestellt. Es stimmt nun in der
Tat die Analyse des Rizzonits überraschend mit dem Limburgit-
mittel ^Zahlenreihe XIII) überein.
Vergleicht man schließlich den Rizzonit mit dem Augit-
porphyr Streng's, so ergibt sich, daß dieses Gestein saurer ist
als der Rizzonit, reicher an Tonerde, besonders auch reicher an
MgO. Immerhin herrschen doch einige Beziehungen zwischen
beiden Gesteinen.
Es erscheint somit besonders die nahe Beziehung des
Rizzonites zur Camptonitgruppe bestätigt und so ist der Rizzonit
ein Gestein, das mit den Camptoniten und Monchiquiten in eine
Gauverwandtschaft gehört.
Das Alter der Gesteine.
Was die Altersbeziehungen der behandelten Gesteine an-
belangt, so ergeben sich für die großen Melaphyrgänge und
Strommassen des Pizmedatales keine Anhaltspunkte, um
bestimmen zu können, welches Gestein das ältere oder jüngere
ist Dagegen steht es fest, daß jüngere Melaphyrgänge im
Monzonit vorkommen. Wenn es sich nunmehr bestätigen sollte,
daß bei Predazzo die großen Melaphyr- und Plagioklasporphyrit-
massen älter als der Monzonit sind, so würde eine Wiederkehr
desselben Magmas nach der Monzoniteruption als feststehend
zu betrachten sein.
Jüngere Melaphyrgänge sind bereits von älteren Autoren
vielfach hervorgehoben worden, in jüngster Zeit auch von
Cathrein1 und Weber.2 Nur Romberg8 bestreitet kategorisch
jedes derartige Vorkommen.
i L. c.
2 L. c. p. 46.
* Romberg, III. p. 2.
Mclanokrate Gesteine des Monzoni. 285
Ich will hier Gänge,1 welche den Monzonit durchbrechen
und Melaphyre sind, nochmals anführen.
1. Der schon von Doelter und Hoernes erwähnte
Melaphyrgang am Westabhange des Palle rabbiose.
2. Der Diabasporphyrit vom Mal Inverno.
3. Der Plagioklasporphyrit vom Plateau zwischen Allochet
und Predazzitbruch.
4. Das von Cathrein, Weber, Ippen und Doelter
beschriebene Melaphyrvorkommen von Toal della Foja.
5. Endlich fand ich am Nordabhange der Malgola, dort, wo
der von Predazzo am linken Travignoloufer gegen die
Boscampobrücke führende Steig aufhört und der Bach sich
zum felsigen Ufer drängt, so daß ein weiteres Passieren un-
möglich ist, ungefähr einen halben Kilometer westlich der
Boscampobrücke, einen schmalen Melaphyrgang, den ich nun-
mehr beschreiben will.
Das Gestein ist dicht, schwarz, braust mit Salzsäure an
der Kontaktzone. Die Verwitterungsrinde ist schwarzbraun.
Die Grundmasse beträgt ungefähr 25 bis 30% des Schliffes
(siehe Tafel, Fig. 4), ist teilweise glasig und durch Körnchen,
die kaum l|t betragen, beinahe undurchsichtig grau. Sie enthält
Feldspatnadeln, deren Breite kaum 0*5 (x beträgt. Ausgeschieden
sind Feldspat, Augit und Olivin.
Die Feldspatleisten sind durchgehends schmalleistenförmig,
frisch. Sie gehören zur Anorthitreihe. Die Augite sind größer,
doch nicht so groß, daß man sie mit freiem Auge wahrnehmen
könnte. Sie sind rötlich, auch grünlich, sind korrodiert, auch in
Chlorit umgewandelt und enthalten Grundmasseeinschlüsse.
Der Olivin kommt in schönen Durchschnitten vor, ist jedoch
serpentinisiert und der dabei gebildete Kalk läßt schließen, daß
ein Monticellit vorlag. An der Kontaktzone hat sich Kalk
gebildet, der Biotit des Monzonites ist etwas verändert, der
Melaphyr an der Grenze etwas rötlich gefärbt. Es ist dies kein
Camptonit
6. Gang im Bachbett, Nordabhang zwischen Ricoletta und
Rizzoni in einem nördlichen Seitenarm des Traversellittales.
1 Ippen, L. c, p. 25, Ganggestein von der Sforzella den Monzonit
durchbrechend.
286 K. Went,
Es folgt daher, daß es jüngere und ältere Melaphyre gibt,
wie es auch jüngere und ältere Granite gibt.
Während man früher den Granit als unbedingt älter als den
Melaphyr annahm, haben ihn neuere Autoren als jünger dar-
gestellt; auch Brögger1 gibt zu, daß möglicherweise ein Teil
des Granits älter sein dürfte.
Ippen8 sagt S. 44: »Es wird noch weiter zu untersuchen
sein, ob dieses Verhältnis für das ganze Melaphyr-, respektive
Granitmassiv zu gelten haben wird oder nicht.«
Romberg8 wirft Ippen vor, daß er dieses Verhältnis noch
für strittig hält. Er selbst behauptete in seiner ersten Publikation,
daß der ganze Granit jünger sei, und nun ist er doch gezwungen,
die Existenz eines älteren zuzugeben. Jedenfalls sollte in einer so
wichtigen Frage, die so schwer zu entscheiden ist, demjenigen,
der ausdrücklich betont, daß er an dieser Stelle in das Für und
Wider nicht eingreifen will, daraus kein Vorwurf gemacht
werden.
Daß Camptonite und Rizzonite jünger als der Monzonit
sind, bedarf keinen weiteren Beweises.
Ich erlaube mir noch, am Schlüsse meiner Arbeit für die
bei der Ausführung derselben erteilten Ratschläge meinem hoch-
geehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. C. Doelter, meinen besten
Dank auszusprechen. Ebenso bin ich dessen Assistenten, Herrn
Privatdozenten Dr. J. A. Ippen, zu vielem Danke verbunden.
1 Brögger, Die Eruptionsfolge der triadischen Eruptivgesteine bei
Predazzo, S. 94.
8 L. c.
» Romberg, III, S. 24.
Melanokrate Gesteine des Monzoni. 287
Tafelerklärung.
Fig. 1. Melaphyr von Toal Rizzoni S. 16.
Fig. 2. Diabasporphyrit vom Mal Inverno. Vergr. X 150.
Fig. 3. Rizzonit. Sehr starke Vergrößerung. X 500.
Fig. 4. Melaphyr. Nordabhang der Malgola. X 150.
Fig. 5. Kersantitähnlicher Plagioklasporphyrit Die dunklen Partien sind Biotit.
Etwas exzentrisch gelagert ein Augit mit Schalenbau. Vergrößerung
X 150.
K. Went: Melanokrate Gesteine des Monzoni.
<#T-
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturvv. Klasse, Bd. CXII, Abt. I, 1903.
Lirhtlniek der k. k. Hof- und Staatsdmckerei.
289
Phytoplankton aus Kleinasien
bearbeitet von
Josef Brunnthaler.
(Vorgelegt in der Sitzung am 19. Februar 1903.)
Im Sommer 1900 unternahm Herr Dr. Franz Werner mit
Unterstützung der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in
Wien eine Reise nach Kleinasien und besuchte auch die beiden
Seen Abullonia-Göl und Isnik-Göl. Dieselben liegen im Vilajet
Khodawendikjar, besitzen eine bedeutende Größe, aber nur
geringe Tiefe.
Herr Prof. Dr. Daday bearbeitete den zoologischen Teil
der Ausbeute (einschließlich der Peridineen), während Herr
Dr. Werner die Bearbeitung des Phytoplankton mir übertrug.
Da das zur Verwendung gelangende Gazenetz verhältnismäßig
große Maschenöffnung besaß, fehlen in den Aufsammlungen
eine ganze Anzahl von zu erwartenden kleineren Formen der
Algen, was auch durch vereinzelte Vorkommnisse von solchen
bestätigt wird.
Isnik-Göl.
Es liegen folgende Planktonproben vor: Ufer-Oberflächen-
fang vom 8. August 1900 und Mitte-Oberflächenfang vom
selben Tag.
Das Material ist, soweit es pflanzlicher Natur, sehr
unbefriedigend. Detritus und einzelne Grundbewohner sind
dominierend. Nach Mitteilung des Herrn Dr. Werner war das
Wasser des Sees außerordentlich klar und durchsichtig und
erst mehrmaliges Fischen mit dem Netz ergab etwas Plankton.
Von eigentlichem Phytoplankton kann keine Rede sein.
An Organismen, welche wir den Planktonten zuzählen, wären
zu nennen:
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 19
290 J. Brunnthaler,
Anabaena flos-aquae Breb., selten.
Polycystis flos-aquae Wittr.,
P. elabens (Breb.) Kg.,
P. elabens var. ichthyobläbe (Kg.) Hausg., alle drei etwas
häufiger als die Andbaena,
Fragilaria capucina Desm., selten.
Abullonia-Göl.
Von hier liegen an Planktonproben vor: drei vom 2. August
1900 und zwar bei Abullonia und gegenüber von Abullonia
gesammelt, sowie eine Probe von der Seemitte.
Die Proben zeigen, wie zu erwarten, große Überein-
stimmung untereinander. Die reichste ist jene gegenüber
Abullonia entnommene. Herr Dr. Werner teilte mir mit, daß
der See sehr reich an Organismen sei und nach jedem Netzzug
eine* große Menge Plankton sich in demselben fand.
Nachfolgend die beobachteten Arten:
Diatomaceae.
Cymbella cymbiformis Ehr. var. ß parva (Sm.), selten;
kommt auch im Plankton des Garda-Sees (Kirchner) vor.
Pleurosigma attenuatum W. Sm., vereinzelt; scheint die
einzige Pleurosigma- Art des Planktons zu sein.
Synedra Ulna (Ehr.) var. splendens (Kg.), sehr selten.
Cymatopleura Solea, sehr selten.
Surirella biseriata Breb., selten.
Surirella robusta Ehr. var. splendida (Ehr.), ziemlich
häufig. Mit den Abbildungen bei Van H eure k nicht sehr über-
einstimmend; die vorliegenden Exemplare sind breiter, die
Rippen zarter. 120 bis 144 [t lang, 50 bis 65 |& breit.
Melosira crenulata Kütz. var. Binderiana (Kg.), die
häufigste Form der Proben, meist 4*8 (t breit und zirka
27 (jl lang.
Melosira crenulata Kütz. var. tenuis (Kg.), ziemlich häufig,
12 (jl breit, 19-2 (x lang.
Melosira granulata (Ehr.) Ralfs, 12 jx breit, 24 p lang.
Phytoplankton aus Kleinasien. 291
Mclosira granulata (Ehr.) Ralfs vax.procera,7-2 ji. breit,
33*6 (t lang. Beide ziemlich häufig.
Chlorophyceae.
Botryococcus Braunii Kütz, selten.
Actinastrum Hantzsckii, sehr selten.
Pediastrum simplex Meyen.
Pediastrum simplex var. ß annulatum.
Pediastrum duplex Meyen var. ß clathratum (A. Br.).
Pediastrum duplex Meyen var. ? reticulatum (A. Br.).
Von P. duplex var. clathratum finden sich ziemlich häufig
Exemplare, welche den von Lemmermann als P. clathratum
var. Baileyanum Lemm. beschriebenen und in den Plöner
Ber., Bd. VII, Taf. II, Fig. 26 bis 28, abgebildeten entsprechen.
Ich ziehe jedoch wie Chodat (Algues vertes de la Suisse,
p. 228) P. clathratum als Varietät zu duplex und halte die
vorliegenden Formen nur für Abweichungen. Mit Ausnahme
von P. duplex var. clathratum, welches ziemlich häufig in den
Proben ist, besonders gegenüber Abullonia, wurden die an-
geführten Formen vereinzelt gefunden.
Cyanophyceae.
Polycystis flos-aquae W i 1 1 r.,
Polycystis eldbens (Breb.) Kg.,
Polycystis eldbens (Breb.) Kg. var. ichthyoblabe (Kg.)
Hansg., alle drei vereinzelt.
Merismopedium Marssonii Lemmermann (in Ber. d.
Bot Ges., 1900, S. 31), sehr selten, Kolonien meist 64 zellig.
Merismopedium glaucum A. Br., selten.
Aphanizomenon flos-aquae Ralfs. Die Fäden sind in den
Proben meist einzeln, doch dürfte an Ort und Stelle die Species
wohl in den charakteristischen Bündeln vorkommen. Sporen
selten.
Anabaena flos-aquae Breb. Die dominierende Schizo-
phyceae. Fäden kurz, eingerollt und meist ohne Heterocysten.
Sporen wurden nicht beobachtet. Jüngeres Stadium.
19*
292 J. Brunnthaler,
Anabaena macrospora Klebahn var. gracilis Lemmer-
mann (Bot. Zentralbl., 76, 1898, S. 155), ziemlich häufig;
vegetative Zellen etwas kleiner (4*8 |t : 7 • 2 (jl).
Anabaena planctonica n. sp. Fäden einzeln lebend,
gerade, mit Gallerthülle. Vegetative Zellen rundlich oder kurz
elliptisch, 9 bis 15 (i breit, bis 10 fi lang, Heterocysten kugelig,
12 bis 14[t dick, Sporen elliptisch, 12*5 bis 20 p breit, 15 bis
29 ft lang, von den Heterocysten entfernt liegend; Gasvakuolen
vorhanden. Breite der Fäden mit Gallerthülle 23 bis 30 ft.
Vereinzelt in den Proben. Die Art steht der Anabaena
macrospora var. robusta Lemmermann am nächsten, besitzt
aber etwas geringere Masse und eine rein elliptische Spore,
während die Sporen von Anabaena macrospora und ihrer
Varietäten in der Mitte fast zylindrisch sind, mit kegeligen
Enden, so daß ein niedriges Sechseck im Längsschnitt resultiert
Anabaena Werneri n. sp. Fäden einzeln lebend, gerade,
mit sehr schwacher Gallerthülle; vegetative Zellen rundlich,
7-2 [t breit, 4*8 \l lang, Heterocysten kugelig, 7 2 |t dick,
von den Sporen entfernt liegend. Spore kugelig, 12 [i dick;
Gasvakuolen vorhanden. Breite der Fäden mit Gallerthülle
zirka 12 (jl.
Ich benenne die vorliegende Art, welche sich vereinzelt im
Materiale findet, zu Ehren des Herrn Dr. Werner.
Lyngbya limnetica Lemmermann (Bot. Zentralbl., 76. Bd.,
1898, S. 154), nicht selten; mit der Beschreibung Lemmer-
mann's gut stimmend.
Lyngbya contorta Lemmermann (Plöner Ber., Teil VI,
Abt. II, S. 202, Taf. 5, Fig. 10 bis 13), ziemlich häufig; meist
ist nur ein Schraubenumgang vorhanden, selten zwei oder
mehr. Windungsweite zirica 20 ft.
Wenn wir die Menge der einzelnen Arten betrachten, so
finden wir, daß die Melosiren und Cyanophyceen in den Proben
dominierend sind; in zweiter Linie kommen Surirella und
Pediastrunt, während alle anderen Formen ganz vereinzelte
Erscheinungen sind. Die ganze Zusammensetzung des Plank-
tons deutet auf einen Flachsee und beträgt ja auch die Tiefe
des Sees an den Fangstellen nur zirka 2 m.
Phytoplankton aus Kleinasien. 293
Aus Kleinasien war bisher an Algen nur sehr wenig
bekannt. Die erste Aufzählung findet sich in: Spratt and
Forbes, Travels in Lycia, Mylias and the Cibyratis, with the
late Rev. E. T. Daniell, 2 vols.t 4°, London 1847. In derselben
sind 13 marine Algen genannt. Bruno Schröder hat in der
Nuova Notarisia, Serie VI, 1895, p. 99 bis 106, einen Aufsatz
unter dem Titel »Kleinasiatische Algen« publiziert. Das Material
wurde von Prof. Dr. J. Schröter im Sommer 1894 gesammelt
und ergab inklusive der von Forbes gefundenen für Kleinasien
60 Arten. Die vorliegenden Proben lieferten nun 29 Arten, von
welchen nur zwei für Kleinasien schon bekannt waren, nämlich
Cymbella parva und Pleurosigma attenuatutn. Der Zuwachs
beträgt daher 27 Arten, darunter zwei neue: Anabaena plancto-
nica und Anabaena Werneri. Von Cyanophyceen war bisher
aus Kleinasien überhaupt keine Art angegeben. Die Gesamtzahl
der Arten aus Kleinasien beträgt nunmehr 87 Spezies.
295
VIII. SITZUNG VOM 12. MÄRZ 1903.
Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 111, Abt. IIa, Heft VII (Juli 1902).
Der Vorsitzende, Präsident Prof. E. Sueß, macht Mit-
teilung von dem am 5. März 1. J. in Hof erfolgten Ableben des
inländischen korrespondierenden Mitgliedes dieser Klasse, k. k.
Hof- und Ministerialrates i. R. Dr. Hermann Militzer.
Ferner gibt derselbe Kenntnis von dem Hinscheiden des
auswärtigen korrespondierenden Mitgliedes der Klasse, Prof.
Dr. Julius Viktor Carus in Leipzig.
Die anwesenden Mitglieder geben ihrem Beileide durch
Erheben von den Sitzen Ausdruck
Die Ungarische Akademie der Wissenschaften in
Budapest übersendet die Mitteilung von der Stiftung eines
Bolyai- Preises, welcher von fünf zu fünf Jahren für die beste
mathematische Arbeit verliehen werden wird, und gibt zugleich
die näheren Modalitäten bei der Verleihung dieses Preises
bekannt.
Dankschreiben sind eingelangt:
1. von Prof. Dr. R. v. Zeynek in Wien für die Bewilligung
einer Subvention zur Ausführung physiologisch-chemischer
Studien an Seetieren;
2. von Prof. Franz v. Hemmelmayr in Graz für die
Bewilligung einer Subvention zur Fortsetzung seiner Unter-
suchungen über das Ononin.
Das k. M. Prof. Hans Molisch in Prag übersendet eine
Abhandlung unter dem Titel: »Bakterienlicht und photo-
graphische Platte«.
Versiegelte Schreiben zur Wahrung der Priorität haben
eingesendet:
296
1. Assistent Anton Skrabal in Wien mit der Aufschrift :
Über eine fragliche Allotropie«;
2. k. k. Polizeiagent Andreas Grassmugg in Wien mit der
Aufschrift: »Natur- und Eierkonservierungsverfahren
mit einem Zählapparate vereint«.
Das w. M. Prof. Franz Exner legt zwei Abhandlungen
von Dr. J. Billitzer vor:
I. »Theorie der Suspensionen und der elektrischen
Doppelschichte.«
IL »Über die Elektrizitätserregung durch die Bewe-
gung fester Körper in Flüssigkeiten.«
Das w. M. Prof. F. Exner überreicht einen vorläufigen
Bericht über die im Auftrag der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften durchgeführte Aufstellung zweier Wiechert'scher
astatischer Pendelseismographen im Pfibramer Bergwerk,
erstattet von Dr. Hans Benndorf.
Das w. M. Hofrat G. Ritter v. Escherich legt eine Ab-
handlung von Dr. J. Plemelj in Wien vor, welche den Titel
führt: »Über die Anwendung der Fredholm'schen
Funktionalgleichung in der Potentialtheorie«.
Derselbe legt ferner Heft 1 von Band III2 der von den
kartellierten Akademien der Wissenschaften zu München, Wien
und der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen heraus-
gegebenen »Encyklopädie der mathematischen Wissen-
schaften mit Einschluß ihrer Anwendungen« vor.
Dr. Felix M. Exner legt eine Abhandlung mit dem Titel
vor: »Zur Theorie der vertikalen Luftströmungen«.
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Universität in Buenos Aires: Anales, tomo XV, 1901.
Buenos Aires, 1902; 8°.
297
Bakterienlicht und photographische Platte
Hans Molisch,
k. M. k. Akad.
Aus dem pflanzenphysiologischen Institute der k. k. deutschen Universität in
Prag. Nr. 57 der 2. Folge.
(Mit 3 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 12. MIrz 1003.)
Versuche, im Bakterienlichte zu photographieren, wurden
bereits von verschiedener Seite unternommen und zwar mit
positivem Resultate.
Zunächst ist es nach einer Mitteilung von J. Forster1
van Haren-Noman gelungen, von Platten und Strichkulturen
der Leuchtbakterien nach mehrstündiger Exposition sehr
deutliche Bilder zu bekommen.
B. Fischer8 konnte ebenfalls mit Kulturen von drei
verschiedenen Leuchtbakterien gute Bilder erhalten, doch
waren hiezu recht intensiv leuchtende Kulturen, sehr empfind-
liche Trockenplatten und eine lange Belichtung (12 bis 36
Stunden) erforderlich. Die Photographien ließen nicht bloß die
Kulturen, sondern auch die Umrisse der Reagensröhrchen und
der Doppelschalen erkennen. An der Photographie eines
leuchtenden Härings konnten die einzelnen Schuppen des
Körpers deutlich gesehen werden. Eine Taschenuhr, mit zwei
Strichkulturen beleuchtet, gab eine Photographie, auf welcher
man die Stellung der Zeiger gut ablesen konnte.
1 Forst er J., Ober einige Eigenschaften leuchtender Bakterien. Zentralbl.
für Bakteriologie u. s. w., Bd. 11, S. 337.
2 Fischer B.f ebenda, II. Jahrg., 1888, III. Bd., S. 140 und IV. Bd., S. 89.
298 H. Molisch,
Ganz vorzügliche Resultate erzielte R. Dubois bei seinen
Experimenten über das Photographieren im Bakterienlichte.
Nachdem er schon im Jahre 1886 mit Hilfe leuchtender Insekten *
Photographien von den Büsten Claude Bernard's und P. Pert's
hergestellt hatte, gelang es ihm auch scharfe Bilder im Bakterien-
lichte zu erhalten.2 Er umgab die Büste Claude Bernard's
mit 13 leuchtenden Kolben, exponierte durch einige Stunden
die photographische Platte und erhielt ein gelungenes Bild,
welches die Leuchtgefäße und die Büste scharf hervor-
treten ließ.
Er konstruierte auch eine sogenannte lebende Lampe,
bestehend aus einem metallischen Träger für ein großes flaches
Glasgefäß, das oben und seitlich je ein Ansatzrohr mit Öffnung
hatte. Die Öffnungen waren mit einem Baumwollpfropf ver-
schlossen, so daß die Luft beim Durchzug filtrieren konnte.
Eine mit der seitlichen Rohröffnung durch einen Schlauch in
Verbindung stehende Kautschukbirne gestattete das Einblasen
von Luft, wodurch die Kulturbouillon reichlich mit Sauerstoff
versehen und zu hellerem Aufleuchten gebracht wurde. Die
obere Glaswand der Lampe war mit Zinnfolie bedeckt, die als
Reflektor diente. Im Lichte einer solchen Lampe konnte Dubois
groben Druck gut photographieren.
Hübsche Photographien von leuchtenden Strich- und
Plattenkulturen sowie von einem mit leuchtender Bouillon
erfüllten Glaskolben verdanken wir Barnard.8
Im folgenden seien einige Erfahrungen wiedergegeben,
die ich selbst über das Photographieren im Bakterienlicht
gemacht habe.
Bei meinen zahlreichen Versuchen, von denen ich nur
einige wenige hier namhaft machen will, leistete mir ein
Zeiss'sches Objektiv und zwar das Unar mit relativer Öffnung
1:5 und 210 mm äqu. Brennweite ausgezeichnete Dienste.
Wegen der relativ geringen Lichtintensität des Bakterienlichtes
mußte ein sehr lichtstarkes Objektiv verwendet werden, das
1 Dubois R., Les elaterides lumineux. Paris 1886.
2 Dubois R., Das kalte Licht. Umschau 1901, S. 221 bis 224.
8 Barnard J. E., Luminous Bacteria. Nature, 1902, p. 536.
Bakterienlicht und photographische Platte. 299
gleichzeitig eine starke Annäherung an den Gegenstand
gestattete. Beiden Forderungen entsprach das Unar von Zeiss
in vortrefflicher Weise.
Es sei noch bemerkt, daß alle photographischen Versuche
in einer nach jeder Richtung hin exakt eingerichteten Dunkel-
kammer durchgeführt wurden. Sie war absolut lichtdicht und
an der ganzen inneren Oberfläche matt geschwärzt. Zur
Verwendung gelangten Schleussner's Gelatine-Emulsions-
platten 9 X 12. Als Lichtquelle diente das Licht von Micrococcus
phosphoreus1 Cohn, rein gezüchtet auf Salzpeptongelatine.
1. Photographien von Bakterien in ihrem eigenen Lichte.
Fig. 1 stellt eine Photographie einer Petrischale mit
6 Tage alten, prachtvoll leuchtenden Kolonien des Micrococcus
phosphoreus dar. Der Deckel der Petrischale war ersetzt durch
eine plane Glasscheibe. Die Kolonien waren auf der Visierscheibe
der Kamera bei scharfer Einstellung deutlich zu sehen. Die
Expositionszeit betrug 15 Stunden. Wie die Photographie zeigt,
erscheinen nicht bloß die Kolonien mit aller nur wünschens-
werten Schärfe, sondern auch die Umrisse der Petrischale.
Wenn diese sichtbar werden soll, muß man für einen hellen
Hintergrund der Schale sorgen. Zu diesem Zwecke stellte ich
die Petrischale in ein kleines, aufrecht stehendes Kästchen,
dessen offene innere Oberfläche ganz mit weißem Papier
ausgeklebt war. Hiedurch wird, weil das Bakterienlicht nicht
frei in den finsteren Raum der Dunkelkammer ausstrahlen kann
und von den weißen Wänden des Kästchens auf das Kultur-
gefaß reflektiert wird, in der Umgebung der Schale eine große
Helligkeit erzielt, es entstehen Spiegelungen und Reflexe und
so werden die Umrisse der Petrischale markiert.
Bei genauer Betrachtung der Kolonien wird man Lichthöfe
um dieselben bemerken. Diese letzteren könnten vielleicht den
Gedanken erwecken, daß nicht bloß die Kolonien leuchten,
sondern daß diese durch Ausscheidung einer bestimmten
1 Über die Biologie dieser Bakterie und über die Art und Weise, wie man
sich dieselbe jederzeit leicht verschaffen kann, vergleiche man meine Abhand-
lung: »Ober das Leuchten des Fleisches, insbesondere toter Schlachttiere«,
Botan. Zeitung, 1903, Heft I.
300 H. Molisch,
Substanz auch ihre nächste Umgebung leuchtend machen.
Eine derartige Vermutung ist jedoch abzuweisen, denn man
kann sich leicht überzeugen, daß die Lichthöfe durch den
Reflex des weißen Papiers hervorgerufen werden. Stellt man im
Finstern eine Petrischale mit leuchtenden Kolonien zur Hälfte
auf weißes, zur Hälfte auf schwarzes Papier und betrachtet
man sie mit wohl ausgeruhtem Auge, so sieht man bei den über
dem weißen Papier befindlichen Kolonien deutliche Lichthöfe,
bei den anderen aber nicht. Die Lichthöfe kommen also durch
Lichtreflex zustande.
Fig. 2 stellt dieselbe Photographie dar, aber nach nur
dreistündiger Expositionszeit. Die Lichthöfe sind hier viel
schwächer, fast kaum zu sehen, aber die Kolonien lassen an
Schärfe nichts zu wünschen übrig.
Ich bemerke übrigens, daß schon eine Expositionszeit von
5 Minuten genügt, damit sich die Kolonien photographieren.
Bei solchen Bildern mit relativ kurzen Exposilionszeiten
erscheinen die Kolonien nicht als gleichmäßig helle Scheiben,
sondern gewissermaßen als Ringe oder, genauer gesagt, als
Scheiben, deren Umfang viel heller ist als das Innere. Dies
kommt daher, weil die Kolonien an ihrer Peripherie, wo die
Vermehrung und das Wachstum der Bakterien vorwiegend
stattfindet, und die Lebensenergie der jungen Bakterien eine
viel größere ist als im Inneren, stärker leuchten. Bei alten, groß
gewordenen Kolonien sieht man dies mit freiem Auge direkt,
junge Kolonien hingegen erscheinen dem Auge längs ihrer
ganzen Ausbreitung gleich hell; daß hier der Rand auch stärker
leuchtet, das zeigt uns erst die Photographie, z. B. die in Fig. 3,
welche eine 10 Tage alte Kolonie von Micrococcus pkospkor&is
im vergrößerten Maßstabe darstellt.
Sehr leicht ist es, Strichkulturen im Eigenlichte zu photo-
graphieren, schon nach */4 Stunde erhält man davon ein
deutliches Bild. Soll aber im Bilde auch die Eprouvette mit dem
Baumwollpfropf erscheinen, so muß für einen weißen Hinter-
grund gesorgt werden und der Pfropf muß mit Leuchtbakterien
getränkt werden. Um die Lichthöfe um die Eprouvette zu
vermeiden, empfiehlt es sich, die Rückseite der Platten mit
Solarin zu bestreichen.
Bakterienlicht und photographische Platte. 301
Die Fig. 4 zeigt eine gelungene Photographie einer Strich-
kultur nach sechsstündiger Belichtung.
2. Eine neue Bakterienlampe.
(Fig. 5.)
Die im Vorhergehenden gewonnenen Photographien lassen
an Schärfe und Deutlichkeit für unsere Zwecke nichts zu
wünschen übrig. Will man jedoch mittelst leuchtender Bakterien
andere Gegenstände photographieren, so genügen einzelne
Strich- und Plattenkulturen nicht, da die Intensität ihres Lichtes
eine zu geringe ist. Zwar könnte man durch Aufstellung einer
sehr großen Zahl von Strichkulturen auch zum Ziele gelangen,
allein dies wäre doch zu umständlich. Es hat daher schon
Dubois diesem Übelstande durch Konstruktion einer so-
genannten lebenden Lampe abzuhelfen gesucht, wie ich bereits
früher hervorgehoben habe. Diese Lampe erstrahlte aber ihrer
Einrichtung nach nur kurze Zeit in stärkerem Lichte, nämlich
wenn in die Kulturflüssigkeit Luft eingeblasen wurde. Da nun
in einer Flüssigkeit der zugeführte Sauerstoff nach kurzer
Zeit wieder aufgebraucht wird, so erlischt das Licht alsbald,
nur die oberste Schichte bleibt in Berührung mit der atmosphä-
rischen Luft leuchtend. Für photographische Zwecke mit langer
Expositionsdauer muß es aber wünschenswert sein, eine
Lampe mit andauernd intensivem Lichte zu besitzen.1 Das
starke, von Micrococcus phosphoreus ausstrahlende Licht,
welches stärker und anhaltender ist als das aller von mir
untersuchten Meeresbakterien, ermunterte mich, eine Bakterien-
lampe zu gewinnen, und nach mehrfachem Herumprobieren
gelang es mir, eine Lampe zu erzielen, die meinen Ansprüchen
vollkommen entsprach. Um eine solche Lampe zu machen,
verfuhr ich in folgender Weise.
Ein 1 bis 2 Liter-Erlenmeyerkolben aus Glas wird mit
etwa 200 bis 400 cm3 Salzpeptongelatine beschickt, mit einem
i Während der Druckkorrektur hatte Herr Prof. Dubois die Güte, mich
darauf aufmerksam zu machen, daß er neben seiner oben geschilderten Lampe
zur Beleuchtung auch schon Glasgefäße verwendete, die an der Innenseite mit
Gelatine und Leuchtbakterien ausgekleidet waren, die also auch eine andauernde
Beleuchtung gestatteten. La Nature, 1901, p. 293.
302 H. Molisch,
Baumwollpfropf verschlossen und dann sterilisiert. Nach Ab-
kühlung, und bevor die Gelatine wieder erstarrt, wird mit einer
jungen, gut leuchtenden Kultur von Micrococcus phosphoreus
mittelst einer Platinnadel geimpft und der Kolben dann in
horizontaler Lage und unter langsamer Drehung im Strahle
eines Wasserleitungshahnes gekühlt, wobei die Gelatine an der
ganzen inneren Oberfläche nach wenigen Minuten erstarrt
Der ganze Kolben ist dann mit einer mehr minder dicken
Gelatineschichte allseits ausgekleidet, auch der Pfropf kann mit
Gelatine getränkt werden, da er ganz besonders schön leuchtet.
Nun stellt man den Kolben in ein kühles Zimmer. Schon nach
1 bis 2 Tagen entwickeln sich längs der ganzen Ausdehnung
der Innenwand die Kolonien, der Kolben leuchtet dann in
wunderschönem bläulichgrünen Lichte und bietet mit seinem
ruhigen matten Glänze einen herrlichen Anblick.
Die Fig. 5 stellt eine Photographie meiner Bakterienlampe
in ihrem eigenem Lichte dar. Der Kolbenhals erscheint mit
Ausnahme seines Randes dunkel, weil der vorhandene Baum-
wollpfropf nicht leuchtete. Die ganze Innenwand zeigt die
leuchtenden Kolonien bei genauer Betrachtung als kleine
Ringe, weil der Rand der Kolonien stärker leuchtet als ihr
Inneres. Die Exposition betrug in diesem Falle 12 Stunden, es
sei jedoch bemerkt, daß schon nach */4 Stunde Exposition die
Umrisse der Lampe samt den Kolonien deutlich auf dem
Negativ zum Vorschein kommen.
Meine Lampe hat, wenn sie in kühlem Räume bei etwa
10° C. aufbewahrt wird, die ausgezeichnete Eigenschaft, durch
etwa 14 Tage relativ intensiv und später mit abnehmender
Helligkeit zu leuchten. Ihr Licht gestattet, die Taschenuhr,
das Thermometer abzulesen, groben Druck zu entziffern, das
Gesicht einer Person auf 1 bis 2 m zu erkennen. Als ich in
finsterer Nacht die Lampe auf ihre Helligkeit in einem Garten
prüfte, konnte ich ihr Licht noch auf 64 Schritte deutlich
wahrnehmen. Man kann die Lampe als Nachtlampe benützen,
um Gegenstände im finsteren Zimmer zu finden, wie denn
überhaupt die große Billigkeit, die lange ununterbrochene
Leuchtdauer, die Geruchlosigkeit und die Gefahrlosigkeit dieses
kalten Lichtes den Gedanken näher rücken, daß das Bakterien-
Bakterienlicht und photographische Platte. 303
licht einmal auch eine praktische Bedeutung gewinnen dürfte,
ähnlich wie dies ja bei manchen tropischen leuchtenden
Käfern schon lange der Fall ist.
Gewisse Elateriden, die A. v. Humboldt bei Trinidad auf
Cuba traf und die die Spanier Cucujos nennen, dienen in den
Hütten armer Landleute als Leuchte. »Zirka ein Dutzend
Cucujos in einer durchlöcherten Kürbisflasche dienen in Hütten
armer Landleute als Nachtlampen, und wird das Licht schwächer,
so darf man nur rütteln, wo durch das Irritieren der Tiere das
Licht wieder weit stärker wird.« A. v. Humboldt erzählt, daß
die Mütter dieses Licht benützen, um den Kindern zur Nacht-
zeit die Brust zu reichen; ferner verbieten oft die Kapitäne der
Schiffe, ein anderes Licht außer der Elaterbeleuchtung des
Nachts zu gebrauchen, um von den gefürchteten Corsaren nicht
beobachtet zu werden. Humboldt selbst benützte auch diese
Beleuchtung bei seinem Besuche der Luftvulkane von Turbaco,
um eine Entzündung der brennbaren Gase zu vermeiden. 1
Schon auf Grund seiner Versuche mit leuchtendem Holz
und leuchtenden Fischen kam Heller zu der Überzeugung,
daß das Licht von Lebewesen auch für das praktische Leben
von Wichtigkeit werden könnte, z. B. zur Beleuchtung von
solchen Räumen, wo eine sehr mäßige, aber ununterbrochene
Beleuchtung erforderlich ist oder wo eine mit Wärmeentwick-
lung verbundene Beleuchtung auszuschließen wäre, wie in
Pulvermühlen, Pulvermagazinen, in Kohlenbergwerken wegen
der schlagenden Wetter und auf Schiffen. An den Seeküsten
machen die Fischer von leuchtenden Seefischen schon lange
Gebrauch zum Fangen von Seekrebsen, Hummern und Krabben.
Sie legen frisch getötete, abgezogene Seefische etwa 24 Stunden
an die Luft, gewöhnlich in den Schiffsraum, und bringen dann
in jeden Korb einen leuchtenden Seefisch, um ihn dann als
leuchtenden Köder ins Meer zu versenken.
Jetzt, wo wir das Bakterienlicht in Form einer viel intensiver
leuchtenden Lampe verwenden können, hat eine praktische
1 Zitiert nach J. F. Heller, Über das Leuchten im Pflanzen- und Tier-
reiche. Archiv für physiolog. und pathologische Chemie und Mikroskopie etc.
Neue Folge. Jahrg. 1853 und 1854, S. 204, Wien.
304 H. Molisch,
Verwertung des »lebenden« Lichtes noch mehr Aussicht auf
Erfolg und ich zweifle nicht, daß beim Fischfang im Meere
meine Bakterienlampe mit Erfolg wird benützt werden können.
3. Photographien von Gegenständen im Bakterienlichte.
Mit der Schaffung einer guten und andauernden Bakterien-
lampe war auch die Möglichkeit gegeben, in bequemer Weise
andere Gegenstände als die leuchtenden Bakterien selbst zu
photographieren. Ich verfuhr dabei in folgender Weise:
Eine 60 cm hohe und 60 cm breite Holzkiste ohne Deckel
wurde in der Dunkelkammer aufrecht auf den Tisch aufgestellt,
nachdem ihre Innenwand mit weißem Papier vollständig aus-
gekleidet worden war. In dieser Kiste wurden neun gut
leuchtende Bakterienlampen (zu je 1 l Volum) untergebracht
und zwar wurden sechs an dem oberen Kistendeckel aufgehängt
und drei seitlich horizontal gelegt, um das Objekt namentlich
von oben und von einer Seite zu beleuchten. An die Rückwand
kam der zu photographierende Gegenstand zu stehen. In dieser
Kiste herrschte für das ausgeruhte Auge ein Licht, das mit
seinem weichen und milden Ton am besten mit dem einer
hellen Vollmondnacht zu vergleichen war.
Mit Hilfe des eben beschriebenen Arrangements wurden
folgende Gegenstände im Bakterienlichte photographiert:
Die Fig. 6 stellt eine Photographie einer aus weißem
Porzellan bestehenden Schiller-Büste dar nach 15 stündiger
Expositionszeit;
Fig. 7 eine Thermometerphotographie nach 14 stündiger
Belichtung. Das Bild erscheint so scharf, daß man bequem die
Ziffern und Buchstaben, ja sogar den Quecksilberstand an der
Millimeterskala ablesen kann.
Fig. 8 zeigt die Photographie einer Buchdruckprobe nach
1 2 stündiger Belichtung.
Bei den eben beschriebenen Photographien wirkte, um
möglichst scharfe Bilder zu erzielen, eine sehr lange Belichtung
ein, doch muß hinzugefügt werden, daß unscharfe Bilder
schon nach l 4 bis 1 Stunde gewonnen werden können. Daß
Bakterienlicht und photographische Platte. 305
das Bakterienlicht aber unter bestimmten Verhältnissen die
photographische Platte schon nach sehr kurzer Zeit beein-
flussen kann, davon kann man sich leicht überzeugen, wenn
man eine gut leuchtende Strichkultur auf einen undurch-
sichtigen, mit kreisförmigen Ausschnitten versehenen Karton,
der eine lichtempfindliche Platte bedeckt, direckt auflegt.
In der Fig. 9 ist die Wirkung des Bakterienlichtes nach
einer Belichtung von 60, 30, 10, 5, 3 und 1 Sekunde an den
kreisförmigen Ausschnitten zu sehen. Dieses Bild liefert den
Beweis, daß das Bakterienlicht schon nach einer Sekunde eine
deutliche Schwärzung hervorrufen kann. Auf diese Weise wäre
es möglich, die Intensität der photographisch wirksamen
Strahlen des Bakterienlichtes bei verschiedenen Arten von
Photobakterien messend zu vergleichen.
4. Über die angebliche Durchlässigkeit undurchsichtiger
Körper für Bakterienlicht nebst Bemerkungen über das
Johanniskäferlicht.
In einer Zeit, da die Röntgen- und Becquerelstrahlen und
eine Reihe von radioaktiven Elementen entdeckt worden sind,
die durch undurchsichtige Körper hindurch auf die photo-
graphische Platte einwirken, hat man sich begreiflicherweise
auch gefragt, ob nicht auch von Lebewesen ausstrahlendes
Licht analoge Wirkungen auszuüben imstande wäre. Mit einer
gewissen Leidenschaftlichkeit wurde förmlich Jagd gemacht
auf geheimnisvolle Strahlen; sogar im gewöhnlichen Sonnen-
licht oder dem einer Petroleumflamme wollte Le Bon1 gewisse
Strahlen, das »schwarze Licht«, entdeckt haben, welches durch
opake Körper hindurch auf die photographische Platte wirkt.
Allein durch die Untersuchungen verschiedener Forscher und
insbesondere von d'Arsonval2 wurde gezeigt, daß es sich in
den Versuchen von Le Bon nicht um »schwarzes Licht«
handle, sondern um eine Art Nachleuchten, und daß die
i Gustave Le Bon, La lumiere noire. Comptes rendus, CXXH. T. 1896,
p. 188, 233, 386, 462, 522 et 1054.
2 A. d'Arsonval, Observations au sujet de la Photographie a travers
les corps opaques. Ebenda, S. 500.
Suzd. d. matnem.-naturw. KL; CXII. Bd., Abt. I. 20
306 H. Molisch,
fluoreszierenden Körper, namentlich die gelbgrün leuchtenden
Gläser, Strahlen auszusenden vermögen, die dunkle Körper
ähnlich wie die Röntgenstrahlen zu durchdringen vermögen.
Für uns von ganz besonderem Interesse ist die Behaup-
tung Dubois' vom Bakterienlichte: »Seine Durchdringungskraft
ist dagegen ähnlich den Röntgenstrahlen sehr erheblich, indem
undurchsichtige Körper, wie z. B. Holz, Karton etc., kein Hindernis
für die Erzeugung eines Bildes sind; dagegen vermag es auch
das dünnste Aluminiumblättchen nicht zu durchdringen«.1 Auf
Grund welcher Versuche der genannte französische Forscher
zu diesem höchst auffallenden Resultate gekommen ist und wo
dieselben veröffentlicht worden sind, vermochte ich nicht aus-
findig zu machen.
Die angeführte Behauptung Dubois* schien mir um so
mehr einer Nachprüfung wert, weil Suchsland2 schon früher
das Gegenteil behauptet hatte, nämlich daß das Licht von
Bacterium phosphorescens für undurchsichtige Körper undurch-
dringlich sei und weil auch bezüglich des Johanniskäferlichtes
in seiner Beziehung zur photographischen Platte ganz merk-
würdige und völlig rätselhafte Angaben gemacht worden sind.
Der japanische Physiker Muraoka3 legte Kupfer-, Alumi-
nium-, Zink- und Messingplatten von gleicher Größe auf eine
photographische Platte nebeneinander und zwischen die Platte
und Metallplatten, um eine direkte Berührung der empfindlichen
Schichte mit den Metallplatten zu verhindern, je eine Karton-
unterlage, welche in der Mitte einen kreisförmigen Ausschnitt
hatte. Sodann wurde das Ganze mit schwarzem Papier drei-
bis viermal umwickelt und auf den Boden eines flachen
Kistchens gelegt. In das Kistchen brachte er schließlich etwa
300 Johanniskäfer, deren Wegfliegen durch ein Hanfnetz ver-
hindert wurde.
i Dubois R., Das kalte Licht. »Die Umschau«, 1901, S. 223.
2 Suchsland E., Physikalische Studien über Leuchtbakterien. Sonder-
abdruck aus der Festschrift der Latina zur 200jährigen Jubelfeier der Franke-
schen Stiftungen und der lateinischen Hauptschule. Halle 1898. Ein Referat
darüber im Zentralblatt für Bakteriologie etc., 2. Abt, IV, S. 715.
* Muraoka H., Das Johanniskäferlicht. Wiedemann's Annalen der Physik
und Chemie, Bd. 59 der neuen Folge (1896), S. 773.
Bakterienlicht und photographische Platte. 307
Die Versuche liefen in einem guten photographischen
Zimmer ab und währten zwei Nächte, wobei jedoch zu be-
merken ist, daß die Käfer nur von etwa 6 Uhr abends bis
11 Uhr nachts leuchten. Er wollte mit diesem Versuche
eruieren, ob die Käferstrahlen durch schwarzes Papier und die
Metallplatten überhaupt hindurchgehen und auf die photo-
graphische Platte wirken und, wenn dies zutreffen sollte, ob
sich die verschiedenen Metalle nicht als in verschiedenem
Grade durchlässig erweisen würden.
Zu seiner großen Überraschung fand nun Muraoka, daß
nicht die ausgeschnittenen Stellen des Kartons geschwärzt
waren, sondern ganz gegen alle Erwartung die von dem
Karton unmittelbar berührten Stellen der photographischen
Platte. Die den Ausschnitten entsprechenden Stellen blieben
im Negativ hell! Muraoka nennt diesen Versuch das »Saug-
phänomen«. Wurde derselbe Versuch aber ohne Metall aus-
geführt, so daß eine Kartonscheibe mit Ausschnitt allein auf
die photographische Platte zu liegen kam, so zeigte sich die
Ausschnittstelle ganz schwarz und die vom Karton berührte
Fläche nur wenig angegriffen. »Es scheint also«, so meint der
Verfasser nach Ausführung dieser und einiger anderer Experi-
mente, »für den Eintritt des Saugphänomens notwendig zu
sein, daß die Kartonscheibe mit Ausschnitt direkt auf die
photographische Platte zu liegen kommt und darauf eine
Metall- oder Kartonplatte gelegt wird, welche die durch mehrere
Schichten von schwarzem Papier filtrierten Käferstrahlen noch
einmal filtriert.« Nach diesen ebenso merkwürdigen wie rätsel-
haften Befunden mußte es gewiß verlockend erscheinen, nach-
zusehen, ob, wie Dubois angibt, Bakterienlicht durch undurch-
sichtige Körper hindurch auf die photographische Platte wirkt
und ob, wie Muraoka für das Käferlicht gefunden haben will,
das Bakterienlicht nach der Filtration mittels schwarzem Papier,
Metallen oder Karton nicht analoge Erscheinungen darbietet.
Daß das Bakterienlicht bei direkter Einwirkung auf die
photographische Platte wie Tageslicht einwirkt, darüber kann
kein Zweifel sein; dies lehren, wie wir gesehen haben, die
einschlägigen Versuche. Wie aber verhält es sich mit der
Durchdringung opaker Körper?
20*
308 H. Molisch,
Um diese Frage zu lösen, wurden empfindliche photo-
graphische Trockenplatten (Schleussner's Gelatine-Emulsions-
platten) zunächst mit schwarzem Papier mindestens zweimal
umwickelt, in ein schwarzes, nach oben offenes Schächtelchen
gelegt und darauf eine stark leuchtende Bakterienlampe von
1 l Volum gestellt. Das Ganze wurde in der Dunkelkammer
noch mit einem schwarzen Pappsturz bedeckt. Bei einer
Expositionszeit von mehreren Tagen erwies sich das schwarze
Papier als undurchlässig. Wurde hierauf in das Papier ein
kreisförmiger Ausschnitt gemacht, so daß das Bakterienlicht
innerhalb des ausgeschnittenen Feldes direkt auf die Platte
wirkte, so wurde der Ausschnitt bei der Entwicklung voll-
ständig geschwärzt, und hiezu genügten Bruchteile einer
Minute.
In ganz derselben Weise wurden Versuche mit anderen
undurchsichtigen Körpern gemacht. Ich verwendete zunächst
einen grauen Karton (Pappendeckel) von 1 bis 2 mm Dicke.
Um seitliches Licht abzuhalten, gab ich die empfindliche Platte
in eine der gewöhnlichen Blechschablonen, wie sie bei photo-
graphischen Aufnahmen verwendet werden, legte auf die
empfindliche Schichte den Karton und darauf kam die Bakterien-
lampe. Anstatt dieser benützte ich, um dem Einwand zu
begegnen, daß möglicherweise das von den Bakterien aus-
strahlende ultraviolette Licht von der Glaswand der Lampe
absorbiert werden könnte, auch mit Strichkulturen versehene,
unbedeckte Petrischalen, die mit der offenen Seite auf den
undurchsichtigen Körper so aufgelegt wurden, daß das Licht,
ohne Glas und Gelatine passieren zu müssen, direkt in den
Karton eindringen konnte.
Auch in diesen Versuchen blieb die Schwärzung aus, der
verwendete Karton erwies sich also für das Bakterienlicht
ebenfalls impermeabel.
Platten von Zinn 0'8mm, Aluminium Q'bmm und Kupfer
0 • 7 mm Dicke verhielten sich ebenso.
Diese Befunde stehen in Gegensatz zu den vorhin zitierten
Angaben von Dubois. Es blieb also noch übrig, diesen Wider-
spruch zu erklären. Aus diesem Grunde machte ich, um nicht
etwa dem um die Lehre von der Lichtentwicklung der Lebe-
Bakterienlicht und photographische Platte. 309
wesen verdienten französischen Forscher unberechtigterweise
zu widersprechen, unter peinlicher Beachtung verschiedener
Vorsichtsmaßregeln weitere Versuche. Zunächst arbeitete ich
mit noch intensiveren Lichtquellen. Ich verwendete 2 bis 9
meiner großen Bakterienlampen, ohne aber ein anderes Resultat
zu erzielen. Sodann arbeitete ich mit verschiedenen Arten von
undurchsichtigen Kartons und bekam dabei sehr ungleiche
und verwirrende Resultate. Schließlich stellte sich heraus, daß
bei Verwendung gewisser Kartons, besonders bei Benützung
eines gelbbraunen Pappdeckels, regelmäßig eine Schwärzung
eintrat und schon glaubte ich, Dubois recht geben zu müssen,
als ich durch Kontrollversuche fand, daß diese Schwärzung
mit dem Bakterienlichte gar nichts zu tun hat, sondern auch
ohne dieses eintritt, einfach durch Auflegen des gelben Kartons
auf die empfindliche Schichte. Im weiteren Verfolg dieser
Tatsache zeigte sich, daß mäßige Feuchtigkeit und Wärme
die Einwirkung des Kartons in hohem Grade zu verstärken
vermögen. Wenn man einen derartigen Karton auf mehrere
Stunden in einen feuchten Raum bringt, dann auf die empfind-
liche Schichte einer photographische Platte legt, das Ganze
mehrmals mit schwarzem Papier umwickelt und bei 25 bis 30°
etwa 15 Stunden im finsteren Thermostaten liegen läßt, so
wird die Platte, soweit sie mit dem Karton in unmittelbarer
Berührung war, bei der Entwicklung intensiv geschwärzt.1
Unter diesen Verhältnissen verhalten sich verschiedene
Kartons graduell verschieden, manche wirken auf das Brom-
silber ausgezeichnet ein, manche wenig, manche wieder fast
gar nicht. Im allgemeinen wirken nach meinen Beobachtungen
die grauen Kartons schwach, die gelbbraunen stark. Analoges
gilt von verschiedenen Papieren und von Metallen, die durch
die Atmosphärilien angegriffen worden waren.
1 Bei den im Handel vorkommenden Platten ist es, um eine Berührung
der übereinander geschichteten Platten zu verhindern, vielfach üblich, kleine
Kartonstückchen dazwischen zu legen. Bei der Entwicklung derartiger Platten
stellt sich an den Stellen, wo das Kartonstückchen lag, gleichfalls eine seiner
Gestalt genau entsprechende Schwärzung ein, welche das Negativ verunstaltet.
Von der Verwendung solcher Kartons als Zwischenlage muß daher nachdrück-
lichst abgeraten werden.
310 H. Molisch,
Eine zweite Ursache der Täuschung kann in der allzu
langen Entwicklung der Negative liegen, bei welcher bekannt-
lich je nach der Natur des verwendeten Entwicklers eine mehr
minder starke Schleierung oder Schwärzung eintritt — ebenfalls
ganz unabhängig von der Beleuchtung. Bei Nichtbeachtung
dieser Erfahrung und bei Mangel von Kontrollversuchen könnte
man geneigt sein, die auftretende Schwärzung auf eine Licht-
wirkung zurückzuführen.
Halte ich mir diese möglichen Fehlerquellen sowie noch
eine Reihe anderer Umstände, die beim Photographieren
irreführen können,1 vor Augen, so komme ich mit Rücksicht
auf die Resultate meiner Versuche zu dem Schlüsse, daß
das Bakterienlicht die photographische Platte wie
gewöhnliches Tageslicht beeinflußt und daß jenes
ebensowenig wie dieses undurchsichtige Körper zu
durchdringen vermag. Meine an Kartons gemachten Er-
fahrungen werfen aber gleichzeitig ein helles Streiflicht auf
Muraoka's »Saugphänomen«. Denn, wenn es Kartons gibt, die
direkt auf die Platte einwirken und hier bei einiger Berührung
Schwärzung hervorrufen, so liegt der Verdacht nahe, daß bei
den Versuchen Muraoka's, insbesondere bei seinem Saug-
phänomen, der jeweilig verwendete Karton direkt und unab-
hängig vom Käferlicht eine bedeutungsvolle Rolle gespielt
haben dürfte. Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß
eben verschiedene Kartone sich verschieden verhalten, daß die
wirksamen Kartone verschieden reagieren, je nachdem die
Temperatur hoch oder niedrig ist und je nachdem die Luft, in
der die Kartons liegen, feucht oder trocken ist. Bei regnerischem
Wetter und günstiger Temperatur werden sie daher die Platte
stark angreifen, bei trockenem Wetter und niedriger Temperatur
aber viel weniger.
Wie schön Muraoka's »Saugphänomen« ohne Käfer-
licht, überhaupt ohne jedes Licht gelingt, einfach durch
Auflegen des Kartons auf die empfindliche Schichte einer
i Vergl. darüber Colson R., Rdle de differentes formes de l'energie
dans la Photographie au travers des corps opaques. Comptes rendus, T. 122,
1896, p. 598.
Bakterienlicht und photographische Platte. 31t
photographischen Platte, lehrt das Positiv in Fig. 10. Die Aus-
schnitte erscheinen im Negativ hell, der übrige Theil der
Platte, soweit sie vom Karton bedeckt war, schwarz. Die zahl-
reichen unregelmäßigen, hellen Flecke bedeuten Stellen, wo
der Karton nicht unmittelbar auflag. In Fig. 10, welche das Positiv
darstellt, ist selbstverständlich Hell und Dunkel verkehrt.
Nach Muraoka ist auch Holz für Käferlicht durchlässig.
Er sagt: »Auffallend ist die Photographie von der Holzplatte;
die Stellen der Fasern sind mehr angegriffen als die weicheren
Stellen, also gerade umgekehrt wie bei den Filtrationen durch
Papierschichten oder durch Karton«.1
Nachdem ich mich überzeugt, daß gewisse Kartons und
Papiere das Saugphänomen allein ohne Licht erzeugen und, da
ich gefunden, daß in meinem wirksamen Karton laut mikro-
skopischer Untersuchung viel Holzfasern enthalten waren, so
kam ich auf den Gedanken, daß Hölzer die Platte gleichfalls
angreifen könnten. Der Erfolg war über jede Erwartung über-
raschend. Als ich auf die empfindliche Schichte einer photo-
graphischen Platte eine etwa 1 cm dicke Stammscheibe von
Eichenholz und Buchenholz (Fagus silvatica), die an ihrem
Querschnitt sorgfältig geglättet waren und jahrelang in der
Sammlung gelegen hatten, legte, dann das Ganze mit schwarzem
Papier umwickelte und im finsteren Thermostaten bei 25 bis
33° C. 15 Stunden liegen ließ, ergab sich folgendes höchst
auffallende Bild (Fig. 11): Die Stammscheiben kamen bei der
Entwicklung mit allen makroskopisch sichtbaren Einzelheiten
heraus: Markstrahlen, Jahresringe, Porenringe, die Grenze
zwischen Holz und Rinde, all das ist im Bilde genau zu
erkennen. Wie bei Kartons und Papier begünstigen Feuchtigkeit
und höhere Temperatur (30°) das Phänomen in hohem Grade.
Daß es sich hier nicht um ein Nachleuchten, nicht um eine
Kontaktwirkung, sondern um eine chemische Wirkung handelt,
davon kann man sich leicht überzeugen, wenn man den eben
geschilderten Versuch genau in der beschriebenen Weise, nur
mit dem Unterschiede macht, daß man zwischen das Holz und
die empfindliche Schichte eine wohlgereinigte Glasplatte (einen
i Muraoka H., 1. c, S. 777.
312 , H. Molisch,
Objektträger) legt. Es unterbleibt dann, soweit der Objektträger
reicht, jegliche Schwärzung, das über den Objektträger vor-
springende Holz wirkt aber dennoch (allerdings schwächer) auf
das Bromsilber ein, obwohl das Holz die empfindliche Schichte
nicht berührt. Meiner Meinung nach ist es ein aus dem Holz
abdunstender flüchtiger Körper, der den Angriff auf das Brom-
silber bedingt. Wenn man zu dem Holze, welches längere Zeit
bei einer Temperatur von etwa 30° lag, riecht, so läßt es einen
eigentümlichen, ziemlich starken Duft erkennen, ein Beweis
dafür, daß das Holz flüchtige Körper aussendet. Wirken also
nicht bloß Kartons und Papiere, sondern auch verschiedene
Hölzer direkt in so auffallender Weise auf die photographische
Platte, so wird man sich den Versuchen Muraoka's gegenüber
sehr skeptisch verhalten müssen, und ich neige zur Ansicht,
daß das Käferlicht bei dem Saugphänomen gar nicht beteiligt
war, sondern daß dieses ohne Licht durch direkte chemische
Einwirkung der auf der Platte liegenden Gegenstände hervor-
gerufen wird, wodurch die so überaus merkwürdigen und den
Physikern so ganz unverständlichen Befunde des japanischen
Autors eine einfache Erklärung finden. Muraoka's Versuche
müßten von neuem unter Ausschluß der von mir aufgedekten
Karton- und Holzwirkung ausgeführt werden und, wenn sie
dann auch die ursprünglichen Resultate geben sollten, was ich
aber bezweifeln möchte, dann erst könnte man sich zu seiner
Ansicht bekehren, daß filtriertes Käferlicht besondere Eigen-
schaft aufweise.
Vielleicht war Muraoka seiner Sache selbst nicht ganz
sicher, da er mit Rücksicht auf die relativ kurze Johanniskäfer-
zeit gleich am Beginne seiner Abhandlung die Bemerkung
macht: »Die Versuche konnten daher nicht systematisch genug
ausgeführt und nicht oft genug wiederholt werden, um Schlüsse
mit Sicherheit daraus zu ziehen«.
Hinzufügen möchte ich noch, daß er bei seinen Ex-
perimenten 300 bis 1000 Käfer verwendete, die zwischen den
Versuchen, also wenn sie nicht gebraucht werden, um sie
frisch zu erhalten, mit Wasser bespritzt werden. So viele Käfer
werden dann während des Experimentes durch Transpiration
in einem kleinen Kistchen gewiß einen sehr feuchten Raum
Bakterienlicht und photographische Platte. 313
erzeugt haben. Erwägt man ferner, daß die Versuche zur
Johanniskäferzeit in Japan gemacht worden sind, so waren jene
beiden Faktoren, Wärme und Feuchtigkeit, von welchen wir
nachwiesen, daß sie die chemische Wirkung des Kartons auf
die photographische Platte in hohem Grade begünstigen,
gegeben und damit auch die Bedingungen für das Saug-
phänomen (ohne Licht!) realisiert. Kontrollversuche ohne Käfer-
licht scheint Muraoka überhaupt nicht ausgeführt zu haben,
wenigstens findet sich in der ganzen Abhandlung keine Be-
merkung darüber.
5. Zusammenfassung der wichtigsten Resultate.
1. Mit Hilfe eines Unars aus der Werkstätte von C. Zeiss
gelang es, leuchtende Kolonien von Micrococcus phosphoreus in
relativ kurzer Zeit, schon nach 5 Minuten, in ihrem Eigenlichte
zu photographieren. Exponiert man mehrere Stunden, so
erhält man sehr scharfe Bilder, wobei nicht bloß die Kolonien,
sondern auch die Begrenzungslinien der Kulturgefäße im Bilde
auftreten.
Die junge Kolonie erscheint im natürlichen Zustande
dem Auge längs ihrer ganzen Fläche gleichmäßig leuchtend.
Bei relativ kurzer Expositionszeit sehen die Kolonien im photo-
graphischen Bilde aber wie leuchtende Ringe aus, ein Beweis,
daß die Kolonie an ihrer Peripherie, wo das Wachstum und die
Vermehrung der Bakterien sich ungemein intensiv vollziehen,
stärker leuchtet als im Zentrum.
Hervorgehoben sei, daß bei direktem Auflegen einer
leuchtenden Strichkultur schon eine Sekunde Belichtung
genügt, um eine Schwärzung der Platte hervorzurufen.
2. Um Gegenstände im Bakterienlichte zu photographieren,
wurde als Lichtquelle eine einfache »Bakterienlampe« ver-
wendet. Dieselbe besteht aus einem großen Erlenmeyerkolben
von 1 bis 2 / Volum, dessen ganze Innenwand bis zum Baum-
wollpfropf hinauf mit sterilisierter, erstarrter Salzpeptongelatine
ausgekleidet ist, die aber vor dem Erstarren mit Micrococcus
phosphoreus geimpft wurde. Schon 2 Tage nach der Impfung
leuchtet der Kolben infolge der zahllösen, sich entwickelnden
314 H. Molisch.
Kolonien längs seiner ganzen Innenwand in wunderschönem
bläulichgrünem Lichte und bietet mit seinem ruhigen, matten
Schimmer einen geradezu magischen Anblick.
Diese lebende Lampe hat die ausgezeichnete
Eigenschaft, bei etwa 10° C. durch 14 Tage andauernd,
relativ intensiv und später mit abnehmender Helligkeit zu
leuchten. Ihr Licht gestattet, die Taschenuhr, das Thermo-
meter abzulesen, groben Druck zu entziffern, das Gesicht einer
Person auf 1 bis 2 m zu erkennen. Als die Lampe in finsterer
Nacht in einem Garten auf ihre Helligkeit geprüft wurde,
konnte ihr Licht noch auf 64 Schritte deutlich wahr-
genommen werden. Die große Billigkeit einer solchen Lampe,
ihre lange, ununterbrochene Leuchtdauer, ihre Geruchlosigkeit
und die Gefahrlosigkeit dieses kalten Lichtes führen auf den
Gedanken, daß das Bakterienlicht einmal auch eine praktische
Bedeutung gewinnen wird. Die Helligkeit der beschriebenen
Lampe dürfte jetzt schon genügen, um sie als Wegweiser in
Bergwerken, Pulvermagazinen und als Lockmittel beim Fisch-
fang zu benützen.
3. Mit der Schaffung dieser Lampe als Lichtquelle war
die Möglichkeit gegeben, in bequemer Weise verschiedene
Gegenstände darin zu photographieren. Als Beweis hiefür
enthält die Arbeit die Photographie einer Schiller-Büste, eines
Thermometers und eines Buchdruckes.
4. Von R. Dubois wurde behauptet, daß das Bakterien-
licht undurchsichtige Körper wie z. B. Holz, Karton etc. zu
durchdringen und durch diese hindurch auf die photographische
Platte zu wirken vermöge. Genaue, unter verschiedenen Vor-
sichtsmaßregeln mit Micrococcus phosphoreus durchgeführte
Versuche haben die Unrichtigkeit dieser Behauptung dar-
getan. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß gewisse Kartons,
Papiere, Hölzer etc. ganz unabhängig vom Lichte, einfach durch
direktes Auflegen auf die photographische Platte, die empfind-
liche Schichte in hohem Grade chemisch beeinflussen können,
zumal bei günstiger Temperatur und Gegenwart von Feuch-
tigkeit.
Auf diese Weise lassen sich beispielsweise von
Hölzern ohne Licht so scharfe Bilder herstellen, daß
Bakterienlicht und photographische Platte. 315
man am entwickelten Negativ die Jahresringe, Poren-
ringe, Markstrahlen und die Grenze zwischen Holz
und Rinde deutlich wahrnehmen kann.
5. Nach Muraoka sollen die Lichtstrahlen des natürlichen
Johanniskäferlichtes, wenn sie durch Karton, Papier und Kupfer-
platten filtriert werden, ähnliche Eigenschaften wie die Röntgen-
oder wie die Becquerelstrahlen erhalten. Die Versuche des
Verfassers machen es jedoch im höchsten Grade wahrscheinlich,
daß sich der japanische Physiker durch die ihm unbekannte
Eigenschaft der Kartons, Hölzer etc., direkt auf die photo-
graphische Platte zu wirken, täuschen ließ. Das von Muraoka
beobachtete »Saugphänomen« konnte mit aller nur wünschens-
werten Deutlichkeit ohne jede Spur von Licht erhalten
werden durch die direkte chemische Einwirkung des Kartons
und anderer Körper auf die photographische Platte.
Bakterienlicht wirkt also wie gewöhnliches Licht auf die
empfindliche Schichte und enthält, soweit wir dies heute
beurteilen können, keine besonderen, durch undurchsichtige
Körper gehenden, photographisch wirksamen Strahlen. Dasselbe
dürfte vom Johanniskäferlicht gelten.
316 H. Molisch, Bakterienlicht und photographische Platte.
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1. Photographie leuchtender Kolonien von Micrococcus phosphoreus' in
ihrem eigenen Lichte. Die Kolonien waren sechs Tage alt, befanden
sich in einer Petrischale, die mit einer planen Glasscheibe bedeckt war.
Expositionszeit 15 Stunden.
Fig. 2. Dieselbe Photographie nach dreistündiger Expositionszeit
Fig. 3. Mikrophotographie von einer leuchtenden, zehn Tage alten Kolonie
von Micrococcus phosphoreus. Expositionszeit vier Stunden. Der Rand
leuchtet stärker als das Innere.
Fig. 4. Photographie einer Strichkultur von Micrococcus phosphoreus im Eigen-
lichte.
Fig. 5. Bakterienlampe, in ihrem eigenen Lichte photographiert.
Fig. 6. Photographie einer Schillerbüste im Bakterienlichte.
Fig. 7. Photographie eines Thermometers im Bakterienlichte.
Fig. 8. Photographie einer Buchdruckprobe im Bakterienlichte.
Fig. 9. Sechs photographische Bilder, hervorgerufen durch Bakterienlicht nach
60, 30, 10, 5, 3 und i Sekunde Belichtung.
Fig. 10. Positivbild, einfach erhalten durch Auflegen eines gelbbraunen Kartons
mit drei kreisförmigen Ausschnitten auf eine photographische Platte
und nachheriger Entwickelung.
Fig. 1 1 . Positivbilder, einfach erhalten durch Auflegen von Querscheiben von
Hölzern (Eiche und Buche) auf eine photographische Platte und nach-
heriger Entwickelung.
H. Molisch: Bakterienlicht und photographische Platte.
Tafel I.
f.
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXII, Abt. I, 1903.
LirhtdracV der k. k. Hof- uod Staatsdrurbm.
H. Molisch: Bakterienlicht und photographische Platte.
Tafel 11.
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CX1I. Abt. I, HKW.
Lichtdruck der k. k. Hof- und Staatsdrnekerei.
H. Molisch: Bakterienlicht und photographische Platte.
Tafel III.
11
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CX1I, Abt. I, 1903.
Lichtdruck der k. k. Hof- und Staatsdrnckerei.
317
IX. SITZUNG VOM 19. MÄRZ 1903.
Erschienen: Monatshefte für Chemie, Bd. XXIV, Heft II (Februar 1003).
Dankschreiben sind eingelangt:
1. Von Dr. E. v. Halacsy in Wien für die Bewilligung
einer Subvention zur Fortsetzung seiner Bearbeitung der
griechischen Fauna;
2. von Prof. Günther Beck v. Managetta in Prag zur
Fortsetzung seiner pflanzengeographischen Studien in den
österreichischen Karstländern und den Julischen Alpen.
Prof. Dr. Gustav Kohn in Wien übersendet eine Ab-
handlung mit dem Titel: »Über kubische Raumkurven«.
Das w. M. Hofrat Zd. H. Skraup in Graz legt vier im
chemischen Institute der Universität in Graz ausgeführte Unter-
suchungen vor:
1. »Über das Cholesterin« (erste Mitteilung) von Hugo
Schrötter.
2. »Über die Glykolisierung von Biosen« von R.Foerg.
3. »Über die Pasteur'schen Umlagerungen« von Zd.
H. Skraup.
4. »Über sterische Behinderungen« von Zd. H. Skraup.
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben übersendet eine aus Straß-
burg eingelangte, mit Unterstützung der kaiserlichen Akademie
ausgeführte Arbeit von Dr. Sigmund Fränkel, betitelt: »Dar-
stellung und Konstitution des Histidin«.
Ferner übersendet Hofrat Ad. Lieben eine in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeit von Dr. A. Wogrinz: »Über
a-Isopropyl- und a-Dimethyl-ß-Oxybuttersäure«.
318
K. k. Bergrat Leopold Schneider in Wien übersendet
eine Abhandlung mit dem Titel: »Ein Beitrag zur Kenntnis
der Löslichkeit einiger Salze und Salzgemische in
Wasser«.
Das w. M. Hofrat E. Weiß überreicht eine Abhandlung
von Hofrat G. v. Niessl unter dem Titel: »Bahnbestimmung
des Meteors vom 27. Februar 1901«.
Prof. Dr. Gustav Jäger legt eine Arbeit mit dem Titel:
»Zwei Wege zum MaxwelTschen Verteilungsgesetze
der Geschwindigkeiten der Gasmolekeln« vor.
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Albert Ier, Prince souverain de Monaco: Resultats des
campagnes scientifiques accomplies sur son yacht. Fase.
XXII. Monaco, 1902. 4°.
Hampl, Vaclav: Mathematicky zemepis s nävodem, jak uziti
lze globu. Prag, 1903. 8°.
Universität in Montana: University Bulletin, No 4,5,8,9. 8°.
Seite
Went K.t Ober einige melanokrate Gesteine des Monzoni. (Mit
*1 Tafel und 6 Textfiguren.) [Preis : 1 K 30 h = 1 Mk. 30 Pfg.] 237
Brunufhahr /., Phytoplankton aus Kleinasien. [Preis: 20 h =
20 Pfg.] . . . , 289
Vm. Sitzung vom 12. März 1903: Übersicht 295
Molisch H.< Bakterieniichi und photographischc PlaUe. (Mit
^ Tafeln .) [Preis: l K 20 h = 1 Mk. 20 Pfg-1 207
IX, Sitzung vom 19. Märe 1903: Übersicht 317
Preis des ganzen Heftes: 8 K 50 h = 8 Mk. 50 Pfg.
Die Sitzung*
erscheinen vom Jah .
gesonderten Abtei
werden können:
Abteilung I. Entt
Mineralogie}
logie der Pf
logie, Physi.
Abteilung 11 a. )
Mathematik,
und Mechan:
Abteilung II b.
Chemie.
Abteilung III. 1
Anatomie ur
Tiere, sowie
Dem Berichte
in derselben vorgel
Von jenen in
lungen, zu deren '
gesetzt ist, komme
können durch die
Sohn (Wien, I., Ba
bezogen werden.
Die dem Gebie
Wissenschaften ar
besonderen Heften *
und verwandte 1
gegeben. Der Präi
Monatshefte betrag
Der akademis
oder, wo diese fehl
enthält, wird, wie
gegeben. Der Preis
1
.? .
r LL
SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXIL BAND.. IV, BIS VII. HEFT.
JAHRGANG 1903. APRIL bis JULI.
ABTEILUNG L
ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEblETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
(MIT 17 TAFEL« UND 11 FEXTFIGURBN.)
^
^
WIEN, 1903,
TIS DER KA!SEKl-lCH-KÜNKrLh'ni:\ iiuF- UND STAATS DHUCKKftKL
IK KOMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN,
»#JCHHAJ'PI-,IH DA* feAlSK-KtlCltltM AK/tUKlMtfl U&K, »ih^^.j;
INHALT
des 4. bis 7. Heftes April bis Juli 1903 des CXII. Bandes, Abteilung- 1
der Sitzungsberichte der mathem.-natur*r. Klasse.
Seite
X. Sitzung vom 2. April 1903: Übersicht 321
XI. Sitzung vom 7. Mai 1903: Obersicht- „ . . . . 327
Siebenrock F., Schildkröten des östlichen Hinterindien. (Mit
2 Tafeln.) [Preis: 80 h = 80 Pfg.] 333
XII. Sitzung vom 14. Mai 1903: Übersicht 353
Tschermak G.t Über die chemische Konstitution der Feldspate.
(Mit 1 Textfigur.) [Preis: 40 h = 40 Pfg. | 355
Busson B., Über einige Landplanarien. (Mit 1 Tafel und 5 Text-
figuren.) [Preis: 1 K 40 h = 1 Mk. 40 Pfg.] 375
Xm. Sitzung vom 22. Mai 1903: Übersicht 430
XIV. Sitzung vom 4. Juni 1903: Übersicht 433
XV. Sitzung vom 12. Juni 1903: Übersicht 435
XVI. Sitzung vom 18. Juni 1903: Übersicht 437
Siebenrock F., Über zwei seltene und eine neue Schildkröte des
Berliner Museums. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 50 h =50 Pfg.] . 439
Zeäerbauer E., Myxobacteriaceae, eine Symbiose zwischen Pilzen
und Bakterien. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 1 K — h = 1 Mk.
— Pfg.] 447
Michniewicz A. R.t Die Lösungsweise der Reservestoffe in den
Zellwänden der Samen bei ihrer Keimung. (Mit 2 Tafeln.)
[Preis: 1 K 10 h = 1 Mk. 10 Pfg.] 483
Peter A.t Beiträge zur Anatomie der Vegetationsorgane von
Boswellia Giriert Bird w. (Mit 3 Tafeln und 3 Textfiguren.)
[Preis: 1 K — h= 1 Mk. — Pfg.] 511
XVII. Sitzung vom 2. Juli 1903: Übersicht 537
Pintner Th., Studien über Tetrarhynchen nebst Beobachtungen an
anderen Bandwürmern. (III. Mitteilung.) Zwei eigentüm-
liche Drüsensysteme bei Rhynchobothrius adcnoplusius n.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXII. BAND. IV. HEFT.
ABTEILUNG I.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
21
321
X. SITZUNG VOM 2. APRIL 1903.
Die Geschäftsführung der Gesellschaft deutscher
Naturforscher und Ärzte übersendet eine Einladung zu
der in der Zeit vom 20. bis 26. September d. J. in Cassel
stattfindenden 75. Versammlung.
Das w. M. Prof. G. Goldschmiedt übersendet eine im
chemischen Laboratorium der k. k. deutschen Universität in
Prag ausgeführte Arbeit von Dr. Alfred Kirpal »Bestimmung
der Struktur der Apophyllensäure«.
Hofrat J. M. Eder in Wien übersendet folgende zwei
Arbeiten:
I. »Das Flammen- und Funkenspektrum des Magne-
siums.«
IL »Photometrische Untersuchung der chemischen
Helligkeit von brennendem Magnesium, Alumi-
nium und Phosphor.«
Prof. Dr. Anton Schell in Wien übersendet eine Abhand-
lung mit dem Titel: »Das Universalstereoskop«.
Dr. V. v. Cordier übersendet eine vorläufige Mit-
teilung über eine wahrscheinliche Stereoisomerie
beim Guanidin aus dem Laboratorium für aligemeine Chemie
der k. k. technischen Hochschule in Graz.
Versiegelte Schreiben zur Wahrung der Priorität
smd eingelangt:
1. von Sekundararzt Dr. Klemens Freiherr v. Pirquet in
Wien mit der Aufschrift: »Zur Theorie der Infektions-
krankheiten«;
21*
322
2. von k. und k. Leutnant i. d. R. Franz Edlen v. Hoefft
in Wien mit der Aufschrift: »Erfindung eines kombi-
nierten Drachen -Schraubenfliegers«.
Das w. M. Hofrat J. Hann überreicht eine Abhandlung
unter dem Titel: »Die Luftströmungen auf dem Gipfel
des Säntis, 2504 w, und ihre jährliche Periode«.
Derselbe überreicht ferner eine Abhandlung von Dr. Fritz
v. Kerner: »Untersuchungen über die Abnahme der
Quellentemperatur mit der Höhe im Gebiete der
mittleren Donau und im Gebiete des Inn«.
Das w. M. Prof. V. Uhlig legt eine Abhandlung von
Ingenieur J. Knett in Karlsbad vor, betitelt: »Vorläufiger
Bericht über das erzgebirgische Schwarmbeben vom
13. Februar bis 24. März 1903«.
Das w. M. Hofrat F. Mertens überreicht folgende zwei
Arbeiten von Privatdozent Dr. Edmund Landau in Berlin:
I. Ȇber die Primzahlen einer arithmetischen Pro-
gression.«
II. »Über die zahlentheoretische Funktion nfc.«
Das w. M. Prof. Franz Exner legt eine Abhandlung von
Dr. V.Conrad und Dr. F. M. Exner vor: »Registrierungen
des luftelektrischen Potentiales auf dem Sonnblick».
Das w. M. Hof rat Friedrich Brauer legt eine Arbeit von
Dr. Rudolf Sturany vor, betitelt: »Gastropoden des Roten
Meeres«.
K. k. Bergrat Leopold Schneider in Wien übersendet
eine Abhandlung mit dem Titel: »Eine chemisch-analyti-
sche Untersuchung über die Salze des Meeres«.
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht eine in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeit des Herrn Friedrich
Schubert: »Darstellung des Glykols aus Isobutyr-
aldehyd und Cuminol und sein Verhalten gegen ver-
dünnte Schwefelsäure«.
323
Dr. J. Valentin überreicht einen vorläufigen Bericht:
-Über die stehenden Seespiegelschwankungen
(Seiches) in Riva am Gardasee«.
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Fouque, F.: Les analyses en bloc et leur interpretation.
(Extrait du Bulletin de la Societe Fran9aise de Mineralogie,
decembre 1902.)
Greim, G., Dr.: Studien aus dem Paznaun. (Sonderabdruck
aus Gerland's Beiträgen zur Geophysik, Bd. V, Heft 4.)
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTER
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXII. BAND. V. HEFT.
ABTEILUNG I.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
327
XI. SITZUNG VOM 7. MAI 1903.
Erschienen: Denkschriften, Band LXXII (1902). — Sitzungsberichte,
BcLCXII, Abt I, Heft VIII und IX (Oktober und November 1902); Abt. IIb,
Heft VIII bis X (Oktober bis Dezember 1902); Abt. III, Heft VII bis X
(Juli bis Dezember 1902).
Das k. M. Prof. R. Wegsc heider spricht seinen Dank für
die ihm bewilligte Subvention zur Ausführung wissenschaftlicher
Arbeiten mit Diazomethan aus.
Von dem Leiter der zoologischen Expedition nach Brasilien,
w. M. Hofrat F. Steindachner, ist ein vorläufiger Bericht
über die bisherigen Ergebnisse der Expedition eingelangt.
Dr. Richard Fanto übersendet eine Arbeit: »Über Silber-
jodidnitrat und Silberjodid«.
Das k. M. Hofrat L. v. Graff übersendet eine im zoologisch-
zootomischen Institute der Universität Graz ausgeführte Arbeit:
»Ober einige Landplanarien«, von Dr. Bruno Busson.
Prof. Dr. Lujo Adamovic in Belgrad übersendet eine
Abhandlung mit dem Titel: »Beiträge zur Flora von
Makedonien und Altserbien«.
Prof. Dr. L. Weinek in Prag übersendet eine Arbeit mit
dem Titel: »Graphische Darstellung der Sternkoordi-
natenänderung zufolge Präzession nebst Ableitung
der bezüglichen Grundgleichungen«.
Prof. Rud. Andreasch an der k. k. technischen Hoch-
schule in Graz übersendet eine in Gemeinschaft mit dem
Assistenten Dr. Arth. Zipser ausgeführte Arbeit: »Über
substituierte Rhodaninsäuren und ihre Aldehyd-
kon densationsprodukte«.
328
Dr. J. Klimont in Wien übersendet eine Abhandlung mit
dem Titel: Ȇber die Zusammensetzung von Oleum
stillingiae«.
Prof. Max Grog er in Wien übersendet eine Abhandlung
mit dem Titel: »Über Kupferchromat«.
Prof. Dr. V. Hilber und Privatdozent Dr. J. A. Ippen in
Graz übersenden eine von ihnen gemeinsam verfaßte Abhand-
lung: »Gesteine aus Nordgriechenland und dessen
türkischen Grenzländern«.
Prof. Emil Waelsch in Brunn übersendet eine Abhandlung
mit dem Titel: »Über Binäranalyse«.
Prof. Dr. Anton Wassmuth in Graz übersendet eine
Arbeit mit dem Titel: Ȇber die bei der Biegung von
Stahlstäben beobachtete Abkühlung«.
Prof. Dr. Anton Schell in Wien übersendet eine Ab-
handlung mit dem Titel: »Die Bestimmung der optischen
Konstanten eines zentrierten sphärischen Systems
mit dem Präzisionsfokometer«.
Versiegelte Schreiben zur Wahrung der Priorität
sind eingelangt:
1. Von k. k. Rechnungsoffizial i. P. Franz K. Lukas in Mauer
bei Wien mit der Aufschrift: Ȇber eine neue Art von
Kettenbrüchen«;
2. von Prof. Dr. Viktor Grünberg in Znaim mit der Aufschrift:
»Farbengleichung«;
3. von Karl Grail, Photograph in Wien, mit der Aufschrift:
»Autographischer Kompositeur«.
Der Sekretär legt Heft 2 von Band IVa und Heft 1 von
Band Vt der im Auftrage der Akademien der Wissenschaften
zu München und Wien und der Gesellschaft der Wissen-
schaften zu Göttingen herausgegebenen »Enzyklopädie der
mathematischen Wissenschaften mit Einschluß ihrer
Anwendungen« vor.
329
Dr. Franz Baron Nopsca jun. übersendet eine Abhandlung
mit dem Titel: »Dinosaurierreste aus Siebenbürgen. III
(Weitere Schädelreste von Mochlodon.)«
Das w. M. k. k. Hofrat Direktor F. Brauer überreicht eine
Abhandlung von Kustos Friedrich Siebenrock, betitelt:
»Schildkröten des östlichen Hinterindien«.
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht zwei Arbeiten
aus seinem Laboratorium:
L Ȇber das Chlorhydrin und Oxyd des Pentan-
1,4-diols«, von B. Possanner v. Ehrenthal.
II. »Über die Einwirkung von salpetriger Säure auf
das 1,8-Octomethylendiamin«, von Emmo Loebl.
Ferner legt derselbe eine Abhandlung von Dr. Leo Lang-
stein, derzeit in Berlin, vor, welche den Titel führt: »Die
Kohlehydrate des Serumglobulins«.
Das k. M. Hofrat Prof. L. Boltzmann legt eine Abhand-
lung von Ing. Johann Hermanek vor, welche den Titel hat:
»Theorie des freien Ausflusses von Flüssigkeiten
aus Mündungen und an Überfällen«.
Das w. M. Prof. F. Beck e legt den ersten Teil des Berichtes
über die durch die Kommission zur petrographischen
Erforschung der Zentralkette der Ostalpen veran-
laßten Untersuchungen vor.
Derselbe überreicht ferner eine Abhandlung von Ingenieur
Josef Knett in Karlsbad mit dem Titel: »Das Erdbeben am
Böhmischen Pfahl 26. November 1902*.
Das k.M. Prof. R. Wegscheider überreicht vier in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeiten:
I. »Über Diazomethan«, vorläufige Mitteilung von Rud.
Wegscheider und Heinr. Gehringer.
II. »Untersuchungen über die Veresterung unsymme-
trischer zwei- und mehrbasischer Säuren. X. Ab-
handlung: Über Phenylbernsteinsäure und ihre
Veresterung«, von Rud. Wegscheid er und Josef Hecht.
330
III. »Zur Kenntnis der Phenylitakonsäure«, von Josef
Hecht.
IV. »Untersuchungen über die Veresterung unsymme-
trischer zwei- und mehrbasischer Säuren. XI. Ab-
handlung: Verhalten derHemipinestersäuren gegen
Hydrazinhydrat und gegen Thionylchlorid«, von
Rud. Wegscheider und Peter v. Rusnov.
Dr. Adolf Jolles überreicht eine Abhandlung, betitelt:
-Beiträge zur Kenntnis der Frauenmilch*.
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Agamemnone, G.: Sulla convenienza d'un alta velocitä nelle
registrazioni sismiche. Modena, 1902; 8°.
Astrophysikalisches Observatorium in Königstuhl-
Heidelberg: Publikationen. Herausgegeben von Dr. Max
Wolf. Band I. Karlsruhe, 1902; 4°.
Forster, Richard: Die dritte Bewegung unserer Erde. Wien,
1903; 8°.
Hesseigren, Frederic: Etüde sur les intervalles harmoniques
dans la gamme musicale vraie et naturelle. Turin, 1903; 4°.
Hildebrand Hildebrandsson, H.: Rapport sur les observa-
tions internationales des nuages au Comite international
meteorologique. I. Historique, circulation generale de
l'atmosphere. Upsala, 1903; 8°.
Lendenfeld, Robert v., Dr.: An Account of the Indian Tri-
axonia collected by the Royal Indian Marine Survey Ship
Investigator, by Franz Eilhard Schulze. The German
Original translated into Inglish by Robert v. Lendenfeld.
Calcutta, 1902; 4°.
Ministerio de Fomento in Lima: Boletin del Cuerpo de
Ingenieros de Minas del Peru, Nr. 1. Documentos oficiales.
Lima, 1902; 8°.
331
Montessus de Bailore, F. de: Essai sur le röle sismogenique
des principaux accidents geologiques. (Sonderabdruck aus
Gerland's Beiträgen zur Geophysik, Band VI, Heft 1.)
— Non-existence et inutilite des courbes isophygmiques, ou
d' egale frequence des tremblements de terre. (Sonder-
abdruck aus Gerland's Beiträgen zur Geophysik, Band V,
Heft 3.)
Museum oftheBrooklyn Institute ofArts and Sciences:
Science Bulletin, vol. I, No. 2, 3; 8°.
University of Missouri: Studies, vol. I, number 4; 8°.
War Department, Bureau of Insular Affaires in
Washington: Report of Government Laboratories of the
Philippine Islands for the year ended August 31, 1902.
Washington; 8°.
Wilson Ornithological Club: The Wilson Bulletin, Nr. 42
(new series, vol. X, No. 1). Oberlin, Ohio, 1903; 8°.
333
Schildkröten des östlichen Hinterindien
von
Kustos Friedrich Siebenrock.
(Mit 2 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 7. Mai 1903.)
In vorliegender Arbeit werden die Schildkröten besprochen,
die Herr Hans Fruhstorfer aus Berlin in den Küstenstrichen
von Annam, Cochinchina, Siam und Tonkin auf seiner Reise in
den Jahren 1899 bis 1901 gesammelt hat.
Unsere Kenntnis über die Fauna dieser Reptilienordnung
von den genannten Ländern ist noch sehr lückenhaft. Speziell
von Annam und Tonkin dürften wir darüber in der Literatur
fast nichts verzeichnet finden. Schon Boettger (Ber. Senck.
Ges. 1901) konnte bei den Froschlurchen Annams eine große
Übereinstimmung mit der Fauna Südchinas konstatieren. Das-
selbe scheint auch bei den Schildkröten der Fall zu sein, denn
von sechs Arten, welche die Kollektion aus Annam enthält,
sind drei davon hauptsächlich in China vertreten, während
zwei Arten mehr den westlichen Ländern angehören und eine
Art von der Gattung Cyclemys Bell ist überhaupt neu. Unter
den ersteren befindet sich eine neue Varietät der sehr seltenen
Clemmys bealii Gray, welch letztere bisher nur in zwei Exem-
plaren bekannt geworden ist.
In Tonkin sammelte H. Fruhstorfer bloß drei Arten,
unter denen merkwürdigerweise keine einzige Vertreterin der
chinesischen Fauna zu finden ist, sondern alle drei Arten
gehören dem südlichen Teile Hinterindiens an, von wo sich
ihre Verbreitung gegen den Westen hin erstreckt. Unter diesen
334 F. Siebenrock,
befindet sich auch die von Boulenger (Cat. p. 132) zur
Gattung Cyclemys Bell gestellte Art mouhotii Gray. Eine
genaue Prüfung sowohl ihrer habituellen als auch der morpho-
logischen Verhältnisse ergab aber, daß sie die Charaktere einer
eigenen Gattung besitzt, für welche ich den von Gray (Proc.
Zool. Soc. 1863) gegebenen Namen »Pyxidea« beibehalten
habe. Aus ähnlichen Gründen sah ich mich veranlaßt, Cyclemys
platynota Gray zur selbständigen der schon von Gray c. 1.
aufgestellten Gattung »Notochelys« zu erheben.
Die ganze Kollektion enthält zwölf Arten, die sich auf
neun Gattungen verteilen. Sie gehören fast ausschließlich
jungen Tieren an, weshalb ihre Bestimmung oftmals mit
einigen Schwierigkeiten verbunden war.
Familie Testudinidae.
Gattung Ocadla Gray.
1. Ocadia sinensis Gray.
Boulenger, Cat. p. 85.
Schalenlänge des größten Exemplares 90 mm, deren Breite
72 mm und die Höhe 43 mm.
Beim kleinsten Exemplare verhalten sich diese Maße wie
51 :48:26.
Der Rückenschild ist bei den zwei kleinsten Exemplaren
oval und der Hinterrand horizontal ausgedehnt, bei den größten
ellipsoid mit schief abfallendem Hinterrande. Vertebralkiel
stark, an der Hinterkante des zweiten bis vierten Vertebrale
etwas vorspringend; Seitenkiele auch bei den kleinsten Exem-
plaren nur angedeutet. Nuchale bei den kleineren Tieren
breiter als lang, bei den größeren ebenso lang als breit. Verte-
bralia breiter als lang, nur beim größten Exemplare gleicht die
Länge des ersten Vertebrale seiner vorderen Breite. Areolen
der Diskoidalschilder fein granuliert, die der Marginalia bei
größeren Exemplaren glatt; alle Rückenschilder konzentrisch
gefurcht. Beim kleinsten Exemplare übertrifft die Länge des
Schildkröten des östlichen Hinterindien.
Hinterlappens vom Plastron die Breite der Brücke und dU
pectorale Mittelnaht gleicht der humeralen -+• der gularen. Die
Länge des Schwanzes ist beim kleinsten Exemplare I^orai,
beim größten etwas mehr wie zweimal in der Län^e der
Rückenschale enthalten.
Schilder der Rückenschale kastanienbraun mit dunkleren
Rändern und bei einigen Individuen zieht sich um den Schalen-
rand ein schmaler, gelber Saum. Nur bei zwei kleineren Exem-
plaren besitzt jeder Diskoidalschild einen gelben Fleck, der
sich auf den Vertebralen über die ganze Länge des Mittelkieles
erstreckt, weshalb dieser eine gelbe Linie bildet. Kopf schwarz,
an den Seiten 5 bis 7 hellblaue oder weiße Linien, dkj längs
des Halses bis zum Auge ziehen, von denen sich aber nur
2 bis 3 vor diesem bis zur Nase fortsetzen. Die Oberfläche des
Kopfes wird von einer ebensolchen Linie umsäumt, die über
der Nase einen spitzen Winkel bildet und längs des Canthus
rostralis, sowie der Supraorbitalleiste sich gegen den Hals hin
erstreckt. Mit dieser Linie läuft eine zweite parallel, die abir
bei manchen Individuen nicht mehr so deutlich als die erstere
ist. Unterseite des Halses mit zahlreichen Längslinien, die sieh
am Kinn zu konzentrischen Ringen formieren und hinter dem
Mundwinkel beiderseits einen längsovalen, weißen Fleck um-
schließen.
Sieben Exemplare aus Annam. Diese Art wurde bisher vnn
China, Formosa und Manila angeführt.
Gattung Damonia Gray.
2. Damonia subtrijuga Schi, et Müll.
Boulenger, Cat. p. 94.
Schalenlänge des größten Exemplares 131 mmf deren
Breite 97 mm und die Höhe 57 mm.
Beim kleinsten Exemplare verhalten sich diese Maße wie
92 : 69 : 37.
Bei einem kleineren Exemplare aus Siam erstrecken sieb
die seitlichen Kiele auch noch auf das vierte Costalpaar, was
an einem Individuum aus Sumatra besonders auffällt, während
bei den anderen Exemplaren dasselbe glatt ist.
Sitzb. d. mathem.-naturw. KI. ; CXII. Bd., Abt. I. 22
338 F. Siebenrock,
each side of the occiput« ; da aber derselbe Autor in seinem
später erschienenen »Catalogue of Shield-Reptiles 1855« so-
wohl in der Beschreibung der genannten Art auf p. 21 aus-
drücklich sagt: »Occiput with two large eyed Spots«, als auch
in der Abbildung der Type nur zwei Ocellen auf dem Hinter-
haupte dargestellt sind, so dürfte wohl der Passus in der
Originalbeschreibung entweder auf einen Schreibfehler oder
auf eine unklare Stilisierung zurückzuführen sein. Noch deut-
licher geht die Zweizahl aus der Beschreibung von Boulenger
im »Cat.«, p. 107, hervor: »Head yellowish brown, speckled
with a black; a black, yellow-edged ocellus on each side of
the occiput.« Diese Beschreibung hat Boulenger jedenfalls
nach der Type gemacht.
Ein einziges Exemplar von Annam. C. bealii Gray ist
bis jetzt nur in zwei Exemplaren aus China bekannt, die sich
im Besitze des British Museum befinden.
Gattung CyClemys, sensu latissimo — Blgr.
Boulenger, Cat. p. 128.
Von den sechs Arten, die bisher zu dieser Gattung gestellt
wurden, sind zwei, nämlich C. platynota Gray und C mouhotii
Gray zu eliminieren, da sie die Repräsentanten selbständiger
Gattungen bilden.
Boulenger, c. 1., führt als Gattungsmerkmal u.a. auch
an: »Upper surface of head covered with undivided skin.«
Die beiden obgenannten Arten erfüllen aber diese Bedingung
nicht, weil bei ihnen die Haut am Hinterhaupte in kleine
Schilder geteilt ist. Zieht man ferner in Betracht, daß C. platy-
nota Gray konstant mindestens sechs Vertebralschilder be-
sitzt, so kann wohl kein Zweifel bestehen, daß diese Art mit
demselben Rechte von Cyclemys Gray abgetrennt werden
muß, wie Thalassochelys Fitz, von der Gattung Chelone Linne.
Erstere Gattung unterscheidet sich doch vornehmlich von
Chelone Linne, womit sie ursprünglich vereinigt war, durch
den Besitz von sechs oder mehr Paaren Costalschilder, während
bei Chelone Linne stets nur vier anwesend sind.
Schildkröten des östlichen Hinterindien. 339
Noch viel gravierender sind die Gründe bei C mouhotli
Gray für eine Abtrennung von der Gattung Cyclemys Gray.
Das Foramen palatinum posterius am Schädel stellt bei den
Cyclemys- Arten ein großes, längsovales Loch dar, das vom
Palatinum, Maxillare und Pterygoideum begrenzt wird.1 Da-
gegen ist dasselbe bei C. motihotii Gray sehr klein und im
Palatinum selbst gelegen (Taf. I, Fig. 3). Der Postorbitalbogen
bildet bei der letzteren Art eine schmale Knochenspange (Taf. I,
Fig. 4), bei den übrigen Cyclemys- Arten aber ein breites
Knochenblatt. Die Hinterfüße sind bei C. motihotii Gray
schmal und haben Ähnlichkeit mit dem Klumpfuße der Land-
schildkröten, weil die fünfte oder Kleinzehe so wie bei diesen
nur eine Phalange besitzt und daher äußerlich nicht wahr-
nehmbar ist. Hingegen haben die anderen Cyclemys- Arten an
den hinteren Gliedmaßen ausgesprochene Schwimmfüße mit
zwei Phalangen an der fünften Zehe, die zum Spannen der
Schwimmhaut verwendet wird.
Aus den soeben angeführten Tatsachen ergibt sich die
Notwendigkeit, die beiden Arten platynota und motihotii von
der Gattung Cyclemys abzutrennen und sie zu selbständigen
Gattungen zu erheben. Zur Bezeichnung derselben wähle ich
die schon einmal von Gray dafür aufgestellten Namen, und
zwar für die erstere Art den Gattungsnamen *Notochelys*
(Gray, Proc. Zool. Soc. 1863, p. 177) und für die letztere
den Gattungsnamen *Pyxidea« (Gray, c. 1., p. 175).
Somit ist die Synopsis der Gattungen, die im Kataloge
von Boul enger, p. 49, die Gruppe B der Familie Tesiudinidae
bilden, in folgender Weise zu erweitern:
Plastron mit der Rückenschale durch Naht verbunden; ein
knöcherner Schläfenbogen anwesend Nicoria.
Plastron mit der Rückenschale durch Bandmasse ver-
bunden, beweglich; ein knöcherner Schläfenbogen anwesend;
Kopfhaut glatt; fünf Vertebralschilder; Postorbitalbogen breit.
Cyclemys.
Plastron mit der Rückenschale durch Bandmasse ver-
bunden, beweglich; ein knöcherner Schläfenbogen anwesend;
1 Konfr. F. Sieben rock, Das Kopfskelett der Schildkröten. Diese
Sitzungsber., Bd. 106, Abt. I, 1897, S. 310.
340 F. Siebenrock,
Kopfhaut hinten in kleine Schilder geteilt; sechs oder mehr
Vertebralschilder; Postorbitalbogen breit Notochelys.
Plastron mit der Rückenschale durch Bandmasse ver-
bunden, beweglich; ein knöcherner Schläfenbogen anwesend;
Kopfhaut hinten in kleine Schilder geteilt; fünf Vertebral-
schilder; Postorbitalbogen schmal Pyxidea.
Plastron mit der Rückenschale durch Naht verbunden;
kein knöcherner Schläfenbogen anwesend Geoemyda.
Gattung Cyclemys, sensu strictiori — Siebenr.
Plastron mit der Rückenschale durch Bandmasse ver-
bunden, beweglich; ein knöcherner Schläfenbogen anwesend;
Postorbitalbogen breit, plattenförmig; Foramen palatinum
posterius groß, längsoval, vom Palatinum, Maxillare und Ptery-
goideum eingeschlossen. Oberfläche des Kopfes mit glatter
Haut bedeckt. An den Hintergliedmaßen deutliche Schwimm-
füße, zweite Zehe kürzer oder nicht länger als die dritte;
fünfte Zehe mit zwei Phalangen.
Diese Gattung enthält nach Ausscheidung der beiden
Arten platynota und mouhotii also bloß vier Arten, und zwar
C. dkor Gray, C. trifasciata Bell, C. amboinensis Daud.
und C flavomarginata Gray. Außerdem kommt noch eine
neue Art hinzu, deren Beschreibung an der entsprechenden
Stelle gegeben wird. Dieselbe bildet insoferne großes Inter-
esse, weil sie nach ihren habituellen Merkmalen als Binde-
glied zwischen den von Boulenger, c. 1., p. 129, aufgestellten
Gruppen gelten kann, wie sich aus der nachfolgenden Synopsis
der Arten ergibt.
I. Plastron schließt nicht vollkommen die Schale ab:
Rückenschild mit einem Kiel, Hinterrand gesägt dhor.
Rückenschild mit drei Kielen, Hinterrand nicht gesägt
annamensis n. sp.
II. Plastron schließt bei erwachsenen Tieren die Schale nahezu
vollkommen ab:
Piastron hinten winkelig ausgeschnitten trifasciata.
Plastron hinten nicht ausgeschnitten; Finger mit deutlicher
Schwimmhaut amboinensis.
Schildkröten des östlichen Hinterindien. 341
Plastron hinten nicht ausgeschnitten; Finger keine deut-
liche Schwimmhaut flavomarginata.
4. Cyclemys dhor Gray.
Boulenger, Cat. p. 131.
Rückenschild des größten Exemplares 66mm lang, 64 mm
breit, Höhe der Schale 25 mm.
Beim kleinsten Exemplare verhalten sich diese Maße wie
58 : 55 : 20.
Nuchale groß, breiter als lang. Axillarschilder anwesend,
die Iniguinalia fehlen bei einem Exemplare. Naht zwischen den
Pectoralschildern und den Marginalen ebenso lang als zwischen
den Abdominalschildern und den Marginalen. Die Mittelnaht
der analen Schilder gleicht jener der pectoralen.
Schilder der Rückenschale bei den zwei größeren Exem-
plaren mit schwarzen, radienförmigen Strichen am Rande.
Unterseite bei drei Exemplaren grünlichweiß gefärbt mit
dunklen Flecken und Punkten, beim größten Exemplar aber
lehmgelb mit schwarzen Strichen auf den Rändern der Schilder.
Vier Exemplare aus Annam (Phuc-Son). Diese Art war
bisher von Indien, Birma, Cambodja, Siam, der malayischen
Halbinsel und vom malayischen Archipel bekannt.
5. Cyclemys annamensis nov. spec.
Länge des Rückenschildes 6\mm, dessen Breite 54mm,
Höhe der Schale 27 mm.
Rückenschild schwach gewölbt, vorne abgestutzt, hinten
ganzrandig, zwischen den Supracaudalia ein kleiner Aus-
schnitt; Seitenrand der Schale aufwärts gebogen. Drei Kiele
anwesend, Mittelkiel am stärksten. Vertebralia breiter als lang
und breiter als die entsprechenden Costalia. Nuchale deutlich,
hinten breiter als vorne. Areolen der Schilder grobgekörnt,
die Ränder konzentrisch gefurcht. Plastron schmäler als die
Schalenöffnung, Vorderlappen abgestutzt, Hinterlappen winkelig
ausgeschnitten. Breite der Brücke nahezu gleich der Länge des
Hinterlappens. Axillarschilder viel größer als die inguinalen.
342 F. Siebenrock,
Mittelnaht zwischen den Abdominalschildern so lang als zwi-
schen den pectoralen und länger als die der übrigen Plastral-
schilder; kürzeste Mittelnaht zwischen den Analschildern,
kürzer als jene der humeralen. Naht zwischen den Pectoral-
schildern und den Marginalen so lang als zwischen den ab-
dominalen und den Marginalen.
Kopf klein, Oberkiefer mitten ausgeschnitten, Alveolar-
fläche schmal ohne einer medianen Kante, Choanae zwischen
den Augenhöhlen gelegen. Ich hebe die beiden letzteren Merk-
male ausdrücklich hervor, um nicht den Verdacht zu er-
wecken, daß hier eine Verwechslung mit der Gattung Damonia
Gray stattgefunden habe. Schwanz nicht ganz halb so lang
als die Rückenschale. Vorderfläche des Armes mit breiten,
quergestellten Schuppen bedeckt; Finger und Zehen bis zu
den Krallen mit einer Schwimmhaut verbunden.
Rückenschild leberbraun, die Ränder der einzelnen Schilder
dunkler gefärbt; Marginalia außen mit einem schmalen, gelben
Saum. Plastron gelb, jeder Schild mit einem dunkelbraunen
Fleck. Diese Flecken sind größtenteils mit einander vereinigt
und bilden eine symmetrische Figur, die nur auf den Femoral-
schildern eine Unterbrechung erleidet. Die Flecken stoßen auf
den gularen, femoralen hinten und den analen Schildern
mitten zusammen, während sie auf den übrigen getrennt
bleiben.
Brücke dunkelbraun, Marginalia unten gelb mit einem
dunkelbraunen Streifen am Hinterrande, neben welchem bei
den seitlichen Marginalen noch ein Fleck von etwas lichterer
Farbe sichtbar ist. Kopf und Hals oben dunkelbraun, unten
gelb. Am Kopfe zieht ein gelber Streifen von der Schnauzen-
spitze längs des Canthus rostralis und der Supraorbitalkante
bis zur Schläfe. Ein zweiter Streifen geht von der Nase durch
das Auge an der Seite des Kopfes dem Halse entlang. Ein
dritter ist mit dem vorhergehenden Streifen parallel, endet
aber unter dem Auge und setzt sich nach kurzer Unterbrechung
wieder fort, bis er am Beginne des Halses in der gelben Farbe
desselben verschwindet. Der gelbe Unterkiefer ist gegen die
Kehle von einer dunkelbraunen Einfassung begrenzt Kopf und
Hals unten schwarzgefleckt. Gliedmaßen und Schwanz schwarz,
Schildkröten des östlichen Hinterindien. 343
erstere mit gelben Flecken, letzterer oben und unten mit einem
gelben Längsstreifen versehen.
Ein einziges Exemplar von Annam (Phuc-Son).
6. Cyclemys amboinensis Daud.
Boulenger, Cat. p. 133.
Länge des Rückenschildes 120 mm, dessen Breite 89 mm,
Höhe der Schale 59 mm.
Rückenschale stark gewölbt mit einem deutlichen Verte-
bralkiel. Die zwei ersten Vertebralia länger als breit, die übrigen
breiter als lang. Mittelnaht der Pectoralschilder kürzer als jene
der abdominalen und ebenso lang als die der gularen; kürzeste
Mittelnaht zwischen den Humeralschildern. Axillarschilder viel
größer als die inguinalen. Oberkiefer mitten abgerundet.
Schilder der Rückenschale bläulichschwarz mit kastanien-
braunen, breiten Rändern. Plastron gelb, jeder Schild mit einem
schwarzen, runden Fleck am äußeren Rande; diese Flecken
rücken auf den Gularen und Analen so nahe zusammen, daß
sie sich vereinigen. Auf der Brücke nur vorne ein schwarzer
Fleck; Marginalia unten gelb, bloß die fünf hinteren Paare
besitzen einen schwarzen, runden Fleck.
Ein Exemplar von Cochinchina. Diese Art wurde bisher
in Birma, Siam, auf der malayischen Halbinsel und dem
Archipel bis östlich zu den Molukken gefunden.
Gattung NotOChelyS Gray.
Gray, Proc. Zool. Soc. 1863, p. 177.
Plastron mit der Rückenschale durch Bandmasse ver-
bunden, beweglich; ein knöcherner Schläfenbogen anwesend;
Postorbitalbogen breit, plattenförmig; Foramen palatinum
posterius groß, längsoval, vom Palatinum, Maxillare und Ptery-
goideum eingeschlossen. Kopfhaut hinten in kleine Schilder
geteilt. An den Hintergliedmaßen deutliche Schwimmfüße,
zweite Zehe kürzer oder nicht länger als die dritte; fünfte Zehe
mit zwei Phalangen. Sechs oder mehr Vertebralschilder an-
wesend.
344 F. Siebenrock,
7. Notochelys platynota Gray.
Boulenger, Cat. p. 130.
t
i
J Höhe der Schale 37 mm.
Länge des Rückenschildes 94 mm, dessen Breite 84 mm;
Rückenschale schwach gewölbt mit einem deutlichen
Vertebralkiel. Sechs Vertebralschilder anwesend; das acces-
sorische Vertebrale vollkommen symmetrisch und ebenso wie
die anderen mit einem konzentrisch gefurchten Rande um-
geben.
Nuchale breit, vorne schmäler als hinten. Plastron vorne
eingekerbt, hinten stumpfwinkelig ausgeschnitten. Breite der
Brücke 2V8rnal in der Länge des Plastrons enthalten. Axillar-
schilder anwesend, aber kleiner als die Inguinalia. Die Naht
zwischen den Pectoralia und Marginalen kürzer als zwischen
den Abdominalia und den Marginalen. Mittelnaht der abdomi-
nalen Schilder länger als die der pectoralen und ebenso lang
als die der humeralen + der gularen; kürzeste Mittelnaht
zwischen den Humeralschildern.
Rückenschild licht holzbraun gefärbt. Erstes bis viertes
Vertebrale mit einem Paar großer, schwarzer Punkte; ein
solcher Punkt auf jedem der drei ersten Costalschilder; außer-
dem liegen noch kleinere Punkte auf allen Schildern zerstreut.
Plastron gelb mit braunen, wolkigen Flecken an den Rändern
der einzelnen Schilder, die mitten ein breites Längsband for-
mieren. Kopf oben braun mit schwarzen Punkten, auf dem
Scheitel ein schwarzer Ring. Hinter dem Auge ein großer,
gelber Fleck, der sich gegen den Hals in einen ungleichmäßigen
Streifen fortsetzt; ein zweiter, schmaler Streifen zieht vom
Mundwinkel ebenfalls gegen den Hals. An der Unterseite des
Halses sind die gelben Streifen so breit, daß sie nur von
schwarzen Linien getrennt werden. Gliedmaßen oben dunkel-
braun, unten gelb; der kurze Schwanz mit gelben Längs-
streifen.
Ein Exemplar von Cochinchina (Saigon). Diese Art war
bisher nur von der malayischen Halbinsel, von Mergui, Sumatra
und Borneo bekannt.
Schildkröten des östlichen Hinterindien. 345
Gattung Pyxidea Gray.
Gray, Proc. Zool. Soc. 1863, p. 175.
Plastron mit der Rückenschale durch Bandmasse ver-
bunden, beweglich; ein knöcherner Schläfenbogen anwesend;
Postorbitalbogen schmal, spangenförmig (Taf. I, Fig. 4);
Foramen palatinum posterius klein, rund, nur vom Palatinum 1
selbst begrenzt (Taf. I, Fig. 3); Kopfhaut hinten in kleine ]
Schilder geteilt. An den Hintergliedmaßen die Füße schmal, ]
Schwimmhaut rudimentär; zweite Zehe länger als die dritte, }
die fünfte Zehe besitzt nur eine Phalange und ist äußerlich j
nicht erkennbar. f
Die Hinterfüße dieser Gattung sind insoferne von beson- *
derem Interesse, weil sie durch ihre Form, die Art der :
Beschuppung und den Besitz nur einer Phalange an der Klein- 1
zehe den Übergang vom Schwimmfuß der Flußschildkröten |
zum Klumpfuß der Landschildkröten bilden. Der Schwimmfuß, ]
wie man ihn beispielsweise bei der Gattung Chrysemys Gray, \
Sternothaerus Bell oder bei den Trionychidae findet, ist durch !
die Länge der Kleinzehe ausgezeichnet. Sie besitzt immer drei i
Phalangen und dient zum Spannen der Schwimmhaut. Die !
Unterfläche des Fußes wird nur von kleinen Schuppen oder •
Körnern bedeckt, um die Dehnbarkeit der Schwimmhaut nicht j
zu hemmen. Beim Klumpfuß von Homopus D. et B. oder \
Testudo Linne ist die Kleinzehe rudimentär, höchstens mit
einer Phalange versehen und äußerlich nicht sichtbar. Die \
Sohle bedecken meistens große, spitze Schuppen, die beim \
Hinschreiten auf dem trockenen Boden mehr Sicherheit ge-
währen als die kleinen, glatten Schüppchen. ^
8. Pyxidea mouhotii Gray.
Boulenger, Cat. p. 132.
Länge des Rückenschildes 78mwt dessen Breite 66 mm;
Höhe der Schale 36 mm.
Rückenschale oblong, vorne mit einem Ausschnitt, in dem
das Nuchale vorspringt. Vertebralschilder breiter als lang, aber
schmäler als die entsprechenden Costalia; die Schilder kon- ;
zentrisch gefurcht. Plastron schmäler als die Öffnung der Schale,
346 F. Siebenrock,
J vorne abgerundet, hinten winkelig ausgeschnitten. Die Naht
| zwischen den Pectoralschildern und den Marginalia erheblich
j kürzer als zwischen den abdominalen und den Marginalia.
I Axillaria und Inguinalia fehlen. Längste Mittelnaht zwischen
| den Abdominalschildern, kürzeste zwischen den humeralen
i oder den pectoralen.
j Kopf groß, die Stirn zwischen den Augen mit einer
| großen, erhabenen Schuppe bedeckt; die Haut am Hinterhaupte
; und an der Schläfe in einzelne Schilder geteilt. Kiefer sehr
i stark, Oberkiefer mitten hackenförmig, Unterkiefersymphyse
! gleicht dem Augendurchmesser. Vordergliedmaßen mit großen,
imbrikaten Schuppen bedeckt; ebensolche Schuppen auf der
Sohle der Hinterfüße, von denen an der Ferse zwei spornartig
vorspringen. Schwanz beim cT bedeutend länger als beim 9 , an
der Basis oben und seitlich mit langen, spitzen Papillen besetzt,
die sich auch über die Hinterfläche des Oberschenkels aus-
dehnen.
Rückenschale zwischen den Seitenkielen vom zweiten bis
fünften Vertebrale gelbbraun gefärbt, der übrige Teil dunkel-
braun. Plastron gelb mit braunen Flecken. Kopf oben gelb mit
braunem Netzwerk, hinter dem Auge und über dem Trommel-
fell ein gelber Fleck braun eingefaßt. Gliedmaßen und Schwanz
gleichmäßig braun gefärbt, die Krallen an den Füßen mit gelben
Spitzen.
Drei Exemplare von Tonkin (Than-Moi). Diese Art war
bisher nur von Cachar, Siam und Cochinchina bekannt.
Gattung TestudO L i n n e.
9. Testudo elongata Blyth.
! Boulenger, Cat. p. 173.
Rückenschild des größeren Exemplares 150 mm lang,
j 99 mm breit, Höhe der Schale 64 mm. Beim kleineren Exem-
\ plare verhalten sich diese Maße wie 81 : 63 : 43.
! An beiden Exemplaren nur der Hinterrand der Schale
! gesägt, Vorderrand bloß beim kleinen Exemplar ausgeschnitten.
j Erstes Vertebrale am schmälsten, so lang als breit; Vertebralia
Schildkröten des östlichen Hinterindien. 347 t
f
1 bis 3 schmäler als die entsprechenden Costalia. Die Anal- j
schilder bilden eine kurze Naht. Axillaria kleiner als die [
Inguinalia. j
Rückenschild grünlichgelb mit nur wenigen, sehr zer- {
streuten, kleinen, schwarzen Flecken, die so unansehnlich sind, '
daß das Exemplar fast gelb aussieht. Das kleinere Exemplar ;
besitzt dagegen auf den Diskoidalschildern große, schwarze, i
wolkige Flecken, die auf den Marginalia sehr klein und in so <
geringer Anzahl vertreten sind, daß die genannten Schilder !
mehr gelb als schwarz erscheinen. Plastron gelb, nur auf der i
medialen Hälfte der Abdominalschilder mehrere kleine, schwarze
Flecken, die sich beim kleinen Exemplare vereinigen, und zwar
rechts zu einem großen Fleck, der links in zwei ungleiche •
Hälften geteilt bleibt. Kopf zeisiggrün, die Gliedmaßen und der ;
Schwanz dunkler gefärbt. |
Das größere Exemplar von Cochinchina (Saigon), das ;
kleinere von Tonkin. Diese Art war bisher von Bengalen, Birma, !
Cambodja und Cochinchina angeführt. !
Familie Trionychidae.
Gattung Trionyx Geoffr.
10. Trionyx cartilagineus Bodd.
Bou 1 eng er, Cat. p. 253.
Die jungen Exemplare dieser Art bereiten oftmals große
Schwierigkeiten bei der Bestimmung, weil die Färbung, ins-
besondere die des Kopfes, nicht unerheblich variieren kann.
Das sicherste Merkmal für die richtige Erkennung dieser Art
bildet unstreitig die Form und der Bau des Plastrons. Die An-
ordnung der einzelnen Knochen desselben ist für die Art so
charakteristisch, und zwar nicht allein bei den erwachsenen
Tieren, sondern auch bei ganz jungen Individuen, so daß die
Verwechslung mit einer anderen Art, speziell aber mit Trionyx
sinensis Wiegm., vollkommen ausgeschlossen erscheint. Ich
verweise diesbezüglich auf meine Arbeit: »Zur Systematik der
348
F. Siebenrock,
Schildkrötenfamilie Trionychidae Bell« etc. (diese Sitzungsbei
Bd. CXI, Abt. I, 1902).
Länge des Rückenschildes 102 mm, dessen Breite 87 w;.
Diskuslänge 65 mm.
Rückenschild flach mit einem Vertebralkiel und mit zah
reichen Längsreihen enggesetzter Tuberkeln. Vorderrand a
Nacken mit größeren Tuberkeln eingefaßt, die seitwärts i
einen vielfach eingekerbten Saum verschmelzen. Am Plastrc
die Callositäten noch nicht sichtbar.
Rückenschild dunkelgrüngrau, am Lederrand zahlreicr
weiße Punkte und vornehmlich am Diskus einige groß
schwarze, runde Flecken, die teilweise weiß eingefaßt sin
Kopf oben und unten von derselben Grundfarbe wie d«
Rückenschild, mit verschieden großen, weißen Flecken un
einigen schwarzen Punkten auf Stirn und Scheitel. Am Nacke
bilden sich drei bis fünf schwarze Linien, die vorne auf dei
Scheitel winkelig zusammenstoßen.
Bei einem Exemplar von 71 mm Schildlänge aus Tonkin i:
der Kopf oben olivenfarben ohne Spur weißer Flecken. Dagege
besitzt derselbe schwarze Streifen, von denen einer vor dei
Auge zur Nase und rückwärts ein zweiter zum Ohre hinfuhr
Vom Nacken gehen zwei schräge, schwarze Streifen gege
den Scheitel, wo sie sich winkelig treffen. Lateral von diesei
Winkel liegt beiderseits ein größerer, gelber, dreieckiger Fleci
der sich am Halse in ein Längsband fortsetzt. Zwei jung
Exemplare der herpetologischen Sammlung des Museums ai:
Nanga Badang, Borneo, besitzen gleichfalls die beiden dre
eckigen Flecken am Scheitel, die lateral von dem vorht
beschriebenen Winkel liegen, der übrige Teil des Kopfes zei|
aber die für diese Art charakteristischen gelben Punkte un
Flecken. Auch die Färbung des Plastrons ist bei dem Exempk
aus Tonkin etwas verschieden von den anderen Exemplarei
denn es ist nicht gleichförmig schmutzigweiß, sondern e
besitzt zahlreiche kleine, schwarze Flecken. Ebenso fehlen ai
den Vorderflächen der Gliedmaßen die sonst häufig anwesende
weißen Punkte. Die morphologischen Befunde des Plastron
und die Maße am Kopfe dieses Tieres stimmen genau mit jene
der typischen Exemplare überein, weshalb kein Grund vorliet
Schildkröten des östlichen Hinterindien.
;uu
ur Aufstellung einer neuen Art. Vielleicht hat man es liier mit
ner neuen Varietät zu tun; nur müßte nachgewiesen werden,
aß sich die Färbung, speziell die des Kopfes, als konstant
hält.
Zwei Exemplare von Siam, ein kleineres Exemplar von
onkin. Der letztere Fundort ist von Interesse, weil bisher
cht bekannt war, daß diese Art auf dem Festlande so weit in
^rdöstlicher Richtung vordringt. Ihr Vorkommen wurde bis
tzt von Pegu, Tenasserim, Siam, Cambodja, der malayischen
albinsel und den Sundainseln angegeben.
11. Trionyx sinensis Wiegm.
Bou lenger, Cat. p. 256.
Länge des Rückenschildes vom größten Exemplare 6Öfiiw,
?ssen Breite 59 mm; Diskuslänge 43 mm.
Rückenschild tectiform mit zahlreichen Längskanten eng
?setzter Tuberkeln; Vertebralkiel sehr stark. Vorderrnml mit
nem Saum besetzt, der mitten nicht aus einzelnen größeren
uberkein wie bei T. cartilagineus Bodd. besteht, sondern
oß eingekerbt und seitlich fast glatt erscheint.
Rückenschild und Kopf samt Hals olivengrün; bei den
eisten Exemplaren ist der Lederrand oder der ganze Rücker
:hild schwarz gegittert in sehr weiten Maschen. Schwarze,
mde Flecken bis zur Zahl zwölf bedecken den letzteren;
nd bei einigen Individuen ziemlich symmetrisch verteilt und
der dieser Flecken liegt in einer Masche. Kopf am Scheite!
it schwarzen Punkten; der rostrale, temporale und inre
•bitale Augenstreifen scharf gekennzeichnet. Am Etppf uru
als unten große, gelbe Flecken, die an den Seiten des letztere
i einem breiten, schwarz gesäumten Längsstreifen yer-
ihmelzen können.
Bauch rosenfarben mit scharf abgegrenzten, runden Flecken
Dn intensiv schwarzer Farbe, die vollkommen symmetrisch
^geordnet sind, was schon Boulenger, c. 1., hervorhebt,
orne mitten liegt ein unpaariger, gularer Fleck, der
leinsten ist oder auch ganz fehlen kann. Der gulare Rand h
ufierdem eine schwarze Einfassung. Zwei Flecken sind I
n hyo-hypoplastralen Zwischenraum, die gewöhnlich
350
F. Siebenrock,
kurzes Querband verschmelzen und hinter diesem ist vvied
ein großer, unpaariger Fleck zwischen den Xiphiplastra ei
gebettet. Lateral liegt beiderseits ein Fleck in der Axillar- ur
in der Inguinalgegend, einer vor dem Hyoplastron und e
weiterer hinter dem axillaren; endlich befindet sich an d
Basis des Schwanzes auf beiden Seiten ein schwarzer Flec
Außerdem besitzt der Hinterrand des Rückenschildes unt<
ein breites, schwarzes Band, das aber den äußeren und innen
Saum freiläßt. Vordergliedmaßen oben oliven mit gelben Flecke
unten und innen mit einer breiten Binde; Hintergliedmaß«
oben dunkeloliven, unten gelb und die Sohle dunkel gefaxt
Schwanz am Rücken schwarz, unten gelb und beim klein st<
Exemplare mit einem schwarzen Punkt an der Spitze.
Obwohl diese Flecken mit großer Regelmäßigkeit verte
sind, bilden sie dennoch nur eine Jugendfärbung, die mit zi
nehmendem Alter des Tieres gänzlich verschwinden kann, ;
daß die Unterseite bei erwachsenen Exemplaren vollkomm*
gelb erscheint. Es wird dies dadurch bedingt, weil mit de
Wachstum des Tieres nicht auch eine Vermehrung des Pi,
mentes stattfindet. Die Folge davon ist, daß bei der Größe:
zunähme des Tieres die Chromatophoren der Flecken imm
mehr auseinanderrücken, weshalb die Flecken zwar groß*
aber auch undeutlicher werden, bis sie gänzlich verschwinde
Dies geschieht zuerst bei den Inguinal- und Schwanzflecke
die sich auf der weichen Körperhaut befinden. Am längst«
bleiben die Plastralflecken erhalten, aber auch sie sind oftma
schon bei noch jungen Individuen ganz undeutlich geworde
Sechs Exemplare von Annam. Diese Schildkröte ist üb
China und Japan verbreitet und wird außerdem auch von d
Insel Formosa sowie von den Batanesinseln angeführt. Neu i
daher ihr Vorkommen in Annam, denn ihr Vordringen so \\t
nach dem Süden wurde bisher noch niemals beobachtet.
Gattung PelOChelys Gray.
12. Pelochelys cantoris Gray.
Boulenger, Cat. p. 263.
Länge des Rückenschildes 74 mm, dessen Breite 74 mi
Diskuslänge 46 mm.
Schildkröten des östlichen Hinterindien.
351
Rückenschild flach mit einem sehr schmalen Vertebral-
riel; Längskanten nur auf dem Diskus anwesend, der breite
-ederrand ist vollkommen glatt. Die Form und Anordnung der
<nochen des Plastrons stimmt genau mit der von mir c. 1.
gegebenen Abbildung überein.
Rückenschild graubraun mit großen, ovalen Flecken von
ichterer Farbe, die auf dem Diskus fast weiß sind. Außerdem
iegen auf dem Lederrand kleine, braune Punkte zerstreut Den
tend des Rückenschildes umgibt ein schmaler, gelber Saum,
ler aber erst hinter den vorderen Gliedmaßen beginnt, somit
im Vorderrande fehlt. Unterseite weißlich, HinterTand des
ftickenschildes unten lichtbraun gesprenkelt. Kopf und Glied-
naßen oben oliven, gesprenkelt mit schwarz.
Ein Exemplar von Annam (Phuc-Son). Diese Art war bis-
ler vom Ganges, von Birma, der malayischen Halbinsel, von
Dhina, Borneo, den Philippinen und den Balabac-Inseln be-
sannt.
Die hier aufgezählten Arten verteilen sich auf folgende
Verbreitungsgebiete :
A. Annam.
1. Ocadia sinensis Gray.
2. Clemmys bealii Gray, nov. var. quadriocellata.
3. Cycletnys dhor Gray.
4. Cyclemys annamensis nov. spec.
5. Trionyx sinensis W i e g m.
6. Pelochelys cantoris Gray.
B. Cochinchina.
7. Damonia subtrijuga Schi, et Müll.
8. Cyclemys amboinensis Daud.
9. Notochelys plafynota Gray.
10. Testudo elongata Blyth.
C. Siam.
7. Damonia subtrijuga Schi, et Müll.
1 1 . Trionyx cartilagineus B o d d.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 23
352 F. Siebenrock, Schildkröten des östlichen Hinterindien.
D. Tonkin.
| 12. Pyxidea mouhotii Gray.
| 10. Testudo elongata Blyth.
J 11. Triony x cartilagineus Bodd.
Erklärung der Abbildungen.
Tafel I.
Fig. 1. Clemmys bealii Gray, nov. var. qnadrioccllata\ von oben.
> 2. Dieselbe; von unten.
» 3. Pyxidea monhotii Gray, knöcherner Kopf von unten.
» 4. Dieselbe; knöcherner Kopf im Profil.
Tafel IL
Fig. 5. Cyclemys annamensis nov. spec; von oben.
» 6. » > * » von unten.
» 7. » » » > Kopf und Hals im Profil.
Sämtliche Figuren sind Originalzeichnungen in natürlicher Größe.
F.Siebenrock: Schildkröten desöstl.Hinterindien.
Taf.I.
Ges.u.lith.v.E. Konopicky . Li UlAtuj t v ThJaunvmrth.WKn
>\ t zung-sberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Classe, Bd. CXI1. Ab th .1111903.
F.Siebenrock: Schildkröten desösti.Rinterindieu.
TatIL
Vi
Gez.u.lith.v.E.Konopickv. lüthAnst v.Th_Bann*nirih;Wien
S i t zun^sberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Classe, B<L CXH. Ab th. III .190 3-
353
XII. SITZUNG VOM 14. MAI 1903.
Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 111, Abt. II a, Heft VIII und IX (Oktober
und November 1902).
Das k. M. Prof. J. Seegen übersendet eine unter Mitarbeit
von W. Heimann in Berlin verfaßte Abhandlung, welche den
Titel führt: »Über ein in der Leber gebildetes stick-
stoffhaltiges Kohlehydrat, welches durch Säure in*
Zucker umgewandelt wird«.
Dr. Franz Kossmat übersendet einen Bericht über
die im Mai 1903 vorgenommene Untersuchung der
im Wocheiner Tunnel erzielten geologischen Auf-
schlüsse.
Das w. M. Prof. 0. Stolz in Innsbruck übersendet eine
Abhandlung mit dem Titel: »Ein Satz der Integral-
geome trie«.
Fried. Aug. Otto in Düsseldorf übersendet eine Abhand-
lung mit dem Titel: »Die Auflösung des irreduziblen
Falles der cardanischen Formel«.
Prof. Dr. K. Brunn er übersendet eine im chemischen
Institute der k. k. Universität Innsbruck von stud. phil. Hugo
Schwarz ausgeführte Abhandlung: »Über Indolinone«.
Das w. M. Prof. F. Becke berichtet über den Fortgang
der geologischen Beobachtungen an der Nordseite des
Tauerntunnels.
Das w. M. Hofrat G. Tschermak legt eine Abhandlung
»Ober die chemische Konstitution der Feldspate« vor.
23*
I
354
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Agamemnon e, G.: Contro alcune obiezioni alla registrazione
sismica a due velocitä. Modena, 1902. 8°.
Allegheny Observatory: Miscellaneous scientific papers,
new series, No 10. By F. L. O. Wadsworth. Chicago. 8°.
Borredon, Giuseppe: Dell* attrazione planetaria forza centri-
peta o gravitazione universale. Neapel, 1903. 8°.
— La luna e la sorgente fisica del freddo. Neapel, 1902. 8°.
— La legge del sistema planetario o Y armonia del moto dei
suoi corpi. Neapel, 1903. 8°.
D'Ocagne, Maurice: Expose synthetique des principes fonda-
mentaux de la nomographie. Paris, 1903. 4°.
355
Ober die chemische Konstitution der Feldspate
von
G. Tschermak,
w.M. k.Akad.
(Mit 1 Textfigur.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 14. Mai 1903.)
Die chemische Struktur der natürlichen Silikate ist bisher
nur insoweit bekannt, als dieselbe sich bei den einfachsten
Verbindungen, wie Olivin, Wiliemit, von selbst ergibt. Sobald
aber mehrere Stoffe in dem Silikat enthalten sind, wie im
Diopsid, Tremolit, wird die chemische Konstitution mehrdeutig
und es hat bis jetzt jedes Mittel gefehlt, hier eine Entscheidung
zu treffen. Die größten Schwierigkeiten bieten aber die alumi-
niumhaltigen Silikate, weil das Aluminium bald für sich drei-
wertig, bald als einwertige Gruppe AlO in die Verbindung tritt.
Dadurch wird die Struktur derselben vieldeutig und es ist ein
vergebliches Bemühen, den Bau dieser Verbindungen auf Grund
von Analogien erraten zu wollen. Ein Einblick in die Struktur
chemischer Verbindungen läßt sich nur auf dem Wege des
Experimentes gewinnen. Es hat auch nicht an Versuchen in
dieser Richtung gefehlt, von denen manche, die in neuerer
Zeit unternommen wurden, viel versprechend sind. Die syn-
thetischen Versuche bei hohen Temperaturen wurden in der
Regel nicht zu dem hier angegebenen Zwecke angestellt. Die
Werke von C. W. C. Fuchs,1 von Fouque und Michel Levya
1 Die künstlich dargestellten Mineralien. Leipzig, 1864.
* Synthese des mineraux et des roches, Paris, 1882; auch Me unier, Les
methodes de synthese en Mineralogie, Paris, 1891.
^ ii-
356
G. Tschermak,
enthalten ungemein zahlreiche Nachweise bezüglich der Nach
ahmung natürlicher Silikate und zeigen, mit welchem Eife
und Erfolge die Mineralsynthese in Frankreich gepflegt wurd<
Die Versuche von Lagorio1 und von Morozewicz8 streife
schon das hier angedeutete Gebiet, indem sie die Entstehung«
bedingungen von Silikaten im Magma verfolgen; auch einig
von Do elter8 ausgeführte Versuche berühren dasselbe. Ei
analytisches Verfahren, das die Einwirkung von Salzsäure
dämpfen bei hohen Temperaturen benutzt, lieferte bei de
Anwendung durch Clarke und Schneider4 keine einfache
Resultate und gegen die Methode wurde begründete Eir
spräche erhoben.5 Ein anderes, von Zulkowski befolgte
Verfahren,6 das auf die Bestimmung des Glühverlustes beir
Schmelzen mit Kaliumcarbonat beschränkt ist, begegnet der
gleichen Einwände. Durch die Anwendung hoher Tempere
turen wird die chemische Struktur vieler Silikate veränder
andere werden gänzlich zerstört, insbesondere die wasserstof
haltigen, daher die auf solche Art erhaltenen Resultate keine
sicheren Schluß auf die ursprüngliche Beschaffenheit des Mine
rales gestatten und ganz unbrauchbar sind, wenn die erhaltene
Produkte nicht vollständig untersucht werden.
Ungemein zahlreiche Versuche, darunter solche bei minde
hohen Temperaturen und bei Anwendung wässeriger Lösungei
wurden von dem kürzlich dahingeschiedenen Lemberg aus
geführt und in den Jahren 1876 bis 1888 publiziert.7 Dieselbe!
sind vorzugsweise auf die Umwandlung von Silikaten durci
Austausch der Alkalien und zweiwertiger Metalle, wie Calciun
und Magnesium, gerichtet.
i Ober die Natur der Glasbasis. Tschermak's Min. und petr. Mitteil
8, S. 421 (1881).
* Experim. Untersuchungen über die Bildung der Mineralien im Magmi
Ebenda, 18, S. 1 und S. 250 (1889).
3 Jahrbuch für Min., 1890, I, S. 118.
* Zeitschr. für Krystallographie und Min., 18, S. 390 (1891).
5 Brauns in der Zeitschr. für unorgan. Chemie, 8, S. 348 (1895).
6 Diese Sitzungsberichte, 109, IIb, S. 851 (1900).
7 Zeitschr. der deutschen geol. Gesellsch., 28, S. 519; 35, S. 557; 37
S. 959; 39, S. 559; 40, S. 357.
Konstitution der Feldspate.
357
Die Methode wäre geeignet gewesen, abgesehen von den
Jmwandlungen, auch überdie chemische Konstitution wichtiger
ülikate Licht zu verbreiten, wenn die Untersuchung vollständig
lurchge führt und alle erhaltenen Produkte, die unlöslichen
Rückstände bezüglich ihrer Homogeneitat, die gelösten Sub-
tanzen hinsichtlich der Quantität und chemischen Zusammen-
etzung geprüft worden wären. In der Form, wie sie vorliegen,
eben sie nur über die Möglichkeit bestimmter Umwandlungen
inen Aufschluß; einzelne Resultate werden erst einen Werl
rhalten, wenn die chemische Struktur der behandelten Mine-
ale bekannt sein wird. Einige Untersuchungen von Thugutt1
ewegen sich auf ungefähr gleicher Bahn.
Der erste Schritt in das noch dunkle Gebiet begegnet der
rage, von welchen Säuren die einzelnen Sütkate abzuleiten
eien. Eine Zeit lang schien es, als ob mit dem zuerst von
Vurtz angegebenen Schema der Polysiliciumsäuren* ein Aus-
ingen gefunden werden könnte. Nach diesem lassen sich von
Molekeln Siliciumhydroxyd SiÖ4H4 durch Austritt von « — l
is 2n — 1 Molekeln H30 unzählige Polykieselsauren ableiten,
ds Beispiele mögen die Formeln der Säuren dieser Reihe von
= 1 bis n = 4 aufgezählt werden. Die mit * bezeichneten
ind polymer* ebenso die mit f bezeichneten.
ü 04 H4 * Si 08 HB
li207 H6 * Sig06 H4 f Sia05 H8
;i8O10Ha *Si3Op Hd SisO, H4 Si307 H,
;iA3H10 *Si4OiaHö Si4OuHf tSi,O10H4 Si^H,
Dieses Schema hat sich jedoch als zu dürftig erwiesen,
veil von den höheren Säuren, mit Ausnahme jener der ersten
Columne, mehrere, endlich viele Isomere denkbar sind. Mit
lern Schema war aber auch bloß die Möglichkeit solcher Ver-
bindungen angedeutet. Welche dieser Sauren im gegebenen
1 Zeitschr. für unorgari. Chemie, 2, 5. 65 (1892); Jahrbuch für Min*,
• BeilagebiiaJ. S, 554 (1895), Siehe die Bemerkungen von Weinschenk in
ler Zeitschr. für Krystallogniphie, 23, S. 298, und von Traube daselbst. 28.
). 620.
2 Le^ons de Philosophie chimique. Paris, 1864, p. ISO.
358
G. Tschermak,
Falle anzunehmen sei, kann nur durch den Versuch entschiede
werden.
Ich glaube nun einen Weg angeben zu können, desse
Ziel die Lösung dieser ersten Aufgabe ist und der zur Isc
lierung jener Säuren leitet, welche den einzelnen Silikate
zugrunde liegen. Werden diese Säuren dargestellt und wir
deren Zusammensetzung bestimmt, so ist damit die Grundlag
für die weiteren Untersuchungen gegeben, die zu entscheide
haben, welche der Säuren gleicher prozentischer Zusammer
setzung vorliegt.
Das Unternehmen erscheint von vornherein durchführbai
weil die aus verschiedenartigen Verbindungen abgeschiedene
Kieselsäuren auch physikalisch verschieden erscheinen. Olivii
liefert eine Gallerte, Analcim eine schleimige Kieselsäure
Leucit ein Pulver. Aber die bisherigen Erfahrungen könntei
abschreckend wirken, denn sie ergeben eine solche Unbestän
digkeit der untersuchten Säuren, daß es bis jetzt vergeblicl
schien, hier zu einem brauchbaren Resultat zu gelangen.
Die bisher dargestellten Kieselsäuren sind zumeist solche
die im ursprünglichen Zustande als gallertartige oder flockig
Massen erscheinen. Einzelne Beobachtungen an solchen Ge
bilden sprechen für die Existenz einer Kieselsäure von de
Zusammensetzung Si08H2, welche beim Glühen 23% Wasse
abgeben würde. Graham erhielt durch Dialyse eine Kiesel
säure, die, im Vakuum und nachher zwei Tage über Schwefel
säure getrocknet, 21 99% Wasser lieferte. Ebelmen gibt fü
jene Kieselsäure, die aus kieselsaurem Äthyl erhalten wurde
einen Glühverlust von 19*8 an. Bei Versuchen, die Fremj
anstellte, wurde Kieselsäure abgeschieden, die der Forme
Si308H4 entspricht, welche 16-59% Wasser fordert. Bei de
Zersetzung von Schwefelsilicium ergab sich eine Säure mi
16'7%» aus Alkalisilikat eine solche mit 16*2%, aus Fluor
silicium eine mit 16*8% Wasser. In den beiden letzteren Fäller
war die Säure im Vakuum getrocknet. Alle diese Resultate sine
aber als zufällige zu bezeichnen, weil diese Säuren fortwährenc
ihre Zusammensetzung ändern und in keinem der angeführter
Fälle zu erkennen ist, in welchem Stadium der Veränderung
die Bestimmung ausgeführt wurde. Gottlieb, der eine größere
Konstitution der Feldspate.
359
leihe von Beobachtungen anstellte,1 ging so vor, daß er die
ius Fluorsilicium erhaltene Kieselsäure nach dem Auspressen
;uerst in gelinder Wärme, nachher im Exsikkator über Schwefel-
äure trocknete. Nach 1 17 bis 172 Tagen ergab sich ein Wasser-
;ehalt von 6*13%» nach folgendem Erwärmen auf 130 bis 140°
in solcher von 4 -47 und nach dem Trocknen bei 180 bis 200°
in solcher von 4*19%-
Ähnliche Beobachtungen wurden auch von Masche zur
elben Zeit angestellt.2 Rammeisberg erhielt auch ähnliche
Resultate,3 darunter ein solches, das die aus einem natürlichen
>ilikat erhaltene Kieselsäure betrifft. Er untersuchte die aus
Vollastonit abgeschiedene Säure und fand nach längerem
[Yocknen über Schwefelsäure bloß 4*5 bis 7% Wasser. Der
Vollastonit hat eine der Formel Si08Ca entsprechende Zu-
ammensetzung, demnach wäre zu erwarten, daß bei der Zer-
etzung desselben eine Kieselsäure von der Formel Si03H2
bgeschieden wird, welcher 23% Wasser entsprechen. Statt
lessen wurden 4*5 bis 7% gefunden. Nach solchen Ergeb-
lissen hielt sich Gottlieb für berechtigt, die Existenz der
Jäuren Si04H4 und Si08H2 zu leugnen, und Rammeisberg
^ar der gleichen Ansicht. Beide waren von der vorgefaßten
'leinung ausgegangen, daß die vorgenannten Kieselsäuren
Verbindungen sein müßten, die das scharfe oder langwierige
[Yocknen gut vertragen, aber diese Meinung war unberechtigt.
)ie Substanzen, welche sie der Beobachtung unterzogen, waren
angst umgestanden und verändert und konnten daher kein
[Utes Resultat liefern.
Wenn man die Stellung des Siliciums in der vierwertigen
teihe zwischen Kohlenstoff und Titan berücksichtigt, so wird
nan erwarten, daß der Kieselsäure ein Verhalten zukomme,
las zwischen dem der Kohlensäure und jenem der Titansäure
iegt. Was die Kohlensäure betrifft, so kennt man die Ver-
»indung C04H4 gar nicht und die Kohlensäure C03H2 ist,
1 Journal für prakt. Chemie, 6, S. 185 (1873). Daselbst ist auch die
iteratur bis zu dieser Zeit angegeben.
2 Poggendorffs Ann. der Physik, 26, S. 90 (1872).
3 Berichte der deutschen ehem. Gesellsch., 1872, S. 1006. Siehe auch
)ammer's Handbuch der unorgan. Chemie, 2, I, S. 504.
'
360
G. Tschermak,
wofern diese Verbindung existiert, sehr unbeständig, Polymei
derselben sind unbekannt. Hingegen ist die Titansäure Ti04I-
eine wohl definierte, bei gewöhnlicher Temperatur längere Ze
beständige Verbindung, aus der bei 100° oder nach längerei
Trocknen eine Verbindung Ti03Hg hervorgeht. Außerdem kenr
man mehrere höher zusammengesetzte Titansäuren. Demnac
ist man zu der Vermutung berechtigt, daß die Kieselsäure
Si04H4 und SiOsH2, wenn sie darstellbar sind, die Eiger
Schäften labiler Verbindungen besitzen werden, während di
höher zusammengesetzten Säuren schon beständiger sei
dürften.
Die letztere Vermutung hat sich bei meinen Versuche
vollkommen bestätigt. Die höher zusammengesetzten Kiese
säuren sind luftbeständig und ergeben auch nach längerer Ze
denselben Wasserstoffgehalt, für den Nachweis der niedrige
zusammengesetzten Säuren aber eignet sich eine Methode, di
ich mit Erfolg angewendet habe.
Die aus Siliciumchlorid, Anorthit, Wollastonit etc. dai
gestellte und gereinigte Säure wird anfänglich in Berührun
mit Wasser erhalten. Sobald beim Eintrocknen, das bei kor
stanter Temperatur und ungefähr gleichbleibendem Damp
druck erfolgt, der Wasserspiegel verschwunden ist, beginr
man mit der Wägung und setzt dieselbe Tag für Tag um di
gleiche Stunde fort, wobei in der ersten Zeit eine fortlaufend
Gewichtsverminderung beobachtet wird, die dem Entweiche
des mechanisch gebundenen Wassers entspricht. Die tägliche
Wägungsdifferenzen sind jetzt sehr große. Eines Tages ergib
sich plötzlich eine kleine Differenz und man ist an einer
Wendepunkt angelangt.
Wird horizontal die Zeit, in Tageseinheiten gemesser
aufgetragen und bedeuten die zugehörigen Ordinaten die eni
sprechenden Gewichte der untersuchten Kieselsäure, so ergib
sich für den ersten Teil der Zeit eine Kurve, die Entwässe
rungskurve, die bis zu dem Gefällsbruche oder Wendepunkte W
reicht, in dem die Säure jene Zusammensetzung hat, welch
ihr bei der Entstehung zukommt. Von Wx angefangen beginr
die Umwandlungskurve, denn die Substanz verliert währen
der folgenden Zeit wiederum an Gewicht, indem sie siel
Konstitution der Feldspate.
361
Imählich in eine höher zusammengesetzte Säure verwandelt,
id es ergibt sich bei den anfänglich niedrig zusammen-
setzten Säuren ein zweiter Wendepunkt W2, der wiederum
ner bestimmten Zusammensetzung entspricht. Ein allenfalls
iftretender dritter Wendepunkt ist wegen des flachen Ver-
ufes der Kurve schwer zu konstatieren. Es zeigt sich nun,
iß die aus Siliciumchlorid SiCl4 erhaltene Säure eine Gewichts-
lrve liefert, die am ersten Wendepunkte Wx einem Wasser-
jhalte von 37% entspricht, wonach dieser Säure die Zusammen-
ur.
itzung Si04H4 zukommt. Die aus Olivin abgeschiedene Säure
erhält sich ebenso, während die aus Anorthit, Woliastonit
•haltene Säure den Wendepunkt Wx bei einem Gehalte von
3% Wasser angibt, was der Formel Si03H2 entspricht etc.
Die hier angeführte Methode, nach weicher bei höher
Lisammengesetzten Kieselsäuren die Bestimmung der Zu-
immensetzung im lufttrockenen Zustande ausgeführt, bei den
iedrig zusammengesetzten aber der erste Wendepunkt der
ewichtskurve wahrgenommen wird, eignet sich sonach zur
Ermittelung der aus den Silikaten abgeschiedenen Kiesel-
äuren. Bisher wurden aus verschiedenen Silikaten Säuren von
362
G. Tschermak,
den Zusammensetzungen Si04H4, Si08H2, Si207H6, Si2061
Si308H4, Si307H2 erhalten. Näheres darüber soll in eii
späteren Publikation mitgeteilt werden. Ais geeignetes Mit
zur Zerlegung der Silikate ohne Zerstörung der enthalten
Säuregruppe erschien mir die konzentrierte oder verdüni
Salzsäure, weil diese kräftig wirkt, die gewöhnlich v<
kommenden Metalle in Lösung überführt und keinen erh(
liehen wasserentziehenden Einfluß auf das ungelöste Prodi
ausübt. Bei den leicht aufschließbaren Mineralen geschah <
Zerlegung bei gewöhnlicher Temperatur, bei den schwierig
zersetzbaren wurde eine Einrichtung des Wasserbades |
troffen, gemäß welcher die Temperatur niemals über 76°
stieg. Die abgeschiedene Kieselsäure wurde durch Dekantier
ausgewaschen, bis keine Spur von Chlor mehr nachzuweis
war. Hierauf wurde die Menge des in die salzsaure Lösu
übergegangenen Siliciums bestimmt und bei den später anz
führenden Untersuchungen immer nur ein geringer Betr
gefunden. Die erhaltene Kieselsäure wurde sodann in eine
kühlen Räume von ziemlich konstanter Temperatur dem E
trocknen überlassen und bis zum konstanten Gewichte oc
über den ersten Wendepunkt hinaus getrocknet. Endlich wur
die Menge des Wasserstoffes durch den Glühverlust bestim;
und das zurückbleibende Siliciumdioxj'd jedesmal mit Flu
säure auf seine Reinheit geprüft. Um die dargestellten Säur
zu charakterisieren, wurde die Dichte derselben im lufttrocken
Zustande oder beim Eintritte der Wendepunkte der Gewicht
kurve pyknometrisch ermittelt. Die Anwendung von schwer
Flüssigkeiten hat sich nicht als praktikabel erwiesen, w<
diese den Zustand des Produktes ändern. Manche Verschiede
heiten ergeben sich bei der Behandlung der Säuren mit Natro
lauge und mit warmer Sodalösung, daher das Verhalten gegi
dieselben bestimmt wurde.
Die Verwandlung des geprüften Silikates in die er
sprechende Säure läßt sich öfters an dünnen Blättchen ve
folgen, die für längere Zeit bis zur völligen Umwandlung
Salzsäure gelegt werden. Rinne hat am Heulandit die hi
auftretenden Erscheinungen verfolgt. An solchen Blättche
wurden von Herrn Prof. Becke die Brechungsquotienten nac
I
Konstitution der Feldspate.
363
srschwinden der Konturen in gleichbrechenden Medien er-
ittelt.
Von den Versuchen, die ich bisher anstellte, sollen hier
lige die Feldspate betreffende mitgeteilt werden, weil die-
Iben ein allgemeineres Interesse darbieten. Für die freund-
he Unterstützung bei meiner Arbeit bin ich Herrn Prof.
;cke und Herrn Dr. Focke zu vielem Danke verpflichtet.
Beobachtungen.
Anorthit. Das gepulverte Mineral wird durch Salzsäure
cht zersetzt. Die dabei auftretenden Erscheinungen sind nach
n Umständen verschieden. Wird sehr viel Säure mit einem-
ile zugesetzt, so löst sich reiner Anorthit voltständig auf, bei
ringerer Menge bildet sich eine Gallerte. Letztere zeigt aber
ter dem Mikroskop viele Teilchen, die als abgerundete iso-
pe Splitter erkannt werden. Damus ist zu schließen, daß das
nste Pulver des Anorthits in eine gallertige Kieselsäure über-
führt wird, die sich in der Säure teilweise auflöst, während
: gröberen Teilchen eine Kieselsaure bilden, die noch die
rm des angewandten Pulvers zeigt. Bei Anwendung einer
chen Menge konzentrierter Säure, welche etwas mehr als
ireichend ist, um die Zersetzung zu vollenden, bildet sich
srhalb etwas Gallerte, unterhalb aber bleibt ein Pulver, das
:h völliger Zersetzung nicht mehr unter dem Glasstabe
rscht und unter dem Mikroskop aus Splittern von der Form
; ursprünglichen Pulvers besteht. Diese Splitter sind isotrop,
rd hierauf reichlich Wasser zugesetzt, so trennt sich die
ire Gallertschicht in Flocken und feines Pulver, die zu Boden
ken und sich mit dem gröberen Pulver vereinigen, ferner
lösliche Kieselsäure, die von der verdünnten Säure auf-
lommen wird.
Zur Untersuchung wurde Anorthit vom Vesuv angewandt.
5 Material bestand aus wasserhellen, von Einschlüssen ganz
en Krystalien, deren Dichte zu 2 '745 bestimmt wurde. Die
aiyse ergab, verglichen mit der Berechnung für die Formel
08Al2Ca:
364
G. Tschermak,
Berechnet
Siliciumdioxyd 43*65
43-30 l
Aluminiumoxyd 35*80
36 63
Calciumoxyd 20 * 45
20-07
Natriumoxyd 0*31
100
21
100
Das Pulver des Minerales wurde in der zuletzt angeführ
Weise mit konzentrierter Salzsäure behandelt, wobei in ein
Falle von dem in dem Anorthit enthaltenen Silicium 3*47%
Lösung übergingen. Der durch vielmaliges Dekantieren v<
kommen ausgewaschene Bodensatz erschien pulverig u
zeigte unter dem Mikroskop dieselben Formen und Gröf
der Splitter wie das ursprüngliche Pulver, außerdem ai
wenige flockige Teilchen. Nachdem derselbe im kühlen Rau
trocken geworden, ergab er nur für kurze Zeit, höchste
einen Tag, ungefähr konstantes Gewicht, um sodann wie*
an Gewicht abzunehmen. Die weiter angegebene Zusamm*
Setzung bezieht sich auf den Wendepunkt, wo die Umwai
lungskurve beginnt. In diesem Zustande repräsentiert er n*
meinem Dafürhalten die Säure des Anorthits. Der Glühverl
ergibt jetzt das Verhältnis Si : H2.
Berechnet
Siliciumdioxyd ... 77-02
Wasser 22-98
Beobachtet
23-12
23/
Die kleinste Formel der Säure ist demnach SiOgH^
Die Dichte der Säure wurde zu 1*813 bei 17° C. bestim
Wenn aus den vorstehenden Daten die Volumänderung bei <
Entstehung der letzteren berechnet wird, so ergibt sich, c
aus 100 Volumen Anorthit 85*8 Volumen der Säure gebil
werden, also eine Verminderung des Volums um 14*2% einti
Durch heiße Sodalösung wird die Säure in kürzester 2
vollständig aufgelöst. Wird die frisch bereitete Säure bei j
wohnlicher Temperatur einen Tag hindurch mit so viel Natn
lauge behandelt, daß die Verbindung Si03NaH entstehen u
i Si = 28-4, AI = 27*1, Ca = 40, K = 3915, Na = 23*05, 0 =
H = l-01.
Konstitution der Feldspate.
365
n Rest der Säure bleiben kann, so hat der letztere nach dem
iiswaschen nicht mehr die ursprüngliche Zusammensetzung,
andern gibt einen Glühverlust von 17-04%» was der Formel
308H4 entsprechen würde, welche 16*59% Wasser fordert.
Nach diesem Befunde wird man die aus dem Anorthit
haltene Säure, die den Charakter der niedrig zusammen-
setzten Säuren an sich trägt, für Metakieselsäure zu halten
iben. Die Beobachtungen an den zunächst stehenden Säuren
srden dies bestätigen. Die Formel der Säure des Anorthits
äre demnach
Si03Ha,
ährend die Verbindung Anorthit bisher meistens von der
•thokieselsäure Si04H4 abgeleitet wurde.
Um den Fortgang der Zersetzung des Anorthits zu ver-
igen, wurden dünne Blättchen desselben in ziemlich kon-
ntrierte Salzsäure gelegt und bei gewöhnlicher Temperatur
vei bis drei Wochen belassen, worauf die Umwandlung unter
libehaltung der Umrisse vollendet war. Anfangs erschienen
i der Oberfläche viele Ätzfiguren, später aber schritt die
Ersetzung an manchen Stellen schlauchförmig in das Innere
rt und der Rand der Blättchen verwandelte sich in eine iso-
)pe Masse. Der unzersetzte Teil des Blättchens wurde immer
inner und erschien beiderseits mit einer isotropen, von vielen
inen, zum Blättchen senkrechten Sprüngen durchzogenen
ihichte bedeckt. Der isotrope Rand wurde nun breiter, war
gen den unzersetzten Teil durch ebene Flächen abgegrenzt,
»enso zeigten sich die früheren schlauchförmigen Vertiefungen
s ebenflächig begrenzte Löcher im unzersetzten Anorthit. Die
rvillingslamellen des letzteren verschwanden spurlos und
hließlich war das ganze Blättchen in eine isotrope Lamelle
wandelt, deren Brechungsquotient von Prof. Beeke zu 1*44
stimmt wurde. Das Auftreten der vielen feinen Sprünge in
im umgewandelten Blättchen erklärt sich aus der Abnahme
's Volumens, die vorher berechnet wurde.
Albit. Die Zersetzung durch Säuren schreitet nur sehr
lmähiich vorwärts, daher der Versuch mit einer geringen
enge, ungefähr 0'5g, ausgeführt wurde. Diese war in Form
äs feinsten Pulvers durch sorgfältiges Schlämmen erhalten
366
C. Tschermak,
worden. Nach drei Monaten war die Zersetzung durch konze
trierte Salzsäure bei gewöhnlicher Temperatur eine unmer
liehe, in die Lösung war bloß eine sehr geringe Menge d
Substanz übergegangen. Darauf wurde eine etwas höhe
Temperatur angewandt, indem der locker gedeckte Platinties
in ein kleines Wasserbad gestellt wurde, das in ein größer
Wasserbad eintauchte. Bei dieser Einrichtung erreichte c
Zersetzungsflüssigkeit im höchsten Falle eine Temperatur vi
73 bis 76°. Tagsüber war das Wasserbad geheizt, bei Nac
blieb es kühl, da in meinem Laboratorium für kontinuierlicl
Prozesse keine Vorkehrungen getroffen sind. So dauerte d
Einwirkung der Salzsäure drei Monate, doch schätze ich c
Zeit, während welcher die oben genannte Temperatur herrsch
doch nur auf etwa 500 Stunden. Die Zersetzung schritt allmä
lieh vorwärts, indem die feinen Splitter, aus dem das Pulv
bestand, weicher wurden, unter dem Glasstabe kein deutlich
Knirschen mehr wahrnehmen ließen und unter dem Mikrosk«
die Abnahme der Doppelbrechung zeigten. Endlich war d
Verwandlung bis auf einen kleinen Rest vollendet, der Rüc
stand ließ zum größten Teile noch die Form des angewandt!
Pulvers bei einfacher Lichtbrechung erkennen und bestand i
übrigen aus kleinen Klümpchen von feinkörniger Textur ui
schwacher Aggregatpolarisation und aus wenigen dopp<
brechenden abgerundeten Splittern als Resten des ursprün
liehen Minerales. Dieser Rückstand wurde im kühlen Raun
zur Trockene gebracht und dabei täglich bis zum Eintret«
konstanten Gewichtes gewogen. Nach dem Glühen wurde d.
Pulver mit Flußsäure behandelt und in dem sehr gering«
Reste die Tonerde und das Natron bestimmt, die, auf Alt
zurückgerechnet, in Abzug gebracht wurden. Die nach d
Zersetzung erhaltene Lösung wurde eingedampft und zur Koi
trolle der Analyse sowie zur Bestimmung der gelösten Kiese
säure verwendet.
Zu dem Versuche dienten klare Krystalle des Albits vc
Morro Velho in Brasilien, welche die Dichte 2*627 ergäbe
und die Zusammensetzung gegenüber der Berechnung nac
der Formel Si808AlNa:
Konstitution der Feldspate. 367
Berechnet
Siliciumdioxyd 68 • 4 1 68 * 8 1
Aluminiumoxyd ... 1 9 • 80 1 9 - 40
Calciumoxyd 0*08
Natriumoxyd 11-17 11*79
Kaliumoxyd 0*21
99-67 100
Der durch Zersetzen mit Salzsäure gewonnene Rückstand
enthielt den größten Teil des im Albit enthaltenen Siliciums,
lur 3#4°/o desselben waren in die Lösung übergegangen,
3iese Zahl ist aber mit jener, die für andere Silikate sich ergab,
licht zu vergleichen, weil für Albit eine Viel größere Menge
Salzsäure angewandt und die Zerlegung bei etwas erhöhter
remperatur vorgenommen und lange Zeit fortgesetzt wurde.
3as erhaltene Produkt ist nach meinem Dafürhalten als die
lern Albit zugrunde liegende Säure anzusehen, deren Zu-
sammensetzung zu Si807 H2 bestimmt wurde.
Gefunden Ober CaCI2
Berechnet lufttrocken getrocknet
Si02 90-96
H80 9-04 9-98 8-89
Diese höher zusammengesetzte Kieselsäure ist demnach
schon sehr beständig. Die Dichte der Albitsäure wurde wegen
Jnzureichender Quantität nicht direkt bestimmt, sondern aus
ier für Labradorit erhaltenen Zahl zu 2-043 berechnet Aus
ien angeführten Daten ergibt sich, daß bei der Zersetzung aus
100 Volumen Albit 97*4 Volumen Albitsäure entstehen.
Nach dem vorstehenden Ergebnisse des Versuches ist die
Formel der Albitsäure
Si307H2,
während bisher angenommen wurde, daß der Albit sich von
der Säure Si308H4 ableite. Dünne Blättchen von Albit werden
von kalter und von warmer Salzsäure nicht merklich ange-
griffen. Es würde einer lange dauernden Einwirkung bei er-
höhter Temperatur bedürfen, um die Verwandlung herbei-
zuführen.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; Bd. CXII, Abt. 1 . 24
\
368
G. Tschermak,
Labradorit. Von dem durch Schlämmen erhaltenen feine
Pulver wurden für die Versuche 0*5 bis V6g verwendet un
durch konzentrierte Salzsäure zersetzt. Bei gewöhnlicher Ten
peratur dauerte die Einwirkung ungefähr drei Monate, bis di
Zersetzung eine vollständige war, bei Anwendung der beii
Albit beschriebenen Methode war die Zerlegung in einei
Monate vollendet, jedoch dauerte die Einwirkung der höhere
Temperatur von 73 bis 76° nach meiner Schätzung nur be
läufig 240 Stunden. Das Resultat war in beiden Fällen dasselb
d. h. die erhaltene Kieselsäure hatte dieselbe Zusammensetzunj
woraus zu schließen ist, daß die etwas erhöhte Temperatur ai
die Beschaffenheit der ausgeschiedenen Säure keinen merl
liehen Einfluß hat. Der nach der Zersetzung bleibende pulverig
Rückstand zeigte bei der mikroskopischen Untersuchung fart
lose, vollkommen durchsichtige isotrope Splitter von den ui
sprünglichen Formen des angewandten Pulvers, die größte
davon waren durchscheinend und mit einem etwas flockige
Überzuge versehen.
Zu den Versuchen diente eine Probe des farbenspielende
Labradorits von Labrador. Die Dichte bestimmte sich zu 2*68
und für die Zusammensetzung wurden Zahlen erhalten, die ai
die Formel Ab An führen.
Siliciumdioxyd . . . . 55*70
Aluminiumoxyd ... 27*87
Eisenoxyd 0 • 38
Calciumoxyd 9 * 94
Natriumoxyd 6*15
Kaliumoxyd 0* 35
100-39
Berechnet
55-68
28-27
10-32
573
100
Bei der Zerlegung durch Salzsäure bei gewöhnliche
Temperatur gingen von dem enthaltenen Silicium 0-97% l
die Lösung über, während für jene Probe, die bei etwas höhere
Temperatur zersetzt wurde, die Menge zu 3-25% SIC^ ergat
Die letztere Zahl dürfte aber etwas zu hoch sein, weil beir
Dekantieren ein wenig von der suspendierten Kieselsäure ii
die Lösung überging.
Konstitution der Feldspate.
369
Für die erhaltene Kieselsäure wurde bei lufttrockenem
Zustande eine Zusammensetzung gefunden, die zwischen jener
der Albitsäure und der der Metakieselsäure liegt. Faßt man das
untersuchte Mineral als eine isomorphe Mischung Ab An auf, so
sollte mit Rücksicht darauf, daß der Albitsäure die Zusammen-
setzung Si807 H2 und aus dem Anorthit sich Metakieselsäure
SiOsH2 abscheidet, die aus dem untersuchten Labradorit er-
haltene Kieselsäure der Mischung Si807H2-f-2SiOsH2 ent-
sprechen, also das Verhältnis Si5 H4 ergeben, was mit der Beob-
achtung recht gut übereinstimmt.
Beobachtet
SiOa.
H20.
84-82
15-08
14-77
15-53
Die Dichte des Rückstandes ergab sich zu 1-933. Aus den
vorigen Daten berechnet sich das Volumverhältnis dahin, daß
bei der Zersetzung aus 100 Volumen Labradorit 91-1 Volumen
des Rückstandes gebildet werden.
Dünn geschliffene Blättchen des Labradorits wurden durch
Salzsäure bei gewöhnlicher Temperatur erst nach längerer Zeit
merklich angegriffen. Nach zwei Wochen zeigten sich Ätz-
grübchen und unterhalb der Oberfläche waren einige negative
Krystalle entstanden. Nach vier Wochen waren die Ätzgrübchen
stark vertieft und größere Gruben gebildet, weiche in einem
unregelmäßig verlaufenden Streifen angeordnet erschienen. Als
nun das Blättchen durch drei Wochen bei 70° mit Säure
behandelt worden war, erschien es völlig umgewandelt und
größtenteils isotrop. Die Oberfläche war der ersten Ätzung ent-
sprechend voll paralleler langgestreckter Grübchen, das Blätt-
chen von ziemlich vielen, etwas weiter auseinanderliegenden
Sprüngen durchzogen. Die früheren schmalen eingeschalteten
Zwillingslamellen erschienen sehr schwach doppelbrechend,
stellenweise auch der Rand des Blättchens. Der Brechungs-
quotient war von dem der Anorthitsäure wenig verschieden.
Wurde das Pulver mit Natronlauge behandelt, so ergaben
sich Resultate, die wider Erwarten eine merklich leichtere
Auflöslichkeit der Albitsäure andeuten. In warmer Sodalösung
24*
370
G. Tschermak,
erfolgte die Auflösung langsam und die Einwirkung mußt
mehrere Stunden fortgesetzt werden, bis das Pulver vei
schwand.
Leucit. Die vorigen Versuche könnten den Schein erregei
als ob die von mir angewandte Methode durchwegs auf Säure
leite, welche den vorher üblichen Annahmen gegenüber wasse
stoffarmer sind, daher will ich von meinen Versuchen hier auc
jene anführen, die an diesem Silikat angestellt wurden, das m
den Feldspaten in Beziehung steht.
Dazu dienten größere Krystalle aus Vesuvlava, die ze
kleinert und deren Splitter sorgfältig ausgelesen wurden, so da
nur vollkommen durchsichtiges und einschlußfreies Matern
zur Verwendung kam. Die Dichte wurde zu 2*469 bestimn
und die Zusammensetzung wie folgt gegenüber der Berect
nung nach Si206AlK:
Berechnet
Siliciumdioxyd . . .
. 55-25
55- 15
Aluminiumoxyd . .
. 22-84
23-33
Calciumoxyd
. 0-11
Kaliumoxyd
. 2034
21-51
Natriumoxyd
. 1-31
99-85
100
Das feine Pulver wurde durch konzentrierte Salzsäut
bei gewöhnlicher Temperatur nach zwei Wochen vollkomme
zersetzt, wobei sich keine merkliche Menge von Gallerte bildet
Der Bodensatz war pulverig und zeigte bei der mikroskopische
Prüfung bloß isotrope Splitter von den Größen und Formen de
angewandten Mineralpulvers. In die Lösung waren in einer
Falle bei der Zersetzung von dem enthaltenen Silicium kaut
2% übergegangen, wahrscheinlich aber weniger, weil beir
Dekantieren etwas von der suspendierten Säure mitgenomme
wurde. Der lufttrockene Rückstand hatte durch vier Tage hir
durch dasselbe Gewicht, er wird als die Säure des Leucit
betrachtet. Beim Glühen erfuhr er den gleichen Gewichts
verlust wie die Säure des Anorthits, die als Metakieselsäur
anzusehen ist, wonach sich die kleinste Formel SiO,H2 ergib
Konstitution der Feldspate.
Beobachtet
371
Si02..
H,0..
77-02
22-98
23-55
22*17
Die Dichte wurde gleich 1*834 gefunden. Die Berechnung
der Volumverhältnisse führt darauf, daß aus 100 Volumen
Leucit 96-3 Volumen Säure gebildet werden, die eintretende
Volumverminderung also gering ist.
Als die erhaltene pulverige Säure mit kochender Soda-
lösung behandelt wurde, löste sich dieselbe nicht sogleich,
sondern erst nach mehreren Stunden vollständig auf. Wurde
die Säure mit halb soviel Natronlauge versetzt, als nötig war,
um die Verbindung SiOsNa2 zu bilden, so ging die Hälfte der
Säure in Lösung und der ungelöste Rückstand hatte wiederum
die Zusammensetzung SiOsH2.
Aus dem Angeführten ist zu ersehen, daß die aus dem
Leucit erhaltene Säure nicht dieselben Eigenschaften besitzt,
welche vorher für die Metakieselsäure bestimmt wurden. Sowohl
die Dichte als auch das Verhalten gegen Natronlauge und Soda-
lösung sprechen für die Annahme einer höher zusammen-
gesetzten Säure und ebenso der Brechungsquotient Ich glaube
daher annehmen zu dürfen, daß der Leucit von dem nächst
höheren Gliede der polymeren Reihe Si»0»ÄKfeÄ abzuleiten sei,
demnach von der Säure:
Si206H4.
Bisher wurde der Leucit gewöhnlich von der Metakiesel-
säure abgeleitet. Dünne Blättchen von Leucit in konzentrierte
Salzsäure gelegt, erscheinen nach wenigen Tagen unverändert.
Allmählich werden sie rauh, bedecken sich beiderseits mit einer
isotropen Schichte, zeigen isotrope Ränder und bekommen feine
Sprünge. Nach zwei Monaten ist die Verwandlung in eine fast
isotrope Masse vollendet. Die Doppelbrechung ist meist ver-
schwunden, doch in manchen Streifen, die früheren Zwillings-
lamellen entsprechen, noch etwas merklich, hingegen erscheinen
die früheren Zuwachsschichten ganz deutlich. Das Blättchen
ist jetzt außerordentlich morsch und zerbrechlich, von zarten
Sprüngen, die zur Oberfläche senkrecht gerichtet sind, durch-
u
372
G. Tschermak,
zogen und durch diese in kleine Schildchen geteilt Dies ent-
spricht der geringen Volumverminderung. In Glycerin von derr
Brechungsquotienten 1*465 verschwinden nach Prof. B ecke's
Beobachtung die Grenzen des Blättchens vollständig.
Wahrscheinliche Konstitution.
Nach den vorher angeführten Resultaten der Versuche
wäre der Anorthit von der Metakieselsäure abzuleiten und
bei Annahme der einfachsten Formel dessen Zusammensetzung
dUrch 2Si08.Al,02Ca
auszudrücken. Die Siliciumgruppe ist bezüglich der Struktur
eindeutig, weil es nur eine einzige Metakieselsäure geben kann,
keine isomere denkbar ist. Hingegen bestehen für das Gefüge
der Aluminium-Calciumgruppe zwei Möglichkeiten, indem ent-
weder eine Sauerstoffbindung zwischen Aluminium und Calcium
angenommen wird oder nicht. Im ersten Falle würde für diese
Gruppe die Konstitution =A1 — O— Ca — 0—A\-=z gelten, im
zweiten wären die Metalle nicht durch Sauerstoff aneinander
gebunden, sondern als zwei einwertige Gruppen — A1=0 und
als zweiwertiges Calcium =iCa an die Siliciumgruppe angefügt
Ks taucht also wie in ähnlichen Fällen die Frage auf, ob hier
der Tonerde die Rolle einer Säure zuzuschreiben sei. Im
bejahenden Falle würde sich der Anorthit von einer ein-
basischen Alumokieselsäure SiA104H ableiten, in dem anderen
von der zweibasischen Metakieselsäure Si08H2, deren Wasser-
stoff durch Ca und A10 ersetzt sind. Hier, wo sozusagen der
erste Schritt in der Deutung des Baues aluminiumhaltiger Sili-
kate zu tun ist, gebietet die Vorsicht, einzuräumen, daß jetzt
noch die Tatsachen fehlen, die zu einer Entscheidung führen
könnten.
Um die Konstitutionsformeln kürzer und übersichtlicher
ZU gestalten, werde ich statt des Zeichens für das Sauerstoff-
atom einen Strich anwenden, also statt — O— bloß — schreihen
und für das einseitig gebundene Sauerstoffatom den Strich über
oder unter das bezügliche Atomzeichen setzen. Demnach wird
üir Metakieselsäure Si=:H2 oder Si=H2 geschrieben. Für die
Konsti tu tion d e r Fe Idspate . 373
beiden im Anorthit möglichen Arten der Struktur wären dem-
nach die entsprechenden Bilder:
Si=Al— Ca— Al=Si und AI— Si— Ca— Si— AI.
Der Albit ist schwieriger zu deuten. Derselbe wäre nach
dem Vorigen von der Albitsaure Si307Ha abzuleiten und seine
einfachste Formel wäre
Si8O7A10Na,
Da jedoch acht Isomere von der Zusammensetzung der
Albitsaure denkbar sind, so läßt sich das Gefüge der Ver-
bindung Albit nicht leicht erraten. Dazu kommt noch die Zwei-
deutigkeit der Aluminium-Natrium-Gruppe, die entweder in die
beiden einwertigen Stoffe AI und Na aufgelöst oder als zu-
sammenhängende zweiwertige Gruppe AI— Na in der Ver-
bindung gedacht werden kann. Dadurch entsteht eine große
Anzahl von Möglichkeiten. Werden bloß die einfachsten Fälle
der Struktur zugelassen, so hat man deren drei:
H-Si-Si-Si— H a)
H^acSisSbsSt ß)
H-St-Si-Si
- i - «
Davon eignet sich die zuerst angegebene Struktur am
besten für den Eintritt der einwertigen Stoffe AI und Na statt
des basischen Wasserstoffes, zugleich ergibt sich die größte
Ähnlichkeit mit dem Bau des Anorthits bezüglich der früher
angegebenen zweiten Möglichkeit. Da nun auf die Ähnlichkeit
der Struktur der beiden isomorphen Verbindungen Albit und
Anorthit das größte Gewicht gelegt werden muß, so wird man
diesen Deutungen den Vorzug vor allen anderen einräumen.
Sie lassen sich, so gut dies bei der Darstellung in der Ebene
möglich ist, durch folgende Bilder veranschaulichen;
Si — Na Si — AI
Albit: pSi Anorthit: ^)Ca
Si — Äl Si — AI
374
G. Tschermak, Konstitution der Feldspate.
Die Versuche mit Labradorit stimmen mit den für Albi
und Anorthit erhaltenen Ergebnissen überein. Danach zu ui
teilen, liefert jeder Plagioklas von der Mischung AbrAn, nacl
der Zersetzung mit Salzsäure ein Gemisch, dessen Zusammen
Setzung durch rSiÄ07Ha.25Si08H2 ausgedrückt werden kanr
Ich muß es der Zukunft überlassen, dieses Gesetz durch ferner
Versuche zu bestätigen.
Am Orthoklas habe ich bisher noch keine Versuch
angestellt. Bei der Ähnlichkeit mit Albit steht es wohl auße
Zweifel, daß auch erstere Verbindung von einer Säure Si807 H
abzuleiten ist, doch erscheint es möglich, daß derselben ein
Struktur zukommt, die von jener der Albitsäure, wenn aucl
nur wenig, verschieden ist.
Der Leucit wäre nach meinem Dafürhalten von eine
Säure Si206H4 abzuleiten. Dieser Formel entsprechen abe
zwei Isomere:
H2zzSi=:Si=Ha und H— Sa— Si=H8,
welche zur Wahl stehen. Die Entscheidung wird sich ergeben
sobald neue Tatsachen bekannt sein werden. Einstweilen halt
ich die zweite Art der Struktur für wahrscheinlicher un<
betrachte den Leucit als eine Verbindung, die nach dem Bild<
K-Si-Si=Al
zusammengesetzt ist. Die Beziehung zum Analcim dürfte z\
einem sicheren Ergebnisse leiten.
375
Ober einige Landplanarien
von
Dr. Bruno Busson.
H
(Mit 1 Tafel und 5 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 7. Mai 1903.)
Im folgenden sollen einige tropische Landplanarien aus
der Sammlung des zoologischen Institutes zu Graz systematisch
und anatomisch beschrieben werden, und ich benütze diesen
Anlaß, um den Herren Professoren L. v. Graff und L. Böhmig
meinen herzlichsten Dank für den Anteil, welchen sie an
dem Zustandekommen dieser Arbeit genommen haben, aus-
zusprechen.
Im ersten Abschnitte wird eine neue polynesische Form
beschrieben werden, die wegen ihrer äußeren Ähnlichkeit mit Pel-
matoplana sondaica (Loman)1 eine neuerliche Untersuchung
dieser letzteren veranlaßte; der zweite Abschnitt ist einigen
südamerikanischen Geoplana-Arten gewidmet.
I.
Pelmatoplana wlUeyl n. sp.
(Taf. I, Fig. 1 bis 7; Textfig. 1).
Es liegen zahlreiche, von Dr. A. Willey im Jahre 1896
auf Lifu (Loyalty Islands) gesammelte Exemplare vor.
1 L. v. Graff, Monographie der Turbellarien; II. Tricladida ttrricola
(Undplanarien). Leipzig 1899, S. 389.
376
B. Busson,
Der langgestreckte Körper ist gegen beide Enden ganz
allmählich verjüngt, so daß er seine größte Breite etwa in dei
Körpermitte oder in der Pharyngealregion besitzt. Er ver-
schmälert sich ganz allmählich gegen das abgerundete Vorder«
ende, rasch zu dem stumpf zugespitzten Hinterende. Im Quer-
schnitt ist die Rückenfläche konvex, die Bauchfläche konka\
und im Leben dürfte dieses Tier dorsoventral abgeplattet sein
Das größte Exemplar erreicht eine Länge von 30 mm bei
einer Breite von 2 mm, das kleinste ist IS mm lang und bis
2 mm breit. Die Mundöffnung liegt bei dem 30 mm langer
Exemplare 18- 5 mm, die Geschlechtsöffnung 22mm; bei einem
anderen, 28 mm langen, 1 9 mm und 23 mm vom Vorderendc
entfernt. Während also die Geschlechtsöffnung stets im letzter
Körperdrittel liegt, findet sich die Mundöffnung entweder eben-
falls im letzten oder am Ende des zweiten Drittels.
Was die Färbung anlangt, so zeigt sich insofern ein Unter-
schied, als die Grundfarbe des Rückens bald schmutziggelb-
braun, bald braunrot ist. Auch in der Zeichnung des Rücken«
ergeben sich Verschiedenheiten. Doch ergab sich für die beider
in Taf. I, Fig. 1 und 2, abgebildeten Farbenvarietäten eine völlige
Übereinstimmung in den anatomischen Verhältnissen. Dorsal
findet sich, von einem Ende zum anderen reichend, eir
Medianstreifen und zwei laterale, welche jedoch bis an da«
Ende getrennt verlaufen. Diese Streifen weisen eine schwärz
liehe Farbe auf, die bei den rötlichen Tieren einen Stich im
Violette erhält. Auch sind bei letzteren alle drei Längsstreifer
gegen die Grundfarbe schärfer abgesetzt und von ziemlich
gleicher Breite (Fig. 2), während bei den gelbbraunen Exem
piaren der Medianstreif im Verhältnisse zu den lateralen sehi
schmal, aber schärfer konturiert erscheint, die letzteren hingeger
öfter in die Grundfarbe diffus übergehen (Fig. 1). Da sich die
Rückenfarbe auf die ventrale Seite überschlägt, kann mar
umso deutlicher die hellgraue Kriechieiste erkennen; dieselbe
nimmt die Hälfte der Bauchfläche ein und verjüngt sich all
mählich gegen die Körperspitzen hin. Die ansehnliche Breite
der Kriechleiste ist umso auffallender und verdient hervor
gehoben zu werden, da bei allen bis jetzt untersuchten Pel
matoplana- Arten die Breite der Kriechleiste höchstens 1/b bu
Ober einige Landplanarien.
377
fA der Bauchfläche beträgt Die dorsale Seite zeigt häufig
iber der Geschlechtsöffnung eine heller gefärbte Auftreibung
Fig. 2, x).
An dem meist heller gefärbten Vorderende erkennt man
chon mit Hilfe einer Lupe als deutlich wahrnehmbare,
chwarze Pünktchen die einreihig und dicht stehenden Augen
Mg. 1, au); sie sind jedoch nicht auf das Vorderende be-
chränkt, sondern lassen sich an in Xylol aufgehellten Exem-
laren bis zur hinteren Körperspitze verfolgen. Auch sind die
.bstände zwischen den einzelnen Augen in den übrigen
[örperpartien größer und unregelmäßiger, als dies am Kopf-
jile der Fall ist. Über diese Größenunterschiede als solche
rerde ich weiter unten Näheres mitteilen. Die Zahl der Augen
ürfte jederseits etwa 70 betragen, doch machen sich Unter-
:hiede je nach der Länge des Tieres bemerklich. Vier kleinere
ugen stellen am äußersten Vorderende, etwas dorsal gerückt,
ne Art Verbindung zwischen den seitlichen Reihen dar.
Im Vergleiche zu Pelm. willeyi ist Pelm. sondaica weniger
:hlank, die Enden sind mehr abgerundet. Der Querschnitt ist
rehrund mit vorspringender Kriechleiste, die aber nur 1/5 der
auchfläche einnimmt. Leider habe ich nur in Sublimat kon-
srvierte Exemplare zum Vergleiche, bei welchen die Färbung
:hon gelitten hat Die graubraune Rückenfarbe scheint nicht
iif die ventrale Seite überzugreifen, wenigstens nicht in dem
laße wie bei Pelm. wüleyi, und der Medianstreifen ist im Ver-
ältnisse zu den lateralen breiter.
V
V
1. Epithel und seine Einlagerungen.
Nach Graffs Angaben besteht das einschichtige Epithel
er Landplanarien aus nur einer Zellenart, Bergen dal1 be-
treibt dagegen bei Plac. ketvensis noch schmälere, stäbchen-
>rmige Zellen, die möglicherweise Sinnesorgane sein könnten,
leine Befunde weichen von denen Graffs insofern ab, als
h außer den gewöhnlichen zylindrischen, cilientragenden
eilen noch birnförmige, der Cilien entbehrende auffinde.
1 D. Bergen dal, Zur Kenntnis der Landplanarien. Zoolog. Anzeiger,
. Jahrg., Leipzig 1887, p. 233.
il
I
378
B. Busson,
Die schlanken Zellen der Kriechleiste (Taf. I, Fig. 3,
erreichen eine Höhe von 16 ft mit bis 5 fi langen und der
Cilien, deren dunkelgefärbte Wurzelstücke einen deutlic
Saum bilden. Bezüglich des Baues der letzteren verweise
auf die Darstellung, die Graff (1. c, p. 44) gegeben hat.
Eine Cuticula, wie sie Lehnert1 für Bipalium ketve
ebenso Vejdovsky2 für Mikroplana beschrieben haben, c
einen verdichteten Plasmasaum im Sinne von Woodwor
oder Chichkoff4 habe ich nirgends wahrnehmen können,
ovalen, 4 bis 5 jjl großen, scharf konturierten Kerne liegen
basalen Teile der Zellen der Basalmembran dicht an. Sie s
ähnlich wie Graff es für G. rufiventris angibt, meist von ei
kompakten zentralen Plasmaschicht umgeben, die in der Hai
achse gegen das freie Ende der Zelle ausgezogen ersehe
Dorsal ist das Epithel etwa um 1 y. höher als ventral und tr
kurze, feine Cilien, die jedoch nur stellenweise gut erhal
sind. Seitlich und an den Grenzen der Kriechleiste ist
Epithel niedriger, doch ist der Unterschied und der Übergi
der einzelnen Zonen ineinander niemals unvermittelt oder
besonders auffallender. Am Kopfe beträgt die Höhe des Epitt
nur mehr durchschnittlich 10 pi, aber mit fast halb so hol
Kernen. Eingesenkte Zellen fand ich, die Sinneskante a
genommen, nicht vor. Was die Verbindung der einzelnen Zel
anlangt, so schreibt Graff (1. c, p. 41): » . . .und nur in ein
einzigen Falle — bei Pelm, sondaica — finde ich die dorsa
Epithelzellen untereinander durch seitliche, feine Plasmaf
sätze (statt durch Kittsubstanz) verbunden« und dann weil
hin: »Auf mit Boraxkarmin tingierten Flächenschnitten du
das dorsale Epithel fällt auf, daß jede Zelle mit einer membr
i G. H. Lehnert, Beobachtungen an Landplanarien. Archiv für Na
geschichte, 57. Jahrg., Berlin 1891, p. 332.
2 Fr. Vejdovsky, Note sur une nouvelle Planaire terrestre (Micropl
humicola nov. gen.- nov. spec). Revue biologique du Nord de la France. T
No 4. Lille, Jan vier 1890 (Extrait).
B W. M. Woodworth, Contributions to the Morphology of the Tur
laria I. On the strueture of Phagocata gracilis Leidy. Cambridge 1891, p. 8.
* G. Chichkoff, Recherches sur les Dendrocoeles d'eau douce (
clades). Archives de Biologie, T. XII. Liege 1892, p. 456.
Ober einige Landplanarkn. 379
artigen Verdickung ihres peripheren Endes umkleidet ist Von
derselben gehen ringsum feine, unregelmäßige Fortsätze ausr
die mit denen der benachbarten Zellen anastomosieren«. Auch
bei Pelm. willeyi finde ich die Zellen der dorsalen Seite, wo
solche frei von Einlagerungen sind, mit einer membranartigen
Verdickung am peripheren Ende umgeben und sah auch öfters
von dieser zur benachbarten Zelle feine, unregelmäßige Fort-
sätze übertreten.
Die zwischen den gewöhnlichen Epithelzellen da und dort,
namentlich in den seitlichen und dorsalen Partien befindlichen,
bedeutend breiteren, birnförmigen Zellen besitzen beträchtlich
größere, stets runde Kerne, welche von einem feinen Gerüste
durchzogen werden, dem Chromatinbrocken aufliegen.
In auffallendem Gegensatze zu dem fibrillär gestreiften
Plasma der umgebenden Zellen findet sich hier eine sehr fein-
maschige, aber deutlich zu erkennende Struktur. Diese so gänz-
lich von den übrigen verschiedenen Zellen, in denen steh
häufig körnige Einlagerungen vorfinden, halte ich ihrer ganzen
Form und Bauart nach für einzeilige Drüsen. Auch Moseley1
beschreibt für Rhynchodemus und Bipalium einzellige Drüsen
im Epithel.
Wenn ich auch die von Bergendal beschriebene Sinnes-
zellen an meinem Objekte nicht auffinden konnte, so zweifle
ich an der Richtigkeit dieser Angaben umsoweniger, als ich
stärkere Züge von Nervenfibrillen von dem Hautnervenplexus
bis zur Basalmembrane verlaufen sah.
Als Einlagerungen in den Epithelzellen finden sich zu-
nächst Stäbchen und weiterhin Sekrete erythrophiler und
cyanophiler Drüsen. Das grobkörnige Drüsensekret liegt in und
zwischen den Epithelzellen. Die Stäbchen sind dorsal und seit-
lich so massenhaft im Epithel vorhanden, daß sie einen kon-
tinuierlichen Stäbchenwall bilden, der bis in die Nahe der
Kriechleiste reicht und nur auf kurze Strecken die Zellen frei-
läßt. Nur im Vorderende finden sie sich seitlich spärlicher, frei
von Stäbchen bleibt nur die Sinneskante,
1 H. N. Moseley, On the Anatomy und Histology of the Landplanarians
of Ceylon. Phil. Trans, of the Royal Society 1874. London 1875, pT 15.
,
380
B. Busson,
Während die von Graff untersuchten Peltnatoplai
Arten teils in größerer (Pelm. moluccana), teils in geringe
Menge {Pelm. trimeni) Chondrocysten im Epithel enthielt
vermisse ich dieselben bei Pelm. willeyi. An den Grenzzor
der Kriechleiste und manchmal dorsal fand ich hinter d
Kopulationsapparat allerdings vereinzelte, größere, spinc
förmige Stäbchen, an denen ich jedoch niemals die sonst c
Chondrocysten eigene, aus getrennten Kügelchen besteher
Marksubstanz nachzuweisen vermochte. Alle übrigen Stäbct
sind zum größeren Teile Rhabditen, zum kleineren Rhammite
Die Gestalt der ersteren ist zumeist keulenförmig, seltei
spindel- oder keilförmig; das abgerundete Ende ist d
distalen, das spitze dem basalen Teile der Epithelzellen :
gekehrt. Häufig sind sie wellig gebogen oder auch das e
Ende eingerollt. Die Mehrzahl überragt die Epithelzellen i
um ein Weniges an Höhe, selten erreichen sie eine Lär
von 20 |jl. Sehr kleine Rhabditen, die nur 1 bis 3 pi lang si
treten vorwiegend am äußersten Kopfende und in der Krie
leiste auf; an dem ersteren sind sie meist so klein und stel
so dicht, daß sie eine Art Saum bilden. Die Rhammiten sind
keine bestimmte Zone gebunden, sie fehlen nur auf der Bau
seite, was auch Graff für die übrigen Pelmatoplana-Spez
angibt.
Nach Woodworth (1. c, p. 16) liegen die Stäbchen int
cellulär, während Jijima,2 Chichkoff (I.e., p. 2) i
Krsmanovic3 ihnen eine intracelluläre Lage zuschreiben. !
Pelm. willeyi finde ich die Stäbchen sowohl intercellulär
auch intracellulär. Die Stäbchenbildungszellen liegen zieml
tief im Mesenchym unter dem Hautmuskelschlauche.
2. Drüsen der Haut.
Graff unterscheidet zweierlei Hauptdrüsenformen,
cyanophilen oder Schleimdrüsen und die erythrophilen o
i L. v. Graff, 1. c. p. 55.
2 J. Jijima, Untersuchungen über den Bau und Entwicklungsgeschi
der Süßwasserdendrocoelen (Tricladen). Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XL, p
Leipzig 1884.
3 K. Krsmanovic, Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. Zeits
für wiss. Zool. Bd. LXV, p. 181. Leipzig 1898.
Über einige Landplanarien. 38 1
Eiweißdrüsen. Diesen Angaben kann ich insoferne Neues
hinzufügen, als ich für Pelm. tvilleyi das Vorkommen einer
dritten Drüsenform festzustellen vermag, die ich in der Literatur
nirgends erwähnt finde und die von den bisher bekannten nicht
unwesentlich abweicht.
Während bei den meisten Pelmatoplana- Arten die cyano-
philen Drüsen vorwiegend auf der Kriechleiste münden, ist
dies bei Pelm. tvilleyi nicht der Fall, wenigstens nicht in so
ausgesprochenem Maße. In der hinteren Körperhälfte mündet
allerdings der größere Teil dieser Drüsen auf der Kriechleiste
aus, doch ist in der vorderen eine schärfere Scheidung über-
haupt nicht vorzunehmen. Die birnförmigen oder klumpigen
Zelleiber liegen dorsal, seitlich und ventral vom Darme. Ihre
Ausführungsgänge sind nicht selten verästelt und schwellen
meist dort, wo ein feiner Zweig abgeht, knopfartig an, oft
erscheinen sie nur als ganz feine, aus aneinandergereihten
Sekretkügelchen bestehende Fädchen. Sie nehmen ihren Weg
zwischen den Längsbündelchen des Hautmuskelschlauch <.:<
hindurch oder dringen in diese selbst ein und durchsetzen ver-
einzelt die Längsnervenstämme und den als Gehirn bezeich-
neten Abschnitt der letzteren. Selbst in der Sinneskante trifft
man sie an.
Die vorwiegend auf der dorsalen Seite mündenden erythro-
philen Drüsen konnte ich nur in der Pharyngeaigegend sicher
bis in das Epithel verfolgen, wogegen man sonst nur ihr auf-
gestautes Sekret in den Zellen findet, die Ausführungsgäru
selbst jedoch nicht mehr kenntlich sind. Sie wurden bisher nur
bei Pelm. trimeni nachgewiesen.
Die Zelleiber der erwähnten dritten Form von Drüsen
finden sich gemeinschaftlich mit den früher genannten oberhalb
des Darmes. Sie sind von unregelmäßiger, meist klumpiger
Gestalt und man kann an ihnen einen breiteren peripheren
Kontur, der sich mit Hämatoxylin sehr dunkel tingiert, unter-
scheiden. Das Innere der Zelle ist von einem feingranulierten
Sekret erfüllt und manchmal vermochte ich an der Zelle selbst
em engmaschiges, wabiges Gerüst zu erkennen. Von diesen
Drüsen ziehen stets breite, unverästelte Ausführgänge zum
dorsalen und seitlichen Epithel, welches sie meist intercellulür
382
B. Busson,
!
't
direkt durchsetzen. Das Sekret nimmt mit den die cyanophile
und erythrophilen Drüsen so charakteristisch färbenden Me
thoden in den Zellen selbst einen schwachen rotvioletten To
an, meist jedoch bleibt es wie in den Ausführungsgängen fas
vollständig ungefärbt.
3. Basalmembran.
Die Basalmembran (Taf. I, Fig. 6, bm) stellt eine außen
dünne, homogene Membran dar, die stellenweise unterbroche
ist. Ein granuliertes Aussehen, wie dies Chichkoff (1. c, p. \
angibt, habe ich nicht wahrgenommen, eher scheint sie m
doppelt konturiert zu sein. Ein gezähneltes Aussehen, wi
dies Woodworth (1. c, p. 16) für Phagocata beschreibt, od<
zapfenartige Erhebungen im Sinne Jijima's (I.e., p. 376) hat
ich nicht bemerkt. Am besten sichtbar ist sie auf der dorsale
und lateralen Seite, nur undeutlich erkennbar im Bereiche d<
Sinneskante und der Kriechleiste, doch scheint sie überall vc
gleicher Dicke zu sein, wobei diese niemals 1 |i überschreite
Obgleich das Epithel dorsal von Stäbchen vollgepfrop
ist, ist die Basalmembran gerade an diesen Stellen am deu
lichsten, was auf ihre außerordentlich weiche und nachgiebig
Beschaffenheit hindeutet, auf welche schon Jijima (p. 37<
und Graff (p. 53) hinweisen.
.
4. Mesenchym und Pigment.
Nach Kennel1 besteht das Mesenchym bei Rh. terrestr
aus einer feinkörnigen Grundsubstanz, in welcher zahlreicl
Kerne und Fasern liegen, während es nach Jijima bei dt
Süßwasserformen aus verästelten und untereinander anastom
sierenden Zellen gebildet wird; dieser letzteren Ansicht pflichte
die meisten späteren Autoren bei. Mir erscheint als die bes
und klarste Darstellung über den Bau und die Entstehung d<
1 J. v. Kennel, Die in Deutschland gefundenen Landplanarien Rkynck
demus terrestris O. F. Müller und Geodesmus bilineatus Meczniko
Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut in Würzburg. Bd. V. Würzburg 1882, p.
Über einige Landplanarien.
383
Bindegewebes jene zu sein, welche von Böhmig1 für Rhabdo-
coelen vertreten wird; sie ist am besten für Pelm. tvilleyi an-
wendbar. Hier stellt das Bindegewebe ein Netzwerk aus feinen,
sich kreuzenden und verästelnden Bälkchen dar, welche bald
größere, bald kleinere Lückenräume umschließen. Am engsten
und zartesten finde ich dieses Reticulum zwischen Längs-
muskelbündeln und Basalmembran, weitmaschiger im all-
gemeinen auf der dorsalen Seite. Übrigens wechselt seine
Struktur in den verschiedenen Körperpartien oft sehr, was
jedenfalls mit den verschieden starken Kontraktionen der ein-
zelnen Partien zusammenhängt. Im allgemeinen jedoch erscheint
mir das Mesenchym in den zentralen Partien regelmäßiger,
aber etwas weitmaschiger als in den peripheren.
Die feinen Bälkchen, die oft granuliert erscheinen, um-
hüllen sämtliche Organe, insbesondere dringen sie in den Haut-
muskelschlauch mit äußerst zarten Fortsätzen ein, doch konnte
ich sie darin niemals so weit verfolgen, um zu entscheiden, ob
sie die Bündel bloß in Abteilungen zerlegen oder auch die ein-
zelnen Fasern umhüllen, wie dies von mehreren Autoren
angegeben wird. Häufig lagen Kerne zwischen und an den
Bälkchen, die nur selten einen zugehörigen Zellkörper auf-
wiesen. Freie Bindegewebszellen, wie sie Graff für G. ruß-
ventris nachweist, scheinen Pelm. tvilleyi zu fehlen. Dieses von
Bälkchen gebildete Maschenwerk enthält häufig in seinem
Innern eine vollständig farblose oder sehr blaß und unbestimmt
gefärbte Masse, an der ich in einigen Fällen eine äußerst feine,
wabige Struktur zu erkennen glaube.
Auf einige Besonderheiten des Mesenchyms, insbesondere
auf eine eigentümliche Differenzierung desselben beim weib-
lichen Kopulationsapparate, werde ich an Ort und Stelle
zurückkommen.
Ein braunes, grobkörniges Pigment findet sich in der
medianen und in den beiden lateralen Zonen. Es erscheint den
Bindegewebsbälkchen aufgelagert, und zwar sowohl jenem
feineren Reticulum, welches zwischen Basalmembran und
1 L. Böhmig, Untersuchungen über rhabdocoele Turbellarien II. Plagio-
siomina und Cylindrostomina Graff. Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. LI. Leipzig
1891, p. 203.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 25
384 B. Busson,
Längsmuskeln liegt, als auch dem zwischen letzteren durch
ziehenden Gerüstwerke. Besondere Pigmentzellen als solche
vermisse ich.
5. Muskulatur.
Die Körpermuskulatur wird wie bei allen Landplanarien aucl:
bei Peltn. willeyi durch den subcutanen Nervenplexus deutlich
in den Hautmuskelschlauch und die Parenchymmuskulatui
geschieden. Woodworth behauptet, daß die der Basalmembrar
dicht anliegenden Ringmuskeln Eindrücke auf derselben hervor
rufen sollen, was Graff bestreitet, dessen Ansicht ich für Pelni
willeyi nur bestätigen kann. Die Ringmuskelschichte besteh
dorsal wie ventral nur aus einer Lage von Fasern, ebenso wie
die sich kreuzenden Fasern der Diagonalschichte, welche
zwischen diesen und den Längsbündeln liegen. Die einzelner
Muskeln beider Lagen sind von ungefähr gleicher Stärke unc
beide etwas schwächer als die in Bündeln geordneten Längs
muskeln. Die Längsmuskelbündel sind außerordentlich gut ent
wickelt (Taf. I, Fig. 3 und 6, hml und htnlj im Gegensatze zi
allen übrigen darauf untersuchten Pelmatoplana- Arten, be
welchen der Hautmuskelschlauch stets nur schwach aus-
gebildet ist (Graff, 1. c, p. 75 und 83).
In manchen Bündeln finde ich 25 bis 50 Fasern vereint
also fast das Zehnfache als beispielsweise bei Pelm. moluccana
Die einzelnen Bündel sind stets scharf gesondert, häufig lang-
gestreckt und verschmälert, also senkrecht zur Längsachse des
Körpers, um den gebotenen Raum möglichst auszunützen. Nur
in der Gegend des Pharynx und des Kopulationsapparates
werden die Bündel gezwungen, sich kompakter und ovaler zu
gestalten. Kurz vor Beginn des Pharynx zähle ich gegen 240
solcher Längsmuskelbündel auf einem Querschnitte. Dorsal
sind die einzelnen Bündel mächtiger und größer als im Bereiche
der Kriechleiste, oft zwei- bis dreimal so mächtig, aber der
Zwischenraum zwischen den einzelnen Bündeln ist größer als
auf der ventralen Seite, wo die lang ausgezogenen Bündel
äußerst dicht stehen. Sie erreichen hier eine Höhe von 65 pi bei
einer Breite von 25 (i. In den Seitenkanten nehmen dieselben
bedeutend an Stärke ab und sind unter der Sinneskante meist
gar nicht mehr nachweisbar.
Ober einige Landplanarien. 385
Kerne an oder in diesen Muskelfasern, wie sie von Weis-
mann,1 Jander,8 Chichkoff (l. c.) und Krsmanovic (1. c.)
beschrieben wurden, habe ich nirgends gefunden.
Die einzelnen Fasern zeigen einen dreieckigen oder
oblongen Querschnitt. Die nach der van Gieson'schen Methode
gefärbten Präparate lassen an den Längsmuskeln eine zentrale
Sarkoplasmamasse erkennen, die von einer kontraktilen Rinde
umgeben wird, an der ich aber einzelne Fibrillen nicht zu
unterscheiden vermag. Die feineren Ringmuskeln erscheinen
mir nach jenem Typus gebaut, den Graf f für G. rufiventris an-
gibt Jedenfalls ist der Bau der einzelnen Fasern kein vollkommen
einheitlicher, was auch schon von Jander (1. c, p. 7), Lang,8
Jijima (1. c, p. 6), Woodworth (1. c.,p. 16) hervorgehoben wird.
Graff unterscheidet an der Parenchymmuskulatur drei
Hauptzüge, longitudinale, transversale und dorsoventrale. Im
besonderen schreibt genannter Autor: »In dem Genus Pelmato-
plana ist die Verstärkung der Parenchymmuskulatur noch
weiter gediehen und erreicht ihren Höhepunkt bei den Arten
Pelm. moluccana (tab. XXVIII, flg. 4 und 5), sondaica (Fig. 1
und 2) und ijitnai. Bei diesen sind die longitudinalen Paren-
chymmuskeln nicht bloß durch die Dicke ihrer Fasern vor allen
übrigen Muskeln des Körpers ausgezeichnet, sondern sie ordnen
sich auch zu kräftigen Bündeln, die den ganzen Leibesraum
zwischen Darm und Nervensystem einerseits und der Zone der
Stäbchenbildungszellen anderseits erfüllen«; und dann weiter:
>Im Gegensatze zu der letzterwähnten Gruppe der Geoplana-
Arten ist bei Pelmatoplana diese hohe Ausbildung der Paren-
chymmuskulatur durch einen schwachen Hautmuskelschlauch
kompensiert«.
An den mir zur Verfügung stehenden Präparaten von
Pelm. sondaica ist dieses Verhalten der Muskulatur sehr
1 A. Weismann, Über die zwei Typen kontraktilen Gewebes etc.
Hcnlc und Pfeufers Zeitschr. für rationelle Medizin, 3. Reihe, Bd. XV, S. 94.
Leipzig und Heidelberg 1862.
2 R. Jander, Die Epithelverhältnisse des Tricladenpharynx. Zool. Jahrb.
Abt. für Anatomie und Ontogenie der Tiere, Bd. X, S. 7, Jena 1897.
3 A. Lang, Der Bau von Gunda segmentata. Separatabdruck aus den
Mitteilungen der zoolog. Station zu Neapel. Bd. III, Leipzig 1882, p. 194.
25*
i"
I
386
B. Busson,
deutlich zu sehen. Besonders werden die schwach entwickelte
Längsfasern des Hautmuskelschlauches durch die mächtige
Longitudinalfasern des Parenchyms kompensiert
Bei Pelm. tvilleyi ist es aber gerade umgekehrt, indem de
sehr kräftigen Hautmuskelschlauche eine bedeutend schwächei
wenngleich gut ausgebildete Parenchymmuskulatur gegenübe
steht. Am besten entwickelt erscheinen die transversalen ui
dorsoventralen Fasern, am schwächsten wieder die longitut
nalen, die fast ausschließlich auf die ventrale Seite beschrän
sind. Die Fasern sind oft sehr fein und nicht selten schwierig v<
Bindegewebselementen zu unterscheiden. Die longitudinal
finde ich am stärksten ventral und seitlich vom Kopulation
apparate ausgebildet, wo sie sich manchmal zu kleinere
lockeren Bündeln vereinigen, sowie fernerhin unter de
Zentralnervensystem. An den transversalen kann man di
Hauptzüge unterscheiden: einen dorsalen, einen mittleren ui
einen ventralen. Die beiden letzteren scheiden, indem si<
besonders zu den ventralen noch longitudinale Fasern geselle
das zentrale Nervensystem ein, während die ersteren don
über dem Darme liegen und mit den sie kreuzenden dors
ventralen Muskelfasern ein Geflecht bilden, welches über de
Kopulationsapparate und Pharynx, sowie auch seitlich dav<
eine ziemliche Mächtigkeit erreichen kann. Das periphe
Bindegewebe ist viel weniger von Parenchymmuskeln durc
zogen als das zentrale. Besondere Retraktoren für das Vord(
ende bildet die Parenchymmuskulatur nicht, da ja bis an d
äußerste Ende sich der kräftige Hautmuskelschlauch fortset
Ebensowenig kann man von einer besonderen Kriechleiste
muskulatur sprechen, umsomehr als ja schon im Hautmusk
schlauche in dieser Beziehung eine teilweise Differenzierui
eingetreten ist. Über das Verhalten der Parenchymmuske
zum Nervensystem, Darm, Basalmembran etc. verweise ich a
die einschlägigen Kapitel von Graff's Monographie, da ich d
diesbezüglichen Angaben nichts hinzuzufügen vermag.
6. Verdauungsapparat.
Die Mundöffnung liegt, wie schon erwähnt, im letzten od
zu Ende des zweiten Körperdrittels und auf sie schlägt si
Ober einige Landplanarien.
387
das Kriechleistenepithel über. In diesem münden cyanophile
Drüsen aus, ferner finden sich auch vereinzelte Rhabditen
darin. Ein besonderer Sphincter ist nicht vorhanden.
Die Pharyngealtasche, in deren viertem Fünftel die Mund-
öflhung liegt, stellt ein weites Rohr dar, dessen Längsachse mit
der des Tieres zusammenfallt und dessen Längsdurchmesser
das Dreifache des Querdurchmessers beträgt. Das die Pharyn-
gealtasche auskleidende Epithel wird durch verschiedene Zell-
formen repräsentiert. Einmal der Insertionsstelle gerade gegen-
über, also im hinteren blinden Taschenende, stehen 14 |jl hohe,
schlanke Zellen, deren Plasma fibrilläre Struktur aufweist.
Dieses Epithel erscheint wie mit Zotten besetzt, die Zellen des-
selben sind distal mit einem dunkeltingierten Saume versehen.
Häufig kleben den Zellen Sekretkügelchen an, die jedoch nicht
den Zellen selbst entstammen, sondern von dem Sekrete der
Pharynxdrüsen herrühren.
Dasselbe Epithel kleidet auch die seitlichen Partien der
Tasche aus.
Auf der dorsalen Seite findet sich ein äußerst niedriges
Plattenepithel mit stark abgeplatteten Kernen. Dieses wird oft
so niedrig, daß man auf den ersten Blick an ein stellenweises
Fehlen der Zellen, wie dies Chichkoff für einige Süßwasser-
tricladen beschreibt, glauben könnte. Ventral geht das Kriech-
leistenepithel zunächst in ein ähnliches Plattenepithel über, wie
es sich dorsal findet. Seine Höhe steigt jedoch bald bis auf 9 |x,
wobei die Zellen zylindrisch werden, sinkt dann abermals und
geht ebenso wie das dorsale und seitliche etwas vor der Inser-
tion des Pharynx in ein Epithel über, das vollkommen jenem
gleicht, welches die äußerste Schichte des Pharynx bildet. Da
sich unter dieses Epithel auch die äußerste Muskelschichte des
Pharynx fortsetzt, so scheint mir Jander im Rechte zu sein,
wenn er diesen Teil der Pharyngealtasche dem Pharynx selbst
zurechnet und als einen Reserveabschnitt, der bei der Aus-
stülpung mit in Verwendung kommt, auffaßt.
Die dünne Muscularis der Tasche erscheint als eine direkte
Fortsetzung des Hautmuskelschlauches. Sie ist an der hinteren
Wand etwas stärker als in den übrigen Partien.
388
B. Busson,
Der typisch zylindrische Pharynx, welcher genau in di
Längsachse des Körpers fällt, besitzt eine Länge von l'&mt
bei einem Querdurchmesser von 0*62 mm.
Die äußere Epithelschichte besteht aus cilientragender
eingesenkten Zellen. Eine daruntergelegene Basalmembra
vermochte ich zwar nicht zu erkennen, wenn ich auc
nicht daran zweifle, daß sie vorhanden und mir vielleicli
nur ihrer Zartheit halber entgangen ist. Die darauffolgend
äußere Muscularis setzt sich aus einer drei- bis vierschichtigei
Längs- und Ringmuskulatur zusammen, die dem Lumei
zugekehrte ist kräftig und wird von unregelmäßig vei
flochtenen Ring- und Längsfasern gebildet In der zwischei
äußerer und innerer Muscularis gelegenen Zone verlaufe
Längs- und Radiärmuskeln, von denen erstere den Musculu
retractor pharyngis darstellen. Zum größten Teil aber is
sie erfüllt von den Ausführgängen erythrophiler und cyano
philer Drüsen. Diese sind im allgemeinen derart gruppiert, dal
außen und innen die cyanophilen, zwischen diesen aber di
erythrophilen Drüsengänge liegen, doch ist die Scheidung nich
immer streng durchgeführt. Die Zelleiber der Drüsen selbs
finden sich außerhalb des Pharynx im umgebenden Mesen
chym, besonders ventral vor und hinter der Rüsseltasche. Di
cyanophilen münden am distalen Ende des Pharynx und seit
lieh allenthalben im Epithel aus, während die erythrophilei
ihrer Hauptmasse nach nur distal münden. Das Epithel de
Lumens ist äußerst niedrig und erscheint vollständig homoger
ohne daß man daran Zellgrenzen oder -Kerne wahrnehmei
könnte. Erst kurz vor dem eigentlichen Darmmunde werden di<
einzelnen Zellen, die bedeutend an Höhe zugenommen haben
deutlicher und lassen große Kerne erkennen.
Der Darm ist nach dem bekannten Triciadentypus gebaul
Der unpaare Ast erstreckt sich bis in den Kopfteil und ent
sendet zahlreiche seitliche Divertikel, die sich ihrerseits wiede
verästeln. Die beiden hinteren verlaufen getrennt bis zu
Körperspitze. Ihre seitlichen und medianen Divertikel ver
zweigen sich ebenfalls; doch kommt es zu keiner Anastomosen
bildung seitens der letzteren. Die Abzweigungen selbst sin<
unregelmäßig und nicht alternierend.
Über einige Landplanarien, 389
In histologischer Beziehung verweise ich auf die ein-
schlägigen Kapitel der Arbeiten von Graff (1. cM p. 114),
Minot,1 Kennel (1. c, p. 134), und Dendy.*
7. Nervensystem und Sinnesorgane.
Das Nervensystem von Palm, willeyi ist ganz ähnlich
gebaut wie jenes von Rh. scharffi und besteht zunächst aus
zwei Längsnervenstämmen, die im Vorderende zu einer kom-
pakten, von dem umgebenden Mesenchym nicht immer scharf
abgegrenzten Masse verschmelzen. Dieselbe ist ungefähr 1 mm
lang, liegt zentral, zum größeren Teile jedoch vom vorderen
Hauptdarme bedeckt und besitzt eine dem Querschnitte des
Vorderendes entsprechende plankonvexe Gestalt; jenes Stück,
dem der Darm nicht mehr aufgelagert istr zeigt eine wenn auch
nicht sehr erhebliche Anschwellung, Kaudad lockert sich diese
Masse mehr und mehr und es treten die beiden Längsnerven
als scharf unterscheidbare Stämme hervor Als Gehirnabschnitt
fasse ich nach dem Vorgange Grafts sowohl diese kom-
pakte Masse als auch die beiden Längsstämme auf, soweit
diese die Sinnesgrübchen innervieren, deren letztes ungefähr
l'Stnm von dem Vorderende entfernt ist. Von ihm strahlen
zahlreiche Sinnesnerven nach allen Richtungen aus, besonders
gegen die äußerste Spitze, welche von der breiten Sinneskante
umsäumt wird.
Die im Querschnitte rundlichen oder ovalen, zirka 120[i
dicken Längsnervenstämme nehmen gegen das Hinlerende
allmählich an Stärke ab und gehen getrennt von einander in
den Hautnervenplexus über. Sie werden häufig von Paren-
chymmuskeln, vorwiegend dorsoventralen, durchzogen, die
sich bald hüllenartig um den Stamm legen, bald diesen in
drei bis vier ziemlich gleich große Partien spalten.
Die Kommissuren folgen sehr dicht aufeinander, doch
keineswegs in genau regelmäßigen Abständen. Die vorderen
1 S. Minot, Studien an Turbellarien. Beiträge zur Kenntnis der FlfthnV
Mathen. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institute in Würzburg, 1876 bis 1377,
ßd. 3, p. 420.
* A. Dendy, The Anatomy of an Australian Land-Plan&rian. Trans-
»ctionsof the Royal Society of Victoria, LS89, Melbourne 1890, p. 68.
390
B. Busson,
Kommissuren kann man mit Rücksicht auf ihre Lage all
ventral, die hinteren als dorsal bezeichnen. Zwei Kommissurei
auf einem Querschnitt, eine dorsale und ventrale, finden siel
in geringer Anzahl kurz vor jener Stelle, wo die beidei
Längsnerven im Vorderende zu jener kompakten Masse ver
schmelzen.
Die Seitennerven, welche durchaus nicht immer, wie e
bei den Trikladen sonst häufig der Fall ist, an jenen Stelle
entspringen, wo Kommissuren auftreten, sind sehr kräftig un
steigen meist anfangs etwas schräg nach oben, wenigsten
dort, wo Hoden liegen. Sie gehen in die Bildung des Haul
nervenplexus ein, entsenden aber auch feine Äste zum Darm<
Außer ihnen begeben sich auch noch von den Längsstämme
feinere dorsale und ventrale Faserzüge zum Hautnervenplexu
Dieser letztere (Taf. I, Fig. 6, np) ist überall deutlich nach
zuweisen und entsendet breite Ausläufer, die sich oft bis a
die Basalmembran verfolgen lassen.
Die Sinneskante umsäumt das Vorderende vollständi
und setzt sich auf beiden Seiten, wie früher erwähnt, etw
1 * 8 mm weit nach hinten fort. Frontal, wo sie gewellt e
scheint, erreicht sie eine Breite von 1 16 (x, verschmälert sie
zuerst rasch, dann allmählich, um schließlich zu verlaufe)
Die Höhe der Epithelialplattenschichte beträgt 7 jju In di
Sinneskante sind spärlich bis an ihr Ende einreihig gestellt
Grübchen eingesenkt, die eine Tiefe von 20 |x aufweisen un
deren blindes Ende kugelig erweitert ist. Sie sind 21/2mi
so breit als die Epithelialplattenschichte hoch ist. Histologisc
läßt sich an ihnen gar nichts erkennen, auch sind sie stai
kontrahiert und nur ihre äußere Kontur sichtbar; doch dürfte
sie ebenso wie die Sinneskante nicht wesentlich von dt
bekannten Bauart abweichen.
Die Augen stellen invertierte Kolbenaugen dar, wie s:
Graff für Geoplana-Arten eingehend beschrieben hat. S
wechseln etwas in Größe und Form, je nachdem der Pigmen
becher sich mehr der Kugelgestalt nähert oder schüsselarti
verflacht, ohne daß hiebei auffallende Unterschiede im Bat
selbst zu erkennen wären. Die Augen liegen im Vorderenc
seitlich oder etwas dorsal gerückt, meist dicht unter dei
Ober einige Landplanarien.
391
Epithel im Hautmuskelschlauche, während sie in den weiter
nach hinten gelegenen Partien meist unter den Hautmuskel-
schlauch und subventral verlagert sind. Der Pigmentbecher
öffnet sich stets gegen das Epithel. Als Maßzahl für die
Größenunterschiede zwischen beispielsweise einem Auge mit
kugeligem Pigmentbecher am Hinterende und einem schüssel-
artig verflachten am Vorderende dienen folgende Durchmesser:
25 |t und 75 |x zu 47 jjl
8. Geschlechtsorgane.
Sowohl in der Lagerung der Geschlechtsdrüsen als ins-
besondere im Baue des Kopulationsapparates ergeben sich
einige nicht unwesentliche Unterschiede gegenüber den bis-
her untersuchten Pelmatoplana-Arten. Der Kopulationsapparat
ist bei Pelm. willeyi bei sämtlichen geschnittenen Individuen
vollständig ausgebildet, wogegen eine gewisse Protandrie nicht
zu leugnen ist, indem die männlichen Geschlechtsdrüsen und
deren Ausführungswege stets vollkommener entwickelt waren
als die weiblichen.
Weibliche Geschlechtsdrüsen und deren Aus-
führgänge. Die beiden weiblichen Geschlechtsdrüsen liegen
ungefähr 5*2ff**r,1 also ziemlich weit entfernt vom Vorderende,
seitlich und ventral vom vorderen Hauptdarm in einer Vertiefung
den Längsnervenstämmen dorsal auf, Pelm. willeyi weicht also
schon in dieser Beziehung von den übrigen Pelmaioplana-
Spezies ab. Jeder Keimstock wird von einer dünnen Tunica
propria umhüllt, der sich außen eine Bindegewebsschichte
anlegt. Das Innere wird von einem Maschenwerk, einem
Stroma durchzogen, in welchem Kerne und größere und
kleinere, meist rundliche Zellen liegen. Doch ist der Erhal-
tungszustand ein derartiger, daß sich sowohl über diese
Zellen als auch über die der Wandschichte anliegenden nichts
näheres aussagen läßt. Die Ovidukte entspringen1 ventral an
der hinteren Wand des Keimstockes mit einer trichterartigen
Erweiterung. Ihr Querdurchmesser ändert sich während des
!>
:I
w
1 Bei Pelm. sondaica beträgt ihr Abstand vom Vorderende nur 2'4f«w,
die Ovidukte gehen dorsal ab.
^1
392
B. Busson,
ganzen Verlaufes nicht und nur in einem Falle bemerkte ich eir
auffällige Anschwellung des linken dicht hinter dem Kein
stocke. Sie sind in ganzer Länge von Bindegewebe umhüli
das sich als eine direkte Fortsetzung jenes der Keimstöcl
darstellt und dessen Kerne den Eileiter kranzförmig umgebe
Eine Muscularis fehlt vollständig, mit Ausnahme des letzte
Stückes, wo sich eine feine Ringmuskellage findet.
Da der Durchmesser der Ovidukte ein sehr geringer i
(er beträgt bloß 12 ji), so kann man wohl noch die prismi
tischen Epithelzellen und ihre ovalen und parallel aufgereihte
Kerne erkennen, aber weder das Lumen noch die jedenfal
vorhandenen Cilien.
Die Ovidukte liegen zunächst den Längsnervenstämme
dicht auf, senken sich jedoch später in diese selbst ein. Zirk
0*84 mm hinter der Geschlechtsöffnung biegen sie nach inne
ein und vereinigen sich zu einem Eiergange, mit Peh
moluccana in dieser Beziehung übereinstimmend.
Die in regelmäßigen Abständen von zirka 0*1 m\
stehenden trichterförmigen Dottertrichter beginnen dicht hint<
den Keimstöcken und reichen nahe bis an die Vereinigung:
stelle der Ovidukte zum Eiergange. Der dem Ovidukte dorsi
aufsitzende stielartige Abschnitt ist ungefähr doppelt so hoc
und breit als der Ovidukt selbst und weist den gleichen Ba
wie dieser auf; die ihn bildenden Zellen tragen, wie m
scheint, Cilien. Der distale, schalenförmige Teil hingegen set;
sich aus cilienlosen Zellen zusammen, die mit der Zeit einei
Zerfalle unterliegen und das Dottermaterial in den Stiel, r<
spektive in den Ovidukt gelangen lassen. Ich habe stets vol
ständig erhaltene Dotterzellen in den Trichtern gefunde;
meine Beobachtungen stimmen mithin mit denen Graff
überein.
Der Eiergang, dessen Verlauf aus Textfig. 1 (eig) erhell
besitzt eine wohlentwickelte, zwei- bis dreischichtige Läng!
und eine drei- bis vierschichtige Ringmuskulatur. Sein Epithc
welches deutliche Cilien trägt, gleicht dem der Ovidukte, ni
sind die Zellen bedeutend höher. An ihn schließt sich der a
Drüsengang (drg) zu bezeichnende Abschnitt an, welch«
die Verbindung mit der Vagina (vä) vermittelt; die ih
Über einige Landplanarien.
393
auskleidenden Zellen sind sehr schlank, aber auch mit Cilien
versehen. Zwischen ihnen münden die Ausführungsgänge der
Schalendrüsen (dr). Die Muskulatur ist schwächer entwickelt
als die des Eierganges, besonders gilt dies für die Ring-
muskeln, dagegen verstärkt sich die Bindegewebshülle be-
deutend, wobei die bisher regelmäßige Anordnung ihrer Kerne
verloren geht
Die Schalendrüsen (dr) selbst liegen dorsal und ventral
vom Darme hinter dem Kopulationsapparate. Sie reichen ziem-
lich weit nach hinten, von wo sie ansehnliche Ausführungs-
gänge zum Drüsengange entsenden. Meist sind sie von birn-
förmiger oder rundlicher Gestalt und enthalten ein feingranu-
liertes, fast homogen erscheinendes Sekret und einen ovalen
Kern. Mit Hämatoxylin-Eosin tingieren sie sich rot, nach der
van Gieson'schen Methode gelb, doch ist die Tinktion deut-
lich verschieden von jener der erythrophilen Drüsen.
Über die Vagina werde ich bei Besprechung des Kopula-
tionsapparates berichten.
Dotterstöcke. Diese beginnen schon ein gutes Stück
vor den Keimstöcken und reichen fast bis an das Hinterende.
Sie liegen dorsal, ventral und seitlich zwischen und außer
den Darmästen ziemlich gleichmäßig verteilt. Die einzelnen
Follikel scheinen ihre volle Entwicklung noch nicht erreicht
zu haben. Sie stellen auch hier größere Zellkomplexe oder
Stränge dar, die in den Lücken des Bindegewebes liegen und
von variabler Gestalt sind. Manchmal treten auch einzelne
Gruppen durch Stränge miteinander in Verbindung. Im Vorder-
ende finde ich noch einzelne durch das Mesenchym zerstreute,
rundliche Zellen, die die erste Anlage eines Dotterfollikels
darstellen, ähnlich wie dies Graff für G. micholitzi (1. c,
tab. XXVII, fig. 2) darstellt. Sie stimmen im allgemeinen voll-
ständig überein mit den von eben genanntem Autor gemachten
Angaben und möchte ich nur erwähnen, daß ich den Zellkern
in den überwiegenden Fällen mit einer dicken Membran um-
hüllt fand.
Männliche Geschlechtsdrüsen und deren Aus-
führungsgänge. Die meisten bisher untersuchten Peltnato-
plana-Arten (Pelm. sondßica, sarasinorunt, ijimai) besitzen
i'
394
B. Busson,
I.
die Hoden im Querschnitte zu zwei bis vier übereinander
gelagert oberhalb des zentralen Nervensystems. Dagegen zeig
Pelm. tnoluccana ein abweichendes Verhalten. Graff schreib
auf diese Form bezugnehmend (1. c, p. 160): »Durch Vei
minderung der Hodenzahl geht aus der gehäuften Anordnun
die unregelmäßig einreihige hervor, wo im wesentliche
jederseits eine einfache Reihe vorhanden ist, die aufeinandei
folgenden Hoden jedoch sowohl nach der Quere wie nac
der Höhe aus der geraden Linie herauszutreten pflegen, s
daß ausnahmsweise wohl auch zwei Hoden in einen Quei
schnitt fallen.« Dies gilt auch für Pelm. willeyi. Die Hode
liegen im allgemeinen »unregelmäßig einreihig« den Längs
nervenstämmen außen an, wobei ein »Heraustreten sowol
nach der Quere, wie nach der Höhe« zu beobachten ist. S
fand ich z. B. bei dem einen Exemplare kurz vor dem Pharyn
im Querschnitt auf der linken Seite zwei Hoden nebeneir
ander. Sie beginnen schon vor den Keimstöcken etwa in d<
Zahl drei jederseits und reichen bis hinter den Pharynx, w
sie kurz vor dem Kopulationsapparat1 aufhören. Ihre Zal
dürfte jederseits etwa 70 betragen. Die Hoden haben durcl
schnittlich die Größe der Keimstöcke, nur die vordersten sin
kleiner. Sie sind, wie sagittale Schnitte zeigen, sehr dich
gereiht, indem sie nur ganz geringe Zwischenräume zwische
sich lassen,- die von Bindegewebe und Parenchymmuskel
erfüllt werden. Ihre Gestalt ist kugelig oder oval, seltene
infolge der dichteren Lage oder Kontraktion unregelmäßig.
Über ihren histologischen Bau habe ich den Angabe
Graff's (1. c, p. 160) nur hinzuzufügen, daß auch mir ebens
wie Jjima (1. c, p. 6) und Krsmanovic (1. c, p. 106) eir
äußerst feine, kernlose Tunica den platten Zellen, die d
Wandbekleidung bilden, von außen anzuliegen scheint Di
Innere der Hoden wird zum größten Teil erfüllt von fädige
Spermatozoen, die einen sich stärker färbenden Kopf ur
langen Schwanzteil erkennen lassen, doch gestatten es d
Präparate nicht, näher auf dieselben einzugehen.
1 Bei Pelm. tnoluccana* sarasinorum, trimeni reichen sie bis zur G
schlechtsöffnung und werden bei Pelm. sondaica sogar noch in der Schwan
region angetroffen.
Über einige Landplanarien.
395
Ein sehr interessantes und von allen Pelmatoplana-Arten
abweichendes Verhalten zeigen die Samenausführgänge. Die-
selben zerfallen in Vasa deferentia (Taf. I, Fig. 7, vd\ inter-
media (vi) und efferentia (ve). Die ersteren sind äußerst schwer
sichtbar, da sie in ihren Anfangsteilen ebenso wie die Vasa
intermedia nicht mit Sperma erfüllt sind, und nur ein kurzes
Stück vor dem Pharynx treten sie dann bis zu ihrer Ver-
einigung (Textfig. 1, vdp) deutlicher auf. Wo man ihrer an-
sichtig wird, liegen sie stets innen und seitlich oben von den
Längsnervenstämmen, so daß diese letzteren also zwischen
ihnen und den Hoden zu liegen kommen.
Die Vasa deferentia1 bilden eine bis nahe an die Ge-
schlechtsöffnung heranreichende Schleife, die sich wiederum
mehrmals schlängelt, wobei sie jederseits erheblich anschwellen
und eine große, »falsche« Samenblase bilden.3 Dann biegen
dieselben zurück, verjüngen sich und münden, nachdem sie in
den Penisbulbus eingedrungen sind, in die Samenblase (vs).
Die Wandung der V. efferentia und intermedia wird von
einem Plattenepithel gebildet; ein solches findet sich auch in
der hinteren Partie der durch Spermamassen stark ausgedehnten
V. deferentia, während in den vorderen Abschnitten dieser
letzteren kubische Zellen vorhanden sind. Eine Muscularis,
und zwar Ringfasern, konnte ich nur an den V. deferentia er-
kennen.
Das merkwürdigste aber ist, daß die Vasa intermedia
jederseits unter den Längsnervenstämmen anastomosieren und
ein Geflecht bilden, wie es in Taf. I, Fig. 7, schematisch dar-
gestellt ist Von diesem Geflecht treten einerseits kürzere Röhr-
chen an die innere untere Wand der Testes heran und öffnen
sich etwas trichterartig erweitert in dieselben, andere steigen
von unten nach innen und oben auf, um in das Vas deferens
zu münden. Nur die ersteren, kürzeren bezeichne ich als Vasa
efferentia, die anderen aber und das Geflecht selbst als Vasa
1 Bei Pclnt. sondaica entsenden sie Ausläufer zu den im Hinterende
Hegenden Hoden.
* Bei Pelm. trimeni bilden sie zwei, bei sarasinorum eine »echte«
Samenblase.
396 B. Busson,
intermedia, obwohl ein histologischer Unterschied nicht vo
handen ist. Man sieht oft bis zu drei Stämmchen im Que
schnitt unter den Längsnervenstämmen getroffen. Sie sir
drehrund oder etwas oval und erreichen einen Durchmesse
bis 10 (t, wobei die Höhe des Epithels meist bis 2 |x beträgt.
Von einem Anastomosieren der V. efferentia, bevor sie i
die Samenleiter münden, spricht zuerst Wendt1 für Gutta
ulvae und vermutlich könnte nach der Zeichnung, die Gra
von G. munda (1. c, tab. XXIV, fig. 3) gibt, auch hier ei
ähnliches Verhalten der V. intermedia vorliegen. Jedenfal
aber weicht Peltn. tvilleyi dadurch von allen übrigen Pelmati
planen ab, für die nichts ähnliches bekannt ist. Dieses Geflecl
endet blind mit einem kurzen Stämmchen, nachdem es vorh
noch mit dem V. deferens in Verbindung getreten ist. Mögliche
weise vertreten die Vasa intermedia in den vorderen Partie
das Vas deferens vollständig. Das Schema (Taf. I, Fig. 7) zeij
die Verhältnisse dicht hinter dem Pharynx.
Der Kopulationsapparat. Der bei den meisten Exen
plaren schon mit freiem Auge erkennbare Genitalporus lieg
wie erwähnt, stets im letzten Drittel zwischen Mundöffnur
und Hinterende, ersterer etwas genähert. Er stellt eine relat
weite Öffnung (Textfig. 1, gö) dar, die direkt in das Atriu
genitale commune (ag) führt. Ausgekleidet wird er von eine
hohen Drüsenepithel, das völlig jenem des Atriums gleicht ur
sich ziemlich unvermittelt an das Kriechleistenepithel ai
schließt.
Das geräumige Atrium commune setzt sich nach vorne
ein enges Atrium masculinum (am) fort, in welchem der klein
etwas schräg gestellte und von platten, cilienfreien Zellen übe
kleidete Penis i. e. S. liegt, dessen Länge 140 \l bei einer Brei
von 68 (j. beträgt. Die Abtrennung eines besonderen Atriu
femininum (af) ist nur willkürlich vorzunehmen, da ein do
saler Muskelwulst fehlt und die Epithelverhältnisse d
gleichen sind wie im Atrium genitale commune, das an d<
vorderen Wand eine kleine Ausbuchtung (agx) bildet. D*
1 A. Wendt, Über den Bau von Gunäa ulvae (Planaria ulvae Oersted
Archiv für Naturgeschichte, 54. Jahrg., I. Bd. Berlin 1888, p. 264.
Über einige Landplanarien.
39;
Atrium commune wird ebenso wie das Atrium feminin um
(Taf. I, Fig. 4, af) von einem einschichtigen Drüsen epithel
ausgekleidet, welches fast die doppelte Höhe jenes der Kriech -
leiste erreicht. Die Zellen selbst sind an ihrem distalen Ende
Fig. 1. Der Kopulationsapparat.
Schema des Kopulationsapparates von Peltn. tvilleyi bei l~maliger
Vergrößerung.
af Atrium fetnininum.
ag Atrium genitale commune.
agx Ausbuchtung desselben.
am Atrium masculinum.
c Penis.
es Penisscheide.
ddt Drüsiger Teil des Ductus ejaculatorius.
de Nichtdrüsiger Teil desselben.
dr Schalendrüsen.
drg Drüsengang.
dt Drüsentaschen der linken Seite, die der rechten sind nicht eingezeichnet.
tig Eiergang.
go Geschlechtsöffnung.
mk Gemeinsame äußere Muskelhülle.
ö Ausmündungsstelle der Drüsentasche {dt),
p Penisbulbus.
va Vagina.
vd Vas deferens.
vdp Vereinigungsstelle des linken und rechten Vas deferens, letzteres nicht
eingezeichnet
vs Samenblase.
etwas keulenförmig angeschwollen oder lang ausgezogen, sie
tragen Cilien, die häufig verklebt sind. Gegen das Atrium mas-
culinum hin wird das Epithel niedriger und in diesem selbst
sind die Zellen von kubischer Gestalt, auch büßt es seinen
398
B. Busson,
drüsigen Charakter ein, entbehrt aber nicht der Cilien.1 Dafi
münden hier zwischen den Epithelzellen erythrophile Drüse
aus, deren Zelleiber außerhalb des Kopulationsapparates i
Mesenchym liegen und ferner jene, auf welche ich bei B
sprechung des Ductus ejaculatorius noch zurückkomm<
werde.
Eine Penisscheide (Textfig. 1, es) ist wohlausgebildet D
mächtig entwickelte Penisbulbus (p)2 wird über 1 mm lan
Die beiden Vasa deferentia dringen in die Muskulatur d
Bulbus ein und vereinigen sich zu einer unpaaren Same
blase (vs), die am Grunde desselben liegt und sich in d
Ductus ejaculatorius (dde) fortsetzt, der seinerseits wieder d
Penis i. e. S. durchbohrt und an dessen freier Spitze münd
Ich werde auf die Samenausführungsgänge später noch ai
führlicher zurückkommen.
Von der hinteren Atriumwand geht etwas schräg na
hinten und oben eine weite Vagina8 (va) ab, die die V
bindung mit dem Drüsengange (arg) herstellt.
Ein Blick auf das Schema zeigt schon die enorme Ai
bildung der Muskulatur des Kopulationsapparates, die d
ganze Atrium umgibt. Es liegen hier recht komplizierte Musk
Verhältnisse vor, auf die ich mit Zugrundelegung der GrafFsch
Darstellung näher eingehen will. Im Schema sind sie dur
einfache Schraffierung ausgedrückt.
Unter dem Atriumepithel findet sich eine Musculai
bestehend aus einer Ring- und einer Längsfaserschichte, ersti
dem Epithel zunächst. Sie erscheint als eine direkte Fe
Setzung des Hautmuskelschlauches und setzt sich sowohl '<
den Penis und die Penisscheide als auch auf die Vagina f(
Ihr liegt dicht die Atrien- Eigenmuskulatur (Taf. I, Fig. 3, m
an, die nach außen, ebenso wie jene des Penisbulbus, von <
gemeinsamen Muskelhülle gegen das umgebende Mesench]
abgegrenzt wird. Erstere bildet ein äußerst dichtes Geflei
1 Pelm. moluccana besitzt beispielsweise Cilien nur im Atrium raas
linum.
2 Fehlt bei Pelm. sarasinorum, bei trimeni besteht er nur aus
gemeinsamen Muskelhülle, dagegen ist er bei moluccana wohlausgebildet
8 Eine solche besitzen nur Pelm. sarasinorum und trimeni.
Ober einige Landplanarien.
399
us Ring- und Längsfasern, die wiederum von radiären durch-
ogen werden, so daß daraus eine verfilzte Muskelmasse
esultiert Was die Zahl und Stärke aller dieser Fasern anlangt,
o ist sie ziemlich gleich. Da die Längsfasern nicht so lang
ind, daß sie den ganzen Kopulationsapparat umspannen
önnten, so biegen sie vielfach ab und verlieren sich in der
iuscularis des Atriums, wobei sie sehr leicht mit echten
ladiärfasem verwechselt werden können. Das Muskelgeflecht
5t hier ein so dichtes, daß man auf das seine Zwischenräume
rfüllende Bindegewebe hauptsächlich durch dessen massen-
aft vorhandene Kerne (Taf. I, Fig. 3, bk) hingewiesen wird.
)ie gemeinsame Muskelhülle besteht aus Längsfasern und
chütter verteilten Ringfasern.
An der Muskulatur des Penis i. e. S. kann man eine äußere
nd innere Schichte unterscheiden, die sich aus Ring- und
.ängsfasern zusammensetzen und welche als eine Fortsetzung
ier Atrienmuscularis aufzufassen ist. Dazwischen liegt eine
littelschichte, die Radiär- und Längsfasern enthält. Letztere
trahlen ebenso wie jene der Penisscheide auf den Penisbulbus
iber und stellen den Retractor penis dar. Anders verhält sich
iie Eigenmuskulatur des Penisbulbus (Textfig. 1 , p, und Taf. I,
'ig. 6, tnp). Hier wiegen entschieden die Ringfasern gegenüber
len Längs- und Radiärmuskeln vor, und da infolgedessen kein
o dichtes Muskelgeflecht gebildet wird, kann man stellenweise
las engmaschige Bindegewebe zwischen den Muskeln deut-
icher erkennen. Im Bereiche der Samenblase und des drüsigen
)uctus ejaculatorius (Taf. I, Fig. 6, dde und ddet) tritt die
Muskulatur fast vollständig zurück, um den Drüsen (dr) und
Misenausführungsgängen (drd) Platz zu machen.
Die beiden Vasa deferentia (vd) dringen, wie erwähnt, von
mten und hinten in den Penisbulbus (p) ein, durchbohren die
iußere Muskelhülle und münden in eine Samenblase (fs), die
ich distal retortenstielartig verschmälert und dann in den ganz
beträchtlich erweiterten drüsigen Ductus ejaculatorius (Text-
ig. 1, dde) übergeht. Ihre Wandung wird von kubischen, cilien-
osen Zellen gebildet.
Der drüsige Ductus ejaculatorius zerfallt in zwei von ein-
Inder verschiedene Abschnitte (Taf. I, Fig. 6, dde und ddex).
Sitzb. d. matbem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 26
400
B. Busson,
Das Epithel des proximalen Teiles wird von zahlreich
Drüsenausführungsgängen durchbohrt, die bei Anwendung <
van Gieson'schen Färbemethode eine gelbe Färbung annehn
und ebenso auch das Epithel tingieren. Das Innere wird ^
einem scheinbar homogenen Sekret erfüllt, das sich aber
stärkerer Vergrößerung in zahlreiche, feine Fäden (Fig. 6, d
auflösen läßt, die man bis an die Drüsenausführungsgäi
verfolgen kann.
Dieser Teil des Ductus ejaculatorius wird umstellt \
gelben Massen (Fig. 6, dra), die man auf den ersten Blick
Drüsen halten könnte, doch weist ein vollständiges Fehlen \
Kernen darauf hin, daß es sich hier nur um stark erweite
durch aufgestautes Sekret angeschwollene Drüsenausführun
gänge handelt, während die Drüsen außerhalb des Bulbus
suchen sind. Sie liegen vor demselben im Mesenchym, von
sie ihre Ausführungsgänge in diesen Teil des Ductus und v
einzelt auch in die Samenblase entsenden. Einige von die*
accessorischen Drüsen scheinen auch am Penis i. e. S. und
der Penisscheide auszumünden. Ganz anders nun verhält s
der distale Teil des drüsigen Ductus ejaculatorius (Fig. 6, dd
Er wird dicht kranzförmig umstellt von einzelligen Drüsen (<
deren kurze Ausführgänge das Epithel durchsetzen. Die Drü
selbst sind klein und von flaschen- oder birnförmiger Ges
und nehmen bei Hämatoxylinfärbung eine blaugraue Farbe
die auch auf das Epithel übergeht, welch letzteres sonst g<
jenem des vorhergehenden Abschnittes gleicht. Der Untersch
in der Färbung sowie in der Lagerung der Drüsen selbst ist
Gegensatze zu jenem früheren Abschnitte so auffallend, dal
wohl zu jener Sonderung beider Teile berechtigt. Im Sehe
ist das Epithel gleichmäßig dunkel gehalten. An diesen drüsij
Ductus schließt sich ein nichtdrüsiger (Textfig. 1, de) an,
ein sehr enges, T-formiges Lumen besitzt. Er ist länger als
drüsige Abschnitt, fast horizontalgestellt und mündet an
Penisspitze. Auf ihn setzt sich ein Teil der PenismuskuU
fort, die auf ihrem weiteren Verlaufe noch erheblich versü
wird insbesondere durch Hinzutreten von Ringmuskeln, die
dichten, konzentrischen Lagen angeordnet sind. Diese wieder
werden von Radiär- und einigen Längsfasern durchfloch
r
Ober einige Landplanarien.
401
Jegen den drüsigen Teil und gegen die Samenblase nimmt
tiese Muscularis erheblich an Stärke ab, wobei die Radiär-
asern vollständig verloren zu gehen scheinen; doch muß
rwähnt werden, daß die hier zahlreich ausmündenden Drüsen
ie Deutlichkeit der Bilder in dieser Beziehung ungünstig beein-
ussen.
Am weiblichen Kopulationsapparate fällt sogleich der
iangel jenes mächtigen, dorsalen Uterus auf, der den meisten
*elmatoplana- Arten zukommt. Es ist nur eine O'bmm lange
ragina (Textflg. 1 und Taf. I, Fig. 4, va) vorhanden, die im
/esentlichen von denselben schlanken und hohen Zylinder-
ellen ausgekleidet wird wie der Drüsengang. Auch hier besitzt
as Epithel ein mehr zottiges Aussehen infolge des stellen-
/eisen Verklebens der Cilien; es ist nicht drüsig und ebenso
lünden hier auch keine Schalendrüsen mehr aus.
Zweier eigentümlicher taschen artiger Gebilde muß noch
Erwähnung getan werden, die anscheinend dem weiblichen
tpparate zugehören. Rechts und links finden sich eingebettet
l die Atriummuskulatur je zwei Räume, Taschen (Textfig. 1, dt,
af. I, Fig. 3, 4, 5, dt, dt^), von denen die untere in die obere
lündet, die obere wieder jederseits seitlich durch einen Gang
raf. I, Fig. 4, dtg) mit dem Atrium femininum kurz vor der
lündungsstelle der Vagina in Verbindung (Textfig. 1 und Taf. 1.,
ig. 4, ö) steht. Die untere Tasche reicht weiter nach vorne als die
bere. Die Wände dieser Taschen werden von einem vollständig
latten Epithel ausgekleidet (Fig. 3 und 5) und von ihnen ziehen
uer und längs durch die Taschen Membranen (Fig. 3 und 5, mr\
ie den ganzen Raum in Fächer zerlegen. Die Membranen
elbst bestehen aus Bindegewebsfasern, an die sich zu beiden
»eiten dieselben platten Zellen legen, die auch die Wand-
ekleidung bilden.
Die beiden Taschen als solche (nämlich je eine obere und
ntere) werden durch eine kontinuierliche Bindegewebsfaser-
chichte (Fig. 3, ms) von einander geschieden. An die platten
Vandzellen legt sich außen ein eigenes Reticulum (Fig. 3
nd 5, R) an, das ausgesprochen bindegewebiger Natur ist.
>ieses Reticulum tritt umso schärfer hervor, als sich an das-
elbe die Muskulatur (Fig. 5, tn, m^) direkt anlegt. Die Maschen-
26*
402
B. Busson,
räume werden in ihrem Inneren von einem feinkörnigen Sekr
erfüllt und es liegen Kerne, hin und wieder auch Zellen dari
Auch die Ausführungsgänge der oberen Taschen sind an ihre
Ende (Fig. 4) dicht erfüllt von diesem Sekrete. Wo die eiger
liehen Drüsen liegen, läßt sich mit Sicherheit nicht feststelle
doch glaube ich, manchmal solche selbst wie deren Reste i
Reticulum gesehen zu haben. Ebensowenig vermag ich n
über die physiologische Bedeutung dieser drüsigen Tasch«
eine bestimmte Auffassung zu bilden. Ob sie bei der Eiablaj
oder Kopulation eine Rolle spielen und vielleicht Receptacu
seminis darstellen, bleibt späteren Untersuchungen vorbehalte
Der Kopulationsapparat von Pelm. willeyi ähnelt a
meisten jenem von G. micholitzi, wie er von Graff in sein
Textfig. 39 (p. 189) dargestellt wird. Unter den wenigen bish
bekannten Kopulationsapparaten von Pelmatoplana- Arten ste
er wieder dem von Pelm. moluccana (Graff, p. 196) s
nächsten, dem ebenfalls der dorsale Uterus fehlt und d
infolgedessen eine Art Bindeglied zwischen den weniger koi
pliziert gebauten Kopulationsapparaten der Geoplaniden U]
jenen der Pelmatoplanen darstellt. Er unterscheidet sich v
jenem der vorliegenden Spezies besonders durch das Fehl
einer Vagina und durch den Besitz eines größeren Penis.
Pelm. willeyi nimmt im System eine eigentümliche Stellui
insofern ein, als sie sowohl wichtige Merkmale der Geoplan
mit denen der Pelmatoplana- Arten vereint. Ich verweise die
bezüglich noch einmal kurz auf das vollständige Fehlen eir
Drüsenkante und eines dorsalen Uterus, hingegen auf das Vc
handensein einer breiten Kriechleiste und eines kräftig ei
wickelten Hautmuskelschlauches.
Zur besseren Unterscheidung der Pelm. willeyi von Pel
sondaica untersuchte ich nochmals die Präparate Prof.v.Graff
auf Grund welcher derselbe die in seiner Monographie (p. IS
enthaltenen Angaben über den Kopulationsapparat der let;
genannten Spezies machte. Daraus ergab sich folgend
Schema, das zwar die Kopulationsorgane in unreifem Zustan
vorstellt, aber doch genügt, um bei einem Vergleiche n
Ober einige Landplanarien.
403
Textfig. 1 jeden Verdacht einer Identität der beiden genannten
Formen zu beseitigen.
Fig. 2.
Schema des Kopulationsapparates von Pelm. sonäaica bei
17 maliger Vergrößerung.
ag Atrium genitale commune.
am Atrium masculinum.
c Penis.
de Ductus ejaculatorius.
ds Ductus seminalis.
eic Verbindungsgang zwischen Vagina und Uterus.
* Einmündungssteile desselben in letzteren.
od, odx Die beiden Ovidukte.
p Anlage des Penisbulbus.
u Uterus.
vs Uterusstiel.
va Vagina.
vd Die beiden Vasa deferentia.
va\ Abzweigungen derselben.
vs Samenblase.
Die Geschlechtsöffnung (gö) führt in ein senkrechtes Rohr,
welches sich zu einem wenig geräumigen Atrium genitale com-
mune (ag) erweitert, das sich seinerseits in ein geräumiges
Atrium masculinum (am) fortsetzt. In dem letzteren liegt der
Penis (c)t welcher den gebotenen Raum fast vollständig für
sich in Anspruch nimmt. Verglichen mit jenem von Pelm.
wükyi ist er erheblich größer und wird von einem sehr flachen
Epithel bedeckt, das sich zunächst auf die Atriumwand fort-
setzt, um hier jedoch bald höher zu werden. Eine Penisscheide
ist nicht angelegt, wohl aber ist der Penisbulbus (p) durch
404 B. Busson,
lockere Muskelfasern angedeutet, sowie am Grande des Penis
eine muskulöse Samenblase (vs). Die beiden Vasa deferenti&(fu£}
vereinigen sich zunächst zu einem Ductus seminalis (ds), der
einen großen Bogen macht und sich zur Samenblase (vs)
erweitert, von welcher der durch ein viel niedrigeres Epithel
ausgekleidete Ductus ejaculatorius (de) abgeht. Dieser mündet
nicht an der Spitze, sondern an der unteren Seite des Penis.
Die Vasa deferentia entsenden Abzweigungen (vdt) zu den
hinter dem Kopulationsapparate gelegenen Hoden. Die beiden
Ovidukte (od und odt) vereinigen sich zu einem horizontalen
Gange (va), der die Vagina darstellt und in das Artrium führt
Kurz hinter der Vereinigung der beiden Eileiter zur Vagina
geht von dieser dorsal trichterartig erweitert ein Gang (de) ab,
der schief nach oben und vorn aufsteigt und in die Ventral-
fläche des Uterus (U) bei * mündet Ein solcher Verbindungs-
gang zwischen Vagina und Uterus wurde von Graff bereits
für Artiocotylus speciosus beschrieben und abgebildet (1. c,
p. 208 ff.). Durch die Auffindung eines solchen bei Pelm.
sondaica unterscheidet sich diese Spezies von allen bisher
anatomisch bekannten Arten des Genus Pelmatoplana.
II.
G. bogotensls Graff, G. bogotensis var. bürgert
nov. var. und G. Olivacea Fr. Müller.
Es handelt sich um zwei bereits bekannte, aber noch
nicht anatomisch näher untersuchte Arten und eine neue
Varietät; es soll im folgenden die Anatomie dieser drei Formen
vergleichend dargestellt werden.
G. bogotensis Graff.
(Taf. I, Fig. 9 und 10; Textfig. 3.)
Dieselbe ist bereits von Graff (L c, p. 324, tab. III, fi& 12
bis 14) nach einem einzigen Exemplare beschrieben worden.
Mir lagen aus der Kollektion Prof. O. Bürger*» sieben Exem-
plare vor, sämtliche im Jänner und Februar 1897 gesammelt
Über einig« Landpl&narien. 405
Von diesen sind vier 1 Stunde östlich von Bogota auf dem
Weg» nach Ubaque in 2800 m Höhe, drei bei Paramo (über
Chipaque, eine halbe Tagreise östtich von Bogota^ im Orinoko-
Stromgebiete), zirka 3000 m hoch gefunden worden.
Form und Färbung stimmen mit Graff's Beschreibung;
bei den meisten Exemplaren ist das Vorderende eingezogen
und breit abgerundet, die von Paramo sind dunkler braun und
ihre hellen Linien weniger auffallend.
G. bogotensis var. bürgert nov. var.
(Taf. I, Fig. 8; Textflg. 4.)
Diese von Prof. 0. Bürger auf dem Wege von Bogota
nach Choache (1 Stunde von Bogota — Paramo) gesammelte
Geoplanide stimmt in sehr vielen und charakteristischen
Punkten, insbesondere im Baue des Kopulationsapparates und
der inneren Organe histologisch und anatomisch mit G. bogo-
tensis Graff überein.
Neben diesen wichtigen und vielfachen Übereinstimmungen
in den anatomischen Verhältnissen bestehen doch zwischen
beiden Formen habituelle Verschiedenheiten, die die Aufstellung
einer neuen Varietät gerechtfertigt erscheinen lassen.
Im Vergleiche mit G. bogotensis Graff ist G. bogotensis var.
bürgeri bedeutend schlanker und größer, und auch in der
Färbung des Rückens weichen beide von einander ab, wie aus
der nachfolgenden Beschreibung von G. bogotensis var. bürgeri
gegenüber jener, die Graff (1. c.) von G. bogotensis gibt, ersicht-
lich ist
Die Länge der mir vorliegenden Exemplare variiert
zwischen 45 und 19 mm. Der Körper erreicht seine größte
Breite in der Gegend des Kopulationsapparates und verjüngt
sich nach vorne allmählich, nach hinten schnell zu einer
stumpfen Spitze. Die Geschlechtsöffnung ist auffallend weit
nach hinten gerückt, wie. aus nachfolgender Tabelle ersicht-
lich ist.
An der breitesten Stelle des Körpers erreicht bei diesen
drei Individuen die Dicke
I 4 mm, II 2 mm, III 1 mm.
406 B. Busson,
Abstand vom Vorderende
der Geschlechts-
Körperlinge
Größte Breite
des Mundes
öffnung
I....
45
5
27
40
II....
... 33
3
22
28
III....
19
2-5
12
Bei dem ersten Exemplare war der Kopulationsapparat
vollständig ausgebildet, bei dem dritten war er noch gar nicht
angelegt, das zweite besaß die Geschlechtsöffnung und den
weiblichen Kopulationsapparat in der Anlage.
Obgleich der Querschnitt des Körpers in verschiedenen
Regionen sehr wechselt, vermute ich doch, daß die lebenden
Tiere abgeplattet sind. Die Kriechsohle nimmt ebenso wie bei
den beiden anderen Spezies die ganze ventrale Fläche in
Anspruch.
Die schmutziggelbe Grundfarbe (Taf. I, Fig. 8) kommt nur
in der hellen, medianen und in den beiden marginalen Streifen
des Rückens zur Geltung. Ersterer ist etwas breiter als die
beiden letzteren, welche sich gegen das Vorderende hin ver-
lieren, wogegen am hinteren Ende manchmal alle drei Streifen
konfluieren. Der Rest des Rückens ist mit dichtgestellten,
schwärzlichen Sprenkeln und Flecken bedeckt, die Seiten-
ränder mit einer schmalen, dunkelbraunen Einfassung ver-
sehen, welche sich gegen das rötlich gefärbte Vorderende
verliert. Die Sprenkelung kann je nach der größeren oder
geringeren Pigmentarmut dichter oder lockerer sein und dem-
entsprechend werden auch die Lateralzonen bald mehr homogen,
bald flockig erscheinen. Bei jungen Tieren sind die Lateral-
zonen dunkler, der Medianstreif mehr orange, auch ist die
Begrenzung der ersteren gegen letzteren eine schärfere, indem
die Sprenkel sich beiderseits zu zwei homogen erscheinenden,
schwarzen Linien als Einfassung des Medianstreifs verdichten.
Die Farbe der Bauchseite ist gleichmäßig gelbgrau, die Seiten-
kanten springen scharf vor.
Ober einige Landplanarien. 407
G. olivacea Fr. Müller.
(Taf. I, Fig. 11: Textfig. 5).
Die zahlreichen Exemplare dieser Art erbeutete Prof.
O. Bürger auf einer Wiese unter morschen Baumstämmen in
Alto (Paramo) von Sibate, 2800 m hoch, eine halbe Tagreise
südwestlich von Bogota (Paß der Randgebirge der Hochebene
auf dem Wege nach Fussagasegä). Außerdem liegen mir noch
ein vollständiges und fünf unvollständige Tiere vor, die Prof.
O.Bürger in Rio de San Francisco, Bogota (Columbien) im
Dezember unter Steinen auffand. Da diese letzteren in Chrom-
säure konserviert wurden, ist die Färbung vollständig verloren
gegangen, doch hat die anatomische Untersuchung dieser Tiere
ihre unzweifelhafte Identität mit G. olivacea ergeben.
Die Färbung der erstgenannten Exemplare stimmt auch
hier völlig mit den Abbildungen, die Graff in seiner Mono-
graphie (tab. IV, fig. 29 bis 33) gibt. Ich habe weniger der
Färbung als vielmehr der Körperform wegen ein Tier von der
Bauchfläche (Taf. I, Fig. 11) abgebildet und möchte hiezu noch
erwähnen, daß auch bei den mir zur Verfügung gestellten
Exemplaren die Bauchfläche analog den Angaben Graffs
(1. c, p. 299) ziemlich weitgehende Verschiedenheiten in der
Färbung aufweist.
Diese Form dürfte gleich G. rufiventris, mit der sie viel
äußere Ähnlichkeit hat, zu den flachsten Formen gehören. Die
Gestalt ist exquisit bandartig mit scharfen Seitenkanten. Die
Bauchseite ist vollständig flach, der Rücken kaum merklich
gewölbt und nur auf Schnitten durch das Vorderende erscheint
die Rückenfläche plan, die Kriechsohle konvex. Das Hinter-
ende spitzt sich rasch, das Vorderende mehr allmählich zu. Die
Tiere erreichen eine sehr beträchtliche Größe. So schätze ich
ein eingerolltes Exemplar auf 75 mm Länge bei einer größten
Breite von 1 1 mm und einer größten Dicke von 3 mm. Bei
einem 70 mm langen, ebenso breiten und dicken Exemplare
betrug der Abstand der Mundöfifnung vom Vorderende 40 mm,
der der Geschlechtsöffnung 50 mm; letztere liegt somit im
hintersten Drittel. Diese Angaben stimmen im allgemeinen auch
für die übrigen Tiere.
408 B. Busson,
Da bei sämtlichen von mir untersuchten Geoplaniden die
Augen sowie die Sinneskante makroskopisch und ohne Zuhilfe-
nahme künstlicher Aufhellung nicht sichtbar sind, so werde
ich auf diese bei Besprechung der Sinnesorgane näher ein-
gehen.
1. Das Epithel und seine Einlagerungen.
G. bogotensis. Die größte Höhe (20 p.) erreicht das Epithel
hier auf der Kriechsohle,1 in den seitlichen Partien sowie auf
der Rückenseite ist es dagegen etwas niedriger (15 bis 17 |i).
Cilien beobachtete ich sowohl auf der ventralen als dorsalen
Fläche; auf der ersteren erreichen sie die ansehnliche Länge
von 5 n, dagegen vermisse ich dieselben an den Seitenrändern.
Von Stäbchen finden sich im Epithel fast ausschließlich Rhab-
diten vor, die besonders in den Randpartien äußerst dicht
gelagert sind. Auch in der Kriechsohle treten sie verhältnis-
mäßig zahlreich auf, so daß der Unterschied in dieser Be-
ziehung gegenüber den umgebenden seitlichen Partien kein
besonders scharfer zu nennen ist, abgesehen vom vorderen
Körperende, wo die Drüsen-, respektive Sinneskante eine deut-
liche Grenze bildet. Die Länge der Stäbchen entspricht im
allgemeinen der des Epithels oder überragt dieses nur um
Weniges. Erheblich kleinere Rhabditen finden sich vorwiegend
in der Kriechsohle und den anstoßenden Partien vor. Rham-
miten sind nur spärlich dorsal und seitlich vorhanden. Sie
fallen weniger durch große Länge als vielmehr durch Schlank-
heit und ihre bis gegen die Enden gleichbleibende Breite au£
auch ttngieren sie sich meist rötlicher. Drüsensekret als Ein-
lagerung in und zwischen den Epithelzelien findet sich in
geringer Menge vorwiegend dorsal.
Dies gilt im wesentlichen auch für G.bogotensis var. bürgert
und olivacea, nur ist bei dieser letzteren der Höhenunterschied
zwischen den dorsalen und ventralen Epithelsellen erheblich
größer, auch sind diesen die Stäbchen in viel geringerer Zahl
eingelagert.
1 Bei allen Geoplaniden, ausgenommen G. rufiventris, ist das dorsale
Epithel höher als das ventrale.
Über einige Landplanarien. 409
Beachtenswert erscheint mir, daß in manchen Stäbchen-
bildungszellen bei G. olivacea Rhabditen und Rhammiten
nebeneinander auftreten, in anderen dagegen entweder diese
oder jene allein.
Bei allen war die Sinneskante stets frei von Stäbchen jeder
Art, Chondrocysten wurden nicht beobachtet
2. Basalmembran.
Am besten entwickelt finde ich die Basalmembran bei
G. bogotensis var. bürgert, und zwar ist sie auf der dorsalen
Seite besonders in der Gegend des Kopulationsapparates
stärker ausgebildet als auf der ventralen. Hie und da entsendet
sie Fortsätze nach innen, wie Jjima für die von ihm unter-
suchten Süßwassertrikladen angegeben hat. Sehr dünn ist sie
dagegen bei G. bogotensis und G. olivacea.
3. Drüsen der Haut
Was zunächst die Drüsenkante betrifft, so beginnt dieselbe
bei G. bogotensis var. bärgeri dicht hinter dem Vorderende und
reicht, die Sinneskante streckenweise auch dorsal umsäumend,
bis in die Gegend der Keimstöcke. Bei G. olivacea und bogotensis
erstreckt sie sich weiter nach rückwärts, nämlich bis in die
Pharyngealgegend, und liegt hier stets unter der Sinneskante.
Zu beachten ist jedoch, daß sie bei G. bogotensis einige Milli-
meter hinter der Kopfspitze beginnt.
Die typische Säulenform weisen die Kantendrüsen bei
allen hier in Betracht kommenden Arten auf, mit Ausnahme
von G. bogotensis var. bürgeri, wo sie eine gedrungene, birn-
förmige Gestalt besitzen und in kleine Büschelchen gruppiert
erscheinen.
Nach Graff schließen sich die erythrophiien Körnerdrüsen
der Haut und die Kantendrüsen gegenseitig aus, nur Doi.
fcüdeui besitzt beide Drüsenformen, während bei PolycL Gayi
und Rkynch. terrestris die Kantendrüsen durch gewöhnliche
erythrophile Hautdrüsen vertreten werden. Die drei von mir
untersuchten Formen vermehren die Zahl der eben namhaft
gemachten Ausnahtnsfiüle, und zwar schließt sich G. bogotensis
410 B. Busson,
var. bürgert an Rhynch. terrestris und PolycL Gayi an, da augen-
fällige Unterschiede zwischen den Kantendrüsen und den
erythrophiien Hautdrüsen nicht bestehen, während G. bogotensis
und olivacea Übereinstimmung mit Dol. feildeni zeigen, da
neben den gut charakterisierten Kantendrüsen erythrophile
Hautdrüsen auftreten. Zu erwähnen ist allerdings, daß die
Hautdrüsen von G. bogotensis insofern einige Abweichung
zeigen, als sie statt des gewöhnlichen körnigen Sekretes eine
fädige, netzartig angeordnete Substanz enthalten, die sich
rötlichviolett tingiert. Da aber einige dieser Drüsen deutliche,
jedoch etwas gequollene Sekretkügelchen aufweisen, so ver-
mute ich, daß in jenen Zellen, wo diese Drüsenkörnchen als
solche nicht mehr kenntlich sind, eine stärkere Quellung des
Sekretes durch das mir unbekannte Konservierungsmittel statt-
gefunden hat. Infolge dieser starken Quellung würden die ein-
zelnen Sekretkügelchen mit ihren peripheren Teilen verkleben,
respektive verbacken und dadurch ein unregelmäßiges, derbes
Maschenwerk in den Zellen selbst vortäuschen. Diese letzteren
sind von birnförmiger Gestalt und entsenden breite, unver-
ästelte Ausführungsgänge in das Epithel.
Am zahlreichsten finden sich die Hautdrüsen bei G. bogo-
tensis, wo sie besonders in den seitlichen Partien des Rückens,
niemals aber im Bereiche der Sinneskante oder Kriechsohle
münden. In der Medianzone trifft man nur sehr selten auf ihre
Ausführungsgänge, dagegen häufen sich die Drüsen in der
Schwanzspitze zu dichten Büscheln und münden hier nach
allen Richtungen aus.
Auf die Histologie der Drüsenkante gehe ich nicht weiter
ein, da sie bei allen Formen mit den Graff'schen Angaben (1. c,
p. 44, 66) übereinstimmt.
Am mächtigsten entwickelt ist sie bei G. olivacea. Hier
reichen die lang und säulenartig ausgezogenen Zellenleiber
tief in das Mesenchym, dieses zum großen Teile ganz erfüllend.
Es liegen ganz ähnliche Verhältnisse hier vor wie bei G. rnfi-
ventris. Die größten in continuo zu verfolgenden Drüsen
erreichen eine Länge von 0*4 mm.
Cyanophile Schleimdrüsen finden sich bei allen drei
Formen. Am zahlreichsten treten sie bei G. olivacea auf, bei
Über einige Landplanarien. 411
welcher sie ihrer Hauptmasse nach in der Kriechsohle aus-
münden, diese schon dadurch als solche kennzeichnend. Fast
ausschließlich auf die Kriechsohle beschränkt sind sie bei
G. bogotensis, was in Beziehung zu den massenhaft dorsal und
seitlich mündenden erythrophilen Drüsen stehen dürfte.
4. Bindegewebe und Pigment.
Das Mesenchym von G. bogotensis und G. olivacea hat
sich sehr schlecht konserviert und es sind von demselben nur
einzelne Kerne und Bälkchen erhalten geblieben. Bei G.bogotensis
var. bürgert bildet dasselbe ein grobmaschiges Netzwerk,
bestehend aus derberen und membranartig verbreiterten Bälk-
chen. In den Maschenräumen oder an den Bälkchen selbst
liegen große, rundliche oder ovale Kerne, die einen zentralen
Nucleolus enthalten und außer diesem Bäikchengerüste und
den Kernen konnte ich auch hier und dort sich verästelnde
Bindegewebszellen sehen.
Ein gelbes bis dunkelbraunes, körniges Pigment bedingt
die Färbung der beiden Längsstreifen und die der Randein-
fassung von G. bogotensis. Es ist der Hauptsache nach an
jenes Bindegewebe gebunden, das sich zwischen der Längs-
muskulatur und dem Epithel vorfindet, dringt jedoch auch
zwischen denselben in die Tiefe. Ganz ähnlich liegen die Ver-
hältnisse bei G. bogotensis var. bürgeri, nur scheinen mir die
dunklen Fleckchen zum Teile durch besondere Pigmentzellen
hervorgebracht zu sein. Viel weniger deutlich tritt der Farbstoff
an den Schnittpräparaten von G. olivacea dicht unterhalb des
Körperepithels auf.
5. Muskulatur.
G. oogotensis besitzt einen gut entwickelten Hautmuskel-
schlauch, der aus einer Ring- und Diagonalfaserschichte und
aus Längsmuskelbündeln besteht. Diese letzteren sind unter
der Kriechsohle höher als auf der dorsalen Seite, doch stehen
hier die einzelnen Elemente in den Bündeln lockerer als dort,
wo bis zu 25 Fasern in einem Bündel vereinigt sind. An den
Längsfasern läßt sich eine zentrale Sarkoplasmaschichte und
412 B. Busson,
eine breite, kontraktile Rinde erkennen; doch scheinen neben
diesen, besonders ventral, auch homogene, einfache Fasern
vorzukommen. Dorsal und ventral ist der Hautmuskelschlauch
ziemlich gleich kräftig entwickelt, dagegen bedeutend schwä-
cher gegen die Seitenkanten, wo er im Bereiche der Drüsen-
und Sinneskante sehr reduziert wird. Gegen beide Enden
nimmt er an Stärke ab. Bezüglich der Parenchymmuskulatur
läßt sich nur sagen, daß alle drei Faserarten vorhanden sind,
die transversalen, welche am zahlreichsten sind und zwei
Hauptzüge ober und unter dem Darme erkennen lassen,
schwächer die dorsoventralen und am schwächsten die longi-
tudinalen Fasern. G. bogotensis var. bürgert hat einen etwas
schwächer entwickelten Hautmuskelschlauch, es treten weniger
Fasern zu Längsmuskelbündeln zusammen. Im wesentlichen
stimmt er jedoch mit obigem überein. Die Fasern des Paren-
chyms sind in geringer Anzahl vorhanden, dafür sind sie
jedoch im einzelnen kräftig ausgebildet, besonders wieder die
longitudinalen, die deutlich eine Mark- und kontraktile Rinden-
schichte erkennen lassen. Auch hier sind alle drei Faserarten
vertreten, die sich jedoch nicht in Züge und Bündel gruppieren
lassen. Die longitudinalen finden sich am zahlreichsten zwi-
schen den Darmästen mit den dorsoventralen verflochten, die
transversalen unter und über dem Darme.
Der Hautmuskelschiauch von G. olivacea zeigt im all-
gemeinen Übereinstimmung mit jenem von G. bogotensis, nur
sind die ventralen und dorsalen Bündel weniger differenziert
und es ist eine doppelte Ringmuskellage vorhanden. Die
Parenchymmuskulatur ist nur schwach entwickelt, die dorso-
ventralen Fasern sind vorherrschend. Im Vorderende verstärken
sich die longitudinalen etwas, so daß man hier fast von einem
Retraktor sprechen könnte.
6. Organe der Verdauung.
Wie schon aus den früheren Angaben ersichtlich ist, liegt
die Mundöffnung bei allen drei Formen entweder am Ende des
zweiten oder zu Anfang des letzten Körperdrittels. Sie ist bei
G. bogotensis etwa in der Mitte der Pharyngealtasche gelegen
Über einige Landplanarien. 413
und führt direkt in die nicht sehr geräumige und von dem
vielfach in Falten gelegten Pharynx fast vollständig ausgefüllte
Pharyngealtasche. Der Darmmund liegt in der Längsachse des
Thieres, der Pharynx ist kragenförmig, die obere Pharyngeal-
falte entspringt von der hinteren Partie der dorsalen Taschen-
wand.
Bei G. bogotensis var. bürgert führt die enge Mundöffnung,
welche hier an das Ende der Pharyngealtasche zu liegen
kommt und von dem Epithel der Kriechsohle ausgekleidet
wird, direkt in diese über. Der Pharynx inseriert an der dor-
salen Wand der Pharyngealtasche und diese läuft ventral und
nach vorne in einen längeren Biindsack aus, da sowohl die
Mundöffnung als auch die Ansatzstelle des Pharynx an ihr
hinteres Ende gerückt sind. Dies bedingt ferner, daß auch
der Darmmund mehr nach der dorsalen Seite verschoben er-
scheint. Das Epithel der Pharyngealtasche besteht seitlich und
an der hinteren Wand aus kubischen bis zylindrischen Zellen,
wogegen der vordere Blindsack von platten Zellen aus-
gekleidet wird. Der Pharynx selbst ist kurz, an dem distalen
Ende glockenartig erweitert und stellt eine Zwischenform
zwischen einem typisch zylindrischen und einem kragen-
förmigen Pharynx vor. Seiner Gestalt nach scheint er nicht
weit ausgestoßen zu werden, wohl aber imstande zu sein,
eine große Fläche zu bedecken.
Der Mund von G. olivacea liegt etwa in der Mitte der
Pharyngealtasche. Diese selbst ist ziemlich geräumig und setzt
sich manchmal ähnlich wie bei G. argus (Graff, 1. c, p. 98)
nach hinten in einen längeren Blindsack fort. Das Epithel ist
ventral etwas höher als seitlich und dorsal und wird von
kubischen Zellen gebildet. Der Pharyngealtasche liegt außen
eine aus Ring- und Längsfasern bestehende Muscularis an.
Der Pharynx ist kragenförmig und die Insertion der oberen
und unteren Falte ähnlich wie bei Choeradopl. iheringi.
Bezüglich des Darmes sei erwähnt, daß sich im vorderen
Hauptdarme und dessen Divertikeln intracellulär gelegene,
rhabditenähnliche Gebilde vorfinden, die sich mit Eosin stark
rot färben. Dieselben fanden sich auch bei G. bogotensis, doch
läßt sich dort über ihre Lage, ob intercellulär oder intra-
414 B. Busson,
cellulär, nichts aussagen, da bei dieser Form die Zellkonturen
nicht mehr zu sehen waren.
Am Schlüsse muß ich hinzufügen, daß sich bei G. bogo-
tensis Pharyngeal- und Kopulationsapparat räumlich ungewöhn-
lich nahe stehen, indem sich die hintere Wand der Pharyngeal-
tasche direkt an letzteren anlehnt (Textfig. 3).
7. Nervensystem und Sinnesorgane.
Das zentrale Nervensystem ist bei sämtlichen Formen
nach ein und demselben Typus gebaut. Es besteht aus einer
diffusen Nervenplatte, welche sich quer durch den ganzen
Körper, stets unter dem Darme gelegen, ausspannt und keiner-
lei Differenzierung in Längsstämme oder Kommissuren er-
kennen läßt; sie bildet ein zusammenhängendes Geflecht mit
unregelmäßigen, größeren und kleineren Lückenräumen.
Auch hier will ich jenen Teil der Nervenplatte, der die
vorderen Grübchennerven entsendet, als Gehirn bezeichnen,
obgleich diese Partie sich von der nachfolgenden bloß dadurch
unterscheidet, daß sie kompakter, dicker und mit einem
dichteren Ganglienzellenbelag ausgestattet ist.
Es liegt hier also derselbe Typus des zentralen Nerven-
systems vor, wie er den meisten breiten, neotropischen Geo-
plana-Avten zukommt. Es zweigen dorsal, seitlich und ventral
relativ breite Nerven ab, die jedoch — nur wenige im Vorder-
ende ausgenommen — der Ganglienzellen entbehren. Am
Seitenrande geht die Nervenplatte meist direkt in den sub-
cutanen Nervenplexus über.
Unter der Pharyngealtasche und dem Kopulationsapparate
werden die Lückenräume begreiflicherweise größer und das
ganze Gewebe lockerer. Über die Lagerung der Geschlechts-
organe zum zentralen Nervensysteme werde ich bei diesen
berichten.
Der Hautnervenplexus ist in jeder Körperpartie nachweis-
bar und zeigt ein engmaschiges Aussehen.
Die Sinneskante umsäumt bei G. bogotensis als schmaler
Streif das Vorderende und reicht jederseits seitlich zirka 4 mm
weit nach hinten. Dicht hinter dem Vorderende ist sie am
Ober einige Landplanarien. 415
breitesten und verschmälert sich dann allmählich immer mehr
gegen ihr Ende zu.
Die Epithelialplattenschichte ist 10 (X hoch und trägt halb
so lange Cilien. In die Sinneskante sind einreihige und dicht-
gestellte Sinnesgrübchen eingesenkt, die eine Tiefe von 35 [t
bei einer Breite von 1 2 (t besitzen und deren Epithel halb so
hoch ist wie die Epithelialplattenschichte. Das äußere Ende der
Grübchen ist erweitert, das innere weist keinerlei Ausbuchtung
auf. Die Grübchen reichen über die Sinneskante etwa 1 mm
weiter nach hinten.
Den früheren Angaben sei noch hinzugefügt, daß sich
besonders in den seitlichen Partien des Gehirns, also in den der
Sinneskante zunächst gelegenen, die Ganglienzellen dichter
anhäufen, so daß man an der Gehirnpartie ein rechtes und
linkes sensorielles Ganglion unterscheiden könnte, welche sich
fast so weit, als wie die Sinneskante reicht, erstrecken. Über
diese hinaus verschwindet die Masse der Ganglienzellen und
diese treten nur mehr an den Grübchennerven zahlreicher auf.
Während also im Bereiche der Sinneskante diskrete Grübchen-
nerven fehlen, respektive zu einer Art Ganglion verschmolzen
erscheinen, da sie mit dem Gehirne fast unmittelbar verbunden
ist, treten solche an den freien Grübchen wieder etwas deut-
licher auf.
Diese Angaben treffen mit nur wenigen Einschränkungen
auch für G. bogotensis var. bürgert und olivacea zu. Die Sinnes-
kante ist hier bedeutend schmäler und bei den in Rio de San
Francisco gesammelten Exemplaren von G. olivacea scheinen
sich die Grübchen auf die Sinneskante zu beschränken.
Was die Augen betrifft, so handelt es sich stets um inver-
tierte Kolbenaugen, wie sie bei Geoplaniden allgemein vorzu-
kommen scheinen und deren Bauart Graff eingehend für
G. rufiventris beschreibt. Bei G. bogotensis liegen die Augen
zum Teil in den Maschen des Mesenchyms und im Nerven-
plexus unter dem Hautmuskelschiauche. Am äußersten Vorder-
ende findet man sie bis zu sieben auf einer Seite im Quer-
schnitte, und zwar dorsal gelagert, wogegen sie etwas weiter
nach hinten sich mehr auf die Zone der Seitenkanten be-
schränken, wo sie sich bis in die Gegend der Keimstöcke zu
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 27
416 B. Busson,
1 bis 5 jederseits, von da ab jedoch nur mehr zu 1 bis 3 jeder-
seits vorfinden; zugleich werden die Abstände zwischen den
Augen größer, ihre Lage wieder eine mehr dorsale. Sie reichen
bis an das Hinterende und sind hier ziemlich tief ins Mesen-
chym, nach innen vom Hautnervenplexus eingebettet.
Die ovalen oder kugeligen Pigmentbecher öffnen sich stets
gegen das Epithel, wobei die Öffnungen von einer deutlich
kenntlichen Cornealzelle verschlossen werden.
Die Augen stehen vollständig unregelmäßig jederseits ange-
ordnet und ihre Zahl dürfte 200 bis 300 betragen. Abgesehen
davon, daß auch im Vorderende nicht unerhebliche Schwan-
kungen in den Größenverhäitnissen der einzelnen Augen zu
konstatieren sind, ist es bemerkenswert, daß ungefähr 6 mm
von der Kopfspitze entfernt die Augen nur mehr zirka die halbe
Größe besitzen.
Die kugeligen Augen von G. bogotensis var. bürgert finden
sich längs des ganzen Körperrandes; am Vorderende zu 2 bis 3
jederseits dicht über der Sinneskante gelegen, steigert sich
ihre Zahl bald bis 5, wobei sie auch eine mehr dorsale Lage
einnehmen. Der Pigmentbecher mißt 32 (i im Durchmesser und
rückt manchmal so nahe gegen das Epithel, daß die eine Hälfte
zwischen die Bündel des Hautmuskelschlauches zu liegen
kommt.
Abgesehen von den Größenunterschieden des Pigment-
bechers, welcher bei G. olivacea 50 (i beträgt, stimmen die Seh-
organeder genannten Form mit denen vonG. bogotensisvax. bürgert
überein. Zu erwähnen wäre nur, daß bei G. olivacea die Lage
der Augen, je entfernter diese vom Vorderende stehen, eine
desto mehr dorsale wird, d. h. sie finden sich seitlich gar nicht
mehr, dorsal aber bis in die Medianzone hinein.
8. Geschlechtsorgane.
Im Baue der Geschlechtsorgane zeigen alle drei Formen
große Übereinstimmung, selbst darin, daß bei allen mehrere
Nebenkeimstöcke auftreten. Die Kopulationsapparate von
G. bogotensis und G. bogotensis var. bürgeri stimmen bis auf einige
unbedeutende Unterschiede, auf welche ich gleich zu sprechen
komme, völlig überein.
Über einige Landplanarien. 417
Weibliche Geschlechtsdrüsen. Die Keimstöcke sind
stets oval, ihre Längsachse fällt mit jener des Körpers zu-
sammen. Am größten sind sie bei den in Alto gefundenen
Exemplaren von G. olivacea, wo Längs- und Breitendurch-
messer 560 [t, respektive 200 p, betragen, bedeutend kleiner bei
den anderen Exemplaren dieser Art. Sie liegen bei G. bogotensis
und olivacea ventral und seitlich vom vorderen Hauptdarme,
jederseits in einer Vertiefung der Nervenplatte, während sie bei
G. bogotensis var. bürgeri von dorsoventralen Parenchymmuskeln
umsponnen und auf diese Weise hängend über der Nerven-
platte befestigt werden. Außerdem laufen hier zwischen Keim-
stock und Nervenplatte noch transversale Fasern durch. Ihr
Abstand von dem Vorderende ist sehr verschieden. Er beträgt
für G. bogotensis 3 • 5 mm, für G. bogotensis var. bürgeri 5 mm,
für G. olivacea 7 bis 10 mm.
Bei einem von mir in Schnitte zerlegten Exemplare letzt-
genannter Form erhält die rechte weibliche Gonade infolge
durchtretender transversaler Fasern ein gelapptes Aussehen,
welches an die von Graff (1. c, p. 152, tab. XXIII, fig. 10)
beschriebenen Ovarialaussackungen (Parovare) erinnert. Eine
strukturlose Tunica propria als äußere Hülle der Keimstöcke
oder doch Reste einer solchen konnte ich stets nachweisen.
Bei G. bogotensis var. bürgeri bildet das Stroma im Innern ein
weitmaschiges Netzwerk, in dessen Lückenräumen die Eizellen
Hegen; es besteht jedoch nur mehr aus Bälkchen; Zellen oder
Kerne sind nicht vorhanden.
Die Keimzellen sind am größten bei G. bogotensis, am
kleinsten bei G. olivacea. Ihr großer und meist exzentrischer
Kern ist bläschenartig und enthält häufig ein unregelmäßiges
Gerüstwerk und einen ebenfalls exzentrisch gelegenen, kleinen
Binnenkörper.
Alle drei Formen besitzen außer den gewöhnlichen, der Regel
entsprechenden beiden Keimstöcken in größerer oder geringerer
Anzahl noch kleinere, die ich Nebenkeimstöcke nennen will.
Dieselben gleichen bezüglich ihres histologischen Aufbaues
den ersteren vollkommen, die Keimzellen sind meist ausgereift.
Ich habe einen solchen Nebenkeimstock von G. bogotensis auf
Tat I, in Fig. 9 abgebildet. Sie sind in das Mesenchym
27*
418 B. Busson,
eingebettet und werden manchmal durch etwas stärkere Binde-
gewebsfasern (f) mit dem Ovidukte verbunden. Ihre Lage zu
letzterem ist eine wechselnde, indem sie ventral, seitlich außen
oder innen von diesem liegen können. Auch sonst ergeben sich
Unregelmäßigkeiten, indem sich beispielsweise bei G. bogotensis,
welche sechs solche Nebenkeimstücke besitzt, vier auf der
rechten, zwei auf der linken Seite, bei G. bogotensis var. bürgert
fünf auf der rechten, drei auf der linken vorfinden, wobei auch die
Abstände der Keimstöcke untereinander, ebenso wie ihre Größe,
sehr verschieden sind. Merkwürdigerweise fehlt jede Verbin-
dung sowohl mit den beiden Hauptkeimstöcken als auch unter-
einander oder mit den Ovidukten. Auch Bergendal1 suchte
vergeblich nach einer solchen, vermutet jedoch eine Verbindung
mit dem Ovidukte. Obgleich der Erhaltungszustand der mir vor-
liegenden Tiere gewiß kein günstiger zu nennen ist, glaube ich
doch mit einiger Sicherheit behaupten zu können, daß hier
keine derartigen Verbindungen bestehen, sowie daß diese
Nebenkeimstöcke jeglicher Andeutung von Ausführungsgängen
entbehren.
Als ich diese Nebenkeimstöcke zuerst bei G. bogotensis
sah, lag die Vermutung nahe, daß es sich hier um versprengte
Keimzeilen handeln dürfte, wofür insbesondere auch die Asym-
metrie in Größe und Lage etc. sprach. Nachdem sie sich jedoch
auch bei den anderen beiden Formen, von denen mehrere
Exemplare geschnitten wurden, stets wiederfanden, liegt der
Gedanke nahe, daß es sich hier vielleicht um einen Rückschlag
zu den Polykladen handelt. Allerdings müßte diese Tatsache
noch vor allem für marine Tricladen in ausgedehnterem Maße
erwiesen werden, was dann einen nicht unwesentlichen Beweis
für die Theorie Lang's liefern würde, nach der die Tricladen
von den Polycladen abzuleiten sind.
Die Ovidukte entspringen bei G. bogotensis var. bürgert
seitlich und außen, bei G. bogotensis und olivacea dorsal an den
Keimstöcken. Bei G. olivacea entsendet der Eileiter von seiner
1 Meines Wissens wurde bisher nur einmal für Uteriporus als Anomalität
ein drittes Ovar von Bergendal aufgefunden. D. Bergendal, Studier öfver
Turbellarier II. Om Byggnaden of Uteriporus BGDL. Jämte Andro Bitrag Till
Trikladernes Anatomi, Lund 1896.
Über einige Landplanarien. 419
ventralen Wand eine Ausstülpung in das Innere des Keim-
stockes. Die Verbindungsstelle der Ovidukte mit den Gonaden
ist von einem Zellkomplexe verschlossen, der hier den Zweck
haben dürfte, das Eindringen der Spermatozoen in die letztere
zu verhindern, da beispielsweise bei G. bogotensis bis zu dieser
Stelle die Ovidukte von Sperma erfüllt sind. Die Wandschichte
der Eileiter wird von cilientragenden, prismatischen Zellen mit
großen, ovalen Kernen gebildet. Die Kerne selbst sind parallel
aufgereiht, die Cilien wie gewöhnlich spiralig gedreht. Nur bei
einem Exemplare von G. olivacea fand ich die Kerne häufig
wurstförmig und querliegend. Eine schwache Ringmuscularis
fand ich stets am Beginne des Eileiters, die sich später meist
durch Hinzukommen von Längsfasern verstärkt. Die Ovidukte
verlaufen bei allen drei Formen über der Nervenplatte ziemlich
parallel bis in die Gegend der Geschlechtsöffnung, wo sie sich
dann bogenförmig aufwärts wenden. Über dem Atrium femi-
ninum knicken sie plötzlich nach innen ein und bilden, indem
sie von rechts und links zusammentreffen, eine auf die Sagittal-
achse des Körpers senkrechte Röhre. Von dieser Knickung an
wird jeder Ovidukt (Texfig. 3 und 5, od) zum Drüsengang (drg),
in welchen massenhaft erythrophile Drüsen einmünden.
Die Dottertrichter stellen stets einfache Ausstülpungen der
dorsalen Wand der Ovidukte dar, ihr distales Ende ist meist
etwas erweitert. Eine ansehnlichere schüsselartige Verbreiterung
fehlt hier vollständig.
Die Dotterstöcke beginnen bei G. bogotensis schon vor den
Keimstöcken und reichen bis an das Hinterende. Sie gruppieren
sich auch hier um den Darm und drängen zwischen dessen
Asten durch. Niemals aber liegen sie unter der Nervenplatte,
obgleich diese ziemlich hoch verläuft.
Bei G. bogotensis var. bürgeri und olivacea sind die Dotter-
follikel nur in ihrer ersten Anlage vorhanden, und zwar als
einzelne, kleine, runde, im Mesenchym zerstreute Zellen.
Männliche Geschlechtsdrüsen. Die Hoden treten bei
G. olivacea schon ein gutes Stück vor den Keimstöcken auf, bei
G. bogotensis und G. bogotensis var. bürgeri zugleich mit diesen.
Sie liegen stets auf der dorsalen Seite über dem Darme oder
zum Teile zwischen den Darmästen bis zu fünf auf jeder Seite
420 B. Busson,
und reichen bis in die Nähe des Pharynx. Dichtgedrängt und
oft übereinandergeschoben sind sie bei G. olivacea, während
sie sonst nebeneinander lagern.
Ob diese eben genannte Verschiebung der Hoden speziell
bei G. olivacea der Wirklichkeit entspricht oder nur auf Kon-
traktionserscheinungen zurückzuführen ist, vermag ich nicht
mit Sicherheit zu entscheiden. Wäre ersteres der Fall, so würde
diese Form ebenso wie manche Cotyloplanen in dieser Be-
ziehung einen Übergang zu der als »gehäuft« bezeichneten
Hodenanordnung bilden.
Die Vasa efferentia entspringen von der ventralen Wand
der Hoden mit einer ansehnlichen, trichterartigen Erweiterung;
hiedurch erscheinen die Hoden birnförmig ausgezogen. Ihr Bau
stimmt mit der von Graff gegebenen Darstellung überein. Auch
hier zeigen die Spermatozoen ein fädiges Aussehen und lassen
einen Kopf- und einen Schwanzteil erkennen.
Die Vasa deferentia verlaufen bei allen drei von mir unter-
suchten Geoplaniden dorsal über den Ovidukten.
Bei G. olivacea biegen sie vor dem Kopulationsapparate
nach innen und stoßen in der Medianlinie zusammen. Von der
Vereinigungsstelle des rechten und linken Vas deferens ent-
springt ein drüsiger Ductus seminalis (Textflg. 5, ds), der
zunächst senkrecht aufsteigt, dann jedoch abbiegt und in das
Atrium als Ductus ejaculatorius (de) mündet. Die Vasa defe-
rentra selbst nehmen nach ihrer Einbiegung (vdx) erythrophile
Drüsen auf und ihr Lumen hat sich beträchtlich erweitert. Sie
bilden als ventrale Ausstülpung zwei »falsche äußere« Samen-
blasen (vsx und vss).
Bei G. bogotensis und G. bogotensis var. bürgert biegen die
Samenleiter (Textfig. 3 und 4, vd, vdL)> beim Kopulationsapparat
angelangt, etwas aufwärts, dringen in die Muskulatur des
männlichen Apparates ein und münden getrennt in eine Samen-
blase (vs). Zuerst ist das Epithel in den Samenleitern platt und
cilienlos, von den Knickungsstellen an nehmen die Zellen eine
kubische Gestalt an. Eine Muscularis läßt sich nur an den End-
teilen der Vasa deferentia konstatieren, dieselbe verstärkt sich
an den echten Samenblasen. Die Vasa efferentia schlängein
sich dorsoventral absteigend zwischen den Darmdivertikeln
Über einige Landplanarien.
421
durch, wobei ihr Durchmesser 10 |x beträgt. Die aus platten
Zellen gebildete Wandschichte der Hoden setzt sich direkt
in die Vasa efferentia fort, Cilien konnte ich mit Sicherheit nur
bei G. olivacea konstatieren. Hier besteht die Wandung des
weiten Trichters aus einem 2 |x hohen Plattenepithel, dessen
Zellen 10 (i lange Cilien tragen.
Der Kopulationsapparat. G. bogotensis (Textfig. 3).
Durch die Geschlechtsöffnung gelangt man in ein Atrium
genitale commune (ag)y welches sich nach vorne und hinten in
Fig. 3.
Schema des Kopulationsapparates von G. bogotensis bei 9maliger
Vergrößerung.
af Atrium femininum.
ag Atrium commune.
agx Ausbuchtung desselben.
am, amx Atrium masculinum.
c Penis.
ddt Ductus ejaculatorius.
dr Schalendrüsen.
drg Vereinigung der beiden Drüsengänge.
go Geschlechtsöffnung.
m Muscularis des Atrium masculinum.
mam Eigenmuskulatur desselben.
mdw Muskulöse Drüsenwülste desselben.
mh Gemeinsame Muskelhülle des Kopulationsapparates.
tttw1 Dorsaler Muskelwulst.
mx Von Drüsen erfülltes Muskelgeflecht.
od Linker Ovidukt.
pht Pharyngealtasche.
va Vagina.
vdy vdx Vasa deferentia.
vs Samenblase.
422 B. Busson,
das Atrium masculinum (am) und femininum (af) fortsetzt.
Gerade über der Geschlechtsöffnung senkt sich dorsal ein
Muskelwulst (tntvj herab, der das weibliche und männliche
Atrium scharf voneinander scheidet. Als direkte Fortsetzung
des Hautmuskelschlauches findet sich an der Geschlechts-
öffnung, den Atrien und der Vagina (va) eine Muscularis,
bestehend aus einer doppelten Ring- und Längsfaserschichte.
Beide Atrien sind in eine lockere, gemeinsame Muskelhülle (mh)
eingebettet, welche aus Längs-, Rifig- und Radiärfasern besteht
und seinerseits gegen das Mesenchym durch Längmuskeln ab-
gegrenzt wird. Ein Teil der Muskulatur (nix) des Atrium
masculinum stößt direkt an die hintere Wand der Pharyngeal-
tasche (pht). In diesen Teil dringen die verjüngten Vasa
deferentia (vd, vdt) ein und münden getrennt in eine Samen-
blase (vs), von welcher dorsal der vielfach gewundene Ductus
ejaculatorius (dde) abgeht und in das Atrium masculinum
mündet. Die Maschen des Muskelgeflechtes dieser vorderen
mit mx bezeichneten Partie sind dicht erfüllt von grobkörnigem
Drüsensekrete und Kernen, respektive Drüsenzellen. Die Aus-
führungsgänge derselben dringen zum Teil in die kubischen
Epithelzellen der Samenblase und des Ductus ejaculatorius ein,
so daß dieselben vollständig von Drüsensekret erfüllt werden.
Außen liegt dem Epithel eine schwache Ringmuskeischichte an.
Der Ductus ejaculatorius öffnet sich an der Spitze einer
kleinen Ringfalte, die als rudimentärer Penis zu betrachten ist,
indem der darauffolgende Abschnitt aml unter denselben
Gesichtspunkt fällt wie der homologe Teil des Atrium mas-
culinum von G.bogotensis var. bürgert (siehe dort). Der größte Teil
des männlichen Atrium (am) ist mit Fältchen und Papillen ver-
sehen, die ich als muskulöse Drüsenwülste (mdw) bezeichnen
will. In sie münden zahlreiche Drüsen mit breiten Ausführungs-
gängen ein, deren Zelleiber zum Teil in dem Muskelgeflechte
(mx), zum Teile seitlich davon liegen.
Die Fasern der überhaupt sehr kräftig entwickelten Mus-
cularis des Atrium masculinum (Taf. I, Fig. 10, m) zeichnen
sich durch bedeutende Dicke aus und dringen in die Papillen
selbst ein, indem sie zum Teil unter dem Epithel derselben ein
Geflecht bilden, zum Teil im Innern nach allen Richtungen
Über einige Landplanarien. 423
verlaufen, wobei sie nicht selten Spiraitouren beschreiben (Wj).
Diese Bauart der Papillen läßt darauf schließen, daß die
muskulösen Drüsenwülste das Sekret mit großer Kraft aus-
zuspritzen vermögen, sobald sich die Muskeln zusammen-
ziehen. Es ist dieses umso wahrscheinlicher, als sowohl die
übrige Atrien muskuiatur als auch jene des Ductus ejaculatorius
schwach entwickelt ist. Das Epithel, welches diese Wülste
bekleidet, hat sich zum größten Teil abgelöst. In den Krypten
und am freien Ende der Papillen (ep) ist es verhältnismäßig
hoch, in den seitlichen Partien jedoch derartig gelagert, daß der
Eindruck eines Plattenepithels hervorgerufen wird.
Wir haben es hier also mit einem eigenen muskulösen
Drüsenapparate zu tun, der dieselbe physiologische Bedeutung
haben dürfte, wie die Adenodactilen und Adenochiren.
Das Atrium femininum (af) ist sehr geräumig und seine
Wandung vielfach ausgebuchtet. Von der hinteren Wand steigt
bogenförmig die Vagina (va) zur Vereinigungsstelle der beiden
Drüsengänge (drg) auf. In das Atrium femininum und die
Vagina münden erythrophile Drüsen, doch scheint auch das
Epithel selbst sekretorische Funktion erlangt zu haben.
In Textfig. 4 ist ein Teil des männlichen Kopulations-
apparates von G. bogotensis var. bürgert dargestellt. Die ab-
t^hi
man
Fig. 4.
Schema eines Teiles des männlichen Kopulationsapparates von
G. bogotensis var. bürgert bei 9 maliger Vergrößerung.
am, amx Atrium masculinum.
c Penis.
de Ductus ejaculatorius.
mam Eigenmuskulatur des Atrium masculinum.
vd Vasa deferentia.
vs Samenblase.
424 B. Busson,
weichende Bauart dieser Partie des Kopulationsapparates gegen-
über jener von G. bogotensis ist jedoch nur scheinbar und die
Homologie beider Teile gibt sich sofort zu erkennen, wenn man
die verschiedenartigen Kontraktionszustände gebührend berück-
sichtigt. Auch hier besteht das Atrium masculinum aus zwei ver-
schiedenen Abschnitten (siehe Textfig. 3, am, amj, einem
kleineren (amj, in dem der durch einfache Ausstülpung der
Atrienwandung gebildete Penis (c) liegt, und einem größeren
{am), in dessen Inneres zahlreiche, muskulöse Drüsen Wülste vor-
springen, ebenso wie bei G. bogotensis. Der erste Teil und die
Oberfläche des Penis werden von einem cilientragenden,
kubischen Epithel bekleidet, ebenso wie der in Textfig. 3
mit am1 bezeichnete Abschnitt des Kopulationsapparates von
G. bogotensis.
Abgesehen von einer etwas anderen Entwicklung der
akzessorischen Drüsen des männlichen Atriums, die bei
G. bogotensis var. bürgeri weniger lokalisiert sind und sich in
der ganzen Muskelhülle finden, stimmt der Kopulationsapparat
der eben genannten Form in allen Einzelheiten mit jenem von
G. bogotensis überein.
G. olivacea (Textfig. 5). In Bezug auf die Ausführungs-
gänge der Geschlechtsdrüsen ist hervorzuheben, daß die Vasa
deferentia vor ihrer Vereinigung mehrfach zu falschen Samen-
blasen (vsv vs2) anschwellen. Ferner vermißt man hier eine
innere echte Samenblase.
Der durch Vereinigung der beiden Vasa deferentia (bei vpd)
entstandene Ductus seminalis (ds) steigt senkrecht nach auf-
wärts und biegt sich dann scharf nach abwärts, um von oben
her in die Muskulatur des männlichen Kopulationsorganes ein-
zudringen. Nach mehreren Windungen in dessen hinterer und
unterer Wand mündet der Ductus ejaculatorius (de) an der
Ventralfläche des Atrium masculinum aus, ohne daß es hiebei
zur Bildung eines Penis käme. Sowohl in den letzten erweiterten
Abschnitt der Vasa deferentia (vdt) als auch in den ganzen
Ductus ejaculatorius (de) münden erythrophile Drüsen in
großer Zahl ein. Das Epithel dieser Teile trägt Cilien und erhält
durch die eintretenden Sekretpfröpfe stellenweise ein zottiges
Aussehen.
Über einige Landplanarien.
425
Ein Atrium commune erscheint hier bloß durch das kurze,
von der Geschlechtsööhung aufsteigende Rohr repräsentiert,
das Atrium femininum entbehrt der Faltenbildungen und ver-
engt sich ganz allmählich zu seinem, die beiden Drüsengänge
aufnehmenden blinden Ende, so daß sich kein deutlicher
Vaginalteil abgrenzen läßt, weder der Form nach, noch histo-
va drj
rstvst
Fig. 5.
Schema des Kopulationsapparates von G. olivacea bei 9maliger
Vergrößerung.
af Atrium femininum.
am Atrium masculinum.
de Ductus ejaculatorius.
dr Schalendrüsen.
drg Vereinigung der beiden Drusengänge.
ds Ductus seminalis.
gd Geschlechtsöffnung.
mh Gemeinsame Muskelhülle.
od Linker Ovidukt.
va Vagina.
vd Vas deferens.
vdi Drüsiger Abschnitt desselben.
vdp Vereinigungsstelle der beiden Vasa deferentia zum Ductus semina-
lis (ds).
vsv ft?2 Falsche Samenblasen.
z Drüsenzone.
logisch, da der ganze weibliche Raum mit einem Drüsenepithel
mit eingekeilten Sekretballen erythrophiler Drüsen ausgekleidet
ist. Die Wand des Atrium masculinum weist große, in ihr
Lumen vorspringende Falten auf, ist durchwegs von dem
gleichen Drüsenepithel ausgekleidet, ohne jedoch muskulöse
Drüsenwülste zu bilden. Das Geflecht der gemeinsamen Muskel-
hülle ist hier sehr locker und, während sonst die akzessorischen
426 B. Busson,
erythrophilen Drüsen dasselbe allenthalben durchsetzen, er-
scheinen dieselben hier fast ganz auf eine Ringzone an der
Grenze der beiden Atrien (z) konzentriert, die jener Stelle ent-
spricht, wo sonst der — hier fehlende — dorsale Muskelwulst
vorzuspringen pflegt.
Die Exkretionsorgane habe ich bei meinen Untersuchungen
völlig außeracht gelassen, dagegen habe ich am Schlüsse noch
eines Parasiten Erwähnung zu tun. Es ist dies eine Gregarine
(Monocystidee), die sich im ganzen Körper von G. olivacea in
enormer Anzahl zwischen allen Organen im Bindegewebe vor-
findet. Eine ähnliche, vielleicht auch dieselbe Monocystidee,
fand Krsmanovic (1. c.) bei G. steenstrupi, wogegen Gregarinen
sonst zumeist nur aus dem Darme der Landplanarien bekannt
sind. Im vorliegenden Falle sind sie von eiförmiger oder runder,
selbst langgestreckter Gestalt und bergen einen großen, scharf
konturierten Kern, der seinerseits wieder einen größeren und
1 bis 3 kleinere Binnenkörper enthält. Der Plasmaleib wird von
einer dünnen, aber sehr deutlichen Cuticula umhüllt, an der ich
jene öfters beobachtete charakteristische Streifung vermisse.
Das Plasma selbst erscheint wabig strukturiert oder grob ge-
körnelt. So wie die Gestalt, wechselt auch die Größe der Tiere.
Die größten werden 180(1 lang und 100|t breit, wobei der
Durchmesser des runden Kernes 35 ja, der des größten Binnen-
körpers 10 (t beträgt.
Über einige Landplanarien. 427
Erklärung der Tafel.
Fig. 1 bis 7. Pelmatoplana willeyi n. sp.
Fig. t. Ein schmutziggelbbraun gefärbtes Exemplar, schief von obenher
betrachtet, bei 4 maliger Vergr.
Fig. 2. Ein rötliches Exemplar in Seitenansicht, bei 4 maliger Vergr.
Fig. 3. Querschnitt durch den Kopulationsapparat in der Gegend des Atrium
genitale commune. Hiebei ist nur die eine Hälfte dargestellt, um die
rechtsseitigen Drüsentaschen zu zeigen; bei 100 maliger Vergr.
Fig. 4. Querschnitt durch den Kopulationsapparat in der Gegend des Atrium
femininum und der beginnenden Vagina. Dieser Schnitt zeigt die
Ausfuhrungsgänge der rechten und linken Drüsentaschen bei 100-
maliger Vergr.
Fig. 5. Querschnitt durch das den Drüsentaschen nach innen anliegende
Reticulum in teilweiser Darstellung bei 600 maliger Vergr.
Fig. 6. Querschnitt durch den Penisbulbus und den drüsigen Ductus ejacula-
torius bei 100 maliger Vergr.
Fig. 7. Ein Teil des Geflechtes der Vasa intermedia unter dem rechten
Längsnervenstamm bei 30 maliger Vergrößerung, halbschematisch
konstruiert.
G. bogotensis var. bürgert nov. var.
Fig. 8. Ein Stück aus der Mitte in dorsaler Ansicht bei 3 maliger Vergr.
Fig. 9 und 10. G. bogotensis Graf f.
Fig. 9. Querschnitt durch einen Nebenkeimstock und den Ovidukt Zirka
100 malige Vergr.
Fig. 10. Sagittalschnitt durch einen muskulösen Drüsenwulst des Atrium
masculinum bei zirka 100 maliger Vergr.
G. olivacea Fr. Müller.
Fig. 11. Ein Exemplar von der Bauchseite. Natürliche Größe.
428 B. Busson,
Buchstabenbezeichnung.
af Atrium femininum.
ag Atrium genitale commune.
au Augen.
B Bindegewebe.
bg Hülle von Bindegewebsfasern.
bk Bindegewebskerne.
bm Basalmembran.
c Aus dem Genitalporus hängender Kokon.
dde, ddel Drüsiger Ductus ejaculatorius.
dr Drüsen.
dra, drax Drüsenausführungsgänge.
drf Drüsensekretfäden.
dt, dt1 Drüsentaschen.
dtg Ausführungsgang der letzteren.
ep, epx Epithel.
/ Bindegewebsfaser.
hml, hmlx Längsmuskelbündel.
hmr, hmr^ Ringmuskeln des Hautmuskelschlauches.
k Kriechleiste.
kd Cyanophile Drüsen.
kda Ausführungsgänge derselben im Epithel.
m Muscularis.
m1 Von dieser in das Innere der Drüsen wülste abzweigende Muskel-
fasern.
mlv Longitudinale Fasern der Parenchymmuskulatur.
m'ö Mundöffnung.
mp Muskulatur des Penisbulbus.
mqd, mqv Transversale Parenchymmuskelfasern.
mr Membranen in den Drüsentaschen.
ms Bindegewebsfasern.
mw Eigenmuskulatur der Atrien.
mwl Longitudinale Fasern der Eigenmuskulatur.
mwr Radiäre Fasern der Eigenmuskulatur.
n Nervenplatte.
nl Längsnervenstamm.
np Hautnervenplexus.
od Ovidukt.
Über einige Landplanarien. 429
ö Ausmündungsstelle des linksseitigen Drüsentaschenganges.
ov Keimstock.
R Bindegewebiges Reticulum.
ie Hoden.
tp Tunica propria.
va Vagina.
vd Vas deferens.
ve Vas efferens.
vi Vasa intermedia.
x Auftreibung über dem Kopulationsapparate.
430
XIII. SITZUNG VOM 22. MAI 1903.
Erschienen: Monatshefte für Chemie, Bd. XXIV, Heft III (März 1903).-
Mitteilungen der Erdbeben-Kommission, Neue Folge, Nr. XIII.
Das k. M. Dr. Karl Freiherr Auer v. Welsbach übersendet
den zweiten Teil seiner Arbeit: »Die Zerlegung des Didyms
in seine Elemente«.
Ferner übersendet derselbe ein versiegeltes Schreiben
zur Wahrung der Priorität mit der Aufschrift: »Zerlegung
des Erbiums in seine Elemente«.
Das w. M. Prof. R. v. Wettstein überreicht eine Abhand-
lung von Dr.Emerich Zederbauer, betitelt: »Myxobacteriaceae.
eine Symbiose zwischen Pilzen und Bakterien«.
Das w. M. Hofrat J. Hann überreicht eine Abhandlung
von Prof. Dr. P. Czermak in Innsbruck unter dem Titel: Ȇber
Elektrizitätszerstreuung in der Atmosphäre«.
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Schuyten, M. C: Over de snelheit der uitstralings wannte
van het lichaam. (Mededeeling uit het stedelijk Paedologisch
Laboratorium Antwerpen.) 8°.
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Taf.I.H.
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SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATH EM ATISCH -NATURWISSENSCHAFTUCHE KLASSE
CXII. BAND. VI. HEFT.
ABTEILUNG I.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTAIXOGRAPHIEt BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
28
m
XIV. SITZUNG VOM 4. JUNI 1903.
Erschienen: Monatshefte Cur Chemie, Band XXIIT, 1902; Register.
Der Vorsitzende, Prof. E. Sueß, macht Mitteilung von
dem Verluste, welchen die Klasse durch das am 4. Juni 1. J.
erfolgte Ableben ihres inländischen korrespondierenden Mit-
gliedes, Professors Dr. Leopold Gegenbauer, erlitten hat.
Die anwesenden Mitglieder geben ihrem 'Beileide durch
Erheben von den Sitzen Ausdruck.
Prof. Friedrich Berwerth erstattet den dritten Bericht über
(Jen Fortgang der geologischen Beobachtungen im Süd-
flügel des Tauerntunnels.
Franz Baron Nopcsa jun. übersendet bezüglich des
Inhaltes seiner am 7. Mai 1. J. vorgelegten Abhandlung: »Dino-
saurierreste aus Siebenbürgen Tu (Weitere Schädel-
reste von Mochlodon)« eine Mitteilung.
Prof. Dr. Anton Waßmuth übersendet eine Mitteilung zu
seiner in der Sitzung am 7. Mai 1. J. vorgelegten Abhandlung:
»Ober die bei der Biegung von Stahlstäben beob-
achtete Abkühlung«.
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht zwei Arbeiten
aus seinem Laboratorium:
I. Ȇber die Darstellung des Crotonaldazins und
dessen Umlagerung in Methylpyrazolin«, von
Stabsarzt Dr. Jaroslav Hladik.
II. »Über Gärungsamylalkohol«, von Anton Kailan.
28*
434
Das w. M. Hofrat J. Wiesner legt eine im pflanzen-
physiologischen Institute von Herrn Adolf Peter ausgeführte
Arbeit vor, betitelt: »Beiträge zur Anatomie der Vege-
tationsorgane der Gattung Bostuellia*.
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Caracciolo, Rosario: L'etere formol-monometilbiossibenzina
nella tubercolosi. Messina, 1903. 8°.
Ermenyi, Phil. Dr.: Dr. Josef Petzval's Leben und Verdienste.
(Zweite Auflage.) Halle a. S., 1903. 8°.
Haeckel, Ernst: Kunstformen der Natur. 8. Lieferung. Leipzig
und Wien.
Karner, Lambert, P.: Künstliche Höhlen aus alter Zeit. Wien,
1903. 4°.
Mal uta, Gustavo: Principii di suggestione terapeutica. Padua,
1903. 8°.
Sonn blick -Verein: Erster bis elfter Jahres-Bericht für die
Jahre 1892 bis 1902. Wien. 4°.
Toldt, K.: Karl Langer Ritter v. Edenberg. Eine Gedenkrede
zur Feier der Aufstellung eines Denkmales für denselben
in den Arkaden der Wiener Universität. Wien und Leipzig,
1903. 8°.
University of Montana: Bulletin, Nr. 9, 10, 13, 14. 8°.
435
XV. SITZUNG VOM 12. JUNI 1903.
Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 111, Abt. IIa, Heft X (Dezember 1902).—
Mitteilungen der Erdbeben-Kommission, Neue Folge, Nr. XIV.
Das w. M. Prof. Guido Goldschmiedt übersendet eine im
chemischen Institute der k. k. deutschen Universität in Prag
ausgeführte Arbeit von Dr. R. v. Hasslinger, betitelt: »Der
sogenannte »kohlige Rückstand« von der Destillation
des Schwefels ist ein Eisencarbid«.
Dr. Adolf R. Michniewicz in Czernowitz übersendet eine
Abhandlung mit dem Titel: »Die Lösungsweise der
Reservestoffe in den Zellwänden der Samen bei
ihrer Keimung«.
Prof. E. v. Oppoizer überreicht folgende zwei Druck-
werke:
I. Definitive Resultate aus den Prager Polhöhen-
messungen von 1889 bis 1892 und von 1895 bis
1899. Auf öffentliche Kosten herausgegeben von Prof. Dr.
L. Weine k. Prag, 1903; 4°.
II. Die Polhöhe von Prag nach den in den Jahren
1889 bis 1892 und 1895 bis 1899 nach der Horrebow-
Talcatt'schen Methode von L. Weinek, G. Gruß,
R. Spitaler, R. Lieblein und E. v. Oppoizer ange-
stellten Beobachtungen, bearbeitet von Dr. Egon
Ritter v. Oppoizer. (Mit einem Vorworte von Geh. Regie-
rungsrat Prof. Dr. Theodor Alb recht.) Prag, 1903; 4°.
Herr Friedr. Aug. Otto in Düsseldorf übersendet eine
weitere Mitteilung über die Auflösung des irreduziblen
Falles der Cardanischen Formel.
439
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht eine in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeit: »Überführung des dem
Isobutyraldol entsprechenden 1,3-Glykoles in ein iso-
meres 1,4-Glykol«, von G. Mossler.
Das w. M. Hofrat E. v. Mojsisovics überreicht den »All-
gemeinen Bericht uq<4 Chroqik der im Jahre 1902 im
Beobachtungs'gebiete eingetretenen Erdbeben«.
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Cooke, Theodore: The flora of the presidency of Bombay.
Part III, Caesalpineae to Rubiaceae. London, 1903; 8°.
Watzof, Spas: Tremblements de terre en ßulgarie. No.2. Liste
des tremblementsi de terre observes pendant Tannee 1901.
Sofia, 1903; 8°.
437
XVI. SITZUNG VOM 18. JUNI 1903.
EfiKkienen: Monatsheft© für Chemie, Bd. XXIV, Heft IV (April 1903).
Der Vorsitzende, Prof. E. Sueß, macht Mitteilung von
dem Verluste, welchen die Klasse durch das am 10., beziehungs-
weise 14. Juni 1. J. erfolgte Hinscheiden ihrer ausländischen
korrespondierenden Mitglieder, Prof. Luigi Cremona in Rom
und Prof. Dr. Karl Gegenbaur in Heidelberg, erlitten hat.
Die anwesenden Mitglieder erheben sich zum Zeichen
ihres Beileides von den Sitzen.
Prof. J. Seh äff er in Wien spricht den Dank für die
Zuerkeimung des Lieben-Preises aus.
Dr. Alfred Exner hat gemeinsam mit Dr. G. Holzknecht
mit den von der hohen kaiserlichen Akademie der Wissen-
schaften in Wien zur Verfügung gestellten Mitteln Unter-
suchungen über die biologischen Wirkungen der Becquerel-
Strahlung angestellt und zunächst das Augenmerk auf die
nach Bestrahlung der menschlichen Haut entstehende Derma-
titis gerichtet
Dr. Guido Holzknecht hat mit den seitens der hohen
kaiserl. Akademie zur Verfügung gestellten Mitteln an der
H. Syphilisabteilung des k. k. allgemeinen Krankenhauses in
Wien (Vorstand Prof. E. Lang) die Wirkung der Radium-
strahlung auf pathologische Produkte der Haut untersucht und
konnte feststellen, daß bei Psoriasis vulgaris die schuppen-
bedeckten Infiltrate nach der Bestrahlung verschwinden, die
Schuppen abfallen und nur leicht pigmentierte Stellen für einige
438
Zeit zurückbleiben. Dieses Resultat wird durch eine relativ
geringe Strahlenmenge hervorgebracht. Es genügt dazu die
eine Minute lange Bedeckung der Stelle mit dem direkt auf-
gelegten stärksten Präparat.
Prof. Dr. Emil Waelsch in Brunn übersendet eine Ab-
handlung mit dem Titel: »Über Binäranalyse« (II. Mitteilung).
Kustos Friedrich Sieben rock übersendet eine Abhandlung,
betitelt: »Über zwei seltene und eine neue Schildkröte
des Berliner Museums«.
Ing. Ferdinand Kryz in Wien übersendet ein versiegeltes
Schreiben zur Wahrung der Priorität mit der Aufschrift: »Eine
mikrochemische Methode zur genauen Bestimmung
des spezifischen Gewichtes von Flüssigkeiten, von
denen nur eine sehr kleine Menge zur Verfügung
steht«.
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht zwei in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeiten:
I. Ȇber das Glykol aus tso-Valeraldehyd und iso-
Butyraldehyd«, von Viktor Jeloönik.
II. »Einwirkung von verdünnter Schwefelsäure auf
das aus Isovaleraldehyd erhaltene Glykol«, von
Max Morgenstern.
439
Über zwei seltene und eine neue Schildkröte
des Berliner Museums
von
Kustos Friedrich Siebenrock.
(Mit 1 Tafel.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 18. Juni 1903.)
Ein mehrtägiger Aufenthalt am königlichen Museum für
Naturkunde in Berlin, Mitte Mai 1. J., bot mir die Gelegenheit,
die schöne und reiche Schildkrötensammlung daselbst zu
studieren. Dank dem freundlichen Entgegenkommen sowohl
von Seite des Direktors, Herrn Geh. Regierungsrates Professors
K. Mob i us, als auch meines Fachkollegen, Herrn Professors
G. Tornier, welch letzterer mir in der liberalsten Weise die
genannte Sammlung zur Verfügung stellte, gelang es mir, bei
zwei seltenen Arten zu konstatieren, daß sie von den Autoren
genetisch ganz falsch beurteilt worden waren. Außerdem konnte
für Zentralafrika eine neue, sehr interessante Art aus derGattung
Testudo Linne aufgestellt werden.
Clemmys nigricans Gray.
Diese Art wurde von Gray (Proc. Zool. Soc, 1S69, p. 195)
zur Gattung Damonia Gray gestellt, ihre Charaktermerkmale
stimmen jedoch vollkommen mit der Gattung Clemmys Wagl.
überein. Die Alveolarfläche des Oberkiefers ist schmal, ohne
mediane Längskante, die Choanae liegen zwischen den Augen-
höhlen und der Kopf wird oben von einer glatten, ungeteilten
Haut bedeckt
Das Berliner Museum besitzt von dieser Art fünf Exemplare
aus Ningpo in China. Die Rückenschale des größten Exemplares
440 F. Siebenrock,
ist 160 mm lang, HO mm breit, die des kleinsten Exemplares
105 mm lang und 75 mm breit.
Rückenschild ellipsoid, vorne schmäler als hinten, bei
jüngeren Exemplaren gewölbt mit sehr deutlichem Vertebral-
kiel, der sich auf dem zweiten bis fünften Vertebrale zu einem
starken Längswulst erhebt. Beim größten Exemplar wird der-
selbe undeutlich und der Rückenschild flacht sich erheblich ab.
Vorderrand der Schale nicht ausgeschnitten, Hinterrand in der
Femoralgegend etwas ausgedehnt und hinten abwärts geneigt,
zwischen den Suprakaudalschildern eingekerbt. Seitenrand bei
kleineren Exemplaren kaum vorstehend, bei den größeren ab-
gerundet. Vertebralia breiter als lang, am breitesten das vierte.
Erstes Vertebrale vorne bedeutend breiter als hinten; vordere
Seitenkanten des zweiten und dritten Vertebrale kürzer als die
hinteren und vordere Mittelkante breiter als die rückwärtige.
Zweites und drittes Vertebrale schmäler als die entsprechenden
Costalia. Nuchale,sehr deutlich, dreieckig, die Spitze nach, vorne
gekehrt, hinten so breit als lang. Die Supracaudalia stoßen mitten
winkelig zusammen und bilden nach oben einen Kiel. Schilder
der Rückenschale bei jungen Exemplaren deutlich konzentrisch
gefurcht, bei den größeren ganz glatt. Die Kostalschilder weisen
ajqch beim kleinsten Exemplar nicht die geringste Spur eines
Seitenkieles auf.
Plastron schmäler als die Schalenöffnung, Vorderlappen
abgestutzt und ebenso breit als der Hinterlappen, der winkelig
ausgeschnitten ist. Breite der Brücke geringer als die Länge des
Hinterlappens. Längste Mittelnaht zwischen den Abdominal-
schildern, kürzeste zwischen den gularen; nur bei zwei Exem-
plaren ist letztere ebenso lang als die humerale und anale
Mittelnaht; die femorale ist länger als die anale. Axillar- und
Inguinalschüder gut entwickelt, erstere länger, aber schmäler
als letztere.
Kopf klein, Schnauze unbedeutend vorspringend,. Kopfhaut
ungeteilt. Oberkiefer mitten deutlich ausgeschnitten, Alveolar-
fläqhe schmal ohne mediane Kante, Choanae zwischen den Augen
gelegen. Vorarm vorne mit breiten bandartigen Schuppen bedeckt,
deren freier Rand sehr scharf gezähnelt ist. Diese feinet Zähne-
lung tritt besonders bei den Schuppen des größten Exemplares
Schildkröten des Berliiwr Museums. 441
sehr deutlich auf. Schwanz &/2- bis 472mal in der Länge der
Rückenschale enthalten.
Rückenschale lichtoliven, die einzelnen Schilder dunkel
gerandet, in der Vertebralgegend schwarz. Plastron gelb, jeder
Schild mit einem schwarzen Fleck, der die lateral gelegene,
große Areole entweder ganz oder zum größten Teil einnimmt,
weshalb die schwarzen Flecken eine viereckige Form haben.
Die kleinsten Schilder, nämlich die gularen und zuweilen die
analen, besitzen auch die kleinsten Flecken. Auf der Brücke
zwei schwarze Flecken, von denen einer auf dem pektoralen, der
andere auf dem abdominalen Teil gelegen ist, die aber niemals
mitsammen verschmelzen. Von den Marginalen haben bloß die
lateralen, die mit der Brücke in Verbindung stehen, an der Unter-
fläche einen dreieckigen schwarzen Fleck, die vorne und hinten
gelegenen sind einfach gelb gefärbt und ganz schmal schwarz
eingesäumt
Kopf oben und die Kiefer lichtolivengrün, Hals oben und
seitlich braun, Vom hinteren Augenrand zieht ober dem Tym-
panum ein gelber Streifen nach hinten, der sich gewöhnlich
längs des Halses fortsetzt. Über diesem läuft noch ein zweiter
am Halse, der erst hinter dem Schädel beginnt. Unterseite des
Kopfes und Halses gelb gefärbt. Vordergliedmaßen vorne und
außen braun, innen gelb; Schwanz braun mit gelben Längs-
streifen.
Clemmys nigricans Gray besitzt habituell die meiste
Ähnlichkeit mit CL caspica Gm., von der sie sich aber sowohl
durch die Form der Vertebralschilder und des Nuchale als auch
insbesondere durch die sehr charakteristische Färbung unter-
scheidet. Sie gehört somit in die erste Gruppe der von
Bouienger (Cat p. 101) aufgestellten Synopsis der Gattung
Clemmys Wagl.T deren Arten dadurch gekennzeichnet sind, daß
ihre anale Mittelnaht kürzer ist als die femorale. Somit lautet
die Synopsis dieser Gruppe nach Einreihung dfer obgenannten
Art folgendermaßen:
Hinterrand der Schale abgerundet, vordere Seitenkante des 2.
bis 3. Vertebtale ebenso lang als die hinteren; Oberkiefer
mitten ausgeschnitten, fein gezahnt caapica.
442 F. Siebenrock,
Hinterrand der Schale abgerundet, vordere Seitenkanten des
2. bis 3. Vertebrale ebenso lang als die hinteren; Oberkiefer
mitten ausgeschnitten, nicht gezahnt leprosa.
Hinterrand der Schale abgerundet, vordere Seitenkanten des
2. bis 3. Vertebrale kürzer als die hinteren; Oberkiefer
mitten ausgeschnitten, nicht gezahnt nigricans.
Hinterrand der Schale gesägt; Oberkiefer nicht ausge-
schnitten japonica.
Hinterrand der Schale gesägt; Oberkiefer mitten ausge-
schnitten schmackeri.
Cinixys nogueyi Lataste.
Lataste (Le Natural. 1886, p. 286) stellte diese Art, welche
in zwei Exemplaren am oberen Senegal gesammelt wurde,
zur Gattung Homopus D. B. Lataste legte bei der Beurteilung
der Gattung den Hauptwert auf die Größe und Verbindungs-
weise der Inguinaiia, die eben vollkommen mit denen von
Cinixys belliana Gray übereinstimmen, und übersah dabei das
wichtigste Merkmal, nämlich die Beweglichkeit des Rücken-
schildes. Denn hätte der genannte Autor das größere der beiden
Exemplare genauer untersucht, so würde er gefunden haben,
daß der hintere Teil des Rückenschildes beweglich ist. Somit
kann die in Rede stehende Art nur zur Gattung Cinixys Bell
gehörig betrachtet werden.
Das Berliner Museum besitzt davon elf Exemplare von
45 bis 220 mm Schalenlänge, die insgesamt aus dem Togoland
stammen, und zwar von Bismarckburg, Gandu, Gao Haussari am
Garua-Benue, Misahöh und Pama-Gurma.
Bei einem jungen Exemplar von 64 mm Schalenlänge, das
nahezu genau mit der Beschreibung von Lataste's Homopus
nogueyi übereinstimmt, ist die Beweglichkeit des Rückenschildes
in seinem hinteren Abschnitte allerdings noch nicht erkennbar,
allein mit fortschreitendem Wachstum tritt dieselbe immer
deutlicher hervor. Sowohl die Form der Schale als auch die
große Ähnlichkeit in der Färbung mit Cinixys belliana Gray
begünstigen bei erwachsenen Tieren eine Verwechslung der
beiden Arten.
Schildkröten des Berliner Museums. 443
Cinixys nogueyi Lataste läßt sich jedoch kurz in folgender
Weise charakterisieren: Vordergliedmaßen mit vier Krallen,
Mittelnaht der Analschiider kürzer oder höchstens ebenso lang
(bei einigen jungen Exemplaren) als die der gularen. Rücken-
schale entweder ganz lichtolivengrün gefärbt oder die einzelnen
Schilder mit einem braunen Rand umgeben; niemals aber werden
Radienbildungen an den Rändern der Schilder oder schwarze
Flecken auf den Areolen wie bei C. belliana Gray bemerkt.
Somit unterscheidet sich C. nogueyi Lataste von C. belliana
Gray durch die geringere Zahl von Krallen an den Vorderglied-
maßen, durch die kürzere anale Mittelnaht im Verhältnis zur
gularen und durch die einfachere Färbung des Rückenschildes.
Die von Bou lenger, c. 1. p. 140, gegebene Synopsis der Gattung
Cinixys Bell muß dementsprechend in der Gruppe II, wie folgt,
ergänzt werden:
II. Rand der Rückenschale weder aufwärts gebogen noch
gesägt; Nuchalschild anwesend.
Vordergliedmaßen mit fünf Krallen belliana.
Vordergliedmaßen mit vier Krallen nogueyi.
Die letztere Art scheint nur im Norden des westlichen
Afrika heimisch und daher mehr lokalisiert zu sein als die
erstere Art, deren Verbreitung sich auch südlich vom Äquator
und weit gegen Osten hin erstreckt.
Testudo tornieri nov. spec.
Ein getrocknetes Exemplar von 160 mm Schalenlänge, das
von Dr. F. Stuhl mann bei Bussisia am Viktoria Nyanza ge-
sammelt wurde. Das Tier scheint entweder unzweckmäßig
konserviert worden zu sein oder es war mit Knochenerweichung
behaftet, denn die Schale ist ziemlich weich und flachgedrückt,
weshalb die Größendimensionen nur annähernd festgestellt
werden können.
Der Rückenschild dürfte mindestens um ein Drittel länger
als breit, niedrig und nur mäßig gewölbt sein, somit der Form
von Cinixys belliana Gray ungefähr gleichkommen. Vorder-
rand schwach ausgeschnitten, Hinterrand abgerundet und
abwärts gebogen. Erstes Vertebrale am schmälsten, ebenso
F. Siebenrock : Schildkröten des BerlinerMuseinas .
Ges.u.1ith.v.E.Konopic1cy. LiflLAiwtv.TlütaiinirMOO«!«
Sitzungsberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-T\at\irw. Classe, BcLCXH . AbthX J903.
J
447
Myxobacteriaceae,
eine Symbiose zwischen Pilzen und Bakterien
Dr. £. Zederbauer,
Assistenten am botanischen Garten der k. k. Universität in Wien.
(Mit 2 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 22. Mai 1903.)
Als Myxobacteriaceae bezeichnet Th axter * eine Ordnung
von Bakterien, aus beweglichen fadenförmigen Organismen be-
stehend, die sich durch Teilung vermehren, eine gelatinöse
Grundmasse ausscheiden und einen pseudoplasmodiumähn-
lichen Aggregatszustand bilden, bevor sie in ein mehr oder
weniger hoch entwickeltes, Cysten produzierendes Ruhestadium
übergehen, in welchem die Fäden ohne Veränderung sich
encystieren können oder in Sporenmassen umgewandelt werden.
Die Entwicklung dieser Organismen zerfällt in zwei mehr oder
weniger regelmäßige Perioden, eine vegetative und bei ein-
tretend günstigen Bedingungen in eine Periode derFruktifikation
oder Pseudofruktifikation. Im ersten Stadium bildet sich ein
Schwann von Individuen, die sich durch Teilung vermehren und
durch eine gelatinöse Grundmasse zusammengehalten werden.
Diese Periode, in der besonders die Bakterien in den Vorder-
grund treten, dauert verschieden lang und ist bei den ver-
schiedenen Formen durch unbedeutende Variationen in der
1 Vergl. das Literaturverzeichnis, 1, S. 394. Motile, rod-like organisms,
multiplying by fission, secreting a gelatinous base, and forming pseudo-
plasmodium-like aggregations before passing into a more or less highly
dcvelopcd cystproducing resting State, in which the rods may become encysted
in groups without modification or may be couverted into spore masses.
Sit2b. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 29
448 E. Zederbauer,
Gruppierung der sie zusammensetzenden Individuen charakte-
risiert.
Der Beginn der zweiten Periode ist gekennzeichnet durch
das Zusammenschwärmen der einzelnen Individuen. Während
die erste Periode bei den einzelnen Gattungen wenig Verschie-
denheiten aufweist, ist die zweite, Periode bei den einzelnen
Gattungen sehr verschieden. Bei den einfacheren Formen
(Myxococcns) bilden die gelatinösen Massen warzenförmige
Auswüchse, die sich abrunden und direkt ohne weitere
Differenzierung sich zu encystieren scheinen. Anders bei einem
höher entwickelten Organismus, bei Chondromyces. Bei Beginn
der sogertarinten zweiten Periode wachsen gelatinöse Massen
vertikal in die Luft, indem die Basis sich zusammenzieht und
gleichsam einen Stiel bildet, oben anschwillt und sich abrundet,
worauf die Cysten entstehen, welche zuerst als warzenförmige
Auswüchse auf der Oberfläche der angeschwollenen Enden
sitzen,, sich an der Basis Zusammenziehen und schließlich sehr
regelmäßige Formen von Cysten annehmen.
»The cysts are caducous at maturity, falling from their
attachment at the siightest touch, and are disseminated through
the air like the conidia of many fungi, which they closely re-
semble«. Deutliche Sporen -*- Conidien — treten bei Myxococcus
auf, während bei den beiden anderen Gattungen Chondromyces
und Myxobacter die Fäden sich mit wenig deutlicher Abänderung
encystieren, soweit es Thaxter möglich war, zu beobachten.
Außer den drei bereits erwähnten Gattungen rechnet
Thaxter in seiner zweiten Arbeit über Myxobacteriactat (2)
die Von Schröter (3) unter die Pilze eingereihten Gattung
Cystobacter zu den Myxobacteriaceen. Sowie Cystobacter zuerst
in eine ganz andere Pflanzengruppe gezählt wurde, so wurde
die schon einigemal erwähnte Gattung Chondromyces zuerst als
Hyphomycet von Berkley und Curtis (4) beschrieben, welche
Tatsache nicht ohne Interesse ist, wenngleich Thaxter die
Diagnose des Chondromyces crocaius als Kuriosum anführt.
Derselbe Organismus wurde von Zukal (5) wieder in einen
anderen Pflanzenstamm, in die Myxophyten, gestellt und als
Myxobotrys variabilis beschrieben, später aber zu den Myxo-
bacteriaceen gezählt. Abgesehen von der letzten Auffassung.
Myxobactcriaccae, eine Symbiose etc. 449
die später vom Autor (7) selbst als unrichtig erkannt wurde,
haben die beiden ersteren zum Teil jede recht, einerseits
wenn Berkley und Cürtis Ckondromyces zu den Hyphomy-
ceten rechnen, anderseits wenn Thaxter ihn zu den Bacteria-
ceen stellt, da an dem Aufbau des Ckondromyces sowohl
Hyphomyceten als auch Schizomyceten teilnehmen.
Diese beiden verschiedenen Pflanzenstämmen angehörenden
Organismen können durch ihr Zusammenleben neuö
Gebilde hervorrufet, ähnlich wie Algen und Pilze durch
ihr Zusammenleben das bilden, was wir Flechten nennen.
Die Tatsache, daß ein und derselbe Organismus von ver-
schiedenen Atitoren in die verschiedensten Pflanzengrupperi
eingereiht vvurde,ist jedenfalls nicht unwichtig für die Auffassung
einer Symbiose, zumal er in die zwei Pflanzengruppen gestellt
wurde, die an seinem Aufbau teilnehmen, die Fungt und
Schizomyceten. Es soll nun zunächst meine Aufgabe sein,
die diesbezügliche Literatur zu besprechen, aus den Angaben
derselben die beiden Komponenten festzustellen zu versuchen
und dann auf meine eigenen Untersuchungen einzugehen.
Vorher sei es mir erlaubt, meinem hochverehrten Lehrer,
Herrn Professor R. v. Wett stein, meinen besten Dank für die
weitgehende Unterstützung bei .meiner Arbeit abzustatten, sowie
Herrn Dr. K, Kornauth, Vorstand der k. k., landwirtschaftlichen
bakteriologischen und Pflanzenschutzstation in Wien, und Herrn
Dr. L. Hecke, Adjunkt am erwähnten Institute, die mich bei
Kulturversuchen der Bakterien in freundlichster Weise unter-
stützten. .
Wie eingangs erwähnt, hat Thaxter (1) die Myxo-
bacteriaeeen als solche infolge ihres eigentümlichen Ent-
wicklungsganges bezeichnet, der anfangs im ersten Stadium
äußerlich dem eines Myxophyten ähnlich ist, während das
mikroskopische Bild deutlich die Bakterien zeigt.
Betrachten wir zunächst einen Repräsentanten der Sporen
bildenden Spezies, Myxococcus rubescens, der auf dem Substrat
als rötliches bis 1 mm hohes Gebilde aufsitzt, bestehend aus
kleinen Stäbchen und einer rötlichen gelatinösen Masse, in der
rundliche Sporen zerstreut eingebettet liegen [(1), Taf. XXV,
Fig. 37 — 41]. Unzweifelhaft sind ja die kleinen Stäbchen in
29*
450 E. Zederbauer,
Fig. 37 Bakterien. Was sind aber die Sporen und fadenförmige
Gebilde in Fig. 39, 40, 41? Die Sporen sind mehr oder weniger
unregelmäßig sphärische lichtbrechende Gebilde, ihr Durch-
messer ist viel größer als der der Fäden (Stäbchen), von denen
sie abstammen sollen. Wie die Sporen aus den Stäbchen ent-
stehen, konnte von Thaxter auch bei ununterbrochener
Beobachtung nicht festgestellt werden, da die Sporen-
bildung nur stattfindet in der Zeit, wo die Bakterien zusammen
schwärmen und dadurch die Details der Umbildung vollständig
verborgen bleiben. Beim Quetschen der ganzen Masse werden
hie und da Sporen und Bakterien separiert und man kann
Gebilde beobachten, wie Taf. XXV, Fig. 40, 41, abgebildet sind,
die einzelne Sporen, Ketten von Sporen und Fäden zeigen,
welche im Verhältnisse zu den Bakterien viel größer und
mehrzellig sind und bereits in ein oder mehrere Sporen über-
gegangen sind, so daß man aus ihnen die Entstehung der
Sporen erschließen kann. Die Keimung der Sporen konnte nicht
gut beobachtet werden, doch scheint sie in einer Umformung
der runden Gebilde in fadenförmige zu bestehen.
Wie Thaxter selbst sagt, konnte die Entstehung der
Sporen aus den Bakterien nicht beobachtet werden, wohl aber
zeigen die Fäden einen Übergang in Sporen, die oft in Ketten
beieinander bleiben; erwähnen wir noch die Keimung der
Sporen, so wie sie Thaxter annimmt, so stimmt diese Angabe
auf die Entwicklung eines Hyphomyceten, etwa eines Torula,
überein.
Aus Fäden (Hyphen) entstehen Sporen (Conidien), die
keimende Spore erzeugt wieder Fäden. Daß diese Fäden keine
Bakterien sind, geht erstens aus den Angaben T h a x t e r*s selbst
hervor, indem er erwähnt, daß die Fäden, aus denen die Sporen
entstehen, weitaus größer sind als die Bakterien, zweitens aus
seinen Abbildungen. Nehmen wir an, daß die Fig. 37, 39,
40, 41 auf Taf. XXV bei gleicher Vergrößerung gezeichnet
sind — leider ist die Vergrößerung der Fig. 37 wie auch
Fig. 25, wo es sich um Bakterien handelt, nicht angegeben, aber
es dürfte höchstwahrscheinlich sein, daß die Vergrößerung mit
der in Fig. 39, 40, 41 gleich ist — so ist nicht zu verkennen,
daß die Fäden nicht indentisch sind mit den Bakterien, sondern
Myxöbacieriaceae, eine Symbiose etc. 45 1
eher an kurze Pilzhyphen erinnern oder wie Fig. 39 an Oidien,
welche Auffassung uns umso wahrscheinlicher erscheint, wenn
wir die Fig. 26 a auf Taf. XXIV, vegetative Fäden von Chondro-
myces aurantiacus, vergleichen, wo gerade das Zerfallen der
Oidien eintritt.
Ein zweiter Hinweis, daß diese Fäden nicht mit den
Bakterien identisch sind, ergibt sich bei Betrachtung der
Sporenbildung. In der ganzen Reihe der Schizomyceten ist
eine derartige Bildung von Sporen nicht zu finden und, jeder-
mann würde, wenn er diese Gebilde getrennt von den Bakterien
betrachtet, sie nicht als Bakteriensporen, sondern als Pilzsporen
ansprechen.
Myxococcus rubescens sowie die anderen Arten von Myxo-
coccus sind, wie sich aus den Angaben Thaxter's ergibt, zu-
sammengesetzt aus stäbchenförmigen Bakterien und aus
Torula ähnlichen Pilzen. Es wird sich weiter unten Gelegenheit
bieten, darzulegen, wie die beiden Komponenten, Bakterien und
Pilze, zu trennen sind: einerseits wie das Bacterium selbständig
ohne Pilz erzogen werden kann, anderseits wie der Pilz ohne
Beisein der Bakterien zur Entwicklung gebracht werden kann;
aus der einzelnen Spore entsteht bei der Keimung ein Hyphen-
faden, von dem wieder Sporen abgegliedert werden. Es können
also experimentell die beiden Komponenten festgestellt werden.
Wieder auf die Arbeit Thaxter's zurückkommend, will ich
die Entwicklung einer zweiten Gattung, Chondrotnyces, be-
sprechen. Im sogenannten ersten Stadium entsteht wie bei
Myxococcus eine Ansammlung von rötlichen Massen, die aber
alsbald vertikal aufwärts wachsen und schmale stielartige Träger
(Cystophoren) bilden, die sich verzweigen können und an ihrem
Ende sich abrunden, um dann Cysten zu bilden. Die rötliche
Masse besteht im Anfangsstadium größtenteils aus Bakterien,
einer gelatinösen Masse und aus Fäden, die miteinander
verflochten sind, wie aus Fig. 21, Taf. XXIII, zu ersehen ist,
welche ein Stadium darstellt, in dem die rötlichen Massen nach
aufwärts zu wachsen beginnen, um einen Cystophor zu bilden.
Im Innern des Gebildes sind die langen Hyphen ähnlichen Fäden
dargestellt, auf denen Massen von Bakterien aufsitzen, die
wahrscheinlich auch im Innern zwischen den Hyphen zu finden
452 . E. Zederbauer,
sind. Diese langen Fäden sind auch deutlich aus den in Fig. 7,
8, 9, Taf. XXIII, dargestellten Cystophoren zu ersehen, wo sie
parallel mit der Richtung der Cystophoren laufen oder mit den
Cystophoren sich spiralig mitdrehen. Die am angeschwollenen
Ende der Cystophoren sitzenden Cysten bestehen zum Teil aus
Bakterien und zürn Teil aus einer zusammenhängenden
Substanz, die bei starker Vergrößerung als eine faserige amorphe
Masse zu erkennen ist und mit größter Schwierigkeit durch
Quetschen getrennt werden kann.1 Die Cysten sind umgeben
von einer Hülle, die verschieden stark ist bei den einzelnen
Arten. Die Größe der Cysten ist sehr verschieden und variiert
innerhalb der einzelnen Arten sehr. Außer den 70 bis 90 [i großein
Cysten möchte ich eine Art von Cysten hier erwähnen, die
kleinste in Fig. 10, Taf. XXIII, abgebildete, da sie mit den von
Zukal bei derselben Art beobachteten Sporen die größte
Ähnlichkeit hat, welche Art von Sporen ich bei Besprechung
der Arbeit von Zukal ausführlicher behandeln will.
Wenn es verhältnismäßig unschwer war, bei der Gattung
Myxococcus bloß aus den Angaben Thaxter's, abgesehen von
den Zeichnungen, die beiden Komponenten Pilz und Bakterien,
zu erkennen, so ist dies bei Chondromyces nicht so leicht, da
man sich hier hauptsächlich auf die Zeichnungen stützen muß
und nur an einer Stelle das. Vorhandensein von langen Fäden
klar ausgesprochen ist, wie eben erwähnt, bei den Cysten.
Die langen dünnen Fäden, welche die Träger bilden, sind
nichts anderes als Pilzhyphen, die einem an Oedocephalum sehr
erinnernden Pilz angehören. Wenn wir derartig^ Fäden unter
den Bakterien suchen, so werden wir sie nirgends ftriden, auch
nicht unter den Evolutionsformen. Es klingt vielmehr. höchst
befremdend, wenn wir den Bakterien die Fähigkeit zuschreiben,
in solch lange Fäden auszuwachsen und Bildungen hervorzu-
rufen wie ChoHdroPrtyces.* *
1 L. c, 1, S. 397. The substance of'thesc cysts, cörriposed parfiy of
rods and partly of a firm- and surprisingly coherent matrix, appears at maturiiy
everi when examioed ander a high power of thö tnifitoscope; to be compostd
of stringy amo.rphaus jpaUer wjiich is separate*} by orushiDg wit^i the.greato*
difficulty. . „ .
2 Ahnliche Bedenken erhebt Zukal in seiner »Notiz zu meiner Mitteilung
über Myxobotrys varhbilis 2üft.« im 9. Hefte Äes Jahrganges 1 £96*, indern'cr
Myxobacteriaceac} eine Symbiose etc. 453
Es liegt viel näher, diese Fähigkeit einem Pili zuzu-
schreiben, zumal die Fäden ganz den Hyphencharakter besitzen
und auch die Gesamterscheinung sehr an einen Pilz erinnert
und, wie Zukal sagt, vollkommen gleicht. Nicht nur der Aufbau,
sondern auch die Vermehrungsorgane stimmen zum Teil mit
den Sporfen von Pilzen überein. Wie besonders aus den Aus-
führungen ZukaTs, die ich weiter unten besprechen werde,
bervorgeht, sind die kleinsten Sporen, die auch Thaxter in
Fig. 10, Taf. XXIII, abbildet, deutliche Pilzsporen, die durch den
leisesten Windhauch zerstreut werden, gleich den großen Cysten;
diese Cysten, ganz abweichend von den Sporen, bestehen aus
Bakterien und einer faserigen Masse, von einer Hülle umgeben.
Diese faserige Masse gleicht vollkommen, wie aus den Ab-
bildungen Zukal's zu ersehen ist, Hyphenfäden, denselben
Hyphen, die die Cystophoren bilden. Ein Teil derHyphen ver-
einigt ^sich samt den zwischen und auf ihnen wohnenden Bak-
terien, wird von Schleim umgeben, der an der Luft erhärtet, und
das ganze Gebilde trennt sich schließlich bei der leisesten Be-
rührung los oder bleibt bei für die Entwicklung von Chondro-
myces besonders günstigen Bedingungen auf dem Cystophor
sitzen und wächst zu einem Organismus heran, der wiederum
einen Cystophor und Cysten bildet. Diese Art eines gleichzeitigen
Fortpflanzens beider Komponenten, des Pilzes und des Schi-
zomy ceten, ist für Chondromyces höchst zweckmäßig und ist
keineswegs allein dastehend, da wir ähnliche Bildungen in einör
biologisch nahestehenden Gruppe, den Flechten, in den
frSoredien« wiederfinden.
Die Gattung Chondromyces enthält außer den Cystophoren
besitzenden Arten noch solche, die sehr niedrige oder gar keine
Cystophoren besitzen, so CA. lichenicokts xmfrserpen?. Die Form
derCysten ist vollständig^erschieden von denen des Ck.crocatus
und auranUacus und erinnert so an Bildungen, die bei Pilzen
aufträten, so daß man versucht ist, die Cysten von Cfc. liehen**
colus (Fig. 20, 22 und 23, Taf. XXÜI) eher für Coremien eines
sagt: »ZunijAufbau eines so komplizierten Organismus, wie dies der Chondro-
myces ist, gehört eine gewisse gestaltende Kraft. Eine solche wohnt aber nach
deiii "gegenwärtigen' Standpunkt unseres" Wissens weder in' dert einzelnen'
Bt&erie« Selbst rtoen iri 'dem 3te" efehättenderi 'SehteimW - . ; i ,
454 E. Zederbauer,
Hyphomyceten, etwa von Stilbothamnium togo'ensc P. Herrn., zu
halten als für eine Bildung, die ihre Entstehung Bakterien zu
verdanken hat Daß in Wirklichkeit Pilzhyphen an dem Aufbau
teilnehmen, zeigt uns die Fig. 21, Taf. XXIII, auf die ich schon
früher hingewiesen habe. Denken wir uns ein derartiges Core-
mium eines Hyphomyceten in Symbiose mit Bakterien, so
wird das Bild sehr ähnlich sein den Cystophoren und Cysten
von Ch. lichenicolus. Um diese Anschauung zu bekräftigen,
bedarf es natürlich eines experimentellen Nachweises der Pilz-
natur der zum Pilze gehörenden Sporen. Ich werde bei Dar-
legung meiner Untersuchungen versuchen, an einer anderen Art
von Chondromyces, die Ch. lichenicolus und serpens sehr nahe-
steht, diesen Nachweis zu erbringen.
Mehr Anspruch auf die Bezeichnung von Cysten können
die von Myxobacter, die innerhalb des Organismus entstehen,
machen, doch läßt sich aus den Angaben Thaxter's keine be-
friedigende Erklärung für die Auffassung einer Symbiose geben,
wenngleich die Fäden in Fig. 35, 36, Taf. XXV, auf Sporen und
Oidien eines Hyphomyceten schließen lassen, anderseits Bak-
terien an dem Aufbau des ganzen Organismus teilnehmen.
Unbeeinflußt von Thaxter's eben besprochener Arbeit
untersuchte Zukal (5) einen Vertreter der Myxobacteriaceen,
den er zwar nicht den Bakterien verwandt hielt, sondern als
Repräsentanten einer neuen Myxomyceten Ordnung, den
Myxobotrys varidbilis, aufstellte, um ihn später mit dem von
Berkley und Curtis beschriebenen Hyphomecet, von
Thaxterzu den Bakterien gerechneten Chondromyces crocatus
zu identifizieren.
Zukal fand auf Rindenstücken einer Korbweide aus den
Praterauen bei Wien ein stecknadelkopfgroßes, fleischrotes
Plasmodium, bestehend aus einem farblosen homogenen Hyalo-
plasma und einer sehr großen Menge von Körnern (Mikrosomen)
von meist stäbchenförmiger, bazillenartiger Form, dicht an-
einanderliegend, so daß sie das Plasmodium fast undurchsichtig
machen; sie speichern, gleich Bakterien, leicht Farbstoffe, so
z. B. Methylenblau. Während des Wachstumes enthalten die
Plasmodien allerhand Ingesta, Protococcen, Flechtengonidien,
Pilzsporen etc., welche ausgestoßen werden, sobald sich das
MyxdbacUriaccae, eine Symbiose etc. 455
Plasmodium zur Sporenbildung anschickt. Das Plasmodium
kriecht an einem etwas erhöhten Gegenstande in die Höhe, um
fast kugelige Zweige zu treiben, die sich durch Ausscheiden
einer zarten Membran in längliche Sporen verwandeln. Diese
erste Art von Sporen sitzen entweder direkt oder auf einem sehr
kurzen Stiel dem Substrat auf, sind 60 bis 90 |t groß und haben
orangroten Inhalt, aus langen Fäden bestehend (Fig. 3 a9 b>
Taf. XX). Eine zweite und dritte kleine Art von Sporen von
ähnlicher Beschaffenheit, aber etwas kleiner, beobachtete
Zukal auf senkrecht oder schief aufsteigenden, stumpf kegel-
förmigen Säulchen. Die dritte Art von Sporen sitzt auf ziemlich
dicken, zylindrischen weiten Trägern auf. Dieser eben erwähnte
Typus wird von Zukal als eine Hemmungsbildung der nächst-
folgenden Form angesehen, dürfte aber eher als ein Entwick-
lungsstadium aufzufassen sein. Besonders interessant ist aber
die Bildung der letzten Art von Sporen. Von einem winzigen
Plasmodium bildet sich ein schlanker Kegel bis zur Höhe von
Vt ***** an dessen Spitze sich eine größere Menge von Proto-
plasma in Form einer Kugel ansammelt — wahrscheinlich
erfüllt von langen Fäden wie die vorigen sogenannten Sporen
— die sich aber nicht in eine Spore verwandelt, sondern aus
der dünne, kugelig anschwellende Plasmazweige sprossen. Aus
diesen Anschwellungen gehen Sporen mit einer deutlichen
Membran von elliptischer Form, auf Sterigmen sitzend, hervor,
22 |t lang, 11 bis 12 |t. breit (Fig. 20, 20*, Taf. XX). Es hat den
Anschein, als ob jede einzelne Spore mit einer Unmasse von
Stäbchen oder bakterienähnlichen Körpern erfüllt sei. Während
der Sporenbildung umgibt sich der erwähnte Plasmakegel und
die kugelige Anschwellung auf demselben mit einer dicken,
gelben und rötlichen Haut und staltet sich so in einen hy phen-
artigen Sporenträger um.
»Der ganze Organismus gleicht dann bis auf das
kleinste Detail, nämlich bis auf die Sterigmen herab,
gewissen Conidienformen der echten Pilze, z. B. einem
Haplotrichum oder Oedocephalum . . .«
Wenn auch die bis jetzt angeführten Beobachtungen
Zukal's uns den Pilzcharakter mehr oder weniger deutlich
zeigen, so sind noch mehr die Verhältnisse des inneren Auf-
456 E. Zederbauör,
baues geeignet, uns zu überzeugen, daß an der Bildung dieses
Organismus sowohl Pilze als auch Bakterien teilnehmen.
Zur Zeit, »wo sich das Plasma zur Sporenbildung
anschickt, sind die eingangs erwänten stäbchen-
förmigen Mikrosomen verschwunden und an ihrer
Stelle sieht man sehr zahlreiche, lange, gleich dicke
Fäden« (Fig. 21, Taf. XX). Zukal glaubt, daß diese fädigen
Gebilde, die parallel zur Hauptachse des » Sporen trägers«
laufen, als Stützen der ziemlich hohen Plasmasäulen dienen.
Diese Fäden finden sich in den sogenannten Sporen der drei
ersten Typen, die ja nach ihrer Beschaffenheit nichts anderes
sind als sich loslösende Partien von Fäden (Hyphen), vereint
mit Mikrosomen (Bakterien), wenigstens die erste Art der
Sporen, aus welchen Gebilden sofort neue Plasmodien heraus-
wachsen. Es sind dies die Fortpflanzungsorgane beider Kompo-
nenten, der Pilzhyphen und Bakterien, die »Cysten« Thaxter's,
dieihrAnalogon in denSoredien der Flechten finden. Die letzte
Art der Sporen, die hingegen keine Fäden besitzen, sondern
scheinbar Stäbchen- oder bakterienähnliche Körper, welche Er-
scheinung auch der Inhalt mancher Pilzsporen zeigt, sind die
Fortpflanzungsorgane des Pilzes, wahrscheinlich gleich-
beschaffen mit den Sporen des dazu gehörenden ohne Bakterien
lebenden Pilzes.
Als besonders auffallende Eigenschaften an dem Organis-
mus erwähnt Zukal zwei, nämlich die Vielgestaltigkeit und
Ähnlichkeit mit gewissen Conidienformen echter Pilze.
Sein Myxobotrys variabüis, so nennt er ihn, gleicht in allen
Teilen einem echten Pilz, nur, wie er meint, in der Form der
Hyphen nicht, welche erPtasmodiuffi-Pseüdopodien nenfit,
obgleich er die fundamentalen Unterschiede zwischen
Plasmodiumzweig und Hyphenzweig bezweifelt. Zukal waf
b6i dieser ersten Untersuchung über Myxobakterien einerseits
weitaus näher der richtigen Auffassung, da er den Pilzeharakter
des Myxobotrys besonders hervorhebt und infolge defe Um,J
Standes, daß er Myxobotrys für einen Myxonvyceten kalt,
auf-Grürid der beobachteten Hyphen eine Verwandtschaft der
Myxomyceten mit den echtert Pilzenh^rausfindeh will. Während
er •-bei der Beurteilung dfer fadenförmigen (Hyphen) -Gebilde -auf
MyxobacUriaceae, ciftc Symbiose etc. 457
der richtigen Fährte war, ist er bei der Erklärung der stäböhen-
förmigen Organismen weniger glücklich gewesen, da er sie für
Mikrosomen hält und infolge dieser unrichtigen Auffassung
Myxobotrys zu den Myxophyten stellt.
Wie sind nun, um es kurz zusammenzufassen, das so-
genannte Hyaloplasma, die Mikrosomen, die Pseudo-
plasmodien und die verschiedenen Arten von Sporen auf-
zufassen? Ohne Zweifel sind die Mikrosomen, wie Zukal in
einer späteren Abhandlung (6) sagt, Bakterien, die eine
Schleimmasse ausscheiden, das Hyaloplasma. Es wurde
also von zwei Autoren, von Th axter und Zukal, die Bakterien^
natur der stäbchenförmigen Körperchen des Chondromyces
crocatus nachgewiesen. Zwischen dieser Schleimmasse und den'
Bakterien wachsen aus Sporen (Pilzsporen), die auf dem
Grunde des ganzen Gebildes liegen, Hyphen (Plasmodium-
Pseudopodien) hevor, auf deinen und zwischen denen die
Bakterien hinaufkriechen. Besonders deutlich sind diese
Hyphen zur Anschauung in Fig. 21, Taf. XX (5), gebracht,
welches ein Stück fertiles Plasmodium darstellt, das statt der
Mikrosomen von sehr langen Fäden erfüllt ist. Nicht nur das
mikroskopische Bild läßt uns die Zugehörigkeit zu den Pilzen'
erkennen, sondern noch viel mehr der ganze Habitus, ' wie
Zukal selbst behauptet, indem er sagt, daß der' ganze
Organismus bis auf das kleinste Detail gewissen
Conidienformen* der echten Pilze gleicht. Betrachten
wir noch die Sporenbildung und zwar zuerst die vierte Art von
Sporefn, die auf deutlichen Sterigmen sitzen, 22 \i lang, 11 bis
12 (jl breit sind, deren Gestalt und Inhalt an: den von Pilzsporen
erinnert [Fig. 20tf,-20fc, Taf. XX (5)} und zweifellos die Sporen
des dazu gehörigen Pilzes darstelleil. Did arideren Arten von
Sporen sind von* diesen ganz verschieden in Bfe2ug auf Gestalt
und Inhalt. Ihr Inhalt besteht aus Bakterien und Fäden (Hyphen)
und bei ihrer Keimung treten die Fäden' sanit: den Bakterie«
heraus und schreiten sofort 'zur Bildung einferS* neuen Örgätffe-
mus [Ffg.3a;&,Täf>XX(&)]. Sie kommen gleich den »Cysteh«,
wie sie Thaxtef bei ChoHdtöinyces" nennt,- und stellen, wie
sehön erwähnt, ein Fotfpflfenzungsörgänr beider Kompohöriten
äät Erläßt sich sowohl ausser Abhandlung T ha xWr's -wiö
458 E. Zederbauer,
Zukal's und zwar aus letzterer viel deutlicher ersehen, daß
an dem Aufbaue des Chondromyces einerseits ein Pilz, ander-
seits ein Schyzomycet teilnimmt, die beide zusammenleben und
es bereits zur Ausbildung gemeinsamer Fortpflanzungsorgane,
den »Cysten«, gebracht haben.
Ein Umstand, der für den teilweisen Pilzcharakter des
Chondromyces spricht, ist der, daß er eigentlich zuerst als
Hyphomycet beschrieben wurde (4), was ja nicht unverständlich
ist, wenn wir bedenken, daß die beiden Beobachter ein Stadium
von Chondromyces untersuchten, wo der Pilz in den Vorder-
grund trat (die zweite Periode), anderseits die ihn umhüllende
schleimige Masse durch das Mikroskop nicht als Bakterien
erkannt werden konnte.
In einer einige Monate später erscheinenden Notiz (6)
über seinen Myxobotrys hält er zwar an der Auffassung, daß
Myxobotrys, nun Chondromyces genannt, zu den Myxophyten
zu zählen sei, schließt sich aber in seiner Arbeit über die
Myxobakterien (7) nach noch einmaliger Untersuchung des
ganzen Entwicklungsganges der Anschauung Thaxter's an,
doch scheint ihm ein solches harmonisches Zusammenleben
der einzelnen Bakterien nach Zeit und Ort zu einem bestimmten
architektischen und biologischen Zweck eine der wunderbarsten
Anpassungen. In dieser zweiten Abhandlung beschreibt er eine
Art der Gattung Myxococcus, deren Entwicklungsgang wieder-
zugeben nicht ohne Interesse sein mag, in Hinblick auf die
Beobachtungen Thaxter's an derselben Gattung. Die Bakterien
sind gestreckt, flexil, an den Enden abgerundet, 4 bis 7 p, lang
und bilden tröpfchenförmige, zuweilen kurzgestielte Haufen
von zirka 1 mm Durchmesser. Innerhalb dieses Häufchens tritt
Sporenbildung ein, wobei die Stäbchen in die Länge wachsen
und steh gleichzeitig durch mehrere Querwände teilen, wodurch
einzelne Zellen entstehen, die sich abrunden, vergrößern, mit
einer derben Haut umgeben und zu kugeligen Sporen werden.
Diese Sporen werden längere Zeit perlschnurartig, zum Teil
auch durch die sie umgebende Gallerthülle zusammengehalten.
Die Stäbchen und die daran sitzenden Sporen sind im Schwärm
garbenförmig angeordnet, so daß das ganze Gebilde lebhaft an
ein Conidienköpfchen eines Schimmelpilzes (Fig. 2) erinnert;
Myxobacitriaccac, eine Symbiose etc. 459
die Ähnlichkeit wird noch erhöht, daß fast sämtliche Stäbchen
und Sporen auf demselben Bogen des Schnittes nahezu auf der
gleichen Entwicklungsstufe stehen, eine Anordnung und
Gruppierung, die man bei Pilzen öfters findet.
Eine derartige Sporenbildung ist bei den Bakterien be-
kannt, hingegen erinnert der Entwicklungsvorgang der Gebilde
anConidienvon7V>rfc/a sowie bei den von Thaxt er untersuchten
Arten von Myxococcus. Zukal glaubt, daß hier eine echte
Athrosporenbildung vorliegt. Sporenkeimung wurde von ihm
nicht beobachtet. Wenn Zukal behauptet, daß die Stäbchen
bei der Sporenbildung in die Länge wachsen und durch Quer-
wände vielzellig werden, so entspricht dieser Vorgang eher den
Wachstumserscheinungen von Pilzhyphen als von Bakterien.
In der Tat sind auch die in Fig. 3, Taf. XXVII (7), dar-
gestellten vielzelligen Fäden mit den Sporen Pilzhyphen mit
Conidien viel mehr ähnlich als Bakterien und Bakteriensporen,
mit denen sie eigentlich gar keine Ähnlichkeit haben. Gleichen
nicht die einzelnen Stäbchen, Fig. 4, eher in Zerfall ge-
ratenen Hyphen, Oidien, als Bakterien? Es kann keinem Zweifel
unterliegen, daß wir es mit Pilzhyphen und Sporen zu tun
haben, ebenso wfe bei den von Thaxter beschriebenen Myxo-
coccus-Arten, die in Symbiose mit Bakterien leben.
Was die Fig. 5 anbelangt, so befremdet sie mich keines-
wegs mit Rücksicht auf ähnliche Formen von Hyphen, die ich
bei Untersuchung von Myxococcus zu beobachten Gelegenheit
hatte.
Außer Myxococctts macrosporus beschreibt Zukal einen
zweiten zu den Myxobacteriaceen gehörenden Organismus,
Polyangium vitellinum Link = Myxobacter aureus Thaxter,
in dessen Innern ziemlich große Cysten liegen, bestehend aus
dicken Gallertkapseln, worin stäbchenförmige Bakterien sind.
Eis läßt sich bei dieser Gattung aus den Beschreibungen
Zukal's ebensowenig wie aus den Angaben Thaxter's eine
Symbiose zwischen Pilzen und Bakterien mit voller Sicherheit
feststellen, obgleich einiges dafür spricht; so lassen die Fig. 8, 9,
Taf. XXVII (7), ebenso wie die Abbildungen von Thaxter,
Fig. 35, 36, Taf. XXV(l),auf Pilzhyphen und Bakterien schließen.
Da aber, wie eben erwähnt, die Symbiose zwischen Pilzen
460 . E. Zederb*uer,
und Bakterien bei der Gattung Myxobacter nicht mit voHer
Sicherheit festgestellt werden kann, so will ich diese Gattung
bei der kritischen Betrachtung ausschließen und nur als höchst-
wahrscheinlich zu den Myxobacteriaceen gestellt wissen.
In seiner zweiten Arbeit über Myxobakterien beschreibt
Thaxter (2) noch einige neue Arten von Chottdromyces, Myxo-
coccus und rechnet den von Schröter als Hyphomycet be-
schriebenen Cystobacter zu den Myxobakterien, so daß im
ganzen vier Gattungen mit 15 Arten, wenn wir Polyangium
dazurechnen, in die Gruppe der Myxobakterien gehören, von
denen einige weit verbreitet sind, ja nach der Meinung Zukal's
(7) Kosmopoliten sind, so z. B. einige Arten von Chottdromyces,
eine Auffassung, die nicht unwahrscheinlich erscheint, wenn
wir bedenken, daß Bakterien und Pil^e über die ganze Erde
verbreitet sind.
Von besonderem Interesse in der eben erwähnten Ab-
handlung von Thaxter sind die Cysten von Ckonäromyces
apiculatus, die in Fig. 7 bis 12, Taf. XXX, deutlich die abge-
rissenen Hyphen zeigen, umgeben in der Mitte von einer
Schleimmasse und Bakterien^ Es sind dies junge, vielmehr
noch nicht reife Cysten, bei .denen die Abtrennung der Hyphen-
fäden noch nicht erfolgt ist. Chondromyces erectus und gracilipes
erinnern in Form und Entwicklung der Cysten an Coremien
von Hyphomyceten sowie Chondromyces lichenicolus.
Voil ähnlichem Habitus ist Myxococcus stipitatus, welcher
einen Stiel ausbildet, der sich oben erweitert abrundet, sich so
der Gattung Chondromyces nähernd. Diese Art bildet deutliche
Sporen, Fig. 33, Taf. XXXI, welche ganz den Sporen von Pilzen
gleichen and keineswegs Ähnlichkeit mit Bakteriensporen auf-
weisen.
Es sprechen sowohl der Gesamthabitus wie die Sporen
für einen Pilz, so daß wir kaum zweifeln können, daß an seinem
Aufbau ein Pilz beteiligt ist, der in Symbiose mit Bakterien lebt
Bei einer zweiten Art von Myxococcus, Myxococcus cruentus,
beschreibt Thaxter Cysten mit deutlicher Hülle, innerhalb
welcher Sporen, Pilzsporen, sowie sie in Fig. 29, Taf. XXXI,
abgebildet sind, in eine faserige zusammenhängende Masse ein-
gebettet sind, so daß sie in Bezug auf ihre innere Beschaffenheit
Myxöbacieriaceac, eine Symbiose etc. 461
an die Cysten von Chondromyces erinnern, mit denen sie
auch in biologischer Hinsicht übereinstimmen, da sie ja gleich
den Cysten von Chondromyces die Aufgabe haben, beide Kom-
ponenten, den Pilz und die Bakterien, die höchstwahrscheinlich
in der amorphenfaserigen Masse (Hyphen) enthalten sind,
gleichzeitig fortzupflanzen, gleich den Soredien der Flechten.
Bei Myxococcus rubescens korinte Thaxter die Bildung
der Sporen» die in einer direkten Umbildung der Fäden in
Sporen, besteht, Fig. 36 (a bis./), Taf. XXXI, und die Keimung
derselben beobachten, wobei aus der Spore an einer Stelle,
selten an zwei Stellen, ein fadenförmiges Gebilde entsteht, das
sich bei weiterem Wachstum teilt (Fig. 35, Taf. XXXI). Der
ganze Entwicklungsgang gleicht ganz dem bei der Keimung
eines Pilzsporen und hat keineswegs eine Ähnlichkeit mit der
Art der Keimung der Sporen von Bakterien. Dieser Vorgang
zeigt deutlich, daß Wir es nicht mit Bakteriensporen zu tun
haben, sondern mit Pilzsporen. Leiter ist die weitere Ent-
wicklung des Hyphenfadens nicht beobachtet.
Die Gattung Cystobacter nähert sich sehr Myxobacter, da
auch die Cysten in der gelatinösen Grundmasse liegen. Efc
läßt sich so wie bei Myxobacter nicht mit voller Sicherheit die
Symbiose zwischen Pilzen und Bakterien feststellen, obgleich
die fadenförmigen Gebilde in Fig. 38- mehr für Pilzhyphen, in
Fig. 39 mehr für Pilzsporen sprechen als für Bildung von
Bakterien. Es wären also diese beiden Gattungen mit je einer
Art nicht zu den Myxobacteriaceen zu stellen oder nur als
Myxobacteriaceen, für eine Ordnung von Bakterien zu halten
und die beiden Gattungen Chondromyces und Myxococcus mit
ihren zahlreichen Arten auszuschalten. Doch gehören die beiden
erstgenannten Gattungen ohne Zweifel zu derselben Gruppe
wie Chondromyces und Myxococcus, was sich zwar heute noch
nicht beweisen aber mit fast voller Sicherheit erschließen läßt,
infolgedessen aber von der kritischen Betrachtung aus-
geschlossen werden müssen.
Eine kritische Prüfung der Literatur, von dem Gedanken
der Erscheinung einer Symbiose ausgehend, ergibt, um es
kurz zusammenzufassen, folgendes als möglich und höchst-
wahrscheinlich:
462 E. Zederbauer,
An dem Aufbaue der Arten von Myxococcus und Ckon-
dromyces sind zwei verschiedene Organismen tätig, einerseits
Schizomyceten oder Bakterien und Fungi und zwar
Hyphomyceten.
Die Bakterien sind von den beiden Autoren Thaxter und
Zukal nachgewiesen. Bei Myxococcus und Chondromyces sind
Gebilde beobachtet, die kein Analogon in der Gruppe der
Schizomyceten finden, hingegen in ihrer ganzen Erscheinung
sowie in ihrer Entwicklung Pilzhyphen vollkommen gleichen.
Bei Myxococcus sind Sporen vorhanden, die nach Art ihrer
Entstehung und Keimung Pilzsporen (Athrosporen) ähnlich sind
und nicht Bakteriensporen.
Bei Chondromyces sind ebenfalls Pilzsporen nachzuweisen,
hingegen weist das Vorhandensein von zahlreichen Hyphen
deutlicher auf die Pilznatur hin.
Bei Myxococcus und Chondromyces kommen »Cysten« vor,
die zur Fortpflanzung beider Komponenten, der Bakterien und
Pilze, dienen.
Hingegen ist bei den Gattungen Myxobacter und Cysto-
bacter die Symbiose zwischen Pilzen und Bakterien nicht so
sicher wie bei Chondromyces und Myxococcus festzustellen,
Ungefähr vor lx/2 Jahren brachte mir der Diener des bota-
nischen Museums der k. k. Universität in Wien, Groschopf,
seinen schon durch eine Reihe von Jahren zum Naßmachen
gummierten Papieres benützten Badeschwamm, der von einer
etwas schwach rötlichen, glänzenden Masse überzogen war,
welcher Überzug schon einigemal durch Wasser entfernt wurde,
aber in kurzer Zeit wieder den ganzen Badeschwamm überzog.
Dieser schleimig glänzende Überzug glich in seinem Äußern
ganz einem Plasmodium eines Myxophyten, doch zeigte das
mikroskopische Bild, daß wir es keineswegs mit einem Schleim-
pilz zu tun haben. Die Hauptmasse waren stäbchenförmige
Organismen, die lebhaft an Bakterien erinnerten, darunter
kettenförmig aneinandergereihte Kügelchen, zuweilen an
kurzen Fäden sitzend, die durch ihre Gliederung in Zellen und
durch ihr Aussehen Hyphen glichen, während die Kügelchen
Sporen, Conidien, sehr ähnlich waren. Die Sporen lagen auch
Myxobacttriaceae, elnfe Symbiose etc. 463
einzeln herum oder zu zwei vereinigt, daran ein einzelliger
kurzer Faden, als ob die Spore soeben gekeimt hätte. Bei
ungestörter Kultur auf ihrem ursprünglichen Nährboden erhob
sich der schwach rötliche Überzug in Form von kleinen 1 bis
2 mm hohen Tröpfchen, die dann untereinander zusammen-
flössen und nun erst recht durch ihr schleimig glänzendes Aus-
sehen den Eindruck machten, als läge ein Myxomycet vor. Am
Grunde der Tröpfchen, dem Substrat anliegend, fanden sich
Fäden und Sporen, sich hie und da in die Höhe erstreckend,
wo vorwiegend Bakterien in Schleim eingehüllt waren (Fig. 2,
Taf. I). Ich versuchte zunächst die Bakterien, die eine Länge
von 3 bis 4{t und eine Dicke von 1 -4 bis 1 • 7 jx hatten, allein
zu ziehen, was umso leichter gelang, da es auf dem gewählten
Nährboden, Peptongeiatine, sehr gut gedieh, während die
kugelförmigen und fadenförmigen Gebilde, die ja, wie die
Kulturversuche erwiesen, nichts anderes sind als Pilzhyphen,
und die dazugehörenden Sporen zwar anfangs sich gut ent-
wickelten, bald aber vom sehr rasch wachsenden Bacterium
weitaus überholt und in den Hintergrund gedrängt wurden.
Auf den Gelatinekulturen wuchs bei Zimmertemperatur und im
Licht das Bacterium sehr rasch, indem von der Impfstelle weite
Fäden nach allen Richtungen ausstrahlten (Fig. 1, Taf. II), die
sich ineinander verflochten, die ganze Oberfläche des Substrates
mycetartig überzogen und schließlich ein Häutchen bildeten,
das bei älteren Kulturen der verflüssigten Gelatine eine Zeit
lang schwamm und dann am Grunde zu liegen kam. Diese
Fäden, die das Häutchen bildeten, bestanden aus Bakterien-
ketten, Fig. 2, 3, 4, Taf. II, die oft mehrere aneinander lagen,
später in Zerfall gerieten, indem die einzelnen Bakterien sich
trennten. Nicht nur an der Oberfläche des Nährbodens gedieh
das Bacterium, sondern auch im Innern, freilich nicht so gut
wie bei Luftzutritt. Wiederholte Kulturversuche mit jedesmal
frisch entnommenem Material zeigten immer dasselbe Bacterium,
so daß es außer Zweifel ist, daß nur eine Art von Bakterien
und zwar eine bestimmte an dem Aufbaue dieses Organismus
teilnimmt.
Es teilt den Farbstoff, den es beim Zusammenleben mit
dem Pilz ausscheidet, den Kulturen nicht mit, sondern bildet
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 30
464 E. Zederbauer,
schmutzigweiße Überzüge. Bei älteren Kulturen trat Sporen-
bildung, wie sie den Bakterien eigen ist, ein (Fig. 5, Taf. II),
die 2{t lang und 1 '5|t dick sind. Geißeln besitzt es nicht, wie
die Probe nach der van Emergem'schen, von Hinterberger
verbesserten Methode zeigte; außerdem ist auch bei den Geißeln
besitzenden Bakterien eigene Bewegung nicht zu beobachten.
Kulturversuche auf Agar-Agar zeigten ein ähnliches
Verhalten der Bakterien wie auf Gelatine. Es bildete sich eben-
falls auf der Oberfläche ein weißes Häutchen von netzartig
verzweigten und ineinander verflochtenen Fäden, bestehend aus
Bakterienketten, doch wurde Agar-Agar nicht verflüssigt Bei
Strichkulturen bildet sich auf der Oberfläche ein Netzwerk von
feinen Fäden, während im Innern des Nährbodens das Bacterium
weitaus langsamer sich entwickelte.
Versuche, es auf sterilisiertem Brot und Kartoffeln zu
ziehen, mißlangen.
Während das Bacterium auf Gelatine und Agar-Agar sehr
rasch wuchs, wurden die Hyphen zum Teil verdrängt; sie
wurden zwar länger in Zellen etwas gestreckt und schnürten
Sporen ab (Fig. 17, 18, Taf.I), konnten aber in der verflüssigten
Gelatine nicht mehr beobachtet werden.
Auf Agar-Agar schienen sie sich gar nicht weiter zu ent-
wickeln.
Es wurde nun der Versuch gemacht, den Pilz in der
feuchten Kammer zu ziehen. Eine vom Substrat abgenommene
Probe wurde auf einen Objektträger möglichst fein verteilt, so
daß einzelne Sporen allein zu liegen kamen, mit dem Deck-
glas überdeckt und in einem abgeschlossenen Raum trocken
gehalten. Nach einigen Tagen wurde der Objektträger in eine
feuchte Kammer gegeben, wo sich das Bacterium nicht mehr
entwickelte, sondern nur der Pilz, dessen Sporen zur Keimung
gelangten, indem aus der Spore ein Schlauch getrieben wurde,
der alsbald sich verlängerte und durch auftretende Querwände
in mehrere Zellen sich teilte (Fig. 14, 15, Taf. I). Hatte der
Hyphenfaden eine gewisse Länge erreicht, so wurden Sporen
abgeschnürt, Conidien. Fig. 16, Taf.I, stellt eine Kolonie von
keimenden Conidien dar. Es lagen mehrere Conidien beisammen,
von denen nach allen Seiten Hyphenfaden auswuchsen, um
Myxobactcriaceae, eine Symbiose etc. 465
dann wieder Conidien zu bilden. Die Hyphenfäden hatten sich
in der feuchten Kammer etwas verändert, indem die einzelnen
Zellen etwas langgestreckt und schmal wurden. Die Sporen
haben fast dieselbe Größe und Beschaffenheit wie die Sporen,
aus denen die Hyphen gezogen wurden; sie waren rundlich,
einzellig, dunkelbraun, glatt und hatten 4 bis 8 p. im Durch-
messer. Nicht nur die einzelnen Sporen wachsen in der feuchten
Kammer ohne Beisein des Bacteriums zu langen Hyphenfäden
aus, sondern auch die einzelnen Oidien, die durch Zerfall von
Hyphen entstehen (Fig. 22, 25, 27, 28, Taf. I), oder einzelne
Hyphenfäden, deren Zellen sich verändern, indem sie lang-
gestreckt und schmal werden.
Es ist also experimentell gelungen, einerseits das Bacterium
und den Pilz zu trennen, beide gesondert zu kultivieren und
zur Vermehrung und Fruktifikation zu bringen, den biologisch
einheitlichen Organismus in seine Komponenten zu zerlegen.
Es wäre also noch eine weitere Aufgabe, aus beiden ge-
trennten Komponenten den ursprünglichen Organismus wieder
zu erzeugen, was aber bis jetzt noch nicht gelungen ist.
Immerhin genügen die bis jetzt vorliegenden experi-
mentellen Kulturversuche vollkommen, um die Auffassung zu
bestätigen, daß der vorliegende Organismus aus Pilzen und
Bakterien besteht, die wahrscheinlich in Symbiose leben so wie
Algen und Pilze bei den Flechten. Wie ich aus der Literatur
ersehen konnte, gehört der vorliegende Organismus zur Gattung
Myxococcus, die von Thaxter aufgestellt wurde; da sich
diese Art mit keiner der beschriebenen identifizieren ließ, so
nenne ich ihn wegen seiner Fähigkeit, Überzüge auf den mit
Gummi durchtränkten Badeschwamm zu bilden, Myxococcus
incrustans.
Eine interessante Erscheinung ist die Vermehrungsweise,
wodurch zu gleicher Zeit sowohl der Pilz und das Bacterium
gemeinsam vermehrt werden, nämlich die »Cysten« (Fig. 30,
Taf. I), um denselben Ausdruck zu gebrauchen wie Thaxter,
der darunter ähnliche Gebilde zuerst bei Chondromyces be-
schrieb, die er aber nicht als Vermehrungsorgane von Pilzen
und Bakterien ansah, sondern gemäß seiner Auffassung der
Myxobacteriaceae als Vermehrungsorgane der Bakterien.
30*
466 E. Zederbauer,
Diese Cysten bestehen, wie Fig. 30, Taf. I, zeigt, aus
Conidienketten und Bakterien, umgeben von einer gemein-
samen Hülle, die wahrscheinlich aus an der Luft er-
härtetem Schleime besteht, der von den Bakterien abgesondert
wird. Bei der Keimung platzt die Hülle und es wächst der neue
Organismus sofort heran, während bei der gesonderten Ver-
mehrung der Komponenten die Vermehrung des Gesamt-
organismus von verschiedenen Umständen abhängig ist und es
dem Zufall überlassen ist, ob ein Bacterium zu dem dazu
gehörigen Pilze gelangt oder umgekehrt.
Es wird ja wahrscheinlich sein, daß bei den verschiedenen
Arten von Myxobacteriaceen dieselben Arten von Bakterien
auftreten, die im Verein mit verschiedenen Pilzen, welche
bei den einzelnen Myxobacteriaceen formbestimmend sind,
verschiedene Arten bilden, entsprechend den verschiedenen
Pilzen, so etwa wie ein und dieselbe Art von Algen mit ver-
schiedenen Pilzen verschiedene Flechten bildet.
Wie erwähnt, bildet Myxococcus incrustans einen rötlichen
bis blaßrötlichen Überzug auf dem mit Gummi durchtränkten
Badeschwamm und zwar während der Hauptvegetationszeit,
die nach zweijährigen Beobachtungen, im erwähnten Institute
bei gewöhnlicher Zimmertemperatur kultiviert, in die Monate
Februar, März, April fällt. In der warmen Jahreszeit erscheint
auf dem Badeschwamme eine schwärzlich glänzende Masse,
bestehend aus Bakterien und zahlreichen dunklen Hyphenfäden
und Conidien. Die rötliche Farbe scheint nicht konstant zu sein,
da er auf anderen Schwämmen, auf denen Myxococcus wuchs,
Überzüge bildete, die sehr blaßrot gefärbt waren, fast eher
blaßgelblich zu nennen sind.
Im Herbste vorigen Jahres gelang es mir, einen zweiten
Repräsentanten der Myxobacteriaceen zu finden, eine Art der
Gattung Chondromyces. Zuerst fand ich Chondrontyccsglomeratus
— so will ich ihn wegen seines Aussehens nennen — auf einem
Buchenstrunk bei Stössing im Wienerwald, wo er auf der noch
nicht ein Jahr alten Schnittfläche in zahlreichen Exemplaren
wuchs. In demselben Herbste konnte ich ihn noch an zwei
anderen Orten im Wienerwald finden, bei Purkersdorf und bei
Myxobacteriaccae, eine Symbiose etc. 467
Klosterneuburg, jedesmal auf nicht zu alten Buchenstrünken,
die noch nicht zu faulen begannen.
Unser Chondromyces bildet sitzende, gewundene oder
niedergedrückte Lappen von verschiedener Gestalt, oft kleine
zahlreiche aneinander sitzende, hie und da an der Basis ver-
wachsene, längliche Gebilde, alle von rötlichem, schleimig
glänzendem Aussehen und weich knorpeliger Beschaffenheit.
Die kleinen, anfangs warzenförmigen Auswüchse erreichen
eine Höhe von 4 bis f>tnm (Fig. 6, Taf. II) und stehen fast immer
mehrere in einer Gruppe. Das ganze Gebilde erinnert sehr an
Tremellineen.
Was zeigt aber das mikroskopische Bild? Durchschneiden
wir, so gut es infolge seiner weichen Beschaffenheit geht, einen
jungen Thallus, so sehen wir zahlreiche dünne, lange Fäden,
die aus am Grunde liegenden Sporen entstehen, durcheinander-
laufen und am Rande eine dichte Schichte bilden. Zwischen
den dünnen Fäden, die nichts anderes als Hyphenfäden sind,
liegen sehr kleine stäbchenförmige Körper, die Zwischenräume
ausfüllend und das ganze Gebilde einhüllend. Diese kleinen
stäbchenförmigen Körper sind Bakterien, wie die Färbungen
und Kulturen zeigten, die in reger Bewegung sind, Schleim zu
bilden scheinen, so daß der ganze Thallus von einer schleimigen
Masse erfüllt ist.
Die langen, 3 bis 4 [x dicken Fäden sind septiert, hyalin und
bilden am Rande eine Schichte von Conidienträgern. die reich ver-
zweigt und mehreremal gabelig verteilt sind. Während die Zellen
der im Innern gelegenen Hyphen sehr lang und schmal sind,
nehmen die unteren Conidienträgerzellen eine gedrungene Form
an und sind weitaus kürzer (Fig. 9, 10, Taf. II). An den Coni-
dienträgerzellen sitzen meist in Ketten die Conidien, welche
rundlich bis länglich oval, 7 bis 12 p, groß sind und eine dünne
bräunliche Membran besitzen (Fig. 11, 12, Taf. II).
Es gelang, einzelne Conidien in der feuchten Kammer zur
Keimung zu bringen, welche dieselbe Erscheinung wie die
Keimung einer Pilzspore darbot, doch konnten die Hyphen
nicht zur Entwicklung von Conidienträgern gebracht werden.
Es war mir nur zu tun, die Natur der kleinen stäbchen-
förmigen Körper festzustellen. Die Färbungen mit Methylen-
468 E. Zederbauer,
blau und Fuchsin auf Bakterien gelangen jedesmal, ebenso
wiesen die Kulturen auf Gelatine und Agar-Agar auf
Bakterien hin.
Auf Gelatineplattenkulturen bildeten sich bei Zimmer-
temperatur und im Brutofen bei 20° C. kleine schmutzigweiße
runde Tröpfchen, die sich vereinigen und grübchenförmig die
Gelatine aushöhlten. Nach 5 bis 6 Tagen wurden die Grübchen
ziemlich groß und waren mit einer trüben, flockigen Masse, be-
stehend aus verflüssigter Gelatine und Bakterien, erfüllt Das
Wachstum war bei Kulturen, die am Fenster standen, an der
gegen das Licht zugewendeten Seite stärker (Fig. 19, Taf. II).
Ähnliches Verhalten wie auf Gelatineplattenkulturen zeigte
sich bei Gelatinestrichkulturen. In Gelatinestrichkulturen bildete
sich im Brutofen bei 20° eine rasch um sich greifende, strumpf-
förmige Verflüssigung mit unregelmäßigen blasenartigen Aus-
buchtungen und zwar war der Verflüssigungsstrumpf oben
weiter als unten. Der Bacillus, zu welcher Gattung er wegen
seiner Geißeln gehört, gedeiht besser bei Luftzutritt als bei
Luftabschluß,, was auch bei Agar-Agar und Agargelatine-
kulturen zu sehen war. Auf Agar-Agar breitete sich der
Bacillus, zuerst kleine runde Flecken bildend, über die
ganze Oberfläche in Form eines schleimigen schmutzigweißen
Belages aus, verflüssigte aber Agar-Agar nicht. Bei allen Kul-
turen zeigte sich die Erscheinung des Fluoreszierens.
Die Geißelfärbung mit der van Emergem'schen, von
Hinterberger verbesserten Methode zeigte lange, um das
ganze Stäbchen sitzende Geißeln, die das Zehnfache der Länge
des Organismus erreichen können (Fig. 20, Taf. II). Sporen-
bildung konnte nicht beobachtet werden.
Die an den Impfstellen mit hingebrachten Hyphenfaden
veränderten sich in der Weise, indem die Zellen gedrungener
und kürzer wurden (Fig. 14, Taf. II), unregelmäßige Formen
annahmen und Conidien zu bilden schienen (Fig. 15, Taf. II).
In Gelatinekulturen trat auch Chlamydosporenbildung ein.
Die Chlamydosporen waren rundlich, 4 bis 12 |t groß und
besaßen eine bräunliche Membran. Dieselbe Erscheinung zeigte
sich bei älteren Exemplaren, auch bei solchen, die zugrunde
gingen. (Fig. 16, 17, Taf. II.)
MyxöbacteriaceaCy eine Symbiose etc. 469
Außer den zwei erwähnten Fortpflanzungsarten besitzt
der Hyphomycet des Chondromyces glomeratus eine dritte Art,
nämlich die durch Oidien, die bei älteren Exemplaren im Innern
gebildet werden, indem die Hyphen in Stücke von verschiedener
Länge zerfallen, an beiden Enden sich abrunden (Fig. 18,
Taf. II). Gerade diese Gebilde erinnern sehr an die Fäden, wie
sie bei sämtlichen Arten von Thaxter beobachtet und abge-
bildet wurden. Ähnliche Gebilde beschreibt auch Zukal bei
Myxococcus. Doch wurden sie von beiden Autoren für Bakterien
oder Bildungen, die von Bakterien stammen, gehalten. Ihre Ent-
stehung aus den langen Fäden, die wir als Hyphenfäden kennen
gelernt haben, zeigt aber deutlich den Pilzcharakter.
Es geht aus den Beobachtungen und Kulturversuchen
deutlich hervor, daß an dem Aufbau des Chondromyces glome-
ratus einerseits Bakterien, Bacillus Chondromycetis glomerati,
und ein Pilz, Hyphomycet des Chondromyces glomeratus, be-
teiligt ist. Da der Pilz sich in keiner bis jetzt bekannten Gattung
unterbringen läßt, außerdem ohne Bakterien nur zur Keimung
gebracht werden konnte und sich nicht der vollständige Ent-
wicklungsgang des ursprünglichen Pilzes feststellen ließ, so
habe ich es vorläufig unterlassen, ihn zu benennen, um eventuell
später durch Kulturversuche seine Zugehörigkeit zu ermitteln.
Dazu kommt noch die eine Schwierigkeit, daß nicht ein einziges
Individuum an seinem Aufbau teilnimmt, ebensowenig wie bei
Myxococcus, sondern zahlreiche, wie aus den vielen am Grunde
liegenden ausgekeimten Pilzsporen zu ersehen ist, deren Hyphen
im Thallus so durcheinander laufen und sich verflechten, daß
es nicht gelingen möchte, ein einzelnes Individuum herauszu-
präparieren.
Wie aus den dargelegten Ausführungen zu ersehen ist, ist
bei den beiden zur Verfügung stehenden Arten der Gattungen
Myxococcus und Chondromyces, bei Myxococcus incrustans und
Chondromyces glomeratus, der Aufbau aus zwei verschiedenen
Organismen, Pilzen und Bakterien, durch Experiment festge-
stellt worden, indem beide Komponenten unabhängig von-
einander gezogen werden konnten, bei Myxococcus der ganze
Entwicklungsgang des Pilzes, somit seine Zugehörigkeit sicher
festgestellt werden konnte.
470 E. Zederbauer,
Die Ergebnisse dieser Kulturversuche zwangen zur An-
nahme, daß die Gebilde, wie sie auf Taf. I, Fig. 3 bis 15, dar-
gestellt sind, und die in zahlreichen beobachteten Fällen ganz
identisch sind mit den Abbildungen von Myxococcus, welche
Thaxter und Zukal darstellten und für Bakterien und ihre
Sporen hielten, nicht mit den Bakterien im Zusammenhange
stehen, sondern nach ihrer ganzen Erscheinung, ihrer Sporen-
bildung, Keimung und Fadenbildung (Hyphen) Pilzen angehören
müssen. Gegen die Annahme der Bakteriennatur spricht ja auch
die Tatsache, daß dergleichen Sporenbildung bei Bakterien
nicht vorkommt.
Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß auch bei
den anderen Arten von Myxococcus, welche von Thaxter und
Zukal beschrieben wurden, durch Experimente die Symbiose
sich nachweisen läßt. Daß Bakterien an dem Aufbau beteiligt
sind, ist von beiden Autoren festgestellt und ihr Verhalten zeigt
ohne Zweifel auf Bakterien hin. Hingegen gleichen die Sporen,
von Thaxter und Zukal für Bakteriensporen gehalten, ganz
und gar Pilzsporen; die bei einzelnen Sporen beobachtete
Keimung stimmt vollkommen mit der von Pilzsporen, ja aus
Thaxter'sund Zukal's Abbildungen (1. Taf. XXV, Fig. 40,41 ;
7. Taf. XXVII, Fig. 3) sind deutlich die Hyphen zu erkennen,
ebenso sind deutliche Oidien (1. Taf. XXV, Fig. 37, 39, 40, 41;
7. Taf. XX VII, Fig. 1, 4) dargestellt. Gerade die eigentümlichen,
anfangs fraglichen Sporen, Hyphen und Bakterien, die mit den
Abbildungen von Thaxter und Zukal übereinstimmten, ver-
anlaßten mich, den auf dem Badeschwamme gefundenen
Organismus zur Gattung Myxococcus zugehörig zu betrachten,
so wie bei Chondromyces die feinen, langen fadenförmigen Ge-
bilde, die im Innern des Thallus und in den Cysten vorkommen,
seine Zugehörigkeit zu dieser Gattung ohne Zweifel erscheinen
ließen.
Es könnte jemand den Einwurf machen, daß diese Gebilde
zufällige Erscheinungen seien, daß ein Pilz zufällig von Bakte-
rien befallen wird und derartige Bildungen hervorruft. Dagegen
sprechen nun folgende Gründe: Erstens ist Myxococcus in-
crustans nicht nur auf einem Schwamm im erwähnten Institut,
sondern auf sämtlichen im Gebrauche stehenden und zeigt
Myxobacteriaceae, eine Symbiose etc. 47 1
immer dieselben Bakterien, Pilzhyphen und Sporen. Zweitens
zeigen die auf den ziemlich weit voneinander liegenden Fund-
orten gesammelten Chondromyccs glotneratas immer denselben
Bacillus, denselben Pilz; es sind also konstante Erscheinungen,
wie bestimmte Pilze und Algen jedesmal dieselbe Flechte er-
zeugen. Drittens sprechen die zahlreichen beschriebenen Arten
von Myxococcus und Chondromyccs dafür.
Daß derselbe Pilz mit anderen Bakterien leben sowie das-
selbe Bacterium auf verschiedenen Pilzen vorkommen kann,
ist ja denkbar und höchstwahrscheinlich. Voraussichtlich
bilden sie dann verschiedene Myxobacteriaceen.
Die Myxobacteriaceen sind keineswegs höchst seltene Er-
scheinungen, was aus den zahlreichen von Th axter aufge-
fundenen Arten und den Bemerkungen ZukaTs, der einige Arten
wegen ihrer weiten Verbreitung kosmopolitisch nennt, hervor-
geht. Es ist mir gelungen, in kurzer Zeit einige Organismen zu
finden, die ohne Zweifel zu den Myxobacteriaceen gehören,
doch konnte bis heute wegen der nicht vollständig gelungenen
Kulturen die Zugehörigkeit des Bacteriums und des Pilzes nicht
festgestellt werden. Es hat nach den jetzigen Beobachtungen
den Anschein, als ob eine nicht unbedeutende Anzahl der Fungi
imperfecti in diese Gruppe gehöre, besonders solche, in deren
Diagnosen es heißt, daß der ganze Organismus in Schleim ein-
gehüllt ist, der in vielen Fällen von Bakterien herrühren dürfte.
Welchen Zweck hat nun das Zusammenleben der beiden
Organismen? Ist es eine Symbiose oder ein Parasitismus?
Nehmen wir das erstere an. Es ist ja höchstwahrscheinlich,
daß der Pilz Nutzen aus dem von den Bakterien gebildeten
Schleim zieht, daß hingegen das Bacterium die vom Pilz aus-
geschiedenen Stoffe aufnimmt. Diese Annahme ist keineswegs
unanfechtbar, da sie des Beweises durch das Experiment und
der chemischen Untersuchung bedarf, doch scheint sie uns
wahrscheinlicher als die eines Parasitismus, infolgedessen der
Pilz keinen Nutzen vom Bacterium hätte, sondern vom Bacte-
rium wegen der ausgeschiedenen Stoffe befallen würde oder
umgekehrt der Schleim des Bacteriums dem Pilze zur Nahrung
diene und das Bacterium keinen Vorteil hätte. Wenn man einen
Parasitismus annimmt, so wäre auch anzunehmen, daß einer
472 E. Zederbaueiy
von den beiden Komponenten in seiner Entwicklung gehemmt
wäre oder zugrunde gehe, was aber bei dem vorliegenden
Organismus nicht der Fall ist; das Bacterium sowie der Pilz
gelangen zur vollen Entwicklung und vermehren sich sehr
rasch, so daß keinerlei schädigender Einfluß zu beobachten ist
Der Parasitismus ist auch unwahrscheinlich, wenn wir
noch die Fortpflanzungsorgane, die der Pilz und das Bacterium
bildet, die Cysten, berücksichtigen. Die Veränderung der Pilze
in der Symbiose mit den Bakterien ist nach den bis jetzt beob-
achteten Fällen gering, doch dürfte sie in anderen Fällen
größer sein.
Entsprechend der Auffassung der Myxobacteriaceen als
eine Symbiose von Pilzen und Bakterien ist die Bezeichnung
Myxobacteriaceen unzweckmäßig, da sie dadurch nur nach
ihrem schleimigen Aussehen, ihrer Ähnlichkeit mit den Myxo-
phyten, mit denen sie auch einen Teil ihres Entwicklungsganges
gleich haben, bezeichnet sind, außerdem sie keine Ordnung der
Bakterien sind, was der Name Myxobacteriaceae bezeichnen
will. Da sie sich in Bezug auf ihr Verhalten am meisten den
Flechten nähern, an deren Aufbau ebenfalls zwei Organismen
teilnehmen, so will ich sie nach dem Vorschlage Professors
v. Wettstein »Spaltpilzflechten« bezeichnen.
Zusammenfassung der Resultate.
1. Die Myxobacteriaceae Thaxter's sind nicht als eine
Ordnung der Bacteriaceen aufzufassen, sondern als eine selbst-
ständige Pflanzengruppe mit biologischen Eigentümlichkeiten,
ähnlich wie die Flechten.
2. Die Myxobacteriaceae sind eine Symbiose zwischen
Pilzen und Bakterien, wie einerseits aus Kulturversuchen und,
geleitet von diesen Experimenten, aus der diesbezüglichen
Literatur zu ersehen ist.
3. Die Kulturversuche wurden an Myxococcus incrustans
und an Chondromyces glomeratus gemacht, welche deutlich
den Aufbau aus Pilzen und Bakterien zeigten.
4. Bei Myxococcus incrustans gelang es, das Bacterium
und den Pilz unabhängig und getrennt voneinander zu ziehen;
aus den Sporen entsteht bei Kultur in der feuchten Kammer
MyxobacUriaccac, eine Symbiose etc. 473
bei der Keimung ein Hyphenfaden, der wieder Sporen, Conidien
abschnürt. Das Bacterium zeigt die typische Erscheinung der
Bakterien bei Färbungen und Kulturversuchen auf Gelatine und
Agar-Agar und bildet Sporen, die für Bakterien charakteristisch
sind. Myxococcns incrustans besitzt Fortpflanzungsorgane bei-
der Komponenten, des Pilzes und Bacteriums, die sogenannten
>Cysten«, die aus Conidien und Bakterien bestehen, eingehüllt
in Schleim, der an der Luft erhärtet und eine gemeinsame Hülle
bildet
5. Bei Chondromyces glomeratus gelang ebenfalls die
Trennung und separierte voneinander unabhängige Kultur der
Pilze und Bakterien. Die Bakterien wuchsen auf Gelatine,
Agar-Agar ohne Pilz, färbten sich nach den für die Bakterien
gebräuchlichen Methoden und besitzen Geißeln. Sporenbildung
des Bacillus wurde nicht beobachtet. Die Pilzspore konnte zwar
zur Keimung gebracht werden, doch gelang es nicht, Conidien-
träger und Conidien zu erzeugen; das Vorhandensein von
deutlichen Hyphen, Conidienträgern, die eine dichte Schicht
bilden, Conidien und Chlamydosporenbildung innerhalb des
Thallus und auf Gelatinekulturen weist zweifellos auf einen
Pilz hin. Außerdem ist bei alten Exemplaren Oidienbildung zu
beobachten, wobei solche Gebilde zustande kommen, wie sie
Thaxter und Zukal abgebildet und als den Bakterien ange-
hörig beschrieben haben.
6. Aus der diesbezüglichen Literatur ist zu ersehen, daß
sämtliche Arten von Myxococcus aus Bakterien und Pilzen zu-
sammengesetzt sind. Die Bakterien zeigen dasselbe Verhalten,
das für Bakterien eigentümlich ist; die ihnen zugeschriebenen
Sporen und die daran sitzenden fadenförmigen Gebilde sind
Pilzsporen mit Hyphen, da sie die für Pilzsporen und Hyphen
charakteristische Beschaffenheit, keineswegs aber mit den
Bakteriensporen und Bakterien irgendwelche Ähnlichkeit und
Analogon besitzen. Bei einer Art sind Cysten bekannt.
Chondromyces- Arten zeigen ebenfalls typische Hyphen-
faden, die den Thallus durchziehen, Sporen bilden, wie die von
Zukal gegebene Beschreibung von Chondromyces crocatus
(respektive Myxöbotrys variabilis) zeigt. Cysten sind fast bei
allen bekannt. Bei den Gattungen Myxobacter und Cystobacter
474 E. Zederbauer,
läßt sich die Symbiose zwischen Pilzen und Bakterien nicht
mit voller Sicherheit feststellen, doch ist sie mehr als wahr-
scheinlich.
7. Der Zweck der Symbiose ist vermutlich der, daß die
von den Pilzhyphen ausgeschiedenen Stoffe von Bakterien ver-
braucht werden, der Schleim der Bakterien den Pilzhyphen zu
gute kommt.
8. Die Bezeichnung Myxobacteriaceae scheint infolge der
Auffassung einer Symbiose unzweckmäßig, da sie den eigent-
lichen Sachverhalt nicht zum Ausdruck bringt und ursprünglich
etwas anderes damit bezeichnet wurde. Hingegen ist der Name
Spaltpilzflechten nach Vorschlag von v. Wettstein für
diese Gruppe bezeichnender, da sie mit Bezug auf ihren Aufbau
mit Flechten mehr Ähnlichkeit besitzt als mit Myxophyten,
außerdem die Bezeichnung Bacteriaceae in Bezug auf die
Systematik verwirrend wirken würde, da wir es nicht mit einer
Ordnung von Bakterien zu tun haben.
Diagnosen.
Myxococcus incrustans n. sp.
Taf. I und II, Fig. 1 bis 5.
Bildet rosarote oder blaßrote, schleimige, glänzende, 1 bis
2 mm hohe Tröpfchen, die zusammenfließen und einen rosa-
roten Überzug auf dem Substrat bilden, so daß er das Aussehen
eines Schleimpilzes darbietet. Ältere Kulturen werden schwärz-
lich glänzend. Ein einzelnes Tröpfchen oder der ganze Überzug
besteht aus stäbchenförmigen Organismen (Bakterien) und aus
Hyphen mit Conidien (Pilz), die in Symbiose leben. Diese
beiden Komponenten sind das Bacterium Myxococci incru-
stantis n. sp. und der Hyphomycet Tonüa Myxococci incru-
stantisn. sp.; da weder das Bacterium noch der Pilz mit bereits
beschriebenen Arten indentifiziert werden konnte, beschreibe
ich sie als neue Arten. Beide zusammen bilden ein gemein-
sames Vermehrungsorgan, die »Cysten«, bestehend aus Conidien
oder Conidienketten und Hyphen, welche umgeben sind von
Bakterien und Schleim. Das ganze Gebilde ist eingeschlossen
Myxobactcriaccac, eine Symbiose etc. 475
von einer gemeinsamen Hülle, die wahrscheinlich aus erhärtetem
Schleim besteht. Größe sehr verschieden, 20 bis 90(1.
Torula Myxococci incrustantis n. sp.
Hyphen niederliegend, 3 bis 5 p, dick, dunkelbraun, glatt,
conidientragende Äste sehr kurz, Conidien in Ketten gebildet,
einzeln oder in Verbänden sich loslösend, einzellig, dunkel-
braun, kugelig glatt, 4 bis 8fi im Durchmesser, Oidienbildung
durch Zerfall einzelner Hyphenfaden; aus den Oidien sprossen
Conidien aus.
In der feuchten Kammer, zwischen Objektträger und Deck-
glas kultiviert, keimen die einzelnen Conidien, treiben Hyphen
aus, bestehend aus langgestreckten Zellen, die etwas dünner
und länger sind als die Hyphenzellen in Symbiose mit dem
Bacterium. An den Hyphen entstehen wieder Conidien von
fast derselben Größe und demselben Aussehen wie die ur-
sprünglichen.
Auf Gelatine gezüchtet, wächst es anfangs sehr stark,
bildet lange Fäden, an denen Conidien entstehen. Da das
Bacterium die Gelatine verflüssigt, so sind nach kurzer Zeit
die Pilzhyphen nicht mehr zu beobachten. Auf Agar-Agar
scheinen sie sich nicht weiter zu entwickeln.
Bacterium Myxococci incrustantis n. sp.
Großes, dickes Stäbchen mit abgerundeten Ecken, ohne
Eigenbewegung, einzeln, nur in Kulturen zu Ketten vereinigt.
Die Dicke eines Stäbchens beträgt 1 • 4 bis 1 • 7 jx, die Länge
3 bis 4 n, ovale Sporen bildend, die einzelne Spore ist zirka
2 {i. lang und 1*5 (i dick. Rosaroten Farbstoff produzierend,
welche Fähigkeit in Kulturen auf Gelatine und Agar verloren
geht. Schleimbildend.
Auf Gelatineplattenkulturen bei Zimmertemperatur
gezogen, sind die Kolonien nach 12 Stunden sichtbar und zwar
die oberflächlich gelegenen stärker entwickelt als die ein-
geschlossenen. Von der Impfstelle strahlen weiße Fäden nach
allen Richtungen aus, die sich teils netzartig verzweigen, teils
476 E. Zederbauer,
auch in gerader Richtung verlaufen und allmählich die ganze
Oberfläche mit einem Fadennetz überziehen.
Bei 12facher Vergrößerung zeigen sich dicke Fäden,
welche sich vielfach verästeln, die sich bei 80facher Ver-
größerung in einzelne feine Bakterienketten auflösen. Im Brut-
ofen bei 20° gezüchtet, überziehen diese mycelartigen, aus
Ketten von Bakterien bestehend, die Oberfläche nach 24 Stunden
in einem Umkreis von 1 cm, während von den eingeschlossenen
Kolonien nach allen Seiten feine Fäden in die Gelatine aus-
laufen. Nach weiteren 24 Stunden schwimmt bereits ein
Häutchen, aus ineinander verflochtenen Bakterienketten be-
stehend, auf der verflüssigten Gelatine, während am Rande der
flachen Aushöhlung die Bakterienfaden auf der Oberfläche der
Gelatine weiterwachsen. Nach mehreren Tagen ist die ganze
Gelatine verflüssigt und es zeigen sich Fetzen von Häutchen
zum Teil noch auf der Oberfläche oder am Grunde der ver-
flüssigten Gelatine.
Auf der Gelatinestrichkultur zeigt sich dasselbe Ver-
halten wie bei der Gelatineplattenkultur.
In der Gelatinestichkultur im Brutofen bei 20° ist der
Stichkanal nach 12 Stunden schon deutlich sichtbar, nach
weiteren 12 Stunden ist ein großer Verflüssigungsstrumpf zu be-
obachten, der ziemlich weit ist, nach unten bis zum Grunde
sich allmählich verengt; er ist mit trübflüssiger Gelatine gefüllt,
am Rande gehen feine Strahlen in die noch feste Gelatine
aus, an der Oberfläche kommt es zur eigentlichen Hautbildung
so wie bei den beiden vorhin erwähnten Kulturen.
Auf schrägem Agar (Strichkultur) breitet sich im Brut-
ofen bei 20° vom Impfstrich rasch ein weißer Belag über die
ganze Oberfläche aus, ähnlich dem netzartig verzweigten Über-
zug bei Gelatinestrich- oder Plattenkultur. Agar wird nicht
verflüssigt Bei weiterer Kultur bildet sich ein dichter Belag
von ineinander verflochtenen Bakterienketten.
Auf Agar-Agarplattenkulturen bildet sich wie bei der
Strichkultur, von der Impfstelle ausgehend, ein Netz von feinen
weißen Fäden; die eingeschlossenen Kolonien senden nach
allen Richtungen strahlenförmig Fäden aus, doch bleiben sie be-
deutend hinter den auf der Oberfläche befindlichen zurück.
MyxdbacUriactac, eine Symbiose etc. 477
Bei Agar-Agarstichkultur bildet sich oben ein Netz-
werk von feinen Fäden, bestehend aus Bakterienketten, während
die im Innern des Nährbodens befindlichen sich weitaus lang-
samer entwickeln als die oberflächlich gelegenen.
Kulturversuche auf sterilisiertem Brot und Kartoffeln er-
gaben negative Resultate.
Wächst bei Luftzutritt und Luftabschluß, bei ersterer
Bedingung günstiger.
Myxococcus incrustans wurde auf einem Badeschwamm ge-
gefunden, der mehrere Jahre zum Naßmachen von gummiertem
Papier im botanischen Museum der k. k. Universität in Wien
benützt wurde; er ist auf sämtlichen, zu ähnlichen Zwecken ge-
brauchten Schwämmen des genannten Institutes zu finden und
zwar als schwärzliche, schleimig glänzende Flecken. Die Vege-
tationszeit ist bis jetzt nur in den Monaten Februar, März,
April beobachtet.
Nach der Vegetationszeit wird der Organismus schwärz-
lich und bleibt das ganze Jahr hindurch schwärzlich glänzend,
nur hie und da einige Hyphenföden in die Luft treibend.
Sein Vorkommen dürfte nicht an Badeschwämmen ge-
bunden sein, da ja nicht der Badeschwamm das eigentliche
Substrat für den Organismus ist, sondern der den Badeschwamm
durchtränkende Gummi.
Chondromyces glomeratus n. sp.
Thallus sitzend, von verschiedener Gestalt, längliche,
2 bis 5 mm hohe Säulchen oder Zäpfchen oder niedergedrückte
Lappen, die teilweise schwach gewunden sind, bildend, in der
Gesamterscheinung an Tremeliineen erinnernd, von weich
knorpeliger Beschaffenheit und blaßroter bis kirschroter Farbe.
Fast immer zu einem Häufchen vereinigt, nach der Vegetations-
periode sich auflösend und dunkelrote Flecke auf dem Substrate
zurüklassend, die schließlich schwarz und hart werden.
Zusammengesetzt ist der Thallus aus einem conidien-
tragenden Hyphomycet, zwischen den einzelnen Hyphen und
dem ganzen Thallus einhüllend zahlreiche bewegliche Bakterien,
Bacillus Chondromycetis glomerati.
478 E. Zederbauer,
Hyphomycet des Chondromyces glomeratus.
Hyphen hyalin, septiert, 1*5 bis 3 |i dick, aufrecht, einzelne
Zellen sehr lang, Conidienträger am Rande des Thallus dicht
beisammen stehend und eine Conidienschichte bildend. Conidien-
träger reich verzweigt, mehreremale gabelig geteilt, aufrecht,
untere Conidienträgerzellen dicker und gedrungener als die
anderen.
Conidien in Ketten stehend, ohne Sterigmen unmittelbar der
Spitze des Trägers aufsitzend, einzellig, kugelig bis oval, bräun-
lich, 7 bis 12{i im Durchmesser, Membran dünn, das Innere von
kleinen, stäbchenförmigen, lichtbrechenden Körperchen erfüllt,
Kern ziemlich groß ; bei der Keimung wächst die Spore in einen
langen Hyphenfaden aus.
In älteren Exemplaren bilden sich im Innern Chlamydo-
sporen, die rundlich und 4 bis 12 p. groß sind; Membran ist
dünn und schwach bräunlich oder hyalin, sie unterscheiden sich
wenig von den Conidien. Chlamydosporenbildung tritt auch bei
Gelatinekulturen ein. In älteren Exemplaren zerfallen die Hyphen-
faden bisweilen in Oidien von verschiedener Länge.
In Gelatinekulturen werden die Hyphen dicker, die
Zellen kürzer und gedrungener und schnüren Conidien ab. In
der feuchten Kammer keimen die Sporen, doch konnte bis jetzt
der ganze Entwicklungsgang eines Individuums nicht festge-
stellt werden, weshalb die Einreihung des Pilzes bis jetzt schwer
möglich ist.
Bacillus Chondromycetis glomerati n. sp.
Bewegliche Stäbchen von 05 bis 1 \l Dicke und zirka 2 ft
Länge, mit abgerundeten Enden, oft zu zweien aneinander-
hängend und dann gekrümmt erscheinend. Die Stäbchen
besitzen auf dem ganzen Körper zarte Geißeln (peritrich), die
sehr lang sind und das Zehnfache der Länge des Stäbchens
erreichen und sich leicht nach der van Emergem'schen, von
Hinterberger verbesserten Methode färben. Sporenbildung
ist nicht beobachtet. Der rote Farbstoff, den sie ausscheiden,
geht bei Kulturversuchen verloren.
Myxobacieriaceae, eine Symbiose etc. 479
Auf Gelatineplattenkulturen sind die Kolonien bei
Zimmertemperatur gewöhnlich erst nach 48 Stunden als ganz
kleine, mit freiem Auge schon erkennbare, runde, grauweiße
Punkte wahrzunehmen.
Im weiteren Verlaufe macht sich zunächst an den ober-
flächlich gelegenen Kolonien eine Einsenkung der Gelatine
bemerkbar, in der die punktförmigen Kolonien auf dem Boden
liegen; in 5 bis 6 Tagen sind die verflüssigten Grübchen schon
ziemlich groß (3 bis 5 mm im Durchmesser) und mit trüber,
flockiger Masse erfüllt. Das Wachstum ist gegen das Licht zu
stärker, wie beim Fenster aufgestellte Kulturen zeigen.
Auf Gelatinestrichkulturen zeigt sich dasselbe Ver-
halten wie bei Plattenkulturen.
In Gelatinestichkulturen zeigt sich im Brutofen bei 20°
eine rasch um sich greifende, strumpfförmige Verflüssigung mit
unregelmäßigen blasenartigen Ausbuchtungen.
Auf Agar-Agarplattenkulturen sowie Strichkultur bildet
sich ein schmutzigweißer schleimiger Überzug, der anfangs
runde Flecken bildet, später die ganze Oberfläche überzieht und
den Nährboden nicht verflüssigt.
In Agar-Agargelatinestichkulturen zeigt sich ein
ähnliches Verhalten wie bei Gelatinekulturen, nur ist die Ver-
flüssigung keine so rasche und weitgehende. Bei allen Kulturen
zeigt sich die Erscheinung des Opalisierens. Wächst bei Luft-
zutritt günstiger als bei Luftabschluß.
Chondromyces wächst auf nicht zu alten Buchenstrünken,
die auf feuchten Orten stehen. Bis jetzt an drei Stellen im
Wienerwajd, bei Stössing, Purkersdorf und bei Klosterneuburg,
gefunden.
Literaturverzeichnis.
1. Thaxter R.. On the Myxobacteriaceae, a new Order of
Schizomycetes. Botanical Gazette, 1892, Vol. XVII, p. 389.
2. — Further observations of the Myxobacteriaceae. Bota-
nical Gazette, 1897, Vol. XXIII, p. 395 to 41 1.
3. Schröter, Kryptogamenflora von Schlesien. III. Bd., I. Lief,
p. 170.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CX1I. Bd., Abt. 1. 31
480 E. Zederbauer,
4. Berkley et Curtis, North Amer. Fungi n. 600. Berk.
Intr. Bat. Crypt, p. 313, f. 70 a, nach Saccardo, Sylloge
Fungorum. Vol. IV, p. 576.
5. Zukal Hugo, Myxöbotrys variabilis Zuk. als Repräsentant
einer neuen Myxomycetenordnung. Ber. der deutschen
bot. Ges., Bd. XIV, 1896.
6. — Notiz zu meiner Mitteilung über Myxöbotrys variabilis
Zuk. im 9. Hefte des Jahrganges 1896. Ber. der deutschen
bot. Ges., Bd. XV 1897, S. 17.
7. — Über die Myxobakterien. Ber. der deutschen bot Ges ,
Bd. XV, 1897.
Myxobacteriaceae, eine Symbiose etc. 48 1
Erklärung der Figuren.
Tafel 1.
Myxococctts incrttstans.
Fig. 1. Thallus in natürlicher Größe; links ein noch isoliert stehender, rechts
ein aus mehreren zusammengeflossen bestehender Thallus.
Fig. 2. Querschnitt durch einen jungen Thallus; in der unteren Hälfte haupt-
sächlich Hyphen, zwischen und über denen die Bakterien liegen.
Etwas schematisiert; 80 fach vergrößert.
Fig. 3. Ein Stück des Thallus stark vergrößert (650 fach), bestehend aus
einem Faden rundlicher Zellen, Conidien, und einem Faden länglicher
Zellen, Hyphen (Torula Myxococci incrustantis) y zwischen denselben
Bakterien (BacUrium Myxococci incrustantis).
Fig. 4 bis 29. Torula Myxococci incrustantis.
Fig. 4 bis 9. Einzelne isolierte Hyphenfäden aus einem in regem Wachstume
begriffenen Thallus. Fig. 5 und 8 zeigen Bildung von Conidien, Fig. 6
und 9 keimende Conidien. Vergr. 650 fach.
Fig. 10 bis 12. Conidien, zwei Tage trocken gehalten, Membran etwas verdickt
und stark braun gefärbt. Vergr. 860 fach.
Fig. 13 bis 16. Hyphen aus einer Kultur in der feuchten Kammer; Fig. 13 und
14 Keimung einer isolierten Spore, Fig. 15 ein vorgeschrittenes
Stadium; Fig. 16 an den in der feuchten Kammer gezogenen Hyphen-
fäden bilden sich wieder Conidien. Fig. 13, 14, 15 650 fach ver-
größert, Fig. 16 270 fach.
Fig. 17 und 18. Fäden aus einer Gelatineplattenkultur aus der Impfstelle,
Conidien bildend. Vergr. 650 fach.
Fig. 19 bis 29. Einzelne Hyphenfäden und Conidienketlen aus einem Thallus
nach der Vegationsperiode, wo er bereits die rötliche Farbe verloren
hat und schwarz glänzend geworden ist. Fig. 19, 20, 21 Conidien-
ketten; Fig. 22, 24, 25, 27, 28 Hyphenfäden, in einzelne Oidien
zerfallend; Fig. 23, 26, 29 an den Oidien einzelne oder mehrere
Conidien ansitzend. Vergr. 700 fach.
Fig. 30. Cyste von Myxococcus incrustans. In der Hülle, die geplatzt ist,
liegen Conidien und Bakterien. Vergr. 650 fach.
Tafel n.
Fig. 1 bis 5. Bacterium Myxococci incrustantis.
Fig. 1. Mycelartiger Oberzug aus Bakterienketten auf einer Gelatineplatten-
kultur nach 24 Stunden. Natürliche Größe.
31*
482 E. Zederbauer, Myxobacteriaceae, eine Symbiose etc.
Fig. 2. Einzelne Fäden dieses Überzuges, die Verästelung zeigend, zwölf mal
vergrößert.
Fig. 3. Ende eines solchen Fadens, bestehend aus Bakterien, die teils einzeln,
teils noch in Ketten sind. 650 fach vergrößert.
Fig. 4. Teil vom Rande eines Häutchens, das sich auf der Gelatineplatten-
kultur bildet, in einzelne Ketten zerfallend. 900 fach vergrößert.
Fig. 5. Einzelne Bakterien mit Sporen, rechts Bakterienketten. Vergr. 1200fach.
Fig. 6 bis 20. Chondromyces glomeratus.
Fig. 6. Habitusbilder in natürlicher Größe, auf einem Buchenstrunk auf-
sitzend, nach einer Photographie.
Fig. 7. Schematischer Querschnitt durch einen jungen Thallus, die dunkle
Linie am Rande die Conidienschichte bezeichnend. 50 fach vergrößert.
Fig. 8. Conidienschichte stärker vergrößert (460 fach), gegen links zu das
Innere des Thallus.
Ein Teil eines Conidienträgers mit Conidien. 800 fach vergrößert.
Ein junger Conidienträger, noch ohne Conidien. 800 fach vergrößert.
Ein einzelner Ast mit einer Conidienkette. 800 fach vergrößert.
Einzelne Conidien. 800 fach vergrößert.
Keimende Spore aus einer feuchten Kammer. 800 fach vergrößert
Pilzhyphen aus einer Gelatineplattenkultur, die veränderten kurzen
gedrungenen Zellen im Gegensatz zu den ursprünglichen dünnen und
langgestreckten zeigend. 650 fach vergrößert.
Pilzhyphen aus einer Gelatineplattenkultur, Sporen abgliedernd.
650 fach vergrößert.
Pilzhyphen aus einer Gelatinestrichkultur, Chlamydosporenbildung.
650 fach vergrößert.
Pilzhyphen aus einem älteren zerfallenden Thallus, Chlamydosporen-
bildung. 650 fach vergrößert.
Zerfallende Hyphen, Oidien, aus einem alten Thallus. 650 fach ver-
größert.
Fig. 19 und 20. Bacillus Chondromycetis glomerati.
Fig. 19. Gelatineplattenkultur, 24 Stunden in Zimmertemperatur kultiviert,
gegen das Licht zu wachsend. Natürliche Größe.
Fig. 20. Einzelne Bakterien mit den nach der van Emergem'schen, von
H in terb erger verbesserten Methode gefärbten Geißeln. 1200 fach
vergrößert.
Fig.
9.
Fig.
10.
Fig.
11.
Fig.
12.
Fig.
13.
Fig.
14.
Fig.
15.
Fig.
16.
Fig.
17.
Fig.
18.
Zederbauer,E. : Ätyxübacteriaeeae,eine Symbiose etc.
Taf.I.
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Zederbauer.E. : Myxobacteriaceat^eiiu* Symbiose etc.
Taf.H.
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Silzung-sborichte d.kais. Akad. d. Wiss., tnath.-naturw. Classt\ LULCXU. Al»th. I.19Ü3.
483
Die Lösungsweise der Reservestoffe in den
Zellwänden der Samen bei ihrer Keimung
Dr. Adolf Rudolf Michniewicz,
k. k. w. Gymnasiallehrer.
(Mit 2 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 12. Juni 1903.)
1. Endosperme der Monokotyledonen.
Unter allen Endospermen der Monokotyledonen, die ich
betreffs der in ihren Membranen sich abspielenden Lösungs-
vorgänge zu untersuchen Gelegenheit hatte, ist dasjenige der
Iris-Arten besonders geeignet, einen genaueren Einblick in die
Veränderungen der Membran während der sukzessiven
Keimungsstadien zu verschaffen. Ich wähle daher besagte
Objekte zum Ausgangspunkte der Darstellung meiner die Mono-
kotyledonen betreffenden Befunde. Letzteren liegt die Unter-
suchung mehrerer iWs-Arten zugrunde und zwar: Irisfragrans
Salisb., coelestina Nutt. und Pseuäacorus L. Im übrigen
möchte ich noch bemerken, daß die Endospermmembranen aller
untersuchten Iris-Arten während der Resorption ein in allen
wesentlichen Punkten übereinstimmendes Verhalten erkennen
lassen.
Iris sp. Im Ruhestadium kann an den mächtig verdickten,
von ziemlich engen Porenkanälen durchsetzten Wänden des
hornigen Endosperms die Differenzierung in eine Innenhaut
(Fig. 3, /&), die Mittelschichten und die Mittellamelle (Fig. 3, Ml)
deutlich erkannt werden. Durch länger andauernde Tinktion
mit sehr verdünnten Farbstofflösungen, z. B. Delafield's Häma-
toxylin, R an vi er' s Pikrokarmin u. a., läßt sich eine differente
484 A. R. Michniewicz,
Intensität in der Färbung dieser drei Membrankomponenten
derart erzielen, daß die Innenhäute und Mittellamelien von
den minder stark tingierten Mittelschichten sich deutlich ab-
heben. Man erhält auf diese Weise oft überraschend schöne
Bilder des Verlaufes dieser Lamellen.
Das erste Anzeichen der beginnenden Resorption der Zell-
wandung gibt sich bei Betrachtung derselben von der Fläche
aus in dem Auftreten einer äußerst feinen, erst bei stärkerer
Vergrößerung deutlich sichtbaren Punktierung ganzer Zell wand -
areale zu erkennen (Fig. 1). Diese scharf umschriebenen Punkte
stehen sehr dicht nebeneinander und heben sich wegen ihrer
schwachen Lichtbrechung von der dichteren Umgebung scharf
ab. Wenn dieselben in Fig. 1 dunkel auf hellerem Grunde ge-
zeichnet erscheinen, so geschah dies hier nur darum, weil eben
ihre Feinheit eine andere Darstellungsweise kaum durchführ-
bar erscheinen ließ.
Der Schnitt, dem Fig. 2 entnommen wurde, gehörte einem
Samen an, dessen Radicula ungefähr die Länge von 5 mm er-
reicht hatte. Schon mit freiem Auge ließ sich an dem Quer-
schnitte durch diesen Samen erkennen, daß die Erweichungs-
zone des Endosperms ziemlich weit gegen die Testa zu vor-
gerückt war. Der Querschnitt durch die Membran (Fig. 2) läßt
unterhalb der völlig intakten Innenhaut (Ih) eine dünne Zone
erkennen, die deutlich in stärker und schwächer iichtbrechende
auf die Oberfläche der Innenhaut normal orientierte Streifen (Cs)
differenziert erscheint.
Die Kombination des Flächen- und Durchschnittes ergibt
somit das Vorhandensein von zylindrischen, mit der Achse zum
Zellwandlumen normal gerichteten veränderten Membranpartien,
die, von der Fläche der Zell wände aus betrachtet, ihre kreis-
förmigen Basen (Fig. 1, Cq), aufschnitten durch die Membran
ihre Seiten (Fig. 2, Cs) zeigen.
In Schnittpartien, die dem Zentrum des Samens näher
lagen (Fig. 3), konnte weiters beobachtet werden, daß die
Zylinder weiter wurden und an Länge gegen die Mittellamelle
(Ml) hin zunahmen. In noch weiter zentralwärts befindlichen
Zellen (Fig. 4) erscheinen die schwächer lichtbrechenden Mem-
branstellen vergrößert, so daß man den Eindruck gewinnt, als
Losungsweise der Reservestoffe etc. 485
wären benachbarte miteinander verschmolzen. Diese Verschmel-
zung tritt uns mit ganz besonderer Deutlichkeit im Bereiche
der Porenkanäle entgegen, so daß die Tüpfelschließhäute von
hellen, unregelmäßig aber scharf konturierten »Höfen« (H) um-
geben erscheinen. Zwischen denselben sind die unveränderten
Membranpartien noch immer als ein zartes Netz (N), dessen
Maschen in der Folge allerdings immer weiter werden, zu
sehen.
Die weitere Veränderung besteht darin, daß der netzartige
Verband der stärker lichtbrechenden Teile der Membran auf-
gehoben wird und von diesem den Knotenpunkten des Netzes
entsprechende Partien zurückbleiben (Fig. 5). Diese stellen
jetzt in der Flächenansicht der Zellwand stärker licht-
brechende Punkte (Sq) auf lichterem Grunde, auf angeschnit-
tenen Membranstellen Stäbchen (Sl) dar, die an ihrem proxi-
malen Ende spitz zulaufen. Werden Schnitte, um ihren Zell-
inhalt zu entfernen, ausgepinselt, so lösen sich die Innenhäute
und auch die veränderten Membranpartien leicht ab (Fig. 6) und
man bekommt dann frei in das Lumen der Zeile vorragende
Stäbchen zu sehen. Daß der Raum zwischen der Innenhaut und
den stäbchenartigen Membranresten nicht leer, sondern von
schwach lichtbrechender Substanz erfüllt ist, läßt sich (Fig. 5)
an einer schwach angedeuteten Schichtung sowie daran er-
kennen, daß diese Membranpartien mit Hämatoxylin tingier-
bar sind.
Zeilen, die zwar demselben Schnitte entstammten, aber
dem Aufsaugungsorgane des Keimlings unmittelbar angelagert
waren (Fig. 7), zeigten bereits kontinuierliche, schwächer licht-
brechende Säume (Sm) unter der Innenhaut ohne Andeutung
einer stäbchenförmigen Differenzierung in dieser Membran-
partie.
Schnitte aus einem Samen mit fast völlig resorbiertem
Endosperm, dem ein 28mm hohei mit einer 20mm langen
Wurzel ausgestatteter Keimling anhing, wiesen (Fig. 8) Zellen
auf, die unveränderte Membranpartien (IM) entweder nur
stellenweise und zwar dicht an der Mittellamelle in nur
beschränkter Ausdehnung oder gar nicht mehr aufwiesen. * Die
Innenhäute und die beiden aneinander schließenden Häute
486 A. R. Michniewicz,
der Mittellamelle (Ml) sind jetzt in der hyalinen, deutlich ge-
schichteten Partie (VM) besonders deutlich auch ohne An-
wendung aller Reagenzien zu sehen. Die >Höfe« um die Tüpfel
(H) waren bereits früher zu zweien oder dreien miteinander
verschmolzen. Jetzt verschwinden sie überhaupt; die Tüpfel
nehmen ihr ursprüngliches Aussehen wieder an. In der Flächen-
ansicht erscheint die Membran nun wieder völlig homogen und
gegen die nicht resorbierte Partie durch eine unregelmäßige,
aber scharfe Linie (Gr) abgegrenzt.
Hierzu möchte ich noch bemerken, daß die veränderte
Membranpartie nicht nur durch gesteigerte Pelluzidität, sondern
auch noch durch den Verlust der Tingierbarkeit mittels
Kongorot, die der intakten in hohem Maße eigen ist, charakte-
risiert erscheint. Bei Verwendung eines Gemisches von Kongo-
rot und Hämatoxylin oder auch bei aufeinanderfolgender Be-
handlung desselben Schnittes mit diesen Reagenzien erhält man
daher sehr schöne Doppeltinktionen der teilweise resorbierten
Zellwände. Die intakten Partien erscheinen nähmlich rot, die
hyalinen blau gefärbt.
In einem Samen, dessen Keimpflänzchen samt der Wurzel
eine Länge von \8ctn hatte, war das Endosperm durch radiale
Risse bereits in Partien zerfallen. Die Substanz der Zwischen-
schichten (Fig. 9) erschien nunmehr völlig weggelöst, so daß
jetzt die Innenhäute (Ih) als geschlossene Bälge innerhalb der
viel dünneren und anscheinend unveränderten Mittellamellen
zu sehen waren. Letztere befinden sich von Stelle zu Stelle im
Kontakte mit stumpf lappigen Aussackungen der Innenlamellen,
die, wie jetzt deutlich zu erkennen war, sich an der Bildung der
Tüpfelschließhäute beteiligen. Die leichte Verschiebbarkeit der
Innenhaut nach vollendeter Resorption der Mittelschicht (Fig. 9,
V), ferner der Umstand, daß durch Anwendung von Tinktions-
mitteln keinerlei Färbung in dem von den restierenden Häuten
eingeschlossenen Räume bewirkt werden konnte, scheint darauf
hinzuweisen, daß letzterer leer oder von einem sehr substanz-
armen, wasserreichen Membranbestandteil erfüllt ist.
Aus obigem würde also hervorgehen, daß bei der Resorp-
tion1 der Mittelschichten zwei differente Vorgänge ineinander
greifen, die in bestimmten Strukturen ihren Ausdruck finden
Lösungsweise der Reservestoffe etc. 487
und daher mit einer Verquellung nicht identifiziert werden
dürfen, zumal der ganze Vorgang ohne namhafte Volumver-
größerung verläuft.
Die Auflösungsweise des Irisendosperms und zwar die
von Iris Pseudacorus war auch Gegenstand der Untersuchungen
Reiss' und wird von ihm als eine Kombination von Korrosion
und Abschmelzen dargestellt. Nach seiner Behauptung sollten
schließlich nur die Mittellamellen ungelöst verbleiben. Seine
Angabe, daß die Innenlamelle an den Spitzen der »Korrosions-
zähne«, die im obigen als Stäbchen bezeichnet wurden, haften
bleibe, sucht er in nicht zutreffender Weise dahin zu deuten,
»daß die scheinbaren Innenlamellen nur die vorübergehend
sichtbaren Grenzlinien der bei den intakten Zellen aufeinander-
folgenden Verdickungsschichten sind. . . . « (7, p. 23).
Asparagus officinalis L. Dieses Endosperm läßt im Ruhe-
zustande die Zusammensetzung aus Innenhäuten, Mittel-
schichten und Mittellamellen ohne Anwendung von Reagenzien
nur schwer erkennen. Tagelange Tinktion mit sehr verdünnten
Farbstofflösungen (z. B. Methylviolett) führt auch hier zu über-
raschend schönen Differenzierungsfärbungen. Jodjodkalium-
lösung läßt die Zwischenschichten pfirsichblütrot, Chlorzinkjod-
lösung rosa, Jodtinktur braun erscheinen.
Ein Vergleich der Fig. 10 bis 12 mit den für Iris darge-
stellten Befunden ergibt eine völlige Übereinstimmung der
betreffenden Vorgänge. So sehen wir in den ersten Keimungs-
stadien die Anfange der Hyalinisierung in der Flächenansicht,
an vom Schnitte getroffenen Wandpartien und im Bereiche der
Tüpfelkanäle in ähnlicher Weise auftreten, wie dies Fig. 1 bis
4 für Iris darstellen. Fig. 10 zeigt die Stäbchen in der Ober-
flächen- (Sq) und Durchschnittsansicht (Sl)\ geradeso wie bei
Iris reichen sie hier bis an die Innenhaut. Recht häufig wurden
auch zu Gruppen vereinigte oder auch ganz isoliert auftretende
hyaline Membranpartien von Muldenform (Fig. 11, Cs) knapp
unter der Innenhaut vorgefunden. Die Grenzlinie der veränderten
und nicht völlig hyalinisierten Membran war oft deutlich ge-
zackt und serpentinenartig hin und her gebogen (Fig. 11, Gr).
In Fig. 12 ist die Verschmelzung der Höfe im Bereiche der
Tüpfel zu je zweien oder dreien zu beobachten. Das End-
488 A. R. MichniewicE,
Stadium entspricht durchaus dem bei Iris (Fig. 9) ermittelten Be-
funde.
Reiss hatte (7, p. 18 bis 20) die Keimungsgeschichte von
Asparagus officinalis ebenfalls studiert. Er beobachtete aber
weder die Punktierung der Membran noch die »Korrosions-
stacheln«; auch ist ihm die Hofbildung um die Tüpfel herum
entgangen. AU dies ist eben nur in den Anfangsstadien der
Keimung vorzufinden. Das Endstadium der Auflösung, das er
in Fig. 2e darstellt, stimmt mit dem von mir ermittelten völlig
überein.
Wenn Reiss nichtsdestoweniger für Asparagus einen von
Iris verschiedenen Resorptionstypus, nämlich eine »intralamel-
lare Lösung« aufstellt, so beruht dies sowohl auf dem Über-
sehen der ersten Auflösungsstadien als auch der schon oben
erwähnten, nicht zutreffenden Deutung der betreffenden Vor-
gänge bei Iris.
Phoenix dactylifera L. An dem Endosperm des ruhenden
Samens gelang es zunächst durch die schon oben erwähnte
lang andauernde Behandlung mit sehr verdünnten Farbstoff-
lösungen (besonders Del afield's Hämatoxylin) nachzuweisen,
daß die Innenhaut den Tüpfelkanal vollständig auskleidet und
an der Bildung der Schließhaut teilnimmt. In Bezug auf diesen
Punkt befinde ich mich nicht in Übereinstimmung mit Stras-
burger, welcher angibt, daß »die Auskleidung des Tüpfel-
kanals nachweislich von den Rändern vieler aufeinander-
folgender Lamellen gebildet«1 wird. Reiss scheint hingegen
(7, p. 1 7) der Schließmembran keine ganz zutreffende Deutung
gegeben zu haben. Er sagt nämlich, daß die Mittellamelle nur
als Schließmembran der überaus deutlichen Tüpfel sichtbar
hervortritt. Ich finde, daß nach der Tinktion mit Hämatoxylin
oder Methylviolett die beiden sich an der Bildung der Schließ-
häute beteiligenden Platten (Fig. 16, Iht) der Innenhaut beson-
ders intensiv gefärbt hervortreten. An frischen Schnitten ist
die Mittellameile ohne Anwendung von Reagenzien nicht oder
nur sehr undeutlich wahrzunehmen, wie dies Reiss bereits
(7, p. 17) gegen Sachs (1, p. 243) hervorgehoben hat.
i Strasburg er. Bau und Wachstum der Zellhäute. Jena 1882, p. 23.
Lösungsweise der Reservestoffe etc. 489
Die ersten, von den bisherigen Beobachtern übersehenen
Auflösungsstadien bieten sich nur beim Beginn der Keimung
der Beobachtung dar. Sie stellen (Fig. 13) dichtgedrängte (Cq\
später oft reihenweise verschmelzende Punkte vor. Auch für
Phoenix ist das Auftreten sehr großer hyaliner Höfe (Fig. 14//,
Fig. 15/^) um die Tüpfel charakteristisch; hie und da lassen
letztere auf ihrer Area netzförmige Zeichnungen (Fig. 15 i^)
erkennen. Die Grenze zwischen bereits veränderten und intakten
Membranpartien ist auch hier durch eine unregelmäßig ver-
laufende Linie markiert (Fig. 14 Gr). Auf Durchschnitten ist zu
konstatieren, daß die Hyalinisierung der Membran im Bereiche
der Tüpfel entlang der Mittellamelle rascher fortschreitet als an
den äußeren Partien der Verdickungen (Fig. \7 H). Hieraus
erklärt sich das Zustandekommen der ausgedehnten ring-
förmigen Höfe im Umkreise der Tüpfel ohneweiters. Membran-
partien wie die in Ht (Fig. 17) dargestellten müssen in der Ober-
flächenansicht genetzte Höfe (Fig. 15 Ht) zur Ansicht darbieten.
Die korrespondierenden Hälften einer Membran weisen oft
(Fig. 18) betreffs der Hyalinisierung recht bedeutende Unter-
schiede auf.
In späteren Keimungsstadien findet man die Ränder der
Zellwände ähnlich beschaffen, wie dies Reiss (7. Fig. 1 a bis/)
und Grüss (11, Taf. 1, Fig. 7) als den Anfang der Resorption
darstellen. Jetzt weisen nämlich diese Wände auf Schnitten
schwächer lichtbrechende Säume (Fig. 19 Sm) auf, die, an
Mächtigkeit immer zunehmend (Fig. 20), schließlich die Mittel-
lamelle erreichen (Fig. 21). In diesem Stadium erscheinen die
Tüpfel wieder »unbehöft«, wie vor Beginn der Keimung. Jetzt
tritt auch eine Schichtung in den Membranen mit solcher
Deutlichkeit auf, daß die einzelnen Lamellen leicht gezählt
werden können.
Später (Fig. 22) verquellen die Mittelschichten der Membran
vollständig. Sie ist wieder durchaus homogen wie im ruhenden
Samen, läßt aber auch ohne Anwendung von Reagenzien die
Mittellamelle mit größter Deutlichkeit erkennen. An der letzteren
kann hie und da eine Spaltung in zwei Blätter konstatiert werden.
Die Mittelschichten verhalten sich jetzt Farbstoffen gegenüber
anders als im unveränderten Zustande. Mit Delafield's
490 A. R. Michniewicz,
Hämatoxylin sind sie jetzt in höherem Maße tingierbar.
Sehr charakteristisch ist auch für sie nunmehr die intensive
Färbung, die sie nach vorangehender Behandlung mit Kalilauge
bei Tinktion mit Kongorot annehmen. Chlorzinkjodlösung färbt .
die unveränderten Verdickungsschichten blaß rosa, die hyalinen
trüb purpurn. Grüss fand (11, p. 5), daß Alkali-Alizarin nur die
unveränderte Membran färbt. Dieses unterschiedliche Verhalten
der Membran in ihren intakten und hyalinen Partien ist nament-
lich dann sehr auffallend, wenn die Membran sich im Stadium
der Hofbildung (Fig. 15) befindet.
Die bisher lückenlos zusammenschließenden Endosperm-
zellen weichen nun infolge ihrer Abrundung an den Kanten
auseinander. Sie isolieren sich oft völlig unter Spaltung der
Mittellamelle in zwei Häute. Der Kollaps derselben tritt infolge
ihrer Entleerung und des Druckes durch den nachrückenden
Fuß ein. Die völlig verquollene Substanz der Mittelschichten wird
von ihm aufgesaugt, so daß nur die Mittellamellen und Innen-
häute ungelöst verbleiben. Es gelingt, diese letzteren trotz ihrer
ausnehmenden Zartheit durch Tinktion unter Deckglas mit
größter Deutlichkeit als Ganzes (Fig. 23) zur Anschauung zu
bringen. Als allseitig völlig geschlossene Bälge geben sie die
innere Gestalt der Zellen, die jetzt leicht überblickt werden
kann, getreu wieder. An Stelle der ehemaligen Tüpfelkanäle
sind noch distal sich erweiternde, von etwas stärker tingier-
baren Platten quer abgeschlossene Röhren von verschiedenem
Durchmesser bemerkbar. Solche Präparate bestätigen unzwei-
deutig die schon im Ruhezustande des Samens betreffs der
Kontinuität der Innenhaut gemachte Beobachtung. Es gelingt,
die Isolierung der Innenhäute auch künstlich und zwar durch
lang andauernde Behandlung der Membran mit recht ver-
dünnten Quellungsmitteln, z. B. Kalilauge, herbeizuführen, wie
dies bereits seit langem von Wiesner1 für die Hanffaser, die
Markstrahlenzellen von Koniferen, die Sklerenchymelemente
1 Man vergleiche insbesondere: Wiesner, Untersuchungen über die
Organisation der vegetabilischen Zellhaut (diese Sitzungsber., Bd. 93 [1886],
p. 44 ff.) und Wiesner, Anatomie und Physiologie der Pflanzen, 4. Auflage.
Wien 1898, p. 33 und Fig. 24, 28.
Lösungsweise der Reservestoffe etc. 491
des Korkgewebes und viele andere Objekte, namentlich bei
Anwendung von Chlorwasser nachgewiesen worden ist.
Abgesehen von den Angaben Sachs' (1), der bloß ein Auf-
quellen der Verdickungsschichten konstatierte, beschäftigten
sich noch Reiss (7, p. 15 bis 18) und Grüss (11, p. 2 ff.) ein-
gehender mit dem Lösungsprozeß in den Wandverdickungen.
Reiss kommt zu dem Endergebnisse, daß es sich hier um ein
schichten weise distalwärts stattfindendes »Abschmelzen« der
Zellwände handelt. Der Innenlamelle, die in anderen Fällen
genau beachtet wird, geschieht hier weder bei Betrachtung des
ruhenden Endosperms noch auch bei Besprechung der Resorp-
tionsvorgänge Erwähnung. Schließlich sollen nur die Mittel-
lamellen intakt verbleiben. Grüss, dem es mehr um die
chemische Seite der Vorgänge zu tun war, faßt sie als eine
fraktionierte Auflösung des Gemisches der beiden Hemizellu-
losen, nämlich des Mannans und Galaktans, auf. Durch Tinktion
mit Alkali-Alizarin konnte er nachweisen, daß das Galaktan
vom Lumen der Zellen aus in die anfangs nur aus Mannan be-
stehenden Zellwandungen bei der Reifung des Samens infiltriert
wird, um bei der Keimung auch zunächst gelöst zu werden.
Diesen Vorgang des Herausiösens eines Zellwandbestandteiles
aus einem Gemische unter gleichzeitiger Änderung der
chemischen Konstitution des gelösten Stoffes hat Grüss bereits
früher (9) als »Allöolyse« bezeichnet. Nach Auffassung Grüss*
folge dann noch die Hydrolysierung des Mannans.
Die Resultate meiner Untersuchungen betreffs Phoenix
lassen sich also mit den Befunden von Reiss keineswegs in
Einklang bringen; sie liefern vielmehr die morphologische Er-
gänzung der Angaben von Grüss. Hiermit fällt aber auch der
dritte von Reiss aufgestellte Typus der Zellwandlösung,
welcher als »Resorption der Zellwand durch Abschmelzen«
aufgefaßt wird.
AUium Cepa L. Auch in diesem Falle verläuft die Resorp-
tion unter analogen Modalitäten wie in den früher in Betracht
gezogenen Objekten. Es kann diesbezüglich Reiss (7, p. 20
bis 22) — die ältere Arbeit von Sachs (2) führt zu keinem ab-
schließenden Resultate — bis auf zwei Punkte recht gegeben
werden. Zunächst ist nämlich der Raum zwischen den Stäbchen
492 A. R. Michniewicz,
nicht leer, wie R e i ss angibt, sondern mit einer sehr seh wach licht-
brechenden Substanz erfüllt Ferner übersah Reis s auch dieleicht
ablösbare Innenhaut in den stärker verdickten Endospermzellen
aus dem Innern des Samens. Seine Fig. 2 a dürfte sich auf die
äußeren dünnwandigen Zellagen bezogen haben. Dem gegenüber
stellt Eifert (10, p. 1 1 bis 14) 7 Jahre später die Resorption der
Verdickungsschichten ähnlich dar, wie dies Reiss für Phoenix
angenommen hatte, nämlich als Abschmelzen der Membran vom
Lumen der Zelle her. Er beobachtet zwar die Anfangsstadien
der Allöolyse, behauptet aber in keineswegs zutreffender Weise,
daß sie »vor allen Dingen niemals durch die Keimung bedingte
Erscheinungen« sind, sondern schon in ungekermxen Samen
vorfindbare »weniger verdichtete Partien in der ZeNulose-
wandung« darstellen.
Anthericum liliastrum L. und Funkia laneifolia Spreng.
Die an diesen Objekten ermittelten Befunde stimmen mit den
vorhin dargelegten überein. In Fig. 24 ist die im Anfange der
Keimung sehr deutliche Stäbchenbildung bei Anthericum zu
sehen. Fig. 25 illustriert analoge Zustände für Funkia. Da bei
Herstellung des betreffenden Schnittes die Innenlamelle abge-
löst wurde und die darunter befindliche hyaline Partie der
Mittelschichten verquoll, waren am betreffenden Präparate die
frei hervorragenden stäbchenartigen Membranreste in der
Flächenansicht ganz deutlich zu sehen.
Analoge während der Resorption von Membranen der Re-
servestoffbehälter zustande kommende Differenzierungen haben
bereits TangTs Untersuchungen (5, p. 99 bis 104) über den
Auflösungsprozeß der Verdickungsschichten der Aletrron-
zellen von Gramineen (Seeale cereale L., TriHcnm vulgare L.,
Zea Mays L. und Hordeum vulgare L.) ergeben. Da die betref-
fenden Untersuchungen bereits im Jahre 1885 erschienen sind,
muß es befremden, daß weder Reiss (7) noch Eifert (10) hie-
von Notiz genommen hatten.
Leider war es mir nicht möglich, die Angaben Elferts be-
treffs Arum italicum Lam. und macnlatum L. (10, p. 9 bis 11)
sowie Polygonatum latifolium (10, p. 14 bis 16) zu überprüfen,
da die von mir ausgesäten Samen dieser Arten nicht auskeimten.
Lösungsweise der Reservestoffe etc. 493
Aus Gründen der Analogie wäre auch anzunehmen, daß
die Allöolyse auch bei Tamus nur auf die Mittelschichten be-
schränkt bleibt und daß nach Abschluß derselben Innenhäute und
Mittellamellen erhalten bleiben. Inwieweit diese Auffassung zu-
trifft, könnte erst auf Grund umfassenderer Untersuchungen ent-
schieden werden, da die bisher vorliegenden, durch Gardiner
(12, p. 106 bis 107) ermittelten Befunde nur die Anfangsstadien
der bei dem fraglichen Objekt in abweichender Weise und zwar
zentripetal von der Mittellamelle aus fortschreitenden Allöolyse
betreffen.
2. Endosperme der Dikotyledonen.
Über den Lösungsproceß der Zellwandungen in den Endo-
spermen der Dikotyledonen liegen nur Angaben betreffs Cyclamen
europaeum L. und Foeniculum officinale All. vor, wenn von
den Schleimendospermen abgesehen wird, die, hier überhaupt
nicht weiter berücksichtigt, von Nadelmann (8) betreffs der
Lösungsweise bei der Keimung näher untersucht worden sind.
Es mußte sich also hier zunächst darum handeln, festzustellen,
ob den verdickten Endospermzellwänden ganz allgemein
die Aufgabe zukomme, Reservestoffe für die Keimung zu
speichern. Es wurden daher Samen einer größeren Anzahl von
Arten verschiedener Familien nach der fraglichen Richtung
untersucht. Es gelang, eine Allöolyse in den Samen folgender
Dikotyledonen zu konstatieren:
1. Ribesiaceae:
Ribes rubrum L.
2. Umbelliferae :
Archangelica officinalis, Hoffm.,
Carum carvi L.,
Conium maculatum L.,
Coriandrum sativum L.,
Daucus carota L.,
Foeniculum officinale All.,
Levisticum officinale K.,
Sanicula europaea L.
494 A. R. Michniewicz,
3. Celastrineae:
Evonymus europaeus L.
4. Ampelideae:
Ampelopsis hederacea W.
5. Ranunculaceae:
Aquilegia glandulosa Fisch.,
Actaea spicata L.,
Clematis integrifolia L.,
Clematis iubata Bisch.,
Nigella sativa L.
6. Berberideae:
Berberis vulgaris L.
7. Primulaceae :
Primula veris L. var. elatior Jaqu.
8. Solanaceae:
Capsicum annuum L.,
Datura stramonium L.,
Hyoscyamus niger L.,
Physalis Alkekengi L.,
Solanum dulcamara L.
9. Oleaceae:
Ligustrum vulgare L.
10. Polemoniaceae:
PÄ/ar.
11. Hydrophyllaceae:
Nemophila maculata Benth.
12. Caprifoliaceae :
Lonicera tartarica L.,
Viburnum opulus L.
Lösungs weise der Reservestoffe etc. 495
13. Rubiaceae:
Asperula ciliata Roch.,
Asperula odorata L.,
Gallium mollugo L.
Die Allöolyse geht bei diesen Dikotyledonen in einer für
jede Gattung durch gewisse Verschiedenheiten charakterisierten
Weise vor sich. Im folgenden seien einige der betreffenden
Fälle ausführlicher dargestellt.
Clematis iubata Bisch. Die Endospermzellen schließen im
Ruhezustande (Fig. 26) lückenlos zusammen. Die äußerst feinen
Mittellamellen sind erst nach Anwendung von Reagenzien sicht-
bar. Die allöolysierten Membranpartien bilden oft die Maschen
eines Netzes (Fig. 27), so daß Tüpfelbildung vorgetäuscht wird.
Die Stäbchen, die hier mit einer Deutlichkeit wie bei keiner der
früher dargestellten Arten beobachtet werden können (Fig. 28),
sind auch nach den Interzellularen, die sich erst im Verlaufe
der Keimung einstellen, gerichtet. Sie reichen schließlich bis
zur Mittellamelle und sind im ganzen Verlaufe von annähernd
gleicher Dicke. Nach vollendeter Hyalinisierung auch dieser
stäbchenartigen Partien der Mittelschichten werden die Endo-
spermzellen durch die heranwachsenden Kotyledonen bis zum
völligen Schwunde des Zellumens zusammengepreßt, wobei
gleichzeitig ein Aufbrauch der nunmehr dünngallertige Be-
schaffenheit aufweisenden Mittelschichten an der Annäherung
der Innenhäute benachbarter Zellen festgestellt werden kann.
Diese letzteren büßen (Fig. 29) erst nach völliger Zusammen-
drückung der betreffenden Zelle ihre straffe Kontur ein und
werden weilig. Die Persistenz der Mittellamelle läßt sich durch
Tinktionen außer allem Zweifel stellen. Schließlich ist das Endo-
sperm zu einem dünnen, braunen, aus verschrumpften Innen-
und Mittellamellen bestehenden Häutchen geworden, das in der
Samenschale verbleibt.
Viburnumopulus L. Die intakten Membranpartien sind nach
bereits weiter vorgeschrittener Allöolyse der Wände als baum-
artig verzweigte Figuren von der Fläche aus leicht von den ver-
änderten Membranteilen zu unterscheiden (Fig. 30). Diese Ge-
bilde lösen sich später (Fig. 31) in inselförmig in der hyalinen
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXII. Bd.. Abt. I. 32
496 A. R. Michniewicz,
Wand verteilte Stäbchen auf. Der Querschnitt zeigt letztere sehr
oft an korrespondierenden Stellen der benachbarten Zellen ge-
meinsamen Membran. Späterhin erscheint die Mittelschicht
ganz hyalin.
Poeniculum officinale All. Die Stäbchenbildung ist nur
undeutlich, da die in dichter Anordnung befindlichen hyalinen
Partien sehr früh miteinander verschmelzen. Diese Punktierung
ist übrigens bei Foeniculum auch von Reiss bereits erwähnt
worden (7, p. 24, Anm. 3), ohne daß er jedoch dieser Differen-
zierung eine bestimmte Deutung gegeben hätte. In den völlig
allöolysierten Mittelschichten ist die Mitteliamelle durch Tink-
tionen allerdings nicht leicht nachzuweisen, aber stets vor-
handen. Die Angabe von Reiss (7, p. 25), daß die Mittellamelle
resorbiert wird, trifft daher nicht zu. Der weitere Resorptions-
vorgang ist von dem für Qematis dargestellten nicht ver-
schieden. Es läßt sich also der von Reiss (1. c.) für Foeniculum
aufgestellte Typus der Endospermlösung durch »intralamellare
Verflüssigung« nicht aufrechterhalten.
Cyclamen europaeum L. Nach Reiss (7, p. 29 bis 31) soll
der Resorptionsmodus des Endosperms von dem bei Iris nur
dadurch verschieden sein, daß bei Cyclamen die Innenhaut er-
halten bleibt. Da dies, wie im vorangehenden dargelegt wurde,
für das Irisendosperm zutrifft, so ergibt sich hieraus eine völlige
Übereinstimmung in bezug auf das Verhalten der Membranen
bei der Keimung. Von E 1 f e r t ( 1 0, p. 1 7 bis 2 1 ) wurde die Resistenz
der Innenlamelle in Abrede gestellt. Da er sich in analogem
Sinne betreffs der Innenhaut von Allium äußert und diese An-
gabe, wie aus dem Vorangehenden hervorgeht, nicht zutrifft, so
glaube ich, daß auch die von Eifert für Cyclamen gegebene
Deutung dem wirklichen Sachverhalte nicht entspricht.
3. Hypogäische Kotyledonen.
Tropaeolum majus L. Die beiden Kotyledonen eines Keim-
lings sind bekanntlich an Größe und Gestalt verschieden; sie um-
schließenden achsial gelegenen unddemFuniculusende genäher-
ten Embryo fast allseitig bis auf einen dem Hilum genäherten Spalt.
Die in der Literatur betreffs des Resorptionsmodus der
Kotyledonarmembranen vorliegenden Angaben sind ziemlich
Lösungsweise der Reservestoffe etc. 497
dürftiger Natur. Hartig1 beobachtet eine Verflüssigung der
ganzen Wand außer der Mittellamelle. Frank (3, p. 177 bis 178)
konstatiert eine Auflösung der Membran durch »Korrosion«,
d. h. unter Bildung nahe beieinander liegender, distalwärts vor-
rückender Lochgruppen. Hierbei fände eine Erweiterung der
Tüpfel statt. Reiss (7, p. 25 bis 27) hält den Lösungsvorgang
ebenfalls für »Korrosion«. Grüss (9, p. 5) stellt ähnlich wie bei
Phoenix auch bei Tropaeolum die Allöolyse fest.
Zu eigenen Beobachtungen übergehend, möchte ich zu-
nächst hervorheben, daß die Angabe Reiss' betreffs derTüpfe-
lung nicht zutrifft. Er behauptet (7, p. 26), daß benachbarte
Zellen von Tropaeolum majus nur durch ein bis zwei Tüpfel
miteinander in Verbindung stehen. Wenn er auch selbst in einer
Fußnote diese Behauptung dahin ergänzt, daß mehr als zwei
Tüpfel selten in derselben Schnittebene liegen, so kann man
auch dies nicht bestätigen. In bezug auf Tüpfelung macht sich
nämlich ein wenn auch nicht scharf ausgesprochener Unter-
schied zwischen den zur Kotyledonaroberfläche annähernd
parallelen (Fig. 32, PW) und den anderen Zellwandflächen be-
merkbar. Die ersteren sind ihrer Kleinheit zufolge mit wenigen
Tüpfeln ausgestattet, die anderen enthalten deren oft über
zwanzig. Es fallen auch meist mehr als zwei, ja selbst vier bis
sechs von ihnen auf eine Schnittebene, wie übrigens Reiss
selbst in Fig. 6a an einer Zellwandfläche vier Tüpfel im Schnitte
zeichnet.
Ebenso ist bisher von keinem Autor der Innenhaut (Fig. 32,
Ih) gedacht worden, die auch hier die innere Auskleidung der
Zellwand bildet und schon an und für sich unschwer zu beob-
achten ist, aber durch lang andauernde Färbung mit überaus
verdünnten Farbenreagenzien noch deutlicher gemacht werden
kann. Namentlich treten ihre an der Bildung der Schließhaut
beteiligten Partien (Fig. 32, Ih t) bei Anwendung von Pikro-
karmin oder Delafield's Hämatoxylin scharf rot gefärbt hervor,
welches Verhalten dem bei Phoenix beobachteten analog ist.
Von der Fläche aus gesehen, erscheinen daher die Tüpfel auf
blaß rosigem, beziehungsweise bläulichem Grunde scharf rot,
1 Entwicklungsgeschichte des Pflanzenkeims. Leipzig 1858.
32*
498 A. R. Michniewicz,
respektive dunkelblau tingiert. Jodjodkaliumlösung färbt die
Mittelschichten in den ruhenden Kotyledonen intensiv blau, die
Innenhaut und Mittellamelle rötlich, so daß dabei die Tüpfel
auf dunkelblauem Grunde sich durch rötliche Färbung deutlich
abheben. Mit Kongorot lassen sich distinkte Färbungen der
drei Lamellen derart erzielen, daß die Tüpfel auf ziegelrotem
Grunde blaß rosa gefärbt erscheinen.
Interessant ist das Verhalten lufttrockener oder möglichst
entwässerter Schnitte bei Behandlung mit Chlorzinkjodlösung
(Fig. 33). Jetzt bleiben nämlich Mittellamellen und Innenhäute
farblos, während die Mittelschichten in zwei scharf gesonderte
Teile zerfallen, von denen der distale sich bläulich, der proxi-
male kirschrot färbt. An den Kantenverdickungen sind daher an
Schnitten mondsichelförmige, an den Zellflächen bandartige,
in die Tüpfelkanäle hakig einbiegende Streifen zu sehen. Dieses
Verhalten erinnert an die von Frank (3, p. 176 und Taf. XVI,
Fig. 18) nach der Behandlung mit Jod und Schwefelsäure er-
mittelten Befunde. Doch ist die nach Frank sich blau färbende
Schicht hier gerade untingiert. Bei Wasserzufuhr geht diese
Differenzierung verloren, indem sich die Mittelschichten schwarz-
blau färben. Diese Zusammensetzung aus zwei distinkten Lagen
tritt übrigens schon an länger in Glyzerin liegenden Schnitten
(Fig. 34) hervor.
Die Mittellamelle, die in ihrer ganzen Kontinuität auch ohne
Anwendung von Reagenzien zu sehen ist, läßt stellenweise eine
Zusammensetzung aus zwei Lamellen (Fig. 32, Sp) erkennen.
Die in den Kantenverdickungen auftretenden Interzellularen
sind während der Ruheperiode des Samens mit einer gelblichen,
stark lichtbrechenden Substanz erfüllt (Fig. 32, Is). Letztere
verquillt im Wasser sehr leicht und verschwindet schon während
der ersten Keimungsstadien.
Die ersten Andeutungen der Allöolyse sind wiederum, auf
Flächenansichten (Fig. 35) betrachtet, als eine recht deutliche
Punktierung der Zellflächen und zahnartige Besäumung der
Tüpfel zu beobachten. Nach Tinktion mit Jodtinktur heben sich
die Stellen um die Tüpfel als gelbliche Sterne auf schwarz-
blauem Grunde deutlich ab. Die Vergrößerung und das teilweise
Verschmelzen dieser Punkte zeigt Fig. 36. Die Tüpfel sind hier
Lösungsweise der Reservestoffe etc. 499
bereits mit weiteren, scharf begrenzten und buchtig ausgenagten
hyalinen Zonen umgeben, ganz analog wie bei den vorhin be-
trachteten Monokotyledonen. Frank hielt sie (3, p. 177) für
wirkliche Erweiterungen der Tüpfel und Reiss und Grüss er-
wähnen ihrer überhaupt nicht. Diese Stadien sind eben nur an
sehr jungen Keimlingen vor dem Hervortreten der Plumula zu
sehen. Einen Schnitt durch die Kotyledonen einer solchen
Keimpflanze stellt Fig. 37 dar. Da kann nun mit aller nur
gewünschten Deutlichkeit wahrgenommen werden, daß die
minder lichtbrechenden Partien (Cl) distal von der Innenhaut
liegen, diese also völlig intakt bleibt. Wie die Tingierbarkeit
dieser Membranteile beweist, sind dies nicht leere Räume, wie
aus den Darstellungen von Frank (3) und Reiss (7) zu folgern
wäre. Diese Ansicht hat übrigens bereits Grüss (1 1, p. 5) wider-
legt. Die allöolysierten Membranpartien setzen mit breiter Basis
an die Innenhaut an, verlaufen weiterhin sich verschmälernd mit
bogiger Begrenzung in die intakten Teile der Wand. Diese
Struktur macht sich zunächst an dem Nabelende der Kotyle-
donen bemerkbar und setzt sich von hier rasch gegen die Keim-
blattspitze fort. Nicht immer sind diese Strukturen in den Mem-
branen benachbarter Zellen gleichmäßig ausgebildet (Fig. 38),
ja selbst an derselben Zellwand sind sie von verschiedener
Weite und an ihrem Distalteil zugespitzt oder zierlich gerundet.
Die zwischen den hyalinen Membranpartien befindlichen, vor-
läufig noch intakten Wandteile sind nach Art von Strebepfeilern
normal auf die Innenhaut orientiert. Die in Fig. 38 links darge-
stellte Struktur der teilweise allöolysierten Membran mit säulen-
förmigen Pfeilern ist weit häufiger als diejenige, welche die
rechte Seite dieser Figur zur Anschauung bringt. Fig. 42 zeigt
die Verschiedenheit der Struktur dreier zusammenstoßender
Kantenverdickungen im Stadium ihrer Hyalinisierung. Nicht
selten sind übrigens neben stark angegriffenen Membran-
abschnitten auch völlig intakte zu finden.
Die Wölbungen der allöolysierten Membranpartien er-
reichen bald die Mittellamellen, woraus sich die in Fig. 43
links dargestellte Struktur ergibt. Die stäbchenartigen Residuen
der zum größten Teile bereits hyalinisierten Membran verlaufen
anfanglich ohne Unterbrechung ihrer Kontinuität zwischen der
500 A. R. Michniewicz,
Innenhaut und Mittellamelle, worauf allmähliche Allöolyse der-
selben von proximalem Ende aus bis zum völligen Verschwinden
stattfindet.
Diesem Stadium entspricht in der Flächenansicht der rechte
Teil der Fig. 43, wo besagte Stäbchen als Punkte sichtbar sind.
In der Umgebung der Tüpfel erscheinen sie zuweilen stern-
artig gruppiert. Daß jedoch dieser Verlauf der Resorption nicht
immer strenge eingehalten wird, ergibt sich aus den in Fig. 39,
40 und 41 dargestellten Befunden.
• Nach der Allöolyse der Stäbchenpartien erfahren die Mem-
branen keine weiteren Strukturänderungen. Reiss hatte aber
(7, p. 27) eine nachträgliche Verdünnung der Wände zu beob-
achten geglaubt. Seine Fig. 6b und 6c beziehen sich jedenfalls
nur auf die weniger verdickten subepithelialen Zellen, wie aus
dw Kleinheit der Interzellularen geschlossen werden kann. Die
scharfe Linie, die Reiss (1. c.) als Mittellamelle auffaßt, ist nur
der Spalt zwischen den beiden Häuten derselben. Wenn er
schließlich behauptet: »Auffällig ist hierbei (d. h. im End-
stadium) das völlige Verschmelzen der Tüpfel«, so trifft auch
dies keineswegs zu, da diese mit größter Deutlichkeit, ohne an
Größe zu- oder abgenommen zu haben, auch in von Pilzhyphen
durchwucherten, also sichtlich in Zerfall begriffenen Membranen
zu beobachten sind.
4. Epigäische Kotyledonen.
Lupinus. Das Verhalten der verdickten Zellwände im Meso-
phyll der epigäen Kotyledonen während der Keimung war
bereits für Nadelmann (8, p. 62 bis 64) und Eifert (10, p. I
bis 9) Gegenstand eingehender Untersuchungen. Nadelmann
gibt für Lupinus angustifolius L. an, daß sich bei der Auflösung
der »sekundären Verdickungsschichten zunächst Risse bilden
und daß dann Korrosion und Abschmelzen eintritt«. — Eifert
zählt die Samen der drei von ihm untersuchten Arten: Lupinus
angustifolius L., albus L. und luteus L. zu denjenigen, deren
verdickte Zellwände nicht aus Reservestoffen bestehen.
Lösungsweise der Reservestoffe etc. 501
E. Schulze und E. Steiger1 kommen auf Grund der
chemischen Analyse ruhender und gekeimter Samen von Lnpi-
nns Intens zu Resultaten, die sie veranlaßten, sich an Cramer
um die mikroskopische Untersuchung dieser Samen betreffs
der Veränderungen während der Keimung zu wenden. Cramer
stellte, wie Schulze2 angibt, auf Grund der mikroskopischen
Untersuchung fest, daß bei der Keimung ein Aufbrauch der
Membran stattfindet, ohne jedoch Näheres über den Resorptions-
modus anzugeben. Die vorliegenden, sich widersprechenden
Angaben veranlaßten eine Nachuntersuchung, deren Resultate
im folgenden mitgeteilt werden. Die darzustellenden Befunde
beziehen sich hauptsächlich auf Lnpinns albns, wobei Lnpinns
angnstifolius nur betreffs einzelner Stadien spezieller berück-
sichtigt wurde.
Es hebt bereits Eifert (10, p. 1, 2, 6, 8) es hervor, daß die
Zellwand die Zusammensetzung aus Innenhaut, Mittelschichten
und Mittellamelle deutlich erkennen läßt. Aus seiner Darstellung
ergibt sich jedoch keineswegs ei n klares Bild der Formverhältnisse
der betreffenden Zellen. Sein Vergleich derselben mit einer ellipso-
idischen Schachtel (10, p. 4) ist unverständlich und dies gilt auch
von seiner Behauptung, daß zweierlei Tüpfel in einer Zellwand
vorkommen. Er sagt nämlich: »Es finden sich außer den Poren,
die man im Profil der Zellwandung erblickt, bereits in ruhenden
Samen in den von der Fläche gesehenen Zellwänden lang-
gestreckte, die ganze Wand in querer Richtung durchsetzende
Poren, welche in den meisten Fällen mit zahlreichen Stärke-
und Aleuronkörnern überlagert sind . . . , weshalb sich die Poren
sehr leicht der Beobachtung entziehen« (1. c, p. 4). In Wirklich-
keit handelt es sich um langgestreckt polyedrische Zellen
(Fig. 44, ein Längsschnitt), deren längste Durchmesser gegen die
Keimblattoberfläche größtenteils normal gerichtet sind. Sie weisen
an den Kanten auffallende, in das Zellumen vorspringende
1 Untersuchungen über die stickstoffreien Reservestoffe der Samen von
Lupinus luteus und die Umwandlungen derselben während des Keimungs-
prozesses. Landw. Versuchsstat., Bd. 36, p. 392 bis 476.
2 Ober die Zellwandbestandteile der Kotyledonen von Lupinus luteus
und Lupinus angustifolius und über ihr Verhalten während des Keimungs-
vorganges. Ber. der Deutschen botan. Gesellschaft, Bd. 14, p. 67 und 71.
502 A. R. Michniewicz,
Verdickungen auf, die an die Ausbildung kollenchymatischer
Gewebe erinnern. Fig. 44 stellt links Querschnitte durch die
Kantenverdickungen, rechts unten eine derselben im Längs-
schnitte, oben eine von der Seite betrachtet dar. Die zwischen
den Kantenverdickungen verlaufenden Membranteile sind von
sehr verschieden gestalteten Porenkanälen durchsetzt. Nament-
lich auf den breiten Zellwandflächen sind sie langgestreckt und
meist beiderseits zugespitzt; sie laufen quer zum größten Durch-
messer der Zelle. Die ganze Zellwandarea durchsetzende oder
gar verzweigte Tüpfel, wie sie Eifert (I.e., Taf. I, Fig. 1,2)
wiederholt abbildet, werden nie vorgefunden. Die kleineren
Zellwandflächen (Fig. 45) sind hingegen mit weiten, oft
isodiametrischen Tüpfeln, die schmalen (Fig. 46) mit sehr
kleinen, oft einreihig angeordneten Poren versehen. Die kleinsten,
an den beiden Enden der Zellenpolyeder befindlichen Flächen
(Fig. 44, Pw)y die man auf Tangen tialschnitten durch den Koty-
ledo in der Flächenansicht (Fig. 47) zu sehen bekommt, weisen
schwache Verdickungsleisten und sehr große Mannigfaltigkeit
in der Betüpfelung auf. Hierzu sei noch bemerkt, daß nicht
selten ein größerer Tüpfel teilweise (Fig. 44, Tt) unter die
Kantenverdickung reicht und daß kleinere (T2) von ihrem
Saume völlig bedeckt werden.
Die Interzellularräume sind auch bei Lupinus mit einer
gelblichen Substanz (Fig. 44, Ic) erfüllt, die während der
Keimung verschwindet.
Bei länger andauernder Quellung in verdünnten wässerigen
Farbstoffsolutionen läßt sich eine Differenzierung der Ver-
dickungsschichten in eine minder dichte und schwächer tin-
gierte proximale und in eine dichtere und auch stärker gefärbte
distale Partie fesstellen. Noch besser ist dies nach Erwärmung
in einprozentiger Schwefelsäure (Fig. 49) zu beobachten. In
starker Schwefelsäure lösen sich alle Schichten bis auf das zarte
Gerüst der Mittellamellen (Fig. 48) auf.
Fig. 50 stellt den Zellwandquerschnitt aus einer Keimpflanze
dar, deren Plumula zwischen den Kotyledonen eben hervorzu-
treten begann. Die dieses Stadium charakterisierenden Strukturen
entsprechen den in Fig. 37 für Tropaeolum dargestellten. Auch
hier gewinnt man den Eindruck, daß die Allöolysierung rascher
Lösungsweise der Reservestoffe etc. 503
in radiärer als tangentialer Richtung fortschreitet. Die Struktur
in der Allöolyse noch weiter vorgeschrittener Membranen und
zwar in der Flächenansicht derselben bringt Fig. 51 zur Dar-
stellung. Hierzu bemerke ich, daß die intakten, in der Zeichnung
dunkel gehaltenen Membranpartien sich mit Hämatoxylin, das
aus Kampescheholz unter Alaunzusatz frisch hergestellt worden
war, nach vorheriger, kurz andauernder Quellung der Schnitte
in zweiprozentiger Borsäure blauschwarz färbten und sich
daher mit größter Deutlichkeit von den lichtblau tingierten allö-
olysierten Partien abhoben. Zwischen den charakteristischen
langgestreckten Tüpfeln erscheinen die unveränderten Membran-
teile als unregelmäßig begrenzte Inseln (IMp)y an den Zellwand-
rändern, also in den Ka^ntenverdickungen hingegen als unregel-
mäßig hin- und hergewundene, stellenweise verzweigte oder
anastomosierende Fädchen. Auf dem betreffenden Stadium
waren diese Gebilde bereits hie und da zu Punkten aufgelöst.
Weiterhin werden auch die mittelständigen Inseln zu ähnlichen
Fädchen aufgelöst, so daß nun die ganze Wand damit übersät
erscheint. Schnitte durch die Membranen bieten daher wiederum
} die Ansicht von die ganze Membran durchquerenden Stäbchen
\ dar, mit deren Hyalinisierung die Allöolyse zum Abschlüsse
gelangt Zweifellos sind es diese länger zu beobachtenden
stäbchenartigen Gebilde unmittelbar vor Abschluß der Allöolyse,
i die Eifert (10, p. 6) zu seinen nichts weniger als zutreffenden
[ Folgerungen betreffs des Verhaltens der Membranen während
der Keimung verleitet hatten, indem er das Auftreten der frag-
lichen Strukturen als einen von der Allöolyse völlig unab-
hängigen Differenzierungsvorgang der Membran auffaßte. Bei
genauerer Untersuchung früherer Stadien hätte Eifert diesen
Irrtum leicht vermeiden können.1
1 Anmerkung. Zu Fig. 53 möchte ich noch bemerken, daß es mir
mittels Chlorzinkjod gelang, in den Membranen Plasmodesmen (Strasburger,
Ober Plasmaverbindungen pflanzlicher Zellen. Jahrb. für wiss. Bot., 36. Bd.,
1901, p. 503) zur Darstellung zu bringen. Letztere stellen sich anfänglich als
hyaline, gelb gefärbte Fäden dar. die späterhin kurz vor ihrem Verschwinden
als Punktreihen in Erscheinung treten. Der Verlauf der Plasmodesmen und der
aUöolytischen Strukturen der Membranen legt den Gedanken nahe, daß jene
als Leitungsbahnen des die Zellwand lösenden Fermentes in analoger Weise
504 A. R. Michniewicz,
Die Zellwände von Lupinus besitzen nach zu Ende ge-
führter Hyalinisierung ihrer Mittelschichten ein beschränktes
Wachstumsvermögen. Eine weitere Resorption findet aber, wie
zahlreiche aus abgefallenen und auch schon zum Teil ver-
trockneten Kotyledonen hergestellte Schnitte beweisen, nicht
statt. In bezug auf diesen Punkt tritt Eifert (1. c.) mit Recht
N ade Im an n (8, p. 63) entgegen, der, wie dies gleichfalls von
Eifert bereits hervorgehoben wurde, überhaupt keinerlei durch
Allöolysierung bewirkte Struktur beschrieben hat. Es waren
nämlich die von Nadelmann für Lupinus dargestellten Korro-
sionen nichts anderes als-Durchschnitte schief orientierter ge-
tüpfelter Zellwände.
Unzweifelhaft handelt es sich auch bei anderen Legumi-
nosen und zwar bei Coulteria tinctoria Kunth., für welche
Godfrin (4, p. 68) »des stries radiales irregulieres qui indiquent
une perte de substance« angibt und bei Goodia lotifolia Salisb.,
für deren Kotyledonen Nadelmann (8, p. 65) ebenfalls »das
Auftreten von Korrosion und Rissen« beobachtet hat, um allö-
olytische Vorgänge.
Impatiens Balsamina L. Die Auflösungsweise der Ver-
dickungen in den Wänden der epigäischen Kotyledonen dieser
Pflanze hält Heinrich er (6, p. 163 und 179) für ein Ab-
schmelzen. Reiss identifiziert (7, p. 27 bis 29) den Resorptions-
modus mit dem von ihm für Tropaeolum beschriebenen. Seine
Angaben treffen daher auch hier nicht ganz zu. Eifert (10,
p. 21 bis 23) bestätigt im wesentlichen nur die Angaben
Reiss*.
Die ersten Stadien des Lösungsprozesses unterscheiden
sich nicht von denjenigen, die für die im vorangehenden be-
handelten Objekte ermittelt werden. Wenn Reiss und Eifert
mitten in das Zellumen frei vorragende »Korrosionsstacheln«
beschreiben und zeichnen, so beruht dies nur darauf, daß die
Innenhaut sich von den Spitzen der hier (Fig. 52) wirklich meist
stachelartig ausgebildeten Stäbchen mit Leichtigkeit bei der
Schnittführung ablöst, worauf die wenig resistenten veränderten
in Anspruch genommen werden, wie dies bereits von Gardiner (12, p. 104 ff.)
für Tamus dargelegt wurde.
Lösungsweise der Reservestoffe etc. 505
Membranteile im Wasser verquellen. Reiss gibt übrigens an
einer Stelle, nämlich in der zweiten Zelle der vorletzten Reihe
seiner Fig. 7 b, ein völlig korrektes Bild des Anfangsstadiums
der Allöolyse. Allerdings trifft die diesem Befunde durch Reiss
gegebene Deutung nicht zu, was auch betreffs der von Eifert
(10, Fig. 12) gegebenen Darstellung zu bemerken ist. Die
Bildung länger andauernder Stäbchen wie bei Clematis, Lupinus,
Tropaeolum u. a. unterbleibt. Nach völliger Allöolysierung fällt
die Membran durch ihr sehr geringes Lichtbrechungsvermögen
auf. Innenhäute und Mittellamellen sind daher jetzt deutlich zu
beobachten.
Die Membranen erfahren nunmehr ein recht bedeutendes
Flächenwachstum, wobei die Oberfläche des ausgewachsenen
Keimblattes 40- bis 60mal größer wird, als die des ruhenden.
Dieses Wachstum begleitet ein Aufbrauch der jetzt fast galler-
tigen, aus wasserreicher Substanz bestehenden Mittelschichten,
so daß die Membran im Endstadium fast nur aus den Innen-
häuten und Mittellamellen zu bestehen scheint. In diesem
Stadium kann jedoch das Vorhandensein der Mittelschichten
durch Anwendung von Quellungsmitteln nachgewiesen werden.
Überblickt man die Ergebnisse der vorangehenden Einzel-
darstellungen, so gelangt man zur Einsicht, daß die Einteilungs-
versuche der Lösungsprozesse bei verschiedenen Samen, die
von Reiss (7, p.55, 56) und Eifert (10, p. 24, 25) unternommen
worden sind, aus keineswegs zutreffenden Beobachtungen ab-
geleitet wurden; denn, von unwesentlichen Verschiedenheiten
abgesehen, spielen sich diese Vorgänge auf die gleiche Art in
den Endospermzellen und in dem Parenchym hypo- oder epi-
gäer Kotyledonen ab. Zunächst findet nämlich die Allöolyse
als erstes, hierauf oft auch noch die mehr oder minder voll-
ständige Resorption der durch die vorausgehende Allöolyse ver-
änderten Mittelschichten als zweites Stadium des Lösungs-
prozesses statt, während Mittellamellen und Innenhäute in nicht
direkt nachweisbarem Grade in den Resorptionsvorgang ein-
bezogen werden. Es entspricht demnach die Membranstruktur
der untersuchten Reservestoffbehälter in dem Stadium, wo die
506 A. R. Michniewicz,
Allöolyse jener zum Abschluß gelangt ist, derjenigen, die
bereits 1885 Tangl für die späteren Keimungsstadien der
Aleuronzellen des Gramineenendosperms nachgewiesen hat
Zusammenfassung der Resultate.
1. Die Zellwandungen aller untersuchten Endosperme und
Reservestoffe für die Keimung in der Membran speichernden
Parenchyme von Kotyledonen bestehen aus einer Innenhaut,
den Mittelschichten und der benachbarten Zellen gemeinsamen
Mittellamelle.
2. Die Innenhäute kleiden stets auch die Tüpfelkanäle und
-Schließhäute der hier untersuchten Zellen aus und sind als
Ganzes isolierbar.
3. Die drei Komponenten der Zellwand weisen verschiedene
chemische Beschaffenheit auf. Auch die Mittelschichten können
aus chemisch differenten Lamellen bestehen.
4. Die Speicherung der für die Keimung bestimmten
Reservestoffe in den Zellwandungen der Endosperme ist eine
auch bei Dikotyledonen sehr verbreitete Erscheinung.
5. Die Lösung bei der Keimung betrifft immer nur
die Mittelschichten oder nur einen Bestandteil derselben.
Innenhäute und Mittellamellen bleiben stets erhalten und weisen
keine direkt sichtbaren Veränderungen auch in dem Stadium
der Erschöpfung der betreffenden Reservestoffbehälter auf.
6. Der Lösungsmodus ist in allen hier untersuchten Fällen
im wesentlichen gleich.
7. Selbst bei vollständiger Resorption der Mittelschichten
findet stets nur fraktionierte Lösung derselben statt.
8. Die Aufspeicherung von Reservestoffen in der Wand
hebt deren Wachstumsfähigkeit nicht auf (Lupinus, Impatiens).
Es sei mir gestattet, an dieser Stelle meinem hochverehrten
Lehrer, dem Herrn Professor Dr. Eduard Tangl, in dessen In-
stitute ein Teil dieser Arbeit ausgeführt wurde, für die Anregung
hierzu und das lebhafte Interesse an ihrem Fortgange meinen
innigst gefühlten Dank zum Ausdrucke zu bringen.
Lösungsweise der Reservestoffe etc. 507
Literatur.
1. 1862. Sachs J., Zur Keimungsgeschichte der Dattel. —
Botan. Zeitung p. 241 ff. 1 Taf.
2. 1863. Sachs J., Über die Keimungsgeschichte des Samens
von Allium Cepa. — Botan. Zeitung p. 57 bis
69, 1 Taf.
3. 1866/7. Frank A. B., Über die anatomische Bedeutung und
Entstehung der vegetabilischen Schleime. — Pringsh.
Jahrb. f. wiss. Bot, Bd. V, p. 161 bis 200. 2 Taf.
4. 1884. Godfrin I., Recherches sur Tanatomie comparee des
Cotyledons et de TAlbumen. — Ann. des scienc. nat.
6. Ser. Tome 19, p. 1 — 158. 6 Taf.
5. 1885. Tan gl Ed., Studien über die Endosperme einiger
Gräser. — Sitz.-Ber. d. kais. Akad. d. Wiss. Wien.
Math.-naturw. Kl. Bd. 92, p. 72 bis 109. 4 Taf.
6. 1888. Heinricher E., Zur Biologie der Gattung Impa-
tiens. — Flora, Bd. 1888, p. 163 bis 175 u. 179 bis
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7. 1889. Reiss Rud., Über die Natur der Reservezellulose und
über ihre Auflösungsweise bei der Keimung der
Samen. — Ber. d. Deutsch. Bot. Ges., Bd. 7., p. 57.
1 Taf. — Inaug.-Diss. Univ. Erlangen. Berlin 1889.
8. 1890. Nadelmann Hugo, Über die Schleimendosperme
der Leguminosen. — Pringsh. Jahrb. f. wiss. Bot.
Bd. 21, 83 p. 3 Taf. — Inaug.-Diss. Univ. Erlangen.
Berlin 1890.
9. 1894. Grüss J., Über die Einwirkung der Diastasefermente
auf Reservezellulose. — Ber. d. Deutsch. Bot. Ges.
Bd. 12. Gen.-Vers.-Heft, p. 60 bis 72. 2 Taf.
10. 1894. Eifert Theod., Über die Auflösungsweise der
sekundären Zellmembranen der Samen bei ihrer
Keimung. — Bibl. Botan. Bd. VI, 26 p. 2 Taf.
11.1897. Grüss J., Über die Lösung und Bildung der aus
Hemizellulose bestehenden Zellwände und ihre
Beziehung zur Gummosis. — Bibl. Botan., Bd. VII,
15 p.
508 A. R. Michniewicz,
12. 1898. Gardiner W., The histology of the cellwall, with
special reference to the mode of connexion of cells.
— Prelimin. communication. — Proceed. of R. Soc.
of London. Vol. LXXII, p. 100— 1 12.
Tafelerklärung.
Alle Figuren wurden mit Abbe's Zeichenapparat projiziert. Die Bedeutung
der Zeichen erhellt aus folgendem :
Cq Allöolysierte Membranzylinder in der Flächenansicht der Zellwände.
Cs Allöolysierte Membranzylinder in der Seitenansicht (auf Membranschnitten).
Ct Allöolysierte Membranzylinder im Bereiche der Tüpfel.
Gr Grenzlinie zwischen allöolysierten und intakten Membranpartien.
H Allöolysierte Höfe um die Tüpfel.
Jh Innenhaut (Innenlamelle, Grenzhäutchen).
Is Interzellularsubstanz.
Ml Mittellamelle.
N Netzförmige Residuen der intakten Membranpartien.
Sl Stäbchen in der Längsansicht.
Sm Allöolysierte Säume.
Sq Stäbchen in der Flächenansicht der Zellwände.
Iris fragrans Salisb.
(Fig. 1 bis 9.)
Fig. 1. Anfangsstadium der Allöolyse in der Flächenansicht (Vergr. 750).
Fig. 2 und 3. Schnitte durch Membranen im Anfangsstadium der Allöolyse
(Vergr. 750).
Fig. 4. Bildung von Höfen um die Tüpfel (Flächenansicht; Vergr. 500).
Fig. 5. Stäbchenbildung (links Flächen-, rechts Seitenansicht; Vergr. 500).
Fig. 6. Nicht allöolysierte Membranpartie, künstlich isoliert (Vergr. 500).
Fig. 7. Querschnitt durch die Wand im Stadium der Saumbildung (Vergr. 500).
Fig. 8. Das Grenzgebiet intakter und allöolysierter Membranpartien (Vergr.500).
Fig. 9. Endstadium der Resorption (Vergr. 400).
Asparagus officinalis L.
(Fig. 10 bis 12.)
Fig. 10. Stäbchenbildung (Vergr. 500).
Fig. 11. Das Grenzgebiet hyaliner und intakter Membranpartien (Vergr.500).
Fig. 12. Hofbildung (Flächenansicht; Vergr. 500).
Lösungsweise der Reservestoffe etc. 509
Phoenix dactylifera L.
(Fig. 13 bis 23.)
Fig. 13. Anfangsstadium der Allöolyse (Flächenansicht; Vergr. 750).
Fig. 14. Partie an der Grenze hyaliner und intakter Membran teile (Vergr. 750).
Fig. 15. Hofbildung (Vergr. 750).
Fig. 16. Beginn der Stäbchenbildung (Vergr. 750).
Fig. 17. Schnitt durch die Membran mit ausnahmsweise regelmäßiger Aus-
bildung der Stäbchen (Vergr. 500).
Fig. 18. Unregelmäßige Ausbildung der Stäbchen (Vergr. 500).
Fig. 19 und 20. Saumbildung (Vergr. 500).
Fig. 21. Schichtung der Membran nach Abschluß der Allöolyse (Vergr. 500).
Fig. 22. Membran mit gallertigen Mittelschichten (Vergr. 500).
Fig. 23. Totalansicht einer isolierten Innenlamelle (Vergr. 500).
Anthericutn liliastrum L.
Fig. 24. Stäbchenbildung (Vergr. 500).
Funkia lancifolia Spreng.
Fig. 25. Künstlich isolierte Stäbchen (Flächenansicht der Membran ; Vergr. 500).
Clematis iubata Bisch.
(Fig. 26 bis 29.)
Fig. 26. Zelle aus ruhendem Endosperm nach Behandlung mit Hämatoxylin
(Vergr. 500).
Fig. 27. Flächenansicht einer Membran im Zustande der Bildung netzartiger
Residuen (Vergr. 500).
Fig. 28. Membran mit Stäbchendifferenzierungen (Vergr. 750).
Fig. 29. Zelle nach Abschluß der Allöolyse (Vergr. 500).
Viburnum opulus L.
(Fig. 30 und 31.)
Fig. 30. Flächenansicht einer Endospermwand im Stadium weiter vorgeschrit-
tener Allöolyse (Vergr. 500).
Fig. 31. Fast vollständig allöolysierte Membran in der Flächenansicht
(Vergr. 500).
Tropaeolum majus L.
(Fig. 32 bis 43.)
Fig. 32. Eine Zelle aus dem Parenchym ruhender Kotyledonen (Vergr. 500).
Fig. 33. Membranpartie nach Behandlung mit Chlorzinkjodlösung (Vergr. 500).
Fig. 34. Membranpartie nach Behandlung mit Glyzerin (Vergr. 500).
510 A. R. Michniewicz, Losungs weise der Reservestoffe etc.
Fig. 35. Das früheste Stadium der Allöolyse in der Flächenansicht (Vergr. 750).
Fig. 36. Hof- und Netzbildung (Vergr. 750).
Fig. 37 bis 42. Stäbchenbildung (Vergr. 750).
Fig. 43. Fast völlig erschöpfte Membranpartie. Flächenansicht einer vom aus-
geweiteten Interzellularraum umschlossenen Zellwand (Vergr. 500).
Lupinus albus L.
(Fig. 44 bis 51.)
Fig. 44. Eine Zelle aus dem ruhenden Kotyledo (Vergr. 500).
Fig. 45. Zellwand mit isodiametrischen Tüpfeln (Vergr. 500).
Fig. 46. Sehr schmale Zellwand mit einreihig angeordneten Tüpfeln (Vergr. 500).
Fig. 47. Eine der kleinsten Zellwände (Ptu, Fig. 44) in der Flächenansicht
nach Behandlung mit Hämatoxylin (Vergr. 750).
Fig. 48. Mittellamellengerüst nach Behandlung mit konzentrierter Schwefel-
säure (Vergr. 500).
Fig. 49. Membranpartie nach Erwärmung in einprozentiger Schwefelsäure
(Vergr. 500).
Fig. 50. Stäbchenbüdung (Vergr. 750).
Fig. 51. Zellwand im Stadium weit vorgerückter Allöolyse in der Flächen-
ansicht (Vergr. 750).
Impatiens Balsamina L.
Fig. 52. Stäbchenbildung (Vergr. 500).
Lupinus angustifolius L.
Fig. 53. Plasmodesmen auf Membranschnitten und in der Flächenansicht
(Vergr. 500).
A. R. Michniewicz: Die Lösungsweise der Reservestoffe in den Tafel 1
Zellwänden der Samen bei ihrer Keimung.
r*
i
Ad nat. dcl. autor.
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CX1I. Abt. I. 1903.
A. R. Michniewicz: Die Lösungsvveise der Reservestoffe in den
Zellwänden der Samen bei ihrer Keimung.
Tafel IL
Ad nat. cid. iuit<r.
Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse. Bd. C'XII. Abt. I. H".»3.
511
Beitrag« zur Anatomie der Vegetationsorgaae
von Boswellia Carteri Birdw.
von
Adolf Peter, stud. phil.
Aus dem pfUnsenphysi alogische* Institute der Je. k. Universität in Wien.
(Mit 3 Tafeln uad STextflguTen.)
{Voctelegt in der Satzung *m 4. Juni 10OS.)
Herr Prof. Simony brachte im Jahre 1899 von einer
Expedition, weiche die kaiserl. Akademie der Wissenschaften
noch Südarabien ausgesandt hatte, unter anderem auch Exem-
plare einer Bostvellia-Art mit, von denen einige lebend im
botanischen Garten zu Wien kultiviert wurden, während das
übrige Material sowohl getrocknet als auch als Alkoholmaterial
teils im pflanzenphysiologische« Institute, teils im botanischen
Garten sich befindet.
Herr Hofrat Wiesner hat mich mit der Aufgabe betraut,
die anatomischen Verhältnisse der Vegetatioosorgane, ins-
besondere des Stammes dieser Pflanze, zu studieren, und
unterstützte mich fortwährend bei der Durchführung dieser
Untersuchung.
Auch Herr Prof. v. Wett stein förderte meine diesbezüg-
lichen Studien zunächst dadurch, daß er mir auch lebendes
Material zur Verfügung stellte.
Den beiden genannten Herren spreche ich an dieser
Stelle meinen ergebensten Dank für ihre tatkräftige Unter-
stützung aus.
Vor allem handelte es sich darum zu konstatieren, welche
Pflanze mir vorlag. Sie ist eine den Weihrauch oder das
Sltzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 33
512 A.Peter,
Olibanum1 liefernde Boswellia- Art aus denGebirgen des südöst-
lichen Arabiens, im Gebiete der Maharas. Der Habitus dieser
Spezies erhält durch den knorrigen Bau und zugleich durch
die eigentümliche Beblätterung, indem die Blätter an den Enden
der Zweige zusammengedrängt erscheinen, ein charakteristi-
sches Gepräge. Die Blätter sind unpaarig gefiedert, mit 7 bis 9
sitzenden Blättchenpaaren, die länglich und am Rande wellig
gekerbt sind; unterseits sind sie etwas dichter behaart als
oberseits.2
Nach den Angaben der mir vorliegenden Literatur kommt
in den Bergen der Maharas nur eine Spezies von Boswellia
vor, nämlich Boswellia Carteri Birdw., welche an der Küste
des südöstlichen Arabiens bei Merbat und auf Kalkfelsen in
den Gebirgen von Hadramaut gedeiht Das Gebiet ihrer Ver-
breitung soll sich auch über das benachbarte Afrika und zwar
über das Somaliland und das Ahlgebirge erstrecken.3
Nach einigen Mitteilungen des Herrn Prof. v. Wettstein
und von ihm auf eine einschlägige Arbeit von Cooke,4 welche
die Untersuchungen Birdwood's enthält, aufmerksam gemacht,
konnte ich mir über die Identität der in Rede stehenden Pflanze
Klarheit verschaffen.
Birdwood hat das von Playfair im Somalilande, ferner
das von Carter in der Gegend der Maharas gesammelte
Material bearbeitet und als Boswellia Carteri beschrieben.
Aber schon nach den Abbildungen von Carter ergeben
sich zwischen der afrikanischen und arabischen Form Unter-
schiede, welche schließen lassen, daß Birdwood zwei Formen
oder Spezies vorlagen, die er unter einem Namen zusammen-
faßte. Solche Unterschiede beruhen hauptsächlich auf der Größe
und Art der Verzweigung der Blütenstände, auf der Form und
i Über Gummiharze siehe: Wies n er, Rohstoffe des Pflanzenreiches.
2. Aufl., Leipzig, 1900, I. Bd., S. 140 und 174. — Flu ck ige r, Pharmakognosie
des Pflanzenreiches. Berlin, 1891, S. 45 ff. — VogI, Kommentar zur Osten*.
Pharmakopoe. Wien, 1892, IL Bd., S. 444 ff.
2 Näheres über die Morphologie siehe: De Candolle, Monographiae
Phanerogamarum. Vol. IV, S. 33 f.
3 Engler und Prantl, III, 4, S. 246 ff.
4 Cooke, Report on the Gums, Resins, Oleo-Resins and Resinous pro-
ducts in the India Museums. London, 1874, S. 149 ff.
Vegetationsorgane von Boswellia Carteri B i r d w. 513
Ausbildung des Fruchtknotens und des Discus, ferner auf der
Behaarung der einzelnen Blütenteile.
Die mir vorliegende Pflanze dürfte mit dem von Bird-
wood untersuchten Material aus Südarabien identisch sein, da
sie bezüglich ihrer Vegetationsorgane1 mit der Beschreibung,
welche Birdwood gibt, übereinstimmt und außerdem gleich-
falls aus dem Gebiete der Maharas stammt, wo auch Carter
sein Material sammelte.
Zum Vergleiche diente mir Herbarmaterial, welches Herr
Hofrat Wiesner im Jahre 1901 in Kew erwarb und welches
ihm aus besonderer Gefälligkeit vom Direktor des botanischen
Gartens und Museums zu Kew, Sir William Dyer, zur
Verfügung gestellt wurde.
Über die Anatomie dieses Vergleichsmateriales werde ich
später ausführlicher noch zu sprechen kommen, doch sei
schon jetzt erwähnt, daß das als Boswellia Carteri bestimmte
und aus dem Somalilande stammende Material im anatomi-
schen Baue mit den aus Arabien mitgebrachten Weihrauch-
bäumchen bis auf einige wenige Abweichungen übereinstimmt.
Würden genauere Untersuchungen auf Grund eines reich-
lichen und geeigneten Materiales zu dem Ergebnisse führen,
daß die in Südarabien und die im Somalilande vorkommenden,
von Birdwood als Boswellia Carteri bezeichneten Pflanzen
als selbständige Formen oder Spezies anzusehen sind, so
müßte der bestehende Name auf die arabische Pflanze be-
schränkt bleiben, während für die in Afrika vorkommende
Form eine neue Bezeichnung erforderlich wäre.
Ich glaube, daß es richtig ist, wenn ich die von mir unter-
suchte Pflanze als Boswellia Carteri im weiteren Sinne be-
zeichne.
Es sei noch erwähnt, daß nach den Angaben des Herrn
Prof. Simony diese Pflanze in Südarabien in zwei Typen auf-
tritt, nämlich in einer hohen, baumförmigen und einer vom
Grunde aus verzweigten, niedrigen Form. Letztere kann durch
Stecklinge vermehrt werden und gilt bei den Arabern als weib-
liche, erstere als männliche Pflanze. Nach Wien wurden nur
1 Zur Zeit, als die Pflanze gesammelt wurde, stand sie nicht in Blüte.
33*
314 A. Peter,
strauohförmige Exemplare gebracht und diese waren es, weiche
meiner Untersuchung zugrunde gelegt wurden.
Anatomie des Stammes.
Bei makroskopischer Betrachtung 4es Stammquerschoittes
fällt die machtig entwickelte Rinde auf, deren Dicke beiläufig
ein Drittel des Stammradrus rrriöt. Das Mark ist verhältnis-
mäßig gering und von gelblicher Färbung, das Holz «durch
einen unmittelbar um das Mark liegenden rotbraunen Ring aus-
gezeichnet; ^u diesem paraTlell folgen ebenso gefärbte Partien
in verschiedener Dicke, ^wdche den Eindruck w& Jahresringen
machen. Unter der Lupe sind die Gefäße eben «noch als Paukte,
die Markstrahlen als feine Linien sichtbar. Stellenweise enthält
der Hoflzkörper dickerer Äste linsenförmige «rod dunkelbraune
Komplexe, die einen Durchmesser bis xu 1 cm erreichen und bei
genauerer Untersuchung aus unverholenen Elementen bestehend
sich erweisen.
Die Grundmasse des Holzes hesteht aus gefächertem
Libriform, in welchem die Gefäße umgleiöh verteilt «nd, uad
zwar sind sie reichlicher m den schon erwähnten rotbraunen
Stellen des Moires voihcmden. Die Mafkstrahlen si»d ein- bis
vierreihig. Tracheiden fehlen vollständig. Da solche in 4er
Literatur1 auch bei den übrigen Bwseraceen nicht .erwähnt
werden, scheinen sie in -dieser Familie Oberhaupt ßidht vor-
zukommen. Das Protoxylem enthäK stets intraucyläres Gambi-
form.f
Die Gefäße haben a*s häufigsten Wert für den Durch-
messer 0*093 mm iwid als Maximum 0 112 mm. Die Perfora-
tionen sind einfach und ringförmig; in Berührung mit anderen
Gefäßen tragen die Gefäßwände dicht angeordnete Hoftüpifel,
so daß die je eine 'Querspaflte «umsäumenden Töpfelteöfe poly-
edrisch abgeplattet erscheinen (Fig. 3, g). faa Beröhruog mit
Markstrahl- und Holzparenchymzetten treten an den Gefäß-
wänden einfache große Tüptfed mit Übergängen zu Hoftfcpfetn
1 Solerede r, Systematische Anatomie der Dikotyledonen. Stuttgart
1899, S. 215 ff.
* Über intraxyläres Cambiform siehe: Raimann, diese Sitzungsberichte,
Bd. XCVIH, AM. I.
Vegetationsorgane von Bosnmllia Carters Birdw. 515
auf. Sie haben die Gestalt einer quer gestellten Ellipse und °ind
meist in Reihen angeordnet, wodurch, sie an die Treppengefäße
der Pteiridophyten erinnern. Nicht seltemy besonders häufig aber
in junge» Trieben« dringen vorwiegend von den anliegendem
Markstrahlzelten aus durch die Tüpfel fast in der ganzen
Längenausdehnung der Gefäße Stärke oder große Krystalte
von oxalsaurem Kalk führende Thylten in die Gefäße ein,
erfiiHen aber nur in den seltensten FäHen das Gefäßhimen
verständig (Fig. 4, g).
Die Libriformfasern,.1 in. deren Wänden einfache, runde
oder spaltenförmige Poren auftreten, sind stets durch einüaehe
und dünne Querwände gefächert und führen- reichlich Stärke.
Diese Fasern scheiden sich in relativ dünn- und dickwandigere.
Letztere sind am Querschnitte teils in konzentrischen Ringen
und Zonen angeordnet, teils, zu einzelnem Bündeln vereinigt,
über den Querschnitt zerstreut und bilden die schon früher
erwähnten rotbraunen Stellen des Holzes. Bildung von Jahres-
(Vegetations^) Ringen konnte ich nicht konstatieren.
Im allgemeinen ist die Mhtellamelle dieser Libriformfasern
stark entwickelt und stärker verholzt als die Verdickungs-
schichten, wodurch bei Anwendung von Phtoroglucin und Salz-
säure jene besonders scharf hervortritt, ebenso bei Färbung mit
Safranin oder Fuchsin. Die dünnwandigeren Fasern (Fig. 4, /)
bilden die Hatrptraenge und haben mäßig entwickelte sekun-
däre Yerdiclcungsschichten, weiche sich stets als verholzt
erweisen. Die Libriformfasern mit dickerer Wandung sind
weniger reich getüpfelt und zeigen unter dem Mikroskop gelb-
Behbiraune Färbung. Ihr Umriß erscheint am Querschnitte mehr
abgerundet als der der ersteren. Das Lumen dieser Zeilen ist
klein und dabei unregelmäßig. Die sehr stark ausgebildeten
Verdickuaagsschichten geben sowohl schwache Holzstoff- als
auch Ceihalosereaktroo» Im gewöhnlichen Falle sind sie in zwei
dristinkte Lamellen gegliedert (Fig. 4t /'), wovon die äußere
gztinge Verholzung zeigt, während die innere,, mächtiger ent-
wickelte Schichte unverholzt und gallertartig ist.
1 Über Libriform siehe: Mo eil er, Denkschriften der kais. Akademie der
Wissenschaften. Wien, 1876, S. 302, 394. — De Bary, V. A., 1877, S. 497 f. --
Habeflandt, Physiolog. Pflanzen aOÄtomie. Leipaigr 1806, S. 500 ff.
516 A.Peter,
Holzparenchym sowie Übergänge dieses Gewebes zu
Libriform findet man entweder in unmittelbarer Nähe oder in
geringer Entfernung von den Gefäßen (Fig. 3). Die Übergangs-
formen neigen je nach ihrem geringeren oder größeren Poren-
reichtum zu Libriform oder zu Holzparenchym und tragen
abwechselnd sowohl dicke, getüpfelte Querwände (wie das
Holzparenchym) als auch einfache, dünne (wie das Libriform).
Die Markstrahlen (Fig. 3, m) sind schmal und ein- bis
vierreihig. Häufig wechseln, besonders in einreihigen Mark-
strahlen, Gruppen von liegenden und stehenden Markstrahl-
zellen ab, wodurch der Radialschnitt ein äußerst charakteristi-
sches Gepräge erhält. Als Inhalt führen die Markstrahlzellen
neben Stärke auch stellenweise monokline Krystalle von
Calciumoxalat, welche einzeln in der Zelle liegen, ohne das
Lumen vollständig auszufüllen.
Das Protoxylem enthält nebst Gefäßen nur intraxyläres
Cambiform (Fig. 2), das sich gewöhnlich gegen das Mark zu
zu einem geschlossenen Komplexe vereinigt. In diesem Falle
ist es in der Regel von einem oder zwei Sekretgängen begleitet,
die entweder im Cambiform selbst eingebettet oder an der
Grenze zwischen diesem und dem Marke liegen (Fig. 2). In
älteren Zweigen und im Stamme ist das intraxyläre Cambiform
durch Libriform vom Marke ganz oder teilweise getrennt Da
diese Libriformelemente relativ spät sich entwickeln, sind sie in
jüngeren Zweigen gar nicht oder nur spärlich vorhanden.
Komplizierter wird der Bau des Holzes durch stellenweise
auftretende abnormale Bildungen, deren Entwicklungsgeschichte
ich mangels an geeignetem Material nicht verfolgen konnte, wes-
halb ich mich auf ihre Beschreibung beschränken muß.
Junge, noch mit der Epidermis bedeckte Triebe haben ver-
längerte Internodien (Langtrieb), während die Basis derselben
gestaucht erscheint, indem die Internodien an dieser Stelle sehr
verkürzt sind (Kurztrieb).
In diesen verkürzten Abschnitten enthält der unmittelbar um
das Mark gelegene (ältere) Xylemteil an verholzten Elementen
nur Gefäße. Als Grundmasse tritt intraxyläres Cambiform auf,
Vegetationsorgane von Boswellia Carteri Birdw. 517
welches bisher nur im Protoxylem beobachtet wurde. Es besteht
aus dünnwandigen, etwas in die Länge gestreckten Zellen, die
un verholzt sind, in radialen Reihen stehen und am Querschnitte
gleichen Umriß wie die Libri formfasern zeigen. Im Protoxylem
ist das Lumen dieser cambiformartigen Zellen kleiner. Als Inhalt
führen die Elemente des intraxylären Cambiforms neben Stärke
auch große Krystalle von oxalsaurem Kalk. Die Markstrahlen
haben hier gleichfalls dünne und unverholzte Membranen.
Nach außen geht dieses Gewebe in den normal gebauten Holz-
teil über, indem die Zellwände bei gleichzeitiger Verholzung
an Dicke zunehmen. Einzelne Libriformfasern und dickwandige
verholzte Markstrahlzellen sind hie und da im Inneren dieser
unverholzten Grundmasse anzutreffen.
Aus dem Gesagten folgt, daß das intraxyläre Cambiform
im vorliegenden Falle nicht als reduziertes Phloem eines bikol-
lateralen Bündels aufgefaßt werden darf.
Die im folgenden beschriebene Abweichung vom normalen
Holzbaue kommt nur an dickeren Ästen vor. Das Holz der-
selben enthält stellenweise ein unverholztes parenchymatisches
Gewebe in Form von dünnen Platten oder linsenförmigen
Körpern. Bei geringer Mächtigkeit ist dieses Gewebe bloß mit
Stärke erfüllt, bei stärkerer Entwicklung enthält es neben dieser
noch große Massen von oxalsaurem Kalk und Gerbstoff. Immer
erscheinen die diese Partie gegen die Stammachse zu begren-
zenden Holzelemente mit einer homogenen braunen Masse
erfüllt; ihre Membranen sind stark gequollen und braun gefärbt
und die benachbarten Gefäße mit Thyllen vollständig erfüllt.1 Mit
der Dicke des eingelagerten unverholzten Komplexes wächst
auch die Dicke des erwähnten anschließenden Holzkörpers.
Zugleich kollabiert derselbe, so daß dadurch eine dunkelbraune,
nur an einzelnen Stellen unterbrochene Masse entsteht, deren
Elemente nicht mehr zu unterscheiden sind (Textfig. 1, a).
Infolge der dunklen Färbung dieser kollabierten Masse und
des eingelagerten Komplexes sind diese Stellen schon makro-
skopisch deutlich sichtbar. Komplizierter werden die Verhält-
nisse noch durch Korkbildung. Das Korkgewebe schließt nämlich
i Die Thyllen wurden in die Textfigur nicht eingezeichnet
518
A. Peterr
in Form von Stareifen, deren Querschnitte halbmondförmig sind,
an die kollabierte braune Holzmasse an (Textfig. 1T pr //).
Eine Bildung von Korkzellen im Holzkörper erschein* zwar
befremdend, doch der Bau dieser Zeilen, die GeEbfiurbung ihrer
Membranen bei Behandlung mit Kalilauge sowie deren Fähig-
keit, Alkannatinktur aufzuspeichern, lassen wohl kaum eine
Fig.1.
Teil eines Mark Heckes im Querschnitte.
P parenehymatisches Gewebe,
p, // Schichten des Wtmdkorkes.
a kollabierte Masse.
andere Deutung zu. Das in Rede stehende Korkgewebe, dessen
Elemente m radialen Reihen angeordnet sind, ist gewöhnlich
im Schächten dick- und dünnwanettgerer KotkzeHen gegliedert
(Textfig. 1, p9p>).
Nachi außen grenzt das parenehymatische Gewebe (fTexi-
fig. 1, P) ohne eine dazwischen gelagerte kollabierte Schichte an-
das Holz. Tritt der unverholzte Komplex in großer Mächtigkeit
Vegetationsorgane von Boswtllia Carters B i r d w. 5-19
auf, so nimmt er stellenweise rnarkkronenartige Bildung an.
Hier sind die unmittelbar an das Parenchym grenzenden Gefäße
frei von Thyilen und haben kurze Abschnitte, welche regellos
angeordnet sind und gleichen Umriß wie die benachbarten
Parenchymzellen zeigen.
Die soeben beschriebenen unverholzten Gewebekomplexe
im Holzkörper stimmen in ihrem Baue mit den von Kienitz1
eingehend1 untersuchten »Markflecken« überein, welche, wie der
genannte Autor fand, infolge von Verletzungen durch L«rven-
fraß entstehen. Es ist wohl kaum zu bezweifeln, daß auch die
hier beschriebenen Bildungen auf Verletzungen durch Insekten
zurückzuführen sind.
Demnach wäre das in den Markflecken von Boswtllia
Carteri vorhandene Korkgewebe als Wundkork anzusprechen.
Das Mark (Fig. 2, m) setzt sich aus einfach getüpfelten,
relativ dickwandigen und verholzten Parenchymzellen zu-
sammen. Daneben finden sich auch nicht selten völlig unver-
hotzte und dünnwandige Markzeilen. Beide führen reichlich
Stärke und Oxalsäuren Kalk in großen Einzelkrystallen,
Zwillingen oder Drusen, die einzeln in stärkeführenden Zellen
liegen. Gerbstoff, woran die Pflanze sehr reich ist, tritt im braun
gefärbten Zellsaft einzelner Patrenchymeleraente auf.
Auffallend verschieden davon ist der Bau dieser Elemente
in ihrem Jugendstadium, knapp unter der Vegetationsspitze
(Fig. l9m):
Die Membranen dieser isodiametrischen Markzellen (Fig. 9)
besitzen große und dicht angeordnete Poren (a) und sind koilen-
chymartig verdickt. Diese Membranen färben sich mit Chlor-
zinkjod violett und geben überhaupt die bekannten Ceilulose-
reaktionen. Regelmäßig treten zwischen den Verdickungen drei-,
selten vierseitige fntercellularen auf (Fig. 9), Schon in diesem
Stadium erfüllen die bereits oben beschriebenen Inhaltskörper
diese Zellen.
Durch nachträgliches ungleichmäßiges Dickenwachstum
der Membranen, womit ein Abrunden und Verholzen der Zellen
Hand in Hand geht, gleicht sich die kollenchymartige Ver-
i Kienitz, Bot. Zentralblatt, 1883, Bd. XIV, S. 21 ff.
520 A. Peter,
dickung aus und führt zu den oben beschriebenen Dauer-
elementen.
Kompliziertere Verhältnisse weist die Rinde1 sowohl in
ihrem anatomischen Bau als auch in ihrer Entwicklung auf.
Im jugendlichen Stadium (unterhalb der Vegetationsspitze) ist
der Bau der Rinde der folgende (Fig. 1):
Unterhalb der Oberhaut liegt eine schon ausgebildete Peri-
dermschichte (p). Diese werde ich später noch ausführlich
besprechen. Die Elemente der primären Rinde (e) gleichen in
ihrem Baue vollkommen denen des Markes (m). Im Zellinhalte
tritt hauptsächlich Chlorophyll, daneben in geringerer Menge
Gerbstoff und große Krystalle, beziehungsweise Drusen von
Calciumoxalat auf. An die primäre Rinde schließt die Anlage
der Bastfaserbündel. (In die Zeichnung [Fig. 1J sind einige
schon ausgebildete Fasern als dickwandige, dunkeikonturierte
Elemente eingetragen.) Unterhalb je eines halbmondförmigen
Bastbelages liegen ein oder zwei Sekreträume (s). Bemerkens-
wert sind kleinlumige Zellen im Phloemteile, die zu wenig-
zelligen und distinkten Gruppen angeordnet sind (n). Sie oblite-
rieren sehr frühzeitig wie die Siebröhren und einzelne Paren-
chymzellen und bilden dann mit diesen zusammenhängende
und verzweigte Bänder und Streifen (Fig. 2, o. s.). Wie die
primäre Rinde enthält auch der Phloemteil reichlich gerbstoff-
führende Zellen.
Dieser ursprüngliche Bau der Rinde erfährt sehr frühzeitig
tiefgreifende Veränderungen. Was zunächst die primäre Rinde
anbelangt, so verliert sie ihren kollenchymartigen Charakter
einerseits durch Zellteilung, anderseits ähnlich wie das Mark
durch ungleichmäßiges Dickenwachstum der Membranen, wo-
durch die kollenchymartige Verdickung ausgeglichen wird. Dazu
kommt Kollabieren kleinerer Partien und Sklerose einzelner
Zellen. Die hierdurch bedingte Polymorphie der Zellen des
primären Rindengewebes wird noch durch ein Phelloderm
erhöht, das Sekreträume und Sklerenchym enthält. Diese mit
1 Um Mißverständnissen vorzubeugen, betone ich, daß ich hier
unter Rinde das ganze außerhalb des Cambiumringes liegende Gewebe
verstehe.
Vegetationsorgane von Boswellia Carteri B i r d w. 521
groben, geweihartigen Porenkanälen versehenen Sklerenchym-
zellen (Fig. 7, sk\ Fig. 13), in vertikalen Reihen und Gruppen
angeordnet, sind nur in der Peripherie der Rinde und zwar in
zunehmender Menge bis knapp unter das Periderm anzutreffen.
Sie führen einen körnigen und rotbraunen Inhalt; nicht selten
füllt ein Einzelnkrystall von Calciumoxalat das Lumen voll-
ständig aus, indem die Verdickung sich ganz an den Krystall
anlegt. Stellenweise zeigen die an das zartwandige Gewebe
grenzenden Skleren chymzellen nur einseitige Verdickung, indem
die an das Parenchym anstoßenden Wände unverdickt bleiben.1
Von diesen Sklerenchymzellen, welche ihren Ursprung im
Phelloderm haben, sind diejenigen wohl zu unterscheiden,
welche, wie bereits erwähnt, durch nachträgliche Sklerose aus
Elementen der primären Rinde hervorgegangen sind und durch
ihren Bau wesentlich von jenen abweichen. Sie sind bedeutend
größer und weitlumiger als die vorher genannten und erscheinen
in ihrem Umriß mehr abgerundet; ihre Verdickung ist weniger
stark und die Zahl der Porenkanäle geringer. Krystalle als Inhalt
in diesen Sklerenchymzellen beobachtete ich nie.
Die ersten Bastfasern entstehen an der Peripherie der
Anlage des Hartbastes (Fig. 1), die übrigen entwickeln sich sehr
rasch und zwar in zentripetaler Reihenfolge. Der ganze Bast-
faserkomplex wird bald zerrissen und zwar einerseits durch
das Wachstum der Rinde, anderseits, wie später näher be-
schrieben, durch innere Peridermbildung. In der ausgebildeten
Rinde sind nur mehr einzelne Fasern oder isolierte Gruppen
solcher zerstreut anzutreffen (Fig. 7, b).
Die Bastfasern sind stets gefächert und haben stark ver-
holzte Mittellamelle, während die Verdickungsschichten bezüg-
lich Verholzung Unregelmäßigkeiten aufweisen.
Auf dem Rindenquerschnitt erscheinen Sekreträume, welche
knapp bis an das Periderm heranreichen.2
1 Bei den in Fig. 13 dargestellten Sklerenchymzellen bezeichnet a die ein-
seitige Verdickung, während die dunkel gehaltenen Stellen die Lumina dar-
stellen.
2 Über die Anatomie dieser Sekreträume und über das Sekret siehe
S. 19 f.
522 A. Peter,
Die Grundmasse des Rindengewebes besteht aus Paren-
chym, das überaas reich an Stärke und CalciuiaoxaJat ist Die
Krystatle Hegen wie die der Marfcstrahlen einzeln in der Zeile
und füllen das Lumen nahezu aus. Gruppen voa gerbstoff-
föbrenden Zellen sind in der Rinde reichlich vertreten (Fig. 7, g}.
Die obliterierten Siebteile (Fig. 7, o. s.) nehmen in diesem
vorgeschrittenen Entwicklungsstadtum gegen das Innere an
Masse zu. In der Nähe des Cambirams bilden sie die Gnmd-
masse, während sie gegen die Peripherie allmählich verlaufen.
Der Bau dieser Elemente ist derselbe, wie ihn De Bary1
beschreibt.
Schließlich sei noch erwähnt, daß an dem Aufbau des
Phioemteiles auch Krystallkamnaerfasern in nicht geringem
Maße teilnehmen.
Das Periderm löst sich wie auch bei anderen Arten der
Gattung Bosweüia und bei Commiphora2 schon an finger-
dicken Zweigen in papierdünnen Schichten ab. Die Peruterm-
bildung ist subepidermal und zwar tritt sie bei ersterer sehr
frühzeitig, nämlich schon knapp unter der Vegetationsspitze
auf, wobei sie anfangs stellenweise unterbrochen ist Zunächst
wird nach außen Periderm, später auch nach innen Phelfeoderm
gebildet Die als erste entwickelte Peridermschichte besteht
aus sehr dünnwandigen Korkzellen, während die folgenden
Schichten durchwegs dickere Membranen besitzen. Die Zell-
wand zeigt eine stark entwickelte Celluloseschicbte und eine
dünne Suberinlamelle. Die Mittellaraelle ist von letzterer nur
wenig differenziert. Bemerkenswert sind rundliche KörperchenT
welche einzeln in schmalen Intercellularea liegen und im polari-
sierten Lichte sich als doppeitbrechend erweisen. In älteren
Peridermschichten wechseln Lameflen dick- und dünnwandi-
gerer Korkzetlen ab. Diese Differenzierung erscheint stellen-
weise mehr oder minder stark ausgebildet.
Das Ablösen der einzelnen Peridermschichten geht in
einer einschichtigen Lage merkwürdig gebauter Phelloidzellen
vor sich. Diese stimmen mit denen von BosweTlia papyrifera,
i De Bary, L c^ S. 567 f.
2 Solereder, 1. c, S. 219.
Vegetationsorgane von Bosmtellia Carteri Birdw.
523
welche von v. Höhne! l genauer untersucht wurden, vollkommen
überein. Sie zeichnen sich durch einseitig verdickte Membranen
aus, deren Veixückungsmasse verkieselt und zugleich verholzt
ist. Diese Verdickung (Textfig. 2) tritt nur an der Innenwand
**ii und erstreckt sich gewöhnlich auch über einen kleinen
Teil der Seitenwinde. Die übrige Partie der Membran dagegen
ist sehr dünn. Selten ist die Verdickung glatt, in der Regel
trägt sie in das Lumen vorspringende feine Rippen, die in der
Fig. 2.
Querschnitt durch das Periderm des Stammes.
ph jüngere, an das Phellogen grenzende Peridermschichte.
p älteres Periderm mit dem einschichtigen Phelloid.
Flächenansicht als feine, hie und da spitzwinkelig sich ver-
zweigende Linien erscheinen, welche im Sinne der Stamm-
achse verlaufen (Textfig. 3). Da die Seäemwände sehr dünn
und spröde sind, reißen -sie außerordentlich leicht, wodurch das
Ablösen der Korkschichten in regelmäßigen Lagen zustande
koaunt. Dadurch werden die verdickten und verkiesehen Innen-
wände der PheUoidzellen freigelegt, kommen an die Außenseite
der Koricsohichten zu liegen und bilden einen festen und wider-
standsfähigen Überzug des Stammes. Die Ablösung erfolgt aber
nicht in jeder Pheiioidschichte, so daß man in dem Karfcbläitera
immer auch eingeschlossen Phelloidlamellen findet.
i v. H ö h n e 1, Über Kork und verkorkte Gewebe überhaupt Diese Sitzungs-
berichte, LXXVI. Bd., I. Abt., S. 7« ff., S9 f., 114 f.
524 A. Peter,
Eine ebensolche Schichte von verkieselten Zellen fand
schon Mo hl1 im Periderm von Boswellia papyrifera Rieh, und
nennt diese Zellen »Faserzellen«. Diese Bezeichnung wählte
Mo hl wohl nicht mit Rücksicht auf die Form der Zellen,
sondern wegen der Struktureigentümlichkeit der Zellhaut, was
ich nur deshalb bemerke, weil man jetzt unter »Faserzellen«
wohl nur histologische Elemente von faserförmiger Gestalt ver-
steht.
Eine genauere Darstellung der Gestaltsverhältnisse der
genannten Phelloidzellen gibt zum Teil auf Grund der schon
von Mohl gegebenen Beschreibung De Bary.2
Fig. 3.
Phelloidzellen in der Flächenansicht nach der Veraschung und
Behandlung mit Salzsäure.
Mo eller8 scheint ein ähnliches Phelloid bei Amyris beob-
achtet zu haben, wo aber eine Sklerosierung der Außen-
wände stattfinden soll.
Hauptsächlich wird am Stamm unserer Boswellia Ober-
flächenperiderm gebildet. Stellenweise findet auch Borkebildung
statt, doch nur in sehr geringem Maße. Die innere Periderm-
bildung dringt dabei wenig in die Rinde ein, so daß nur sehr
kleine Rindenpartien und zwar hauptsächlich Parenchym und
* Mohl, Bot. Zeitung, 1861, S. 229.
2 De Bary, 1. c, S. 117.
8 Mo eller, Anatomie der Baumrinden. Berlin, 1883, S. 321 f.
Vegetationsorgane von Boswtllia Carteri Birdw. 525
Sklerenchym, selten auch Sekreträume abgestoßen werden.
Da die Bildung des inneren Periderms nur in den seltensten
Fällen eine wiederholte ist, so erscheinen die abgestoßenen
Rindengewebskörper in den Korkhäuten eingebettet und zwar
in Gestalt kleiner Knöllchen oder flach linsenförmiger Körper.
Letztere können einen Durchmesser bis zu 1 cm erreichen.
Wider Erwarten ist die Borke an jungen, noch mit einer
Epidermis bedeckten Trieben viel stärker und reichlicher ent-
wickelt als die der älteren Zweige und des Stammes. An den
jungen Zweigen bildet sie lange und breite Längsstreifen, die
vermöge ihrer dunklen Färbung besonders auffallen, und ent-
hält nebst Teilen der primären Rinde noch Bastfaserbündel
und Sekreträume.
Anatomie der Wurzel.
Zur Untersuchung lag mir außer einem gut erhaltenen
Stücke (Alkohol material) noch ein getrockneter Wurzelteil vor,
von dem aber nur Holz und Mark erhalten und zur Unter-
suchung geeignet waren. In ihrem anatomischen Bau weisen
die beiden Wurzelstücke manche wesentlichen Unterschiede
auf. Zunächst wende ich mich zur Beschreibung der anatomi-
schen Verhältnisse des Alkoholmateriales.
Das Mark desselben besteht aus unverholzten und zart-
wandigen Parenchymzellen und bildet kein zusammenhängendes
Gewebe, sondern setzt sich aus isolierten Zellgruppen von ver-
schiedener Mächtigkeit zusammen, zwischen denen aus Gefäßen
und sehr wenigen Libriformfasern bestehende Xylemstränge in
Windungen verlaufen. Je weiter die Markteile vom Wurzel-
zentrum entfernt sind, desto mehr nehmen sie an Größe ab.
Die Verschiebung gegen die Peripherie geht in der Regel nicht
über das erste Drittel des Holzkörpers hinaus. Die größeren
Markkörper enthalten je einen kleinen und kugeligen Sekret-
raum. Als Inhalt der Markzellen tritt Stärke und oxalsaurer
Kalk auf. Die zwischen den Markteilen durchziehenden Holz-
stränge vereinigen sich häufig zu einem einzigen großen zen-
tralen Strang. Regelmäßig ist dies aber in den Stellen der Wurzel
der Fall, welche infolge äußeren Druckes zusammengepreßt
sind. Es gewinnt den Anschein, als ob diese Verdrängung und
526 A.Peter,
Verteilung des Markgewebes auf Druck zurückzuführen sei
Dem widerspricht aber der Umstand, daß in dem anderen
Exemplar, welches keinerlei auf Pressungen zurückzuführende
Merkmale erkennen läßt, das Mark durchwegs von den in
Rede stehenden Holekörper verdrängt ist. Letzterer hebt sich
am Querschnitte charakteristisch von dem übrigen Hotek<kper
ab und zwar infolge der dichten Anordnung der Gefäße, die
sich noch durch ihr größeres Lumen (Maximum 0- 143 mm)
von den übrigen unterscheiden, und ferner durch das Fehlen
van Markstrahlen.
Die Libriformfasern des Wurzelholzes sind im Gegensätze
zu denen des Stammes durchwegs dünnwandig. Auch hier setzt
sich das gesamte Libriform aus Gruppen relativ «Jick- und
dünnwandigerer Elemente zusammen. Doch ist der Unterschied
in der Membranverdickung nur sehr gering. Eine Gliederung
der Verdickungsschichten in zwei distiokte Lamellen ist nicht
vorhanden. Während sämtliche Librifonnfasern bei Behandlung
mit Anilinsulfat oder nach Mäule1 mit Kaliuinpermaaganat-
Salzsäure-Ammoniak deutlich Verholzung zeigen, färben sich
mit Phioroglucin-Salzsäure nur die gegen die Peripherie zu
gelegenen (jüngeren) Libriformfasern intensiv, die älteren
dagegen gar nicht oder nur sehr wenig. Ein Unterschied im
anatomischen Bau besteht zwischen beiden nicht.
Der anatomische Bau der Mittel- und Innenrmde ist bei
der Wurzel analog dem des Stammes bis auf das Fehlen der
Bastfasern und Skterenchymzeüen- Auch sind die Sekreträume
größer und zahlreicher als in der Rinde des Stammes. Die Aufiea-
rinde (Fig. 10), welche aus einem Oberflächenperiderm besteht,
enthält der Hauptmasse nach gewöhnliche Korkzellen (p); in
dieser Grundmasse eingebettet liegen Platten von Sklerenchym-
zellen (s, sk). Durch dieses Sklerenchym, welches in großen
Mengen vorhanden ist, erhält das Perkierm ein festes und
widerstandsfähiges Gefüge.
Was das getrocknete Wurzelmaterial anbelangt, so wurde
schon früher erwähnt, daß dessen Bau von jenem des Alkohol-
i Fünfstück, Beiträge zur wissenschaftl. Bot., 1901, öd. IV, 2. Abt.,
S. 166 ff.
Vegetationsorgane von Boswellia Carieri Birdw. 527
materiales in mancher Hinsicht abweicht. Im folgenden will ich
mich bloß auf die Darstellung dieser Unterschiede beschränken.
Während bei dem vorigen Wurzelstücke die zwischen den
Markkörpern verlaufenden Xylemstränge stellenweise sich zu
einem einzigen, großen, zentralen Xylemstrang vereinigen, tritt
hier in dem getrockneten Material an Stelle des Markes durch-
wegs ein Xylemstrang auf, welcher zum Unterschiede von dem
vorigen nebst Gefäßen auch reichlich Ltbriform enthält. Vom
Markgewebe sind nur kleine, aus wenigen Zellen bestehende
Partien teils im zentralen Xylemstränge, teils im sekundären
Holze zu finden.
Das Libriform ist ausnahmslos dickwandig. Mit Phloro-
glucin-Salzsäure behandelt, geben auch die Libriformfasern des
älteren Holzes deutlich Holzstoffreaktion.
Ob die angeführten Unterschiede individuelle sind oder
als lokale, auf bestimmte Ursachen zurückzuführende Erschei-
nungen aufzufassen sind, konnte mangels an genügendem
Materiale nicht untersucht werden.
Anatomie des Blattes.
Das Blatt ist schon oben beschrieben worden, so daß ich
gleich auf die anatomischen Verhältnisse seiner Teile eingehen
kann.
Der Blattstiel stimmt in Lage und Anordnung der Gefäß-
bündel und Sekreträume mit dem jungen Stamm überein. Wie
bei diesem sind auch hier die Epidermiszellen klein und haben
fast gleichmäßig verdickte Membranen (Fig. 6). Die von kleinen
Schließzellen gebildeten Spaltöffnungen sind in Längsreihen
angeordnet und liegen entweder in der Ebene der Epidermis
oder überragen, was bei der überwiegenden Mehrzahl der Fall
ist, infolge von Erhebung der Nebenzellen die Rindenoberfläche
(Fig. 6, sp).
Die achsial gestreckten Zellen der primären Rinde (Fig. 8)
haben stark entwickelte und mit einfachen runden Poren ver-
sehene Membranen. Als Zellinhalt tritt hier oxalsaurer Kalk und
zwar fast ausschließlich in Form von Drusen auf. Unterhalb
jeder Spaltöffnungsreihe liegt, in das primäre Rindengewebe ein-
gesenkt, ein sowohl der Transpiration als auch der Assimilation
Sitzb. d.mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 34
A. Peter,
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526 A.Peter,
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Vegetationsorgane von Boswellia CarUri Birdw. 527
materiales in mancher Hinsicht abweicht. Im folgenden will ich
mich bloß auf die Darstellung dieser Unterschiede beschränken.
Während bei dem vorigen Wurzelstücke die zwischen den
Markkörpern verlaufenden Xylemstränge stellenweise sich zu
einem einzigen, großen, zentralen Xylemstrang vereinigen, tritt
hier in dem getrockneten Material an Stelle des Markes durch-
wegs ein Xylemstrang auf, welcher zum Unterschiede von dem
vorigen nebst Gefäßen auch reichlich Libriform enthält. Vom
Markgewebe sind nur kleine, aus wenigen Zellen bestehende
Partien teils im zentralen Xylemstränge, teils im sekundären
Holze zu finden.
Das Libriform ist ausnahmslos dickwandig. Mit Phloro-
glucin-Salzsäure behandelt, geben auch die Libriformfasern des
älteren Holzes deutlich Holzstoffreaktion.
Ob die angeführten Unterschiede individuelle sind oder
ais lokale, auf bestimmte Ursachen zurückzuführende Erschei-
nungen aufzufassen sind, konnte mangels an genügendem
Materiale nicht untersucht werden.
Anatomie des Blattes.
Das Blatt ist schon oben beschrieben worden, so daß ich
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Der Blattstiel stimmt in Lage und Anordnung der Gefäß-
üadel und Sekreträume mit dem jungen Stamm überein. Wie
|te diesem sind auch hier die Epidermiszellen klein und haben
ist gleichmäßig verdickte Membranen (Fig. 6). Die von kleinen
ihließzellen gebildeten Spaltöffnungen sind in Längsreihen
[^geordnet und liegen entweder in der Ebene der Epidermis
kier überragen, was bei der überwiegenden Mehrzahl der Fall
|x infolge von Erhebung der Nebenzellen die Rindenoberfläche
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Die achsial gestreckten Zellen der primären Rinde (Fig. 8)
[*-een stark entwickelte und mit einfachen runden Poren ver-
"ene Membranen. Als Zellinhalt tritt hier oxalsaurer Kalk und
^ ^ fast ausschließlich in Form von Drusen auf. Unterhalb
& Spaltöffnungsreihe liegt, in das primäre Rindengewebe ein-
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526 A.Peter,
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Dem widerspricht aber der Umstand, daß in dem anderen
Exempiar, welches keinerlei auf Pressungen zurückzuführende
Merkmale erkennen läßt, das Mark durchwegs von «dem in
Rede stehenden Holekörper verdrängt ist Letzterer hebt sich
am Querschnitte charakteristisch von dem übrigen Holzkörper
ab und zwar infolge der dichten Anordnung der Gefäße, die
sich noch durch ihr größeres Lumen (Maximum 0-143««*)
von den übrigen unterscheiden, und ferner durch das Fehlen
von Markstrahlen.
Die Libriformfasern des Wurzelholzes sind im Gegensatze
zu denen des Statmnes durchwegs dünnwandig. Auch hier setzt
sich das gesamte Libriform aus Gruppen relativ <ück- und
dünnwandigerer Elemente zusammen. Doch ist der Unterschied
in der Membranverdickung mrr sehr gering. Eine Gliederung
der Verdickungsschichten in zwei distiokte Lamellen ist nicht
vorhanden- Während sämtliche libriformfasern bei Behandlung
mit Anilinsulfat oder nach Maule1 mit Kaliutnpermaqganat-
Salzsäure-Ammoniak deutlich Verholzung zeigen, färben sich
mit Phtoroglucin-Salz&äure nur die gegen die Peripherie zu
gelegenen (jüngeren) Libriformfasern intensiv, die älteren
dagegen gar nicht oder nur sehr wenig. Ein Unterschied im
anatomischen Bau besteht zwischen beiden nicht.
Der anatomische Bau der Mittel- und Innenrkide ist bei
der Wurzel analog dem des Stammes bis auf das Fehlen der
Bastfasern und Skterenchymzetten. Auch sind die Sekreträume
größer und zahlreicher als in der Rinde des Stammes. Die Aufteo-
rinde (Fig. 10), welche aus einem Oberflächenperiderm besteht,
enthält der Hauptmasse nach gewöhnliche Korkzellen (p); in
dieser Grundmasse eingebettet liegen Platten von Sklerenchym-
zellen (s, sk). Durch dieses Sklerenchym, welches in großen
Mengen vorhanden ist, erhält das Periderm ein festes und
widerstandsfähiges Gefüge.
Was das getrocknete Wurzelmaterial anbelangt, so wurde
schon früher erwähnt, daß dessen Bau von jenem des Alkohol-
i Fünfstück, Beiträge zur wissenschaftl. Bot., 1901, Bd. IV, 2. Abt.,
S. 166 ff.
Vegetationsorgane von Boswellia Carleri Birdw. 527
materiales in mancher Hinsicht abweicht. Im folgenden will ich
mich bloß auf die Darstellung dieser Unterschiede beschränken.
Während bei dem vorigen Wurzelstücke die zwischen den
Markkörpern verlaufenden Xylemstränge stellenweise sich zu
einem einzigen, großen, zentralen Xylemstrang vereinigen, tritt
hier in dem getrockneten Material an Stelle des Markes durch-
wegs ein Xylemstrang auf, welcher zum Unterschiede von dem
vorigen nebst Gefäßen auch reichlich Libriform enthält. Vom
Markgewebe sind nur kleine, aus wenigen Zellen bestehende
Partien teils im zentralen Xylemstränge, teils im sekundären
Holze zu finden.
Das Libriform ist ausnahmslos dickwandig. Mit Phloro-
glucin-Salzsäure behandelt, geben auch die Libriformfasern des
älteren Holzes deutlich Holzstoffreaktion.
Ob die angeführten Unterschiede individuelle sind oder
als lokale, auf bestimmte Ursachen zurückzuführende Erschei-
nungen aufzufassen sind, konnte mangels an genügendem
Materiale nicht untersucht werden.
Anatomie des Blattes.
Das Blatt ist schon oben beschrieben worden, so daß ich
gleich auf die anatomischen Verhältnisse seiner Teile eingehen
kann.
Der Blattstiel stimmt in Lage und Anordnung der Gefaß-
bündel und Sekreträume mit dem jungen Stamm überein. Wie
bei diesem sind auch hier die Epidermiszellen klein und haben
fast gleichmäßig verdickte Membranen (Fig. 6). Die von kleinen
Schließzellen gebildeten Spaltöffnungen sind in Längsreihen
angeordnet und liegen entweder in der Ebene der Epidermis
oder überragen, was bei der überwiegenden Mehrzahl der Fall
ist, infolge von Erhebung der Nebenzellen die Rindenoberfläche
(Fig. 6, sp).
Die achsial gestreckten Zellen der primären Rinde (Fig. 8)
haben stark entwickelte und mit einfachen runden Poren ver-
sehene Membranen. Als Zellinhalt tritt hier oxaf,frfurer Kalk und
zwar fast ausschließlich in Form von Drusen auf. Unterhalb
jeder Spaltöffnungsreihe liegt, in das primäre Rindengewebe ein-
gesenkt, ein sowohl der Transpiration als auch der Assimilation
Sitzb. d.mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 34
528 A. Peter,
dienender lockerer Gewebsstreif, welcher aus dünnwandigen
und chlorophyllführenden Parenchymzellen zusammengesetzt
ist (Fig. 6; 8,/?).
Die Gefäßbündel bilden am Querschnitt einen Kreis (Fig. 8)
Die medianen Bündel sind stärker entwickelt als die lateralen
und bilden zwei gegenüberliegende kompakte Bündelmassen,
deren Xyleme lateral gewöhnlich durch breite Markstrahlen
oder dazwischen geschobene Sekretgänge getrennt sind. Im
Xylem ist Libriform nur spärlich vorhanden, dagegen reich-
licher intraxyläres Cambiform, welches ähnlich wie im Stamm
auch hier in Berührung mit dem Marke Libriformfasern enthält
Der Cambiumring ist geschlossen und geht auch durch die
breiten Markstrahlen (Fig. 6). Wo Sekretgänge zwischen die
Xylemteile eingeschoben erscheinen, geht das Cambium knapp
unter diesen hinweg.
Das Phloem setzt sich aus Siebröhren, Phloemparenchym
und Krystallkammerfasern zusammen. Nach außen ist es von
einem Bastfasermantel geschützt. Die einzelnen Bastbündel
haben am Querschnitte halbmondförmige Gestalt (Fig. 8; 6, b).
Die Sekretgänge sind in einem Kreise angeordnet und liegen
einzeln in der Konkavität je eines Bastfaserbündels.
Die Markzellen (Fig. 6, m; 8, m) sind weitlumig und haben
derbe und verholzte Membranen.
In dem Hauptnerv der Blättchen tritt lateral eine voll-
ständige Trennung der beiden oben beschriebenen Bündel-
massen ein (Fig. 11). Zugleich ist die Zahl der Gefaßbündel
besonders in der oberen Masse reduziert. Die Reduktion nimmt
gegen das Ende des Nerves zu, so daß schließlich nur mehr
ein Bündel der unteren Hälfte mit einem Sekretgange übrig
bleibt. Das Mark ist zartwandig und unverholzt. Hie und da
beobachtete ich im Markgewebe eine Platte verholzter und
dickwandiger Markzellen (Fig. 1 l9p). Die Nebennerven bestehen
gleich dem Ende des Hauptnerves aus je einem Gefäßbündel.
Die Epidermis der Blattoberseite (Fig. 12, o) ist in der
Regel einfach, selten und nur stellenweise zusammengesetzt.
Die hohen Oberhautzellen sind nach außen stark verdickt. Bei
trockenem und Alkoholmateriale sind sie von einer homogenen
gelblichbraunen Masse erfüllt. Zugleich erscheinen sie infolge
Vegetationsorgane von Boswellia Carteri Birdw. 529
Wellung ihrer Seitenwände etwas verkürzt. Die Inhaltsmasse
erweist sich in Wasser (auch im kochenden), absolutem Alkohol,
Benzol, Xylol, Chloroform, Äther und Schwefelkohlenstoff als
unlöslich, dagegen löst sie sich leicht in Eau de Javelle, Kali-
lauge und Säuren. In einem lebenden Blatt aus dem botani-
schen Garten fand ich diesen Inhalt nicht, sondern nur eine
farblose Flüssigkeit, welche die turgeszierenden, nicht gewellt
erscheinenden Oberhautzellen erfüllte. Die Epidermiszellen der
Blattunterseite sind klein und wenig verdickt. Die der Ober-
seite eigentümliche Inhaltsmasse fehlt hier. Während die Spalt-
öffnungen des Blattstieles in der überwiegenden Mehrzahl
erhöht sind, liegen die der Lamina fast durchwegs im Niveau
der Epidermis. Die Behaarung ist an der Unterseite etwas
dichter als an der Oberseite. Letztere trägt ausschließlich ein-
fache Haare, die Unterseite dagegen ebenso wie der Blattstiel
und die mit einer Epidermis bedeckten Zweige, außerdem noch
Drüsenhaare (Fig. 1, 14, 15). Die einfachen Haare (Fig. 15) sind
gekrümmt, mehr-, selten einzellig und stellenweise verholzt.
Die Verdickungsmasse gliedert sich in eine dicke Cuticular-
schichte, welche nach außen kleine warzenförmige Vorsprungs-
bildungen trägt und in eine schwächere, in der Basalzelle jedoch
stärkere Innenschichte. Es sei noch erwähnt, daß diese Haare
nicht nur einzeln, sondern auch paarweise anzutreffen sind.
Eine Differenzierung des Mesophylls in Palisadengewebe
undSchwammparenchym ist nur undeutlich ausgeprägt (Fig. 12).
Stellenweise sind Palisadenzellen durch Querwände in zwei
Kammern geteilt, welche als Inhalt lediglich Drusen von oxal-
saurem Kalk führen (Fig. 12). Regelmäßig sind diese drusen-
führenden Zellen über den im Blatte verlaufenden Gefäßbündeln
(mit Ausnahme ihrer feinsten Verzweigungen) anzutreffen.
Anatomie der Sekretbehälter.
Ein besonderes Interesse bieten die Sekreträume, welche
in allen Teilen der Pflanze, besonders reichlich aber in der
Rinde vorkommen.
Das Sekret ist ein harz- und gummiführender Milchsaft,
der bei Verletzungen aus der inneren Rinde und dem Mark als
weiße opake Masse hervortritt und an der Luft bald zu einer
34*
530 A. Peter,
homogenen klaren Masse erstarrt. Der Milchsaft besteht aus
einer mit kleinen Harztröpfchen durchsetzten Gummilösung.
Die erstarrte Masse bildet, mit Wasser behandelt, eine Emul-
sion: In einer farblosen Flüssigkeit schwimmen kleine Tröpf-
chen, beziehungsweise Körnchen von" Harz, von denen die
kleinsten in Molekuiarbewegung sich befinden.
Die Sekreträume entstehen, wie auch Tschirch1 angibt,
schizogen und zwar in folgender Weise: Zu einer Gruppe
vereinigte Zellen (Fig. 5), die sich durch ihre besonders zarten
Membranen von den benachbarten Zellen unterscheiden und
sich auf eine Mutterzelle zurückführen lassen, werden zu
Secernierungszellen. Durch Auseinanderweichen bilden sie
zuerst einen unregelmäßigen, später am Querschnitte kreis-
förmigen Intercellularraum. Infolge radialer und tangentialer
Teilung der Secernierungszellen wird der Sekretraum ver-
größert. Letzterer ist entweder kugelig oder als langgestreckter
Intercellulargang mit mannigfachen Biegungen und Ausstül-
pungen ausgebildet. Eine nachträgliche Auflösung der
den Intercellularraum umgebenden Zellen tritt nicht
ein. Wohl können hie und da, besonders bei Alkoholmaterial,
durch Schrumpfungen der Secernierungszellen und des Sekretes
hervorgerufene Verzerrungen einen Zweifel an den schizogenen
Charakter der betreffenden Sekreträume erwecken ; doch nach
Behandlung dieser Schnitte mit Eau de Javelle und nach even-
tuellem Färben treten die Secernierungszellen mit aller Schärfe
und ohne irgendwelche Auflösungserscheinungen hervor.
Die ersten Sekreträume entstehen im Stamm in der Kon-
kavität je eines Bastfaserbündels einzeln oder zu zweien
(Fig. 1 , 5). Die folgenden haben ihren Ursprung im Cambium,
respektive Interfascicularcambium, später auch im Phelloderm.
Durch innere Peridermbildung können einzelne Sekreträume
mit der Borke auch abgestoßen werden. Die zuerst gebildeten
Intercellularräume sind im allgemeinen kleiner als die später
angelegten. Erstere haben nämlich als häufigsten Wert für den
1 Tschirch, Angewandte Pflanzenanatomie. Wien und Leipzig, 1889,
Bd. I, S. 498 f. — Berichte der deutschen bot. Gesellschaft, Berlin, 1888,
Bd. VI, S. 13.
Vegetationsorgane von Boswcllia Carteri Birdw. 531
Durchmesser 0 -017 mm , letztere 0'046ww. Das Maximum
beträgt 0 *143 mm.
Im Marke des Stammes ist die Zahl der Sekreträume sehr
gering. Im Vergleiche mit denen der Rinde sind sie meist kleiner,
indem als häufigster Wert des Durchmessers 0*015 mm gilt.
Sie liegen einzeln oder bis zu dreien im intraxylären Cambi-
form (Fig. 2), seltener in den Markkronen. Nur in den seltensten
Fällen konnte ich sie tiefer im Marke antreffen. Vom Marke
aus biegen einzelne Sekretgänge durch breite Markstrahlen in
die Verzweigungen des Stammes ein. Im Marke werden die
Sekreträume später als in der Rinde angelegt, und zwar kurz
bevor sämtliche Markzellen in das Dauerstadium treten, und
nachdem schon Interfascicularholz gebildet ist.
Am zahlreichsten und größten sind die sekretführenden
Intercellularen in der Wurzelrinde, wo deren Durchmesser als
häufigsten Wert 0-049 mm, als Maximum 0 187 mm erreicht.
Im Wurzelmarke sind die Sekreträume nur in den größeren
Markkörpern und zwar als kleine kugelige Intercellularen zu
finden.
In den Gefäßbündeln der Blätter findet man nur lang-
gestreckte Sekretgänge, welche bis in die feinsten Verzwei-
gungen der Gefäßbündel reichen und nach außen stets durch
Bastfaserbündel geschützt sind.
Anatomie des Vergleichsmateriales.
Wie ich schon in der Einleitung sagte, stand mir zum Ver-
gleiche Herbarmaterial aus Kevv zur Verfügung. Es besteht
aus einigen Blättchen von Bosrvellia Carteri Birdw., die im
Jahre 1862 von Playfair im Somalilande gesammelt wurden,
und aus je einem Zweigstücke von Bosrvellia Carteri Birdw.
und Bosrvellia Bhau-Dajiana Birdw., welche von W. Wyke-
ham Perry im Jahre 1878 von der Somaliküste nach England
gebracht wurden.
Das als Bosrvellia Carteri bezeichnete Material
stimmt im anatomischen Bau im allgemeinen mit der
von mir untersuchten Pflanze aus Südarabien überein«
Unterschiede sind insofern vorhanden, als die Blättchen aus
dem Kewenser Herbar dichter behaart sind und die Markzellen
532 A. Peter,
des Zweigstückes etwas dickwandiger und reichlicher getüpfelt
erscheinen als bei der meiner Untersuchung zugrunde gelegten
Pflanze.
Von dem als Boswellia Bhau-Dajiana bestimmten Ver-
gleichsmaterial konnte ich wegen zu weit vorgeschrittenen
Zerfalles nur das Periderm, Holz und Mark untersuchen. Diese
Teile stimmen in ihrem anatomischen Baue mit den ent-
sprechenden Teilen von Boswellia Carteri nicht vollständig
überein.
Während nämlich bei Boswellia Carteri das Phelloid aus
stets einschichtigen Lagen von Zellen besteht, setzt sich das-
selbe bei Boswellia Bhau-Dajiana aus mehreren Schichten
zusammen. Außerdem ist die einseitige Verdickung der Phelloid-
zellen hier minder stark entwickelt; ferner zeigen die in das
Zellumen vorspringenden Verdickungsleisten hinsichtlich ihrer
Stärke alle Abstufungen bis zur scheinbaren Streifung.
Das Holz zeichnet sich durch die dünnen Membranen
seiner Libriformfasem aus und erinnert dadurch an das Wurzel-
holz von Boswellia Carteri. Wie im letzteren kann man auch
hier dünn- und dickwandigere Fasern unterscheiden. Sämt-
liche Libriformelemente sind stark verholzt.
Während bei Boswellia Carteri die Markzellen mit nur
wenigen Ausnahmen verholzt sind, sind sie bei Boswellia
Bhau-Dajiana durchwegs unverholzt und dünnwandig.
Auf Grund der soeben angeführten Abweichungen kann
man Boswellia Carteri von Boswellia Bhau-Dajiana bei ana-
tomischer Untersuchung mit Sicherheit unterscheiden.
Resume.
Der Hauptzweck der vorliegenden Untersuchung war, die
anatomischen Verhältnisse der Gattung Boswellia genauer als
bis jetzt zu studieren und damit einen Beitrag zur Anatomie
der Burseraceen zu liefern, über welche zumeist nur gelegent-
liche und deshalb lückenhafte Beobachtungen vorliegen.
Auch für die allgemeine Histologie hat diese Arbeit einige
Resultate geliefert. Die wichtigsten derselben sind:
1. Die Rückbildung eines kollenchymatischen Gewebes in
ein Parenchym (Mark und primäre Rinde des Stammes);
Vegetationsorgane von Boswcllia Carteri Birdw. 533
2. das Auftreten eines intraxylären Cambiforms im älteren
Teile des sekundären Holzes in den gestauchten Basalteilen
junger Triebe. Hieraus folgt, daß das intraxyläre Cambiform
im vorliegenden Falle nicht als ein reduziertes Phloem eines
kollateralen Bündels aufgefaßt werden kann;
3. die Bildung von Wundkork in Markflecken;
4. die Zusammensetzung des Markes der Wurzel aus iso-
lierten Zellgruppen, zwischen denen Xylemstränge verlaufen;
5. die Bildung von Sklerenchym im Phelloderm des
Stammes.
Erklärung der Abbildungen.
Tafel I.
Fig. 1. Vergr. 80. Stammquerschnitt knapp unter der Vegetationsspitze, p) Peri-
derm mit der Oberhaut; ph) Phellogen; c) primäre Rinde; s) Sekret-
raum; in der die Sekreträume nach außen umgebenden Bastfaser-
anlage stellen die dickwandigen und dunkelkonturierten Elemente
bereits ausgebildete Bastfasern dar; n) Gruppe von später oblite-
rierenden Elementen ; G) Gefäßprimanen ; m) Mark.
Fig. 2. Vergr. 55. Stammquerschnitt durch ein älteres Stadium als vorher;
e) kollabierte Epidermis mit darunterliegendem Periderm; der kollen-
chymartige Charakter der primären Rinde ist bereits verwischt; b) voll-
ständig entwickelter Bastbeleg; s) Sekretraum; o. s.) obliterierter Sieb-
teil; c) Cambium; h) Protoxylem, dessen Gefäße stellenweise Thyllen
führen; ein Teil des intraxylären Cambiforms ist dem Protoxylem gegen
das Mark (m) zu vorgelagert und enthält einen Sekretraum.
Fig. 3. Vergr. 190. Tangentialer Schnitt durch das Holz des Stammes. G) Gefäß
mit polyedrisch abgeplatteten Hoftüpfeln; m) ein Markstrahl. Die
übrigen Holzelemente gehören teils dem Holzparenchym, teils dessen
Obergängen zum Libriform an. Die Stärke ist nur zum Teil in die
Zeichnung eingetragen.
Fig. 4. Vergr. 270. Holz des Stammes im Querschnitte. G) Gefäß mit Thyllen;
h) Hoftüpfel; Details derselben konnten in die Zeichnung nicht ein-
getragen werden; V) Libriform mit stark entwickelten Verdickungs-
schichten, die in zwei distinkte Lamellen gegliedert sind ; l) Libriform
mit schwächeren Verdickungsschichten.
534 A. Peter, Vegetationsorgane von Boswdlia Carltri Birdw.
Tafel II.
Fig. 5. Vergr. 365. Anlage eines Sekretraumes (s) aus der unmittelbaren Nähe
des Cambiumringes.
Fig. 6. Vergr. 145. Ein Teil des Blattstieles im Querschnitt, sp) erhöhte Spalt-
öffnung; darunter liegt in das dickwandige Gewebe der primären
Rinde eingesenkt ein lockeres, zartwandiges Parenchym; b) Bastbeleg;
s) Sekretgang; c) Cambium; h) Xylem; m) Mark.
Fig. 7. Vergr. 60. Querschnitt durch die Rinde des Stammes. Oben ein Teil
des Periderms ; sk) Gruppe von Sklerenchymzellen, von denen einzelne
Krystalle von oxalsaurem Kalk enthalten. Drei Sklerenchymzellen der
unteren Reihe dieser Gruppen (rechts) zeigen einseitige Membran-
verdickung (nicht schattierte Partien dieser Zellen); g) gerbstoff-
führende Zellen; b) isolierte Bastfaserbündel; o. s.) obliterierter Siebteil.
Fig. 8. Vergr. 30. Blattstiel im Querschnitt (siehe Fig. 6); etwas schematisiert;
p) chlorophyllführendes lockeres Parenchym mit darüberliegender er-
höhter Spaltöffnung; x) Xylem; ph) Phloem; m) Mark.
Tafel III.
Fig. 9. Vergr. 700. Junge Markzellen des Stammes mit kollenchymartig ver-
dickten Membranen, a) Poren.
Fig. 10. Vergr. 150. Wurzelperiderm (Querschnitt), ph) Phellogen; sk) jüngere,
s) ältere Sklerenchymzellen; p) Korkgewebe.
Fig. 11. Vergr. 40. Querschnitt durch den Hauptnerv des unpaarigen Blättchens.
b) Bastbeieg; s) Sekretgang; m) unverholzter, p) verholzter Teil des
Markes.
Fig. 12. Vergr. 145. Querschnitt durch einen Teil der Blattlamina (der Zellinhalt
durch Eau de Javelle entfernt), o) Oberhaut der Blattoberseite (zum
Teil einfach, zum Teil zusammengesetzt); s) Sekretgang des Gefätf-
bündels; links Gefäße, rechts Bastfasern.
Fig. 13. Vergr. 190. Sklerenchymzellen aus der Stammrinde, a) einseitige Ver-
dickung.
Fig. 14. Vergr. 295. Drüsenhaar.
Fig. 15. Vergr. 295. Einfaches Haar.
Fig. 16. Vergr. 400. Einige typische Formen der Stärkekörner.
Z 1.
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Sitzungsberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-iiaturw. Gasse, Bd.CXff. Abth.1.1903.
A. Peter, Anatomie dVegetatiousorganft v.Boswellia Carteri Birdw.
Taf.H.
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Sitzungsberichte d.kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Classe, Bd.CQL Abth.1.1903.
A. Peter, Anatomie (LVegetationsorgune v.Boswellia Carteri Birdw.
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Siizun^xbcriclite d.kaix. Akacl. d. Wiss., iiiath.-naturw. Clause, Bd.CXII. Abth.1.1903.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXII. BAND. VII. HEFT.
ABTEILUNG I.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
537
XVII. SITZUNG VOM 2. JULI 1903.
Erschienen: Sitzungsberichte, Abt. I, Bd. 111, Heft X (Dezember 1902).
Der Vorsitz ende, Prof. E. Sueß, begrüßt das ausländische
k. M. Generaldirektor C. L. Griesbach aus Calcutta gelegent-
lich seiner Teilnahme an der heutigen Sitzung.
Prof. Alois Kreidl in Wien spricht den Dank für die
Zuerkennung des Theodor Beer- Preises aus.
Dr. G. Holzknecht hat in Fortsetzung seiner Unter-
suchungen über die Wirkung der Radiumstrahlen auf patho-
logische Prozesse der Haut, zu welchen die hohe kaiserliche
Akademie die Mittel beigesteuert hat, gefunden, daß die Radium-
dermatitis bei der flachen Teleangiektasie (Feuermal) zum
Schwinden (Oblitterieren) der dieser Affektion zu Grunde
liegenden Gefäßektasien und somit zur Heilung derselben
führt.
Chefgeologe G. Geyer besichtigte am 16. und 17. Juni d. J.
die neuen Aufschlüsse in den beiden Richtstollen des Bosruck-
Tunnels und erstattet hierüber einen Bericht.
Das k. M. Herr Hofrat Prof. Dr. E. Ludwig übersendet
eine Arbeit von Prof. J. Mauthner und Prof. W. Suida: »Bei-
träge zur Kenntnis des Cholesterins« (VI. Abhandlung).
Das k. M. Hofrat E. Ludwig übersendet ferner eine Arbeit
von Dr. Florian Ratz in Graz mit dem Titel: Ȇber die Ein-
wirkung der salpetrigen Säure auf die Amide der
Malonsäure und ihrer Homologen« (I. Abhandlung).
538
Der Referent der Erdbeben-Kommission, Direktor Eduard
Mazelle, übersendet eine Arbeit unter dem Titel: »Erdbeben-
störungen zu Triest, beobachtet am Rebeur-Ehlert-
schen Horizontalpendel im Jahre 1902.«
Prof. J. Sobotka in Brunn übersendet eine Abhandlung
mit dem Titel: »Zum Normalenproblem der Kegel-
schnitte.«
Herr Theodor Filipescu, Chemiker im Punzierungsamte
in Sarajevo, übersendet eine Abhandlung mit dem Titel: »Bei-
träge zur Tabakuntersuchung. Herzegovinische und
makedonische Tabake. Eine vergleichende Studie.«
Dr. Klemens Freiherr v. Pirquet und Dr. Bela Schick in
Wien übersenden ein versiegeltes Schreiben behufs Wahrung
der Priorität mit der Aufschrift: »Zur Theorie der Krank-
heit und Immunität« (II. Mitteilung).
Das w. M. Hofrat J. Hann überreicht eine Abhandlung
von Prof. P. Franz Schwab in Kremsmünster mit dem Titel:
»Über das photo chemische Klima von Kremsmünster.«
Der Sekretär, Hofrat V. v. Lang, legt eine Arbeit von
Prof. Dr. W. Müller-Erzbach in Bremen vor, welche den
Titel führt: »Der Dampfdruck des Wasserdampfes nach
der Verdampfungsgeschwindigkeit.«
Derselbe legt ferner eine Arbeit von Dr. A. Lampa vor,
betitelt: »Über einen Versuch mit Wirbelringen.«
Das w. M. Hofrat A. Lieben überreicht drei in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeiten:
I. »Darstellung von normalem Dekan-1, 10-diol durch
Reduktion von Sebacinsäureamid«, von Rudolf
Scheuble.
II. Ȇber die Einwirkung von Wasser aufMethylen-
bromid«, von Karl Klöss.
III. Ȇber die Kondensation von Isobutyrformaldol
mit Malonsäure«, von A. Silberstein.
539
Das w. M. Hofrat C. Toldt überreicht eine Arbeit von
Dr. S. v. Schumacher, betitelt: Ȇber die Entwicklung
und den Bau der Bursa Fabricii.«
Dr. Alfred Exner legt eine von ihm in Gemeinschaft mit
Dr. G. Holzknecht verfaßte Abhandlung vor mit dem Titel:
»Die Pathologie der Radiumdermatitis.«
Dr. Theodor Pintner, Professor an der Universität Wien,
überreicht eine Abhandlung, betitelt: »Studien über Tetra-
rhynchen nebst Beobachtungen an anderen Band-
würmern (III. Mitteilung): Zwei eigentümliche Drüsen-
systeme bei Rhynchobothrius adenophisius n. und histo-
logische Notizen über Anthocephalus, Amphilina und
Taenia saginata.«
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Bowditch, Charles, P.: Notes on the report of Teobert Maler
in memoirs of the Peabody Museum. Vol. II, Nr. II.
Cambridge, 1903. 8°.
542 Th. Pintner,
Alle Cysten dieser mittleren Größenkategorie, die gefärbten
wie die ungefärbten, enthalten je eine Tetrarhynchenlarve ein-
geschlossen. Sie sind eiförmig, birnförmig oder keulenförmig,
selten fast kugelig. Auch durch bedeutendere Längsstreckung
und gleichzeitige Krümmung unregelmäßige Formen kommen,
jedoch gleichfalls selten, vor. Das Pigment ist meist völlig
unbestimmt verteilt; wolkig oder querstreifig lagert es bald mehr
um den Äquator, bald mehr an den Polen. Es erscheint bei
Formolkonservierung und Glyzerinaufhellung aus größeren und
kleineren hellgraubraunen Kugeln und Brocken gebildet, die
bisweilen, gegen einander abgeplattet, fast den Eindruck epi-
thelial geordneter Zellen hervorrufen möchten. Wahrscheinlich
sind diese bräunlichen Massen Zerfallsprodukte der Wirtsgewebe,
die das Cysteninnere füllen. Die nach außen von ihnen liegende
Hauptmasse der Cystenwand wird von einem fibrillären Gewebe
konzentrisch geordneter Fasern — wohl umgewandelter Perito-
nealelemente — gebildet, die den Kapseln, besonders den un-
pigmentierten, einen matten Seidenglanz verleiht. Außen liegt
dieser Fasermasse eine lockere, von Kapillaren reichlich
durchzogene Schichte an, innen eine sehr dichte, arm an
Gefäßen und sehr kernreich. Eine schärfere Trennung der
einzelnen Zonen fiel mir bei der allerdings nur auf das Wesent-
lichste dieser Verhältnisse gerichteten Untersuchung nicht auf.
Ein feinkörniger Niederschlag füllt diskontinuierlich den
Zwischenraum zwischen Cystenwand und Larvenkörper aus,
diskontinuierlich offenbar infolge der Reagentienwirkung. Er
färbt sich nicht allzu lebhaft. Oft findet man die Kapseln beim
Herauspräparieren an einem fadenförmigen Fortsatze stärker
festhängen als an der übrigen Umgebung. Der Fortsatz macht
den Eindruck eines Blutgefäßchens.
In den vorstehenden kurzen Angaben dürfte man leicht
eine Übereinstimmung mit den Beschreibungen wiederfinden,
die Mingazzini (94, 00) von den Elementen der Helminthen-
cysten gibt.1
1 Daß diese Übereinstimmung sich nicht auch auf die sonderbaren
Anschauungen des Autors über die Cuticula der Cestoden bezieht, brauchte
wohl eigentlich nicht erst besonders betont zu werden.
Studien über Tetrarhynchen. 543
Die schon erwähnte Gestalt der Cysten läßt gewöhnlich
ohneweiters ein Vorder- und Hinterende unterscheiden. Das
Vorderende, durch das des eingeschlossenen Larvenkörpers
bestimmt, ist meist etwas breiter, quer abgerundet, bisweilen
mit einer unscheinbaren papillenartigen Erhebung versehen,
das Hinterende dagegen verschmälert, hie und da in einen birn-
stielartigen Fortsatz ausgezogen. Bei den unpigmentierten
Cysten schien mir diese Birnform verhältnismäßig öfter und
ausgesprochener vorzukommen. Vielleicht sind diese farblosen
Cysten jünger. Sie zeigen auch fast regelmäßig eine deutliche
Dorsoventralabplattung, die ja auch sonst, bei den dunkeln, vor-
handen ist, aber hier immerhin etwas zurücktritt.
Es muß indessen erwähnt werden, daß ich vereinzelt die
Larven auch in umgekehrter Lage in der Cyste vorfand, d. h.
mit ihrem Vorderende dem vermeintlichen Hinterende der
Kapsel zugewandt. Diese Ausnahmen könnten in verschiedene»*
Weise erklärt werden. Entweder es besteht tatsächlich keine
gegenseitige Abhängigkeit zwischen Cystenform und Lage des
Larvenkörpers, und das Überwiegen der oben genannten Orien-
tierungsweise ist dann nur sozusagen ein zufälliges. Oder:
die Cystenform ist nicht eine so scharf ausgeprägte, daß bei
manchen Kapsein nicht Vorder- und Hinterende, zumal nach
Konservierung und Nadelbehandlung, miteinander verwechselt
werden könnten — dann käme die vermeintlich abweichende
Orientierung tatsächlich gar nicht vor; das scheint mir am
wahrscheinlichsten; es müßte dann allerdings noch genauer
untersucht werden, ob nicht unabhängig von der unzuverlässigen
äußeren Form doch bestimmte Differenzierungen an der Kapsel
vorhanden sind, die auf eine Polarität deuten. Oder endlich
drittens: der lebende Larvenkörper hätte die Fähigkeit, in der Cyste
sich frei zu bewegen. Hierüber besitze ich keine Beobachtungen,
denn ich habe ausschließlich konserviertes Material untersucht.
Ich füge daher gleich hier über die Behandlung einige
Worte an.
Das Cestodenmateriai strömte mir, besonders gegen Ende
März 1899, in der zoologischen Station dank der eifrigen Für-
sorge Dr. Lo Bianco's an manchen Tagen in solchen Massen
zu, daß die Arbeitsstunden bis zum Abend kaum für das
Sitzb. d. rnathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 35
544 Th. Pintner,
Konservieren hinreichten, geschweige denn eine sofortige Unter-
suchung ermöglicht hätten, wenn nicht ein ganz ungewöhn-
licher Fund oder eine spezielle Frage hiezu nötigten. Dies
schien mir damals bei unserem Objekte nicht der Fall zu sein,
umsoweniger als ich bemerkt hatte, daß aus den Kapseln heraus-
präparierte Larven unter dem Deckgläschen bei Formolzusatz
und vorsichtiger Glyzerinnachbehandlung fast völlig das Aus-
sehen der lebenden Tiere beibehielten. Es wurden daher nur
wenige Exemplare in der genannten Weise, einige mit Sublimat
getötet, das ganze übrige Peritoneum in toto in 1 Teil Formol
-f- 4 Teile Seewasser hineingeworfen. Die Tiere zeigen wie
die Peritonealgewebe selbst noch heute die glücklichste Er-
haltung. Der Blasenkörper ist in seinen äußeren Umrissen oft
zwar ein wenig geschrumpft, diese Schrumpfung stört jedoch
gar nicht, ist sogar bei Glyzerinpräparaten durch leichten vor-
sichtigen Druck des Deckglases zu beseitigen. Die Tiere nehmen
alle Färbungen an und vertragen jegliche Nachbehandlung zum
Zwecke des Schneidens. Mit Glyzerin aufgehellte, nicht oder
leicht tingierte Exemplare aber zeigen gewisse Strukturdetails
mit einer Deutlichkeit und Schönheit, die sonst keine andere
Methode erreicht, sondern nur das lebende Tier aufweist. Sie
bilden so eine wertvolle Ergänzung der Kanadabalsampräparate
und der Schnitte, die mit den gebräuchlichen Färbungsmethoden
angefertigt wurden.
Der stark dorsoventral abgeplattete Larvenkörper ist im all-
gemeinen blatt-, zungen- bis herzförmig (Fig. 1 und 2). Die größte
Breite liegt gewöhnlich in der vorderen Körperhälfte (Fig. 2), nach
dem Hinterende zu tritt allmählich Verschmälerung ein. Der
Vorderrand ist meist etwas mehr quer abgerundet, das Hinter-
ende zugespitzt. Beide können ein wenig papillenförmig er-
hoben oder umgekehrt eingekerbt, eingezogen erscheinen,
jedesmal rings um die beiden hier gelagerten Öffnungen, die
Receptaculummündung vorne (mr) und die Mündung der Harn-
blase hinten (&). Auch genau elliptische Larven kommen vor
(Fig. 1). Alles das hängt ja großenteils von dem im Momente
der Fixierung vorhandenen Kontraktionszustande ab.
Eine helle, durchsichtige Randzone umgibt den trüben,
weniger durchsichtigen Kern des Larvenkörpers an den Seiten
Studien über Tetrarhynchen. 545
und hinten (Fig. 1). Fast unmittelbar an dem Vorderrande liegt
das Receptaculum, das, verhältnismäßig klein, im optischen
Schnitt von der Fläche gesehen rundlich, auf den vordersten
Teil des Larvenkörpers beschränkt bleibt. Es mündet ebenfalls
je nach dem Kontraktionszustande entweder fast unmittelbar
oder mit einem kurzen, engen, bisweilen gekrümmten Kanäl-
chen nach außen. Im Receptaculum liegt der vorderste Teil der
Scolexanlage mit den Bothridien.
Der Bothridialteil des Scolex ragt als ein Knopf ohne oder
mit nur sehr kurzem, dicken Stiele von der Hinterwand her
in das Lumen des Receptaculums hinein und füllt es fast
völlig aus.
Im Hohlräume des Receptaculums fidnet sich aufschnitten
regelmäßig neben geronnener Flüssigkeit ein mehr oder weniger
kugeliger Ballen, der geformte Elemente enthält, gleichfalls von
geronnener Substanz zusammengeklebt. Die geformten Elemente
glichen oft den Härchen der Receptaculumwand (Fig. 6, ge).
Die Scolexknospe ist meist der Längsrichtung der Larve
entsprechend orientiert, bisweilen aber trotz der Kürze des
Stieles um etwa 90° geknickt, nach der Fläche oder nach
der Seite umgewandt, eine Andeutung jener oft mehrfachen
Umknickungen, die bei Formen mit längeren Kopfstielanlagen
im Receptaculum zu finden sind. Die Bothridien liegen fast
regelmäßig so gefaltet, daß ihr freier Hinterrand, nach vorne
umgeklappt, dem festgewachsenen Vorderrande angedrückt ist.
Der Scolex ist, wie man ja erwarten muß, so orientiert, wie der
Blasenteil : wo dieser rechts und links hat, hat es auch der
Scolex, seine Dorsal- und Ventralflächen liegen so wie die der
Blase, so daß z. B. Sagittalschnitte der Blase meist auch ziemlich
regelrecht getroffene Sagittalschnitte des Scolex liefern. Der
Stiel der Knospe enthält nur den vordersten Teil der Rüssel-
scheiden mit den stets eingestülpten Rüsseln. Der hintere Teil
der Rüsselscheiden und die Muskelkolben liegen bereits hinter
dem frei ins Receptaculum ragenden Teile der Scolexknospe:
die Rüsselscheiden in mehreren Windungen aufgeknäuelt, dicht
beieinander gegen die Medianebene zu, die Muskelkolben quer-
gestellt, mit den Hinterenden nach außen.
35*
546 Th. Pintner,
Stets sind bei den Larven des hier geschilderten Alters-
stadiums, auch bei den kleinsten, Haken und Muskelkolben
deutlich entwickelt.
Noch weiter nach hinten von den eben besprochenen Ge-
bilden, die durch die Wände des Larvenkörpers hindurch-
schimmern, folgt eine dichte, dunkle Zone die der Scolex-
anlage unmittelbar aufliegt und auch allenthalben der Recepta-
culumwand seitlich und vorne bis zum Mündungskanale hin
folgt. Diese dichten, undurchsichtigen Gewebe lockern sich
nun nach den Seiten und dem Hinterende des Larvenkörpers zu
allmählich auf und werden hier wieder durchsichtiger (Fig. 1 ).
Die dichtere Zone längs der Receptaculumwand besteht
nun aus zwei wesentlich voneinander verschiedenen Teilen.
Der eine ist der hintere, größere Abschnitt des umgestülpten
Scolexkörpers. Wie sonst bei Cestodenlarven im allgemeinen
und bei Tetrarhynchen im besondere* entwickelt sich nämlich
auch hier der Scolex, teilweise wenigstens, in Form einer Hohl-
knospe, die, über den knopfförmig in die Receptaculumhöhle
hineinragenden Bothridienteil nach vorne gezogen, eben einen
Teil der Receptaculumwand bildet. Man sieht an dieser, wie ich
schon anderwärts ausgeführt habe (96, p. 654 — 656, Taf. 1,
Fig. 2, vn> hu), eine Ringlinie, im optischen Längsschnitte einen
leichten wulstförmigen Vorsprung, der sich auch durch inten-
sivere Färbung der Gewebe kenntlich macht und die spätere
Trennungszone der Scolexgewebe von denen des Blasenkörpers
der Larve ist. Freilich sieht man das hier nicht annähernd so
deutlich, wie bei der seinerzeit beschriebenen Larve aus Hept-
anchus und überhaupt nur an besonders günstigen Präparaten
(Fig. Ua,b).
Es bilden also die Gewebe des Scolex: Cuticula, Epithel,
Muskulatur, Parenchym, die viel kompakter als die gleichen
Elemente des Blasenkörpers sind, ungefähr in Form eines dünn-
wandigen Hohlzylinders den hinteren Teil der Receptaculum-
wand. An ihre distale Fläche legt sich unmittelbar der Blasen-
körper ringsum an. Dazu kommt nun aber noch weiter ein dichtes
Gewirr einer unglaublich mächtigen Drüsenmasse. Im vor-
deren Teile des Blasenkörpers kaum entwirrbar, zeigt sie dort,
wo an den Seiten und hinten die Elemente sich lockern, ihre
Studien über Tetrarhynchen. 547
Zusammensetzung aus mächtigen Drüsenleibern mit .langen
Ausführungsgängen (Fig. 1), welch letztere sämtlich nach vorne
zu streben und, wie wir sehen werden, in den Körper des
Scolex eintreten, um an seinem Stirnrande zu münden.
Der Blasenkörper der Larve enthält die gewöhnlichen
charakteristischen Organe und Gewebe der Finne, außerdem
aber eine zweite Art von Drüsen in großer Anzahl, nämlich
relativ lange, tief ins Parenchym versenkte einzellige Haut-
drüsen (Fig. 2).
Wir werden also im folgenden zu beschreiben haben:
1. den Blasenkörper, 2. die beiden neuen Drüsensysteme, derent-
wegen uns diese Larven hauptsächlich interessieren, und 3. die
wichtigsten Artcharaktere des Scolex.
Maße der Cysten.
Längs-
Quer-
Individuum
durchmesser
durchmesser
1
0-09 mm
0-09 mm
2
0-12
0-12
3
0-18
0-15
4
0-24
0-21
5
0-39
0-30
6
0-63
0-51
7
0-78
0-42
8
2-31
1-50
9
2-49
1-74
10
2-55
1-98
11
2-61
1-71
12
2-85
180
13
312
1-41
14
3-72
1-65
15
3
2 Im
16
4
2 iM
Makroskopische Messungen.
548 Th. Pintner,
Maße .freipräparierter Larven unter leichtem Deck-
glasdruck.
Längs- Quer-
individuum durchmesser durchmesser
1 1-83 mm 0-87 mm
2 1*98 1*05
3 2-07 1-02
4 2-28 1-02
5 2-28 1*26
6 2-31 0-9
7 2-41 1-59
8 2-58 0-96
9 3-00 1-74
10 3-51 1-68
11 3-63 1*50
12 3-63 1-83
13 3-84 T53
14 4*00 2 (Makroskopische Messung mit
wohl durch stärkeren Druck
bedingten Größenverhält-
nissen.)
Sc olexm essungen.
Millimeter
1. 2. 3. 4.
Länge des ausgestülpten Teiles 0 ■ 630 0-756 0-728 0-78
» Bothridienteiles 0*308 0*308 0*308
» der Muskelkolben 0-247 0-182 0-196 0*183
Breite » « 0*057 0*067 0*061
» des Kopfstieles 0*322
Querdurchmesser derBothridien
von der Fläche gesehen 0*371
Längsdurchmesser der Bothri-
dien von der Fläche gesehen 0*276
Rüsselscheidendurchmesser
von der Fläche gesehen . . . .0*04 — 0*048 (an der Mündung,
im Kopfinneren
etwas enger).
Studien über Tetrarhynchen. 549
Der Blasenkörper.
Es soll hier nur eine kurze Übersicht der Gesamtorgani-
sation gegeben werden ohne erschöpfendes Eingehen, be-
sonders in histologische Details, wie sie oft gerade an der vor-
liegenden Larve, zumal unter Anwendung der Eisenhämatoxylin-
methode wunderschön zu erkennen sind.
Unter der C u t i c u 1 a finden wir wie immer die zarten äußeren
Ringmuskeln (besonders dicht und kräftig im Receptaculum-
eingangund der Wand der Harnblase), dann die gröberen Längs-
muskel n, endlich das Epithel, von dem nur gesagt sein soll,
daß auch hier wieder seine Zellen an beiden Körperflächen
dichter standen und eine ausgesprochenere Beutelform zeigten
als an den Körperseiten. Dasselbe gilt für die Umgebung des
Receptaculums und das vordere Körperende überhaupt (Fig. 6).
Der ganze Binnenraum des Blasenkörpers der Larve wird völlig,
ohne Vorhandensein eines zentralen Hohlraumes, von Paren-
chy m erfüllt. Das charakteristische Wabenwerk des Parenchyms
wird durch die Eisenbehandlung, besonders in seinen wichtigen
Beziehungen zu den Kernen und zur Muskulatur, klar diffe-
renziert.
Ihm gehören die Parenchymmuskei an: einmal Längs-
muskel, die meridional um den Blasenkörper laufen. Von diesen
mögen ganz ungefähr zwei bis drei Dutzend sehr dünner
Bündel vorhanden sein. Die Bündel enthalten nur wenige, höch-
stens bis sechs Fibrillen. Die kontraktile Substanz wird durch
Eisen als tiefschwarze Linie von der hellbraunen oder grauen
bindegewebigen Hülle sehr schön und deutlich differenziert.
Besonders anschaulich werden bei dieser Behandlung jene
schwimmhautähnlichen oder schleierförmigen bindegewebigen
Membranen, die zwischen gespaltenen Muskelfasern sich aus-
breiten, wie ich schon früher für die homologe Muskulatur einer
anderen Tetrarhynchenlarve beschrieben habe (93, p. 620). Vorne
inserieren sie meist in der Umgebung des Receptaculums, an
dessen Seitenwänden und Boden oder besser an der Decke des
Larvengewebes, das hier den Wänden und dem Boden des
Receptaculums allseitig anliegt. Ich glaube, daß ihnen haupt-
sächlich die Aufgabe zufällt, bei der Ausstülpung des Scolex
550 Th. Pintner,
das Larvengewebe längs der durch Degeneration entstandenen
Spaltfläche von den Scolexgeweben abzureißen. Das Hinterende
zerfasert sich in der Umgebung der Harnblase. Einzelne
Faserbündel passieren indessen auch den Invaginationswinkel
rings um den Receptaculumkanal.1
In den anschließenden Scolexgeweben sind natürlich eben-
falls Parenchymlängsmuskeln zu finden. Ob nun die der Blase
stellenweise etwa in die des Scolex direkt übergehen — was
ich nicht glaube, da man es direkt nicht beobachten kann —
oder nicht, ist schwer festzustellen.
Dorsoventralmuskeln sind allenthalben deutlich ausgebildet,
Transversalmuskeln (senkrecht auf die Medianebene) gleichfalls
vorhanden, besonders deutlich in der Gegend des Receptaculum-
bodens. Beide Systeme, besonders das letztere, sind viel zarter
als die Längsmuskeln.
Zum Parenchym gehören ferner die zahlreichen Kalk-
körperchen, die den Larvenleib erfüllen. Sie haben durch-
schnittlich einen Längsdurchmesser von etwa 0027 bei einer
Breite von etwa 0*018 mm. Aber auch Größen von 32 bis selbst
40jjl werden angetroffen.
Das Exkretionssystem hat die typische Form: zwei Sammel-
kanäle jederseits, die in fast gleicher Stärke aus dem Scolex
herauskommen, dicht an der Receptaculumwand nach vorne in
den Invaginationswinkel hinein verlaufen, hier die charak-
teristischen Schleifen rechts und links vom Receptaculumeingange
bilden und nun geschlängelt nach rückwärts ziehen. Wie
sonst wird auf diesem Wege ein Paar immer enger. Das weitere
mündet in die Harnblase und bildet mit ihr jene immer wieder-
kehrende charakteristische T- Figur (Fig. 1, 4, A). Das engere
dorsale, ihm meist dicht benachbart, überkreuzt das weitere
dort, wo dieses die Wendung zur Harnblase nach der T-Figur
hin beschreibt, und verläuft noch eine Strecke nach hinten, wo
i Ich nenne den vorgestülpten Wulst der Cestodenlarven, welcher den
»Canalis receptaculi« umgibt, den Invaginationswulst und jenen
Querschnitt seiner Innenseite, der mit der Transversalebene zusammenfällt,
also senkrecht auf der Mitte der Medianebene steht, den Invaginations-
winkel, der Bequemlichkeit halber, da die Beschreibung der Cestodenlarven
so oft bei diesen Regionen zu verweilen hat.
Studien über Tetrarhynchen. 55 1
es ungefähr auf halber Höhe der Harnblase als sehr feines
Kanälchen zu enden scheint. Es entschwindet dem Blick nicht
etwa durch noch weitere Verschmächtigung, sondern an einem
bestimmten Punkte ganz plötzlich (Fig. 4 e). Ob es da etwa die
Körperwand durchbohrt, ist schwer zu sagen; ich glaube nicht.
Es scheint mir jetzt — entgegen der Auffassung, die ich früher
verfochten habe — auch für andere Larvenformen der Cestoden
nicht unwahrscheinlich, daß das dorsale Paar der engeren
Kanäle, die »Canales ascendentes« von J. P. van Beneden,
vielleicht oft nicht in die Harnblase einmündet. Sicher war ja
das nie nachgewiesen worden — wohlgemerkt: für die cysti-
cercusänlichen Larvenformen, nicht etwa für den losgelösten
Scolex und für das ursprüngliche Endglied der Strobila, an der
sekundäre Mündungsverhältnisse vorliegen. Anastomosen oder
Netze der Sammelröhren sind im Körper der Blase nicht sicht-
bar, wohl aber kommen solche in den Bothridien des Scolex
vor, was hier anhangsweise erwähnt sein mag. Terminalzellen
mit ihren oft langen Kapillaren finden sich in großer Menge.
Das Nervensystem folgt an der Außenseite genau dem
Verlaufe der Exkretionsstämme. Es kommt also, wie sie aus
dem Scolex, tritt außen von ihnen in den Invaginationswinkel
ein, verläuft, immer zu äußerst, am Rande der Larve nach
hinten und endet, feiner werdend, zu beiden Seiten der Harn-
blase genau in ihrer halben Höhe, indem der jederseitige
Nervenstamm sich hier in zwei zarte Ästchen zu gabeln
scheint, die sich in dem dichteren Parenchym rings um die
Harnblase verlieren.
Im vordersten Teil des Larvenkörpers schienen mir bis-
weilen drei nebeneinanderverlaufendeStämmchen jederseits vor-
handen zu sein: ein stärkerer, mittlerer und zwei schwächere
Begleitnerven, alle drei untereinander durch zarte Querkom-
missuren verbunden.
Die Frontaldrüsen.
Die erwähnten mächtigen Drüsenmassen sind Anhäufungen
einzelliger Schläuche von ganz enormer Länge, ändern aber,
was Größe, Form, Aussehen des Inhalts, Ausbreitung im Larven-
körper anlangt, in verschiedenen Individuen lebhaft ab. Diese
552 Th. Pintner,
Veränderlichkeit ist nur der Ausdruck verschiedener Entwick-
lungszustände, die aufeinander folgen und vielleicht mit dem
Ende des Larvenlebens ihren Abschluß finden.
Das jüngste Stadium, in dem die Drüsen bereits ihre typi-
sche Ausbildung gewonnen haben, habe ich nur in einem ein-
zigen Exemplare vorgefunden und in Fig. 2. abgebildet. Es
zeigt, wie die Drüsen in einer dichten, durch das Mikroskop
nicht deutlich zu entwirrenden Masse mantelförmig um das
Receptaculum in engster Nachbarschaft der Scolexanlage ent-
stehen. Indessen läßt sich schon auf dieser Entwicklungsstufe
eine rechte und linke Gruppe unterscheiden. Die Form der
Drüsen erkennt man nur dort, wo vereinzelte von ihnen aus
der Randzone mehr oder weniger tief in das Parenchym des
Blasenkörpers vorspringen; man sieht da einen ganz unregel-
mäßig sackförmigen, bald gewundenen, bald wie gequetschten,
vielfach geknickten, hier eingeschnürten, dort wieder aufgetrie-
benen Körper, der sich zunächst in einen dicken, ebenso un-
regelmäßigen Ausführungsgang fortsetzt. Manchmal scheint
dieser stellenweise wie aus ganz regellos aneinander gedrückten
Spiralen zusammengesetzt. Hie und da finden sich wiederum
etwas regelmäßigere Formen; die Drüsenleiber liegen hier in
fingerförmigen Lappen aneinander.
Das beschriebene Individuum wurde nach Formolkonser-
vierung in Safranin kräftig gefärbt und als Totopräparat in
Balsam eingelegt. Die Drüsen nun haben hier eine tief dunkel-
rote bis schwarze Färbung angenommen und sind fast ganz un-
durchsichtig, nur hie und da an ihren Rändern ein wenig durch-
scheinend wie mit einem dicken, sirupähnlichen Sekret
erfüllt.
Entwicklungsstadien, die sich dem eben beschriebenen eng
anschließen, fanden sich selten, aber immerhin doch drei- bis vier-
mal. Bei ihnen lösen sich noch mehr als bisher an vereinzelten
Stellen der Randzone einige Drüsenleiber aus dem sonst noch
gleich kompakten Konvolute der übrigen los und wachsen etwas
weiter ins Parenchym hinein. Besonders nach rückwärts schießen
einige solcher Drüsen raketenförmig aus der Hauptmasse her-
aus und dringen in der Längsrichtung des Blasenkörpes bis zu
seiner Mitte und weit über diese hinaus nach hinten zu.
Studien über Tetrarhynchen. 553
Das gibt den Übergang zu jenem Stadium, das wahrschein-
lich als der Höhepunkt der Drüsenentwicklung zu betrachten
ist (Fig. 1). Wir sehen dann das ganze Mittelfeld zwischen den
Exkretionsstämmen von der rechten bis zur linken Seite und von
vorne bis rückwärts, vom Receptaculum bis zur Harnblase mit
Drüsenleibern und deren Ausführungsgängen erfüllt. Auf dieses
Mittelfeld bleiben die Drüsen beschränkt. Nur selten greift ein
oder der andere Drüsenkörper über die Exkretionsstämme gegen
den Körperrand hinüber. Dei Ausfüllung des Mittelfeldes ist
aber keine gleichmäßige; man sieht deutlich eine rechte von
einer linken Drüsengruppe geschieden. In jede dieser Gruppen
drängen sich die Drüsen gegen vorne und gegen die Mitte der
Gruppe zu am meisten zusammen. An Stellen und an Individuen
mit verhältnismäßig geringerer Dichtigkeit der Drüsenmassen
sieht man deutlich die zahllosen Ausführungsgänge sich zu
straßenartigen Zügen sammeln (Fig. 5), und alle diese Züge
treten zu zwei Hauptstraßen, einer rechten und einer linken, zu-
sammen, die nach vorne gegen das Receptaculum ziehen. Hier
weichen sie, wie man bisweilen schon am Totopräparate deut-
lich erkennen kann, rechts und links aus und verlaufen längs
der Scolexanlage noch weiter nach vorne. Indessen sind auch
die dorsale und ventrale Fläche des Receptaculums (wie man
an Schnitten sieht) von Drüsenkörpern besetzt, so daß also
solche auch noch rings um das Receptaculum sich vor-
finden.
Keine dieser massenhaften Drüsen entsendet etwa gegen
den Körperrand oder sonst wohin einen Ausführungsgang, alle
bleiben in diesen Hauptstraßen vereinigt.
Form und Aussehen der Drüsen bleiben ebenso unregel-
mäßig und wechselnd wie in den jüngeren Stadien. Ein in der
Regel beutelförmiger Körper verschmälert sich allmählich
(Fig. 4), kann aber wieder stellenweise anschwellen u. dgl.
Meistens scheinen die Drüsen gegenüber dem Querdurchmesser
eine sehr geringe Dicke zu haben, so daß der eigentliche Drüsen-
körper blättchenförmig wird. Die Ausführungsgänge, zu denen
sich die Körper langsam verschmälern, sind dicht aneinander
gedrängt, aber ganz unregelmäßig durcheinander geflochten und
umeinander herumgewunden, fahren wohl auch büschelweise
554 Th. Pintner,
auseinander, um sich zu benachbarten Bündeln zu gesellen
u. s. f. (Fig. 5).
Allenthalben machen Drüsen und Ausführungsgänge auf
dieser Entwicklungsstufe den Eindruck, daß sie strotzend mit
Sekret gefüllt sind, daß sie sich in voller sekretorischer Tätig-
keit befinden.
Nun aber gibt es Individuen, die ein ganz abweichendes
Aussehen zeigen. Die Drüsenleiber haben hier höchst bizarre
Gestalten. Sie sind völlig abgeplattet, der Fundus des Drüsen-
säckchens bisweilen in spitze Zipfel verlängert, sehr häufig
quer abgestutzt und in zwei Zipfel ausgezogen, so daß eine
nageiförmige Gestalt herauskommt. Dabei sind die Ausführungs-
gänge nicht mehr so vollgestopft mit Sekret wie früher, sondern
kompakte Stellen wechseln mit leeren, wodurch oft sehr wunder-
liche Bilder entstehen.
Kurz: das Ganze macht nun den Eindruck, als ob die sekre-
torische Tätigkeit im Rückgang begriffen wäre. Die Masse der
Drüsen wird dadurch viel lockerer, der Blasenkörper durchsich-
tiger und die beiden mächtigen, bilateral angeordneten Drüsen-
straßen ziehen nun ganz deutlich sichtbar nach vorne.
Es finden sich auch Individuen, bei denen dieser Rück-
bildungsprozeß, noch weiter fortgeschritten, auf einem letzten
Stadium sich zu befinden scheint: die Drüsenleiber sind ganz
schmächtig und undeutlich geworden, sie färben sich nicht
mehr oder doch nicht annähernd so lebhaft wie zuvor, der In-
halt besteht aus einer Masse glänzender Krümmelchen, auch
die Ausführungsgänge und deren Straßen sind nicht mehr so
deutlich. Es wäre wohl unmöglich, über die histologische
Bedeutung des ganzen Organsystems ins klare zu kommen,
hätte man nur solche Individuen vor sich.
Wie und wo mündet nun dieses Drüsensystem?
Auf diese Frage geben allein Schnitte eine klare Antwort,
die, nach den drei Richtungen geführt, leicht und sicher folgendes
kombinieren lassen.
Die beiden mächtigen bilateralen Drüsenstraßen ziehen, wie
wir schon gehört, zur Seite des Receptaculums nach vorne und
zwar von hier ab bogenförmig bis in die Spitze des Invaginations-
winkels (Fig. 6), bleiben aber dabei immer an der Innenseite der
Studien über Tetrarhynchcn. 555
Kxkretionsgefäße. Sie folgen dann treu dem Bogen, den diese
beschreiben, und biegen wie sie wieder nach hinten um. Jetzt
laufen sie natürlich in Bezug auf den Gesamtkörper der Larve
nicht proximal, sondern distal von den Exkretionsgefäßen. Mit
diesen treten sie endlich in die Gewebe des Scolex ein, biegen
also .am Beginne des stielförmig vorgewachsenen Scolexteiles
wieder nach vorne. Im Bothridienteile des Scolex erscheinen sie
auf Querschnitten als vier wohlumschriebene Stränge innerhalb
der Rüsselscheiden (Fig. 7). Dabei liegen sie in unmittelbarer
Nachbarschaft des Nervensystems. Da dessen vier Hauptstämme
aber mit den Drüsenstraßen nicht parallel laufen, sondern gegen
sie geneigt sind, so liegen die Querschnitte der Nervenstämme
denen der Drüsenstraßen bald außen, bald innen, bald seitlich
an, je nach der betreffenden Region des Scolex. Im Komissural-
teile des Zentralnervensystems liegen alle vier Drüsenquer-
schnitte außerhalb der Nervenstämme. Je ein Drüsenstraßen-
querschnitt bildet mit je einem Nervenquerschnitt ein dicht
aneinander gepreßtes Paar. Bald ist der eine, bald der andere
umfangreicher, oft einer in dem anderen förmlich eingebettet.
Auf Dorsoventralschnitten besonders sieht man schön, daß in
einer bestimmten Region die jederseitigen zwei Drüsenstraßen
den Nervenstamm in ihre Mitte nehmen, mit ihm in einem
Niveau liegen und die bekannte Y-förmige Kommissur rechts und
links begleiten.
So ziehen die Drüsengänge bis an das Vorderende des
Scolex und münden an seinem Stirnrande mit zahlreichen dicht
nebeneinander liegenden Poren, welche die ganze Dicke der
Cuticula durchbrechen, nach außen (Fig. 10, 14, b, c). Man findet
an gewissen Schnitten den Stirnrand dicht und oft sehr regel-
mäßig und zierlich mit ihren Mündungen besetzt. Dieselben
scheinen fächerförmig von vorne nach hinten in der Median-
ebene und zu ihr parallelen Zügen ausgebreitet, dabei vielleicht
immer etwas dorsal oder ventral geneigt. So erklärt es sich, daß
die Mündungen vorwiegend auf Dorsoventralschnitten, wenn
auch nicht allzu oft zu schöner Darstellung gebracht werden
können. Nicht oft, denn meist durchschneidet die Schnittebene
den Ausführungsgang und dann sieht man nur schwarze
Punkte, die nicht auffällig und nicht sicher zu deuten sind. Die
556 Th. Pintner,
Mündungen füllen den ganzen Stirnrand zwischen den Bothri-
dien aus, gegen die Transversalebene zu immer dichter zu-
sammenschließend, gegen die Bothridien zu immer lockerer. In
die Bothridien treten keine Mündungen über. Man findet sie
bisweilen übrigens in ähnlicher Weise auch auf glücklichen
Schnitten von rechts nach links. Hier gehen dann ganz ver-
einzelt etliche Mündungen auch noch zwischen den beiden
Bothridien ziemlich weit nach rückwärts herab.
Auf dem Hautbezirke, der die Drüsenmündungen beher-
bergt, fehlen die Härchen völlig.
Histologisch kam an diesen Drüsen folgendes zur Beob-
achtung: Sie zeigen im hintersten beuteiförmigen Abschnitt
einen verhältnismäßig kleinen Kern. Im Verlaufe des Aus-
führungsganges findet man nirgends weitere Kerne einge-
schaltet. Sie sind somit sämtlich einzellig. Das Plasma zeigt auf-
fällige Differenzen in Bezug auf seine Färbbarkeit. Die Farb-
stoffe werden oft nach noch so gründlicher Entfärbung so stark
festgehalten, daß die Drüsenleiter völlig undurchsichtig werden.
Unmittelbar daneben finden sich andere Drüsen, die sich fast
völlig entfärbt haben. Häufig zeigt das Plasma nach Färbung
mit Safranin eine gewisse leuchtende Beschaffenheit, so daß
der Zellinhalt an eine dickflüssige, stark lichtbrechende Masse
gemahnt. Meist erscheint er fein granuliert bis zu ganz feinen,
nur mit stärksten Systemen auflösbaren Granulis. Sehr ge-
wöhnlich sind kleine, bisweilen sehr große Vakuolen vorhanden.
Dazu kommen jene Erscheinungen, die bereits als Degenerations-
erscheinungen gedeutet worden sind.
Außer der oben erwähnten Reihe aufeinanderfolgender
Entwicklungsstadien fanden sich unter den durchmusterten
Individuen noch zwei sehr junge Larven, die auf die erste Ent-
stehung unseres Drüsensystems einigermaßen Licht warfen.
Nur eines der beiden Individuen wurde schon als gefärbtes
Totopräparat als sehr jung erkannt. Es lieferte die Zeichnung
Fig. 12, die im vordersten Körperabschnitte der Larve besondere,
sonst mit älteren Larven völlig übereinstimmende Gestaltung
zeigte. Das Receptaculum besaß im Grunde noch nicht die
charakteristische knopfförmige Erhebung, von Bothridien und
dem Rüsselapparate noch keine Spur. Dagegen zeigten
Studien über Tetrarhynchen. 557
sich undeutlich zwei seitlich gelagerte polsterförmige Ver-
dickungen der Receptaculumwand. Die Frontalschnitte, in die
das Exemplar später zerlegt wurde, ließen zwar an den ent-
sprechenden Stellen dichtere Kernlager und dunkleres Plasma mit
reichlichen Granulis erkennen, die mediane Einschnürung
zwischen den beiden bilateralen Polstern erwies sich jedoch
möglicherweise auf einen Kontraktionszustand im Momente der
Fixierung zurückführbar.
Das zweite quer auf die Längsrichtung zerschnittene Indi-
viduum wurde erst nach dem Zerschneiden als sehr jung
erkannt. Es war jedoch samt seiner Cyste geschnitten worden
und zeigte also in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise,
daß nicht etwa Blasen vorliegen, aus denen auf aktive oder
passive Weise der Scolex verschwunden war. Interessant war
nun an diesen beiden Individuen das Verhalten der Drüsen. Sie
erschienen hier erst als eine Gruppe dicht gedrängter ovaler
Körper rings um das Receptaculum von verschiedenem Durch-
messer. Viele erreichten einen solchen bis 48 jt, einige wenige
ganz riesige wuchsen bis auf 80 ji und darüber an (Fig. 12).
Am Totopräparate waren Ausführungsgänge nicht zu erkennen,
wohl aber an den Schnitten. Es waren hier dünne nach den
hinteren Receptaculum wänden zu ziehende Fortsätze der ovalen
Körper vorhanden, die erkennen ließen, daß die Sekretproduktion
erst begonnen habe. Auffällig war ferner, daß die Drüsenleiber
dorsal und ventral vom Receptaculum dicht gelagert waren,
gegen die Transversalebene zu fast verschwanden. Sie fanden
sich nur in unmittelbarer Umgebung des Receptaculums, sonst
nirgends im Körper; in Fig. 12 sind die zu hinterst auffindbaren
noch in die Zeichnung mit aufgenommen.
Dagegen zeigte sich der ganze Körper dicht erfüllt mit
jenen kleinen einzelligen Hautdrüsen, auf die wir unten zu
sprechen kommen.
Die Drüsengänge schienen schon hier in vier Gruppen
zusammenzutreten, in zwei rechte und zwei linke. Diese vier
Gruppen begegneten sich in der Querschnittserie kreuzwegartig
an der Spitze einer kleinen Papille im Fundus des Receptaculums,
die wiederum eine kleine Delle zeigte. Hier lag die Aus-
mündung.
558 Th. Pintner,
Das Beobachtungsmaterial an ganz jungen Stadien war
also wohl sehr spärlich. Aber schon nach den jetzt möglich
gewordenen Beobachtungen läßt sich folgendes als sicher
zusammenfassen :
1. Die Frontaldrüsen nehmen sehr frühzeitig, noch vor
Ausbildung der eigentlichen Scolexanlage, ihren Ursprung.
2. Sie entstehen in unmittelbarer Nachbarschaft der ver-
dickten Receptaculumwand wohl zweifellos aus den epithelialen
Elementen derselben.
3. Von hier aus wachsen einmal immer neue Elemente
nach, dann strecken sie sich mit fortschreitender Entwicklung
des Scolex immer mehr in die Länge und durchwachsen nicht
nur die ganze spätere Scolexanlage, sondern auch fast den
ganzen Blasenteil der Larve bis nahe seinem Hinterende.
4. Ihre primäre Ausmündungsstelle wird zum vordersten
Stirnrand des späteren Scolex.
5. Die Drüsen erreichen den Höhepunkt ihrer Tätigkeit zur
Zeit der vollen Ausbildung des Scolex im Blasenkörper. Sobald
dieser zur bevorstehenden Trennung reif ist, beginnen sie zu
atrophieren.
Zum Unterschiede von den anderen bei Cestoden beob-
achteten Drüsensystemen nenne ich die hier beschriebenen
Frontaldrüsen wegen ihrer auf den Stirnrand beschränkten
Ausmündung.
Die Finnendrüsen.
Ebenso mächtig ausgebildet wie das eben beschriebene
Drüsensystem ist das bereits oben erwähnte zweite. Es besteht
aus außerordentlich zahlreichen einzelligen Drüsen, die, an der
Oberfläche des ganzen Larvenkörpers zerstreut, durch die
Cuticula desselben nach außen münden (Fig. 2, 4, 8, 9, 12). Was
ihre Form und ihre häufig bizarre Gestalt anlangt, so erinnern
sie sehr an die Frontaldrüsen. Auch sie erscheinen vorwiegend
plattgedrückt, oft quer abgestutzt, in unregelmäßige Zipfel aus-
gezogen u. s. f. Häufig fällt eine schraubenförmige Drehung des
völlig blattdünnen Körpers auf (Fig. 9, sp). Der feine, sich jedoch
aus der Umgebung scharf hervorhebende Ausführungsgang eilt
bald stracks gegen die Mündung zu, bald beschreibt er vielfach
Studien über Tetrarhynchen. 559
gewundene und geknickte Umwege. Häufig sieht man seinen
Verlauf stellenweise scheinbar unterbrochen (Fig. 8, 9, se); die
sichtbaren Teile sind aber auf solchen sozusagen spationierten
Strecken umso dicker und intensiver gefärbt: es sind deutlich
erkennbare, sich intensiv tingierende Sekretmassen, welche den
Ausführungsgang diskontinuierlich erfüllen.
Diese Drüsen liegen gleichförmig, aber sonst, wie es scheint,
völlig regellos im gesamten Larvenkörper verteilt, der Leib tief
ins Parenchym eingesenkt, der Ausführungsgang in annähernd
radiärer Richtung der Cuticula zustrebend. Die Ausführungs-
gänge erreichen eine ganz respektable Länge. Gleichwohl bleibt
das Innere des Larvenkörpers, das die Frontaldrüsen einnehmen,
frei. In der Randzone der Frontaldrüsen liegen die Leiber dieser
»Finnendrüsen« oft mit jenen dicht durch- und aneinander,
die Ausführungsgänge überkreuzen sich u. dgl. Ihrer über-
wiegenden Mehrzahl nach liegen die Finnendrüsen aber außer-
halb der Zone der Frontaldrüsen.
Außer durch Lage und Ausmündung unterscheiden sich
die Finnendrüsen von den Frontaldrüsen durch beträchtlich
geringere Größe. Sie sind zweifelsohne einkernig.
Im Verhältnis zu ihrer Häufigkeit erkennt man sie auf
Schnitten merkwürdig selten mit Sicherheit; denn man bekommt
sie eben selten in längeren Stücken auf demselben Schnitte zu
sehen und kann sie dann nicht von Frontaldrüsen unterscheiden.
Die Mündungen kann man hie und da mit Sicherheit die ganze
Dicke der Cuticula durchbohren sehen. Warum man aber an
geschwärzten Schnitten auch in diesem Punkte große Vorsicht
walten lassen muß, ehe man einen derartigen schwarzen Pfropfen
in der Cuticula als Mündung einer Finnendrüse in Anspruch
nimmt, werden wir unten sehen.
Zahlreiche Finnendrüsen münden in die Harnblase.
Maße der Drüsen.
Frontaldrüsen. Finnendrüsen.
Größter Quer- Größter Quer- Ungefähre
durchmesser durchmesser Länge
U. IL 11
i 32!!! 1. 12—16 240!
Ind,v,duuml i 48 2. 16!- 175
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXU. Rd.. Abt. I. 36
560
Th. Pintner,
Größter Quer-
Größter Quer-
Ungefähre
durchmesser
durchmesser
Länge
1*
H-
P-
j 40
3. 16!
160
j 56!
4. 8
200
48
5. —
320
Individuum 2
3
4 40!
(in Rückbildung) 56!!
An dem nageiförmig ab-
gestutzten Ende 104
l 24
Individuum 5 . . 40
( 48
6 (sehr jung) 80
7 » 96
Bei dem Individuum 4 mit einem queren Drüsendurch-
messer von 8 [i betrug der durchschnittliche quere Durchmesser
der Frontaldrüsen zirka 48 \l. Man kann also sagen, daß die
Frontaldrüsen ungefähr sechsmal so groß sind als die Finnen-
drüsen.
Bei den Individuen 1 bis 5 sind stets mittelgroße Drüsen,
wie sie in Überzahl vorhanden waren, zur Messung benützt
worden, bei den Individuen 6 und 7 dagegen wurden die aller-
größten Drüsenkörper herausgesucht. Individuum 5 zeigte sehr
regelmäßig flaschenförmig geformte Frontaldrüsen, so daß hier
beiläufige Längenmessungen gemacht werden konnten. Bei
Drüsenschläuchen von 40 [i Querdurchmesser schwankte die
»Länge« zwischen 60 bis 80 [jl, bis zum ungefähren Beginn des
»Ausführungsganges« gedacht. Die ! bezeichnen Zahlen, die
häufig wiederkehrten.—
Die beiden Drüsensysteme sind also Hautdrüsen, das eine
von ganz unglaublicher Längenausdehnung seiner Elemente,
die nur noch von den Rhynchodäaldrüsen, wie ich sie seinerzeit
beschrieben habe (99), übertroffen wird. Bei Tetrarhynchen
speziell kennen wir nunmehr drei Drüsenarten, die bei der
morphologischen Vergleichung in Frage kämen :
Studien über Tetrarhynchen. 56 1
1. die eben genannten Rhynchodäaldrüsen bei Rhyncho-
bothrien mit dicken Köpfen aus der Atienuatus-Gruppe, somit
Drüsen des Scolex mit Mündungen in den Rüsseln;
2. Drüsen des Scolex mit Mündungen an seinem Stirn-
rande, wie ich sie für Tetrarhynchus benedeni Crety beschrieben
habe (99, p. 14— 16);
3. Drüsen des Blasenkörpers der Larve, wie ich sie gleich-
falls bereits für eine Rhynchobothrius-Leirve aus Pristiurus er-
wähnt habe (99, p. 16). Es ist gar keine Frage, daß diese Drüsen
mit den oben beschriebenen morphologisch identisch sind. Ich
habe seither von dieser Pristiurus-Lsivve Querschnitte gemacht,
an denen man den ganzen Blasenkörper mit kolossalen Drüsen-
leibern erfüllt sieht. Sie sind, wie schon früher erwähnt, bereits
makroskopisch erkennbar. Ich glaube, daß der von Leuckart
wiederholt abgebildete »Tetrarhynchus lophii« mit meiner
PristiuruS'Form identisch ist. Die Fig. 12 bei Leuckart und
Nitsche (? des Literaturverzeichnisses) stellt in den dunklen
Flecken, die das Innere des Larvenkörpers erfüllen, nichts
anderes vor als unsere Drüsen und mit den zahlreichen spindel-
förmigen Körpern in Fig. 219 auf S. 475 bei Leuckart (79 —
86) dürfte es sich ganz ebenso verhalten. Diese Identifizierungen
stützen sich auf Präparate der erwähnten Tetrarhynchus-Larve
aus der Rückenmuskulatur von Pristiurus, die mit den ange-
führten Abbildungen frappant ähnlich sind.
Da die Frontaldrüsen im Blasenkörper der Larve weit
außerhalb späterer Scolexteile gelegen sind, ist nicht gut einzu-
sehen, wie sie bei der Trennung des Scolex in diesen hinein-
gelangen könnten. Auch haben wir ja gegen die Reifezeit der
Larve zu Erscheinungen an ihnen kennen gelernt, die ziemlich
eindeutig auf eintretende Degeneration hinweisen. Die Frontal-
drüsen sind also fast mit Sicherheit als Larvenorgane anzu-
sprechen.
Mit noch größerer Sicherheit läßt sich dasselbe von den
Finnendrüsen behaupten. In den jüngsten Larven massenhaft
und höchst auffällig ausgebildet, treten sie bei zunehmendem
Alter der Larve immer mehr gegen die Frontaldrüsen zurück.
In den ältesten Larven konnte ich sie oft überhaupt nicht mehr
auffinden.
36*
562 Th. Pintner,
Bei der Frage nach ihrer Funktion ist somit einmal dieser
Umstand im Auge zu behalten, ferner daß sie bei ihrem Um-
fange offenbar nicht untergeordnete Bedeutung haben. Mit der
Cystenbildung als solcher haben sie nichts zu tun, da uns die
Cyste, wie eingangs gezeigt wurde, keinerlei auf sie beziehbare
Absonderungsprodukte zeigt. Wohl aber drängt sich derGedanke
auf, ob in diesen Drüsensystemen nicht eine Einrichtung vor-
liegt, die mit dem Stoffwechsel, vielleicht mit der Ernährung des
Parasiten im Zusammenhange steht? Vielleicht enthalten diese
Drüsen ein Sekret, das die Cyste von innen auflöst und für den
wachsenden Parasiten einen größeren Hohlraum schafft, während
sich ihre feste Wand von außen her immer neu bildet Hiebei
mögen die Gewebsderivate des Wirtes, beziehentlich der Cyste
in einen Zustand umgewandelt werden, der sie der Resorbier-
barkeit durch die Cuticula des Parasiten näherbringt. Dies würde
zuerst von den Finnendrüsen und der äußeren Oberfläche der
Blase besorgt werden. Hat dann der Scolex eine gewisse Größe
erreicht, dann braucht der Finnenkörper keine Nahrung mehr,
die Finnendrüsen atrophieren und an ihre Stelle treten die
Frontaldrüsen, welche nun den im Receptaculum enthaltenen
Saft, der vom Wirte stammt, in ähnlicher Weise umwandeln
(vgl. hiezu die obige Angabe über den stets im Recepta-
culum enthaltenen Ballen von Gerinnsel). Nun sistiert die
Nahrungsaufnahme durch das Integument des Blasenkörpers
und es tritt an ihre Stelle eine solche direkt durch das Scolex-
integument.
Gegen eine solche Auffassung könnte man mit Recht ein-
wenden, daß ja von so vielen anderen encystierten Helminthen,
speziell Cestoden, ähnliche Einrichtungen für Cystenvergröße-
rungen und Nahrungsumwandlung ganz unbekannt sind. Viele
encystierte Cestodenlarven können sich offenbar auf andere
Weise, wahrscheinlich von den in genügender Menge vor-
handenen Reservestoffen ihres Körpers ernähren und entwickeln.
Freilich müßte anderseits nicht überall das gleiche Ernährungs-
bedürfnis vorliegen, wenn etwa die Fortentwicklung während
der Encystierungsperiode eine weniger bedeutende ist, wenn
nicht so umfangreiche, histologisch weit differenzierte Organe
wie der Tetrarhynchenrüssel zu bilden sind.
Studien über Tetrarhynchen. 563
Auch könnten derartige Drüsensysteme in gar nicht
seltenen Fällen noch übersehen worden sein, zumal sie in ihrer
vollen Ausdehnung erst durch Anwendung verhältnismäßig
neuer technischer Methoden zu erkennen sind.
Bei manchen Formen mögen nun ähnliche Drüsensysteme
wie die Frontaldrüsen auf die reifen Tiere übergehen, so bei
Rhynchöbothrius tetrabothrius und benedeni. Dann mag eine
dem Speicheldrüsensekret ähnliche Einwirkung auf die zu
resorbierende Nahrung auch noch im Darm des definitiven
Wirtes statthaben. Es würden also auch bei den geschlechts-
reifen Formen ebenso verschiedene physiologische Bedingungen
vorliegen wie bei den encystierten Larven. Freilich dürfte in
diesem Falle nicht etwa im morphologischen Sinne an Speichel-
drüsenrudimente gedacht werden.
Wir hätten dann eine ganze Reihe physiologisch sukzessive
füreinander eintretender Drüsenbildungen, von den Finnen-
drüsen angefangen zu den Frontaldrüsen, von diesen zu den
Drüsen bei tetrabothrius und benedeni, die der Anlage nach
sogar mit den Frontaldrüsen homolog sein könnten, von diesen
wieder zu den Rhynchodäaldrüsen bei den Formen der Atte-
nnatns-Gruppe.
Die Frontaldrüsen unserer Form sind wohl sicher identisch
mit jenen Gebilden, die Li n ton (97, p. 797, Taf. 63, Fig. 14, 15)
von einer ganz ähnlichen Larvenform kurz beschreibt und ab-
bildet, wie ich bereits früher einmal erwähnt habe (99, p. 16).
Auch in einer zweiten Arbeit (00, p. 300, Taf. 42, Fig. 100)
erwähnt er von einem »Larval Cestode from the Bonito« (Sarda
sarda) offenbar hieher gehörige Gebilde: »numerous roundish
bodies«. — »Beginning just back of the constriction [einer
seichten, aber deutlich ausgesprochenen Furche des Vorderteils
der Larve in der Region hinter einer offenbar als Receptaculum
zu deutenden Einschnürung] and continuing for about three-
fourths of the length there are suspended in the middle of the
body an elongated Cluster of pyriform structures, each about
0 035 in the longer and 0*028 in the shorter diameter. Each is
attached by a slender stalk at the smaller end. I have recorded
something similar to this in a larval Rhynchobothrittm from the
intestine of the sand shark (Carcharias littoralis).* Letzteres
564 Th. Pintner,
bezieht sich auf die obenerwähnte Stelle. Untersuchung auf
Schnitten führte zu keinem Resultate: »Like the parenchyma
generally they were scarcely at all stained by carmine. By
transmitted light they appeared to be of a faint yellowish-brown
coior. No structure could be made out in these central bodies.
While many of them are pyriform, this designation does not fit
all of them.«
Es scheint mir nicht unwahrscheinlich, daß auch Guido
R. Wagener von den Frontaldrüsen etwas gesehen haben mag;
wenigstens würden manche Angaben, die er über die »braune
kaktusförmige Masse«, besonders bei jungen Tetrarhynchen
macht (54, p. 12 und 13; 57, p. 91 und Taf. 1, Fig. 3 bis 6 u. a.m.),
leicht in diesem Sinne zu deuten sein. In höchstem Maße gilt
dies von Fig. 73 auf Taf. 6 in 54, wo die Tafelerklärung, p. 68,
direkt auf unseren Fall hinweist: »kaktusförmige Masse einer
Cestodenblase aus Lophius piscatorius«. Jedenfalls hat er ver-
schiedene Sachen unter demselben Namen zusammengeworfen.
Sonst in der Literatur finden sich Anspielungen auf unseren
Gegenstand noch bei Leuckart, wie bereits oben erwähnt
wurde.
In allerjüngster Zeit hat Zschokke (03, p. 152; Taf. 1,
Fig. 4) eine Tetrarhynchenlarve aus dem Peritoneum von
Silurus glanis beschrieben, deren Vorkommen in einem im
Bieter See gefangenen Fische von besonderem zoogeo-
graphischen Interesse ist. Die Larve, von der unsrigen völlig
verschieden (obzwar Größenangaben fehlen), ist nun durch den
Besitz eines umfangreichen Drüsenapparates ausgezeichnet,
und der ist zweifellos den Frontaldrüsen völlig gleichwertig.
Zschokke selbst konnte ihn nicht genauer untersuchen, da
ein einziges Exemplar des Parasiten vorlag.
Der Scolex.
Es folgt nunmehr eine kurze Feststellung der systematischen
Charaktere des Scolex (vgl. hiezu auch die Größenangaben
in der obigen Tabelle). Sie muß vorläufig in vieler Hinsicht
lückenhaft bleiben, da hier wichtige Eigentümlichkeiten nur
zu ermitteln sind, wenn der Scolex im Leben aus der Blase
herausgedrückt worden ist. Solche Exemplare standen mir aber
Studien über Tetrarhynchen. 565
nur in geringer Anzahl zu Gebote und auch bei ihnen dürfen
die Messungen wegen der verschiedenen Entwicklungs-
stufen u. s. f. nur auf sehr relativen Wert Anspruch erheben.
Die Länge des ausgestülpten Scolex schwankte um die
oben in der Tabelle stehenden Größen im äußersten zwischen
0*57 bis0*78*ww. Jedenfalls ist der Scheidenteil des Scolex
am längsten, der Kolbenteil kürzer, wie aus Fig. 23 und 24
hervorgeht. Bei einem gut ausgestreckten Individuum finde ich
die Verhältnisse von Bothridienteil (480 |i) zu Scheidenteil (720 ja)
und Kolbenteil (320 |t) wie 6:9:4; da der Kolbenteil wohl am
wenigsten zur Kontraktion in der Längsrichtung neigt, könnte
man wohl annähernd sagen wie 2:3: 1.
Die beiden Bothridien, je eine dorsal und ventral gestellt,
zeigen nichts Auffälliges. An den wenigen, durch Druck aus-
gestülpten Rüsseln läßt sich zur Not der Hakentypus erkennen.
Unsere Form gehört zu denen mit ungleichartiger Bewaffnung.
In einer Querreihe dürften etwa 10 Häkchen stehen, von denen
etwa vier nebeneinander größer, die übrigen kleiner sind. Unter
den vier großen ist wieder einer der weitaus größte, die andern
nehmen stufenweise an Größe ab. Die größten Häkchen zeigen
von der Basis bis zur Spitze Längen von 28, 32, 40 ja, die Basis-
breite der größten erreicht 8 [a. Fig. 26 zeigt den Typus der
Rüsselbewaffnung bei a am ausgestülpten, bei b und c an einem
Stücke eingestülpten Rüssels. An den Fig. a und c ist zu
sehen, daß die Rüssel ferner durch je ein der Rüsselbasis nahes
Feld sehr kleiner, dicht stehender Häkchen ausgezeichnet sind,
wie dies jetzt schon von mehreien Arten bekannt ist.
Die Muskelkolben (siehe Tabelle), oft nierenförmig ge-
drungen, was ich für ein jüngeres, oft gestreckt, was ich für ein
älteres Stadium halte, sind rund etwa 0'2mm lang, 0*06 mm
breit; an einem völlig gestreckten und im Schnitte gerade längs-
getroffenen Kolben messe ich aber bis 0 • 456 mm Länge bei
0 056 Breite. Die Zahl der Muskelschalen beträgt sicher minde-
stens 10, wahrscheinlich ein wenig darüber, vielleicht bis 13.
Die einzelnen Schalen sind in den vorliegenden Entwicklungs-
stadien noch sehr dünn und selbst an den feinsten Eisenhäma-
toxylinschnitten nicht ganz sicher zu zählen. Die Breite der
einzelnen wie sonst gekreuzten Bänder beträgt zirka 2, 4 bis 6 jjl
566 Th. Pintner,
Die Rüsselscheiden, von deren vielfach zusammenge-
wundener Lage bei jungen Exemplaren Fig. 25 ein Bild gibt,
zeigen etwa 40 ft Querdurchmesser, der Retraktor an nicht sehr
kontrahierten und somit nicht verdickten Stellen etwa 8 bis 16 jjl
Die kontraktilen Fibrillen liegen in der Peripherie, die Kerne im
Zentrum. Er erstreckt sich bis ans hintere Ende oder doch fast
bis ans hintere Ende des Kolbens.
D i e s i n g (63, p. 304 bis 305) erwähnt bei den Rhy nchobothria
solummodo statu larvae cognita unter 9 bis 11 Formen aus
Lophius. Nr. 9 von Dies ing entspricht der Form von Wagen er
(54, p. 81, Taf. 18, Fig. 225—228). Die Form hat mit der
unsrigen keine sehr weitgehende Ähnlichkeit, die Möglichkeit
der Identität ist aber gleichwohl nicht ohne weiteres von der
Hand zu weisen. Die Größe würde die unserer Form allerdings
übertreffen. Aufmerksam zu machen ist auf den braunen FJecken
in Fig. 226 am Stirnrande. Haben die »Frontaldrüsen« im Leben
wirklich bisweilen eine so braune Färbung, wie nach den Ab-
bildungen und Angaben Wagen er's über die »kaktusförmige
Masse« anzunehmen ist, so würde dieser braune Flecken sehr
wahrscheinlich die Ausmündungen der Frontaldrüsen am Stirn-
rande vorstellen, von denen wir kennen gelernt haben, daß sie
auf parallel zur Medianebene gerichteten Längsschnitten am
deutlichsten sind. Auch in der genannten Figur ist der Kopf in
halb seitlicher Lage gezeichnet. Jedenfalls ist die Form nicht
getauft.
Nr. 10 bei Diesing ist identisch mit Wagener 54, p. 76,
Taf. 14, Fig. 169, 171—174 und hat mit unserer Form be-
stimmt nichts zu tun, ebensowenig wie Nr. 11 Diesing's
(Wagener 54, p. 74, Taf. 11, 139—141).
Bei Vaullegeard finden wir nur ein flüchtiges Resume
dieser Angaben, keine originalen.
Die uns vorliegende Art kann nach dem Gesagten nicht
mit einer bereits benannten identifiziert werden und ich schlage
für sie den Namen Rhynchobothrius adenoplusius vor.
Meine Angaben genügen sicher zur zweifellosen Wieder-
erkennung der Larve, keineswegs zu der des zugehörigen
Geschlechtstieres. In dieser Hinsicht ist also die Namengebung
eine bloß provisorische.
Studien über Tetrarhynchen. 567
Über das Integument von Rhynchobothrius adenoplusins n.
und einigen anderen Formen.
Die Cuticula umgibt den Larvenkörper in einer Dicke,
die nicht nur bei verschiedenen Individuen wohl nach deren
jeweiligen Kontraktionszuständen ziemlich wechselt, sondern
auch an verschiedenen Stellen eines und desselben Individuums.
Am vorderen Körperpole und im Receptaculum erscheint sie
dicker als sonst. In der Receptaculummündung erreicht ihre
Dicke 14 (x, in der vorderen Körperpartie fallt diese Dicke auf
6 jjl, sonst noch weiter. Ihre Färbung an gut reduzierten Eisen-
hämatoxylinpräparaten ist hellgrau mit einem Stich ins Braune,
die der Basalmembran tief schwarz.
Die Härchen sind kurz mit papillenförmig verdickter
Basis, krallenförmig gekrümmtem Schaft und scharfer Spitze.
Sie sind am größten und stärksten am Vorderkörper und im
Receptaculum, besonders an den Scolexflächen; an den Seiten
und gegen hinten nehmen sie allmählich an Größe ab (mit den
Härchen parallel wächst oder sinkt in der Regel die Stärke der
subcuticularen Ringfibrillen). Die Härchen färben sich stets
weitaus lebhafter als die Hauptschicht der Cuticula (in Safranin
tief rot, in Delafield tief blau, in Eisen schwarz, besonders
dunkel die Basalpapillen). An den Scolexflächen stehen sie sehr
dicht, von der Fläche her sieht man die strenge — so allgemein
giltige — Anordnung im Quincunx. Am Blasenkörper mit seinen
zahlreichen Buckeln und Falten ist diese Anordnung verwischt.
Ihre gegenseitigen Abstände steigen hier (auf Schnitten ge
messen) in der Umgebung des Receptaculums auf 4, dann auf
6, gegen hinten auf 10, 20 [jl u. s. f. Ihre Basis scheint oft tief in
die Cuticula eingesenkt. Am Scolex nehmen sie die Form kleiner
verbreiterter Schüppchen an (Fig. 3). Auch in die Harnblase
treten sie mit der hier wieder dicken Cuticula ein und werden —
wie in bekannten zahlreichen anderen Fällen — zu langen
Haaren, die in bartähnlichen Büscheln, dicht gedrängt, die
Wände der Blase bedecken.
Die Cuticula, besonders in ihren dickeren Teilen, zeigt nun
bei unserer Form mehrere Arten merkwürdiger Differen-
568 Th. Pintner,
zierungen mit seltener Deutlichkeit, alle nach Eisenhämatoxylin-
behandlung.
Eine dieser Differenzierungen ist ihre äußerste Grenz-
schicht, die als feine schwarze Linie sich stets klar abhebt.
Diese Grenzschicht ist nach außen zwar glatt, wie es scheint,
aber nicht eben, sondern vielfach gefurcht. Die Einsenkungen
oder Runzeln erscheinen am Querschnitt trichterig und reichen
als mehr oder weniger zarte schwarze Linien oft weit über die
Mitte der Dicke der Cuticula in die Tiefe (Fig. 13 ru).
Auf tangential getroffenen Stellen (Fig. 16) — gewöhnliche
Totopräparate zeigen diese Bilder nicht, da sie, wie gesagt, nur
bei Eisenbehandlung hervortreten — sieht man diese in der
vorderen Körperregion, zumal im vorderen Receptaculumkanal
häufigen Einsenkungen oft mit einander verbunden und auf
den Buckeln zwischen ihnen die Härchen eingepflanzt.
Wir sehen also auf Durchschnitten der Cuticula zahlreiche
feine schwarze Linien von der Peripherie her in die Tiefe
ziehen, die stets der Ausdruck von Oberflächenfurchen sind.
Und zu ihnen ziehen nun sehr mannigfach gestaltete lineare
Differenzierungen von der Basis der Cuticula her, oft mehrere
dicht nebeneinander.
Unter diesen Differenzierungen sind aber ganz verschie-
dene Arten zu unterscheiden:
1. Solche, die zweifellos Ausmündungen von Finnendrüsen
sind, so z. B. in Fig. 13 b, wo man die Drüse in direktem Zu-
sammenhange mit der Mündungstelle sieht. Der Endabschnitt
der Drüsen innerhalb der Hauptschicht der Cuticula erscheint
da oft einfach oder mehrfach kolbig aufgetrieben wie Fig. 13 a,
drm> was jedenfalls von dem Umfange der vorhandenen Sekret-
pfropfen abhängt. Der in die Tiefe gehende Fortsatz ist bis-
weilen unmittelbar als Endabschnitt der Finnendrüse erkennbar
(Fig. 13fc), oft dagegen erscheint er als scharf konturierter feiner
Faden mit egaler, glatter Oberfläche wie in Fig. 13 a, drm. Wenn
wir uns an die Form der Drüsen bei Färbungen mit gewöhnlichen
Farbstoffen an Totopräparaten erinnern, werden wir hierin
nichts Auffälliges finden. Wie der Sekretpfropfen verschieden
weit gegen die Oberfläche der Cuticula zu vorragen kann, so
kann es auch mit seinem proximalen Ende verschieden bestellt
Studien über Tetrarhynchen. 569
sein: entweder er ist nur innerhalb der Hauptschicht der Cuticula
als solcher erkennbar oder er ragt über dieselbe durch Basal-
membran und Muskulatur in die Tiefe (Fig. 13 a, drm) und
geht plötzlich in eine fadenförmige Drüsenstrecke über.
2. Eine zweite Form der cuticularen Differenzierungen
finden wir in Figur 13 a bei ru, Fig. 13 cy ru. Diese Form ist
sehr häufig und erhält ihr charakteristisches Gepräge dadurch,
daß das distale Ende des sekretpfropfenartigen Teiles verdickt
und von außen her napfförmig eingedrückt erscheint. Was die
Fortsetzung gegen das Körperinnere anlangt, gleichen diese
Gebilde völlig den unter 1 besprochenen. Einmal, Fig. 13 a, bei
ru' war um das ganze Gebilde samt der zugehörigen Cuticular-
einsenkung deutlich ein elliptischer heller Hof in der sonst
etwas dunkler gefärbten Schicht der Cuticula bemerklich.
Auch diese unter 2 erwähnten Gebilde stehe ich nicht an
als Drüsenausführungsgänge in Anspruch zu nehmen, wenn
ihre Deutung auch nicht mehr so ganz zweifellos sicher steht
wie bei denen unter 1. Doch dürfte die Stärke des fast überall
leicht nachweisbaren basalen Fortsatzes und die völlige Über-
einstimmung mit dem, was wir in Bezug auf dasselbe Gebilde
bei 1 gefunden haben, einen Zweifel kaum aufkommen lassen.
Das distale, mit seiner Konkavität nach außen gewandte
Näpfchen des Sekretpfropfens dürfte so zu erklären sein, daß
die eigentliche Mündung — denn diese liegt ja doch dort, wo
die von der Oberfläche her eingesenkte Furche proximal ihr
Ende hat — eben stets eine kleine Delle zeigt.
Die beiden unter 1 und 2 beschriebenen cuticularen Diffe-
renzierungen haben miteinander noch ein, wie es scheint,
wesentliches Merkmal gemeinsam, das den später zu be-
schreibenden fehlt: dort, wo sie durch die proximale Fläche
der Hauptschicht der Cuticula von innen her eintreten, wo sie
also gleichzeitig die Basalmembran durchsetzen, zeigt diese
keine Störung ihres normalen Verlaufes.
Bei allen nun zu beschreibenden Differenzierungen der
Cuticula dagegen finden wir an der Berührungsstelle mit der
Basalmembran diese nach außen emporgezogen, so daß ein
eigentümlich gestalteter, im optischen Schnitte verschieden um-
grenzter Raum unter ihr entsteht. Ein proximaler Basalfortsatz
570 Th. Pintner,
gegen das Körperinnere ist bei den von mir angewandten Präpa-
rationsmethoden nicht nachweisbar. Es sind da zunächst
3. Gebilde zu erwähnen, die an jene von Nr. 2 er-
innern, nur daß sie viel zarter sind (Fig. 13 a, ru11). Unter jedem
derselben erhebt sich die Basalmembran zeltdachartig. Sie
zeigen meist proximal wie distal eine Verdickung, dazwischen
ein zarteres oder sehr zartes Verbindungsstück. Auch über
ihnen findet sich eine trichterige Einsenkung der Cuticula mit
einem bis zu ihrem distalen Ende herabreichenden feinen Spalt,
der als zarte schwarze Linie erscheint. Gebilde wie die beiden
links von ru in Fig. 13 c und das linke mit ru bezeichnete in
Fig. 13 a sind wahrscheinlich auch hieher zu ziehen.
4. Finden wir ziemlich starke kurze stäbchenförmige
Gebilde mit beiderseits verdickten Enden, stets mehr oder
weniger auffällig an die Gestalt eines Röhrenknochens erinnernd,
(Fig. 13 a, * und die vier in Fig. 13 c gezeichneten); die ver-
dickten Enden sind oft intensiver geschwärzt, bisweilen wie
eine schwarze Platte sich abhebend. Die Cuticula erscheint über
ihnen gleichfalls trichterig eingesenkt, jedoch sieht man die Falte
derselben nie sich bis an das distale Stäbchenende herabsenken,
sondern früher, oft in ziemlicher Entfernung vom Stäbchen auf-
hören. Unter dem Stäbchen erscheint die Basalmembran
mächtig gegen dasselbe emporgehoben und zwar in den weitaus
meisten Fällen als Umgrenzung eines mehr oder weniger ovalen
basal abgestutzten Raumes. Daß die Basalmembran diesen Raum
auch gegen das Innere abzuschließen scheint, kommt nur daher,
daß auch bei sehr dünnen Schnitten der Raum doch noch ganz am
Schnitte erscheint, so daß die vor oder hinter ihm vorbeilaufende
Kontur der Basalmembran sichtbar ist.
Bisweilen hat ihre Erhebung jedoch auch die unter 3 er-
wähnte zeltartige Form. Die mehr unregelmäßigen Bildungen
in Fig. 13 c sind wohl Übergänge von der einen Art zur anderen.
Allenthalben fehlt hier, wie erwähnt, ein zentral gerichteter
Fortsatz.
Die Deutung der unter 3 und 4 beschriebenen Gebilde ist
durchaus nicht leicht. Man könnte einmal an nervöse End-
gebilde, zweitens doch auch an Drüsenabschnitte, drittens an
ganz heterogene Gebilde (Böhm ig's »wasserklare Räume« in
Studien über Tetrarhynchen. 571
der Turbellarienepidermis, die K. C. Schneider [02, p. 296] als
nach außen mündende Lymphräume anspricht, oder ähnliches)
denken.
Gegen die beiden ersten Deutungen spricht gleichmäßig
der Mangel eines basalen Fortsatzes sowie der Mangel der
distalen Hauteinsenkung. Jedoch möchte ich für meinen Teil,
freilich unter aller Reserve, doch zu der Deutung der Gebilde
als Drüsenenden neigen. Ich möchte glauben, daß vielleicht ein
Stadium vorliegt, wo die Drüse zu sezernieren aufgehört hat, ihr
Ausführungsgang und sie selbst deshalb nicht mehr erkannt
werden kann und nur ein letzter Sekretpfropfen in der Cuticula
noch übrig geblieben ist, während das Fehlen der Spalte nach
außen vielleicht bisweilen einem rein zufälligen Umstände zu-
zuschreiben ist. Die Erhebung der Basalmembran ist vielleicht
auf eine vorgängige mächtigere Sekretanhäufung zurückzu-
führen, ein jetzt atrophiertes, früher bestandenes kleines
Sekretreservoir, wobei man sich natürlich denken müßte, daß
die Wandung des Drüsenganges mit der Basalmembran hier in
unkenntlicher Weise verschmolzen erscheint.
Ganz anders verhält es sich mit einer
5. Art von cuticularen Differenzierungen, die in Fig. 17 ab-
gebildet sind. Es sind dies einzelne, meist aber in Büscheln bis zu
6 und 10 vereinigte, außerordentlich feine Stäbchen- oder
haarförmige Gebilde mit einer zarten knopfförmigen Verdickung.
Diese Verdickung liegt bei unserer Form von der Mitte der
Cuticula etwas nach innen. Von ihr aus laufen die Stäbchen
gegen die Basalmembran zu fächerförmig zusammen. Ich sah
sie hier die Basalmembran nicht völlig erreichen, auch keiner-
lei zentralen Fortsatz an sie herantreten. Die Knöpfchen sind
bald sehr regelmäßig in einem Kugelflächenabschnitt zusammen-
geordnet, bald stehen sie unregelmäßiger wie auf Stäbchen von
wechselnder Länge, immer sehr dicht beieinander. Von jedem
Knöpfchen läuft eine Linie, die noch viel zarter als das Stäbchen
ist, nach der Oberfläche der Cuticula. Diese Linien divergieren
zwar auch noch gegen außen zu, aber viel weniger stark wie
die Stäbchen selbst und auch sie waren nicht bis an die äußere
Grenze der Cuticula zu verfolgen.
Dil Th. Pintner,
Zum Vergleiche will ich einige offenbar völlig homologe
Gebilde aus der Haut von Anthocephalus elongatus aus Ortha-
goriscus mola (Leber, Messina) beschreiben.
Dieselben fanden sich auf Querschnitten der großen Larve,
durchwegs gleichfalls auf Eisenhämatoxylinpräparaten, die stark
reduziert und dann mit Van Giesson nachbehandelt wurden.
Sie lagen sämtlich in der äußeren Cuticula des Blasen-
körpers, die keinerlei sonstige Hohlräume, Kanäichen etc. auf-
wies, niemals in der Cuticula des hier so kolossal langen Recep-
taculums oder der des Scolex. Die Färbung war dabei so, daß
die Cuticularhauptschicht mehr oder weniger intensiv rosenrot
erschien, die subcuticularen Muskelfibrillen schwarz, die Basal-
membran dagegen einen deutlichen Stich ins Gelbe zeigte.
Die fraglichen Gebilde (Fig. 18 und 19) sind hier in Bezug
auf ihre proximale und distale Endigungsweise viel klarer aus-
gebildet als bei der Larve aus Lophius. Proximal sehen wir sie
bis dicht an die Basalmembran herantreten, ohne daß diese eine
Störung in ihrem Verlaufe erduldet. Distal sehen wir als durch-
greifendes Merkmal eine Einsenkung der Cuticula über den
Gebilden. Auch dort, wo im Gegenteil die Cuticula über der
ganzen Gruppe hügelförmig vorspringt (Fig. 18&, 19 c), sieht
man, daß entweder dieser Hügel zwischen benachbarten, stärker
vorgewölbten eingesenkt liegt (Fig. 18&) oder daß zu jedem
einzelnen Stäbchen aus diesem Hügel ein besonderer Trichter
hinabführt (Fig. 19 c). Solche trichterige Einsenkungen der
Cuticula finden wir auch ohne scheinbare Verbindung mit
Stäbchen (Fig. 19£). Ob dies nun den natürlichen Verhältnissen
entspricht oder ob bloß der Schnitt an den Stäbchen vorüber-
führt, lasse ich dahingestellt.
In allen Fällen reicht die Einsenkung der Cuticula bis dicht
an die feinen knopfförmigen Verdickungen der Stäbchen; und
das führt uns, glaube ich, in Bezug auf die Deutung der Gebilde
bei den Lophiusparasiten wenigstens insoferne weiter, als die
feinen, von den Knöpfchen nach außen führenden Linien in
diesem Falle als zarte Spalten oder Kanälchen in der Cuticula
deutbar sind. Basale Fortsätze fand ich nicht.
Alle unter 5 beschriebenen Gebilde sind sehr viel zarter
als sämtliche früher genannten, so daß man diese sehr gut
Studien über Tetrarhynchen. 573
sehen und gleichzeitig doch auch ohne alle Flüchtigkeit jene
vollständig übersehen kann.
Ich führe der Übersicht halber, und um zu zeigen, daß nicht
etwa Verwechslungen vorliegen, gleich noch eine
6. Differenzierung, die in der Cuticula gelegen ist, auf,
nämlich die schon von anderer Seite bekannten nervösen End-
apparate. Diese finden sich auf den gleichen und gleich-
behandelten Schnitten von Anthocephalus elongatus an gleichem
Orte in großer Anzahl. Sie unterscheiden sich leicht von allen
übrigen: a) durch die beträchtliche buckeiförmige Erhebung der
Cuticula über ihnen. Diese erscheint oft noch auffälliger wie in
den Figuren, wie eine der übrigen glatten Umgebung auf-
gelagerte Halbkugel. In der Mitte derselben ist bisweilen, viel-
leicht nur bei besonders günstiger Schnittrichtung, eine kleine
trichterige Einsenkung mit in die Tiefe führendem Kanälchen,
das genau auf den Sinneskörper auftritt (Fig. 20 c\ nachweisbar.
Ein schwarzer Punkt (Fig. 20 a) oder eine schwarze Linie
(Fig. 20 b), distal von dem eigentlichen Sinneskörper gelegen,
ist entweder im Sinne eines derartigen quer oder schräg durch-
schnittenen Kanälchens zu deuten oder im Sinne eines peripheren,
tasthaarähnlichen Gebildes, das noch auf dem Bläschen aufsitzt
(siehe unten); b) durch die bekannte Birnform. Das birnförmige
Gebilde ist von einer sehr zarten Hüllmembran umschlossen. Sein
Inhalt hebt sich meist viel heller aus der rot gefärbten Umgebung
ab. Die Längsachse der Birne wird von einer schwarzen, ganz
schwach und unregelmäßig gewellten Linie, jedenfalls einer
Neurofibrille durchzogen, die peripher verdickt eine nagelkopf-
artige Platte bildet (Fig. 20 a, b). Ihre Ränder gehen direkt in
die Bläschenwand über, c) Proximal finden wir stets als Stiel
der Birne die zutretende Nervenfaser dicker als die Fibrille im
Innern des Körperchens. Sie war stets durch die Basalmembran
bis zur Zirkulärfaserschicht sichtbar und bog, meist noch deut-
lich unterscheidbar, im Sinne des Faserverlaufs dieser ab
(Fig. 20 b), ohne sich weiter verfolgen zu lassen. Einmal
(Fig. 20 c) sah es a^£>, als ob sich der Nerv gabelte, d) Endlich
finden wir regelmäßig eine zeltartige Erhebung der Basal-
membran, deren Spitze mit der Eintrittsstelle des Nerven in das
Bläschen zusammenfällt.
574 Th. Pintner,
Ich zähle am Gesamtumfange eines Anfhocephalus-Quer-
schnittes 1 7 Nervenendapparate und 22 deutliche Trichter mit
den unter 5 beschriebenen Differenzierungen. Von den Nerven-
endapparaten konnte ich bei Rhynchobothriusadenopliisitis nichts
entdecken.
Was die Deutung der unter 5 beschriebenen Apparate an-
langt, so dürfte sie zur Stunde kaum möglich sein. Es läßt sich
aber sagen, daß in ihnen höchstwahrscheinlich dieselben oder
ähnliche Gebilde vorliegen, wie sie Blochmann (96, p. 5 und
Taf. 1, Fig. 1) und Zernecke (95, p. 57) als »Körbchenzellen«
beschrieben haben, die Zernecke als vielleicht zur Nahrungs-
aufnahme in Beziehung stehend hält, was aber doch wohl höchst
fraglich ist.
Unsere Gebilde weichen in einem wichtigen Punkte von
den ausführlicheren Angaben Zernecke's ab und zwar in dem
Mangel der basalen Zelle. Nun gelang es ja aber mit der Eisen-
hämatoxylinmethode auch bei den unbezweifelbaren cuticularen
Nervenendapparaten nicht, die zugehörige Sinneszelle aufzu-
finden. Es dürfte also dieses negative Resultat kaum einer
Homologisierung hinderlich sein. Übrigens blieb die Impräg-
nierung der Zelle auch bei Zernecke bisweilen aus (Fig. 64
und 66), wo allerdings wenigstens der proximale Fortsatz deut-
lich blieb. Im übrigen jedoch finden wir die auffälligste Über-
einstimmung mit den Angaben Zernecke's. Sie bezieht sich
auf die oberflächliche Einsenkung der Cuticula, wie wir sie
bei Anthocephalus als typisch bezeichnen konnten. Sie bezieht sich
auf die knopfförmige Anschwellung des distalen Stäbchenendes,
die ungefähre Gruppierung der Stäbchen, wenn auch hier jenes
Umfassen der Einsenkung und die Anordnung »in zwei
Reihen« nicht erkennbar ist. Das viel derbere Aussehen in den
Abbildungen Zernecke's gegenüber unseren Bildern ist ohne
weiteres auf Rechnung der Eigentümlichkeiten derGolgi-Methode
zu setzen. Übrigens ist darauf aufmerksam zu machen, daß die
»Körbchenzellen« bisher nur bei Ligula gefunden worden sind,
daß also die vorliegende Beobachtung die erste Bestätigung
dieses Fundes enthält, wobei es merkwürdig ist, daß beide
Objekte, an denen ich diese merkwürdigen Differenzierungen
der Cuticula wiederfand, sich auf Cestodenlarven, auf nicht im
Studien über Tetrarhynchen. 575
Darm, sondern in Cysten lebende Entwicklungszustände
beziehen. Auch die Ligula, an denen die erste Beobachtung der
Körbchenzellen gemacht wurde, waren nämlich nicht die
Geschlechstiere, sondern Larven aus Fischen.
Ich gebe zu diesem Gegenstande noch einige weitere Ab-
bildungen nach Schnitten von Antkocephalns elongatns, durch-
aus Eisenhämatoxylinpräparaten entnommen.
Zunächst Fig. 21 A. Sie zeigt ein typisches Sinnesbläschen,
das sich jedoch von der sonst von uns hier beobachteten Form
dadurch unterscheidet, daß es peripher ein zartes, die Cuticula
nach außen überragendes Härchen trägt. Es erinnert das an die
Angaben von Bettendorf (97, p. 344, Fig. 31) über die Tast-
papillen bei Cercariaeum und ihre Stiftchen. Ich habe solche
Bilder wiederholt, wenn auch nicht häufig gesehen, konnte aber
nicht ganz über den Verdacht hinauskommen, ob, in meinen
Präparaten wenigstens, in dem Fädchen nicht etwa ein der
Behandlung zuzuschreibendes Kunstprodukt vorliege.
Von Interesse schienen mir Bilder, wie sie uns Fig. 21 B
zeigt. Dieselben sind in der Cuticula des vordersten Scolex-
abschnittes, der in jeder H insicht noch in Entwicklung befindliche
Gewebekomplexe zeigt, sehr häufig zu finden. Der typische
Nagelkopf des Sinnesbläschens ist an ihnen unverkennbar, das
Stiftchen des Sinnesbläschens ist aber — wie ich die Bilder auf-
fassen zu sollen glaube — noch nicht in die Cuticula hinein-
gewachsen, sondern liegt noch unter der allerdings gehobenen
Basalmembran im Innern. Das Bläschen ist noch nicht ge-
schlossen, sondern über dem Nagelkopf erst wie ein Zeltdach
ausgespannt und sein Häutchen dürfte gleichfalls von der Basal-
membran herstammen. Ist meine Deutung richtig, so wäre dann
auch die Wand der Sinnesbläschen der Basalmembran zuzu-
schreiben, somit eine Hülle parenchymatösen Ursprungs.
Auffällig sind auch die beiden Sinnesbläschen in Fig. 21 C.
Sie entstammen der kolossal dicken Cuticula der äußeren Wand
des Receptaculums, die hier durch eine unendlich zarte, fein
granulierte Struktur (viel zarter als auf der Figur) ausgezeichnet
ist. Auch diese beiden sind noch nicht geschlossen, Sondern
hängen noch mit dem hoch emporgehobenen Zeltdach der
Basalmembran zusammen, die im übrigen sowohl der Masse
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CX1I. Bd., Abt. I. 37
576 Tb. Pintner,
der Cuticula wie den darunter liegenden Ringmuskeln dicht
anliegt (ein Zeichen guter Konservierung!). Von der Spitze des
einen Sinnesbläschens nun, die ungefähr erst in der halben Dicke
der Cuticula liegt, ragt ein Stiftchen zur Peripherie empor, dessen
äußeres Ende wiederum knopfförmig angeschwollen erscheint.
Rings um dieses Stiftchen bildet die Masse der Cuticula einen
sehr deutlichen hellen Hof, aber keine Wand. Das Bild erinnert
an die in Fig. 20 A und Bt so daß es den Anschein hat, als ob
sich der periphere Stift des Sinnesbläschens verkürzen würde,
sobald es in seine normale Lage hineinwächst. Charakteristisch
ist hier auch die papillenförmige Erhebung der Cuticula, die
rings von einem Graben und einer wallartigen Erhebung um-
geben erscheint.
Zu den Sinnesbläschen sind wohl auch die merkwürdigen
Doppelbildungen in Fig. 21 D zu zählen, die ich in genau der
gleichen oder sehr ähnlicher Form wiederholt auffand.
Schwieriger ist die Deutung der Gebilde in Fig. 22 A. Diese
finden sich stets an den scharfen Rändern der Bothridien, deren
Querschnittbild von dem der Umgebung mehrfach abweicht.
Einmal ist hier die Cuticula dünner als an den übrigen Stellen
des Scolex, dann ist sie in außerordentlich zahlreiche, dicht
nebeneinander stehende Trichter eingesenkt, wie die Abbildung
des sehr dünnen Schnittes schon erkennen läßt. Von den
Trichtern führen feine Linien zu schwarzen Kügelchen an der
Basis der Cuticula, deren jedes an der Spitze einer mehr oder
weniger deutlichen Erhebung der Basalmembran liegt Unter
der ganzen Zone fehlt die Muskulatur, wenigstens die sonst so
starke Längsmuskulatur.
Alle diese Umstände scheinen darauf hinzudeuten, daß wir
Sinnesapparate, wahrscheinlich ganz junge Sinnesbläschen vor
uns haben, die an den scharfen Rändern der Bothridien, die ja
vor anderen Körperteilen zur Sinnesperzeption bestimmt sind,
eine dichtere Anhäufung, eine Art Sinneskante, erwarten lassen.
Das erinnert nun wieder an eine andere bei Teirarhynchtis
smaridum von mir beschriebene Erscheinung (93, p. 2ö —
27, Taf. 3, Fig. 31—39, 43, 44, 48, 49), nämlich an jenen
schalenförmigen Nervenplexus der Haftscheiben, der nach einer
Rinne ihres Randes hinzieht. (Nebenbei bemerkt, ist das
Studien über Tetrarhynchen. 577
Auftreten eines subepithelialen Nervenplexus bei Cestoden,
freilich nur topographisch beschränkt, wie ich glaubte, an
jenem Orte von mir zuerst ausgesprochen worden.)
Fig. 22 B endlich zeigt uns eine in der dicken Cuticula der
äußeren Receptaculumwand sehr häufige Erscheinung, nämlich
auffallend breite und tiefe Kanäle bis auf die Basalmembran
herab, in denen sich schwarze stäbchenartige Differenzierungen
zeigen. Sie erinnern am meisten an die obenerwähnten, die wir
mit den »Körbchenzellen« identifizierten, weichen aber von
diesen durch die basale Erhebung der Basalmembran, die dort
allgemein fehlte, ab.
Bemerkungen über den Bau von Amphilina.
Weiter möchte ich im folgenden einige fragmentarische
Mitteilungen über Amphilina machen, die ich wiederholt durch
freundliche Vermittlung des Herrn Direktors Cori von der
zoologischen Station in Triest in vorzüglich konservierten
Exemplaren beziehen konnte.
Diese Mitteilungen beziehen sich zunächst auf das Vorder-
ende des Wurmes.
Es ist nach den Angaben aller Autoren mit einer terminalen
Sauggrube versehen. In der Tat findet man das Vorderende
auch meist sauggrubenartig eingezogen. Unter meinen Exem-
plaren fanden sich aber in jeder Sendung mehrere Stücke, bei
denen aus diesem eingezogenen Vorderende ein kleines
Knötchen, ein warzen- oder eicheiförmiges Stück papillenartig
mehr oder weniger weit vorragte. Eine Untersuchung dieses
Gebildes ergab, daß es ein veritabler, vollkommen retraktiler
Rüssel ist, an dessen Spitze ein kolossaler Komplex von
Drüsen in einem kleinen Reservoir ausmündet, daß dieses
rüsselartige Stück nach Art eines Handschuhfingers zurück-
gestülpt werden kann und hiedurch jene Grube entsteht, die
bisher als Terminalnapf angesprochen wurde. Von einem solchen
kann bei Amphilina tatsächlich ebensowenig gesprochen werden,
wie etwa bei einem Echinococcusköpfchen, dessen Vorderende
nach Einstülpung des Rostellums eine Grube aufweist
Die Länge des Rüssels bei Individuen von 9 und mehr
Millimetern Länge beträgt zirka 0' 4, die Breite 0*36 mm. Er
37*
578 Th. Pintner,
hat also in dem von mir beobachteten Ausstülpungszustande
nach allen Richtungen ungefähr gleiche Dimensionen. Von der
Fläche her gesehen wird er meist durch Furchen rechts und
links von der Körpermasse desVorderrandes getrennt (Fig. 21 a\
nicht so nach der Rücken- und Bauchseite zu; hier wölbte er
sich eicheiförmig über die dorsale und ventrale Körpergrenze
vor, so daß das unmittelbar folgende Stück des Körpers hals-
artig verengt erscheint (Fig. 27 b). Die Vorstülpung geht so weit,
daß die Uterinmündung noch mit auf das ausgestülpte Stück
hervorgezogen wird und asymmetrisch auf den basalen Abschnitt
zu liegen kommt.
Das Innere des Rüssels nun wird von den dicht gedrängten
Ausmündungsabschnitten einer ganz gewaltigen Drüsenmasse
erfüllt, die den Körper in seiner Längsrichtung bis an die weib-
lichen Keimdrüsen heran durchzieht. Sie bildet den weitaus auf-
fälligsten und mächtigsten Gewebekomplex der vorderen vier
Fünftel des Körpers; bei einem Individuum von bmm Länge,
das mir vorliegt, liegt der Keimstock mit seinem Vorderende
etwa am Beginne des fünften Millimeters und bis zum Keimstock
sind die Drüsenmassen noch deutlich sichtbar.
Es sind deutlich zwei Drüsenzüge vorhanden, ein dorsaler
und ein ventraler, zwischen beiden sieht man auf Dorsoventral-
schnitten Hodenbläschen in einfacher Schicht angeordnet.
Die Drüsen selbst sind ganz von dem Charakter jener un-
gewöhnlich langgestreckten flaschenförmigen Gebilde, wie wir
sie bei den Rhynchodäal- und Frontaldrüsen der Tetrarhynchen
kennen gelernt haben. Auffällig ist die Größe ihrer Kerne.
Fig. 29 zeigt einen solchen Drüsenkörper, in dessen Innerem
man distal vom Kern deutlich die beginnende Umwandlung des
Plasmas in die Sekretmasse sieht; der Kern mißt 12, das Kern-
körperchen 4 jt. Fig. 30 zeigt eine Partie aus dem vorderen aus-
führenden Abschnitte, dessen Sekret durch Eisen zu ziemlich
großen schwarzen Kügelchen gefärbt wird. Daneben läßt die
Eisenfärbung hellere feinkörnigere braune Drüsengänge be-
stehen, so daß das Ganze einen sehr buntscheckigen Anblick
bietet, wie ihn die Fig. 27 bis 28 andeuten. Fig. 28 stellt den
völlig eingestülpten Rüssel dar. Die Einstülpung erzeugt ein
kleines apikales Sekretreservoir, eben den bisherigen »Saug-
Studien über Tetrarhynchen. 579
napf«, das meist von Sekretmassen völlig erfüllt erscheint Eine
Andeutung eines solchen Reservoirs ist übrigens auch bei völlig
ausgestülptem Rüssel zu erkennen.
Was das Vorkommen der frontal ausmündenden Drüsen
bei Amphüina anlangt, so ist es keineswegs unbekannt. Schon
Salensky hat sie bei Embryonen gesehen (74, Taf. 32,
Fig. 31 bis 34). Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß Teile, große
Teile jener Gebilde, die er am ausgebildeten Tiere als Retraktoren
des »Saugnapfes« deutete, nicht Muskel, sondern die Züge der
Drüsenmündungen vorstellen. Unzweifelhaft sind die von ihm,
p. 303 bis 305» beschriebenen »kolossalen Zellen« im Körper-
parenchym nichts anderes als unsere Drüsen. Dies hat schon
Lang (81, p. 394 — 395) erkannt, der ja überhaupt auf diesem
Gebiete vieles beobachtet und histologisch richtig gedeutet hat.
Auch hat Braun (94— 00, p. 1154, Anmerkung) gewiß recht,
wenn er annimmt, daß das, was A. Schneider (85, p. 120
bis 121, Tai 18, Fig. 4D) als Darm und Darmrudimente deutete,
auf die erwähnten Drüsenmassen zu beziehen ist.
Doch ist in allen diesen Angaben die überraschende
Mächtigkeit dieses Drüsenkomplexes, die erst durch die An-
wendung der Eisenhämatoxylinmethode in ihrem vollen
Umfange klar wird, nicht hervorgehoben und niemand unter
den neueren Autoren scheint die Vorstülpbarkeit des Vorder-
endes gesehen und somit dessen Bedeutung als Rüssel erkannt
zu haben.
Jedoch ist wenigstens die Vorstülpbarkeit des Vorderendes,
wie ich eben unmittelbar vor Abschluß der Arbeit bemerke,
schon von älteren Autoren gesehen und flüchtig erwähnt, wenn
auch nicht in ihrer vollen Bedeutung gewürdigt worden. So
sagt Gu. R. Wagener (58, p. 246): »Bei mäßigem Drucke schon
trat der Saugnapf in Form einer braunen Papille hervor, die
häufig noch von seinem äußeren Rande umwallt war. Diese
Papille ist von Bremser und Wedl abgebildet.« Dies stimmt
sicher für Bremser und dessen sehr gute Abbildungen (24,
Taf. 8, Fig. 6 und 7), dagegen, wie ich glaube, nicht für Wedl
(55, Ta£ IIa, Fig. 15). Den hier am vermeintlichen Hinterende
des Tieres gezeichneten Zipfel, den Wagener in dem ange-
deuteten Sinne aufzufassen scheint, möchte ich nicht auf den
580 Th. Pintner,
Rüssel beziehen. Auch erwähnt Wedl im Texte, soviel ich sehe,
nichts von dessen Retraktilität.
Diese Angaben sind später nicht beachtet worden und in
Vergessenheit geraten.
Wenn wir die eben beschriebenen Drüsen von Amphilina
mit dem vergleichen, was wir von Tetrarhynchen wissen, so
kann es kaum allzu gewagt erscheinen, wenn wir sie mit den
Frontaldrüsen direkt homologisieren. Ein unerwartetes
Gewicht scheint mir aber die frühzeitige Entwicklung der
Frontaldrüsen bei den Tetrarhynchenlarven dadurch zu er-
halten, daß die Frontaldrüsen von Amphilina nach Sälen 6k y
gleichfalls schon in frühesten Embryonalstadien auftreten (denn
zweifellos identifiziert Braun [1. c., p. 1154, Anmerkung] die
Drüsen, die Salenskyin derOncosphära fand, mit vollem Rechte
mit den später vorhandenen). Dadurch gewinnen sie die Be-
deutung phylogenetisch alter Organe und eine derartige Auf-
fassung würde dann die weite Verbreitung ähnlicher Gebilde
erklärlich machen. Wir kennen solche bei zahlreichen Trema-
tod en, sowohl bei Monogenea wie Gyrodactylus elegans nach
v. Siebold und Wagener (siehe BTaun, 94—100, p. 426)
als bei Digenea, bei denen sie z. B. von Leuckart als »Kopf-
drüsen« bezeichnet wurden (siehe ebendaselbst, p. 598), ferner
bei zahlreichen Cercarien (ebenda, p. 826 ff.).
Am wichtigsten erscheint mir aber das Auftreten von
solchen Organen bei zahlreichen Turbellarien, die mit den be-
schriebenen eine geradezu frappierende Ähnlichkeit haben, so
insonderheit bei Acölen nach v. Graff (91, p. 40 ff.), der das
betreffende Organ als »Frontalorgan« Und die zugehörigen
Drüsen als > Stirndrüsen« bezeichnet; die Beschreibung und die
Abbildungen wie die Taf. 1, Fig. 5 und 11, Taf. 3, Fig. 1,
Taf. 5, Fig. 4 und 10, Taf. 7, Fig. 3! und 6!, Taf. 9, Fig. 5!,
Taf. 10, Fig. 3! können wohl in der Tat kaum einen Zweifel
übrig lassen, daß ein morphologisch und histologisch völlig
gleichwertiges Organ vorliegt, nicht minder die Angaben von
Graff (82, z. B. Taf. 6, Fig. 3 und Taf. 16, Fig. 1) für Mesostoma
lingua O. S c h m. und Plagiostotna Girat di Gr a ff u. a. Ähnliches
gilt für andere Gruppen von Turbellarien, wie es z. B. Lang
für Gunda segmentata (81, Taf. 13, Fig. 34) beschreibt. Noch
Studien über Tetrarhynchen. 58 1
auffälliger ist aber, daß wir bei Nemertinen in weiter Ver-
breitung Organe finden, denen die hier beschriebenen tatsächlich
homolog zu sein scheinen. Es ist der von Bürger (97— 98,
p. 64—67) a!s »Kopfdrüse« bezeichnete, terminal über der
Rüsselöffnung mündende Drüsenkomplex. Über die Homologie
dieses Organes mit dem ähnlichen der Turbellarien hat sich
gleichfalls Bürger (95, p. 702) ausgesprochen, und wenn wir
uns dieser Auffassung anschließen, müßten wir es eben,
wie bereits erwähnt, als ein phylogenetisch sehr altes Organ
ansprechen, das bereits der etwaigen gemeinsamen Stammform
der Platheimihthen eigen war, ehe die Nemertinen sich von
dieser trennten. Es hat sich, wie wir fanden,auch bei parasitischen
Plattwürmergruppen, so unter den Cestoden bei Rhynchobothrien
und Antphilina, in verschiedenen Graden der Ausbildung er-
halten und hat mit Darm- oder Speicheldrüsenrudimenten
umsoweniger zu tun, als es bei den frei lebenden Formen neben
einem Pharyngealapparat und dessen Drüsenkomplexen vor-
handen ist.
Vielleicht sind auch die rätselhaften Faserzellenstränge
Will's bei Caryophyllaem (siehe Braun, 94—00, p. 1150),
die neuerdings von Mrazek (Ol, p. 488 ff.) als Rest eines
Verdauungstraktes in Anspruch genommen worden sind, nichts
anderes als ein Rest von Frontaldrüsen. Ihre histologische
Beschaffenheit würde einer solchen Deutung, wie ich mich über-
zeugte, nicht durchaus widersprechen. Ich muß aber allerdings
gestehen, daß es mir trotz eifrigen Studiums bis jetzt nicht
gelungen ist, Ausfuhrungsgänge zu finden. —
Die Feststellung der im vorhergehenden auseinander-
gesetzten Eigentümlichkeiten von Amphilina ergab sich bei
einer Untersuchung von Schnittserien dieses Tieres, die zu
meiner eigenen Information über seine Hautschichten ange-
fertigt worden waren.
Was ich über diese sagen kann, trägt noch den Charakter
des Provisorischen. Ich bitte, es wie alles Nachfolgende als eine
Art vorläufiger Mitteilung aufzufassen.
Salensky (}. c.f p. 299 ff.) unterschied zu einer Zeit, in
der auch bei viel untersuchten Plathelminthen diese Verhält-
nisse vielfach noch recht dunkel waren, vier Schichten des
582 Th. Piotner,
Integumentes: die Cuticularschicht, die Hautschicht, die Körner-
Schicht und die Drüsenschicht. Diese Schichten lassen sich
nach der Beschreibung und den Abbildungen nicht ohne weiteres
auf die uns heute bekannten Schichten des Integuments der
parasitischen Plattwürmer zurückfuhren, ebensowenig die von
ihm beobachteten Schichtenfolgen der Hautmuskulatur. Es war
hier also eine Revision geboten.
Diese ergab zunächst ungefähr folgendes (Fig. 31): Zu
äußerst finden wir eine Cuticula, völlig homolog der der
übrigen Cestoden. Dieselbe ist ungewöhnlich dünn in ihrem
Querdurchmesser, kaum viel über 2 m zeigt nach außen eine
zarte, bei Eisenhämatoxylinbehandlung dunkel gefärbte Grenze,
die wohl einer sehr reduzierten »Härchenschicht« entspricht
In der Mitte ihres Dickendurchmessers sieht man genau parallel
zu beiden Begrenzungsflächen eine zarteste Reihe dicht ge-
drängter allerfeinster Pünktchen verlaufen. Diese Cuticula ist
außerordentlich hinfällig und fehlt selbst an sonst sehr gut
konservierten Exemplaren oft völlig. So ist es denn auch nicht
zu verwundern, daß Saiensky sie nicht gesehen hat Was er
Cuticula nennt, ist nur die äußere Begrenzungslinie der nach-
folgenden Schicht, die er wie die übrigen Zonen sehr richtig
beschreibt
Konserviert man Amphiline, ohne sie vorher in einer
Flüssigkeit, und sei es selbst physiologische Kochsalzlösung,
»gereinigt« zu haben — ein, wenn es auf Untersuchung des
Integumentes ankommt, meist absolut schädliches und nicht
genug zu verdammendes Beginnen! — so findet man außen
auf der Haut einen kompakten Niederschlag der Körperhöhlen-
flüssigkeit des Wirtes mit eingelagerten Zellen und Kernen, der
der Cuticula dicht anliegt und leicht zu Irrtümern Veranlassung
geben kann. Ich betone diese hier und bei anderen Cestoden
zu konstatierende Tatsache besonders, um dem etwaigen Vor-
wurfe, ich hätte die bei Amphiline oft wirklich nicht auffindbare
Cuticula mit diesem Sediment verwechselt, im vorhinein zu
begegnen.
Es folgt nun eine breite Zone eines dichten Fibrilienfilzes,
das, was Saiensky als Hautschicht bezeichnet. Die peripheren
wallarügen Vorsprünge dieser Schicht bilden die »Waben« an
Studien über Tetrarhynchen. 583
der Oberfläche des Tieres. Mißt man diese Schicht von der
äußeren Begrenzung durch die Cuticula, etwa auf einem Längs-
schnitte, bis zur scharfen Linie, die die Längsmuskulatur bildet,
so ergibt sich eine Dicke von zirka 20 |x, von 60 und mehr jjl,
wo die Wälle der Waben durchschnitten erscheinen.
Starke Systeme lösen diese Schicht in unregelmäßig wellig
verlaufende, sich vielfach spaltende Fibrillen auf. Sie ziehen
hauptsächlich radiär zur Längsachse des Körpers. Wir sehen
aber auch zahlreiche Fibrillen im Sinne dieser Längsachse von
vorne nach hinten, dann dorsoventral, bogig u. s. f. ziehen. Sie
sind bald stärker, bald ungemein zart, je nachdem sie sich mehr
oder weniger gespalten haben. Sie bilden nicht etwa Netze wie
die Elemente des Parenchyms, sondern stets ist ihre Fibrillen-
natur klar zu erkennen. Man erkennt häufig unter ihnen deutlich
die Fortsätze der tiefer liegenden zelligen Elemente, noch
schärfer die peripheren Ausläufer der transversalen Parenchym-
muskel, wie Salensky ebenfalls sehr richtig erkannt hat. Hie
und da umschließen sie kleine Hohlräume (siehe die Figur).
Eine deutlichere »Grundsubstanz« vermochte ich nicht zu er-
kennen, bloß zahlreiche Körnchen oder Tröpfchen, ferner
Punkte, die quer geschnittene Fibrillen vorstellen. Das auffalligste
Element sind die in unregelmäßigen Abständen spärlich ein-
gelagerten großen bläschenförmigen Kerne, bezüglich deren
ich, wieder mit Salensky, nur sagen kann, daß sie keine Spur
umhüllenden Zellplasmas zeigen.
Auf diese Fibrillenschicht folgt die Längsmusku-
latur, dann die Ring- und Diagonalmuskelschicht, ganz
wie Salensky angibt, dann große beuteiförmige Zellen mit
deutlichen Fortsätzen zur Fibrillenschicht, beziehentlich Cuti-
cula. Ihr Plasma, fein granuliert, erscheint meist hell, die Kerne
groß, rund, bläschenförmig, von 8 bis 14 pi Durchmesser, neben
zahlreichen kleinen Chromatinbrocken und einem feinen Kern-
netz ein großer tief schwarzer kugeliger Nucleoius bis 2 (i Durch-
messer. Sie erscheinen der Muskelschicht mehr oder weniger
dicht angedrückt.
Ober sie hinaus gegen das Körperinnere ragt eine zweite
Schiebt großer Zellen von viel dunklerer Färbung, grobkörnigem
Plasma und im ganzen etwas kleineren Kernen. Sie senden
584 Th. Pintner,
vielfache Plasmafortsätze nach verschiedenen Richtungen,
hauptsächlich lange, vielfach gespaltene, sehr deutliche Fort-
sätze gegen die Muskelschicht und durch diese in die Fibrillen-
schicht
Es muß bemerkt werden, daß die Unterschiede zwischen
diesen beiden Zellschichten in Lage der Zellen, Aussehen, Größe
der Kerne u. s. f. keine scharfen sind, daß sie nur an günstigen
Stellen sehr gut fixierter (am besten, wie es scheint, Sublimat
mit Osmiumzusatz) und gefärbter (Eisenhämatoxylin) Präparate
so deutlich werden, wie dies in Fig. 31 wiedergegeben erscheint.
Auch habe ich keine ganz jungen Exemplare zur Verfügung
gehabt, sondern alle waren bereits geschlechtsreif und es
mußten die kleinsten unter diesen benützt werden. Denn je
größer die Tiere, desto undeutlicher im allgemeinen diese Ver-
hältnisse.
Es ist nun kein Zweifel, daß die periphere Lage der beiden
erwähnten Zellschichten der Körnerschicht Salensky's ent-
spricht, und ich neige am meisten dazu, sie als Epithel in
Anspruch zu nehmen. Ferner ist die proximale Zellage der
Drüsenschicht Salensky's gleichzusetzen und wir haben in
ihr wohl die Muskelzellen vor uns. Meine Unsicherheit in
der Deutung, die weitere bevorstehende Untersuchungen wohl
beheben dürften, erstreckt sich nur auf den Umstand, ob
diese beiden Deutungen nicht miteinander zu vertauschen
wären; für die erste Auffassung spricht die Lage und Form
der blassen Zellen, der Mangel proximaler Fortsätze. Die
Unsicherheit aber wird dadurch bedingt, daß ich im Augen-
blicke den Eindruck habe, daß die Zellen derperiphereniSchicht
stellenweise wenigstens recht spärlich, die tieferen dagegen
allenthalben reichlichst vorhanden sind.
Die Fragen, die mit Rücksicht auf die Gewebe der übrigen
Cestoden noch zu beantworten wären, wären also: J. Was
bedeutet die Fibrillenschicht, ganz besonders ihre Kerne? und
2. Wie ist die abweichende Anordnung der Muskulatur zu er-
klären?
Meine Ansicht ist folgende: Die Fibrille nschieht hat
natürlich mit der Cuticula der Cestoden gar nichts zu tun, denn
wir finden ja diese, deutlich vor. Diese Erkenntnis ist aber erst
Studien über Tetrarhy neben. 585
jetzt möglich, wo wir wissen, daß eine der sonstigen homologe
Cuticula da ist. Die Fibrillenschicht entspricht vielmehr dem,
was bei den übrigen Cestoden zwischen Cuticula und Längs-
muskulatur liegt, also den peripheren Ausläufern des Epithels
plus der äußeren Ringmuskulatur. Diese ist durch die Waben-
bildung sozusagen in Unordnung geraten und ihre Fibrillen
hauptsächlich in Verbindung mit den gegen die Cuticula
ziehenden Fortsätzen der Epithel- und der Muskelzellen der
äußeren Ringfibrillen sowie den Ausläufern der Dorsoventral-
und Transversalmuskel bilden den mächtigen Filz, der außer-
halb der Längsmuskulatur liegt.
Was bedeuten aber die plasmalosen Kerne in dieserSchicht?
Zweifellos sind es Kerne zugrunde gegangener Zellen. Ich glaube,
es sind Kerne von Epithelzellen, deren Kernen sie ja völlig
gleichen, von Epithelzellen, die die Verlagerung in die Tiefe
nicht mitgemacht haben, die etwa durch jenen Zug, der die
Wülste der oberflächlichen Waben entstehen ließ, hieran ver-
hindert wurden und deren Plasma dann völlig zerfiel, fibrillär
zerfiel wie die ganze Umgebung. Man könnte daran denken,
daß mechanische Gründe das Bestehenbleiben großer Zellkörper
in jener Schicht verbieten, dieselben mechanischen Gründe, die
die Tiefenwanderung der Epithel- und Muskelzellen überhaupt
veranlassen.
Die Turbellarien besitzen als Bewegungsapparat ihr Cilien-
kleid und ihre Muskulatur. Diese beiden Organe teilen sich in
die lokomotorische Tätigkeit. Das Wimperepithel besorgt die
gleichmäßig fortgleitende Bewegung, die Muskulatur die Kon-
traktionen, Schlängelungen beim Schwimmen, Windungen und
Wendungen. Bei den Parasiten dagegen ist das Flimmerkleid
fortgefallen (vielleicht weil der zu seiner Arbeit nötige Sauer-
stoff hier nicht vorhanden ist), die Muskulatur hat die ganze
lokomotorische Tätigkeit allein übernommen und dieses Plus,
das ihr zufiel, bedingt eine derartige Erhöhung der Festigkeit
eines exoskelettähnlichen Widerlagers, daß nicht nur eine Cuti-
cula erzeugt werden, sondern zu ihrer Verstärkung auch noch
die Basalmembran über das Epithel herübergezogen und mit
der Cuticula verlötet werden mußte. Mit ihr wanderte der ganze
Hautmuskelschlauch, der an ihr inseriert, peripheriewärts und
586 Th. Pintner,
die Epithelien, die das glatte Funktionieren dieses ewig bewegten
Mechanismus vielleicht hindern würden, in die Tiefe.
Parallele Verhältnisse treffen wir ja nach Bloch mann bei
Blutegeln, Holothurien etc., wo ähnliche mechanische Gründe
vorhanden sein mögen, dann am Tricladenpkarynx nach
Jan der (97) und an der Kriechleiste der Rhynchodemiden und
Bipaliiden nach Graff (99, p. 41 ff.), also in diesen beiden
Fällen wiederum an Orten, wo die Muskeltätigkeit gtgen die
Bedeutung des Flimmerbesatzes weit in den Vordergrund tritt,
so daß man hier wieder den Eindruck gewinnt, daß mechanische
Ursachen das Verbleiben der Zellkörper an der Oberfläche nicht
gestatten.
Ist dieser Ideengang richtig, so dürften wir wohl speziell
für Amphilina annehmen, daß einzelne Epithelzellen, durch die
Wabenbildung im Integument an der Tiefenwanderung ver-
hindert, ihren Zellkörper unter den mechanischen Gesetzen, die
die Konfiguration des Integumentes bedingen, völlig in fibrilläre
Substanz umwandeln mußten, so daß nur die nackten Kerne
übriggeblieben sind.
Wenn wir endlich noch bedenken, daß die Anlagerung
einer zweiten mächtigen Ringmuskelschicht von innen an die
Längs- und Diagonalmuskulatur der Haut nichts Überraschendes
hat, so wären die Integumentschichten von Amphilina unter
diesen Gesichtspunkten auf diejenigen der anderen Cestoden
befriedigend zurückgeführt, wobei ich mir nicht verhehle,
daß weitere im Zuge befindliche Untersuchungen zur Sicherung
dieser Ergebnisse nötig sind.
Was aber noch speziell die Deutung der plasmalosen Kerne
der Fibrillenschicht als hier zurückgebliebene Epithelzellenreste
anlangt, so werde ich nächstens zwei auffällige Beispiele von
Zellagerung bei Rhynchobothrien publizieren, die zeigen, wie
überraschend groß hier die gegenseitige Verschiebbarkeit der
peripheren Zellschichten ist, so daß eine solche Erklärung
nichts Gezwungenes zurückbehalten dürfte. Ich meine eine
höchst eigentümliche periphere Zellschicht im Kopfstiel von
Rhynchobothrius Ungualis Autt. und eine noch auffälligere
völlige Überlagerung des Epithels durch die Myoblasten der
Subcuticularfibrillen bei Anthocephalus elongatus.
Studien über Tetrarhynchen. 587
Über die Cuticula von Taenia saginata.
Den Charakter einer vorläufigen Mitteilung haben auch die
folgenden Angaben, die sich auf Taenia saginata beziehen.
Die Frage nach der basalen Endigungsweise der Epithel-
zellen, die ich an anderem Orte zu behandeln gedenke, ver-
anlaßte mich, durch unseren vortrefflichen Präparator und
Zeichner, Herrn Karl Bergmann, sehr feine Schnitte von Taenia
saginata (1 bis 2l/t p. dick) anfertigen zu lassen, zumal mir
gerade frisches, sehr gut fixiertes Material, das von der vorher-
gehenden Berührung mit Wasser sorgfältig bewahrt worden
war, zur Verfügung stand.
Diese Schnitte zeigten nun höchst auffällige Differenzie-
rungen der Grenzschichten des Integuments, die ich hier
zunächst ganz kurz beschreibe, ohne mich in eine Deutung ein-
zulassen.
Bei Färbung mit Eisenhämatoxylin und nachfolgendem
Orange zeigte die Hauptschicht der Cuticula (Fig. 32 H)
eine helle Schokoladefarbe und völlig homogene Struktur. Nach
außen war sie von einer dunklen Doppelkontur begrenzt (hä)
deren innere Linie stets entschieden dunkler erschien. Die
stärksten Apochromatokuiare schienen hie und da eine leise
Andeutung einer dichten Strichelung zu ergeben; jedenfalls
liegt hier die Härchenschicht vor. Am interessantesten ge-
staltete sich das Aussehen der Basis der Hauptschicht.
Schwächere Vergrößerungen ergaben scheinbar ein sehr deut-
liches und schönes Bild der »Basalmembran«: eine schwarze
Grenzlinie der Hauptschicht nach innen und darunter einen
hellen gelben Saum über der Schicht der Zirkularfibrillen (c)
und den nach innen folgenden cuticularen Längsmuskeln (l).
Die starken Systeme lösten diese Basalmembran jedoch mit
aller nur wünschenswerten Deutlichkeit in eine Schicht feiner
dichter, streng paralleler gelber Plasmastäbchen auf, deren
jedes mit einem etwas verdickten und ein klein wenig längs-
gestrecktem Korn endete. Von diesem Korn nach außen schien
eine ganz kurze Strecke auch noch die Hauptmasse der
Cuticula in den Stäbchen und Körnern entsprechende Streifen
zerlegt, doch war diese Struktur viel weniger deutlich und
588 Th. Pintner,
verschwand bald im übrigens homogenen Gefüge der Cuticula
(Fig. 33). Der Zusammenschluß der Körner bildet bei schwächeren
Vergrößerungen die schwarze Basallinie der Cuticula, die gelben
Stäbchen die Masse der »Basalmembran«. Sehr schön sieht man
allenthalben die peripheren Fibrillen der Epithelzellen (Fig. 32),
ja häufig erscheint ihr gesamtes Plasma in Fibrillen zerfallen
(Fig. 32), die teils gelb teils schwarz gefärbt erscheinen. (Dies
ist interessant mit Rücksicht auf den fibrillären Zerfall, den wir
oben für das Plasma der Kerne in der Fibrillenschicht von
Atnphilina angenommen haben.) Es liegt nahe, die subcuticu-
laren Stäbchen und ihre Körner als Fortsetzungen der Fibrillen
des Zellplasmas anzusehen, zumal sie ihnen an Dicke, Aussehen,
ungefährer Zahl u. s. f. durchaus entsprechen. Doch konnte ich
absolut erweisende Bilder hiefür bis jetzt nicht erhalten.
Aber selbst wenn dieser Zusammenhang erwiesen wäre,
hätte man wohl diese Grenzschicht nicht einfach als die be-
kannten plasmatischen Verbindungssäulchen zwischen den
Epithelzellen und der Cuticula, sondern als eine cytologisch
besonders differenzierte Partie dieser Organe zu bezeichnen, da
sie durch ihre hochgradige Regelmäßigkeit und Dichtigkeit
einem »Stäbchensaum« völlig gleichen.
An Fig. 15 von Rhynckobothrius adenoplusius sieht man
eine ähnliche, wahrscheinlich homologe Körnelung der Basal-
schicht der Cuticularhauptmasse.
Außer den erwähnten Differenzierungen zeigen sich in der
Hauptmasse der Cuticula aber noch zweierlei andere, wenn
auch nicht immer und bisweilen nur undeutlich. Einmal sehen
wir (Fig. 32) etwa in der Hälfte des Durchmessers feinste
schwarze Körnchen, viel kleiner als die Körner der Stäbchen,
unregelmäßig, etwa in einer Linie angeordnet Häutig schienen
mir zwei nahe beieinander zu liegen, bisweilen eines durch
eine noch feinere schwarze Linie mit einem gleichen, tiefer
gelegenen verbunden. Kunstprodukte schlechthin können nicht
vorliegen, da diese Pünktchen nur in dieser Zone, sonst nicht
in der Cuticula aufzufinden sind. Ob sie eine Beziehung zu der
obenerwähnten Punktreihe in der Cuticula von Atnphilina
haben, die aber viel dichter und regelmäßiger ist, kann ich nicht
sagen.
Studien über Tetrarhynchen. 589
Es ist naheliegend, bei manchen dieser Differenzierungen
an Basalkörperchen,Diplosomen, Fußstücke von verschmolzenen
Cilien u. dgl. zu denken, doch müssen die Untersuchungen
noch viel weiter geführt werden, ehe solche Vermutungen
einigen Halt gewinnen könnten.
Zweitens sieht man in der Hauptmasse der Cuticula spalten-
formige Hohlräume stets mit breiter Basis, nach der Peripherie,
die sie meist nicht erreichen, hin sich verjüngend. Sie fehlen
häufig vollkommen, oft sind sie spärlich, bisweilen zahlreich,
was so weit gehen kann, daß sie die Cuticula völlig zerfressen,
so daß sie dann mazeriert aussieht. Ich halte sie für Kunst-
produkte. Manchmal wird einem jedoch diese Annahme recht
schwer gemacht. Man sieht dann Fortsetzungen der Spalten in
das Innere. Die Stäbchen treten da auseinander und es schien,
als ob die Körner, die zu den beiden Seiten eines solchen Spaltes
lagern, etwas größer wären als die übrigen.
Über den exkretorischen Apparat von Amphilina.
Diese gelegentlich gemachten Beobachtungen beziehen
sich auf die Terminalzeilen, die bei Antphilinafsoviel mir bekannt,
noch nicht gesehen worden sind. Ich gebe Bilder von ihnen in
Fig. 34, die zeigen, daß sie die typische Form der Flimmer-
trichter der Cestoden besitzen. In vielfach verästelten Zellen
mit reichlichem Plasma liegen Kerne, 8 und mehr (t groß, rund,
bläschenförmig, mit größerem Nucieolus und zahlreichen
kleineren Einschlüssen. Die Breite des Trichters beträgt nicht
ganz 6 [x, er zeigt die bekannte ringförmige Verdickung und
geht in die Kapillare über, die nach einer Verengung am Trichter-
ansatz bisweilen bald wieder beträchtlichen Durchmesser an-
nimmt. Der Flimmerlappen ist bis 10 jx lang und zeigt eine
sehr schön ausgebildete Längsstreifung und die Basalplatte
(K. C. Schneider, 02, p. 315), keineswegs immer dem Kern
dicht angelagert
Sehr interessant aber war mir das Vorkommen von Ent-
wicklungsstadien von Wimperflammen in einem jüngeren
Exemplare, die völlig an das erinnern, was Bugge (02, p. 215
bis 216) in seiner an schönen und überraschenden Resultaten
so reichen Arbeit über das Exkretionssystem der Cestoden und
590 Th. Pintner,
Trematoden von diesen letzteren beschreibt. Ich fand hier in
großer Anzahl ganze Büschel von Wimperflammen verschiedener
Größe. Es gehörte gewöhnlich ein großes Flimmerläppchen zu
einem entsprechend großen Kern, während eine Anzahl weitaus
kleinerer dem großen dicht angelagert waren und, wie Bugge
sagt, »noch keine eigenen Kerne« zeigten, vielleicht »als
Abspaltungsgebüde der großen Flammen anzusehen«. Eine
solche Gruppe ist in Fig. 35 genau mit der Camera entworfen.
Wir sehen zwei große Kerne von 1 Oft Durchmesser mit reichstem
Chromatinnetz und mehreren Kernkörperchen. Zu dem einen
Kern gehört eine große Wimperflamme, an ihrer Basis nicht
weniger als 6 j*. breit, 18 pt lang, deutlich längsgestreift, mit einer
schmalen sichelförmigen Basalplatte. Sie ist in eine tiefe Delle
des Kernes förmlich hineingesteckt, hinter der Ansatzstelle sah
man nämlich die Kugelkontur des Kernes noch stark über sie
vorragen, was in der Zeichnung nicht wiedergegeben werden
konnte. An der Delle zeigte der Kern eine dichte schwarz ge-
färbte Chromatinlage und über derselben einen Bogen schwarzer
Kügelchen. Neben der Hauptflamme liegen aber nicht weniger
wie acht weitere Flammen, von denen die größeren äußersten
und untersten möglicherweise zu besonderen Kernen ge-
hören, die am Schnitte nicht mitgetroflfen sind, gewiß nicht aber
die sechs kleineren, die schmal, nagelförmig, bis zu 6 (Jt Länge
herabgehen. Ganz ähnliche Gruppen sind in Fig. 35 & wieder-
gegeben (ungefähr skizziert, ohne Camera; die Pünktchen
über den kleinen Läppchen bedeuten in allen Fällen die zuge-
hörigen Basalplatten, nicht etwa kleine Kerne).
In keinem dieser Fälle konnte ich etwas vom Trichter und
von der Kapillare beobachten, ebensowenig als ich Angaben
über die Hauptkanäle zu machen weiß, deren Verlauf bei
Amphilina uns ja noch unbekannt ist, worüber ich mir weiteres
vorbehalte.
Dagegen beobachtete ich einen der großen Flimmerlappen
(Fig. 35 c) in einem frühen Entwicklungsstadium, in dem ihm
die Trichterwand als eine dünne Plasmaschicht noch dicht
anlag. Hier war auch die Basalplatte noch deutlich in ihre
Bestandteile, eine einfache regelmäßige Reihe von Basal-
körperchen, aufgelöst, was sonst nicht eben leicht zu beobachten
Studien über Tetrarhynchen. 59 t
ist (vgl. aber die Abbildungen von Bloch mann, 96, Taf. 2,
Fig. 2 W. TV.).
Literatur.
97. Bettendorf Heinrich, Über Muskulatur und Sinnes-
zellen der Trematoden, in Z. Jahrb., Anat. Abt., 10. Bd.,
S. 307 bis 358, Taf. 28 bis 32.
96. Blochmann F., Die Epithelfrage bei Cestoden und
Trematoden. Hamburg, 12 Seiten, 2 Tafeln.
94—00. Braun M., Bronn's Klassen und Ordnungen etc.
4. Bd., Vermes, Abth. I b, Cestodes, Leipzig.
24. Bremser J. G., Icones Helminthum etc. Viennae.
02. Bugge Georg, Zur Kenntnis des Exkretionsgefäß-
systems der Cestoden und Trematoden, in Z. Jahrb.,
Anat. Abt., 16. Bd., S. 177 bis 234, Taf. 21 bis 24.
95. Bürger Otto, Die Nemertinen des Golfes von Neapel,
in »Fauna und Flora«, 22. Monographie etc.
97 — 98. Bürger Otto, Nemertini, in Bronn's »Klassen und
Ordnungen etc.«, 4, Bd., Suppl., Lief. 1 bis 9 etc.
63. D i e s i n g K. M., Revision der Cephalocotyleen.
Abteilung Paramecocotyleen, in diesen Sitzungsber.,
matem.-naturw. Kl., 48. Bd., I. Abt., S. 200 bis 345.
82. Graff Ludwig v., Monographie der Turbellarien.
1. Rhabdocoelida. Leipzig. Text und Atlas etc.
91. Graff Ludwig v., Die Organisation der Turbellaria
acoela. Leipzig. 90 Seiten, 10 Tafeln.
99. Graff Ludwig v., Monographie der Turbellarien.
2. Tricladida terricola. Leipzig. Text und Atlas etc.
97. Jan der Rieh., Die Epithelverhältnisse des Tricladen-
pharynx, in Z. Jahrb., Anat. Abt., 10. Bd., S. 157 bis 204,
Taf. 13 bis 15.
81a. Lang A., Untersuchungen zur vergleichenden Ana-
tomie und Histologie des Nervensystems der Plathel-
minthen. III. Das Nervensystem der Cestoden im
allgemeinen und dasjenige der Tetrarhynchen im
besonderen, in Mitt. der zoolog. Station Neapel, 2. Bd.,
S. 372 bis 400, Taf. 15 und 16, 8 Fig.
Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXII. Bd., Abt. I. 38
592 Th. Pintner,
81b. Lang A., Der Bau von Gunda segmentata etc., in
Mitt. der zoolog. Station Neapel, 3. Bd., S. 187 bis 251,
Taf. 12 bis 14.
79 — 86. Leuckart R.,Die Parasiten des Menschen etc., 2. Aufl.,
1. Bd., 1. Abt. Leipzig und Heidelberg.
? Leuckart und Nitsche, Zoologische Wandtafeln.
Leipzig. Taf. 44.
97. Li n ton Edwin, Notes on Larval Cestode Parasites
of Fishes, in Proc. U. St. National Museum, Vol. 19,
p. 787—824, T. 61 — 68. Washington.
00. Linton Edwin, Fish Parasites collected at Woods
Hole in 1898, in U. S. Fish Commission Bulletin for
1899, p. 267—304, T. 33—43. Washington.
94. Mingazzini Pio,Ricerche sul parassitismo, in Ricerche
Laboratorio Anat. Roma, Vol. 3, p. 205—219, T. 9.
00. Mingazzini Pio, Nuove ricerche sulle cisti degli
Elminti, in Arch. Parasitologie. Paris. Tome 3, p. 134
ä 162, 12 fig.
01. Mrazek AI., Über die Larve von Caryophyllaeus
mutabilis Rud., in Zentralbl. Bakt. Parasitk. Jena,
1. Abt., 29. Bd., S. 485 bis 491, 3 Fig.
93. Pintner Theodor, Studien an Tetrarhynchen nebst
Beobachtungen an anderen Bandwürmern. 1. Mit-
teilung: Teirarhynchus sntaridum Pintner, in diesen
Sitzungsber., mathem.-naturw. KL, Bd. 102, S. 605 bis
650, 4 Tafeln.
96. Pintner Theodor, Idem. 2. Mitteilung: Ober eine
Tetrarhynchenlarve aus dem Magen von Heptanchus,
nebst Bemerkungen über das Exkretionssystem ver-
schiedener Cestoden. Ibid., Bd. 105, S. 652 bis 682,
4 Tafeln.
99. Pintner Theodor, Die Rhynchodäaldrüsen der Tetra-
rhynchen, in Arb. Z. Inst. Wien. Tom. 12, S. 1 bis 24,
Taf. 1 bis 3.
74. Sälen sky W., Über den Bau und die Entwicklungs-
geschichte der Amphilinay in Zeit. Wiss. Z., 24. Bd.,
S. 291 bis 342, Taf. 28 bis 32.
Studien über Tetrarhynchen. 593
84. Schneider A., Neue Beiträge zur Kenntnis der Plathel-
minthen, in Z. Beiträge. Breslau. 1. Bd., S. 116 bis 126,
Taf. 18 und 19, 2 Figuren.
02. Schneider Karl Camillo, Lehrbuch der vergleichenden
Histologie der Tiere. Jena etc.
99. Vaullegeard A., Recherches sur les Tetrarhynches.
Theses etc. Caen.
54. Wagener G. R, Die Entwicklung der Cestoden etc.
in Nov. acta. Breslau und Bonn. 24. Bd. Supplement.
57. Wagen er G. R., Beiträge zur Entwicklungsgeschichte
der Eingeweidewürmer, in Naturk. Verhandelingen
Holl. Maatsch. Weetensch. Haarlem. Tweede Verz.
Dertiende Deel.
58. Wagen er G., Enthelmintica Nr. V. Über Amphilina
foliacea (Monostomum foliaceum Rud.), Gyrocotyle
Diesing und Amphiptyches Gr. W. in Arch. Naturg.,
24. Jahrg., 1. Bd. Berlin 1858. S. 244 bis 249, Taf. 8.
55. Wedl K.,Helminthologische Notizen, in diesen Sitzungs-
ber., mathem.-naturw. KL, 16. Bd., S. 371 bis 394,
Taf. Ia, IIa und III.
03. Zschokke F., Marine Schmarotzer in Süßwasser-
fischen, in Verh. Naturf. Ges. Basel. Bd. 16, S. 118 bis
157, Taf. 1.
95. Zernecke Ernst, Untersuchungen über den feineren
Bau der Cestoden, in Z. Jahrb., Anat. Abt., 9. Bd., S. 92
bis 161, T. 8 bis J4.
38*
594 Th. Pintner,
Tafelerklärung.
Tafel I enthält die Figuren 1 bis 6, 9 und 14; Tafel II die Figuren 7, 8,
10 bis 13 und 15 bis 17; Taf. III die Figuren 18 bis 27, 29, 30 und 32; Tafel IV
die Figuren 28, 31 und 33 bis 35.
Es beziehen sich auf Rhynchobothrius adenoplusius n. sämtliche Figuren
auf Tafel I und II, ferner auf Tafel III die Figuren 23 bis 26; auf Anthocephalus
. elongatus die Figuren 17 bis 22; auf Amphilina foliacea die Figuren 27 bis 31,
34 und 35 und auf Taenia saginata die Figuren 32 und 33.
Es bedeutet:
b die Basalmembran;
c die subcuticularen Zirkulärfibrillen;
do die Dotterstöcke;
arm Mündungen von Finnendrüsen;
e das engere,
E das weitere Exkretionsgefäß des Blasenkörpers;
ep das Körperepithel ;
fr Bündel von Ausführungsgängen der Frontaldrüsen;
ge im Receptaculum vorhandene Gerinnselballcn;
h die Harnblase;
H die Hauptschicht der Cuticula;
hä Härchenschicht der Cuticula;
Ka Kalkkörperchen ;
Kep Kerne der Epithelzellen;
/ die subcuticularen Längsmuskeln;
my Myoblasten der Kolbenmuskeln;
mr die Mündung des Receptaculums;
n die Seitenstränge des Nervensystems in der Blase und
n' im Scolcx;
r das Receptaculum;
rs die Rüsselscheiden;
se Sekretpfropfen in den Drüsenausführungsgängen;
sp Spiral gedrehte Stellen von Finnendrüsen;
tr — tr' Trennungszone des Scolex vom Blasenkörper;
ut Uterus.
Fig. 1 (Taf. I). Larvenkörper, aus der Cyste herauspräpariert, nach einem
gefärbten und in Balsam eingeschlossenen Präparate gezeichnet. Ver-
größerung zirka 35* 5 mal.
Studien über Tetrarhynchen. 595
Fig. 2 (Taf. I). Junges Stadium, in derselben Weise präpariert (Safraninlösung),
bei derselben Vergrößerung.
Fig. 3 (Taf. I). Härchen und FrontaldrÜ9enmündungen vom Stirnrande des
Scolex, sehr stark vergrößert (Zeiss Apochr. 4 mm, Ok. 6), haupt-
sächlich um das gegenseitige Größenverhältnis und den Charakter
beider an Schnitten zu zeigen, an denen sie dicht nebeneinander
liegen.
Fig. 4 (Taf. I). Hinterende des Larvenkörpers bei zirka 104 maliger Ver-
größerung.
Fig. 5 (Taf. I). Teile von Ausführungsgängen von Frontaldrüsen bei zirka
92 maliger Vergrößerung. Auf einem Flächenschnitte.
Fig. 6 (Täf. I). Stück eines Flächenschnittes durch die Receptaculumregion.
Der Receptaculumkanal ist nicht durchaus getroffen, sondern der
Schnitt führt bei der Gewebebrücke br tangential an ihm vorbei.
Vergrößerung zirka 440 mal. Unterhalb der in den vordersten Scolex-
teil eintretenden Drüsenstraßen sieht man die Rüsselscheiden fünfmal
quergetroffen, oberhalb der Drüsenstraßen zweimal tangential an-
geschnitten. Von den Muskelkolben der Rüssel ist einer von der
Fläche gesehen, einer durchschnitten, innen mit dem Retraktor.
Fig. 7 (Taf. II). Querschnitt durch den Scolex in der Bothridialregion, um
gegenseitige Lagerung und Größenverhältnisse von Rüsselscheiden,
Rüsseln, Nervensystem, Frontaldrüsenstraßen, Kalkkörperchen und
Exkretionsgefaßen zu zeigen. Oben und unten in der Figur entspricht
der Dorsal- und Ventral-, rechts und links den Seitenflächen.
Fig. 8 (Taf. II). Ein Stück der Fig. 2 von vorne und links bei stärkerer (zirka
104maliger) Vergrößerung. Die dunkle Masse auf der rechten Seite
der Figur ist die Randzone der noch jungen, auf Fig. 2 in der Körper-
mitte gelegenen Frontaldrüsen. Lateral von ihnen liegen die Finnen-
drüsen mit ihren Ausführungsgängen, in denen bisweilen wie bei sc
Sekretpfropfen erscheinen. Die Punkte sind die Kerne der Epithel-
zellen, dann sieht man den lateralen Nervenstrang, das weitere
Exkretionsgefäß und drei aus wenigen Fibrillen zusammengesetzte
Längsmuskelbündel.
Fig. 9 (Taf. I). Einzelne von den »Finnendrüsen«, noch stärker vergrößert
(zirka 400 mal). Bei sc Sekretpfropfenreihe, sp Spiraldrehungen des
Drüsenkörpers. Rechts der Körperrand.
Fig. 10 (Taf. II). Frontaler Schnitt senkrecht zur Medianebene durch die Scolex-
mitte. Eisenhamatoxylinfärbung. Mündungen der Frontaldrüsen (Ver-
größerung : Zeiss Apochr. 4 mm, Ok. 6. Camera. Tisch von 2\ cm
Höhe als Zeichenfläche, von der der Spiegelknopf mit seinem oberen
Rande IS cm absteht).
Fig. 1 1 (Taf. II). Receptaculum und Scolexanlage zweier Larven, die deutlich
die Trennungslinie des Scolex tr—tr1 vom Blasenkörper zeigen, tr und
tr' schnellen nach der Abtrennung zur Umgrenzung des Exkretions-
porus des späteren Scolex zusammen; die ganze dunkel gezeichnete
Partie stellt die Scolexgewebe dar, die nach der Trennung in das
596 Th. Pintner,
Scolexinnere verlagert werden. Im optischen Schnitte bei zirka
20 maliger Vergrößerung.
Fig. 12 (Taf. II). Vorderster Teil einer sehr jungen Larve, noch ohne aus-
gebildeten Scolex. Man sieht ins Receptaculum die polsterfönnigen
Scolexanlagen hineinragen. Die ovalen, kleinen wie größeren Gebilde
sind die ganz jungen Frontaldrüsen, die spindelig ausgezogenen
Gebilde, die Finnendrüsen (Zeiss, Tisch Apochr. 16*00 mm, Ok. 4,
Camera).
Fig. 13 (Taf. II). a Cuticularschichten von einem Längsschnitte vom Vorder-
rande des Blasenkörpers, schon gegen die Receptaculummündung
gelegen. Infolge der Krümmung sind Teile des Integumentes häufig
tangential getroffen, so die subcuticularen Zirkularfibrillen (c). Zeiss,
Apochr. 2 mm, Homog. Imm. Ok. 6, Camera, Zeichenfläche in der
Fußebene des Mikroskopes. c ebendaher, b dagegen aus der hinteren
Region des Blasenkörpers.
Fig. 14 (Taf. I). a »Härchen« in Schuppenform vom Scolex und von der
Innenwand des Receptaculums bei sehr starker Vergrößerung (Zeiss
Apochr. 2 mm, Homog. Imm. Ok. 8) ohne Camera skizziert b und c
Frontaldrüsenmündungen bei der gleichen Vergrößerung.
Fig. 15 (Taf. II). Cuticularstück quer auf die Hauptachse des Körpers. Die
Hauptschicht H zeigt eine basale Differenzierung sehr regelmäßig
angeordneter Körnchen. Diesen folgt ein heller Zwischenraum über
den Hautmuskelfibrillen, der der Basalmembran entspräche. Die
gleiche Vergrößerung wie Fig. 14.
Fig. 16 (Taf. II). Stück der Hautoberfläche, auf einem Schnitte tangential
getroffen; Eisenhämatoxylin ; Vergrößerung wie Fig. 13.
Fig. 17 (Taf. II). Schnitt durch die äußere Blasenhaut parallel zur Längsachse;
Vergrößerung wie in Fig. 13 a.
Fig. 18 (Taf. III). Schnitte durch die äußere Blasenhaut von Anthocephalus
clongatus.
Fig. 19 (Taf. III). Ebensolche.
Fig. 20 (Taf. III). Nervenendapparate in der Cuticula von Anthocephalus
clongatus, ohne Camera bei einer Vergrößerung Zeiss 2 mm, Apochr.
Homog. Imm. Ok. 6, 8 skizziert. Nach Eisenhämatoxylin -Van Giesson-
Präparaten.
Fig. 2t und 22 (Taf. III). Sämtlich Querschnitte durch die Haut eines Antho-
cephalus clongatus aus der Leber von Orthagoriscus mola, Messina.
Die Schnitte rühren von einem aus der Cyste befreiten Individuum
her, das während seiner rhythmischen Bewegungen im Seewasser mit
heißer Sublimatlösung übergössen und daher in sehr gestrecktem
Zustande konserviert worden war. Die enormen Unterschiede in der
Dicke der Cuticula an verschiedenen Stellen, auf die hier besonders
hingewiesen sei, entsprechen daher einem natürlichen Verhältnisse,
nicht etwa zufälligen Faltungen oder Zusammenziehungen. Sämtliche
Figuren bei genau gleicher Vergrößerung (Zeiss Apochr. 2 mm,
H. J. Oc. 6 Camera, Tisch) gezeichnet. Fig. 21 A von der Außen-
Studien über Tetrarhynchen. 597
fläche der Larve; Fig. 21 B von der Cuticula des Scolex und zwar
der Bothridien; Fig. 21 C ebendaher; Fig. 21 D von der Außenwand
des Receptaculums; Fig. 22 A von den Saugscheiben und zwar
gerade die Ecke ihres Querschnittes; Fig. 22 B von der Außenwand
des Receptaculums.
Fig. 23 und 24 (Taf. III). Künstlich ausgestülpte Scolices von Rhynchobothrius
adcnoplusius bei zirka 55 maliger Vergrößerung, von der Fläche und
von der Seite.
Fig. 25 (Taf. III). Lage der Muskelkolben und der Rüsselscheiden innerhalb
des Receptaculums, etwas stärker vergrößert als in der vorigen Figur.
Fig. 26 (Taf. III). a Stück eines ausgestülpten, b, c Haken von eingestülpten
Rüsseln, zirka 436 mal. Bei a sieht man sehr hübsch die platten
linearen Kerne der Matrixzellen der Rüsselwand.
Fig. 27 (Taf. III). a Vorderende einer Amphilina foliacea. Flächenschnitt eines
in Tellyesnicky'scher Flüssigkeit fixierten Exemplars (Vergrößerung:
Zeiss Apochr. 16 mm, Ok. 4, Camera, Tisch), b Dorsoventralschnitt
eines ebensolchen Individuums, bei genau gleicher Vergrößerung.
Der Schnitt ist nicht median, sondern im vorderen Teile etwas, im
hinteren noch mehr seitlich. Das Längsstamm des Nervensystems
teüt sich vorne Y-förmig und bildet die von Lang angegebene Ring-
kommissur.
Fig. 28 (Taf. IV). Dorsoventralschnitt, median, bei eingestülptem Rüssel.
d Dorsal-, v Ventralseite. Die gleiche Vergrößerung.
Fig. 29 (Taf. III). Frontaldrüse von Amphilina (Zeiss Apochr. 2 mm, Homog.
Imm. Ok. 6, Camera, Tisch).
Fig. 30 (Taf. III). Stück aus den ausführenden Frontaldrüsenabschnitten. Eisen-
hämatoxylinfarbung. Die gleiche Vergrößerung.
Fig. 31 (Taf. III). Integument von Amphilina, auf einem dorsoventralen Längs-
schnitte dieses Tieres dargestellt. Eisenhämatoxylinbehandlung (Zeiss
Apochr., 2 mm, Homog. Imm. Ok. 6, Zeichenapparat, Tisch).
Fig. 32 (Taf. III). Stück von einem Längsschnitt durch eine junge Proglottis
von Tacnia saginaia (Fixierung mit Perenyi'scher Flüssigkeit), bei der
gleichen Vergrößerung, pl Parenchymlängsmuskelbündel.
Fig. 33 (Taf. IV). Dieselben Schichten auf einem Querschnitte (Fixierung mit
Flemming'scher Flüssigkeit) bei gleicher Vergrößerung, jedoch nicht
in der Tisch-, sondern in der Fußhöhe des Mikroskopes gezeichnet,
daher noch größer als in der vorhergehenden Figur.
Fig. 34 (Taf. IV). Zwei Terminalzellen des exkretorischen Apparates von einer
reifen Amphilina, in derselben Vergrößerung wie Fig. 3 1 gezeichnet.
Fig. 35 (Taf. IV). a Entwicklungsstadien derselben von einem jüngeren Tiere,
bei gleicher Vergrößerung, b Ähnliche Gruppen, ohne Camera un-
gefähr skizziert und ungenauer in den Größenverhältnissen, c Junger
Flimmerlappen ; Camerazeichnung wie a.
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599
XVIII. SITZUNG VOM 9. JULI 1903.
Erschienen: Mitteilungen der Erdbeben-Kommission. Neue Folge,
Nr. XV.
Die k. und k. Marinesektion übersendet die Abschrift
eines Telegrammes des Kommandos S. M. Schiffes »Zenta« de
dato Bahia, 4. Juli 1903, welches folgenden Wortlaut hat:
»Letzte Nachrichten Expedition Steindachner 25. Mai
Paranagua, Resultate sehr befriedigend, Penther
Rheuma, sonst alles wohl.«
Dr. G. Perier, Mattre des Conferences an der Faculte des
Sciences in Rennes, übersendet eine Mitteilung, worin die
Priorität bezüglich der von Dr. Max Fortner in Prag veröffent-
lichten Abhandlung: Ȇber die Kondensation von Fluoren
mit Benzoylchlorid« angesprochen wird.
Das w. M. Prof. Guido Goldschmiedt übersendet sechs
im chemischen Laboratorium der k. k. deutschen Universität in
Prag ausgeführte Arbeiten:
I. »Über das Methylbetain der Papaverinsäure«, von
G. Goldschmiedt und O. Hönigschmid.
IL »Zur Kenntnis der quantitativen Methoxyl- und
Methylimidbestimmung«, von G. Goldschmiedt und
O. Hönigschmid.
III. »Zur Kenntnis der Kondensationsprodukte von
Dibenzylketon und Benzaldehyd«, von G. Gold-
schmiedt und K. Spitzauer.
IV. »Über Acidimetrie der Oxyaldehyde«, von Hans
Meyer.
600
V. »Über Esterifizierungen mittels Schwefelsäure«
von Hans Meyer.
VI. Ȇber die Entstehung von Diamanten aus Silicat-
schmelzen«, von R. v. Hasslinger und J. Wolf.
Das w.M. Hofrat Zd. H. Skraup in Graz übersendet zwei
im chemischen Institute der Universität Graz ausgeführte
Arbeiten:
I. Ȇber eine neue Umlagerung des Cinchonicins,
von Zd. H. Skraup und W. Egerer.
II. »Die Einwirkung von Chloralammoniak auf Di-
natriummalonester«, von Dr. R. Zwerger.
Das k. M. Prof. Ernst Lech er in Prag übersendet eine
Arbeit: »Über die Messung der Leitfähigkeit ver-
dünnterLuft mittels des sogenannten elektrodenlosen
Ringstromes.«
Das k. M. Prof. C. Doelter in Graz übersendet eine
Abhandlung: »Zur Physik des Vulkanismus.«
Das k. M. Prof. Dr. Karl Hei der in Innsbruck übersendet
eine Arbeit aus dem zoologischen Kabinette der k. k. Universität
von stud. phil. Karl Wolf mit dem Titel: »Beitrag zur
Kenntnis der Gattung Braunina Heider.«
Privatdozent Dr. Franz Werner überreicht die Bearbeitung
der von ihm in Kleinasien und bei Konstantinopel 1900 und
1901 gesammelten Arachnoideen durch Prof. Ladislaus Kul-
czynski unter dem Titel: »Arachnoidea in Asia Minore
et ad Constantinopolim a Dre. Werner collecta.«
Prof. G. Jäger in Wien überreicht eine Arbeit mit dem
Titel: »Das Strobostereoskop.«
Das k. M. Prof. R. Wegsch eider überreicht zwei Arbeiten
von Dr. Jean Billitzer:
I. »Versuche mit Tropfelektroden und eine weitere
Methode zur Ermittlung „absoluter" Potentiale.*
II. »Zur Theorie der kapillarelektrischen Erschei-
nungen.«
601
Derselbe überreicht ferner drei Arbeiten aus seinem Labora-
torium:
I. »Untersuchungen über die Veresterung unsym-
metrischer zwei- und mehrbasischer Säuren.
XII. Abhandlung: Über die Veresterung der Phtalon-
säure und der Homophtalsäure«, von Rud. Weg-
scheider und Arthur Glogau.
II. »Über die Veresterung der o-Aldehydsäuren«, von
Rud. Wegscheider, Leo Ritter Kusy v. Dübrav und
Peter v. Rusnov.
III. »Über Nitrophtalaldehydsäuren«, von Rud. Weg-
scheider und Leo Ritter Kusy v. Dübrav.
Das w. M. Prof. Franz Exner überreicht eine Abhand-
lung: »Beiträge zur Kenntnis der atmosphärischen
Elektrizität. XIII. Messungen der Elektrizitätszerstreu-
ung in Kremsmünster«, bearbeitet von P. Bonifaz Zölss.
Derselbe legt ferner eine Abhandlung des Dr. Egon Ritter
v. Schweidler: Ȇber Variationen der lichtelektrischen
Empfindlichkeit« vor.
Das k. M. Hofrat Ludwig Boltzmann überreicht eine
Abhandlung von Prof. F. Em ich in Graz mit dem Titel: Ȇber
die Bestimmung von Gasdichten bei hohen Tempe-
raturen« (I. Mitteilung).
Derselbe überreicht weiter die Abhandlung: »Zur Be-
rechnung der Volumkorrektion in der Zustands-
gieichung von Van der Waals«, von P. Ehrenfest in
Wien.
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht zwei in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeiten:
I. »Zur Kenntnis des Diacetonalkohols und des
Mesityloxyds«, von Dr. Moriz Kohn.
IL Ȇber die Einwirkung von Methylamin und von
Dimethylamin auf das Mesityloxyd«, von Armin
Hochstetter und Moriz Kohn.
602
Ferner überreicht Hofrat Ad. Lieben zwei Arbeiten aus
dem I. chemischen Universitätslaboratorium:
I. »Über die Ätherester der ß-Resorcylsäure, Orsel-
linsäure und der Orcincarbonsäure«, von J. Herzig
und F. Wenzel.
IL »Über die Äther und Homologen des Phloroglucin-
aldehyds«, von J. Herzig und F.Wenzel.
Das w. M. Hofrat V. v. Ebner überreicht eine Abhand-
lung: »Über das Hartwerden des Zahnschmelzes.«
Ingenieur R. Doht überreicht eine im Laboratorium für
allgemeine Chemie an der k. k. technischen Hochschule in
Wien in Gemeinschaft mit Herrn J. Haager ausgeführte Arbeit,
betitelt: »Über die Einwirkung von salpetriger Säure
auf Monophenylharnstoff.«
Stud. phil. Heinrich Ducke legt eine Arbeit vor, welche
den Titel führt: »Höhenberechnung korrespondierender
Meteore der Augustperiode 1877.«
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Astronomical Laboratory in Groningen: Publications,
No 10, 11. Edited by Prof. J. C. Kapteyn. Groningen,
1902. 4°.
University of Missouri: Studies, vol. II, number 1, 5;
1903. 8°.
603
Beitrag1 zur Kenntnis der Gattung
Braunina Hei der
von
Karl Wolf.
(Mit 1 Doppeltafel und 1 Textfigur.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 9. Juli 1903.)
Die der vorliegenden Mitteilung zugrunde liegende Unter-
suchung wurde in der zweiten Hälfte des Jahres 1902 im zoo-
logischen Institute der Universität Innsbruck an einigen kon-
servierten Exemplaren durchgeführt, die mir durch Vermittlung
Herrn Professor H e i d e r 's von der Leitung der k. k. zoologischen
Station in Triest zukamen. Herrn Professor Dr. C. J. Cori, dem
Leiter derselben, sei hiefür herzlich gedankt.
Insbesondere bin ich meinem hochverehrten Lehrer,
Herrn Professor Dr. K. Heider, für vielfache Anregung und
Förderung zu aufrichtigem Danke verpflichtet.
Der Umstand, daß mir nur spärliches totes, aber gar kein
lebendes Material zu Gebote stand, mag es erklären und ver-
zeihlich erscheinen lassen, daß gewisse Organsysteme, wie das
Nerven- und das Exkretionsgefäßsystem unberücksichtigt
geblieben sind und auch das Darmsystem weniger eingehend
untersucht wurde, als es sonst wohl möglich gewesen wäre.
Hat ja doch Looss, einer der bedeutendsten unter den neueren
Trematodenforschern, die schönsten der Beobachtungen, die er
in seiner großen Monographie (9) niedergelegt, an lebendem
Materiale gemacht. Außerdem nahm von vornherein das
mächtig entwickelte System der Geschlechtsorgane das Haupt-
interesse für sich in Anspruch.
604 k. Wolf,
In betreff der äußeren Körpergestalt verweise ich auf die
Schilderung He ider's (4) und gebe hier nur eine Beschreibung
der wichtigsten Merkmale.
Der Körper von Braunina erscheint, von außen betrachtet,
herzförmig. Mit dem spitzen Ende sitzt das Tier scheinbar an
der Darmschleimhaut des Wirtes fest, das freie breitere Ende
trägt einen kurzen zylindrischen Fortsatz (Fig. 1, h).
Den herzförmigen Körper selbst finden wir bei genauerer
Untersuchung aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt Das,
was man von außen sieht, ist nämlich nur eine herzförmig
gestaltete Mantelduplikatur, welche an der Basis des genannten
Fortsatzes entspringt und erst den Hauptteil des Körpers von
Braunina umhüllt. Zu diesem gelangen wir, indem wir die
Mantelfalte (durch einen Kreisschnitt an der Basis des zylin-
drischen Fortsatzes) entfernen. Er ist ein kompakter herz-
förmiger Zapfen, der durch seine Gestalt die des ihn umhüllenden
Mantels bedingt. Im Bereiche jener Stelle, wo außen der schon
mehrfach genannte Fortsatz dem Mantel aufsitzt, ist auch der
Zapfen durch eine dünne halsartige Brücke mit dem Mantel
verwachsen. Wir sehen in Fig. 2 bei x als helles Oval die
Stelle angedeutet, wo dieselbe durchschnitten wurde, um den
Zapfen frei zu bekommen, und Fig. 3 (bei x) zeigt uns dieselbe
im Medianschnitt.
Dieser Hals erhebt sich aus einer Rinne, welche vom
breiteren Ende des Zapfens, sich verjüngend, gegen das spitzere
zieht (Fig. 2, r).
Kehren wir nun nochmals zur Betrachtung der Außen-
fläche des Mantels zurück, so sehen wir auch an ihm eine
solche Rinne von der Basis des Fortsatzes gegen das spitzere
Körperende hinziehen, die ihrer Lage nach genau der oben
beschriebenen des Zapfens entspricht (Fig. l,r). Außerdem aber
bemerken wir am Rande des Mantels gerade dort, wo diese
Rinne sich verflacht, eine leichte Anschwellung, die uns die
Lage des Pharynx verrät (Fig. 1 und 3, ph).
Das Verständnis für diese eigentümliche Körpergestaltung
erlangen wir durch den Vergleich mit einigen Mitgliedern der
Holostomidenfamilie (siehe Brandes [1]).
Gattung Braunina H e i d e r.
605
Bei Diplostomum, dessen Körperform noch sehr an die der
gewöhnlichen Distomen erinnert, finden wir, daß der vordere
Körperteil »durch Abflachung die Form eines herzförmigen,
elliptischen oder lanzettförmigen Blattes erhält«. Am vorderen
Rande desselben befindet sich die Mundöffnung (siehe Textfig. 1).
»Einen zweiten Typus erhalten wir, wenn wir uns das
Blatt nach der Bauchfläche zu gekrümmt denken. Die Körper-
Diplostomum
longum
Hemistomum
clathratum
Hemistomum cordatum
Nach Brandes (l)t Taf. 39, Fig. 1 und Taf. 40, Fig. 11 und 19.
region hat das Aussehen eines Löffels. Sind die Seitenränder
noch breiter entwickelt und samt dem unteren Rande, mit dem
zusammen sie eine fortlaufende Lamelle bilden, bauchwärts um-
geschlagen, so kann man den Bau des Vorderkörpers am besten
mit einer Hohlschaufel vergleichen, die an ihrem hinteren Ende
überdacht ist« (Hemistomum clathratum, siehe Textfig. 2).
»Endlich kann man sich die lamellösen Seitenränder mitein-
ander verwachsen denken, dann haben wir den Typus eines
Bechers. Auf der Blattoberfläche, in dem Löffel, in der Schaufel
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K. Wolf,
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607
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enerwähnte Rinne, die
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an dem freien breiten
der hintere Körperteil
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>t durch die Lage des
itelrande bezeichnet.
cstigung an der Darm-
llolostomum- und Heini-
>ben (nach Brandes [1])
dadurch bewerkstelligt,
Bauchsaugnapfes, durch
•r lamellösen Körperränder
:en werden. Noch weiter
Art der Anheftung bei
Mantel und dem zapfen-
erstreckt sich durch die öff-
^ stieiartig die Schleimhaut
:n Becher, der den Zapfen
ttre Anheftung des Parasiten
rnippiirat*
orderende des Körpers, also
H|en am Rande jenes becher«
iian am dorsalen Teile des-
Hbfd» sondern etwas ventral ver-
löhle des Mantels öffnet. Sie
loi (siehe Fig. 4 a). Braunina ist
I der einzige Besitzer dieser auch
klisn weit Einrichtung
J Looss ndes (l)
cii. ru„ A'
606 K. Wolf,
und in dem Becher erhebt sich nun das unserer Familie eigen-
tümliche Gebilde, das durch seine verschiedene Ausbildung das
mannigfache Verhalten der Lamelle bedingt« (siehe Brandes
[1] S. 550 bis 551).
Dieses Gebilde, ein eigentümliches Anheftungsorgan, zeigt
bei den drei Unterfamilien der Holostomiden einen grundver-
schiedenen Bau.
Bei den Diplostominen besteht es im wesentlichen aus
einer Haftgrube oder einer größeren Höhlung, welche ganz
oder nur an gewissen Stellen mit beweglichen Papillen aus-
gestattet ist (siehe Textfig. 1). Bei den Holostominen ist der
Anheftungsapparat ein »mannigfaltig zerschlitzter Zapfen, der
im Verein mit dem kräftig entwickelten Saugnapf und der
Körperlamelle, die ihre Öffnung durch Kontraktion der Ring-
muskulatur auf ein Minimum zu reduzieren imstande ist, eine
außerordentlich innige Befestigung der Helminthen an die Darm-
wand erzielen kann« (siehe Brandes [1 ], S. 559).
Bei der noch übrigen Unterfamilie der Hemistominen end-
lich ist das in Rede stehende Gebilde ein kompakter Zapfen
ohne Höhlung, »der durch eine Verbindungsbrücke, die immer
von geringerer Ausdehnung ist als der Zapfen selber, mit dem
Körper in Verbindung steht« (siehe Textfig. 2 und 3). Am
mächtigsten ist diese Einrichtung bei Hemistomum cordatum
entwickelt, bei welcher Form infolgedessen auch der ßauch-
saugnapf überflüssig geworden und verschwunden ist (siehe
Textfig. 3).
An diese Form reiht sich nun Braunina an, von ihr schon
durch die mächtigere Ausbildung des Mantels und des Zapfens
sowie durch die höhere Bedeutung verschieden, die der letztere
dadurch gewinnt, daß er den größten Teil der Geschlechtsorgane
und des Darmapparates in sich aufgenommen hat.
Der Vergleich von Brannina mit diesen Formen eröffnet
uns nun das Verständnis für die morphologische Bedeutung der
Körperteile, die wir bei der äußeren Inspektion unseres Tieres
wahrnehmen, und für ihre Lagebeziehung. Wir sehen jetzt ohne-
wreiters ein, daß die Mundöffnung sich am Rande des Mantels
befinden muß, wie sie es bei den oben angeführten Formen
(siehe Textfiguren) tut. Wir wissen jetzt auch, daß die Lage
Gattung Braunina H e i d e r. 607
des Zapfens, der die Höhlung des Mantels ausfüllt, die Ventral-
seite des Tieres bezeichnet. Die Dorsalseite ist aber jene, auf
welcher sich außen am Mantel der Pharynx als kleines Knötchen
bemerkbar macht, und reicht von diesem bis zur Spitze des
zylindrischen Fortsatzes, so daß die obenerwähnte Rinne, die
an der Außenfläche des Mantels vom Pharynx zur Basis
dieses Fortsatzes führt, in der dorsalen Mittellinie liegt. Der
zylindrische Fortsatz selbst aber, der an dem freien breiten
Ende des Tieres sich erhebt, ist der hintere Körperteil
von Braunina und an seiner Spitze münden die Geschlechts-
wege nach außen. Das Vorderende ist durch die Lage des
Pharynx und der Mundöffnung am Mantelrande bezeichnet.
Eigentümlich ist die Art der Befestigung an der Darm-
schleimhaut des Wirtes. Schon bei den Holostomum- und Hetni-
sto fnum- Arten finden wir, wie schon oben (nach Brandes [1])
angeführt wurde, die Befestigung dadurch bewerkstelligt,
daß teils mit, teils ohne Hilfe des Bauchsaugnapfes, durch
Zusammenwirken des Zapfens und der lamellösen Körperränder
die Darmzotten erfaßt und festgehalten werden. Noch weiter
vervollkommnet finden wir diese Art der Anheftung bei
Braunina.
In den Raum zwischen dem Mantel und dem zapfen-
förmigen Teile des Vorderkörpers erstreckt sich durch die Öff-
nung des becherförmigen Mantels stielartig die Schleimhaut
des Wirtsdarmes. Sie bildet einen Becher, der den Zapfen
genau umschließt und so die sichere Anheftung des Parasiten
bewirkt Saugnäpfe fehlen vollständig.
Der Darmapparat.
Die Mundöffnung liegt am Vorderende des Körpers, also
wie bei den übrigen Holostomiden am Rande jenes becher-
ähnlichen Mantels und zwar median am dorsalen Teile des-
selben. Sie liegt nicht ganz terminal, sondern etwas ventral ver-
schoben, so daß sie sich in die Höhle des Mantels öffnet Sie
führt in einen kleinen Vorhof (siehe Fig. 4 a). Braunina ist
unter den Holostomiden nicht der einzige Besitzer dieser auch
sonst unter den Trematoden weit verbreiteten Einrichtung
(siehe Leuckart [6] und Looss [9]), denn Brandes (1)
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 39
608 K. Wolf,
erwähnt sein allerdings seltenes Vorhandensein. Dieser Vorhof
führt in den Pharynx (siehe Fig. 4 bis 6, p ä). Dieser ist ein
länglicher walzenförmiger Hohlmuskel von ansehnlicher Größe.
Seine Länge betrug z. B. bei einem mittelgroßen Tiere von
zirka 6 • 3 mm Länge ungefähr 0 • 6 mm. Der Pharynx besitzt
einen spaltförmigen Hohlraum, der bis auf das letzte Viertel
ventral die ganze Muskelmasse durchbricht und sich in den
Vorhof öffnet, an welchem wir zwei Teile zu unterscheiden
haben, nämlich einen vorderen weiteren Teil, der durch die
Mundöffnung nach außen mündet, und einen bedeutend engeren,
der sich nach hinten erstreckt. Der erweiterte vordere Teil
umfaßt die vordere Kuppe des Pharynx, der schmälere Teil
begleitet die spaltförmige Pharynxöffhung nach hinten (siehe
Fig. 4 bis 6 a, pho). Der hinterste Teil des Pharynx enthält ein
allseitig von der Pharyngealmuskulatur umschlossenes Lumen,
das sich etwas dorsalwärts biegt, um noch eine kurze Strecke
als Ösophagus weiter zu verlaufen.
Der Pharynx zeigt in Bezug auf die Anordnung der ihn
zusammensetzenden Muskelfasern das gewöhnliche Verhalten,
das Lo oss (9), man möchte sagen, mit Eleganz auf ein einfaches
Schema zurückgeführt hat. Die Hauptmasse entfallt auf die radi-
ären Muskelfasern, welche in größeren Gruppen mit dazwischen-
liegenden Lücken das Organ quer durchziehen und die ganze
Schicht der inneren und äußeren Ringmuskeln durchsetzen.
Zwischen der letzteren Schichte und der den Pharynx gegen
das Parenchym abgrenzenden, äußerst dünnen (0- 4 p.) Membran,
welche von M. Braun (2) dem Bindegewebe zugerechnet wird,
sehe ich in Übereinstimmung mit Looss (9) eine zarte Lage
von Längsmuskelfasern. Sie sind der genannten Membran in
voneinander durch Zwischenräume getrennten Bündeln ganz
dicht angeschmiegt. Ihre Dicke schwankt zwischen 1 p, und
6(i. Zwischen ihnen sieht man die Radiärfasern an diese
Membran herantreten. Es mag dies wohl zugunsten der von
Braun (2) gegebenen Andeutung sprechen, wonach jene
Membran für die Wirkung der radiären Muskelfasern von
Bedeutung ist.
Dieser Aufbau des Pharynx aus vier Muskelschichten wird
von den meisten Autoren geschildert. So ist er nach Looss (9)
Gattung Braunina H e i d e r. 609
bei den von ihm untersuchten Arten typisch, auch Sommer (15)
und Leuckart (6) sowie Noack (12) führen dasselbe an,
während Brandes (1) den Pharynx von Hemistomum cordatum,
welchem Tiere wie Braunina beide Saugnäpfe fehlen, gerade
deswegen als Pharynx anspricht, weil ihm die Ringfasern fast
gänzlich fehlen.
Die obenerwähnten Lücken zwischen den Gruppen von
Radiärmuskeln enthalten in großer Zahl die von den Saugnäpfen
und Pharynges der Trematoden bekannten »großen Zellen«,
deren Berühmtheit wohl in der großen Anzahl verschiedener
Deutungen von Seiten der Autoren begründet ist. Ich verweise
diesbezüglich auf die Darstellungen von Braun (2), der sie für
Reste von Muskelbildungszellen hält, und von Looss (9). Sie
sind bei Braunina kugelig, zeigen eine deutliche Membran, mit
Hämatoxylin schwach färbbares Plasma von fasernetziger
Struktur sowie einen deutlichen Kern mit Kernkörperchen. Ihre
Größe beträgt bis zu 40 (i im Durchmesser, die des Kerns
ungefähr 8 |i.
Der Ösophagus setzt bei seinem Austritt aus dem Pharynx
zuerst die dorsale Richtung des Lumens desselben fort, biegt
aber sehr bald nach hinten um und teilt sich in die beiden Darm-
schenkel. Sein Lumen ist oval und mißt zirka 170pt im größeren,
zirka 110 bis 120(i im kleineren Durchmesser. Er ist aus-
gekleidet von einer anscheinend strukturlosen zarten Membran,
welcher außen die Darmmuscularis aufliegt Diese setzt sich
zusammen aus einer deutlichen Ringmuskelschicht und einer
dieselbe umgebenden Lage von Längsfasern, welche zu Bündeln
angeordnet sind, die in regelmäßigen Abständen voneinander
stehen.
Die beiden Darmschenkel ziehen nun von der Teilungs-
stelle im Mantel nach hinten, jeder für sich schon mit ungefähr
gleich großem Lumen wie früher der Ösophagus. Individuell
kann gleich hinter der Teilungsstelle eine Anastomose der beiden
Gabeläste auftreten. Das Parenchym des ganzen Mantels hat
eine im übrigen Körper mit Ausnahme des Hinterendes (siehe
Fig. 7, p l) nicht so scharf hervortretende Beschaffenheit, es zeigt
nämlich ein mächtig entwickeltes System von scharf begrenzten,
untereinander zusammenhängenden Lücken, zwischen denen
39*
610 K. Wolf,
eigentlich nur schwache, aber von zahlreichen Muskelbündeln
durchsetzte Parenchymbrücken die beiden Wände des Mantels
verbinden (siehe Fig. 8, pl). In diesen Parenchymbrücken durch-
ziehen die Darmschenkel den Mantel, bis sie zu jener Stelle
gelangen, wo derselbe durch die oben beschriebene halsartige
Verbindung mit der Hauptmasse des Vorderkörpers, dem Zapfen,
zusammenhängt. Durch diesen Verbindungsstrang treten die
Darmäste in den Zapfen ein, ziehen in ihm ventralwärts und
nach vorne, biegen dann nach hinten und endigen noch inner-
halb des Zapfens. Divertikel besitzen die Darmschenkel nicht,
doch zeigen sie manchmal seichte Aussackungen und sind über-
haupt nicht überall gleich weit (siehe Fig. 9, int).
Gleich nach der Teilung des Ösophagus in die beiden
Darmschenkel wird in diesen ein Epithel als innere Auskleidung
sehr deutlich sichtbar, während jener nie eine Spur davon zeigt.
Dieses Epithel ist zum Teile (besonders in den im Mantel ver-
laufenden Teilen der Darmäste) kubisch und seine Zellen zeigen
einen mittleren Durchmesser von 9 bis IOjjl, zum Teil ist es
(besonders in jenem Teile des Darmes, der im Zapfen verläuft)
ein hohes Zylinderepithel. In diesem Falle beträgt die Höhe
der Zellen zirka 45 bis 50 {t, ihre Breite 3 • 5 bis 5 ft. Das Plasma
der Darmepithelzellen ist äußerst feinkörnig, fast homogen, der
Kern stark färbbar. Die kubischen Zellen zeigen weiter keine
Besonderheiten, die zylindrischen dagegen lassen sich nach
dem Verhalten ihres freien, das Darmlumen begrenzenden Endes
in zwei Formen unterscheiden. Die einen zeigen nämlich
am freien Ende häufig eine feine Zerfaserung. Ob diese
Fasern nun bewegliche Pseudopodien vorstellen und also
den von Sommer (15) und von Monticelli (11) beobachteten
entsprechen oder aber den von Looss (9) für mehrere Distomum-
Arten angegebenen und (z. B. für Distomum tereticolle) abge-
bildeten starren Fäden, kann ich bei dem Mangel lebenden
Materials für Braunina nicht entscheiden; doch halte ich
deren starre Natur aus dem Grunde für wahrscheinlicher,
weil ihr Aussehen mit dem Bilde, das Looss (9, Fig. 70) gibt,
große Übereinstimmung zeigt. Andere der zylindrischen Darm-
epithelzellen dagegen zeigen diese Zerfaserung der distalen Enden
nicht, zeichnen sich aber dafür durch den Besitz je eines hellen
Gattung Braunina Heider. 611
ovalen Fleckes aus, der ungefähr gleich groß ist wie der Kern
dieser Zellen und in der Nähe des freien Endes der Zellen sich
befindet. Er dürfte der optische Ausdruck einer hier liegenden
Vakuole sein, doch bleibt auch hier die Entscheidung der
Untersuchung lebenden Materials vorbehalten. Es ist nicht
unwahrscheinlich, daß wir es hier mit Drüsenzellen zu tun
haben.
Auf das Epithel folgt nach außen die Muscularis, welche
als die direkte Fortsetzung der des Ösophagus erscheint und
sonach aus einer Ring- und einer Längsfaserschicht besteht.
Speicheldrüsen, wie sie von vielen Autoren angegeben werden,
habe ich bei Braunina nicht beobachtet.
Der männliche Geschlechtsapparat.
Der männliche Geschlechtsapparat besteht aus den
paarigen Hoden, den Ausführungsgängen derselben und den
Endapparaten.
Die Hoden sind von unregelmäßiger Form und wie bei den
übrigen Holostomiden reich gelappt. Besonders tief greifende
Zerschlitzung zeigen sie auf der Ventralseite und am Hinter-
rande. Abweichend von den übrigen Holostomiden verhalten
sie sich in betreff ihfer Lage. Sie liegen nämlich wie der Haupt-
teil der Geschlechtsorgane überhaupt in jenem Hauptteil
des Vorderkörpers, der dem Haftorgan der Holostomiden
entspricht, im Zapfen, und zwar nicht hinter-, sondern neben-
einander. Sie nehmen einen großen Teil der Ventralfläche des
Zapfens ein. Der rechte Hoden ist etwas kürzer als der linke, da
er dem Keimstocke Platz lassen muß.
In Betreff des Vorkommens einer Eigenmembran vermag
ich keine sicheren Aufschlüsse zu geben. Es hat wohl den
Anschein, als ob nach innen von einer dünnen Schicht
streifigen faserigen Bindegewebes, von dem der ganze Hoden
umgeben ist, eine zarte Membran existierte, ja, an manchen
Stellen scheint es sogar, als ob in ihr auch Kerne lägen, doch
ist sie überall der erwähnten Parenchymschicht so dicht an-
geschmiegt, daß eine sichere Entscheidung nach den Präparaten,
die mir vorliegen, nicht wohl zu treffen ist. Es stehen sich ja
612 k. Wolf,
übrigens in dieser Frage auch sonst mehrere Ansichten gegen-
über. Die meisten Autoren gaben bisher das Vorhandensein einer
strukturlosen Tunica propria an, während schon Ziegler (16)
für Gasterostomum ihre ursprünglich zellige Natur erkannte
und Looss (9) neuerdings entwicklungsgeschichtlich nachwies,
daß sie immer aus Zellen bestehe, die nur im späteren Wachs-
tum so flach zusammengepreßt werden, daß es »zu den Glücks-
umständen gehört«, sie an den weit auseinandergerückten
Kernen zu erkennen. Anderseits fehlt es auch nicht an Ver-
tretern der Meinung, daß dem Hoden überhaupt keine Eigen-
membran zukomme, so Noack (12), der dies für Distomum
clavigerum beschreibt. Immerhin spricht der Umstand für das
Vorhandensein einer Tunica propria der Hoden bei Braunina, daß
die innere Begrenzung fast immer als scharfe Kontur auftritt und
besonders im Vas deferens deutlich als feine Membran sichtbar
ist. Eine dem Hoden eigentümliche Muscularis vermisse ich
bei unserer Form ebenso wie Looss (9) im Gegensatze zu
S o m m e r( 1 5) durchwegs, obwohl an manchen Stellen Parenchym-
muskeln ganz nahe an die Hoden herantreten mögen und ferner
das Bindegewebe in der Nähe der faserigen Grenzschicht oft
ein streifiges Aussehen annimmt (siehe auch Leuckart [6] bei
Distomum hepaticum und pulmonale).
Die Vasa efferentia entspringen dei1 Mediane genähert
ungefähr in. halber Länge der Hoden an deren Dorsalseite, bald
beide in gleicher Höhe, bald der linke etwas weiter hinten. Sie
ziehen eine kurze Strecke nach hinten und vereinigen sich
dann zu einem unpaaren Vas deferens. Die die Hoden um-
hüllende Grenzschicht des Parenchyms bildet auch hier die
Wand. Der Durchmesser beträgt bei einem Lumen von
durchschnittlich 14 bis 18 pu zirka 20 bis 28 p, so daß die Dicke
der Wand sirka 3 • 5 bis 4 • 5 ji beträgt.
Das Vorhandensein eines Muskelbelages an den Vasa
efferentia, wie es von mehreren Autoren (man vergleiche die
Zusammenstellung in Braun [2]) vertreten und auch von
Looss (9) mit Reserve für einige Formen zugegeben, für andere
dagegen bestritten wird, scheint mir für Braunina sehr zweifel-
haft, es sei denn, daß jene teils homogen, teils streifig
erscheinende, sehr kernarme Lage, die ich dem Parenchym
Gattung Braumna Hei der. 613
zurechne, jener Ringmuskelscbichte der Autoren entspricht
Die Vasa efferentia enthalten zahllose Samenfaden, wenige
freie Kerne, wie u. a. Somrner(15) für Disiomnm hepaticum
und Noack (12) für Distomum clavigerum berichten und noch
andere geformte, schwach mit Eosin färbbare Körperchen von
mir unbekannter Natur und Herkunft.
Das Vas deferens zieht von der Vereinigungsstelle der
Vasa efferentia in stark geschlängeltem und gewundenem Ver-
laufe an der Dorsalseite des Zapfens nach hinten, gelangt in jene
halsartige Verbindung des Zapfens mit dem Mantel und tritt in
dieser bald als Ductus ejaculatorius in den Cirrusbeutel ein.
Das Vas deferens zeigt entsprechend dem Füllungszustande
bald ein größeres, bald ein kleineres Lumen, dessen Durchmesser
meist zwischen 100 und 130 fi. schwankt Es ist ausgekleidet
von einer feinen Membran. Auf sie folgt nach außen eine Lage
von länglichen schmalen Zellen in radialer Anordnung. Ihr
Plasma ist sehr feinkörnig und schwach farbbar, der Kern mit
Hämatoxylin stets stark gefärbt und in dem vom Lumen des
Samenleiters abgewendeten Ende der Zelle gelegen. Ich
vermute, daß diese Zellen drüsiger Natur sind und dem Sperma
wie die im Cirrusbeutel lokalisierten Prostatadrüsenzellen irgend
ein Sekret beimischen. Ihre Länge beträgt rund 30 fi, ihre Breite
3 bis 6 (jl Dieser Zellkranz um das Vas deferens ist außen gegen
das umgebende Parenchym durch eine feine bindegewebige
Membran abgegrenzt.
Die beschriebenen Zellen begleiten den Samenleiter fast
bis zu seinem Eintritt in den Cirrusbeutel, verschwinden jedoch
vorher allmählich.
Der Cirrusbeutel beginnt ungefihr an der Verbindungs-
stelle des Vorder- oder Hinterkörpers und zieht im letzteren an
das hintere Körperende, wo er am Grunde einer flachen Bursa
copulatrix (v. Lorenz [10] und Brandes [1]) endigt Er ist
also bei Braunina von bedeutender Länge. Diese betrug z. B.
bei einem Tiere von 6 mm, beziehungsweise bei einem von
4 mm Länge im ersteren Falle 2 mm, im letzteren 1 '5 mm. Da-
bei zeigt er (bei dem Exemplar von 6 mm Länge) einen Durch-
messer von zirka 0*3 mm und ist somit von langgezogener
Walzengestalt. Je nach dem Kontraktionszustande des Tieres
614 k. Wolf,
zeigt er bald gestreckten Verlauf, bald ist er in eine Schlinge
gelegt.
Seiner Struktur nach ist er ein Hohlmuskel und besteht
aus einer äußeren Längs- und einer inneren Ringmuskelschicht.
Dieselbe Schichtenfolge zeigt der in ihm verlaufende und
an beiden Enden mit ihm verwachsene Ductus ejaculatorius.
Der letztere ist außerdem im Gegensatze zum Vas deferens
innen von einem meist deutlichen Epithel ausgekleidet, das
gegen Ende wieder zu fehlen scheint. Skulpturen wie bei
anderen Formen zeigt das Innere des Endteils, den wir als Penis
ansprechen können, da er ausstülpbar ist, nicht. Am Anfangs-
teile des Ductus ejaculatorius ist eine Vesicula seminalis nur
recht schwach als etwas erweiterter Abschnitt zu unterscheiden
und das wohl nur dann, wenn reichlich enthaltene Sperma-
massen ihr Lumen dehnen. Der Raum zwischen der Wand
des Cirrusbeutels und dem Ductus ejaculatorius ist erfüllt von
einem lockeren Parenchyme, welchem mit Ausnahme einer
kurzen Strecke am Anfange und Ende die sogenannten Pro-
statadrüsenzellen in großer Zahl eingelagert sind. Sie zeigen
radiäre Anordnung und weisen keine auffalligen Unterschiede
von den obengeschilderten, den Samenleiter begleitenden
Zellen auf (siehe Fig. 7, 1 1 pr).
Auffällig ist wohl die weitgehende Übereinstimmung, die
Braunina im Baue der männlichen Endapparate mit den meisten
Distomen zeigt, während sie hierin vollständig von dem nach
Poirier (14) und Brandes (1) bei den Holostomiden ganz all-
gemein üblichen Verhalten abweicht. Von diesem weicht unsere
Form, um nur das Wesentlichste hervorzuheben, ab durch den
Besitz eines wohlentwickelten Cirrusbeutels, der die Prostata
enthält und bei allen übrigen bisher bekannten Holostomiden
fehlt, während anderseits bei Braunina die frei im Parenchym
liegende, mit eigenem Ausführungsgange versehene Masse der
Prostatazellen fehlt.
Der weibliche Geschlechtsapparat.
Der weibliche Geschlechtsapparat besteht aus dem
Ovarium oder Keimstocke, den paarigen Dotterstöcken, der
Schalendrüse und aus dem Leitungsapparate: Ovidukt oder
Gattung Braunina Heider. 615
Keimgang, den Dottergängen, dem Laurer'schen Kanäle und
dem Uterus (siehe Fig. 8, 10).
Der Keimstock ist ein annähernd kugeliges Organ, bald mit,
bald ohne seichte Einbuchtung auf der Außenseite. Sein Durch-
messer beträgt bei mittelgroßen Tieren (von zirka 6 mm Länge)
0 * 4 mm. Der Keimstock liegt im Zapfen und zwar in der rechten
Hälfte hinter dem rechten Hoden und dorsal von ihm.
Er ist umgeben von einer dünnen (1 jjl) Membran, die stark
lichtbrechend und anscheinend strukturlos ist. Wenigstens kann
ich in ihr keine Kerne mit Sicherheit erkennen, wenn auch ihre
Anwesenheit nach den Untersuchungen von Ziegler (16) und
Looss(9) fast als sicher anzunehmen ist. Außerhalb dieser
Membrana propria folgt eine wenig mächtige Lage stark
faserigen Parenchyms mit flachen Kernen, die ins gewöhnliche
großzellige Körperparenchym übergeht, also ganz so, wie es
Looss (7) für Distomum palliatum beschreibt.
Dort, wo der Keimstock in den Ovidukt übergeht, zeigt er jenen
»kleinen kegelförmigen Zapfen*, den Ziegler (16) bei Gastero-
s*owtowauffandundwelchemLooss(9)undMonticelli(ll)eine
weite Verbreitung zuschreiben. Jedoch fehlt bei Braunina dieser
Einrichtung gerade das, was ihr zu der Funktion als Schluck-
apparat für die Eier, die ihr von den Autoren vindiziert wird,
am notwendigsten wäre, nämlich eine Muskulatur, welche die
Eier aus dem Ovar in den Ovidukt preßt, und der zellige Ver-
schlußapparat, der ihr Zurücktreten verhindert. Auch die sich
spaltenden Ausläufer einer faserigen Substanz, die von der
Basis dieser buckelartigen Aussackung in den Keimstock
hineinragen, fehlen bei Brawnina. Juel (5) beschrieb sie zuerst
für die Apoblemen und auch Looss (9) konstatiert ihr Vor-
kommen bei Distomen. Der Keimstock ist prall gefüllt mit Keim-
zeilen. Die Membrana propria ist mit Ausnahme einer größeren
Fläche im Umkreise jener kegelförmigen Aussackung, von der
der Ovidukt abgeht, nach innen bedeckt von einer mehrschich-
tigen Lage kleinerer, dicht aneinander gedrückter Zellen. Diese
epitheloide Anordnung der jungen weiblichen Geschlechtszellen
zu einem Keimlager ist bei Distomen schon vielfach beobachtet
und beschrieben worden, so von Leuckart (6), Looss (7, 9),
Sommer (15), Monticelli (11) u. a.
616 K. Wolf,
Die Dotterstöcke sind zwei mächtige Organe von traubigem
Baue und liegen hauptsächlich in der dorsalen Hälfte des
Zapfens, reichen jedoch, die seitlichen Partien desselben teil-
weise umfassend, bis auf die Ventralseite herunter. Sie haben
also die Gestalt zweier, gegen die Mitte des Körpers zu offener
Rinnen, in welchen ein Teil der Darmschenkel verläuft
Die einzelnen Dotterstocksacini sind von geringer Größe
(zirka 90 bis 1 20 p. im Durchmesser) und enthalten die Dotter-
zellen in wechselnder Zahl Diese besitzen immer einen deut-
lichen Kern und sind angefüllt mit den gelblichen, stark licht-
brechenden Dottertröpfchen. Ihr Durchmesser beträgt zirka 15|t,
der der Dottertröpfchen 3*5 bis 4p.
In den Dottergängen nehmen die ursprünglich rundlichen
oder ovalen Dotterzellen polygonale Gestalt an, bleiben aber
als Zellen mit stets deutlichem Kern erhalten, ohne zu zerfallen,
wie es manche Autoren geschildert haben, so z. B. Sommer
(15) für Distomum hepaticum, ferner Looss (7) undPoirier
(13), wogegen allerdings Leuckart (6) konstatiert, daß das
Zerfallen der Dotterzellen höchstens ausnahmsweise vor-
komme.
Zwischen dem rechten Hoden als vordererund dem hinteren
Teile des gleichseitigen Dotterstockes als hinterer Grenze
erstreckt sich vom Keimstocke aus nach links, d. i. also gegen
die Mediane zu eine Parenchympartie, welche in großer Menge
längliche, radial gestellte Zellen von drüsigem Aussehen enthält
Sie stimmen völlig mit jenen bekannten Zellen in der Umgebung
des Beginnes des weiblichen Leitungsapparates der Distomen
überein, welche vor bald 40 Jahren Leuckart als Schalen-
drüsenzellen erkannte. Entsprechend ihrer Verteilung in der
stark entwickelten parenchymatischen Grundlage werden wir
den ganzen Komplex als diffuse Schalendrüse ansprechen.
Braunina schließt sich also nach der Art der Ausbildung ihres
Schal endrüsenkomplexes völlig den Holostomiden an, mit Aus-
nahme von Polycotyle, das nach Poirier(14) eine kompakte
Schalendrüse besitzt, nicht so aber in Bezug auf ihre Lage. Bei
den Holostomiden liegt nämlich die Schalendrüse zwischen den
beiden Hoden und der Laurer'sche Kanal mündet, vom Keim-
stock aus gerechnet, vor ihr in den Keimleiter, eine Abweichung
J
Gattung Braunina Heider. 617
von der gewöhnlichen Lagebeziehung, die Brandes (1) auf
eine Verlagerung der Schalendrüse, nicht aber auf eine Ver-
änderung der Einmündungsstelle des Laurer'schen Kanals
zurückführt. Es erscheint nun aber recht bemerkenswert, daß
diese exzeptionelle Lage der Schalendrüse sowohl allen jenen
Holostomiden zukommt, die eine diffuse Schalendrüse besitzen,
als auch Gasterostomtim (Ziegler [16]) und wenigen Distomen,
z. B. Distommm lanceolatum (Leuckart [6]), welche ebenfalls
durch eine diffuse Schalendrüse sich auszeichnen, während bei
Potycotyle, dem einzigen Mitgliede der Holostomidenfamilie
mit kompakter Schalendrüse, diese ihre gewöhnliche Lage bei-
behalten hat, so daß der Canalis Laureri innerhalb derselben
mit dem Keimleiter sich vereinigt.
Braunina nun hat mit der Mehrzahl der Holostomiden
die Struktur, mit Polycotyle aber die Lage der Schalendrüse
(scilic. in Bezug auf die innere Mündung des Laurer'schen
Kanals) gemeinsam und bildet so einerseits zwar die Ver-
bindung zwischen den beiden Gegensätzen in der Holosto-
midenfamilie, anderseits aber auch die, soweit mir bekannt,
einzige Ausnahme von jener sonst so auffälligen und typischen
Korrelation zwischen Struktur und Lage der Schalendrüse,
beziehungsweise des Canalis Laureri.
Ungefähr in der Mitte des Schalendrüsenkomplexes, dem
Ovar etwas genähert, treffen nämlich bei Braunina der Ovidukt,
der Laurer'sche Kanal, der unpaare Dottergang und die Fort-
setzung des Ovidukts: der EiergangLeuckart's oder Anfangs-
teil des Uterus in einem Punkte zusammen, wie es Hecke rt (3)
für Distomum macrostomum beschrieb.
Der Ovidukt oder Keimgang kommt von jener buckei-
förmigen Aussackung des Ovars her, tritt in den Komplex der
Schalendrüsen ein und biegt hier rechtwinkelig nach vom um.
Seine Gesamtlänge beträgt bis zur Stelle, wo sich die oben
genannten Kanäle mit ihm vereinen, zirka O'Smm, wovon die
Hälfte auf den von rechts nach links, die andere auf den vom
Knie aus nach vorne verlaufenden Teil entfallt Seine Wandung
unterscheidet sich in nichts von der des Ovars.
Einen anatomisch unterscheidbaren Befruchtungsraum
finde ich im Verlaufe des Keimganges, wo ihn Looss (9) als
618 K. Wolf,
regelmäßig auftretende Erweiterung beschreibt, nicht, auch sah
ich darin nie Sperma, sondern immer nur Keimzellen.
Die Dottergänge sind nur dann gut sichtbar, wenn sie mit
Dotterzellen gefüllt sind. Daher bin ich auch nicht in der Lage,
genauere Aufschlüsse über die feineren, direkt aus den Dotter-
stocksacini kommenden Kanälchen zu geben. Ausgeprägte
Längssammelkanäle, wie sie für viele Formen beschrieben
wurden, scheinen jedoch bei Braunina zu fehlen. Man sieht
nur einzelne feine Dottergänge, die, von den größeren Lappen
der Dotterstöcke kommend, sich bald zu den großen queren
Dottergängen vereinigen.
Der rechte Dottergang zieht dorsal und hinter dem Keim-
stocke am Schalendrüsenkomplexe vorbei gegen die Körper-
mitte zu. Bevor er dieselbe erreicht, trifft er auf den vom linken
Dotterstocke in großem, nach der Dorsalseite offenem Bogen
herüberziehenden, mit dem er sich zum unpaaren Dottergange
vereinigt. Dieser tritt in die Schalendrüse von links her ein,
macht in ihr ebenso wie der Ovidukt ein Knie, biegt nach vorne
um und vereinigt sich mit den übrigen Leitungskanälen des
weiblichen Geschlechtsapparates. Ein konstant auftretendes
Dotterreservoir besitzt Braunina nicht, doch können sowohl
die queren, als insbesondere der unpaare Dottergang bei stärkerer
Füllung ihr Lumen erheblich vergrößern.
Der Laurer'sche Kanal. Seine innere Mündung liegt
genau an der Stelle, wo sich der unpaare Dottergang mit dem
Keimleiter vereinigt. Von da zieht er fast horizontal nach links
gegen die Körpermitte, die er dort trifft, wo das Vas deferens
in den Cirrusbeutel eintritt. Diesen begleitet er, rechts von ihm
liegend, eine Strecke weit, biegt dann dorsalwärts um und
mündet am Mantel in der Mediane nach außen.
Der Formen, bei denen der unpaare Dottergang und der
Laurer'sche Kanal an derselben Stelle mit dem Keimgange sich
vereinigen, scheint es nicht sehr viele zu geben. So ist ein
solches Verhalten bekannt für Distomum macrostomum
(Heckert [3]), auch für Distomum palliatum aus dem Delphin
beschreibt Looss (7) dasselbe, während er in seiner Mono-
graphie (9) für alle dort geschilderten Distomen die Ein-
mündung des Laurer'schen Kanals vor der des unpaaren Dotter-
Gattung Braunina Heider. 619
ganges findet Daß bei den Holostomiden der Laurer'sche Kanal
sogar vor der Schalendrüse in den Keimgang mündet, wurde
schon oben besprochen und auch von Polycotyle, wo sich doch
alle drei Gänge innerhalb der Schalendrüse vereinigen, sagt
Poirier(14): »Avant sa reunion avec le vitelloducte impair,
ce dernier canal (l'oviducte) a donne naissance, presque ä son
entree dans la glande coquilliere, a un petit canal cylindrique,
le canal de Laurer.«
Der Laurer'sche Kanal enthält bei Braunina immer größere
oder geringere Mengen von Sperma. Seine Wand besteht aus
einer dünnen strukturlosen Membran und ist eingehüllt von
einer Ringfaserschicht. Noack (12) fand bei Distomum clavi-
gerum außerdem noch eine Längsmuskellage, die ich aber bei
Braunina vermisse. Dafür sind umso auffälliger jene kleinen
Zellen mit stark färbbaren Kernen, die zahlreich den ganzen
Kanal begleiten und die Poirier (13) u. a. für Distomum insigne
beschreibt und zeichnet und ebenso auch luv Distomum megnini.
Er sagt darüber (S. 573): »Le parenchyme qui Tenvironne forme
une gaine dense de cellules petites, mais ä gros noyau« und
(S. 577): »Tout le canal est entoure d'une gaine de cellules ä
gros noyau, qui se distinguent nettement des cellules du paren-
chyme du corps par leur diametre beaucoup plus faible.«
Ein Receptaculum seminis fehlt.
Der Uterus. Nachdem sich der unpaare Dottergang und
der Laurer'sche Kanal mit dem Ovidukte vereinigt haben, setzt
sich dieser in einen langen, vielfach geschlängelten und
gewundenen Gang fort. Dieser enthält im ersten Teile seines
Verlaufes das Bildungsmaterial der Eier und Unmengen von
Sperma. Bald nachdem er aus dem Bereiche der Schalendrüsen
getreten ist, erweitert er sich etwas und enthält von hier
an völlig fertige Eier. Diese sind gedeckelt und messen in der
Länge 160 bis 170 jx bei einem größten Querdurchmesser von
zirka HOjl Er wendet sich, mehrere Schlingen bildend, nach
hinten und gelangt an den Hautmuskelschlauch. Zwischen diesem
und den Dotterstöcken und Hoden hat er seinen weiteren Ver-
lauf (siehe Fig. 8, uf). Zahlreiche Schlingen bildend, die ein
sehr zierliches Bild geben, durchzieht er auf der Ventralseite
und lateral den Raum zwischen den Dotterstöcken und Hodne
620 k. Wolf,
und der Körperwand des Zapfens, wendet sich schließlich
wieder nach dem Körperinnern zu, und tritt, nachdem er bisher
nur im Zapfen verlief, jetzt durch die halsförmige Verbindung
zwischen Zapfen und Mantel in den Hinterkörper. Diesen durch-
zieht er ventral vom Cirrusbeutel, um dann knapp neben der
männlichen Geschlechtsöffnung am Grunde der Bursa copulatrix
nach außen zu münden (siehe Fig. 11).
Der erste Teil dieses Leitungsapparates wird von manchen
Autoren, z. B. So mm er (15) als Anfangsteil, respektive »hinteres
Stück« des Uterus, von anderen dagegen als Endteil des Ovi-
duktes gedeutet, so von Leuckart (6), der ihn als Eiergang
anspricht Am plausibelsten erscheint Looss' Auffassung (9).
Dieser nennt ihn Ootyp und bemerkt, daß er sich viel schärfer
vom Keimgange als von dem auf ihn folgenden Uterus absetzt
Diese letztere Bemerkung findet jedenfalls auch bei Braunina
Anwendung. Er setzt sich hier gegen den Keimgang durch den
Besitz einer doppelten Muskelhülle sehr scharf ab. Diese beginnt
genau dort, wo er vom Vereinigungspunkte des Keimganges mit
demLaurer'schen Kanäle und dem unpaaren Dottergange seinen
Ausgang nimmt, und besteht aus einer Ringfaserschicht, die
direkt der Eigenmembran des Kanales aufliegt, und aus einer
äußeren stärkeren Lage von radiär angeordneten Muskelfasern.
Zwischen diesen trifft man einzelne Schalendrüsenzellen, deren
Ausführgänge jedenfalls die Wand des Kanales durchbrechen,
um ihr Sekret dem Inhalte beizumischen. Daher können wir
diesen Teil wohl nach dem Vorgange Looss' als Ootyp in
Anspruch nehmen. Jene Radiärfaserlage hört jedoch bald
wieder auf, sie ist nur auf eine ringförmige Partie ganz am
Anfange des Ootyps beschränkt. Im weiteren Verlaufe ist nur
mehr die typische Ringfaserlage entwickelt Die Eigenmembran
des Ootyps läßt deutlich Kerne erkennen, so daß ihre zeilige
Natur unzweifelhaft erscheint (siehe Fig. 8, oof).
Der Ootyp geht ganz allmählich in den eigentlichen Uterus
über. Die eben genannte epitheliale Auskleidung wird beim
Austritte aus der Schalendrüse immer undeutlicher und geht
scheinbar in eine dünne, strukturlose Membran über. Auch die
Ringmuskelschicht wird undeutlich, beides wohl wegen der
durch die enthaltenen fertigen Eier bedingten Dehnung der
Gattung Braunina H e i d e r. 621
Wand. Diese Struktur ist dem ganzen Uterus eigen bis zum
Endteil, der Vagina. Diese Bezeichnung für den Endteil der
weiblichen Geschlechtswege ist von Looss (8, 9) eingehend
begründet worden gegenüber der gegenteiligen Meinung, der
Canalis Laureri sei als solche zu bezeichnen, was besonders
von Monticelli (11) vertreten wird. Sie beginnt bei Braunina
noch innerhalb des Vorderkörpers und zieht von da, wie oben
geschildert, ans hintere Körperende. Ihr Anfang ist leicht kennt-
lich an ihrer Struktur, in betreff deren dasselbe gilt, wasLooss(9)
als das typische Verhalten beschreibt. Sie besitzt nämlich außer
der stark entwickelten Ring- noch eine (äußere) Längsmuskulatur
und es treten in ihrer nächsten Umgebung jene »körnigen Zellen
unbestimmter Funktion« auf, die Looss (9) beschreibt. Auch
Poirier (13) beobachtete dieselben bei Distomum megnini,
N o&ck(12) bei Distomum clavigerum und Monticelli (11), der
sie auf Hautdrüsen zurückführt, gibt ihnen den Namen »Glandole
glutinipare«. Im Innern ist die Vaginaausgekleidetvon einerzarten
Membran, welche aber ebensowenig wie der Ductus ejaculatorius
irgendwelche auf die Begattung bezügliche Skulptur aufweist. Die
Muskulatur der Vagina nimmt gegen das Ende zu an Stärke im
allgemeinen ab, verstärkt sich aber an einer eng begrenzten Stelle
zu einem äußerst kräftigen, naturgemäß aus Ringfasern
bestehenden Sphincter (siehe Fig. 1 l,sp£),der den vonNoack(12)
für Distomum clavigerum beschriebenen an Mächtigkeit weit
übertrifft.
Braunina weicht in Bezug auf den Geschlechtsapparat
von allen in der Monographie von Brandes (1) beschriebenen
Formen ab, schließt sich aber in der für die Familie der Holosto-
miden so charakteristischen Körperform an die Unterfamilie:
Hemisiominae an. Bei diesen ist der »Haftapparat« entwickelt
»in Gestalt eines kompakten Zapfens, oft den größten Teil des
Vorderkörpers bedeckend« (siehe Brandes [1]).
Bei Braunina tritt dieser »Haftapparat« ebenfalls in Form
eines kompakten Zapfens auf, der aber hier selbst den größten Teil
des Vorderkörpers, ja des ganzen Körpers überhaupt darstellt,
während der übrige Teil des Vorderkörpers nur jenen becher-
förmigen Mantel um ihn herum bildet. Der Zapfen enthält aber
bei Braunina nicht nur den Hauptteil der Geschlechtsorgane
622 K. Wolf,
Hoden, Keimstock, die Dotterstöcke, Schalendrüse, Uterus und
Vas deferens, sondern auch einen Teil der Darmschenkel und
es gehört hier der Darmapparat ganz dem Vorderkörper an.
Bei den in Brandes* Monographie (1) beschriebenen Holo-
stomiden durchziehen aber die Darmschenkel den ganzen Körper
der Länge nach, ohne in den Zapfen einzutreten.
Die angeführten, ziemlich bedeutenden Unterschiede in
der Organisation rechtfertigen wohl die Aufstellung einer eigenen
Unterfamilie für unser Genus, welche nach den internationalen
Nomenkiaturregeln den Namen Braunininae zu führen und im
System zwischen den Unterfamilien der Hemistominae und der
Holostominae zu stehen hat Ich gebe nachfolgend den Versuch
einer kurzen Diagnose derselben, wie sie sich nach der einzigen
bisher hieher zu stellenden Gattung ergibt:
Subfamilia: Braunininae nov.
Holostomiden, deren vordere Körperregion zu einem
becherförmigen Mantel umgestaltet ist, dessen Hohlraum einen
mächtigen kompakten Zapfen enthält. Dieser hängt mit dem
Mantel an der Dorsalseite zusammen und enthält den Haupt-
teil der Geschlechtsorgane. Im hinteren Körperteil ein Cirrus-
beutel, der die Prostatadrüsenzellen und den Cirrus enthält.
Vagina nicht von einem parenchymatischen Genitalkegel
umgeben.
Einziges Genus: Braunina Heider (4) 1900 mit den
Charakteren der Unterfamilie.
Öffnung des Mantels verengt, Verbindung zwischen Mantel
und Zapfen ein dünner Hals. Dieser erhebt sich aus einer
ziemlich tiefen Rinne an der Dorsalseite des Zapfens. Durch ihn
ziehen die Darmschenkel aus dem Mantel in den Zapfen und
die Geschlechtsausführungsgänge aus dem Zapfen in den
hinteren Körperteil. Dieser ist ein zylindrischer Anhang von
geringer Größe und sitzt dem Mantel außen an jener Stelle auf,
durch welche dieser innen mit dem Zapfen zusammenhängt
Saugnäpfe fehlen ganz.
Befestigung am Wirte durch eine becherförmige Falte der
Darmschleimhaut desselben, welche den ganzen Zapfen um-
hüllt.
Gattung Brauntna Hei der. 623
Der Vergleich des Materials, das aus einem zu Ostern 1902
an der k. k. zoologischen Station in Triest sezierten Delphin
stammt, mit jenen alten von der Novara-Reise herrührenden
Exemplaren von Braunina ergab keine genügenden Anhalts-
punkte zur Unterscheidung verschiedener Spezies. Auch zeigen
die Darmwandstücke mit den Brauninen von der Novara-Reise
eine so auffallige makro- und mikroskopische Ähnlichkeit mit
der Delphindarm wand, daß ich wohl die Vermutung aussprechen
darf, es habe sich bei der Angabe: »Darm von Squalus, Rio de
Janeiro« um eine Verwechslung gehandelt.
Spezies : Braunina cordiformis nova.
Vorderkörper dick und herzförmig. Hinterer Körperteil
kurz und dünn, am Ende mit flacher Bursa copulatrix.
Geschlechtsreife Exemplare sind von zirka 4 bis 8'5mm
Länge.
Verzeichnis der zitierten Literatur.
1. Brandes, Die Familie der Holostomiden. Spengel's Zoo-
logische Jahrbücher, Abteilung für Systematik, Geographie
und Biologie der Tiere. 5. Bd., S. 549 bis 604.
2. Braun, Trematodes in Bronn's Klassen und Ordnungen
des Tierreiches, 1879 bis 1893 (Bd. IV, Abt. \a).
3. Heckert, Leucochloridium paradoxum. Monographische
Darstellung der Entwicklungs- und Lebensgeschichte des
Distomum macrostomum. In »Biobliotheca zoologica«,
herausgegeben von Leuckart und Chun. 4. Heft, 1889.
4. Heider, Über Braunina, ein neues Genus aus der Gruppe
der Holostomiden. Verhandlungen der deutschen zoologi-
schen Gesellschaft auf der X. Jahresversammlung, 1900.
5. Juel, Beiträge zur Anatomie der Trematodengattung
Apoblema. Bihang tili Kongl. Svenska Vetenskaps-Akade-
miens Handlingar. 15. Bandet, Afdelning 4. 1890.
6. Leuckart, Die Parasiten des Menschen und die von ihnen
herrührenden Krankheiten. 2. Aufl., II. Bd. (Trematoden).
7. Looss, Beiträge zur Kenntnis der Trematoden. Zeitschrift
für wissenschaftl. Zoologie, 41. Bd., 1885.
Sitzb. d. mathem.-nalurw. KL; CXII. Bd., Abt. I. 40
624 K. Wolf,
8. Looss, Ist der Laurer'sche Kanal der Tremaioden eine
Vagina? Zentralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde,
13. Bd., 1893.
9. Looss, Die Distomen unserer Fische und Frösche. »Biblio-
theka Zoologica«, herausgegeben von Leuckart und Chun,
1894.
10. v. Lorenz. Über die Organisation der Gattungen Axine
und Microcotyle. Arbeiten aus dem zoolog. Institute der
Universität Wien, 1. Bd., 1878.
11. Monticelli, Studii sui Trematodi endoparassiti. Spengel's
Zoolog. Jahrbücher, III. Suppl., 1893.
12. Noack, Die Anatomie und Histologie von Distotnum
clavigerum. Inaug. Dissert., Rostock 1892.
13. Poirier, Contribution ä l'histoire des Trematodes. Archives
de Zoologie experimentale et generale, II. S«rie, 3. Bd., 1885.
14. Poirier, Sur les Diplostomidae. Archives de Zoologie
experimentale et generale, IL Serie, 4. Bd., 1886.
15. Sommer, Die Anatomie des Distotnum hepaticum. Zeit-
schrift für wissensch. Zoologie, 34. Bd., 1880.
16. Ziegler, Bucephalus und Gasterostomum. Zeitschrift für
wissensch. Zoologie, 39. Bd., 1883.
Gattung Braunina H e i d e r. 625
Tafelerklärung.
a Vorhof.
b becherförmige Schleimhautfalte des Wirtsdarms.
bc Bursa copulatrix.
o Cirrus.
cb Cirrusbcutel.
äst Dotterstock,
grz »große Zellen« des Pharynx.
k hinteres Körperende.
int Darmschenfceh
kg Keimgang (Ovidukt).
ksi Keimstock (Ovar).
/ Laurer'scher Kanal.
m Mantel.
o Mundöffnung.
oe Ösophagus.
oot Ootyp.
ph Pharynx.
pho Pharynxöffnung.
pl Parenchymlücken.
pr Prostatazellen.
sph Sphincter vaginae.
/ Hoden.
udg unpaarer Dottergang.
ut Uterus.
v vorderes Körperende.
v. dcf Vas deferens.
vag Vagina.
x Hals.
z Zapfen.
Fig. 1. Ansicht des Tieres von der Dorsalseite. Vergr. 6.
Fig. 2. Ansicht des Zapfens von der Dorsalseite nach Entfernung des Mantels
und Hinterkörpers. Vergr. 6.
Fig. 3. Schematisierter Medianschnitt. Die dorsale Umrandung ist stärker
als die der Ventral seite angehörige ausgezogen. Vergr. 6.
Fig. 4. Querschnitt durch den vordersten Teil des Mantels mit Pharynx,
Vorhof und Mundöffnung. Vergr. 35.
40*
626 K. Wolf, Gattung Braunina Hei der.
Fig. 5. Querschnitt durch den Mantel. Etwas weiter hinten als in Fig. 4. Mit
Pharynx und Vorhof. Vergr. 35.
Fig. 6. Pharynx von der Mantelhöhle aus gesehen. Der hintere Teil bloß-
gelegt durch Auspräparieren aus dem Mantel. Vergr. 70.
Fig. 7. Querschnitt durch den Hinterkörper. Vergr. 35.
Fig. 8. Querschnitt durch den Vorderkörper. Vergr. 20.
Fig. 9. Ansicht des im Zapfen verlaufenden Teiles der Dannschenkel von
der Ventralseite. Das Tier in frontaler Richtung halbiert, die ventrale
Hälfte entfernt. Nach einem Wachsplattenmodell von 25 facher Ver-
größerung von Herrn cand. phil. Paul Waitz, dem ich auch die
folgende Photographie (Fig. 10) verdanke, photographiert. Reproduk-
tion verkleinert auf zirka 16 fache Vergrößerung.
Fig. 10. Ansicht des Anfangsteiles der weiblichen Geschlechts wege und ihrer
Vereinigung, von der Dorsalseite. Nach einem Wachsplattenmodell
von 100 facher Vergrößerung. Reproduktion verkleinert auf zirka
70 fache Vergrößerung.
Fig. 11. Medianschnitt durch das hintere Körperende. Etwas schematisiert
(durch Weglassung der histologischen Details). Vergr. 35.
WaH
S
■4
tfr.M M
I
I*
627
Arachnoidea in Asia Minore et ad Constantino-
polim a Dre. F. Werner eolleeta,
conscripta a
VI. Kulczyriski.
(Mit 1 Doppeltafel.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 9. Juli 1903.)
Araneae.
Cyrtocarenum (?) Werneri n. sp. Burnabat (prope Smyr-
nam), 6. V. femina probabiliter adulta.
Ciniflo sp.? Adampol (prope Beikos ad Bosporum), 22. VII.
exempla non adulta.
Dictyna arundinacea (L.). Eski Schehir, femina adulta.
D. latens (Fabr.). Aktschalan (prope urbem Brussa), 28. VII.
femina adulta.
Eresus Walckenaerii Brülle. Ala Schehir, 2.V. mas adultus
{Eresas Audouinii Brülle); Smyrna, mense Maio femina ad.;
vallis rivi Meles (prope Smyrnam), I.V. exemplum non adultum,
probabiliter huius speciei. — Cfr. Adnotationes.
Femina probabiliter alius cuiusdam Eresi, non adulta, lecta
est ad Smyrnam mense Maio. Abdomen exempli huius dense
punctis albis, magnitudine fere oculos posticos attingentibus,
ornatum est.
Scytodes thoracica Latr. Insula Propontiaca: Antigoni,
16. VII. femina ad.
Dysdera Westringii 0. P. Cambr.? Ala Schehir, exemplum
non adultum.
Prosthesima Olympi n. sp. Olympus Bithynicus, in altitu-
dine 2000 — 2500 m femina ad. (et exemplum non adultum
fortasse eiusdem speciei).
628 VI. Kulczyiiski,
Gnaphosa bithynica n. sp. Olympus Bithynicus, in altitu-
dine 2000—2500 m mas et feminae ad.
G. sp.? Brussa, exemplum non adultum.
Palpimanus gibbulus L. Du f. Burnabat 6. V.; vallis rivi
Meles, pone Pagos, I.V.; feminae ad.
Holocnemus rivulatus (Forsk.). Abullonia (prope urbem
Brussa), mas et femina ad.
Theriämm impressum lL. Koch. Olympus Bithynicus, in
altitudine 1600— 2000 m femina adulta.
Lathrodectus tredecimguttatus (Rossi) var. lugubris
(L. Duf.). Brussa, femina ad.
Lithyphantes corollatus (L.). Constantinopolis (Dolma
Baktsche), femina ad. — Inkaya (prope urbem Brussa), 28. VII.
mas et fem. ad.; Olympus Bhhynicus, in altitudine ca. 1600w
femina ad.
Linyphia frutetorum C. L. »Koch. Balukli (prope urbem
Brussa), femina ad.
Tetragnatha externa (L.). Constantinopolis (Dolma Bak-
tsche), fem. ad. — Olympus Bithynicus, in altitxa. 1600 m: mas
et fem. ad.; Eski Schehir, mas et fem. ad,;? Köktsche Kissik
(prope Eski Schehir, meridiem versus), exemplum non adultum.
T. Solandrii (Scop.). Constantinopolis (Dolma Baktsche),
mas et fem. ad. — Balukli, femina ad.
Meta Merianae (Scop.). Silva Belgradensis dicta, prope
Constantinopolim, 20. VII. femina ad.
Argiope Bruennichii (Scop.). Adampol, 13. VII. femina ad.
et iuv.; Isnik, femina ad. et iuv.; Balukli, fem. ad. et iuv.
A. lobata (Pall.). Eski Schehir, femina ad.
Mangora acalypha (Walck.). Adampol, Brussa; feminae ad.
Aranea (Epeira) angulata L. Silva »Belgradensis«, fem.
ad. et iuv. — Difterunt haec exempla habitu paullo ab exemplis
Europae mediae, notas tarnen speciei propriae non praebent.
A. Circe (Sav.). Insula Propontiaca: Platia, 15. VII. fem.
ad. et iuv. — Alayund (prope Eski Schehir, meridiem versus),
femina ad.
A. diadema L.(?). Adampol, 22. VII. exemplum non adultum.
A.folium Schranck (?). Bazarköi (ad lacum Isnik), Brussa;
pulli.
Arachnoidea in Asia Minore. 629
A. dalmatica (Dol.). Adampol, 22. VII. femina adulta.
A. Redii Scop.? Antigoni, 16. VII. pullus;? Inkaya, 28. VII.
pulius.
A. dromedaria Walck.? Antigoni, 16. VII. pullus.
A. adianta Walck. Platia, 15. VII; Adampol, 22. VII;
Smyrna, mense Maio; feminae adultae.
A (Singa) lucina (Sav.). Köktsche Kissik, exemplum non
adult. — Cfr. Adnotationes.
A. pygmaea (Sund.)? var. nigriceps n. Bazarköi, femina ad.
A. sangninea (C. L. Koch). Brussa, femina ad.; Aktschalan,
28. VII. mas et fem. ad.;? Inkaya, pullus.
Thomisus albus (Gmel.). Constantinopolis (Dolma Bak-
tsche), femina ad. — Göz Tepe (pro.pe Smyrnam), femina ad.
Runcinia lateralis (C. L. Koch). Constantinopolis (Dolma
Baktsche), femina ad. — Antigoni, 16. VII. femina ad. et iuv.
Heriaeus htrtus (C. L. Koch). Constantinopolis (Dolma
Baktsche), mas adult.
H. Simonii n. sp. Aktschalan, 28. VII. mas adultus (et
exemplum non adultum);? Antigoni, 16. VII. femina fortasse
huius speciei.
H. propinquus n. sp. Balukli, femina ad.
Xysticus graecus C. L. Koch. Platia, 15. VII. femina ad.
Species incertae XysHcorum (exempla non adulta) lectae
sunt ad: Aktschalan, Brussa, Alayund.
Synaema globosum (Fabr.). Antigoni, 16. VII; Balukli;
feminae ad.
S. sp.? Inkaya, 28. VII. pullus a Synaemaic globoso certo,
-a S. ornato Thor, probabiliter distinctus; num S. phrator
(O. P. Cambr.)?
Phüodromus aureolus (Oliv.) subsp. pallens Kulcz. In-
kaya, 28. VII. femina ad.
Ph. sp.? Köktsche Kissik, femina ad., caespiticölae (Walck.)
similis.
Tibetlus sp.? Köktsche Kissik, exemplum non adultum.
Sparassus sp.? Smyrna, mense Maio; Ajassoluk, 3. V;
exempla non adulta.
Ckiracanthium punctorium (Villers). Balukli, exemplum
non adultum, certe huius speciei.
030 VI. Kulczyriski,
Agelena labyrinthica (L). Adampol, 22. VII; Inkaya, 28. VII;
feminae adultae, statura magna, altera cephalothorace 6 mm,
tibia cum patella IV 7 mm, altera illo 672» his 78/4 longis,
forma epigynae paullo ab exemplis in Europa media lectis
distinctae: margo posticus foveae non libratus maximam par-
tem, sed pone ventrem versus declivis, iongitudine non totam
foveam, sed eius 4/7 aut (in exemplo maiore) x/b aequans.
Probabiliter varietati orientali C. L. Koch subiungenda sunt
haec exempia.
Pisaura rufofasciata (De Geer). Silva »Belgradensis%
20. VII. femina adulta, colore »murinae« (C. L. Koch, Die
Arachniden, fig. 1348), cephalothorace 4 mm longo, epigyna
(ab apice furcae corneae anticae ad marginem posticum foveae
posticae) 0*79 longa, eius fovea 0*7 lata, 0*38 longa, ante-
riora versus parum angustata, margine postico foveae paullo
procurvo, cum lateribus in arcus latos coniuncto. Aidin (prope
Ephesum), mense Maiö, femina adulta, detrita, colore — ni
fallor — Ocyalae mirabili C. L. Koch (1. c, fig. 1346) similis,
cephalothorace 4*5 longo; epigyne 0*73 longa, eius fovea
0-73 lata, 0*34 longa, paene semicircularis: anteriora versus
insigniter dilatata. Aktschalan, 28. VII: Gök Deze (prope urbem
Brussa); Köktsche Kissik; pulli.
Tarentula praegrandis (C. L. Koch). Smyrna, mense Maio
femina ad.; Mekedje (inter Biledjik et Eski Schehir), pullus.
T. radiata (Latr.). Silva »Belgradensis«, 20. VII. mas ad.,
cephalothorace 53/4, tibia cum patella IV 7 mm longa, ventre
pallide colorato. Antigoni, 16. VII. mas et femina ad.; haec
ventre macula nigra subtriangulari ornato, cephalothorace et
tibia cum patella IV 8 mm longis; mas minutus: cephalo-
thorace 5 mmy tibia cum patella IV 6 mm longis, ventre toto
pallido. Adampol, 22. VII. exemplum non adultum. Brussa,
femina ventre pallido, cephalothorace et tibia cum patella IV
6*5 longis. Mekedje, exemplum non adultum.
T. Eichwaldii Thor. var. bithynica n. Olympus Bithyni-
cus, in altitud. 2000— 2500 m femina adulta.
Trochosa {riiricola De Geer. var.) rnstica Thor.? Isnik,
femina ad.
T. sp.? Isnik, exemplum non adultum.
Arachnoidea in Asia Minore. 631
Lycosa cursoria C. L. Koch? Olympus Bithynicus, in
altit. 1600 — 2000 m feminae adultae. Feminas has a Lycosa
cursoria et a L. albata L. Koch distinguere nescio.
L. sp.? Gök Deze, femina iuvenis, detrita.
Oxyopes lineatus Latr. Constantinopolis (Dolma Baktsche),
femina ad. — Aktschalan, 28. VII. femina ad.
O. heterophthalmus (Latr.). Burnabat, 6. V. femina ad.
Leptorchestes berolinensis (C. L. Koch). Aktschalan, 28. VII.
femina ad.
Heliophanus Cambridgei E. Sim. Antigoni, 16. VII. femina
ad.;? Köktsche Kissik, exemplum non adultum, detritum.
H. exsultans E. Sim.? Adampol, femina ad.
H. Kochii E. Sim. (?). Antigoni, 16. VII. pulli.
H. equester L.Koch. Aktschalan, 28. VII; Bazarköi; Smyrna,
mense Maio; feminae adultae.
H. melinus L. Koch. Smyrna, mense Maio; vallis rivi
Meles, pone Pagos; Magnesia, 9. V.; Ala Schehir, 2. V.; feminae
adultae.
Menemerus semilimbatus (Hahn) (?). Abullonia, ex. non
adultum detritum; Isnik, exempl. contusum, abdomine carens;
Smyrna, mense Maio exemplum non adult.
Habrocestum papilionaceum (L. Koch). Ajassoluk (prope
antiquam Ephesum), 30. V. mas adultus et exemplum non
adultum.
Pellenes, incertae species duae. Antigoni; Aktschalan,
28. VII.; exempla non adulta.
Philaeus chrysops (Po da) var. haetnorrhoica (C. L. Koch).
Ajassoluk, 3. V. femina; Smyrna, mense Maio mas et femina
ad.; Ala Schehir, 2. V. mas et fem. ad. — Cfr. Adnotationes.
Euarcha sp. Brussa, pulli.
Opiliones.
Egaenus crista (Brülle) anatolicus n. Smyrna, mense
Maio mas et fem.; Ala Schehir, mense Maio mares; Magnesia,
9. V. femina nuper adulta. — Silva »Belgradensis«, 20. VII.
femina valde obscure colorata, dorso a tubere oculorum usque
ad apicem linea albida ornato.
632 VI. Kulczynski,
Platybunus strigosus (L. Koch) olympicus n. Olympus
Bithynicus, in altit. 2000—2500 m mas aduttus.
Netnastoma Werneri n. sp. Olympus Bithynicus, in altit
1 600 m feminae ad.
Scorpiones.
Euscorpius italicus (Herbst). Constantinopolis (Pera-
Dolma Baktsche). Exempla parva, ca. 26 mm longa, ceterum ab
Eu. italico in Italia septentrionali lecto non distincta, ni fallor.
Eu. carpathicus (L.). Constantinopolis (Pera). — Cfr. Ad-
notationes.
Eu. germanus (C. L. Koch). Adampol. — Cfr. Adnotationes.
Adnotationes et deseriptiones speeierum novarum.
Cyrtocarenum (?) Werneri n. sp.
Femina (probabiliter adulta). Cephalothorax 6'1 mm lon-
gus, 5*1 latus, hexagonus angulis rotundatis, fere in media parte
latissimus, anteriora versus lateribus subrectis (vix sinuatis)
paene aequabiliter, posteriora versus lateribus primo leviter
tum fortius arcuatis magis quam anteriora versus angustatus,
latere antico leviter rotundato, ca. 3*7 longo, latere postico
1-5— 2*0 longo, in laterum parte posteriore margine paullo
elevato, parum lato limbatus, subtilissime densissime reticu-
latus, sat nitidus, in clypei parte media et in area oculorum
et pone eam setis inaequalibus erectis ornatus, ceterum glaber.
Fovea media fortiter procurva, a margine postico 2*2 mm
remota; pars thoracica depressa, dorsum partis cephalicae
modice et paene aequabiliter arcuatum, pone sat cito adscen-
dens, in parte anteriore sublibratum. Impressiones cephalicae
prope foveam mediam profundae, anterius furcatae, acutae
quidem sed vadosae, marginem cephalothoracis attingunt; pars
thoracica utrimque sulcis duobus sat profundis, abbreviatis, et
prope angulos posticos fovea vadosa diffusa ornata. Area ocu-
lorum non evidenter elevata, 15 lata, trapezica, latere antico
modo 133 longo, 0*49 longa. Series oculorum antica desuper
visa modice recurvata, marginlbus anterioribus oculorum lineam
pauilulo recurvatam designantibus, directo a fronte adspecta
sat fortiter deorsum curvata, marginibus superioribus oculorum
Arachnoidea in Asia Minore. 633
lateralium paullo altius quam puncta media mediorum sitis.
Oculi antici medii lateralibus multo minores (horum diameter
minor ca. 0#23, maior ca. 0*34, illorum diameter ca. 018
longa), inter se paullo plus quam diametro, a lateralibus parum
plus quam radio remoti; clypeus sub oculis lateralibus altitu-
dine eorum diametrum maiorem fere aequat; oculi medii postici
rotundati aut paullulo latiores quam longiores, anticis mediis
paullulo maiores, ab eis paullulo plus quam diametro (et aeque
fere atque antici medii inter se), inter se tripla saltem dia-
metro, a lateralibus .posticis ca. 2/s diametri remoti; oculi late-
rales postici anticis paullulo breviores et insigniter angustiores
(ca. 0-31 longi, 0 16 lati), ab eis ca. l/A diametri maioris
distantes; series oculorum posterior sat fortiter recurvata, etiam
marginibus anterioribus oculorum lineam leviter recurvatam
designantibus. Mandibulae desuper visae 2*1 longae, basi
ambae simul sumptae 3*7 latae; earum apex (a parte postica
inferiore visus) in processum sat parvum, ca. 0*3 latum, 0 15
longum, dentes rastelli duos gerentem, productus; rastellum
e dentibus ca. 7 in utraque mandibula compositum; apicem
mandibulae dentes tres ornant, eorum duo in processu com-
memorato siti nigri, lanceolati, apice obtusi, ca. 4-plo longiores
quam latiores, late sulcati; ad processum dens unus, paullo
debilior, rufus; in margine interiore dorsi mandibulae seriem
dentium tenuiorum quatuor vidisse videor (difficilius hi dentes
conspiciuntur inter setas confertas, fortes, plerasque rufas,
quibus dorsum mandibulae in dimidio inferiore ornatur). Ster-
nnm 3*5 longum, 3*2 latum, ,pentagonum, circiter in i/1 longi-
tudinis latissimum, lateribus anterioribus leviter rotundatis,
margine antico modo 1*2 longo, subtilissime dense reticulatum,
nitidum, pilis erectis modice dense ornatum; sigilla quatuor,
duo inter paria pedum II et III sita, sat magna et profunda,
obliqua, retro et foras directa, inter se non multo magis quam
a marginibus sterni remota; apices eorum antici impressione
transversa, diffusa, modice profunda, magnam partem glabra
(modo in parte media pilosa) inter se coniuncti; altera sigilla
minuta, adversus coxas II sita, a sigillis posterioribus paullo
magis quam a marginibus sterni remota. Labium basi 1*2
latum, 0*84 longum, subsemicirculare margine postico leviter
634 VI. Kulczynski,
procurvo, ornatum in parte media antica dentibus oblongis
obtusis 6 (2.1.2.1). Maxillae angulo antico interiore paullo
producta, ad angulum basalem interiorem armatae dentibus
ca. 20, vittam transversam, foras angustatam occupantibus.
Palporum pars femoralis 2*8 longa, sat fortiter compressa,
modice incurvata, inermis; patellaris 1-8 longa, 0'95 lata,
lateribus paene parallelis, in latere interiore aculeis 1 . 1 ornata;
tibialis 175 longa, prope basim 0*95, prope apicem 0*85 lata,
in latere interiore aculeis 1.2.1, in exteriore 1.2.1 aut 2.1.1
instructa; tarsalis 2'1 longa (unguiculo excluso), paullo ante
medium 0"9 lata, basim versus paullulo, apicem versus fortius,
lateribus leviter arcuatis (praesertim exteriore) angustata, latere
exteriore fere toto in parte inferiore aculeis 14 — 18 (inferioribus
longioribus quam superiores), latere interiore aculeis 11 — 14,
basali a reliquis remoto, instructo; scopula nulla; unguiculus
dente uno, sat longo, prope basim ornatus. Pedes posteriores
anterioribus paullo crassiores; pedum I femur 3*6, patella 2*5,
tibia 2 -1, metatarsus 1*95, tarsus 1*05, pedum II partes: 3*3,
23, 1*8, 1-85, 1-1, pedum III 3-0, 2-6, 1-6, 225, 145, IV 4-2,
2-7, 2*6*3,1, 1*6 longae. Femora sex anteriora et patellae I
et II inermes; tibiarum I latus anticum in dimidio apicali aculeis
1.1, latus inferius posticum secundum totam longitudinem
aculeis 5 aut 6, latera respondentia tibiarum II aculeo 1 et
aculeis 2 aut 3 ornata; latera anticum inferius et posticum
inferius: metatarsorum I aculeis 12, metatarsorum II aculeis
8 — 10, tarsorum I 8 — 10, tarsorum II 5 — 7 (latus posticum)
aut 10 (1. anticum) arm ata; patella et tibia III in latere antico
aculeo 1 brevi, metatarsus III in antico superiore 6, in postico
superiore 3, in apice lateris antici inferioris 1 non crasso,
tarsus III in latere antico apicem versus 6 aut 8 instructus;
pedum IV patella et tibia aculeis maioribus carent, metatarsus
apice in latere antico inferiore aculeis 2 ornatus, ceterum
inermis aut in latere eodem pone medium aculeo 1 ; tarsi IV
armatura similis atque tarsi III, aculei ca. 11; praeterea margo
apicalis superior femoris IV (praesertim in parte anteriore), pars
patellae IV superior anterior, apice excepto, aculeis brevibus,
maximam partem obtusis, plus minusve confertis ornata; arma-
turam similem minus evolutam, ex aculeis tenuioribus aut
Arachnoidea in Asia Minore. 635
setiformibus et minus confertis constantem, praebent praeterea:
latus anticum superius tibiae IV apicem versus, magna pars
dorsi patellae III et dorsi metatarsi III, bene evolutam autem,
praesertim apicem versus: dorsum et latus anticum superius
tibiae III. Scopulae desunt; unguiculi principales pedum sex
anteriorum prope basim dente uno gracili ornati, pedum IV, ut
unguiculi impares omnes, inermes. Abdomen (contusum) 8 mm
longum, ca. 5 latum. Matnillae inferiores 0*63 longae, 0*32
latae, basi inter se ca. diametro sua remotae, superiores 1*74
longae (subter), prope medium 0*9 latae, a medio basim versus
et apicem versus leviter angustatae, articulo basali 1*16, 2-o
0*42, 3-o 0*16 longo; articulus 2-us subter fusulis textoriis
parvis dispersis et ad marginem apicalem fusulis magnis con-
fertis 7 aut 8 instructus; fusuli articuli 3-ii plerique dispersi,
modo in parte quadam inter medium et marginem inferiorem
magis congesti.
Cephalothorax cum mandibulis fulvus, colore fusco suf-
fusus, fovea media arcu fuligineo procurvo picta, area ocu-
lorum fuligineo reticulata; oculi cingulis nigris inaequalibus, ex
parte incompletis cincti; praeterea caret cephalothorax pictura
evidentiore, pars cephalica modo umbris duabus anguste cunei-
formibus, ab area oculorum versus foveam mediam ductis
ornata. Sternum, maxillae, palpi, pedes paullo pallidius fulva
quam cephalothorax supra, pedes anteriores et palpi apice
infuscati, labium sterno paullo obscurius. Abdomen umbrino-
cinereum, subter paullo pallidius quam supra, dorsum hume-
factum in quarta parte postica lineis tribus tenuibus, leviter
recurvatis, totam latitudinem occupantibus, cinereo-albidis
pictum; mamillae, praesertim subter, abdomine pallidiores.
Mas ignotus.
Species haec manifesto Cyrtocareno lapidar io (Lucas)
imprimis affinis est; differre ab eo videtur praesertim oculis
lateralibus inter se multo minus remotis: intervallum hoc in
Cyrtocareno lapidario diametrum longiorem oculorum anti-
corum aequat teste Cel. A. Aussererio1 et E. Simonio.2
i Verhandl. der k. k. zool.-bot. Gesellsch., vol. XXI, p. 154 (Ctcniza
orientalis).
2 Ann. Soc. entom. de France, ser. 6, vol. 4, p. 346.
636 VI. Kulczyriski,
Eresus Walckenaerii Brülle.
Mas adultus Eresi ad Ala Schehir et femina adulta ad
urbem Smymam lecta Ereso Walckenaerii Brülle subiun-
genda videntur. — Femina nulla alia re a feminis Eresi Walcke-
naerii in Graecia captis differt nisi abdomine pilis albis dis-
persis carenti. Abdomen huius exempli concolor est, fascia
aurantiaca in dorsi parte antica non ornatur.
In marem bene quadrant ea, quae T. Thoreil secundum
Brulleum scripsit olim1 de Ereso Audouinii Brülle, qui teste
Cel. E. Simonio mas est Eresi Walckenaerii* (Descriptionem
Eresi Audouinii primam, a Brulleo prolatam, non vidi.) Exem-
plum hoc \3mnt longum est; eius cephalothorax niger, pars
cephalica nigro pilosa, pilis albis paucis in declivitate postica
immixtis, pars thoracica limbo sat angusto coccineo ornata,
ceterum nigro pilosa et pilis albis multis, coccineis vero per-
paucis adspersa. Dorsum abdominis coccineum, pilis albis
paucis adspersum, maculis nigerrimi9 quatuor et punctis duo-
bus minutis ornatum; latera abdominis nigra; venter ex parte
fulvo pubescens; scuta pulmonalia pilis laete rufis et albis
ornata; ad mamillas in latere utroque et supra maculae sat
parvae e pube laete rufa et alba formatae. Pedes nigri, poste-
riores colore rufo paullo suffusi; femora I apice supra puncto
albo, reliqua secundum totam longitudinem supra linea alba
ornata; patellae anteriores pube alba carent, posteriores supra
lineis binis angustis, posteriore melius expressa, pictae, in
latere antico superiore apicem versus fulvo et albido pilosae
et apice (in eodem latere) aibo marginatae; in pedibus I apex
tibiae et basis metatarsi in utroque latere macula alba maius-
cula ornata, dorsum tibiae praeterea apice vitta alba brevi
pictum, apex metatarsi anguste albo pilosus; pedum II pictura
similis, maculis lateralibus tarnen parum evolutis, vitta dorsuali
tibiae vero longiore, medium dorsum attingenti, metatarsi latus
anticum superius magnam partem albo pilosum; tibiae poste-
riores supra albo lineatae et in latere antico superiore vestigiis
1 Remarks on Synonyms of European Spiders, p. 422.
2 Ann. Soc. entom. de France, ser. 6, vol. 4, p. 325.
Arachnoidea in Asia Minore. 637
lineae albae ornatae; metatarsi apice anguste albo annulati,
supra vitta albida modice evoluta, basi breviter furcata (?)
ornati. Subter pedes pube alba et rufa carent.
Ab Ereso nigro (Petagna), cui valde similis est, differt
mas noster — praeter picturam pedum1 — imprimis forma
cephalothoracis et bulbi genitalis. In omnibus maribus 2J. nigri,
quos vidi (non multis), pars cephaiica paulio latior est quam
pars thoracica; conductorem emboli (fig. 1, 2) lamella format
Cornea, pellucida, convoluta, axi fere anteriora versus directa;
lamella haec in lauere bulbi genitalis inferiore interiore initium
capit ibique brevis valde est, tum sensim longior fit in latus
superius adscendit, in latere exteriore descendit, denique subito
interiora versus infracta in membranam abit paullulo breviorem,
subplanam, minute fimbriatam; intra hunc conductorem pars
apicalis emboli sita est, longa, setiformis; margo apicalis partis
corneae conductoris in angulo inter partem hanc et membrana-
ceam dentem format brevem subacutum et ad eum breviter
sinuatus est. In bulbo a latere exteriore viso pars conductoris
membranacea infracta non aut vix conspicitur, pars Cornea
(quoad conspicitur) subtrapezica videtur, aeque circiter longa
ac lata aut paulio longior, apicem versus plus minusve angu-
stata, latere inferiore fere in longitudinem directo, recto aut
paulio deorsum curvato, margine apicali dentes duos formanti:
inferiorem nigrum sat angustum, superiorem obliquum, latiorem,
1 Mas Brest nigri non parum variat piccura pedum ea, quae e colore
pubis p endet. Pedes I plerumque nigri sunt, — nonnunquam rufo-fuliginei — ,
anguste albo annulati in apice femorum patellarum tibiarum metatarsorum;
nonnunquam etiam basis patellae anguste alba est et metatarsus basi modo
anguste modo late albus, aut etiam in dorso toto albo diffuse lineatus, aut
denique in latere antico inferiore albo pilosus. Pedes II anticis similes, saepe
tarnen annulo femorali ex parte coocineo et femore plus minusve coccineo
piloso (modo in parva quadam parte dorsi sola, modo in omnibus lateribus).
Pedum posteriorum color dominans coccineus, apicem versus et in patellis
tibiis metatarsis subter et in latere postico femoris IV obscurus; nonnunquam
pedes hi tarnen — teste Cel. E. Simonio (Ann. Soc. entom. de France, ser. 5,
vol. 3, p. 344) -- nigri sunt. Mares sex, quos in manibus habeo (1. et 4. in
Hungaria, 2. in Transsilvania, 3. in Bosnia, 5. et 6. ad Bonnam, 7. et 8. in
Hercegovina lectus), hanc picturam pedum posteriorum praebent (a, = annulus
apicalis, ab. = paulio abbreviatus, alb. = albus, ang. = angustus, br. =
brevis. c. = coccineus, d. = dorsum totum, 1. == linea dorsualis parum aut
638
VI. Kulczyriski,
pallidiorem. — Eresi Walckenaerii pars cephalica paullo angu-
stior est quam pars thoracica; bulbi genitalis fabrica similis
atque in Ereso nigro, sed pars conductoris externa, quae a
latere exteriore conspicitur (fig. 3), elongata, anteriora versus
et paullo deorsum directa, leviter sigmoidea, basi omnino
angusta, apicem versus modice dilatata, apice obtusa, partem
infractam membranaceam longe non totam occultans.
Eresi Walckenaerii nostri cephalothorax 6*5 ww longus
est, pars cephalica 4*5, thoracica 4*8 lata, pedes I (a basi
femoris) ca. 14, IV ca. 12- 7, pedum I patella 2*3, tibia 2 -7,
metatarsus 3-0 longus. (Eresi nigri, minimi et maximi, quos
vidi, partes respondentes: cephalothorax 3*5, 6*3 longus, pars
cephalica 2*7, 4*7, thoracica 2-4, 4'4 lata, pedes I 7-7, 12*2,
non abbreviata, lat. = latus, obs. = obsoletus, p. = punctum in apice inter-
nodii, v. = vitta dorsualis lata, parum aut non abbreviata) :
III:
femur
patella
tibia
metatarsus
1.
0
0
0
0
2.
0
0
a. alb. obs. -h v. alb. br.
d. alb.
3.
0
0
a. alb.
a. alb. -h v. alb. ab.
4.
0
0
p. alb.
a. alb.
5.
0
0
a. alb. -h v. c.
a. alb.
6.
a. alb.
a. alb.
a. alb.
a. alb.
7.
0
p. alb.
a. alb. -+- 1. alb. br.
a. alb. -h 1. alb.
8.
a. alb.
a. alb.
a. alb. + 1. alb.
a. alb. -h 1. alb.
IV:
femur
patella
tibia
metatarsus
l.
0
0
0
a. alb. obs.
2.
0
0
a. alb.
d. alb.
3.
0
0
a. alb. obs.
d. alb.
4.
0
0
p. alb. obs.
a. alb. -h v. alb. br.
5.
0
0
p. alb. -+- v. alb. et c.
a. alb.
6.
a. alb. obs.
a. alb. obs.
a. alb.
a. alb. -4- v. alb. ab.
7.
0
0
a. alb. ang.
a. alb. lat+v. alb. ab
8.
a. alb.
p. alb.
a. alb. -+- 1. alb.
a. alb. + 1. alb.
In exemplo 4-to : tibia III supra in medio coccinea, metatarsus III in dorso
pilis coccineis perpaucis ornatus, metatarsus IV fuscus, dorso rufo, apicem
versus albo vittato; in exemplo 5-to: metatarsus III dorso prope medium
pilis nonnullis albis ornato, tibia IV supra anguste rufa et albida, ceterum
fusca; in exemplo 8-vo: tibia et metatarsus pedum III etiam in lateribus
paullo albo pilosa.
Arachnoidea in Asia Minore. 639
IV 7-4, 12-0, patellal 1-2, 1-9, tibia I 12, 2*1, metatarsus I
1-6, 2-6 longus).
Descriptio Eresi punicei C. L. Koch a Cel. E. Simonio
prolata1 paullo discrepat ab exemplo nostro: pars cephalica
exempli huius aeque solum lata est atque longa, non latior,
pedes posteriores lineis albis ornantur, quarum mentionem in
descriptione E. punicei E. Simon non fecit. — Fortasse variat
mas Eresi Walckenaerii pedum pictura similem in modum
atque mas Eresi nigri; partis cephalicae latitudo cum longi-
tudine comparata fortasse in Eresis nota non magni est
momenti, quum Cel. E. Simon Eresutn rotundicipitem a se
ipso anno 1873 descriptum et praeter alia ab E. nigro (cinna-
barino) parte cephalica latiore quam longiore distinctum
postea2 ut varietatem Ereso nigro subiunxerit.
Prothesima Olympi n. sp.
Adeo simiiis est haec aranea Prosthesimae talpinae
L. Koch, ut satis videatur indicare, quibus rebus ab ea
differat8
Area epigynae (fig. 4) 0*8 mm longa, ante 0*65 lata,
margine antico in arcum mediocriter procurvum curvato, lateri-
bus in parte anteriore parallelis, in parte posteriore rotundato-
angustata. Anguli antici areae foveas formant ordinarias, in
latere postico interiore omnino apertas. Areola epigynae 0*52
longa, in lateribus costis deplanatis, foras curvatis, ante et
pone sensim evanescentibus, nusquam supra planum epigynae
evidentius elevatis, et pone sulco bene definita, in fronte autem
aperta (certo situ modo, vestigium sulci transversi, arcus duos
leviter recurvatos formantis, in fronte areolae conspicitur);
1 Ann. Soc. entom. de France, ser. 5, vol. 3, p. 345. — Teste Cel.
E. Simonio (ibid., ser. 6. vol. 4, p. 325) E. puniccus C. L. Koch et E. Sim.
idem est atque E. Audouiui Brülle, sive mas Eresi Walckenaerii Brülle.
2 1889: Verhandl. der k. k. zool.-botan. Gesellsch., vol. 39, p. 384.
3 Pilos dispersos albos, quibus teste Cel. E. Simonio (Les Arach-
nides de France, vol. 4, p. 56) sternum Prosthesimac talpinae ornatur, non
vidi; metatarsi II armatura certo paullo variant, carent enim in exemplo
unico, quod vidi, aculeo medio ; clypei altitudo sub oculis lateralibus paullo
maior mihi videtur quidem quam diameter minor horum oculorum, sed non aut
vix maior quam eorum diameter longior.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. : CX1I. Bd., Abt. I. 41
640 VI. Kulczynski,
prope medium 0 18 lata est areola, anteriora versus leviter,
pone autem lateribus in arcus latos foras curvatis fortiter diia-
tata utrimque in lobum rotundatum, magis foras quam retro
directum; pars haec areolae 0-44 lata est, posteriora versus
modice descendens, pone in medio anguste et sat longe
(ca. 0 1 mm) — longius quidexn quam in lateribus — pro-
ducta, margine postico ceterum utrimque sigmoideo. Pars
areae anterior sulcis evidentioribus caret; areola ad marginem
anticum impressiones duas vadosas diffusas, carinula longi-
tudinali distinctas ostendit (an constanter?); eius lobi postici
paullo inaequales, subopaci, intus vestigio carinae humillimae,
fortiter foras curvatae a reiiquis partibus areolae distincti.
Cephalothorax 2 9 mm longus, 2*2 latus, abdomen 3*5
longum, pedes (a margine cephalothoracis) I 6-8, II 6 1,
III 5-5, IV 8-7, pedum I femur 1*85, patella 1-2, tibia 125,
metatarsus 1*1, tarsus 0*9, pedum II partes: 1*6, 1*05, 11,
1-05, 0-88, pedum III: 145, 0-8, 0-9, 1*2, 0-9, IV: 21, 12,
1-5, 195, 1-0 longae.
Prosthesimae talpinae L. Koch epigyne (fig. 5) non
parum similis est epigynae Prosthesimae Olympi, his tarnen
rebus distincta: area ab angulis anticis posteriora versus evi-
denter angustata (nota non magni momenti, quoniam margines
areae mediocriter modo expressi sunt): areolae, quae in fronte
omnino aperta est et impressionibus caret, pars anterior costis
definitur paullulo, inaequabiliter quidem, incurvatis, posteriora
versus paullulo adscendentibus et pone, ubi subito — neque
sensim, ut in Pr. Olympi — foras curvantur, evidentissime
supra partes epigynae interiores prominentibus; areolae pars
anterior, anteriora et posteriora versus leviter angustata, humi-
liter fastigata est sive in linea mediana in carinam mediocriter
expressam elevata; pars areolae posterior posteriora versus
descendens, processu postico medio non longius quam lobi
laterales retro pertinenti, lobis lateralibus semilunaribus potius
quam rotundatis, quum ab imo adspiciuntur, nitidis, a reiiquis
partibus areolae carina nulla distinctis.
Prosthesimae talpinae cephalothorax 2*6 mm longus,
1*95 latus, pedum I femur 1*6, patella 1*05, tibia 1*1, meta-
tarsus 0-95, tarsus 0-78, pedum II partes: 1*4, 0*95, 0-95,
Arachnoidea in Asia Minore. 64 1
0-9, 0-75, pedum III: 1-3, 0-78, 0-80, 0-88, 0-75, IV: 1-85,
11, 125, 165, 0*9 mm longae.
Gnaphosa bithynica n. sp.
Gnaphosae petrobiae L. Koch1 valde similis est haec
aranea, femina saltem. (Marem G. petrobiae, eheu, non novi.)
Descriptio illius etiam in Gnaphosam bithynicam quadrat, his
rebus exceptis:
Oculi Gnaphosae bithynicae maiores sunt quam Gn. petro-
biae; in hac distant oculi antici laterales a margine clypei
paullulo plus quam diametro maxima, oculi postici laterales a
mediis plus quam dupla diametro sua (circiter 2V9 diametro);
in Gn. bithynica clypeus sub oculis lateralibus eorum diametro
maxima paullulo altior est, spatium oculis posticis mediis et
lateralibus interiectum horum diametro circiter sescuplo modo
maius; series oculorum postica fortius recurvata in Gn. bithy-
nica quam in Gn. petröbia: quum ad rectos angulos adspicitur
pars anterior cephalothoracis, margines postici oculorum posti-
corum mediorum cum marginibus anticis lateralium lineam
designant paene rectam in illa, leviter procurvam in hac, oculi
laterales postici ab anticis duplo longius in illa, sescuplo
longius in hac distant quam medii antici a posticis; clypeus
sub oculis lateralibus dimidium intervallum oculi lateralis
postici et antici parum superat in Gnaphosa bithynica (6:11).
Pedes Gnaphosae bithynicae paullo longiores sunt quam
Gn. petrobiae. Cephalothorax 4*8 mm longus, 3*4 latus,
pedum I femur 3*1, patella 17, tibia 2-5, metatarsus 2*1,
tarsus 1-65, pedum II partes: 3-0, 17, 2-3, 2-05, 1*06,
pedum III: 2'8, 1-5, 1*95, 2*45, 1-5, IV: 3-6, 19, 2-9, 3-9,
1*9, abdomen (mamillis exclusis) 6*0 mm longum. Alius
i Descriptio Gnaphosae petrobiae a Cel. Dre. L. Kochio prolata in: Zeit-
schrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg, 1872, p. 302, paullulo
mutanda vi de tu r: Oculi medii antici distant inter se plerumque paullulo minus
quam diametro, oculi antici laterales remoti sunt a lateralibus posticis spatio
Vj maiore quam a margine clypei. »An den Tibien und Metatarsen der beiden
Vorderpaare unten eine dünne Scopula« (p. 303) manifesto lapsus et pro »An
den Tarsen und Metatarsen« cet. — Color exemplorum, quae vidi, paullo
pallidior est, quam ab Auetore celeberrimo describitur.
41*
642 VI. Kulczynski,
exempli cephalothorax 4-4 mm longus, 3*25 latus, pedum I
partes: 3'0, 1*6, 2*1, 1*85, T45, pedum II: 2-8, 16, 1*9, 1-8,
1-4, III: 2-5, 1-35, 165, 2-25, 1-4, IV: 3-4, 17, 2-6, 3-5, 1-6,
abdomen 4#8 longum. — Gnaphosae petrobiae cephalothorax
4*7 longus, 3-4 latus, pedum I partes: 2-9, 1*7, 2-2, 1*75,
1-35, pedum II: 2-7, 165, 2-0, 17, 1-3, III: 2*5, 14, 1'65,
21, 1-25, IV: 3-2, 18, 2-6, 3*35, 1*6, abdomen 5-5 longum;
alius exempli: cephalothorax 3' 9 longus, 2 -85 latus, pedum I
partes: 2-4, 14, 175, 1-45, 1*15, pedum II: 2-25, 13, 16,
1-4, 1-1, III: 2-0, 1-1, 1-4, 1-8, 115, IV: 2-7, 1*5, 2-15, 3-0,
1*4, abdomen 4*5 longum.
Gnaphosae bithynicae pedes aculeis hunc in modum
ornantur:
Pedum I femur supra 1.1, ante 1, patella 0, tibia subter
prope basim 1 aut 0, prope medium 1, in apice 1 aut 2, meta-
tarsus subter pone basim 2,
pedum II femur supra 1.1, ante 1.1, patella 0, tibia
subter 2 (prope medium), 2 (in apice), aut 1 (pone basim).
1.2, aut denique 1.2.2, metatarsus pone basim 2,
pedum III femur supra 1.1, ante 1.1, pone 1.1, patella
pone 1, tibia supra 1, ante 2.1.1, pone 2.1.1, subter 2.2.2,
metatarsus supra 1 aut 0, ante 1.2.2, pone 1.1.2 aut 1.2.2,
subter 2.2.2,
pedum IV femur ut III aculeatum, patella inermis aut
pone aculeo 1, tibia supra 1, ante 2.2 aut 1.2, pone 2.1.1,
subter 2.2.2, metatarsus supra 2.2.2 aut 3.2.2, ante 1.1.1,
aut 1.1 aut modo 1 (prope apicem), pone 1.1 aut 1.1.1,
subter 2.2.2.
Gnaphosa petrobia secundum exempla 13, quae vidi,
variat paullo pedum armatura (ut Gnaphosae pleraeque aut
fortasse omnes), nihilominus differre videtur a Gnaphosa bithy-
nica praesertim: tibiis I subter in apice saepissime aculeo
modo 1 (rarissime 2 aut 0), ceterum autem non aculeatis,
tibiis II subter in apice plerumque aculeo 1, rarius 2 armatis,
ceterum plerumque inermibus aut rarius prope medium acu-
leo 1 instructis, tibiis III in utroque latere plerumque aculeis
1.1.1, raro in uno atyerove latere 2.1.1 armatis (exemplum in
utroque latere tibiae huius aculeis 2.1.1 non vidi), metatarso III
Arachnoidea in Asia Minore. 643
supra (prope basim ad lineam medianam) fortasse constanter
inermi, subter plerumque aculeis 5 (2.1.2) armato, tibia IV
supra inermi.
Epigyne Gnaphosae bithynicae (ante ovipositionem ?)
(fig. 6, 7) fovea ornatur sat profunda, paullo longiore quam
latiore (0'65, 0-66, 0-73 longa, 0-60, 0*56, 0-56 lata), basi
utrimque plus minusve rotundata, marginibus lateralibus
magnam partem acutis, parallelis (rectis aut paullulo sinuatis),
in 8/5 aut b/1 longitudinis foveae evanescentibus; posterius
fovea marginibus obtusis definitur, retro et intus directis,
leviter sigmoideis (maximam partem leviter foras, in parte
postrema vero intus curvatis), in angulum obtusum et rotun-
datum aut recto non multo minorem coeuntibus. Ligula circiter
dimidio longior quam latior, apicem versus leviter angustata
aut lateribus parallelis, apice rotundata, apice excepto rugosa
et transverse plicata, paullo pone mediam foveam pertinens.
Pars anterior foveae posteriore profundior; fundus sub parte
anteriore ligulae oblique plicatus, plicis anteriora versus et
foras directis; posterior pars fundi aeque elevata atque mar-
gines foveae aut eis paullulo humilior, in lateribus anterius
dilute fulva, in parte media albida, maculis nigris translucenti-
bus picta, sulcis duobus profundis ornata, qui prope ab apice
ligulae utrimque initium capiunt, retro aut paullo intus directi,
ante apicem posticum foveae cum sulcis eis coniunguntur,
quibus fundus foveae a marginibus in parte postica distin-
guitur. Nonnunquam sulci hi — sine dubio, ut in aliis Gna-
phosis similibus, mutabiles — in partem foveae anteriorem
profundam extenduntur.
Fovea epigynalis Gnaphosae petrobiae (Fig. 8) in exem-
plis, quae ova deposuerant, saltem (alia non vidi) aeque lata
est atque longa aut paullulo latior (0-60, 0-68, 0*65 longa,
0-60, 0-68, 0-69 lata), a basi ipsa usque ad 2/3 aut 3/5 longi-
tudinis lateribus leviter incurvatis non parum dilatata, tum
lateribus fortius quam in priore infractis (in angulum non-
nunquam recto parum maiorem) et non magis saltem retro
quam intus directis, subrectis, subito angustata. Ligula basi
aeque lata atque fovea (0*32 — 0*38 mm), saepissime non
longior quam latior, et apicem versus insigniter angustata,
644 VI. Kulczyriski,
nonnunquam tarnen dimidio fere longior (0*45 longa, 0*30
lata) et parum angustata, dimidiam foveam modo parum, modo
insigniter longitudine superat. Fundus foveae similis atque in
priore (plicae in parte antica desunt fortasse, non vidi eos
saltem), sed in parte posteriore sulcis ornatus posteriora versus
insigniter inter se appropinquantibus, rectis, margines foveae
ad ipsum eius apicem posticum attingentibus.
E Gnaphosis, quas novi, Gnaphosae bithynicae forma epi-
gynae similes sunt etiam Gn. montana (L, Koch) et Gn. opaca
O. Herrn.; haec iam ipsa statura multo minore facile distin-
guitur a Gn. bühynica; Gnaphosae montanae cephalothorax
evidenter longior quam tibia cum patella IV est, tibia II pro-
babiliter basi nunquam, prope medium aculeo 1 solum ornatur,
epigynae fovea formam paullo aliam habet: ovata fere est, pone
longe attenuata, lateribus nusquam parallelis. (Cfr. figuram eius
in: Araneae Hungariae, vol. II, tab. VII).
Mas.
Cephalothorax 4 1 mm longus, 3*1 latus, dorso partis
cephalicae levissime convexo in longitudinem; area oculorum
0-9 lata. Oculi antici medii inter se ca. */4 diametri, a margine
clypei fere dupla diametro, ab oculis anticis lateralibus ca. 1/$
diametri, a mediis posticis paullo minus quam diametro et
duplo saltem minus quam laterales antici a posticis remoti;
laterales antici obliqui, oblongi, fere 7s longiores quam latiores,
diametro minore diametrum oculorum mediorum paullo supe-
ranti, a margine clypei plus quam diametro sua minore et
minus quam diametro maiore, a posticis lateralibus paullulo
plus quam diametro maiore distantes; laterales postici anticis
minores, a mediis posticis ca. 4/s diametri remoti; postici medii
inter se paullo minus quam antici medii et triplo minus quam
a lateralibus posticis distantes; series oculorum posterior ut in
femina recurvata. Palporum (flg. 9, 10) pars femoraiis supra
aculeis 1.1 ornata, patellaris inermis, 0-73 longa, 0*48 lata,
tibialis desuper visa prope apicem 0*43 lata, in linea mediana
ca. 0*48 longa, in latere superiore exteriore processu ornata
Arachnoidea in Asia Minore. 645
aeque sattem atque ipsa longo, complanato, praesertim apicem
versus, subrecto, quum a latere superiore exteriore adspicitur,
et apicem versus subter paullo fortius quam supra attenuato,
leviter incurvato et apice paullulo uncato, quum a latere supe-
riore interiore adspicitur. Lamina tarsalis 1*4 longa, 0*7 lata,
latere exteriore paullulo sigmoideo, interiore paullo inaequabi-
lher arcuato, in parte basali sub processu tibiali et supra margi-
nem exteriorem, qui deorsum paullo dilatatus est, impressa,
inter has impressiones in carinam parum acutam, leviter deor-
sum curvatam compressa; rostrum 0*42 longum, subter to tum
excavatum et glabrum, margine exteriore excavationis, quum
a latere exteriore inferiore adspicitur, basim versus paullulo
excavato, apicem versus leviter convexo. Bulbus genitalis a
latere visus aeque circiter altus atque lamina tarsalis, modice
et parum inaequabiliter convexus, ab imo visus ca. 0 * 8 longus
(processibus exclusis), ca. 0*6 latus, basi tubere nigro nitido
transverso ornatus, marginem exteriorem non attingenti; ad
marginem anticum tuberis huius sulcus tnitium capit brevis,
anteriora versus fere directus, lateri exteriori paullo propior;
pars apicalis bulbi sulco retro et paullo intus directo, lateri
interiori propiore, mediam bulbi longitudinem sahem attingenti,
pone fbras curvato, in partes duas dividitur; harum exterior
latior et longior, magnam partem alba, sulcis aliis duobus in
partes tres divisa, ex apice processum emittit corneum, com-
pressum, gracilem, longum, sed medium rostrum non atttn-
gentem, apicem versus subter profunde sinuatum, apice itaque
uncum deorsum directum formanti. Pars bulbi apicalis anterior
Cornea in processum abit corneum, longum valde, apicem rostri
fere attingentem, valde gracilem, maximam partem aequabiliter
attenuatum, anteriora versus et paullo foras directum, levissime
sigmoideum, basi vero crassum et magis obliquum; haec basis
sulco obliquo ornatur carinulis duabus interiecto; carinula
interior melius expreesa in dentem desinit brevem compressum,
mediocriter acutum, quum a latere interiore adspicitur bulbus.
Pedes fere ut in femina aculeati, tibiae I et II subter aculeis
2.2.2, tibiae IV in latere antico aculeis 2.1 ornatae. Pedum
anteriorum tarsi et metatarsi scopulati; scopula metatarsorum
parum quidem evoluta, aculeos tarnen attingens. Pedum I
646 VI. Kulczynski,
femur 3'0, patella 165, tibia 2*45, metatarsus 2-3, tarsus 17,
pedum II partes: 2-8, 1*5, 2 25, 1* 95 (?), 1-7, pedum III: 2*6,
1*35, 1*9, 2-6, 15, IV: 3-5, 1*65, 2*8, 39, 19 longae.
Abdomen 5*0 longum.
Tetragnatha Latr.
In opere, quod inscribitur »Die Spinnen Deutschlands«,
Cel. W. Bösenberg ad distinguendos mares Tetragnatharum
imprimis et fere unice formam Spinae dorsuaüs mandibularum
et formam »emboli« adhibuit. Nescio an non recte ita fecerit
vir doctissimus; spina dorsualis saltem non parum mutabilis
est, dentes eius magnitudine et directione variantes notas ad
distinguendas species certas non praebent aut multo minoris
momenti sunt saltem, quam ex. gr. dens ille in dorso mandi-
bulae inter spinam dorsualem et apicem mandibulae et sulcum
unguicularem situs, quo Tetragnatha Solandrii (Scop.) Thor,
et T. nigrita Lendl insignes sunt, cuius tarnen nullam men-
tionem fecit W. Bösenberg. Embolum quod attinet, imprimis
notandum est, partem eam bulbi, quam VV. Bösenberg embo-
lum appellavit, non embolum esse sed conductorem emboli;
embolus verus Tetragnatharum seta est longa, gracillima,
aequabiliter attenuata, ad apicem modo paullulo inaequalis
(in T extensa saltem), in distinguendas species nihil prodesse
videtur, praesertim quum in conductore emboli occultus, diffi-
cilius conspiciatur. Forma conductoris emboli contra certo
diligenti observatione digna est; quum eam vero W. Bösen-
berg paucis modo verbis attigerit et in figuris — non satis
amplificatis — parum subtiliter delineaverit, descriptiones Tetra-
gnatharum1 his rebus supplendae videntur:
Conductor emboli e lamella Cornea constat et partem
apicalem bulbi genitalis format anteriora versus et deorsum
directam, leviter anteriora versus curvatam, quum bulbus a
latere exteriore adspicitur; in canaliculum complicatus embolus
dici potest, cuius canaliculi parietes ambo, posterior et anterior,
in latere conductoris interiore (alveolum spectanti) inter se
1 Tetragnatham montanam E. Sira., si quidem a T, Solandrii diversa
est, non novisse videor.
Arachnoidea in Asia Minore. 647
nexi sunt; paries anterior (sive superior) posteriore (inferiore)
brevior est, ita, ut apex conductoris e pariete posteriore solo
formetur.
Tetragnathae extensae (L.) paries anterior ante apicem
emboli, in eius latere interiore fere transverse truncatus est,
pars parietis posterioris ultra eum prominens (fig. 11) lamella
est paene porrecta, sat lata, a lateribus compressa, in uncum
sursum directum desinens; margo inferior partis hutus lamella
ornatur pellucida, late triangulari, apice obtusa, foras aut foras
et sursum directa.
In Tetragnatha Solandrii Thor. (fig. 12) paries anterior
apice multo magis oblique truncatus est quam in priore. Apex
conductoris, paene aequabiliter attenuatus, deorsum et paullo
interiora versus aut etiam paullo retro flexus, tum anteriora
versus curvatus, apice uncum format gracilem, anteriora versus
directum. Etiam contortus est apex conductoris: axi corneo
crassiusculo obscuro alula membranacea, sensim angustior,
circumvolvitur ita, ut e latere interiore in latus posticum,
exterius, denique anticum transgrediatur.
Tetragnathae nigritae Lendl.1 paries anterior in latere
conductoris exteriore apice fere transverse truncatus est; pars
insequens conductoris (fig. 13, 14) primo anteriora versus et
paullo sursum et interiora versus, denique fortius sursum et
interiora versus directa, a latere exteriore paullo inaequabiliter
angustata et apice acuta aut valde oblique truncata videtur; re
vera latitudine est ubique subaequali, modice contorta, apice
paene transverse truncata, angulis non rotundatis.
Tetragnathae pinicolae L. Koch (fig. 15) paries posterior
apicem conductoris formans anteriora versus et deorsum
directus, leviter interiora versus curvatus, parum aut non con-
tortus, pone apicem parietis anterioris subito insigniter dila-
tatus supra in dentem latum acutum, sursum et retro directum;
1 Secundum W. Bösenbergium T. nigrita Lendl eadem est atque
7. chrysochlora (Aud.) E. Sim. Quae opinio non parum dubia mihi videtur;
descriptio T. chrysochlorae a Cel. E. Simonio prolata (Les Arachnides de
France, vol. 1, p. 161) non quadrat in T. nigritam. — In Gallia certo et
T. obtusa C. L. Koch et T. nigrita Lendl occurrunt, incolunt enim ambae
Belgiam, ubi eas legit Rev. E. Schmitz.
648 VI. Kulczynski,
apice late rotundatus est conductor, eius raargo inferior prope
apicem in lamellam similem atque in T. extensa dilatatus.
In Tetragnatha obtusa C. L. Koch (fig. 16, 17) pars api-
calis parietis posterioris anteriora versus et sursum et interiora
versus directa, leviter sursum, apice vero foras et paullo deor-
sum curvata, compressa, latitudine maximam partem sub-
aequali, apice truncata, angulo superiore rotundato, inferiore
in dentem producto sat gracilem, foras et deorsum directum;
contorta est pars haec ita, ut a latere adspecta (fig. 16) basi
modice lata videatur, tum angustata, apice aut subito deor-
sum et anteriora versus in angulum fracto aut in arcum
curvato.
Inter Tetragnatkam obtmsam veram et formas: inter-
mediant Kulcz. et tnaiorem Kulcz. in forma con auctoris
differentiam evidentiorem non video. Forma propior Kulcz.
(fig. 18) similis est imprimis Tetraguathae Solandrii, a qua
parum modo differt. Pars apicalis conductoris angusta et usque
ad apicem fere aequabiltter angustata, primo anteriora versus
et paullo deorsum et interiora versus directa, tum fortius
interiora versus curvata, apice ipso intus et deorsum directo,
uncum anteriora versus curvatum non formanti.
Aranea (Singa) lucina (Sav.).
Pullum Araneae (Singae) cuiusdam ad Köktsche Kissik
lectum Araneae lucinae (Sav.) subiungendum censeo, quam-
quam ab adultis huius speciei valde differat pictura; picturae
enim similis vestigia praebent etiam exempla non adulta cum
adultis A. lucinae ad Kecskemet in Hungaria lecta. — Pulli
huius cephalothorax cum palpis pedibus sterno, quod fusco
marginatum est, rufo- et flavo-testaceus, pars cephalica inter
oculos et prope eos infuscata, apices tarsorum fusci; abdomen
supra et in lateribus fulvum, subter pallidius, dorsum vittis
tribus angustis albis ornatum, inter eas in parte antica maculis
nigris quatuor (anterioribus maioribus) trapezium pone latius
et aeque fere longum ac latum designantibus, in parte postica
maculis duabus nigris maioribus, paullo oblongis pictum.
Arachnoidea in Asia Minore. 649
Aranea (Singa) pygmaea (Sund) var.? nigriceps n.
Ab Aranea (Singa) pygmaea aranea haec colore solum
differre videtur: Cephalothorax pallide flavo-testaceus est, parte
cephalica fuliginea, clypeo maximam parte flavido-fulvo; man-
dibuiae clypeo magis rufescentes, in dorsi parte superiore
macula magna umbrina notatae; sternum cum labio et maxillis
nigrum. Palpi pallide flavidi; pedes pallidius et obscurius
flavidi, anteriores ex parte colore rufo paullo suffusi, femora
quatuor anteriora supra, antica etiam in latere inferiore antico,
apicem versus umbra fusca notata; tibiae I et II apice angu-
stissime nigricantes, IV apice leviter infuscatae. Abdomen
nigrum, supra vittis albis tribus, subter duabus colore umbrino
suffusis ornatum; vitta dorsualis media lanceolata, in parte
media paullo inaequalis, in parte latissima (paullo pone mar-
ginem anticum dorsi) duplo saltem latior quam vittae adia-
centes nigrae; vittae ventrales supra mamillas inter se et cum
apice vittae dorsualis mediae coniunctae. — Ab Aranea pyg-
maea differt haec varietas imprimis cephalothoracis colore et
vitta abdominis dorsuali media in parte anteriore insigniter
latiore. — Aranea (Singa) maculata (Thor.1) cephalothoracem
similem, abdomen vero alium in modum pictum habere videtur;
Araneae (Singae) grammicae (E. Sim.) contra abdomen colore
parum aut non differt fortasse ab abdomine var. nigricipüis,
cephalothorax vero »antice niger, postice sensim dilutior et
rufescens« describitur,2 quod in araneam nostram non quadrat.
Heriaeus E. Sim.
Heriaei, quos novi, hunc in modum inter se distingui
possunt:
Mares.
1. Tuberculum, quo lamina tarsalis palporum subter in
latere exteriore ornatur, longe remotum ab apice processus
tibialis exterioris, quam apex hie apici laminae tarsalis insig-
niter propius situm 2
l Thorell, Descriptions of several European and North- African Spiders
(1875), p. 13.
* Ann. Soc. entom. de France, ser. 6, vol. 4, p. 328.
650 VI. Kulczynski,
Tuberculum commemoratum parum ab apice processus
tibialis exterioris remotum, apici laminae tarsalis non multo
propius 3.
2. Rostrum laminae tarsalis longitudine dimidium bulbum
genitalem aequans fere aut paullo superans; pars apicalis
emboli gracillima (fig. 19, 20) H. hirius.
Rostrum laminae tarsalis dimidium bulbum genitalem
longitudine longe non aequans; pars apicalis emboli sat lata
(fig. 21) H. setiger.
3. Dimidium apicale emboli (ab imo visum) in arcum paene
aequabilem, circularem curvatum 4.
Dimidium apicale emboli in arcum inaequabiiem curvatum;
pars apicalis emboli sat lata, marginibus exteriore et interiore
corneis, inter se spatio membranaceo disiunctis, eorum interiore
cum anfractu interiore emboli contingenti aut ei proximo saltem
(fig. 22, 23) H. hirstitns.
4. Apex emboli angustus, margine interiore corneo parum
manifesto. Pedum anteriorum patellae, apex tibiarum et meta-
tarsorum reliquis partibus non obscuriora (fig. 24) H. Savignyi.
Apex emboli sat latus, margine interiore corneo reflexo,
etiam latiusculo, manifestissimo. Patellae, apex tibiarum et
metatarsorum in pedibus anterioribus colore rufo-fusco insig-
niter suffusa (fig. 25, 26) H. Sitnonii.
Obs.: Heriaei (Thomisi) Buffoni palpus a Savignyo sine
dubio non satis subtiliter delineatus est (Description de
l'Egypte, Arachnides, tab. 6, fig. 10); figura Savignyi embolum
manifesto distortum ostendit; an processus tibiales recte
repraesentet, in dubium vocari potest.
Feminae.
1. Tarsi anteriores aut antici saltem subter aculeis ornati 2.
Tarsi anteriores pilis modo, neque aculeis instructi ... .5.
2. Margines, quibus fovea epigynae in lateribus definitur,
cornei, insigniter obscuriores et duriores quam partes vicinae,
pone sulco transverso tenui sed manifesto a partibus epigynae
posterioribus distincti (fig. 27) H. propinquus.
Arachnoidea in Asia Minore. 651
Margines supra dicti partibus vicinis neque multo obscu-
riores neque evidenter duriores, pone sulco nullo evidentiore
definiti 3.
3. Fovea epigynae mediocris, 0-37 — 0*4 mm lata 4.
Fovea epigynae parva, 0*25 lata, transversa, maximam
partem repleta tuberculo corneo subtriangulari, anteriora versus
angustato, apice subacuto, in longitudinem insigniter et modo
paene aequabiliter convexo, modo pone praerupto (flg. 28).
Abdominis dorsum vitta media albida (modice expressa)
ornatum H. hirtus.
4. Aculei, quibus femur I in latere antico ornatur, dimidiam
femoris latitudinem non aut vix aequant longitudine; femur
hoc subter linea longitudinali alba non ornatum. Fovea epi-
gynae magnam partem repleta tubere corneo, quam margines
foveae magis elevato, anteriora versus angustato, ante rotun-
dato (fig. 29). Cephalothorax vittis longitudinalibus fusco-rufis
caret H. Simonii.
Ex aculeis, quibus femur I in latere antico ornatur, longis-
simi diametrum femoris longitudine superant; femur hoc subter
linea longitudinali alba pictum. Fovea epigynae tuber continet
pallidum, quam margines foveae non aut parum altius, anteriora
versus angustatum, pone excavatum (fig. 30). Cephalothorax
vittis duabus longitudinalibus fusco-rufis ornatus ...//. setiger.
5. Abomen non aut vix longius quam latius 6.
Abdomen insigniter longius quam latius. Fovea epigynae
tubere repleta oblongo, anteriora versus leviter modo angu
stato, pone profunde excavato; foveae margo lateralis uterque
non solum pone sulco transverso, sed etiam ante et extrin-
secus sulco optime expresso a partibus vicinis distinctus
(fig. 31) H. hirsutus.
6. Femur I in latere inferiore antico aculeis ornatum, qui
longitudine diametrum femoris non aequant. Abdomen pilis
ornatum, quorum plerique mediocri sunt longitudine (ca. 0*25
usque 0*4 longi), non multi autem multo longiores (usque ad
5/4mm et ultra); inter piios — sat rigidos et plus minusve
erectos — cutis abdominis ubique optime conspicitur. In epi-
gynae lateribus sulci similes atque in H. hirsuto plane desunt;
652 VI. Kulczynski,
fovea epigynae ligula ornatur margini antico sat anguste
adnata, subcirculari, quae tarnen non raro plus minusve
abrupta et variurn in modum contracta et corrugata est
(fig. 32, 33) K Savignyi.
Femur I in latere inferiore antico aculeis nonnullis longi-
tudine duplam suam diametrum aequantibus saltem ornatum.
Abdomen pilis lanuginosis longissimis ita dense tectum, ut
cutis sua difficilius conspiciatur. Epigyne sulcis lateralibus,
similibus atque in H. hirsuio (sed minus expressis) ornata;
eius fovea tuberculum continet pallide coloratum, late triangu-
läre, apice anteriora versus directum, pone profunde excavatum
(fig. 34) H. Buffonii.
An notae supra prolatae constantes sint, ulterius inquiren-
dum est, e speciebus plerisque enim nonnisi singula vidi
exempla.
Heriaeus a Dre. F. Wernerio ad Constantinopolim lectus
manifesto H. hirttts (C. L. Koch) E. Sim. est. — Mas huius
speciei insignis est, ut Cel. E. Simon olim scripsit,1 parte
tarsali palporum parva: maris ad Constantinopolim capti,
cephalothorace 2' 2 mm longo, pars tarsalis 0#68 longa est,
0*45 lata; bulbus genitalis parvus adeo, ut pars apicalis
laminae tarsalis eo non tecta bulbum dimidium longitudine
superet (fig. 19). Notandum tarnen est, Heriaeum hirtum hac
in re paullo variare: maris in Graecia lecti, quem Cel. E. Simon
benigne mecum communicavit, cephalothorace etiam 2*2 longo,
lamina tarsalis 0*68 longa, 0*48 lata est, bulbus genitalis paullo
maior, dupla longitudine rostri laminae laminae tarsalis non
brevior saltem (fig. 20).
Reliquorum Heriaeorum, quorum mares novi, pars tarsalis
maior est, eius rostrum brevius, longitudine 7» bulbi non
excedit saltem. Heriaei Savignyi (ex Italia septentrionali)
cephalothorax 2*6 longus, lamina tarsalis 1*05 longa, 0*78
lata; alius exempli (Croatici) cephalothorax 2*2 longus, lamina
tarsalis 0*9 longa, 0-65 lata; Heriaei hirsuti (Hungarici)
cephalothorax 2*25 longus, lamina tarsalis 1*05 longa, 0*78
1 Ann. Soc. entom. de France, ser. 6, vol. 4, p. 323.
Arachnoidea in Asia Minore. 653
lata; Heriaei setigeri (Algerici, a Cel. E. Simonio dono mihi
dati) cephal. 2-25 longus, lamina 0-85 longa, 0*57 lata;
Heriaei Simonii cephalothorax 2*2 longus, lamina 0*85 longa,
0-65 lata.
Forma laminae tarsalis (ut etiam eius magnitudine)
Heriaeits hirtus prope ad H. setigerum (O. Cambr.) E. Sim.
accedit; in reliquis speciebus margo laminae tarsalis, desuper
adspectae, inter apicem eius et apicem processus tibialis
exterioris fere aequabiliter sigmoideus dici potest (fig. 22,
24, 25); in H. hirto et H. setigero, propter embolum minus
longe retro productum, tuberculum cum apice eius contingens,
in lamina tarsali ad marginem exteriorem subter situm, apici
laminae propius est et margo laminae huius desuper adspectae
ab apice processus tibialis exterioris primo spatio sat longo
anteriora versus (in H. hirto anteriora versus et paullulo foras)
directus, tum sat subito angulo rotundato infractus (flg. 20, 21).
Embolus (aut potius pars emboli Cornea nigra) Heriaei hirti
valde tenuis, maximam partem fere in circulum curvatus; apex
emboli omnino tenuis, lamella reflexa, quali in H. setigero,
H. hirsuto, H. Simonii ornatur (fig. 23, 26), caret. — Heriaei
setigeri embolus minus aequabiliter curvatus, fere ut in Heriaeo
hirsuto, crassior; eius pars apicalis fortius retro curvata, mar-
gini bulbi parallela, margine interiore in lamellam oblongam
reflexo et marginem exteriorem emboli occultanti, quum ab
imo adspicitur bulbus.
Forma processuum tibialium mares Heriaeorutn differunt
quidem inter se, sed non multum. Dens exterior processus
exterioris desuper et paullo a latere exteriore adspecti minus
prominet in H. hirto quam in reliquis, in H. setigero et
H. Simonii magis foras directus est et angulum maiorem cum
dente apicali format quam in H. hirsuto et H. Savignyi. Pro-
cessus inferior certo variat paullo forma: in exemplo H. hirti
ad Constantinopolim lecto apice evidentissime uncatus est
(fig. 35a), in exemplo Graeco e collectione Cel. E. Simonii
apice parum modo fortius quam ceterum incurvatus, neque
uncatus (f\g, 20).
654 VI. Kulczynski,
Heriaeus Simonii n. sp.
Mas.
Cephalothorax 2*2 mm longus, 2*1 latus. Oculorum series
posterior ita recurvata, ut margo anticus lateralium circiter
radio oculi pone marginem posticum mediorum situs sit; margo
superior oculorum anticorum mediorum ne radio oculi quidem
demissius situs quam margo inferior lateralium (quum cephalo-
thorax, marginibus lateralibus libratis, directo a fronte adspici-
tur). Oculorum anticorum lateralium diameter circiter Vs rnaior
quam mediorum anticorum; reliqui oculi parum inaequales:
medii antici posticis vix maiores, lateralibus posticis parum
minores. Palporum processus tibialis inferior apice eviden-
tissime uncatus; processus exterioris margo superior in parte
apicali anteriora versus et leviter modo sursum directus; pars
haec subter basim versus in lamellam deorsum et intus
directam modice dilatata (apice itaque sat gracilis, quum a
latere adspicitur); dens exterior processus exterioris in palpo
desuper adspecto foras fere directus videtur; desuper et a latere
exteriore adspectus processus exterior apice in angulum paene
rectum excisus videtur. (Nescio, an notae hae paullo mutabiles
sint: in exemplo nostro unico partes tibiales non plane eadem
forma videntur in palpo dextro et sinistro!). Lamina tarsalis
desuper visa sat insigniter asymmetrica, apice leviter sinuato
acuminata, ceterum latere interiore fere aequabiliter rotundato,
exteriore pone apicem processus tibialis exterioris fortius et
paullo inaequabiliter arcuato; a latere exteriore visa paullulo
pone apicem processus commodo commemorati subter in
dentem optime expressum, rectangulum dilatata, inter apicem
eius et apicem suum leviter et aequabiliter excavata est lamina
tarsalis. Rostrum laminae breve, tertia parte bulbi genitalis
brevius. Emboli pars Cornea sat lata, praesertim in bulbi latere
interiore, parum inaequabiliter curvata; apex emboli a medio
latere exteriore bulbi non longe distans, leviter deorsum flexus;
in parte apicali margo emboli interior corneus, foras reflexus,
lamellam format oblongam, marginem exteriorem paullulo
occultantem, quum ab imo adspicitur bulbus (fig. 25, 26).
Pedes I 15 mm (a basi femoris: 14*7), 11 11*5 (11*2) longi,
Arachnoidea in Asia Minore. ßöö
tibia I 3 '7, metatarsus I 4*0 longus. Abdomen 2-5 longum,
2*1 latum. — Exempli nostri, paullo detriti, cephalothorax,
abdomen, pedes pilis modo plus minusve rigidis, erectis aut
suberectis, inaequalibus ornatum fuisse, mollibus autem et plus
minusve flexuosis caruisse videtur. Abdominis pili plerique
pallide colorati, nonnulli vero, eique longissimi, in parte antica
et in lateribus pone, nigri.
Color (spiritu vini certo mutatus): Cephalothorax pallide
fulvo-melleus, radicibus pilorum fusco punctatus, in parte
cephalica colore fulvo fortius suflfusus, tuberculis oculorum et
spatio eis interiecto albis; dorsum macula straminea ornatum
in declivitatem posticam non descendenti, aream oculorum
longe non attingenti, subtrapezica, posteriora versus insigniter
dilatata, marginibus lateralibus concavis, margine postico in
arcus duos paullo procurvos fracto, margine antico exciso,
satis obsoleto; in parte sua media macula haec 1/3 cephalo-
thoracis fere aequat latitudine. Mandibulae dilute melleae,
apicem versus albo maculatae; sternum, maxillae, labium,
coxae flavido-albida, labium lateribus paullulo infuscatis. Palpi
flavido-albidi, parte tibiali colore fulvo suffusa, lamina tarsali
purius alba. Pedes pallide mellei, radicibus pilorum et acu-
leorum fusco punctati, femoribus et patellis et tibiis apice
supra plus minusve albo marginatis, in pedibus anterioribus
et imprimis in anticis praeterea albo sat obsolete variegatis;
pedes anteriores in patellis, in parte apicali tibiarum et meta-
tarsorum colore fulvo sat fortiter (praesertim in tibiis) tincti.
Abdomen pallide melleum, dorso fere toto adeo dense colore
flavido-albo punctato, ut color hie plane dominet; in dorsi
dimidio posteriore lineae transversae albae circa 4, angustae,
parum expressae cernuntur; radices pilorum puneta obscura
minus manifesta quam in cephalothorace et in pedibus formant.
Femina (fortasse huius speciei).
Cephalothorax 3 1 mm longus, 3*0 latus, fronte ca. 1*3
lata. Oculorum posticorum mediorum margines postici ne radio
oculi quidem ante margines anticos lateralium, margines supe-
riores oculorum anticorum mediorum ne radio quidem sub
marginibus inferioribus lateralium siti; diameter oculorum late-
ralium posticorum ca. V5, diameter mediorum anticorum et
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 42
656 VI. Kulczyriski,
posticorum ca. 2/s minor quam lateralium anticorum; oculi
medii postici inter se fere 4-pla diametro, a lateralibus fere
41/2 diametro, medii antici inter se parum plus quam 4-pla, a
lateralibus fere 3-pla diametro distant; area oculorum mediorum
paullulo longior quam ante latior, pone paullulo angustior quam
ante. Pedum I femora supra subterque ornata aculeis dimidiam
suam diametrum non aut vix attingentibus; tibiae I, praeter
alios aculeos, subter utrimque serie aculeorum ca. 6 brevium
et ante aculeis 3, pone 2, longioribus (eorum longissimi dia-
metrum tibiae paullo superant) ornatae; in latere antico aculei
hi longiores paullo supra seriem breviorum, in postico in una
serie cum brevioribus siti sunt; metatarsi I subter utrimque
aculeis ca. 10, inaequalibus (longissimis diametrum internodii
sescuplo — duplo superantibus), in utroque latere aculeis brevi-
bus 4 aut 6 instructi; tarsi I subter utrimque aculeis parvis 3
(aut 2) ornati; tarsi II subter ad latus anticum aculeis parvis 2
(an constanter?) armati. In pedum I femoribus pili non pauci
aculeos longitudine superant, quamquam non valde longi sunt,
in tibiis aculei nonnulli pilos etiam longissimos longitudine
excedunt. Pedes I 12*9, II 10*5 mm longi (a basi femoris).
Abdomen 4*2 longum, 4-4 latum. Epigyne (flg. 29) fovea
ornatur ca. 0 39 lata, paullo latiore quam longiore, marginibus
obtusis, non duris mediocriter definita, pone subaperta, rotun-
dato-triangula, anteriora versus angustata, sat profunda, a
margine postico epigynae paullo minus quam longitudine sua
remota; margines laterales foveae pone a partibus vicinis sulco
nullo evidentiore distincti. Foveae pars anterior maior tuberculo
repletur corneo, cuius pars quaedam in exemplo nostro unico
avulsa est (quod quidem apud Heriaeos saepe occurrit); tuber-
culum hoc altius fuisse videtur quam margines foveae, paullo
oblongum, anteriora versus angustatum, apice antico tarnen sat
late obtuso; margo posticus tuberculi (in fundo foveae situs)
procurvus, utrimque paullo productus et anteriora versus cur-
vatus. — Pili, quibus cephalothorax et abdomen supra ornantur
— pro Heriaeol — mediocri longitudine, inaequales, non densi,
suberecti; eorum longissimi diametrum femoris I non aut vix
attingunt; pili hi, exceptis paucis in dimidio posteriore dorsi
abdominis sitis, qui in parte basali paullo infuscati sunt, albidi.
Arachnoidea in Asia Minore. 657
Cephalothorax (exempli in spiritu vini conservati) melleus,
parte cephalica paullulo obscuriore quam latera partis thora-
cicae, area oculorum paene alba; abunde albido variegatus est
cephalothorax, in declivitate postica tota albidus, in dorso vitta
media albida angusta inaequali, et in parte cephalica utrimque
lineis binis longitudinalibus, leviter incurvatis, angustissimis
inaequalibus ornatus. Mandibulae colore cephalothoracis,
dorso supra medium albo maculato, in apice et in latere
exteriore colore eodem abunde tincto. Palpi et pedes
colore cephalothoraci similes, Uli minus evidenter, hi abunde
albido variegati; color albidus in dorso femorum tibiarum
metatarsorum I, metatarsorum et tarsorum II lineam plus
minusve manifestam format, subter vero in femoribus I et II
in lineam evidentiorem non congestus est; non omnes
partes pedum albo maculatae sunt, ex. gr. latus posticum
femoris I, latus idem et dorsum femoris II, femur III totum
fere, non maculata; femur IV modo in latere antico et
subter maculatum. Sternum flavo albidum, pedum coxae subter
avellaneo-albidae. Abdomen supra et in lateribus dilute
melleum, dense albido variegatum; color albidus in dorsi parte
posteriore in fascias transversas angustas aliquot congestus;
subter abdomen pallidius quam supra, ventre secundum
medium late albido.
Feminam hanc, non sine dubitatione, cum mare supra
descripto coniungendam censeo, quoniam non male convenit
cum exemplo non adulto, quod cum mare eo captum est et
cum eo unius esse speciei videtur.
Speciem hanc nomine Cel. E. Simonii ornare ausus sum,
arachnologi summi, qui singulari liberalitate et beneficentia e
difficultatibus iam non paucis in araneis dignoscendis me
eripuit et nunc exemplis e thesauro suo benigne communicatis
a confusione, quam in Heriaeis paene commisi, avertit
Heriaeus propinquus n. sp.
Femina.
Cephalothorax 3'9tntn longus, 3*7 latus, fronte ca. 16
lata. Margines postici oculorum posticorum mediorum fere
oculi diametro ante margines anticos lateralium, margines
42*
()Ö8 VI. Kulczyriski,
superiores anticorum mediorum diametro oculi saltem demis-
sius quam margines inferiores lateralium siti. Oculi antici
laterales ca. \b maiores (in diametro) quam medii, hi lateralibus
posticis subaequales et paullulo maiores quam medii posiici;
antici medii inter se 5-pla saltem diametro, a lateralibus fere
31 2 diametro, postici medii inter se fere 5-pla, a lateralibus
paullulo plus quam 5-pla diametro remoti; area oculorum
mediorum circiter 1/7 longior quam ante latior, hie paullo latior
quam pone. Femornm I armatura similis atque in femina
speciei prioris; praeter alios aculeos tibiae I subter ad latus
anticum aculeis brevibus ca. 10, paullulo supra eos ca. 6(?)
longioribus, subter ad latus posticum aculeis inaequalibus
ca. 12 instruetae (aculei antici longissimi in exemplo nostro,
eheu, defracti); metatarsi I subter aculeis inaequalibus, paullo
inordinatis, ad latus anticum ca. 13-15, ad posticum ca. 11—13,
in latere utroque aculeis brevibus 4 — 6, tarsi I subter prope
medium modo ad latus anticum aculeo 1 instrueti; tarsi II
inermes. Pilorum, quibus pedes I ornantur, longitudo similis
atque in priore. Pedes I 17*8, II I4'lntm longi. Abdomen
6*0 longum, 5*5 latum. Fovea epigynae (fig, 27) ca. 0*3 lata,
insigniter latior quam longior a margine postico latitudine sua
remota, profunda, in lateribus deflnita marginibus corneis,
obscure coloratis, subacutis, ineurvatis, pone sulco transverso
optime expresso transverse truncatis; maximam partem fovea
tubere corneo repletur. quod in exemplo nostro unico ita
avulsum et dilaceratum est, ut forma eius extricari non possit.
— Pili cephalothoracis et abdominis similes atque in priore,
omnes pallidi.
Color a colore feminae praecedentis parum distinetus.
Cephalothorax in lateribus partis thoracicae punetis albidis
paucis modo adspersus, in eius dorso verum color albidus
maculam format oblongam, latitudine tibias I saltem aequantem,
posteriora versus angustatam, pone cum declivitate postica
item albida coniunetam, partem dorsi posteriorem modo oecu-
p; ntem, cum area oculorum vitta media parum lata et utrimque
lineis binis angustissimis inaequalibus coniunetam. Mandibulae
colore cephalothoracis, apicem versus albidae, macula alba
evidentiore supra medium carent. Pedum I femora et tibiae
Arachnoidea in Asia Minore. 659
modo supra albo vittata, vittis-utrimque spatio non maculato
limitatis — sat evidentibus; tibiae II vitta respondens distincta,
femoris II verum parum expressa; etiam in pedibus posteriori-
bus tibiae aut etiam metatarsi supra obsolete albo vittati;
femora posteriora punctis albis carent. Abdomen maximam
partem albidum, sulcis modo, quibus latera ornantur, paullo
obscurioribus.
Mas ignotus.
Tarentula Eichwaldii Thor. var. bithynica n.
Tarentulam, cuius exemplum unicum, femininum, lectum
est in Olympo Bithynico, nulla re ad formam et ad colorem a
Tarentula Eichwaldii distinguere scio nisi forma epigynae
paullo alia (flg. 36); Tarentulae Eichwaldii itaque subiungenda
videtur haec aranea (sed mas, eheu ignotus, fortasse notas
speciei propriae praeberet). — Margo supra lamellam eam pro-
minens, quae partem posticam mediam epigynae format,
insigniter longius remotus est a margine postico epigynae in
var. bithynica (ca. 0m53mm) quam in T. Eichwaldii typica
(0*24 — 0*36 mm). Lamella commodo commemorata itaque
tota conspicitur in illa, in hac autem (fig. 37) ex parte margine
eo occultatur. Sulci, quibus lamella postica definitur, sigmoidei,
in sulcum coeunt medianum profundum; in sulcum hunc
ingreditur pars antica media lamellae, in angulum producta
acutissimum et denique evanescentem. In forma typica sulci
epigynae in lineam coniunguntur in Universum modice et
inaequabiliter recurvatam; sulcus medianus deest; lamellae
apex anticus truncatus videtur. — Exemplum var. bithynicae
ca. IS1 /9 mm longum est, cephalothorace 6*5 longo, tibia cum
patella IV 62 longis.
Philaeus chrysops (Po da) var. haemorrhoica (C. L. Koch).
Ad formam aranea haec parum differt a Philaeo chrysopi
typico. Lamina tarsalis maris (fig. 38) paullo brevior est quam
in exemplis Ph. chrysopis (fig. 39) magnis saltem: non duplo
longior quam latior (0*55, 0*58 mm lata, 1-04, 1-13 longa; in
Ph. chrysopi plus duplo longior quam latior, ex. gr. 0-73 lata,
660 VI. Kulczyriski,
1 • 62 longa), apicem versus evidenter angustata, sat fortiter
foras curvata, quum in Ph. chrysopi parum angustata sit et
parum curvata; sed in exemplis parvis formae typicae brevior
est, evidentius angustata et foras curvata, quam in magnis, ita
ut vix diffeiat a parte respondenti Ph. haemorrhoici (ex. gr.
0-58 lata, 1 *36 longa, 0*48 lata, 1 04 longa. Bulbus genitalis
et epigyne in utraque forma nulla re differre videntur. — Color
probabiliter non parum variat in feminis Ph. haemorrhoici; si
quidem feminae ad Ala Schehir lectae, quae huic formae sub-
iungendae videntur, re vera ad eam pertinent (cephalothorax
earum vittis albis ornatur duabus, in intervallo oculorum
anticorum mediorum et lateralium initium capientibus, supra
oculos seriei 2-ae et per oculos seriei 3-ae in declivitatem
posticam ductis; margo anticus quadranguli oculorum —
magnam partem detritus — vitta transversa alba potius quam
maculis albis tribus pictus fuisse videtur), tum abdomen
Ph. haemorrhoici supra in lateribus non semper rubrum est,
sed modo obscure fulvum, prope vittam nigram mediam fulvo-
albidum, modo cinerascenti-umbrinum, maculis albidis in
fascias transversas congestis pictum. — In feminis Ph. chrysopis
typici margo anticus quadranguli oculorum fortasse nunquam
fascia alba continua sed constanter maculis albis tribus ornatur.
— Mas var. haemorrhoicae vittis longitudinalibus albis duabus
ornari videtur, quae desunt formae typicae. Ventris color, ruber
in forma typica, niger in varietate, notam certam non praebet,
ni fallor, etiam in varietate enim venter pilis rubris plus
minusve abunde ornatur.
Egaenus crista (Brülle) anatolicus n.
Egaenus, cuius exempla aliquot legit Cel. Dr. F. Werner,
Egaeno cristae Brülle1 subiungendus videtur ut forma propria,
1 Phalangium crista Brülle 1832 in >Expedition scientifique de Moree<
(Descriptionem hanc non novi). — Egaenus crista E. Simon in Bull. Soc.
Entom. italiana, 1882; neque E. crista E. Simon in Comptes rendus de la
Soc. entom. de Belgique 1879. — Zackens mordax (et trinotatus) C. L. Koch,
cuius femora supra modo denticulis, minutis quidem, ornata describuntur,
species videtur ab Egaeno crista distineta.
Arachnoidea in Asia Minore. 661
ad hoc tempus fortasse non descripta.1 — Ni fallor, Egaenus
crista species est sat late per terras diffusa, insigniter mutabilis,
probabiliter in subspecies aut »species geographicas« com-
plures divisa.
Femina.
Cephalothorax margine antico medio non elevato, sat
crasse et dense granulatus, in partibus non impressis abunde
denticulatus (denticuli inter tuber oculorum et marginem
anticum ca. 30, in utroque latere tuberis huius ca. 4 — 6, supra
sulcum margini parallelum ca. 5 — 8), eius margines non solum
ad angulos anticos sed etiam in lateribus usque ad pedes III et
supra pedes IV denticulis ornati; segmentum postoculare
utrumque serie denticulorum sat conferta instructum. Dorsum
abdominis in segmentis anterioribus quinque saltem denticulis
minoribus, ex parte minutis, plus minusve in fascias trans-
versas digestis, ornatum. Tuber oculorum modice altum (circiter
duplo longius quam altius), cum oculis ca. */* latius quam
longius, a margine antico cephalothoracis paullo plus quam
dupla sua longitudine remotum, supra late sulcatum et utrimque
armatum denticulis 5 (rarius 6) modice magnis (eorum maximi
diametrum oculi aequant saltem longitudine), acutis, albidis,
apice nigris, sub apice setula nigra ornatis (ut denticuli cephalo-
thoracis). Spatium supramandibulare denticulis duobus, setula
subapicali auctis, instructum. Mandibulae mediocres, desuper
visae ca. 1*6 longae, forma vulgari, articulo primo supra
denticulis obtusis, setulam gerentibus, sat abunde ornato,
articulo 2-o breviter non dense piloso. Palporum pars femoralis
1 -7, patellaris 1 #04, tibialis 1-16, tarsalis 2' 75 mm longa; pars
femoralis angulo apicali interiore paullulo prominenti, subter
tuberculis sat multis dispersis, humilibus, piliferis, supra apicem
versus et in margine apicali interiore denticulis numero varianti-
bus, acutis, ex parte sub apice setula ornatis, instructa; ceterum
carent palpi denticulis. Pars patellaris desuper visa paullo
asymmetrica, apicem versus sat fortiter, in latere interiore
1 Quibus rebus differant ab Egatno crista anatolico Egaeni a Dre.
A. Lendl descripti in Termeszetrajzi Füzetek, 1894: maximus, hungaricus,
variegatus, ulterius inquirendum est, in eorum descriptionibus enim notas non
paucas, easque graves, auctor silentio praeteriit.
662 VI. Kulczynski,
paullo fortius quam in exteriore et paullo inaequabiliter dilatata;
pars tibialis apicem versus leviter, fere aequabiiiter dilatata.
Pedes antici reliquis evidenter crassiores. Coxae subter sub-
laeves, supra in apice dente acuto erecto ornatae; femora
angulata (antica mediocriter modo), dentibus ornata mediocri-
bus in pedibus anterioribus, fortibus in posterioribus, sub apice
piliferis, in series quinas (confertas in pedibus III et IV) digestis,
femora I praeterea in utroque latere abunde, II in latere postico
denticulata; patellae omnes apice dentatae, III et IV supra
seriebus 3-bus, IV praeterea in latere inferiore postico serie
spiculorum nigrorum aut dentium parvorum ornatae; tibiae
omnes acute pentagonae, I inermes, posteriores apice utrimque
minute et parce breviter aculeatae, III in angulis tribus superiori-
bus spiculis dispersis, IV in angulis eisdem et in angulo postico
inferiore spiculis sat confertis nigris armatae; metatarsi ante-
riores inermes, III in angulis tribus superioribus parce et dis-
perse, IV ibidem abunde spiculis nigris instructi.
Truncus 10 mm longus, inter pedes IV 5 latus, pedes I
ca. 23, II 36-5, III 26-5, IV 38, pedum I femur 3 9, patelia 1*8,
tibia 3 #5, metatarsus 4-5, partes respondentes pedum II 6*3,
2-1, 5-4, 5-8, pedum III 4-3, 1'9, 3-5, 5-9, IV 7-0, 2-25,
5 • 0, 9 • 3 mm longae.
Colon Maiorem partem dorsi macula occupat umbrina
aut fuliginea, margines versus et in parte postica obscurior, in
cephalothoracis parte anteriore et in segmentis abdominis 3-o
et 4-o parum, ceterum autem optime definita, in parte antica
abdominis modice coarctata, ibique quam truncus duplo triplove
angustior, posteriora versus sat fortiter dilatata, a medio
segmento 2-o ad medium segmentum 4-um fortiter angustata,
tum usque ad segmentum 5-um, ubi utrimque angulum fere
acutum format, subito dilatata, denique lateribus plus minusve
inaequalibus triangulariter angustata, apicem segmenti 8-vi
attingens. A sulco postoculari macula haec anteriora versus
diffunditur et cephalothoracis partem anteriorem modo fere
totam occupat, angulis posticis exceptis, modo ab eius lateribus
spatio pallidiore mediocriter lato disiungitur. Pars maculae
postica triangularis utrimque vitta avellaneo-alba definitur;
sinus in quos margines maculae in segmentis 3-o et 4-o excisi
Arachnoidea in Asia Minore. 663
sunt, colore paullo aut parum modo quam macula ipsa
pallidiore replentur, ita, ut hie margines maculae difficilius
cernantur. In parte anteriore abdominis et in parte posteriore
cephalothoracis latera dorsi ad margines maculae mediae
umbrino-albida sunt aut umbrina, punetis pallidioribus plus
minusve (plerumque parum) variegata; inter segmenta cephalo-
thoracis duo postica utrimque cum margine maculae mediae
macula parva nigra coniungitur. Tuber oculorum supra umbrino-
albidum; pone tuber vestigium vittae mediae albidae, non
longum, conspicitur. Pars anterior cephalothoracis, fuliginea
nigro maculata, aut umbrina fuligineo maculata, denticulis
albidis paullo variegata, inter tuber oculorum et marginem
anticum ornata in parte anteriore: lineolis duabus nigris inter
se valde approximatis, in spatio pallidiore sitis, in parte
posteriore vero lineola mediana tenui umbrino-albida. Margines
trunci umbrini aut fuliginei, maculis parvis et punetis albidis
paullo variegati. Subter truneus fuligineus aut umbrinus, venter
punetis albidis modo paucis, modo magis numerosis et in
series transversas digestis pictus; Processus sternalis ventre
pallidior, praesertim anteriora versus; pedum coxae subter
modo albido-umbrinae, basim versus et in lateribus umbrino
maculatae, modo nigro-fuligineae umbrino sat obsolete macu-
latae.
Mandibularum articulus primus in lateribus umbrinus,
supra avellaneo-albus, fuligineo maculatus; articulus seeundus
umbrinus, apicem versus pallidior, basi supra albidus, apice et
parte media dorsi exceptis abunde fuligineo punetatus et
vittatus; digitorum partes apicales nigrae. Palpi pallide um-
brini, trochantere et parte tarsali fere avellaneis, hac apice
infuscata, illo supra fusco punetato; partes femoralis patellaris
tibialis supra fusco lineatae, femoralis subter et in lateribus,
praesertim in exteriore, ante apicem late infuscata, patellaris in
latere interiore vitta, in exteriore punetis fuscis ornata, apice
subter infuscata; tibialis basi in latere exteriore infuscata, in
interiore vitta fusca in parte basali aut etiam umbra fusca in
parte apicali pieta. Pedes avellanei colore umbrino plus minusve
(saepe fortiter) tineti et colore umbrino, fuligineo. aut ex parte
nigro picti, pictura varianti: in exemplis obscure coloratis
664 VI. Kulczyriski,
trochanteres fuliginei, supra albido maculati, pedum I femora
patellae tibiae subter et in lateribus fuliginea, paullo umbrino
maculata, supra umbrino-avellanea, femora in latere superiore
exteriore punctis umbrinis in vittam conflatis picta, patellae
dorso fere toto, tibiae apice albidae, ceterum latere superiore
antico punctato, posteriore praesertim in dimidio apicali in-
fuscato et punctis paucis picto; pedes IV colore obscuro minus
abunde picti, femur modo annulo apicali ornatum, patellae et
tibiae color similis atque in pedibus I, tibia tarnen subter et in
lateribus prope medium annulo pallido ornata; pedes II colore
magis pedibus I, pedes III pedibus IV similes. — Exempli, quod
reliquis pallidius coloratum est, pedes avellanei, colore umbrino
leviter suffusi, supra in tibiis modo, ante earum apicem umbrino
annulati (in latere superiore postico saltem), ceterum similem
in modum atque in exemplis obscuris punctati, subter trochan-
teribus umbrinis fuligineo punctatis (obscurioribus quam coxae
et multo obscurioribus quam femora), femora apice annulata
aut punctata saltem, patellae fere totae umbrinae obscurius
punctatae, tibiae basi angustius et apice valde late annulatae,
disperse obsolete punctatae, femora I in latere antico prope
medium et prope apicem macula magna umbrina ornata, subter
magis aequabiliter infuscata, in latere postico pone basim
obsolete, prope apicem evidenter infuscata, umbrino punctata;
ceterum pedum color in lateribus similis fere atque infra, femora
plus minusve punctata (in latere postico pedum II et III secun-
dum totam fere longitudinem).
Inter exempla, quae vidi, unicum (praecipue obscure
coloratum) vitta albida angusta ornatur in dorso trunci a tubere
oculorum usque ad apicem abdominis.
Mas insigniter variat et modo parum modo valde differt a
femina.
Exempli ad Smyrnam lecti pars anterior cephalothoracis
ad angulos anticos tantum dentibus bene evolutis, ceterum
denticulis valde humilibus et multo paucioribus quam in femina
instructa; denticuli partis postocularis cephalothoracis modice,
abdominis mediocriter aut parum evoluti; tuber oculorum
dentibus utrimque quatuor evolutis et uno aut duobus obsoletis
ornatum. Palpi longiores, parte femorali 2*4, patellari 1*4,
Arachnoidea in Asia Minore. 665
tibiali 1*52, tarsali 3*2 longa; pars femoralis angulo apicali
interiore vix prominenti, dorso fere secundum totam longi-
tudinem humiliter denticulato; pars tibialis paullo fortius
dilatata (apice ca. 3/s latior quam basi), margine apicali in
lateribus minute denticulato, pars tarsalis (ut in maribus
Phalangiinorum plerisque) in latere inferiore antico secundum
magnam partem longitudinis dense nigro granulata. Pedes I
fortius incrassati, anteriores multo minus quam in femina
denticulati; pedum I et II femora et tibiae subcylindrata,
femora III subter modo leviter quidem, IV subter evidentissime,
supra autem sat obsolete angulata; tibiae III et IV pentagonae,
carina dorsuali mediocriter (III) aut modice (IV) expressa;
femora I vix vestigiis ullis denticulorum ornata, patellae laeves,
tibiae subter utrimque, metatarsi subter vitta granorum
nigrorum instructa, metatarsorum apex paullulo deflexus aut
subter paullulo incrassatus potius et fortius granulatus, pro-
cessu evidentiore non ornatus. Pedes II denticulis evidentiori-
bus carent; pedum III femur subter utrimque dense et fortiter
denticulatum, in latere postico superiore denticulis parvis sub-
adpressis non multis ornatum, tibia in carinis duabus poste-
rioribus (et in superiore paullo), metatarsus supra et in latere
superiore postico minute denticulata; pedum IV femur seriebus
quinque denticulorum optime evolutorum, patella lineis quatuor,
tibiae lineis quinque, metatarsus supra lineis tribus denticulorum
parvorum sive aculeorum brevium ornata. — Mandibulae
forma et magnitudine insignes, desuper visae ca. 4' 5 mm
longae, trunco modo ca. duplo breviores; articulus basalis
2*6 longus. 1*7 latus, apicem versus leviter et paullo in-
aequabiliter dilatatus, dorso insigniter sigmoideo quidem, quum
a latere adspicitur, sed in tuber definitum non elevato, in parte
convexa abunde tuberculis humilibus ornato; subter articulus
hie basim versus tuberculis elongatis, ad apicem pilum brevem
gerentibus, dense instruetus est; articulus 2-us ca. 5*7 longus,
2-3 crassus et prope basim digitorum latus est, supra dorsum
articuli primi parum aut non prominet, supra pone marginem
basalem modice in transversum impressus est, a fronte visus
deorsum sat fortiter dilatatus, latere interiore paullulo coneavo,
exteriore modice convexo; a latere visus ante et pone modice
666 VI. Kulczyriski,
et fere aequabiliter convexus. Digitus mobilis parum brevior
quam truncus articuli 2-di, longior quam digitus immobilis,
cum quo foramen fortasse 2x/2 longius quam latius includit;
acies digitorum inaequalis, digitus immobilis ad basim dente
forti triangulari, digitus mobilis dente simili, paullo minore,
longius a basi remoto, ornatus.
Truncus (paullo contusus) ca. 9-5 mm longus, inter pedes
IV ca. 5-5 latus, pedes I ca. 25%, II 37, III 268/4, IV 371/«.
pedum I femur 5*3, patella 2*05, tibia 4*3, metatarsus 5,
partes respondentes pedum II 6-5, 2#3, 5*6, 5*7, pedum III
4-5, 1-95, 3-6, 5-8, IV 6-9, 2- 1, 4-9, 8«6 longae.
E maribus ad Ala Schehir lectis (eheu paullo contusis)
unus, maximus, inter pedes IV 58/4 mm latus, pedibus I
ca. 26V2, II 37l 2, III28\4, IV408/4#ww Iongis, valde similis
est mari ad Smyrnam capti, a quo non differt fere nisi: den-
ticulis cephalothoracis et abdominis paullo melius evolutis
tibiarum I vittis granorum latis et inter se fere confusis,
tibiae III carina superiore bene expressa et paullulo denticulata,
femoribus III seriebus denticulorum quinque (supra sat parvo-
rum). — Duo alii feminis similiores sunt. Eorum alter inter
pedes IV ca. 5 latus, pedibus I 24*/4 (II desunt), III 26, IV 37 1/2
Iongis, mandibulis desuper visis 2*9 Iongis, earum articulo
1-mo subter dentibus mediocriter altis sat dense instructo,
articulo 2-do 4*3 longo, 1*5 lato et crasso, a medio saltem
apicem versus non dilatato, digitis chelarum inter se fere con-
tingentibus, tibiis pedum etiam I evidentissime, tibiis III ut in
priore angulatis, femoribus I seriebus quinque denticulorum
plus minusve bene evolutorum et in latere utroque denticulis
dispersis (in postico paucis modo et obsoletis), vittis granorum
tibiae I mediocriter evolutis, parum densis, angustis, exteriore
basim, interiore ne medium tibiae quidem attingenti, meta-
tarso I apice plane non deflexo, femore III seriebus quinque
denticulorum fortium, patella III lineis quinque, tibia III linea
una in carina postica superiore modo, tibia IV (in carina antica
inferiore fere inermi) lineis quatuor aculeorum brevium ornata.
— Tertium exemplum 4 mm latum, pedibus I 22, II 33, III 24,
IV 35V4, mandibulis desuper visis 2*2 Iongis, earum arti-
culo 2-do 3*2 longo, 1 -0 lato, 1 -07 crasso, latitudine maximam
Arachnoidea in Asia Minore. 667
partem aequali, articulo 1-mo subter basim versus denticulis
parum altis, dispersis ornato, digitis chelarum similibus atque
in priore. Truncus huius exempli fere ut in feminis denticulatus
est, femora I supra leviter, reliqua subter supraque angulata,
tibiae omnes angulatae, patellae III et IV seriebus quinque
aculeorum parvorum, tibiae I subter posterius secundum totam
longitudinem, anterius ad apicem aculeis paucis minutis,
tibiae II apice subinermes, IV in carina inferiore antica spiculis
minutis dispersis armatae, metatarsi III fere inermes; ceterum
pedes ut in feminis aculeati; metatarsi I subter apice recti.
Colore (qui non satis bene conservatus est) mares nostri a
feminis pallidius coloratis non multum differunt. Mandibularum
articulus 1-mus in lateribus et subter nigro-fuligineus, supra
prope basim avellaneus, ceterum fuligineus, avellaneo puncta-
tus; articulus 2-us dorso et latere exteriore fuligineis, latere
interiore umbrino, nigro striato, digiti apice nigri, basim versus
fuliginei, ceterum fulvo-umbrini; pedes I magis aequabiliter
infuscati quam in feminis.
Platybunus strigosus (L. Koch)? olympicus n.
Mas, qui solus notus est, a Platybttno strigoso Cretensi
imprimis colore multo pallidiore, forma autem parum distinctus.
Differunt paullo palpi (fig. 40): pars patellaris in latere interiore
superiore paullulo minus incrassata et paullo minus producta
est, angulo paullulum minus (in P. strigoso Cretico paullo
longius, fig. 41) anteriora versus pertinenti quam tuberculum
illud, quod maginem apicalem medium partis tibialis ornat et
cum tuberculo simili, in basi partis tibialis sito, contingit;
partes patellaris et tibialis subter inermes, neque illa granis
nigris parce, haec abunde ornata. Articulus secundus mandibu-
larum, qui in P. strigoso Cretico supra, sive pone marginem
apicalem articuli 1-mi paullo impressus est ita, ut genu articuli
huius manifesto angulatum evadat. non impressus, genu rotun-
dato; paries anticus articuli 2-di pilosus modo, neque supra
denticulis paucis ornatus. Tibiae modo l subter spiculis minutis
modice armatae, ceterum inermes, in P. strigoso Cretico autem
etiam sex posteriores spiculis parvis mediocriter instructae.
068 VI. Kulczyriski,
Quum dubium videatur, an opilio hie, quem nuper1 ut
Platybunum (Platylophum) strigosum L. Koch protuli, revera
huic speciei subiungendus sit, describendum eum censeo:2
Truncus maris (plympici) omm longus, 3 latus, dorso
cephalothoracis dense, abdominis sat dense, subtiliter granulato
in parte anteriore, in posteriore sublaevi, sive hie praeter granula
minutissima, densissime conferta, granulis maioribus nullis aut
vix Ullis ornato. Cephalothorax denticulis medioeribus acutis,
sub apice setulam gerentibus instruetus: in parte media antica
ca. 8, inter sulcos laterales et tuber oculorum utrimque 5 — 7,
ad angulos anticos 3, in margine laterali 4—6, pone tuber
oculorum ca. 10 in seriem transversam dispositis; segmentum
cephalothoracis postremum et dorsum abdominis inermia.
Tuber oculorum 0*8 latum (cum oculis), 0'65 longum, 0*42
altum, a margine antico cephalothoracis ca. 0*52 remotum,
supra profunde et late sulcatum, denticulis modice magnis,
conicis, sub apice setulam gerentibus instruetum utrimque 6
aut 7 et modo in fronte modo etiam pone denticulo unominuto;
series denticulorum, paullo inaequabiliter et sat fortiter foras
curvatae, pone insigniter magis a ce discedunt quam ante.
Spatium supramandibulare denticulis duobus inter se proximis
ornatum. Mandibtilae medioeres, desuper visae ca. M5 longae,
articulo 2-do 1*8 longo; earum forma vulgaris; articulus 1-mus
supra denticulis similibus atque in cephalothorace ca. 8, seeun-
dus in genu denticulo uno instruetus. Palporum pars femoralis
supra 1 *35, patellaris 0*95 longa, haec basi 0*32, apice 0*52
lata (desuper visa), tibialis 0*90 longa, maximam partem 0*42
lata, ipsa basi paullulo angustata, tarsalis 1*95 longa; pars
femoralis basi deorsum producta in conum ca. 0*3 longum,
1 Bulletin de l'Academie des sciences de Cracovie, 1903, p. 57.
» Nescio an non recte speciem hanc generi Platybuno adscripserim.
Tuber oculorum magnum quidem est, sed minus non solum quam ex. gr. in
PI. bueephalo (C. L. Koch), sed etiam in PI. cornigero (Herrn.); forma partis
patellaris et tibialis palporum femina melius fortasse cum Dasylobis convenit
quam cum Platybuuis, mas differt a Dasylobis et a Platybunisl Forma pal-
porum (praesertim partis femoralis) species haec ad Dasylobum eremitam
E. Simon (Comptes rendus Soc. entomol. de Belgique, 1878) accedit, qui
item tubere oculorum magno differt a plerisque Dasylobis.
Arachnoidea in Asia Minore. 669
paullulo longiorem quam latiorem, angulo apicali interiore
pauilo prominenti, in margine apicali supra, in dorso, praesertim
autem in latere exteriore et inferiore denticulis breviter conicis,
plerisque basi setulam gerentibus, dispersis ornata; denticulis
similibus paucis pars patellaris supra et in latere exteriore,
basim versus instructa est; pars haec in latere superiore
interiore modice dilatata et maximam partem peniculato-pilosa,
angulo apicali interiore processum pone apicem partis pro-
minentem non formanti; pars tibialis paene cylindrata, paullu-
lum deorsum curvata, inermis, in latere interiore fere toto
peniculato-pilosa; pars tarsalis in latere inferiore interiore fere
toto dense nigro granulata, et granulis similibus in latere
inferiore exteriore prope apicem ornata. Pedes 1 ca. 1972, II 33,
III 21s/4, IV ?, pedum I femur 3*9, patella 1-2, tibia 3-1,
metatarsus 4 • 5, pedum II partes respondentes: 6-4, 1*6, 5*5,
7-1, pedum III: 41, 1-25, 3-1, 5-3, IV: 5-8, 1-4, 4-1, 7-5
longae. Pedes I reliquis vix crassiores; femora et metatarsi
subcylindrata, tibiae pentagonae, in angulis modo, qui sat
obtusi sunt, pilosae; margo apicalis superior femorum et patel-
larum ornatus denticulis, parvis in illis, mediocribus in his;
femora non dense instructa denticulis parvis aut minutis,
breviter triangularibus, subadpressis, nigricantibus, et ad
denticulum quemque setula parva; in femore quoque denticuli
series quinas formant, praeterea sat multi latus anticum femo-
ris I, sat pauci latus posticum femoris I et IV et latus utrumque
femoris II et III ornant; patellae supra subinermes, tibiae II
et IV inermes, I subter utrimque, III subter ad latus posticum
denticulis minutis non multis aut paucissimis instructae.
Cephalothorax melleo-albidus, umbrino maculatus: in
parte media antica lineae duae, spatio angustissimo disiunctae,
ad marginem anticum angustae, pone pauilo latiores, tuber
oculorum fere attingunt; ad eas utrimque lineola brevis ad
ipsum marginem anticum conspicitur; ad angulos anticos
macula parva obscurior, in partibus marginalibus maculae
pallidiores oblongae utrimque tres (inter pedes paris I et II,
II et III, III et IV), inter tuber oculorum et sulcum sub-
marginalem maculae utrimque tres, plus minusve in puncta
divulsae, anticae et posticae fere in longitudinem, mediae ab
670 VI. Kulczyriski,
oculis versus orificia glandularum foetidarum directae; cum
margine postico tuberis oculorum linea coniungitur transversa,
paullo inaequalis, in medio paullo interrupta, in lateribus ab-
breviata et paullo anteriora versus curvata; ad marginem
posticum segmenti postocularis 1-mi linea tenuis abbreviata et
interrupta. Tuber oculorum circa oculos nigrum. Abdomen
supra in Universum dilute umbrino-cinereum: fulvo-cinereum,
colore flavido-albo abunde punctatum et variegatum et colore
umbrino leviter pictum praesertim in lateribus; ephippii vix
vestigia ulla cernuntur: modo margines eius in segmento 1-mo
umbrini distincti sunt, paralleli; in segmentis insequentibus
color ephippii perparum differt a colore laterum et margines
perparum expressi sunt; in segmento 1-mo ephippium circiter
% latitudinis trunci occupat, in 2-do subito dilatatum est,
in 3-o, 4-o, 5-o angustius quam in 1-mo, lateribus subparallelis,
pone rotundato-truncatum. Subter truncus avellaneo albidus,
fulvo punctatus in basi et in lateribus posticis coxarum;
segmenta ventralia in margine antico linea pallide umbrina,
interrupta, et in lateribus punctis umbrinis paucis ornata.
Mandibttlarum et pedum color dominans dilute ochroleucus
dici podest, palporum magis albidus; mandibularum articulus
1-mus supra magis albidus, umbrino punctatus, articulus
secundus in laterum parte superiore umbrino transverse
lineatus; palporum partes patellaris et tibialis supra punctis
umbrinis in vittam longitudinalem conflatis ornatae, illa in
latere interiore paullulo, praesertim apicem versus, infuscata,
et in latere exteriore apicem versus, haec ad basim lateris
interioris umbrino punctata, latus exterius partis tibialis um-
brino maculatum. Pedum femora patellae tibiae apice colore
albo paullo picta; femora apicem versus obsolete fulvo lineata
et prope medium vestigio annuii fulvi ornata; patellae colore
fulvo fortius pictae et plus minusve umbrino punctatae; tibiae
annullo subapicali lato fulvo, parum expresso, obscurius
punctata, et posteriores saltem in dimidio basali annulo fulvo,
etiam minus distincto, angustiore ornatae.
Mas in insula Creta lectus in parte media antica cephalo-
thoracis denticulis ca. 20 ornatur. Eius tuber oculorum (paul-
lulo maius: 0*88 latum, 0-68 longum, a margine antico O'öo
Arachnoidea in Asia Minore. 67 1
remotum) utrimque denticulis 9 — 10 instructum est In articulo
1-mo mandibularum dentes ca. 10, in latere antico articuli 2-di
ca. 8. Palporum pars femoralis in omnibus fere lateribus denti-
culis mediocribus et parvis ornata, pars patellaris supra basim
versus, in latere exteriore, subter sat abunde, tibialis subter
abunde denticulata, denticulis brevibus nigris. Tibiae pedum
omnes in angulis plus minusve denticulatae, denticulis minutis-
simis aut parvis.
Pictura similis atque maris Bithynici, color multo ob-
scurior. Ephippium in abdomine optime expressum, fuligineum,
colore albo inaequabiliter limbatum, punctis albis in series
transversas inconditas congestis paullo pictum; etiam pars
ephippii in cephalothorace sita a partibus lateralibus pallidiori-
bus (pallide umbrinis et avellaneis, variegatis) bene distincta,
quamquam pallidior quam in abdomine, umbrina, colore ob-
scurius umbrino obsolete variegata et punctis albis paucis
minutis adspersa, fere pentagona, anteriora versus primo leviter
dilatata, tum magis subito angustata, latior quam in abdomine;
pictura evidentiore pars anterior ephippii caret, exceptis lineis
duabus obscurius umbrinis marginem anticum medium cephalo-
thoracis cum tubere oculorum coniungentibus (cum apicibus
anticis earum lineolae illae laterales brevissimae, quae in
P. strigoso bithynico distinctissimae sunt, confusae videntur).
Tuber oculorum umbrinum, linea media et denticulis albidis.
Abdominis pars media pone ephippium sita, cinereo-albida, in
segmentis 6-o et 7-o macula oblonga umbrina, albo-punctata
ornata, pallidior quam partes laterales abdominis, quae um-
brinae, albo-punctatae sunt. Ventris segmentum quodque pone
cinereo-umbrinum, anteriora versus inaequabiliter pallidius;
inter se segmenta haec lineis umbrinis interruptis distinguuntur.
Processus Sternalis avellaneus. Coxae subter colore eodem,
abunde fulvo punctatae basim versus, apice sat late umbrinae;
trochanteres subter avellanei. Mandibularum articulus basalis
supra umbrinus et fuligineus, avellaneo variegatus, in lateribus
fusco-avellaneus; articulus 2-dus albido-melleus, supra et in
latere antico supremo colore fuligineo tinctus et vitta media
alba ornatus, ceterum ut in P. strigoso Bithynico pictus. Palpi
melleo-albidi, parte femorali subter, basi et apice exceptis, fere
Sitzb. d. roathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 43
672 VI. Kulczynski,
nigra, supra levius infuscata, parte patellari subter leviter, in
processu autem, praesertim apicem versus, insigniter infuscata;
partis tibialis latus interius infra fuligineum; ceterum partes
patellaris et tibialis ut in priore pictae. Etiam pedes similem in
modum, sed colore multo obscuriore picti; eorum femora
apicem versus fuliginea, basim versus umbrino-mellea, apice
albida, in dimidio apicali annulo avellaneo distinctissimo
omata; patellarum color similis atque partis apicalis femorum
aut paullo obscurior; tibiae apice supra sat anguste albidae,
colore ceterum annulos quatuor plus minusve distinctos for-
manti: subapicalem umbrinum, subbasalem eo paullo pallidio-
rem, submedium umbrino-albidum, basalem dilute umbrinum
(reliquis minus expressum); metatarsi et tarsi pallide fulvi,
articulis apicem versus infuscatis.
Truncus 5*9 mm longus, 3 latus, pedes I 2072> II 37,
III 23, IV 32, pedum I femur 4*1, patella 1-3, tibia 3 -4, meta-
tarsus 4*7, pedum II partes: 7 -5, 1 -6, 6*0, 8*3, pedum III:
43, 1-3, 3-4, 5-5, IV: 6*5, 1 -45, 4*5, 8-3 longae.
Fe m in a (in insula Creta lecta).
Praeter formam trunci paullo aliam et pedes breviores
femina differt a mare imprimis forma palporum: partis femoralis
angulus apicalis interior (peniculato pilosus) fortius prominet,
cum eo pars haec fere duplo latior est quam in medio (0*58 et
0*32 lata, in mare ne dimidio quidem latior: 0*49 et 0*36);
pars patellaris (fig. 42) in latere superiore interiore, quod totum
peniculato pilosum est, in processum producta insigniter pone
apicem prominentem; pars tibialis, tamquam processu hoc
impressa, non cylindrata fere, sed apicem versus inaequabiliter
dilatata, latere interiore sigmoideo, in parte apicali maiore
dense, sub processu patellari vero non peniculato pilosa. Den-
ticuli in articulo 2-do mandibularum 4 — 5, in tubere oculorum
utrimque 7 aut 8, non alti; palporum pars femoralis supra et in
latere exteriore inferiore denticulis brevibus nigris, basi setam
gerentibus, non multis, subter papillis erectis, insigniter longiori-
bus quam latioribus, in apice setula ornatis, inaequalibus,
ca. 4 — 5 instructa; partes patellaris tibialis tarsalis inermes.
Pedum denticuli femorales subter siti parum evoluti, femora IV
inter series laterales inermia; patellarum dorsum modo in
Arachnoidea in Asia Minore. 673
pedibus III et IV denticulis paucissimis minutis ornatum;
tibiae I inermes, II subinermes, III parum, IV mediocriter denti-
culatae.
Truncus 71/2 mm longus, abdomen 4 latum, pedes I 17V4i
II 32, III 20, IV 27 V2, pedum I femur 3-2, patella 1-2,
tibia 3-0, metatarsus 4 -2, pedum II partes 6*4, 1 -55, 5 -6, 7*0,
pedum III: 3*5, 1-2, 3-0,4*9, IV: 5-6, 1-35,4-1, 7-0 1ongae.
Palporum pars femoralis supra 1 * 4 longa, patellaris in linea
media 0-95, in latere interiore (cum processu) 1-10 longa,
desuper visa basi 0-32, ad apicem 0-58 lata, tibialis 0*90 longa,
basi 0*29, prope apicem 0*48 lata, tarsalis 1*95 longa. Man-
dibulae desuper visae 1*1 longae.
Color feminae unicae, quam vidi, eheu non bene con-
servatus. Ephippium in abdomine optime expressum fuisse
videtur, in cephalothorace minus definitum et in maculas divul-
sum. Tuber oculorum obscure avellaneum, partibus vicinis
cephalothoracis evidenter pallidius. Mandibularum color similis
atque in mare, pallidior. Palporum pars femoralis subter leviter
modo infuscata, in latere exteriore macula oblonga, supra linea
umbrina ornata; partis patellaris et tibialis color similis atque
in mare Bithynico. Pedes pallidiores, in tibiis abundius umbrino
punctati, similem in modum fere atque in mare annulati (annulis
umbrinis obscurioribus et pallidioribus, singulis in patellis et
binis in femoribus et tibiis ornati).
Nemastoma Werneri n. sp.
Nemastoma hoc valde affine est Nemastomatibas: Sillii
O. Herrn, et Kochii Now. (et quadripunctato [Perty]) et
fortasse cum prioribus ut subspecies coniungendum.
A Nemastomate Kochii differt iV. Werneri statura maiore
(truncus feminae 5— 5- 1 mm longus, 3-6 — 3*9 latus, exempli
trunco 5-0 longo, pedes I 103/4, II 1778, III ca. 11, IV 143/4,
pedum I femur 2*2, patella 0*85, tibia 1*6, metatarsus 2-95,
pedum II partes 3*5, 1-05, 2-65, 5*8, pedum III 2*5, 0-9,
1-8, 3*2, IV 3-5, 1 *0, 2* 1, 4*4, palporum pars femoralis 1-65,
patellaris 1 • 4, tibialis 1*15, tarsalis 0 • 8 longa), dorso plane
inermi aut in scuto dorsuali vix vestigiis ullis tuberculorum
modo 2, modo 2.2 ornato, pictura (fig. 43): Truncus supra
43*
674 Vi. Kulczynski,
nigerrimus, colore aurato pictus; tuber oculorum linea mediana
ornatum, pone id in linea mediana inter pedes III nonnunquam
lineolae duae subtiles transversae, altera pone alteram sitae,
cernuntur; ad partem anteriorem tuberis utrimque initium
capiunt maculae secundum marginem cephalothoracis anticum
et lateralem anteriorem curvatae, ab eo spatio angusto in-
aequali distinctae, usque ad coxas II angustae, paullo flexuosae,
tum modice dilatatae, pone — ad marginem anticum coxarum
III — transverse truncatae, supra coxas II puncto nigro ornatae,
quod punctum saepe cum limbo marginali nigro coniungitur;
ad angulum posticum utrumque scutum dorsuale ornatur fascia
brevi transversa et paullo ante eam, medio paullulo propius,
macula plus minusve V-formi, transversa, apice foras directa,
nonnumquam interrupta; non procul a linea mediana partis
posterioris scuti puncta aurata 6, anteriora posterioribus minus
distincta, series formant duas inter se subparallelas; puncta
similia 6, paullo maiora et plus minusve transversa, in segmen-
tis dorsi liberis lineas designant duas pone a se paullo dis-
cedentes. In lateribus scuti dorsualis puncta aurata parva,
utrimque ca. 6, mediocriter expressa, nonnunquam maximam
partem evanescentia, angulum posticum interiorem maculae
anticae cum macula V-formi postica coniungunt; e punctis
plerumque reliquis melius expressa sunt duo prope maculam
anticam, alterum iuxta alterum, sita. Margines interiores macu-
larum anticarum arcus formant paullo inaequales, in parte
postica inter se paene parallelos aut leviter modo appropin-
quantes. Articulus basalis mandibularum supra colore fuligineo
fortiter tinctus. Palpi basi pallide flavidi, parte femorali apice
plerumque sat fortiter infuscata, partibus patellari tibiali tarsali
gradatim obscurioribus (pars patellaris plerumque manifesto
pallidior quam apex partis femoralis, pars tarsalis nonnunquam
fuliginea).
Nemastotnatis Kochii truncus feminae 4*5—4*9 (ovis dis-
tentus) longus, 3 * 0 latus, inter pedes IV pari tuberum ornatur
fortium, basi inter se in eminentiam magnam transversam, in
fronte sulco recurvato deflnitam, coniunctis; tuberahaec in Uni-
versum conica, saepissime evidenter in partes duas divisa sunt:
basalem conicam aut semigloboso-conicam et apicalem sat
Arachnoidea in Asia Minore. 675
brevem, paene cylindratam, apice breviter acuminatam. Pone
haec tubera scutum dorsuale nonnunquam vestigiis tubercu-
lorum duorum aliorum ornatur. Exemplum Nemastomatis
Kochii tuberibus supra descriptis carens ad hoc tempus non
vidi. — Trunci partes dorsuales, quae durae sunt, nigrae, minus
abunde colore aurato pictae quam in priore (fig. 44); lineolas
medias pone tuber oculorum sitas non vidi; puncta 12 (anteriora
saepe obsoleta) lineae medianae propinqua, in scuti dorsualis
parte posteriore et in segmentis liberis, similia atque in priore,
sed sex posteriora fortasse constanter rotundata, neque trans-
versa; tuber oculorum linea media, saepe evanescenti, ornatur;
maculae anticae laterales scuti dorsualis modo plane desunt,
modo utraque e punctis aut vittis parvis, una aut tribus, constat,
supra coxas II et III sitis, forma variantibus, inter se saepe plus
minusve et varium in modum confusis, sed — ni fallor — nun-
quam cum tubere oculorum linea aurata coniunctis. Pictura
angulorum posticorum scuti dorsualis mutabilis, e vittis brevi-
bus saepissime constat, posteriore foras et retro, et anteriore
(non raro evanescenti) foras et anteriora versus directa, inter se
non raro in V inaequale, apice intus directum coniunctis. In
lateribus scuti puncta (minuta) maculis posticis et anticis
interiecta modo nulla, modo utrimque unum aut duo. Articulus
basalis mandibularum fulvus, supra colore fuligineo leviter
aut vix tinctus. Palpi flavidi, apicem versus non aut vix
obscuriores.
Difficilius distinguitur Nemastoma Werneri a N. Silin,1
hoc enim armatura dorsi valde variat Huius statura media fere
inter N. Werneri et N. Kochii (truncus feminae, ovis non
distentus, 4*4— 4*8 longus, 3*4— 3*7 latus, post ovipositio-
nem (?) 3 • 0 latus). Dorsum tuberibus et forma valde variantibus
ornatum. Exemplum, quod tuberibus plane careat, non vidisse
videor; plerumque inter pedes IV tubera duo sita sunt, valde
variantia, modo humilia obtusa, modo plus minusve alta et fere
cylindrata aut e parte basali late aut elongate conica, et e parte
apicali cylindrata fere aut anguste ovata composita; pone haec
* Huius speciei synonymum est Nemastoma gigas Sörensen (Termesze-
trajzi Füzetek, 1894).
676 VI. Kulczyriski,
tubera plerumque vestigia tuberculorum duorum aliorum aut
quatuor cernuntur; nonnunquam etiam haec tubercula quatuor
aut duo anteriora saltem non male evoluta sunt, quamquam
anticis multo minora; in feminis et in maribus nonnunquam in
pariete antico tuberum anticorum dorsum tuberibus etiam duo-
bus, minoribus, sed optime evolutis, inter se paullo propioribus
ornatur, ita, ut dorsum quatuor paribus tuberum instructum sit.
Ceterum differt Nemastoma Sillii a N. Werneri paullo
sculptura tuberis oculorum et mandibularum ; grana, quibus
tuber oculorum ornatur, praesertim in parte superiore antica,
insigniter maiora sunt quam granula scuti dorsualis et non aut
vix minora quam grana scutuli medii mandibulis et margini
antico cephalothoracis interiecti; mandibularum articulus 1-mus
desuper visus in latere exteriore prope basim granis ornatur
aeque circiter magnis atque grana scutuli commodo commemo-
rati, insigniter itaque inaequalis. Nemastomatis Werneri tuber
oculorum granis ornatur non aut parum maioribus quam
granula scuti dorsualis et evidenter minoribus quam grana
scutuli supramandibularis; latus exterius articuli 1-mi mandibu-
larum desuper adspectum inerme aut denticulis minutis modo
ornatum videtur.
Color Nemastomatis Sillii (fig. 45) paullo mutabilis notas,
quae ad distinguendam hanc speciem a N. Werneri sufficiant,
non praebet, quamquam exempla pleraque, quae vidi, differunt
a AT. Werneri paullo forma maculae aureae anticae lateralis.
Maculae eae (utrimque duae), quae in linea transversa margines
posticos coxarum II coniungenti et paullulo pone eam sitae et
in N. Werneri parvae aut minutae et neque inter se neque cum
macula ante eas sita coniunctae sunt (in exemplis paucis
saltem, quae vidi), in exemplis laetius coloratis N. Sillii lineolas
saepissime formant obliquas, inter se in V obliquum, apice
foras et paullo retro directum et cum apice postico interiore
maculae anterioris coniunctas, ita, ut macula haec posteriora
versus longius, usque ad lineam transversam margines posticos
coxarum IV coniungentem, producta sit 'et intus fortius ex-
cavata (margines interiores macularum anticarum insigniter
inter se appropinquant in parte postica). Sed omnino non raro
modo crus posterius solum maculae V-formis, modo crura
Arachnoidea in Asia Minore. 677
amba abrupta et plus minusve deleta sunt et color partis
anterioris trunci idem est in N. Sillii et N. Werneri. In exemplis
Ar. Sillii minus abunde colore aureo pictis crus anticum macu-
larum illarum V-formium, quae angulos posticos scuti dorsualis
ornant, deletum est et anguli illi vittis duabus brevibus,
posteriore foras et retro, anteriore foras et anteriora versus
directa, picti sunt; quod quidem in N. Werneri non vidi. —
Palpi Xemastomatis Sillii plerumque toti pallidi, nonnunquam
tarnen manifeste apicem versus infuscati.
Nemastoma quadripunctatutn secundum exempla pauca,
quae vidi, paribus tuberum tribus ornatur in scuto dorsuali,
humilibus sed manifestis, posticis melius evolutis quam anticis
(in feminis; in maribus contra antica maiora sunt et plus
minusve acuta; nonnunquam, praesertim in maribus, paria
tuberum quatuor adsunt, anticum perparum evolutum). Tuber
oculorum granis instructum est non multo maioribus quam
granula scuti dorsualis et insigniter minoribus quam grana
scutuli supramandibularis medii. Pictura pallida dorsi (flg. 46)
e maculis imprimis constat quatuor inter pedes parium III et IV
sitis, mediocribus, inter se per paria coniunctis aut proximis,
paullo variantibus, posterioribus lineae medianae paullo pro-
pioribus, maioribus, plerumque subquadrangularibus, anteriori-
bus magis triangularibus; prope angulos posticos scuti dor-
sualis vittae breves utrimque duae, altera angulo et margini
postico propior, foras et paullo retro, altera foras et paullo*
anteriora versus directa. Ad marginem posticum scuti et in
segmentis dorsi liberis puncta flava aut paullulo aurata utrim-
que quatuor (postrema saepe obsoleta), in series duas sub-
parallelas digesta. Tuber oculorum macula aut linea fulva,
nonnunquam parum expressa ornatum. Ad marginem anticum
scuti dorsualis prope tuber oculorum utrimque fascia fulva
transversa, mediocriter expressa, plerumque conspicitur. Non-
nunquam puncta omnia aut etiam maculae posteriores scuti
dorsualis et vittae margini antico proximae evanescunt; in aliis
contra vittae commodo commemoratae optime expressae,
aüratae, cum maculis quatuor principalibus linea aurata con-
iunguntur; pars haec picturae tum non parum similis est parti
respondenti in Nemastomatibas Sillii et Werneri.
678 VI. Kulczyriski,
Mas Nemastomatis Werntri ignotus.
Euscorpius carpathicus (L.).
Exemplum Constantinopoli lectum certo non adultum est,
pallide coloratum, ca. 29 mm longum, ab exemplis (adultis) in
Hungaria meridionali lectis praesertim distinctum parte femorali
palporum supra subtiliter granulata (granulis maioribus paucis
modo prope marginem posticum ornata) et cauda paullo
graciliore: segmentum 4-um et 5-um 1*17 alta, subter illud
2*33, hoc 3-72 longum, 4-um itaque duplo longius, 5-um
paullo plus triplo longius quam altius ; in Euscorpio carpathico
e Hungaria meridionali segmenta respondentia: 1*33 — 1*52,
1-39—1 -62 alta, 2-46—2-59, 3-89—4-18 longa, 4-um itaque
non duplo longius, 5-um non triplo longius quam altius.
Euscorpius germanus (C. L. Koch).
Statura, colore obscuro, parte cephalothoracis antica et
tubere oculorum laevibus, parte femorali palporum supra modice
subtiliter granulata, forma caudae convenit Euscorpius ger-
manus ad Adampol lectus cum exemplis typicis (e Tirolia
meridionali), differt autem ab eis parte tibiali subter tricho-
bothriis 6 (neque 5 solum) ornata et forma costae, quae manum
aversam extrinsecus limitat; haec in Euscorpio germano typico
ab imo adspeeta reeta videtur, revera prope digitum mobilem
leviter sursum (foras) curvata eius marginem exteriorem attingit,
non raro autem prope trichobothrium quartum ramulum emittit
plus minusve expressum, versus basim mediam digiti mobilis
directum (fere ut in Eu. mingrelico Birula!); trichobothrium
4-um ita situm est, ut carina, de qua agitur, si reeta esset,
trichobothrium hoc in partes duas aequales dissecaret; carina
respondens E. germani ad Adampol lecti paullo mutabilis est:
modo prope trichobothrium quartum modice sursum flexa cum
margine exteriore digiti mobilis coniungitur, modo non curvata
versus basim fere mediam digiti huius extenditur (quam tarnen
non plane attingit), modo denique ad trichobothrium evanescit
aut in eius margin es elevatos abit potius; si reeta et non
furcata esset haec carina, trichobothrium quartum non secaret
sed latus eius interius attingeret. Quod itaque carinam manus
Aracbnoidea in Asia Minore. Ö79
aversae attinet, similis est Euscorpius germanus noster Eu. cili-
ciensi Birula et Eu. mingrelico Kessler (nescio, utri eorum
propior!), corporis sculptura similior est Eu. ciliciensi, colore et
trichobothriis partis tibialis propius ad Eu. mingrelicum accedit.
Explicatio flgurarum.
1. Eresus niger (Pet.), apex bulbi genitalis sinistri ab imo
visus.
2. Eadem pars a latere exteriore visa.
3. Eresus Walckcnaeri Brülle, bulbi genitalis sinistri
pars apicalis a latere exteriore visa.
4. Prosthesitna Olympi n. sp., epigyne.
5. Prosthesitna ialpina L. Koch, epigyne.
6 et 7. Gnaphosa bithyuica n. sp., epigynae.
8. Gnaphosa petrobia L. Koch, epigyne.
9. Gnaphosa bithynica n. sp., partes tibialis et tarsalis
palpi dextri maris a latere exteriore visae.
10. Eiusdem palpi pars tarsalis ab imo visa.
1 1 . Tetragnatha extensa (L.), pars apicalis bulbi genitalis
et laminae tarsalis (#) palpi dextri, a latere exteriore visa
{cd = conduetor emboli).
12. Tetragnatha Solandrii (Scop.), pars apicalis con-
duetoris emboli dextri a latere exteriore visa.
13. Tetragnatha nigrita Lendl, pars apicalis conduetoris
emboli dextri a latere exteriore visa.
14. Eadem pars ab imo et paullulo a fronte visa.
15. Tetragnatha pinicola L. Koch, pars apicalis con-
duetoris emboli a latere exteriore visa.
16. Tetragnatha obtusa C. L. Koch, pars apicalis con-
duetoris emboli a latere exteriore visa.
17. Eadem pars ab imo visa (// = lamina tarsalis).
18. Tetragnatha obtusa forma propior Kulcz., pars api-
calis conduetoris emboli dextri a latere exteriore visa.
19. Heriaeus hirtus (C. L. Koch), pars tarsalis palpi dextri
maris ab imo visa.
20. Eiusdem speciei pars tarsalis et tibialis palpi sinistri
alius exempli ab imo visa.
680 VI. Kulczynski, Arachnoidea in Asia Minore.
21. Heriaeus setiger (O. P. Cambr.), partes tibialis et tar-
salis palpi sinistri maris ab imo visae.
22. Heriaeus hirsutus (Walck.), pars tibialis et tarsalis
palpi sinistri maris ab imo visae.
23. Eiusdem speciei apex emboli.
24. Heriaeus Savignyi E. Sim., partes tarsalis et tibialis
palpi dextri maris ab imo visae.
25. Heriaeus Simonii n. sp., partes tarsalis et tibialis palpi
sinistri ab imo visae.
26. Eiusdem speciei apex emboli.
27. Heriaeus propinquus n. sp., epigyne.
28. Heriaeus hirtus (C. L. Koch), epigyne.
29. Heriaeus Simonii n. sp., epigyne.
30. Heriaeus setiger (O. P. Cambr.), epigyne.
31. Heriaeus hirsutus (Walck.), epigyne.
32. Heriaeus Savignyi E. Sim., epigyne.
33. Eiusdem speciei ligula epigynae abrupta et corrugata.
34. Heriaeus Buffonii (Aud. in Sav.), epigyne.
35. Heriaeus hirtus (C. L. Koch), pars tibialis palpi dextri
maris, a: ab imo, b: a latere exteriore visa.
36. Tarentula Eichrualdii Thor, bithynica n., epigyne.
37. Tarentula Eichrualdii Thor, typica, epigyne.
38. Philaeus chrysops (Po da) var. haemorrhoica (C. L.
Koch), pars tarsalis palpi sinistri maris ab imo visa.
39. Philaeus chrysops (Po da), pars tarsalis palpi sinistri
maris ab imo visa.
40. Platybunus strigosus (L. Koch)? olympicus n., partes
pateilaris et tibialis palpi dextri maris desuper visae.
41. Platybunus strigoso (L. Koch)?, partes pateilaris et
tibialis palpi dextri maris desuper visae.
42. Eiusdem speciei partes respondentes feminae de-
super visae.
43. Nemastoma Werneri n. sp., pictura scuti dorsualis.
14. Nemastoma Kochii Now., pictura scuti dorsualis»
45. Nemastoma Sillii O. Herrn., pictura scuti dorsualis.
46. Nemastoma quadripunctatum (Perty), pictura scuti
dorsualis.
Kulczvü
1
i
LI
' J - M
681
Zur Physik des Vulkanismus
von
C. Doelter.
k.M.k.Akad.
(Mit 1 Textfigur.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 9. Juli 1903.)
Anschließend an meine Arbeit über die Dichte des festen
und des flüssigen Magmas will ich versuchen, an der Hand der
physikalischen Daten die Ursachen des Vulkanismus zu prüfen.
. Für die Auffassung von dem physikalischen Verhalten des
Magmas bei hohem Druck und Temperatur sind die Arbeiten
von Arrhenius und Tammann1 von großer Wichtigkeit.
Die neuere Literatur über diesen Gegenstand will ich hier
anführen.
Arrhenius, Zur Physik des Vulkanismus." Stockholm, 1903"
— Kosmische Physik. Leipzig, 1903.
Baur, Chemische Kosmographie. München, 1903.
Branco, Neue Beweise für die Unabhängigkeit der Vulkane
von präexistierenden Spalten. N. J. f. M., 1898, 1.
Günther, Lehrbuch der Geophysik. 1897.
St übel, Ein Wort über den Sitz der vulkanischen Kräfte der
Gegenwart. Leipzig, 1901.
— Über die genetische Verschiedenheit der vulkanischen
Berge. Leipzig, 1903.
Sueß, Über heiße Quellen. Leipzig, 1903.
Tammann, Über die Grenzen des festen Zustandes. Pogg.
Ann., N. F. Bd. 62, 67, 68.
i N. Jahrb. für Mineralogie, 1901, Bd. II.
682 C. Doelter,
Die Veränderungen des Schmelzpunktes der Silikate bei
Druckvariationen.
Das Verhalten einer Substanz bei verschiedenem Druck
und verschiedener Temperatur wird durch die Schmelzdruck-
kurve gegeben.
Wenn R die Schmelzwärme, vt und v2 die Volumina des
Körpers im flüssigen und im festen Zustande, T die Temperatur,
p den Druck bedeuten, so hat man bekanntlich
dT T
dp R
Bei verschiedenen Drucken p und verschiedenen Tempera-
turen T (in absoluter Zählung) wird die Abhängigkeit von T
und p durch eine Kurve dargestellt, durch die Schmelzdruck-
kurve. Es handelt sich nun darum, für das Magma diese
Kurve festzustellen. Die Größe vx — v2 ist wenigstens für
das wasserfreie Magma bestimmbar, dagegen ist R im
allgemeinen nicht bestimmt, es hat aber Barus1 durch einen
dT
Versuch -^— bestimmt und zwar beim Diabas; bei diesem ist
jt dP
4^ = 0-025.
dp dT
Es ist anzunehmen, daß -j- bei den verschiedenen Sub-
dp
stanzen, also auch bei verschiedenen Magmen und Mineralien
dT
nicht denselben Wert hat, da -j- besonders von vx — v% abhängt.
Nun habe ich seinerzeit bestimmt (wenngleich die Zahlen keine
genauen sind, da die Methode keine Genauigkeit zuläßt):
des festen Körpers
des flüssigen Körpers
des glasigen
geschmolzenen
Körpers
Augit
. 3-29—3-3
2-92
2-92—2-95
Limburgit ,
283
2-55—2-568
2-55—2-56
Ätnalava . .
2-83
2-586—2-74
2-71—2-75
Vesuvlava
. 2-83—2-85
2-68—2-74
2-69—2-75
Nephelinit
. 2-735-2-745
2-70— 2-75 (?)
2-686
* Philos. Magazine, 35, 1893.
Physik des Vulkanismus. 683
Limburgit ist demnach dasjenige Gestein, welches die
größte Volumveränderung erleidet; sie ist der des Augits gleich.
N e p h e 1 i n i t erleidet die geringste Änderung und der Unterschied
beider ist bedeutend. Bei letzterem ist die Volumveränderung
eine minimale. Frühere Bestimmungen ergaben für Diabas eine
Volumänderung1 von3*9%- Bei Granit findet nach Del esse
eine Herabminderung des spezifischen Gewichtes von 2 68
auf 2-47 statt.
Die Volumveränderung vx — v% ist also bei verschiedenen
Gesteinen verschieden und wird diese Erscheinung auch beim
Erstarren der Erdschichten in Betracht gezogen werden müssen.
dT
Bezüglich des Wertes von — ist aber zu berücksichtigen, daß
auch R sich ändert und gewiß bei Quarz, Orthoklas, Nephelin
anders ist als bei Augit, Olivin; allerdings ist nach Tarn mann
die Veränderung von R bei hohem Druck weit geringer.
dT
Sehr groß dürfte die Verschiedenheit für -r- aus dem
dp
Grunde nicht sein, weil konstatiert wurde, allerdings nicht bei
Silikaten, sondern bei organischen Verbindungen und bei ein-
dT
zelnen Elementen, daß die Veränderungen des Wertes -r—
dp
sich in nicht allzu großen Grenzen bewegen. Immerhin dürften
saure Magmen wie Granite einen etwas anderen Wert geben
wie ein basischer Diabas. T liegt bei jenem höher, aber auch
die Schmelzwärme wird größer; da aber auch vx — v2 sich
dT
ändert, so dürfte — eher etwas geringer sein. Der kleinste
dp
dT
Wert, der für -j— festgestellt wurde, ist 0*019 bei Diabas. Es
dp
gibt organische Substanzen, bei welchen dieser Wert nur 0*007
beträgt. Bei geringeren Druckänderungen muß man also, um
eine Schmelztemperaturerhöhung von 1 ° zu erhalten, ungefähr
152 m tief gehen.
(In tieferen Schichten müssen wir ein höheres spezifisches
Gewicht als das der oberflächlichen, welche man gewöhnlich
1 Barus, 1. c. Vergl. Daly, On the Mechanics of magmatic Intrusion.
Am. J. 1903.
684 C. Doelter,
mit 2*6 bis 2 7 annimmt, annehmen; wir wollen das der Laven
nehmen: 2*8, dann entspricht einer Atmosphäre eine Gesteins-
schicht von 3- 7 m.)
Hiebei darf aber nicht vergessen werden, daß die Formel (1)
nur für chemische Verbindungen gilt und daß wir es mit
Gemengen zu tun haben, so daß wir, strenge genommen, T und R
nicht bestimmen, also auch nur annähernde Resultate erzielen
können.
Für geringere Drucke ist die Schmelzdruckkurve gerad-
linig, bei höheren nicht mehr; man kann daher die Barus'sche
Mittelzahl 0*025 bei höheren Drucken nicht als maßgebend
erachten, sie wird kleiner werden. Für den Diabas würde nun
eine Erhöhung des Schmelzpunktes von 1000° bei einem Druck
von 40.000 Atmosphären erfolgen.
Demnach schließen wir, daß für das Magma eine Erhöhung
des Schmelzpunktes um 1000° bei zirka 40.000 Atmosphären
oder 150 km Tiefe eintritt, wahrscheinlich aber infolge des
dT
Umstandes, daß — — schon bei 30.000 Atmosphären seinen
Wert verringert, bei größerer Tiefe, respektive höherem
Druck. Demnach dürfte bei XbO km Tiefe der Schmelzpunkt
zwischen 2000 bis 1800° sein; das Magma befände sich also nach
den ungefähren Temperaturverhältnissen des Erdinnern, welche
wir unten erörtern, in der Nähe des Schmelzpunktes oder wohl
schon über demselben. Bei 120 km oder 32.000 Atmosphären
wäre der Schmelzpunkt wohl unter 1800°.
Somit ist es kaum wahrscheinlich, daß weit über 150 km
noch festes Magma existieren kann und das selbst dann,
wenn wir für die geothermische Tiefenstufe einen drei- bis
fünfmal so hohen Wert ansetzen, als ihn die oberflächlichen
Messungen ergeben. Es wird also von den uns noch unbekannten
Temperaturverhältnissen in Tiefen von 150 bis 200 km an
abhängen, ob in ihnen noch festes Magma existieren kann; in
größeren Tiefen wäre dies aber kaum denkbar, weil
wir dann schon in die Nähe des maximalen Schmelzpunktes
dT
kommen und — - einen sehr kleinen Wert hat; genau bestimm-
ap
bar ist die Grenze, über welcher festes Magma nicht mehr
Physik des Vulkanismus. 685
existieren kann, nicht; es hängt dies von den unbekannten
Temperaturverhältnissen der unter 150 bis 200 km liegenden
Schichten ab.
Der maximale Schmelzpunkt und der dazu gehörige' Druck.
Von größter Wichtigkeit für die vulkanischen Erscheinungen
ist die Lage des maximalen Schmelzpunktes; bei dieser Tempe-
ratur und entsprechendem Druck muß die Schmelzdruckkurve
ihre Richtung ändern und gegen P einbiegen; vt — v2 wird
negativ, von diesem Druck an nimmt der Schmelzpunkt ab.
Dieser maximale Schmelzpunkt, dessen Temperatur wir nicht
bestimmen können, liegt bei sehr hohem Druck, der aber bei
verschiedenen Substanzen sehr verschieden ist.
Tammann gelangt zu dem Resultate, daß, wenn — Av die
Kontraktion ist, welche bei der Krystallisation eintritt, so ist
At; = a log •
B + l
AK ist der Zuwachs des inneren Druckes bei der Krystalli-
sation.
Aus obiger Formel und der Formel zwischen vv v2, AK>
Ap,p9B berechnet Tammann den Druck p, der zum maximalen
Schmelzpunkt gehört:
p = BAK+(AK)*— B.
B hängt von der Kompressibilität ab.
Für Wasser oder einen Stoff von derselben Kompressi-
bilität war B = 2500, AK rz 625 Atmosphären, mithin
p = 2500 X 625 +6252~ 2500.
Tammann berechnet daraus p = 1,950.000 Atmosphären.
B wird umso kleiner, je größer die Kompressibilität ist;
diese wächst bei verschiedenen Stoffen mit der Dampfspannung.
Nun haben wir kein Mittel, B und AK bei einem Silikat zu
bestimmen; es ist wohl wahrscheinlich, daß AK kleiner ist und
daß auch B sich verkleinert, da die Kompressibilität des Magmas
größer sein dürfte, daher beide Werte wohl erheblich kleiner
sein dürften.
686 C. Doelter,
Da B und Auf also für das Magma experimentell nicht
bestimmbar sind, so können wir den Wert von p, d. h. den
Druck, der zum maximalen Schmelzpunkt gehört, nicht be-
stimmen; wir können aber aus den Arbeiten TammannV
Schlüsse ziehen. Bei einer Substanz, dem Dimethyläthyl-
carbinol, ist es ihm gelungen, den Druck p, der dem maximalen
Schmelzpunkt entspricht, zu erreichen; er betrug 4750 Atmo-
sphären. Bei anderen Substanzen gelang dies nicht; man kann
daraus schließen, daß der Druck des maximalen Schmelz-
punktes für die meisten Substanzen so hoch steigt, daß er mit
unseren Apparaten nicht erreichbar ist.
Tarn mann hat aber aus seinen Versuchen durch eine
Interpolationsformel2 berechnet, daß für Kohlensäure dieser
Druck bei 1 3.000 ife£ liegen würde, für Chlorcalciumhydrat bei
10.000 *£, für Phosphor bei 14.400 J#, für Wasser bei 2220 *£
Jedenfalls liegt er für Silikate weit höher.
Für Aufhat Tammann ebenfalls sehr verschiedene Werte
erhalten,3 da die Veränderung des Volumens bei verschiedenen
Substanzen eine verschiedene ist. Bei der großen Kompressi-
bilität des Magmas beim Schmelzpunkte dürfte der Wert vonAAT
ein sehr kleiner sein. Aus der Analogie mit anderen Stoffen können
wir jedenfalls den Schluß ziehen, daß zwischen 100.000 und
höchstens 1 30.000 Atmosphären der notwendige Druck erreicht ist.
Er könnte allerdings noch weit geringer sein und, da einem
Druck von 1000 Atmosphären eine Gesteinsschicht von zirka
3700 m entspricht, so müßte jener Druck von 100.000 Atmo-
sphären einer Erdschicht von 370 km entsprechen; genaue
Zahlen lassen sich zwar auch hier nicht angeben, man kann
nur sagen, daß der dem maximalen Schmelzpunkt gehörige
Druck sich zwischen 200 bis 400 km Tiefe findet, wahr-
scheinlich eher in geringerer. An und für sich ist die
Grenze nicht wichtig, da wir nicht annehmen können, die Erde
sei so weit fest; aber das Magma wird einen Zustand haben,
der sich in seinen wichtigsten Eigenschaften nicht
vom festen Zustande unterscheidet
1 Pogg. Ann., 62, 67, 68. — Zeitschrift für physik. Chemie, Bd. XVII.
2 ^ = ^ = i+a0>-1)-*(/>--i)2.
» Zeitschrift für physik. Chemie, Bd. XVII.
Physik des Vulkanismus. 687
Einen starren Zustand der Erde uns vorzustellen ist aber
nicht nötig, da alle Erscheinungen sich erklären lassen, wenn
wir Flüssigkeiten oder Gase unter enormem Druck annehmen,
denn dieselben würden in ihrer Haupteigenschaft, der Kom-
pressibilität, die hier in Betracht kommt, sich wie feste Körper
verhalten,1 dagegen behält das Magma unter hohem Druck die
Möglichkeit der Differentiation bei. Zu beachten ist auch, daß
das flüssige Magma allmählich in starres übergeht.
Den maximalen Schmelzpunkt selbst können wir nach
Gestalt der Kurve nur vermuten, nicht bestimmen.
Fest, d.h. krystallisiert wird das Magma in einer bestimmten
Tiefe wohl sein, da in derselben die Progression des Schmelz-
er
punktes nach der Formel -y- schneller verläuft als die der
dp
Wärmezunahme; da aber im weiteren Verlaufe die Kurve nicht
dT
mehr geradlinig verläuft und -r— gering wird, so tritt dann das
dp
umgekehrte Verhältnis bezüglich der Wärmeprogression ein
und es tritt in größerer Tiefe wieder flüssiges Magma auf.
Z. B. bei 100 km Tiefe wäre der berechnete Schmelzpunkt
höchstens 1725°, wahrscheinlich geringer, die Erdtemperatur
eher nicht so hoch, je nach der geothermischen Tiefenstufe; von
dieser wird es abhängen, ob festes Magma bei 100 km oder
etwa erst bei 130 bis 150 km vorhanden ist.
Nachstehende Zeichnung stellt die Schmelzdruckkurve des
Magmas unter der Voraussetzung, daß der maximale Schmelz-
punkt bei 100.000 bis 120.000 Atmosphären sich befindet, dar,
seine Temperatur ist zu etwa 2300° angenommen.
Verhalten der im Magma absorbierten Gase beim Erstarren.
Schon Fournet hat 1834 auf die Wichtigkeit des Frei-
werdens von Gasen beim Erstarren der Lava aufmerksam
gemacht und Reyer2 in seiner Physik der Vulkane seine und
anderer Autoren Ansichten gesammelt.
Die physikalische Chemie klärt uns über diese früher
wenig gewürdigte Erscheinung auf. Bei fallender Temperatur
i Arrhenius, Kosmische Physik und Zur Physik des Vulkanismus, S. 7.
2 L. c, S. 8. Siehe dort auch die Literatur über diesen Gegenstand.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 44
688
C. Doelter,.
kann der Gasdruck der im Magma eingeschlossenen Gase
steigen. Setzen wir einer Schmelze Wasser zu, so wird ihr
Erstarrungspunkt proportional erniedrigt, bis man zum elekti-
schen Punkt gelangt. Betrachtet man die Dampfspannungs-
10JO0O,
J000 9000 3000
Die Schmelzdruckkurve des Magma's.
kurve z. B. von Silbernitrat und Wasser, so wird dieselbe ein
Maximum zeigen und bei sehr konzentrierten Lösungen auf 0
herabsinken. Bei hohen Salzkonzentrationen wird Salz bei
fallender Temperatur auskrystallisieren und der Dampfdruck
steigen.1
* Van f Hoff, Vorlesungen, I, 34. Baur, Chemische Kosmographie, S.86.
Weinschenk, Grundrüge der Gesteinskunde.
Physik des Vulkanismus. 689
Bei Chlorcalcium {CaC^+ei^O) liegt das Maximum der
Tension bei 28*5°; wenn dasselbe sich oberhalb dieser Tempe-
ratur abkühlt, so steigt die Tension. Das Magma mit Gasen,
insbesondere HaO, imprägniert, läßt sich nun mit diesen Salzen
vergleichen; bei gewissen Temperaturgebieten steigt der Druck
der Gase. Bei der Explosion entweichen sie, hiebei spielt die
Kieselsäure, welche bei hoher Temperatur eine schwache Säure
ist, auch eine Rolle.1
Leider kennen wir den Wert des Druckes der aus dem
Magma entweichenden Gase nicht.
Die hier angeführten physikalischen Daten über das Ver-
halten des Magmas bei hoher Temperatur und hohem Druck
wird jeder Vulkanologe beachten müssen und die Nichtbeachtung
führt zu falschen Theorien. Stübel's Hypothese, welche sonst
gewiß sehr viel beachtenswerte und neue Gesichtspunkte bringt,
welche auch von bleibendem Wert sein werden, berücksichtigt
das Verhalten des Magmas nicht und entbehrt daher der exakten
Basis.
Die geothermische Tiefenstufe.
Eine der wichtigsten Fragen für die Entstehung der Vulkane
ist die des Teraperaturgefäiles des Erdinnern.
Man hat für die geothermische Tiefenstufe auch in ober-
flächlichen Schichten, die ja allein untersucht sind, sehr ver-
schiedene Werte gefunden und hat aus den verhältnismäßig
wenig zahlreichen Beobachtungen die Längen von 20 bis 1 1 5 m
ergeben, einen Mittelwert von 33-3 m berechnet; das ist voll-
kommen unrichtig, denn die niederen Werte entstehen durch
besondere Ursachen und eher die höheren Werte müssen der
Wirklichkeit nahekommen. Auch der Umstand, daß für manche
Fälle so hohe Werte gefunden wurden, zeigt, daß der Mittelwert
nicht richtig sein kann; in der Nähe des Meeres könnte aller-
dings eine Vergrößerung der Stufe stattfinden, meistens wird
aber das Gegenteil eintreten.
Schon im Bohrloch von Paruschewitz bei 2000 m beträgt
der Temperaturwert etwas mehr, nämlich 69*3° statt 60°,2 im
* Arrhenius, 1. c.
* Credner, Geologie, S. 2
44*
690 C. Doelter,
Adalbertschacht ist die Stufe 57 ■ 5 tn. Jedenfalls ist der Mittelwert
viel zu gering und man muß bedeutend höhere Werte einsetzen.
Ganz ignorieren kann man allerdings die geothermische Tiefen-
stufe nicht, da eine gewisse Progression des Temperaturgefälles
sicherlich stattfindet, aber eine Extrapolation anzuwenden ist
hier unzulässig. Über die Nichtzulässigkeit der geothermischen
Tiefenstufe ist jedoch in älterer wie in neuerer Zeit so viel
geschrieben worden, daß ich hier nichts hinzuzufügen habe.
Geologen, welche sonst ganz entgegengesetzte Ansichten haben,
sind darin einig. Unrichtig wäre es zwar, dieselbe ganz zu
ignorieren, man muß aber zugeben, daß an der Oberfläche, d. h.
einige tausend Meter unter derselben, die lockere Beschaffenheit
mancher Schichten, dann die vielen Klüfte, die Oxydations-,
Verwitterungsprozesse anderseits den Wert beeinträchtigen
müssen und zwar im Sinne einer Verkleinerung; dazu kommt
noch, daß man bei so großen Differenzen überhaupt nicht
berechtigt ist, einen Mittelwert anzunehmen. Die geothermische
Tiefenstufe wird daher zwei- bis dreimal so groß sein
als jenes Mittel, möglicherweise noch größer.
Stübel nimmt daher mit Recht zwei geothermische Tiefen-
stufen an, Thomson und Hempel zeigten, daß zwar die
Temperaturzunahme eine stetige ist, aber keine gleichförmige;
je tiefer man eindringt, je langsamer wird die Temperatur
wachsen. Am besten wird es daher sein, mehrere Radien an-
zunehmen, in welchen die Tiefenstufe wechselt.1
Wenn man von den oberflächlichen 20 km absieht, für
welche die Tiefenstufe von 33*3w gelten mag, muß man zu
dem Resultate kommen, daß letztere dreimal, vielleicht sogar
fünfmal so groß ist im Innern, daher muß bei höchstens 200 km
die Schmelztemperatur herrschen, wenn man auch einen Wert
von \Q0m einsetzen würde, der aber doch schon zu hoch
sein wird.
Temperatur der vulkanischen Herde.
Der Begriff Vulkan her d ist ein vager und es werden
zwei verschiedene Dinge als Herde bezeichnet, die auseinander-
1 Vergl. die Arbeiten D unk er's. Die Literatur darüber siehe Günther,
Geophysik, S. 342.
Physik des Vulkanismus. 69 1
zuhalten sind: der oberflächliche Herd, in welchem die zur
Eruption führende explosive Tätigkeit stattfindet, zweitens der
eigentliche vulkanische Magmaherd in tiefen Schichten der
Erde; ich bezeichne erstere als sekundäre,1 letztere als pri-
märe Magmaherde und habe dabei die Vorstellung, daß
beide Herde im Zusammenhange stehen oder vor kurzer Zeit
noch standen.
Über die Temperatur der primären Herde können wir nur
Hypothesen auf Grund der vermeintlichen Temperatur des Erd-
innern, der geothermischen Tiefenstufe etc. anstellen oder einen
Schluß ziehen aus der Temperatur der sekundären; denn die
Temperatur letzterer wird durch das aus dem primären Herde
eingedrungene Magma, also durch die Verbindung beider er-
zeugt, wobei allerdings bereits eine starke Abkühlung statt-
gefunden hat.
Wüßten wir mehr über die geothermische Tiefenstufe, so
könnten wir auch auf die Temperatur der primären Herde
Schlüsse ziehen.
Die Temperatur der Lava. Nach meinen Bestimmungen
schmilztÄtnalava, respektive wird sie dünnflüssig bei zirka 1040
bis 1060°, Vesuvlava bei 1090 bis 1100°. Die Lava selbst
scheint aber eine geringere Temperatur zu haben, was dem
Wasser und den Salzen zuzuschreiben sein wird. Ich machte
im Jahre 1897 an jener Lava, welche am Vesuv ruhig ausfloß
und deren Auftürmung zu einer Kuppel von Mercalli2 und
Matteucci beschrieben wurde, eine allerdings nur sehr un-
genaue Temperaturbestimmung und es ergab sich der Schmelz-
punkt etwas unter dem des Kupfers, also zirka 1050 bis 1070°.
Da nun bereits eine Abkühlung stattgefunden hatte, so mag im
Herde die Temperatur wohl 250 bis 350° höher sein, also
vielleicht 1400 bis 1450°.
Aus der Leucitbildung, respektive Olivinbildung in den
Laven (sogenannte intratellurische Krystalle) können wir einen
Schluß auf die Temperatur ziehen, speziell bei der Vesuvlava.
i Man könnte sie auch peripherische nennen; da aber damit sich eine
bestimmte Vorstellung verbindet, so habe ich, um kein neues hypothetisches
Moment hineinzutragen, den Ausdruck sekundär gewählt.
* Mercalli, Notizie Vesuviane. Napoli 1899.
692 C. Doelter,
Leucit schmilzt unter Atmosphärendruck bei 1330°; nehmen
dT
wir — = 0-025, so wäre bei 20.000 m Tiefe oder 7500 Atmo-
dp
Sphären Druck daher dieSchmelztemperatur 1330+ 187 = 1517°;
da die Leucite aber nicht geschmolzen sind, so kann die Tem-
peratur dort nicht 1500° betragen haben, zu welchem
Resultate wir auch vorhin aus anderen Gründen gelangten; in
einer Tiefe von 20.000 m kann daher eine Temperatur über
1500° nicht herrschen; es ist aber auch diese Temperatur
wahrscheinlich noch eine zu hohe, da das leichtflüssigere
Magma die Leucite sonst gelöst hätte.
Nach meinen Versuchen 1 hat das Magma bei seiner Schmelz-
temperatur eine sehr geringe lösende Wirkung, 200° darüber
aber eine sehr starke; da das Vesuvmagma bei Atmosphären-
druck bei 1 100° flüssig wird, so entspräche dies bei 7500 Atmo-
dT
Sphären, wenn wir — wie bei Diabas annehmen, einer Tem-
dp
peratur von höchstens 1300°. Da aber die Leucite kaum an-
gegriffen sind, so konnte die Temperatur kaum mehr als 100°
über dem Schmelzpunkt gelegen sein, wir erhalten also hier
für den Herd 1400° wie früher. Indessen ist die Tiefe von
28.000 m vielleicht eine zu geringe, für 40.000 m würde sich
der entsprechende Wert um zirka 90° erhöhen, so daß wir
dann 1490 bis 1540° erhalten würden. Für den Vesuvherd
wäre demnach eine höhere Temperatur als 1500° kaum wahr-
scheinlich.
Wenn wir also für den Vesuvherd eine Temperatur von
1400 bis 1500° berechneten, so wäre für andere Magmen von
saurer Beschaffenheit, die bei ihrem Ausbruche eine Tempe-
ratur von 1200 bis 1300° haben, ein Herd anzunehmen, der
vielleicht 1600° oder etwas mehr besitzt; eine ähnliche Über-
legung wie vorhin dürfte zu diesem Resultate führen. Daraus
müßte man aber schließen, daß die letzteren Herde tiefer ge-
legen sein müssen als jene, was nicht recht erklärlich ist
Es ist daher der obige Wert für den Vesuv vielleicht doch
zu erhöhen, anderseits aber kann das Wasser, welches bei
i Tschermak's min.-pctrogr. Mitt, Bck XXI, 1901. Schinelzbarkeit der
Mineralien und ihre Löslichkeit im Magma.
Physik des Vulkanismus. 693
sauren Magmen in größerer Menge vorhanden ist, die Schmelz-
temperatur herabdrücken, ebenso die vielleicht in größerer
Menge vorhandenen Mineralisatoren. Diese Detailverhältnisse
bedürfen weiterer Aufklärung.
Es ist noch ein weiterer Schluß auf die nicht allzu hohe
Temperatur der Vulkanherde (der sekundären) aus der Dis-
soziation der Kohlensäure zu ziehen, das ist das Fehlen von
CO im Gegensatz zu C02. Wäre die Temperatur des Ortes,
welchem C08 entströmt, 3000°, so müßte Kohlenoxyd sich
bilden. Der Dissoziationsgrad ist nach Berechnungen und Beob-
achtungen von Le Chatelier1 abhängig von Druck und Tem-
peratur; je größer letztere, je größer der Dissoziationskoeffizient.
Bei 3000° müßte die Menge CO auch bei höherem Druck eine
sehr bedeutende sein. Man könnte allerdings einwenden, daß
CO und O sich wieder zu C02 verbinden werden, aber dies
könnte wohl nur bei geringer Temperatur geschehen und all-
mählich, bei der Plötzlichkeit der Eruption müßten merkliche
Mengen von CO zu konstatieren sein. Größere konstatierte
Mengen von CO in einer Eruption würden im Gegenteil auf
eine sehr hohe Temperatur schließen lassen.
Nach Le Chatelier (Zeitschrift für physik. Chemie, Bd. VI)
ist der Dissoziationsgrad der COa durch folgende Zahlen ge-
geben. In 1 Molekül waren zerfallen:
Druck
Temperatur 10 Atmosphären tOO Atmosphären
Bei 1000° 0-0003 Mol. 0-0015
» 1500 0-004 0-002
» 2000 0-03 0-025
» 3000 0-21 0-10
> 4000 0-45 0-25
Beobachtet wurde bei 1500° und 1 Atmosphäre 0*01, bei
2000° und 6 Atmosphären 0-05, bei 3000° und 1 Atmo-
sphäre 0*4 Molek.
Die früheren Temperaturdaten beziehen sich aber wohl
nur auf die Temperatur des oberflächlichen Herdes; wenn
* Zeitschrift für physik. Chemie, II, 1888.
694 C. Doelter,
Magma aus großen Tiefen besonders in die oberen Schichten
der Erde gelangt, so hat es schon viel an Wärme verloren und
dieser Verlust kann mehrere hundert Grad betragen; das flüssige
Tiefmagma wird jedenfalls mehr als 2000° haben, wenn-
gleich ein zwingender Grund, eine weit höhere Temperatur,
etwa über 3000° anzunehmen, nicht vorliegt.
Hätten wir Anhaltspunkte aus der geothermischen Tiefen-
stufe, so könnten wir aus der Temperatur die Tiefe berechnen,
aber wir haben gesehen, daß jene ganz unzuverlässig ist, und
können sie daher nicht in unsere Berechnung aufnehmen; aber
jene berechneten Temperaturen weisen indirekt darauf hin, daß
die Tiefenstufe von 33*3 m nicht richtig sein kann.
Tiefe der Vulkanherde.
Über die Tiefe der Herde wissen wir wenig; dies gilt nicht
nur für die primären, sondern auch für die sekundären, peri-
pherischen. Die Bildung der Vulkane dürfte erklärt werden,
wenn wir Tiefe und Temperatur kennen würden. Erstere
irgendwie zu berechnen ist heute unmöglich; man hat aller-
dings Versuche dazu gemacht (vergl. die Berechnung von de
Lorenzo, Atti Ac. Sc. Napoli 1902, VoL XI, und die Ansicht
Sabatini's),1 aber diese sind von problematischem Werte;
man kann höchstens behaupten, daß die Vulkane, welche
riesige Massen lieferten, aus größerer Tiefe stammen und daß
etwa solche wie der Monte Nuovo aus geringerer, aber jede
Rechnung entbehrt einer halbwegs sicheren Basis.
Wenn aber Stübel2 selbst die aus dem Krakatauakrater bei
einer Explosion aufgeworfene Masse auf 18 Millionen Kubik-
meter schätzt, so würde das bei einer Kreisöffnung von 500 m
Radius einer sehr bedeutenden Tiefe entsprechen, jedenfalls
mehr als 50 km.
Ich stimme übrigens Stübel gerne zu, wenn er auf die
Verschiedenheit der Vulkanberge hindeutet. Es gibt monogene
Vulkane, die eine oder vielleicht zwei bis drei Eruptionen
1 Bolletino del comitato geologico 1002, No 1. Für den Monte Nuovo
müßte nach dieser Berechnung die Tiefe 15 bis 60 hm betragen. Dieser dürfte
wahrscheinlich einem sekundären Herd seinen Ursprung verdanken.
2 Genetische Verschiedenheiten vulkanischer Berge. Leipzig, 1903.
Physik des Vulkanismus. 695
hatten, und solche, welche eine lang dauernde intermittierende
Tätigkeit aufweisen; ich glaube, daß beide verschiedenen Ur-
sachen ihre Entstehung verdanken, letztere der eigentlichen
vulkanischen Kraft, erstere einer sekundären Ursache. Der
Hauptsitz der eigentlichen primären Vulkanherde muß dort
liegen, wo das vulkanische, noch nicht erstarrte (d. h. nicht
kristallinische, wenn auch zähe und wenig kompressible)
Magma an der Grenze der starren Rinde liegt; dieses Magma
drängt aufwärts und, wenn von außen eine auch nicht voll-
ständige Druckentlastung stattfindet und durch Überschiebungen
der Rinde die Möglichkeit gegeben ist, so stürzt sich das Magma
in höhere Teile der Rinde, ohne sofort zur Oberfläche zu ge-
langen. Einer solchen Tätigkeit dürften die intrusiven Eruptiv-
massen ihre Entstehung verdanken; solche sekundäre Magma-
herde liegen dann verhältnismäßig nahe der Oberfläche 10 bis
20 km tief, wo also für jenes Magma der Schmelzpunkt bei ent-
sprechendem Druck die Temperatur der Erdschicht übersteigt.
Hier können nun die S. 692 angegebenen Bedingungen eintreten,
das Magma beginnt zu krystallisieren.
Die eigentlichen primären Vulkanherde liegen aber viel tiefer
und ihr Inhalt wird nur dann zu uns gelangen, wenn
durch Bewegungen der Erdrinde von außen Verbin-
dungswege nach innen entstehen; man braucht nicht
anzunehmen, daß diese geradlinig seien, sie können eine Zick-
zacklinie darstellen, die Risse werden nicht direkt von oben
nach unten gehen.1 Das Magma und seine Gase tendieren nach
oben und, wenn Verschiebungen in der Erdrinde entstehen und
der Druck geringer wird, wird es in obere Teile hinaufgepreßt,
wobei es aber nicht unbedingt bis zur Oberfläche gelangen muß.
1 Vergl. Löwl, Jahrbuch der geologischen Reichsanstalt. 1896. Indessen
wird in diesem Aufsatze dem latenten plastischen Zustande zu viel Wichtigkeit für
die Theorie des Vulkanismus zugeschrieben, auch dieser ist doch schließlich
nur ein hypothetischer.
Bei dieser Gelegenheit will ich eine Beobachtung erwähnen, die Bezug
nimmt auf Krystallisation durch Druck. Herrn Prof. Str eint z verdanke ich
Stäbe, welche aus amorphem PbS, und aus Ag2S bestehen, welche einem Druck
von 10.000 Atmosphären unterworfen waren. Die Stäbe bilden eine kompakte,
metallartig glänzende Masse, welche aber, wie die mikroskopische Untersuchung
ergab, keine Spur von Krystallisation zeigten.
696 C. Doelter,
Das Aufsteigen des Magmas braucht also nicht ein plötz-
liches zu sein, es kann ruckweise aufsteigen oder vielleicht oft
infolge größerer Viskosität nur langsam; nur die Endbewegung,
welche zur Vulkaneruption führt, ist eine explosive und ein-
heitliche.
Ob die tektonische Druckentlastung (außer der noch zu
erwähnenden Vermehrung des Dampfdruckes beim Erstarren)
die einzige Ursache ist, daß das Magma aufsteigt, läßt sich
nicht bestimmen; möglich wäre ja noch Temperaturerhöhung
durch Reibung, chemische Prozesse, elektrische Ströme etc.
Zu berücksichtigen als Faktor ist jedenfalls die erhöhte
Temperatur des Magmas, welches die darüber liegenden
Schichten durchschmilzt. Diese Durchschmelzung scheint
noch wenig gewürdigt.1
Welches ist nun die Tiefe dieser eigentlichen Vulkanherde,
wenn wir von jenen oberflächlichen Herden, die ich als sekun-
däre bezeichnen möchte, absehen? Letztere können sehr wenig
tief sein, die eigentlichen Vulkanherde, die primären, müssen
aber eine bedeutende Tiefe, welche 100 bis 120 km übersteigt,
vielleicht noch bedeutender ist, haben. Einen solchen Wider-
stand können aber die Gase nicht überwinden, wenn nicht von
außen Öffnungen entstehen, die eine Druckverminderung be-
wirken. Wir sind also doch wieder auf die Gebirgsbildung
angewiesen und auf deren Zusammenhang mit dem
Vulkanismus, auf Einsinken von Schollen und Hinaufpressen
des Magmas.
Diejenigen Magmamassen, welche wir als Massenerup-
tionen bezeichnen, zeigen geringe Gasentwicklung, welche zum
Teil vielleicht schon einer früheren Sonderung der Gase vom
Silikat zuzuschreiben ist, zum Teil wohl aber darauf zurück-
zuführen ist, daß die Spalte direkt inbedeutendeTiefe hinabreicht
und sehr groß ist; das Magma wird durch tektonische Vorgänge
hinaufgepreßt,2 auch hier dürfte in oberen Schichten das Durch-
schmelzen eine Rolle spielen. Hiebet ist auch die Ausdehnung des
festgewordenen Magma's beim Schmelzen zu berücksichtigen.
1 Vergl. Michel Levy, Soc. geolog. 3« Serie, vol. 24.
2 Vergl. A. C. Laue, Bull. Soc. Geol. of America. 5, 1894.
Physik des Vulkanismus. 697
Verhalten der Magmasäule beim Aufsteigen.
Aus den vorausgeschickten physikalischen Daten läßt sich
nun ein Schluß ziehen, wie sich das Magma, wenn es aus einer
Tiefe von etwa 380 bis 500 km aufsteigen würde, verhalten
müßte, was immer die Ursache des Auftriebes sein mag. In
jener Tiefe würde das Magma flüssig sein und sich in der
Nähe des maximalen Schmelzpunktes befinden, unter
einem Druck von 100.000 bis 150.000 Atmosphären, bei einer
Temperatur, die zwar nicht genau bestimmbar ist, aber vielleicht
2300° erreicht oder überschreitet Beim Aufsteigen kommt das
Magma in höhere, weniger erhitzte Teile und unter geringeren
Druck, erniedrigt seine Temperatur und wird in eine Schicht
gelangen, wo es an Liquidität verliert, da der Wärmeverlust ein
großer wird, der Schmelzpunkt noch aber durch den Druck be-
deutend erhöht ist, es wird daher in einer bestimmten, nicht näher
zu präzisierenden Tiefe viskos werden und zu erstarren beginnen.
Nun können mehrere Fälle eintreten: Ist der Schlot von ge-
ringem Durchschnitte und ergießt sich das Magma in vor-
handene oder von ihm neu gebildete Hohlräume, so entsteht
eine Intrusivmasse (Lakkolith, Batholith). Sobald aber das
Magma zu erstarren beginnt, steigt der Gasdruck und es können
alsdann Eruptionen durch die eigene Kraft des Magmas stattfinden.
Wenn jedoch die Bewegung der Magmasäule eine raschere
ist oder wenn durch einen breiteren Kanal mehr Wärme zu-
geführt wird, so findet keine totale Erstarrung statt, sondern es
tritt nur Viskosität ein; es bilden sich in diesem Magma die
sogenannten intratellurischen Mineralien: Leucit, Feldspat,
Olivin, Quarz; diese Mineralbildung wird begünstigt, wenn Druck
und Temperatur sich gerade so stellen, daß eine Unter-
kühlung und damit eine die Krystallisation begünsti-
gende Bedingung eintritt.
Durch die teilweise Verfestigung werden aber
nach früherem wieder Gase frei, welche den Druck gegen
die Außenschicht erhöhen und dazu beitragen, die Eruption zu
ermöglichen. Beim Übergang in die unter geringem Druck stehen-
den Schichten wirdderSchmelzpunktermäßigt,dasMagma wieder
stark flüssig dehnt sich aus und wird wieder eruptionsfähig.
698 C. Doelter,
Die Differentiation wird in den Lakkolithen oder auch
im Kanal in jenen Tiefen, respektive Temperaturgebieten vor
sich gehen, wo die Krystallisation beginnen kann, abgesehen
von der ursprünglichen Differenzierung nach dem spezifischen
Gewichte vor der Eruption in großen Tiefen.
Selbstverständlich brauchen wir nicht anzunehmen,
daß Magma direkt in gerader Linie aus einigen hundert
Kilometern Tiefe aufsteige; es ist dies nicht wahrscheinlich.
Wir kommen aber, wenn wir von der Oberfläche zum Innern
gelangen, zu folgender Vorstellung: Unter den etwa 35 km
mächtigen Sedimenten liegen ältere Eruptivmassen zumeist
sauren Charakters (Stübel's Panzerdecke), vielleicht 50 km}
dann das infolge seiner Lage noch feste Magma (wegen des
hohen Druckes ist sein Schmelzpunkt ein sehr hoher). Die
älteren Eruptionen gehen also in Magma über.2 Bei 200 £w
oder je nach der geothermischen Tiefenstufe, die uns nicht
bekannt ist, bei 300 km gelangen wir zu Magma, welches bereits
in der Nähe des maximalen Schmelzpunktes angelangt ist, bei
500 km ist dies sicher der Fall.
Die weitere Progression der Temperatur über etwa 3000°
gegen das Erdinnere zu entzieht sich unserer Schätzung.
Die Stübersche Theorie.
Gegenüber der Ansicht, daß die Gase durch Druck-
entlastung der äußeren Schichten das Magma heben, geht die
Ansicht StübeTs dahin, daß der Vulkanismus aus peripheri-
schen, erschöpflichen, vom feurig-flüssigen Innern getrennten
Herden seinen Ursprung nehme und zwar durch Volum-
veränderung beim Erstarren. Nun haben wir jedoch gesehen,
daß tatsächlich das Gegenteil eintritt bis zum maximalen
Schmelzpunkt; da jedoch eine Grundbedingung der neuen
Theorie die Verlegung der Herde in die Oberfläche ist bei 50
bis 80£#w Tiefe, so herrscht dort weder eine sehr hohe Tempe-
ratur noch der Druck des maximalen Schmelzpunktes. Es
1 Es scheint mir dort etwas übertrieben, die Sedimentgesteine als Ver-
witterungsgesteine der Erde zu bezeichnen.
« Reyer, 1. c, II, Kap. 15.
Physik des Vulkanismus. 699
kann also bei jenen Drucken eine Volumveränderung des
Magmas im Verlaufe der Erkaltung nicht eintreten.
Nur ein Faktor ist denkbar, welcher, falls peripherische Herde
existieren, bei der Erstarrung vulkanische Eruptionen zustande
bringen könnte, dies wäre die S. 688 erwähnte Steigerung der
Gastension. Diese bringt Schwellungen auf Lavaströmen zu-
stande, sogenannte Hornitos; sie kann kleinere sekundäre Krater
erzeugen, ebenso Maare, kleinere Vulkanberge vom Charakter
der Puys der Auvergne. Solche entstehen wahrscheinlich beim
Erstarren eines sekundären Herdes in der Tiefe.
Aber dieser Druck könnte doch nur eine geringe Kraft
ausüben und nur dann in Tätigkeit eintreten, wenn eine solche
Masse in verhältnismäßig großer Nähe der Oberfläche liegt.
Dies ist z. B. dort der Fall, wo aus den tieferen Schichten der
Erde sogenannte Lakkolithe oder Batholithe oder überhaupt
sekundäre Herde durch irgendeine Ursache in höhere Teile
gelangt sind. Waren letztere, wie wir es ja in der Natur beob-
achten, zirka 10.000m oder weniger tief, so beträgt der auf ihnen
lastende Druck nur 2700 bis 2800 Atmosphären; er ist also nicht
so bedeutend, daß ihn der Gasdruck nicht überwinden könnte,
namentlich da bei der Bildung des Lakkolithen auch schon
durch Risse, Faltensprünge der Zugang erleichtert wird. Wenn
nun das Magma zu krystallisieren anfängt, so kann der Gas-
druck den verhältnismäßig geringen Widerstand überwinden
und auch aus dem Magma einen Teil mitreißen, umsomehr als
nach der Explosion sich Druckverminderung und in jener
geringen Tiefe Schmelzpunktrückgang einstellen muß; diese
Schmelzpunktverminderung könnte dann durch Ausdehnung
des Magma's beim Schmelzen wieder Anlaß zum Aufsteigen des
Magmas geben. Beim Wiedererstarren des restlichen Magmas
könnte noch eine zweite kleinere Eruption nachfolgen.
Die Gasexhalationen nach der Eruption sind jeden-
falls auf diese Vorgänge zurückzuführen; hiebei spielt auch
eine Rolle des Verhalten der Kieselsäure zu dem Wasser bei
verschiedenen Temperaturen, auf welches Arrhenius1 auf-
merksam gemacht hat. Wasser ist bei 2000° eine viel stärkere
i Arrhenius, Zur Physik des Vulkanismus, 22.
702 C. Doelter,
eintreten. Jedenfalls sind solche Herde nur die Aus-
läufer der primären Herde.1
Eine längere Tätigkeit eines solchen Herdes ist aber nicht
denkbar. Keinesfalls könnte man die Gesamtheit aller vulkani-
schen Erscheinungen auf peripherische, längst vom Erdinnern
isolierte Herde zurückführen; aus geologischen Gründen ist
diese Anschauung Stube l*s schon bekämpft worden.2 Wären
jene Herde wirklich die Ursache des Vulkanismus, so müßten
sie es auch schon in der Tertiärzeit gewesen sein, da St übel
für seine Panzerung eine weit frühere Zeit beansprucht, dann
müßte aber durch Absperrung der Kommunikation mit dem
inneren Magma der Vulkanismus aufgehört haben.
Da der Vulkanismus entschieden ein periodisch wieder-
kehrender Vorgang ist, so kann die Ursache nicht eine solche
sein, welche im Schwinden begriffen ist, sondern eine, welche
fortexistiert, die aber nur zu bestimmten periodischen Zeiten
zur Geltung gelangen kann.
Ende der vulkanischen Tätigkeit.
Die Sommaberge.
Besonderen Wert legt St übel auf die Sommaberge und
großen Calderaberge. Bei letzteren werden wohl viel Gase vor-
handen gewesen sein; ihre Bildung spricht aber nicht für kleine
erschöpfliche Herde, sondern eher für tiefe Kanäle.
Ich erkläre mir die Bildung eines inneren Kraters in einem
äußeren älteren (Somma) durch das Nachlassen der vulkani-
schen Kraft, veranlaßt durch die Erstarrung, welche in einem
breiten Schlot, der ursprünglich die »Somma« lieferte, natürlich
von außen beginnt, infolgedessen bleibt nur ein konzentrischer
engerer Schlot noch tätig, welcher geringere Massen von Magma
ringsum ausgießt; es entsteht ein innerer kleinerer Vulkankegel.
Die Bildung eines inneren weniger energischen Vulkans
in einem äußeren größeren ist also durch Erstarrung veranlaßt;
die Erstarrung wird dort am meisten Erfolg haben, wo infolge
1 Branco, 1. c, p. 156.
* Bergeat, Zentralblatt, 1902, Nr. 23; Link, Zentralblatt, 1902, Nr. 15.
Physik des Vulkanismus. 703
entsprechenden Druckes und doch geringerer Temperatur der
Schichten der Schmelzpunkt ein hoher ist. Das oberste Magma
kann aber infolge eines entsprechend geringeren Schmelz-
punktes und infolge der Gasexbalation der unteren erstarrenden
Magmasäule noch zur Eruption gelangen (wobei auch das
infiltrierte Wasser entweichen kann). Nach dieser Eruption
wird der Druck der Magmasäule vermindert, das untere Magma
wieder flüssig und es kann nun in Folge Ausdehnung beim
Schmelzen auch aufsteigen und ausfließen.Beim Aufsteigen wird
aber unten der Druck wieder gesteigert, eine feste Schicht gebildet.
Dieser Vorgang kann sich sehr oft wiederholen. Schließlich
wird aber an den Rändern der ganzen Magmasäule die Er-
starrung immer fortschreiten und die flüssige Magmasäule
immer enger werden, bis sie ganz erstarrt.
Die Tatsache, daß oft der Hauptvulkan seine Tätigkeit
einstellt und die Eruptionen an anderer Stelle ausbrechen,
könnte zum Teil auf Bildung neuer kleiner Spalten durch den
Prozeß der Eruptionen selbst verursacht sein, möglich ist auch,
daß die erstarrte Lavasäule einen größeren Widerstand bietet
als die benachbarten Sedimentschichten.
Bei dem allmählichen Aufhören der Tätigkeit scheint auch
die petrographische Beschaffenheit eine Rolle zu spielen.1
Die kleineren rhythmischen Bewegungen, die oft bei Vul-
kanen beobachtet werden, dürften doch noch auf andere Ur-
sachen zurückzuführen sein, das zufließende Wasser dürfte bei
ihnen eine Rolle spielen, ebenso die schlierige Beschaffenheit der
Lava,2 ferner die Verdrängung des Wassers durch Kieselsäure,
wie oben angeführt.
Die Rolle des Wassers.
Arrhenius glaubt, daß das vadose Wasser die Haupt-
ursache des Vulkanismus sei, es scheint dies aber sehr un-
wahrscheinlich, schon im Hinblick auf die Mondvulkane, auf das
Vorkommen von kontinentalen Vulkanen z. B. Kilimandjaro.
i Vergl. Reyer, Physik der Eruptionen, II, 105.
2 Siehe Reyer, Physik der Eruptionen, S. 124; Bergeat, Äolische
Inseln. Abhandlungen der königl. bayr. Akad. München, 1899.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 45
704 C. Doelter,
Das Verhalten der Gase bei verschiedenem Druck genügt
ja auch, um den Vulkanismus zu erklären. Nach Bildung eines
Vulkans wird allerdings das Wasser eine Rolle spielen, da aus
den oberen Schichten Wasser zuströmen wird und der Wasser-
dampf die Tätigkeit der Gase steigern wird; zur Erneuerung
der Vulkaneruptionen kann es also beitragen. Es darf1 aber
nicht verkannt werden, daß der größte Teil des aus Vulkanen
ausgeschiedenen Wasserdampfes kein vadoser ist, sondern aus
den Tiefen stammt; auch das Cl des Meeres dürfte ursprünglich
aus ihnen stammen Auch der Hinweis auf den Vulkanismus als
kosmische Erscheinung2 dürfte darüber belehren, daß Vulkane
auch dort entstehen, wo kein Wasser vorhanden ist.
Rothpletz8 hat die Hypothese aufgestellt, daß der Vul-
kanismus nicht gleichzeitig mit der Gebirgsbildung vor sich
gehe, sondern mit derselben abwechsle; das zu untersuchen
wird Gegenstand der speziellen geologischen Forschung sein.
Es wird in diesen und anderen Ausführungen auf die Schwierig-
keit aufmerksam gemacht, daß ein flüssiger Erdkern den festen
nicht tragen könnte, wenn der erstere sich kontrahiert. Hiebei
wird aber vergessen, daß zwischen den festen und flüssigen
Teilen ein allmählicher Übergang existiert, da bei großem
Druck der flüssige Kern so wenig kompressibel ist wie der
feste.4 Es muß auch darauf aufmerksam gemacht werden, daß
der Erdkern (zu etwa 80%) aus Eisen oder Metallen besteht,
welche bei hoher Temperatur und Druck eine Volumvergröße-
rung beim Erstarren erleiden dürften, also umgekehrt wie die
Silikate sich verhalten.
Schlußfolgerungen.
Da im Innern der Erde das Magma sich noch im heiß-
flüssigen Zustande befindet und zwar in einer Tiefe von einigen
hundert Kilometern, so kann dasselbe, ohne daß von außen
eine Druckentlastung eintritt, nicht aufsteigen; wie dieselbe
stattfindet, entzieht sich vorläufig unserem Urteile; wo der
i Sueß, Heiße Quellen. Leipzig, 1902.
2 G. Tschermak, Sitzungsber. der Wiener Akademie, Bd. 75.
3 Sitzungsber. der künigl. bayr. Akademie, 1903.
4 Arrhenius, Zur Physik des Vulkanismus.
Physik des Vulkanismus. 705
Druck geringer wird, kann Magma aufsteigen. Ohne Wirkung
von gebirgsbildenden Kräften dürfte Vulkanismus schwer er-
klärlich sein, denn die vorhandenen peripherischen sekundären
Herde sind die Ausläufer des inneren primären Magmaherdes.
Beim Aufhören der Verbindung eines peripherischen Herdes
mit dem inneren primären muß bald die totale Erstarrung und
das Aufhören der vulkanischen Tätigkeit eintreten.
Die Hauptursache des Vulkanismus liegt in der Gas-
imprägnation des tiefen Magmas, welche durch Druckverminde-
rung explosiv wirkt. Die Druckverminderung wird durch tek-
tonische Vorgänge hervorgebracht. Durch Volumvergrößerung
des erstarrenden Magmas den Vulkanismus zu erklären ist mit
den physikalischen Gesetzen unvereinbar. Dagegen kann beim
Erstarren des Magmas durch Steigerung des Dampfdruckes Gas
frei werden und explosiv wirken. Dies wird aber nur selten und
dort möglich sein, wo durch frühere tektonische Vorgänge Magma
aus tieferen Schichten hinaufgepreßt wurde in die oberen Teile
der Erdrinde. Diese sekundären peripherischen Herde können
dann durch Eruptionsfähigkeit des Magmas selbst wirken; da aber
ihr Druck nicht sehr groß ist, so können nur kleinere Vulkane,
Maare, Explosionskrater auf diese Weise gebildet werden.
Nachträgliche Bemerkung. Nacheiner freundlichen Mit-
teilung des Herrn Prof. Dr. G. Tarn mann in Göttingen kann die
Abhängigkeit des Schmelzpunktes vom Druck durch die Formel
A/ -=z ap — bp2
wiedergegeben werden, wobei a für verschiedene Stoffe um
ungefähr 0*02, fc =: 0 000001 schwankt. Prof. Tammann
glaubt, daß auch für Silikate jene Werte nicht sehr abweichen
dürften, und schätzt daher den maximalen Schmelzpunkt für
viel niedriger, als früher angenommen. Demnach wäre dieser
Punkt bei zirka 40.000 Atmosphären gelegen in einer Tiefe von
zirka 150 km.
Ich habe dieser Anschauung durch eine zweite punktirte
Kurve Rechnung getragen; dann würde die feste Magmaschicht
keine sehr mächtige sein können, die Lage des maximalen
Schmelzpunktes schwankt also zwischen 150 bis 350 km.
45*
Seite
und histologische Notizen über Antocephalus, Amphilina
und Taenia saginata. (Mit 4 Tafeln.) [Preis: 1 K 70 h =
1 Mk. 70 Pfg.] 541
XVTII. Sitzung vom 9. Juli 1903: Übersicht 599
Wolf K.„ Beitrag zur Kenntnis der Gattung Braunina Hei der.
(Mit 1 Doppeltafel und 1 Textfigur.) [Preis: 80 h = 80 Pfg.] 603
Kulczynski Vl.f Arachnoidea in Asia Minore et ad Constantinopolim
a Dre. F. Werner collecta. (Mit 1 Doppeltafel.) [Preis:
1 K30h=l Mk. 30 Pfg.] 627
DoclUr C, Zur Physik des Vulkanismus. (Mit 1 Textfigur.) [Preis :
50 h = 50 Pfg.] 681
Preis des ganzen Heftes: 8 K 40 h = 8 Mk. 40 Pfg.
Die Sitzungsberichte der mathem.-naturw, Klasse.
erscheinen vom Jahre 1888 (Band XCVII) an in folgenden vier
gesonderten Abteilungen, welche auch einzeln bezogen
werden können:
Abteilung L Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der
Mineralogie, Krystallographie, Botanik, Physio-
logie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geo-
logie, Physischen Geographie und Reisen.
Abteilung Ha. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der
Mathematik, Astronomie, Physik, Meteorologie
und Mechanik.
Abteilung II b. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der
Chemie.
Abteilung III. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der
Anatomie und Physiologie des Menschen und der
Tiere, sowie aus jenem der theoretischen Medicia.
Dem Berichte über jede Sitzung geht eine Übersicht aller
in derselben vorgelegten Manuskripte voran.
Von jenen in den Sitzungsberichten enthaltenen Abband*
lungen, zu deren Titel im Inhaltsverzeichnisse ein Preis bei«-
gesetzt ist, kommen Separatabdrücke in den Buchhandel und*
können durch die akademische Buchhandlung Karl Gerold's lt
Sohn (Wien, LT Barbaragasse 2) zu dem angegebenen Preise *£J
bezogen werden.
Die dem Gebiete der Chemie und verwandter Teile anderer
Wissenschaften angehörigen Abhandlungen werden auch in
besonderen Heften unter dem Titel: »Monatshefte für Chemie
und verwandte Teile anderer Wissenschaften« heraus»
erationspreis für einen Jahrgang dieser
Monatshefte betragt 10 K oder 10 Mark.
mrische Anzeiger, welcher nur Original auszügfe...,
sblen, die Titel der vorgelegten Abhandlungen .*
5her, acht Tage nach jeder Sitzung auj^
gegeben. Der Preis des Jahrganges ist 3 K oder 3 Mark.
SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXIL BAND. VIIL BIS X. HEFT.
JAHRGANG 1903. — OKTOBER BIS DEZEMBER.
ABTEILUNG l
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN,
(MIT 11 TAFELN UND 3 TEXTFICUKEN,)
-?S5s5s^
WIEN, 1903,
^USDER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STA ATSDRUCKEHEI.
IN KOMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN,
BUCH HAN PL HR UKR KA I St K LltHES AKALLMlfc DEft W 1SSBHSC KAlTlEN.
1
INHALT
des 8. bis 10. Heftes Okiober bis Dezember 1903 des CXDL Bandes,
Abteilung I de# Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Klasse.
Seite
XIX. Sitzung vom 15. Oktober 1903: Obersicht 709
XX. Sitzung vom 22. Oktober 1903: Übersicht 714
Handlirsch A., Zur Phylogenie der Hexapoden. (Vorläufige Mit-
teüung.) (Mit 1 Tafel.) [Preis: 60 h = 60 Pfg.] 716
Berwerth F., Der meteorische Eukrit von Peramiho. (Mit 2 Tafeln.)
[Preis: 1 K 60 h = 1 Mk. 60 Pfg.] 739
Lampa E.ß Untersuchungen an einigen Lebermosen. IT. (Mit
4 Tafeln.) [Preis: 1 K 10 h = 1 Mk. 10 Pfg.] 779
Schiller J., Untersuchungen über Stipularbildungen. (Mit 3 Tafeln.)
[Preis : 80 h = 80 Pfg.] 793
XXL Sitzung vom 29. Oktober 1903: Übersicht 821
XXII. Sitzung vom 5. November 1903: Übersicht 825
XXIII. Sitzung vom 12. November 1903: Übersicht 828
Mogan L., Untersuchungen über eine fossile Konifere. (Mit 1 Tafel
und 2 Textfiguren.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] g29
XXIV. Sitzung vom 19. November 1903: Übersicht g4i
XXV. Sitzung vom 3. Dezember 1903: Übersicht 345
XXVI. Sitzung vom 10. Dezember 1903: Übersicht 347
XXVII. Sitzung vom 17. Dezember 1903: Übersicht 349
Krasser F., Konstantin von Ettingshausen's Studien über die fossile
Flora von Ourifanga in Brasilien. [Preis: 30 h = 30 Pfg.l . 852
Fritsch A.t Bericht über die mit Unterstützung der kaiserlichen
Akademie unternommene Reise behufs des Studiums fossiler
Arachniden. [Preis: 30 h = 30 Pfg.] 861
Müller J., Über neue Höhlenkäfer aus Dalmatien. Resultate der im
Sommer 1903 unternommenen Forschungen in dalmatini-
schen Höhlen. (Mit 1 Textfigur.) [Preis : 50 h = 50 Pfg.l . 870
Preis des ganzen Heftes: 4 K 50 h = 4 Mk. 50 Pfg.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXIL BAND. VIII. HEFT.
ABTEILUNG I.
ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
46
709
XIX. SITZUNG VOM 15. OKTOBER 1903.
Erschienen: Sitzungsberichte: Bd. 111, Abt. I, Heft X (Dezember 1902); —
Bd. 1 12, Abt II a., Heft I bis III (Jänner bis März 1903); Heft IV bis VI
(April bis Juni 1903); — Abt. II b., Heft I bis IV (Jänner bis April 1903);
Heft V und VI (Mai und Juni 1903). — Monatshefte für Chemie,
Bd. XXIV, Heft V (Mai 1903); Heft VI (Juni 1903); Heft VII (Juli 1903). —
Mitteilungen der Erdbeben-Kommission, Neue Folge, Nr. XVII;
Nr. XVIII; Nr. XIX.
Der Vorsitzende, Prof. E. Sueß, begrüßt die Klasse
bei Wiederaufnahme ihrer Sitzungen nach den akademischen
Ferien.
Der Vorsitzende macht Mitteilung von dem am 17. Juni
1903 erfolgten Hinscheiden des wirklichen Mitgliedes der
philosophisch-historischen Klasse, Prof. Dr. Engelbert Mühl-
bacher, und dem am 13. Juli erfolgten Hinscheiden des Ehren-
mitgliedes der philosophisch-historischen Klasse, k. und k. wirk-
lichen Geheimen Rates und Reichs-Finanzministers Benjamin
Källay de Nagy-Kallö.
Weiters gibt derselbe Nachricht von dem Verluste, welcher
diese Klasse durch das am 1. Oktober erfolgte Ableben ihres
wirklichen Mitgliedes, Hofrates Prof. Dr. Alexander Roliett in
Graz, erlitten hat.
Die anwesenden Mitglieder geben ihrem Beileide durch
Erheben von den Sitzen Ausdruck.
Das Rektorat der k. k. Universität in Graz dankt für
die Teilnahme, welche das Präsidium der kaiserlichen Akademie
aus Anlaß des Ablebens des Prorektors Hofrates Dr. Alexander
Roliett zum Ausdrucke gebracht hat.
4G*
710
Dankschreiben sind eingelangt:
Von Prof. Heinrich Obersteiner in Wien und Prof. Anton
Wassmuth in Graz für ihre Wahl zu korrespondierenden Mit-
gliedern im Inlande; von Prof. J. H. van t'Hoff in Berlin für
seine Wahl zum ausländischen Ehrenmitgliede ; von Prof.
Camillo Golgi in Pavia, Prof. E. J. Marey in Paris, wirklichen
Geheimen Rat G. B. v. Neumayer in Neustadt am Haardt,
von Prof. H. J. Poincare in Paris und von Prof. W. Ramsay
in London für ihre Wahl zu korrespondierenden Mitgliedern im
Auslande.
Das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht über-
mittelt den XIII. Band des Druckwerkes: »Le opere di
Galileo Galilei«, welches von dem Ministerio della Istru-
zione pubblica in Rom der kaiserl. Akademie als Geschenk
übersendet wurde.
Dr. Robert Daublebsky v. Sterneck in Wien dankt für
die ihm bewilligte Subvention zur Herstellung einer die additive
Zusammensetzung der ganzen Zahlen aus den positiven Kuben
betreffenden Tafel.
Das k. M. Hofrat A. Bauer übersendet eine Arbeit aus dem
chemisch-technologischen Laboratorium der k. k. technischen
Hochschule in Brunn von Prof. Eduard Donath und Fr.
Bräunlich mit dem Titel: »Zur chemischen Kenntnis der
fossilen Kohlen.«
K. und k. Hauptmann Friedrich Resek in Herzogenburg
übersendet ein Exemplar der von ihm erfundenen B rücke n-
und Tragfähigkeits-Berechnung st afein.
Herr Serge Socolow in Moskau übersendet eine Mit-
teilung, die Beziehungen zwischen den Massen und den Ent-
fernungen der Planeten betreffend.
Herr Ernst Eicke in Wien übersendet eine vorläufige
Mitteilung über die Zusammensetzung der Elemente
mit Ausnahme des Wasserstoffes aus sieben Ur-
stoffen.
711
Konsul a. D. Dr. Karl Ochsenius in Marburg übersendet
eine Abhandlung mit dem Titel: »Erdöl- und Erzstudien.«
Prof. P. Karl Puschl in Seitenstetten übersendet eine Ab-
handlung mit dem Titel: Ȇber das Gesetz von Dulong
und Petit.«
Prof. Emanuel Czuber in Wien übersendet eine Ab-
handlung mit dem Titel: »Zur Theorie der eingliedrigen
Gruppe in der Ebene und ihrer Beziehungen zu den
gewöhnlichen Differentialgleichungen erster Ord-
nung.«
Der Sekretär, Hofrat V. v. Lang, legt Heft 2—3 von
Band III8 und Heft 3 von Band lVt der von den Akademien der
Wissenschaften zu München und Wien und der Gesellschaft
der Wissenschaften zu Göttingen herausgegebenen »Enzyklo-
pädie der mathematischen Wissenschaften mit Ein-
schluß ihrer Anwendungen« vor.
Prof. P. Franz Schwab übersendet eine Arbeit mit dem
Titel: »Bericht über die Erdbebenbeobachtungen in
Kremsmünster im Jahre 1902.«
Prof. Dr. W. Laska übersendet eine Arbeit mit dem Titel:
»Bericht über die seismologischen Aufzeichnungen
des Jahres 1902 in Lemberg.«
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht zwei in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeiten, die sich beide auf den-
selben Gegenstand, nämlich »Einwirkung von Schwefel-
säure auf das Butan-l,3-diol« beziehen.
Das w. M. Hofrat Siegm. Exner legt eine Abhandlung
von Dr. J. Hofbauer vor, welche den Titel führt: »Die
Fettresorption der Chorionzotte, ein Beitrag zur
normalen Anatomie und Physiologie der mensch-
lichen Placenta.«
Prof. Dr. Gustav Gaertner in Wien überreicht eine vor-
läufige Mitteilung mit dem Titel : »Über eine Methode, den
712
Blutdruck im rechten Vorhof des Menschen zu be-
stimmen.«
Dr. Moritz Probst in Wien legt eine Abhandlung vor,
welche den Titel führt: »Zur Kenntnis der amyotrophi-
schen Lateralsklerose in besonderer Berücksichti-
gung der klinischen und pathologisch-anatomischen
cerebralen Veränderungen sowie Beiträge zur Kennt-
nis der progressiven Paralyse.«
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Agamemnone, G.: Contributo alla storia del magnetismo
terrestre ed alio studio della correlazione fra i terremoti
e le perturbazioni magnetiche. Modena, 1903. 8°.
Alleghäny Observatory: Miscellaneous scientific papers,
Nr. 11 — 14; by F. L. O. Wadsworth. 8°.
Bonomi, Agostino: Quinta contribuzione alla Avifauna Tri-
dentina. Roveredo, 1903. 8°.
Borredon, Giuseppe: La luna e la calamitä del mondo. Neapel,
1903. 8°.
Boulanger, Emile: Germination de Tascospore de la truffe
Paris, 1903. 4°.
Bredikhine, Th.: Etudes sur l'origine des meteores cosmique
et la formation de leurs courants. St. Petersburg, 1903. 4°.
Deutsche akademische Vereinigung zu Buenos Aires:
Veröffentlichungen, I. Band, VII. Heft. Buenos Aires. 8°.
Du t hie, J. F.: Flora of the Upper Gangetic Piain and of the
adjacent Siwalik and Sub-Himalayan Tracts. Vol. I, part I.
Calcutta, 1903. 8°.
Grehant, N.: L'oxyde de carbone (Encyclopedie scientifique
des aide-memoire — Hygiene experimentale). Paris. 8°.
— Les gaz du sang (Encyclopedie scientifique des aide-
memoire). Paris. 8°.
Haardt v. Hartenthurn, Vinzenz: Die Kartographie der
Balkanhalbinsel im XIX. Jahrhunderte. Wien, 1903. 8°.
713
Loewenthal, Eduard: Sechs Thesen zur Neufundamentierung
der Kosmologie, Biologie und Therapie. Berlin -Tegel,
1903. 4°.
Merchich, Matthaeo: De veris geometriae integrae principiis
contra geometras euclideos simul et noneuclideos. Agram,
1903. 8°.
Michigan College of Mines: Year Book, 1902 — 1903.
Houghton, Michigan, 1903. 8°.
Sociedad Espanola de Historia Natural: Memorias,
tomo I, Introducciön y Memoria la. Madrid, 1903, 8°.
Technische Hochschule in Karlsruhe: Der kunst-
geschichtliche Unterricht an den deutschen Hochschulen.
Festrede, gehalten von Dr. Adolf v. Oechelhaeuser.
Karlsruhe, 1902. 4«.
— Verschiedene Inauguraldissertationen zur Erlangung der
Würde eines Doktoringenieurs.
Universität in Aberdeen: Aberdeen University Studies,
Nr. 6; Nr. 7, vol. 1, vol. 2. Aberdeen, 1902. 4°.
Wat^of, Spas: Tremblements de terre en Bulgarie. No. 3:
Liste des tremblements de terre observes pendant Tannee
1902. Sofia, 1903. 8°.
Wiessner, V.: Das Werden der Welt und ihre Zukunft. Wien,
1903. 8°.
Wilson Ornithological Club: The Wilson Bulletin No. 43.
Oberlin, Ohio, 1903. 8Ö.
714
XX. SITZUNG VOM 22. OKTOBER 1903.
Erschienen: Sitzungsberichte, Bd. 112, Abt I, Heft 1 bis III (Jänner bis
März 1903). — Monatshefte für Chemie, Bd. XXIV, Heft VIII (August
1903). — Mitteilungen der Erdbeben-Kommission: Neue Folge,
Nr. XX.
Das w. M. Hofrat Zd. H. Skraup übersendet eine Abhand-
lung des Prof. Dr. F. v. Hemmelmayr, Privatdozent in Graz,
betitelt: »Über die Einwirkung von Salpetersäure auf
ß-Resorcylsäure und einige Derivate der letzteren.«
Hofrat J. M. Eder und E. Valenta in Wien übersenden
eine Abhandlung mit dem Titel: »Unveränderlichkeit der
Wellenlängen im Funken- und Bogenspektrum des
Zinks«.
Dr. David Weiß in Wien übersendet ein versiegeltes
Schreiben zur Wahrung der Priorität mit der Aufschrift:
»Gesetz der Arbeit der Dickdarmmuskulatur.»
Das w. M. Prof. R. v. Wettstein legt zwei Abhand-
lungen vor:
I. »Untersuchungen über Stipularbildungen«, von
Josef Schiller in Wien;
II. »Untersuchungen an einigen Lebermoosen. II«,
von Frau Emma Lampa in Wien.
Das w. M. Hofrat Siegmund Exner legt eine in seinem
Institute ausgeführte Untersuchung über die Innervation
der Gaumendrüsen vom Privatdozenten Dr. L. Rethi vor.
Kustosadjunkt A. Handlirsch in Wien überreicht eine
vorläufige Mitteilung über die Phylogenie der Insekten.
715
Dr. Karl Toldt jun. legt eine Abhandlung vor, betitelt:
»Die Querteilung des Jochbeines und andere Varie-
täten desselben.«
Prof. Friedrich Berwerth überreicht eine Abhandlung,
betitelt: »Der meteorische Eukrit von Peramiho.«
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Fr it sc he, H.: Atlas des Erdmagnetismus für die Epochen 1600,
1700, 1780, 1842 und 1915. Riga, 1903. 4°.
Haeckel, E.: Anthropogenie. Erster Band: Keimesgeschichte
des Menschen; Zweiter Band: Stammesgeschichte des
Menschen. Fünfte Auflage. Leipzig 1903. 8°.
— Kunstformen der Natur. Neunte Lieferung. Leipzig und
Wien. 4°.
Laouchewitch, I.: Solution mathematiquement exacte du
Probleme historique de la division d'un angle pris ä volonte
en un nombre pris ä volonte de parts egales. 8°.
Osservatorio Ximeniano in Florenz: Bolletino sismo-
logico, anno I, fascicoli 1, 2. Siena, 1901, 1902; 8°. Anno
secondo, Florenz, 1903; 8°.
— Registrazione sismografiche, 1901; 1902; Gennaio-Giugno
1903.
716
Zur Phylogenie der Hexapoden
(vorläufige Mitteilung)
von
Anton HandKrscft.
(Mit 1 Tafel.)
(Vorgelegt in der SiUung am 32. Oktober 1908.)
Das Streben nach einem auf phylogenetischer Basis auf-
gebauten, also natürlichen System der Hexapoden hat in den
letzten vier Dezennien eine Fülle mehr oder minder beachtens-
werter Publikationen hervorgebracht, die sich gegenseitig in so
hohem Grade widersprechen, daß man die diesbezüglichen
Fragen noch keineswegs als gelöst betrachten und bisher weder
von einer allgemein gebräuchlichen Einteilung noch von einem
halbwegs unanfechtbaren Stammbaum sprechen kann.
Warum unter bedeutenden und von den gleichen darwi-
nistischen Grundideen durchdrungenen Fachzoologen noch
immer so tiefgehende Meinungsverschiedenheiten herrschen,
ist unschwer zu erkennen. In erster Linie trägt wohl auch
hier, wie an so vielen Gebrechen der Zoologie und der Natur-
wissenschaften überhaupt, die übergroße Spaltung nach For-
schungsrichtungen und die immer weiter gehende Speziali-
sierung auf systematischem Gebiete bei, denn auf diese Weise
entstanden die einseitigen sogenannten embryologischen, ana-
tomischen, morphologischen oder biologischen Systeme. Viele
Autoren vergaßen eben ganz, daß es für die Feststellung der
Beziehungen, welche zwischen den einzelnen Formengruppen
herrschen, doch nicht genügt, nur die Flügel oder nur die
Ovarien oder nur die embryonalen Vorgänge zu vergleichen,
Phylogenie der Hexapoden. 717
sondern den gesamten fertigen Organismus und dessen voll-
ständige ontogenetische Entwicklung. Auch bemerken wir,
daß viele Forscher gerade diejenige Form, welche ihnen oft
nur ein Zufall zur näheren Untersuchung auslieferte, als die
ursprünglichste betrachteten und es gleich versuchten, von
ihr viele oder gar alle anderen Hexapoden abzuleiten. Eine
zweite Ursache der vielen Irrtümer liegt wohl in der zu geringen
Beachtung der Konvergenzerscheinungen respektive der hetero-
phyietischen Entstehung gewisser Bildungen. Man bemühte
sich im allgemeinen viel zu wenig, den phylogenetischen
Wert der Charaktere abzuschätzen und sich darüber Rechen-
schaft zu geben, welche Merkmale innerhalb einer bestimmten
Formengruppe (z. B. einer Ordnung) als ererbte oder primäre
und welche als erworbene oder sekundäre zu betrachten sind.
Auch wäre zu berücksichtigen, ob ein Merkmal positiv oder
negativ, ferner ob es absolut oder relativ ist. Im allgemeinen
legte man viel zu wenig Wert auf die ganze in einer Ver-
wandtschaftsgruppe herrschende Entwicklungsrichtung.
Schließlich muß auch noch hervorgehoben werden, daß die
fossilen Formen in der höheren Systematik der Hexapoden
bisher fast gar nicht oder in ganz unrichtiger Weise verwendet
wurden, was seine Erklärung in den desolaten Zuständen
findet, welche bisher auf diesem Zweige der Paläontologie
herrschten.
Dank einer Unterstützung von Seite der hohen Akademie
wurde es mir ermöglicht, durch eine gründliche Revision der
paläozoischen und mesozoischen Hexapoden Resultate zu er-
zielen, geeignet, die phylogenetische Forschung wesentlich zu
beeinflussen. Es gelang mir nicht nur, das erste Auftreten der
meisten heute noch bestehenden Gruppen festzustellen, eine
in den devonischen und carbonischen Schichten verbreitete
Gruppe — ' die Paläodictyoptera — schärfer zu präzisieren
und als Ausgangspunkt für alle älteren Ordnungen der ge-
flügelten Hexapoden zu erkennen, sondern auch eine Reihe
von Schalttypen zwischen heute scharf getrennten Formen-
reihen aufzufinden.
Meine diesbezüglichen Arbeiten sind dem Abschlüsse
nahe und werden gemeinsam mit den morphologischen Unter-
718 A. Handlirsch,
suchungen an rezenten Firmen in einer größeren Publikation
niedergelegt werden, welche auch die eingehende Kritik aller
bisher veröffentlichten Systeme und die möglichst genaue
Beschreibung der höheren Gruppen enthalten wird. Als vor-
läufige Mitteilung soll hier nur in Kürze angedeutet werden,
inwiefern meine Arbeit die Annahmen meiner Vorgänger be-
stätigen oder bekämpfen wird.
Bevor ich nun auf die Besprechung der einzelnen systemati-
schen Kategorien eingehe, muß ich mich darüber aussprechen,
wie ich die wichtigsten, bisher als Basis für phylogenetische
Schlußfolgerungen benützten biologischen und morphologi-
schen Charaktere beurteile, welche Zustände ich für ererbte
(primäre) und welche für erworbene (sekundäre) halte.
Des leichteren Verständnisses halber beginne ich mit der
Ontogenie, welche in zwei von den Autoren meist scharf
getrennte Zweige zerfallt, je nachdem, ob sich die betreffenden
Vorgänge im Ei oder erst nach dem Verlassen desselben ab-
spielen. Tatsächlich ist die Grenze aber eine sehr unsichere,
denn es verlassen viele Formen ihre Eier in einem viel primi-
tiveren Zustande als andere oder anders ausgedrückt: es fallt
die Entwicklung gewisser Organe nicht bei allen Hexapoden
in dieselbe Zeit, so daß manche Körperteile (Beine etc.) einmal
schon im Ei, ein andermal erst bei der letzten Häutung der
Larve plötzlich gebildet werden, ja oft infolge der voraus-
eilenden Entwicklung der Sexualorgane gar nicht mehr zur
Ausbildung gelangen. Auch sind hinlänglich Fälle bekannt, in
denen die jungen Tiere nach dem Verlassen des Eies eine
Rückbildung gewisser Organe erfahren, die dann erst in einem
späteren Stadium neuerlich aufgebaut werden. Wir sehen
aus diesen Andeutungen bereits, wie mannigfache' Bilder uns
die gesamte Ontogenie der Insekten bieten kann, denn ebenso
verschieden wie die postembryonale ist auch die embryonale
Entwicklung. Bereits die ersten Phasen der Furchung lassen
zwei Haupttypen unterscheiden: die in eine superfizielle über-
gehende totale und die von Anfang an superfizielle. Die erst-
genannte Type findet sich bei den Collembolen und bei
Phylogenie der Hexapoden. 719
Campodea, während die zweite allen anderen Hexapoden zu-
kommt. Im Zusammenhange damit kommen die bei allen
anderen Formen auftretenden Embryonalhüllen Amnion und
Serosa bei den Collembolen und bei Campodea nicht zur Aus-
bildung. Viele Unterschiede bieten die Anlage des Keimstreifes,
dessen Lage und die Umrollungsvorgänge etc., doch finden
sich zwischen allen bisher aufgestellten Typen Übergänge, so
daß es unmöglich erscheint, nach diesen Merkmalen Grenzen
zwischen systematischen Gruppen zu ziehen. Immerhin kann
man jedoch von ursprünglicheren und höheren Bildungen
sprechen. Nachdem die verschiedenen Typen in zweifellos
monophyletischen Hexapodengruppen vorkommen, handelt es
sich wohl auch hier vielfach um Konvergenzerscheinungen.
Wenden wir uns nun zu den postembryonalen Vorgängen,
welche seit langer Zeit in der Systematik eine große Rolle
spielen und viel Anlaß zu Kontroversen gegeben haben, so
sehen wir auch hier eine Fülle von Abstufungen einerseits
zwischen der ganz allmählichen schrittweisen Fortbildung der
Organe, Ametabolie genannt, und der Holometabolie anderseits,
worunterman jene Fälle zusammenfaßte, bei welchen die Larven
auf einer mehr oder minder unvollkommenen Stufe verharren, um
dann in kurzer Zeit während eines Ruhestadiums, in welchem
sich mehr oder minder ausgedehnte histolytische Vorgänge
beziehungsweise Neubildungen von Organen abspielen, die
definitive Gestalt anzunehmen. Außerdem wurde noch ein
dritter Typus unterschieden und als Hemimetabolie bezeichnet.
Er bezieht sich auf jene Formen der Ametabolen, deren Larven
irgendwelche provisorischen Organe besitzen, ist also ein rein
empirischer Begriff. Daß die Ametabolie, bei welcher zwischen
Imago und Larve der geringste Unterschied ist, den primären
Typus darstellt, wird nicht mehr bezweifelt und es handelt
sich nun in erster Linie darum, wie die Holometabolie abzuleiten
ist: monophyletisch oder heterophyletisch. Wie schon Brauer
in seinen klassischen Arbeiten hervorgehoben hat, können wir
die Ordnungen in der Regel nicht durch die Larvenformen
charakterisieren, sondern nur die Familien, weil sich eben in
vielen Ordnungen ähnliche Larventypen wiederholen, z. B. die
sechsbeinigen Campodeoiden, vielbeinigen Raupen und fußlosen
720 A. Handlirseh,
Maden u. s. w. Von Brauer und nach ihm von den meisten
Autoren wurde der campodeoide Typus als der primäre be-
trachtet und erst in neuester Zeit versuchte Lame er e durch
Aufstellung einer eigentümlichen Theorie über die Entstehung
der Metamorphosen eine andere Ansicht zu verbreiten. Nach
dieser Theorie wären die Holometabolen monophyletisch auf
dem Wege entstanden, daß eine hoizbohrende Corrodentien-
form die Entwicklung der Flügelscheiden, welche bei einer
derartigen Lebensweise hinderlich waren, auf ein späteres
Stadium verlegte. Auf diese Weise soll nun das erste Neuro-
pteron entstanden sein, dessen Larve im Holze lebte und von
diesem Neuropteron seien dann alle Holometabolen abzuleiten;
die primäre Metaboienlarve sei daher die »eruciforme«. Wie
hinfällig diese ganze Theorie ist, ergibt sich schon aus dem
Umstände, daß die holzbewohnenden »Corrodentien«, die Ter-
miten, ihre Flügelscheiden noch bis heute behalten haben, daß
es ferner gerade unter den Neuropteren keine Holzbohrer gibt
und daß die Holzbohrer unter den Coleopteren, Dipteren und
Lepidopteren keineswegs zu den tiefststehenden Formen dieser
Gruppen gehören.
Als primäre Larven müssen wir jedenfalls diejenigen auf-
fassen, welche einen gesonderten Kopf und Thorax, Augen,
freie, zum Kauen geeignete Kiefer mit Tastern, Fühler, sechs
thorakale gegliederte Beine und als Tracheenkiemen oder
Beine dienende modifizierte Extremitäten des Hinterleibes und
Cerci besitzen. Solche Larven, die man thysanuroide nennen
könnte, finden sich in verschiedener Modifikation tatsächlich
in fast allen Hauptgruppen der Hexapoden, gleichviel ob sie zu
den Ametabolen oder Holometabolen gehören, z. B. bei Epheme-
nden, Sialoiden, Coleopteren, Hymenopteren, Panorpaten.
Nachdem wir aber diese letzteren Ordnungen aus später zu er-
örternden Gründen nicht voneinander und auch nicht gemeinsam
von einer Ametabolenform ableiten können, bleibt uns kein anderer
Weg, als die Annahme einer heterophyletischen Entwicklung der
Holometabolie, welche Ansicht ja auch schon von Brauer aus-
gesprochen wurde. Für unsere Auffassung spricht auch das
Ergebnis der Paläontologie: In der paläozoischen Zeit finden
sich nur Formen, die wir zu den Ametabolen rechnen müssen,
Phylogtnie der Hezapoden. 721
in der mesozoischen dagegen tauchen dann gleichzeitig ver-
schiedene Metaboientypen auf und es ist auffallend, daß dieses
Ereignis gerade mit gewaltigen klimatischen Änderungen zu-
sammenfällt, nämlich mit der von vielen Geologen angenommenen
permischen Eiszeit der südlichenHemisphäre und der Ablösung
des gleichmäßig warmen und feuchten Carbonklimas durch
Wüstenklima und Kälte.
Die von der primären thysanuroiden Larvenform abzu-
leitenden anderen oder sekundären Larvenformen verdanken
ihre Gestalt fast ausnahmslos einer mehr oder weniger weit-
gehenden Reduktion verschiedener Organe; sie sind hetero-
phyletisch entstanden, also als Konvergenzerscheinungen zu
deuten und haben für die Phylogenie keine hohe Bedeutung.
Wir werden auch später sehen, daß die sogenannte »höhere«
Entwicklung bei den Hexapoden fast immer nur auf Modi-
fikationen vorhandener Organe oder auf dem Verlust derselben
beruht und nur selten auf Neuerwerbungen.
Wie die neuesten Untersuchungen übereinstimmend fest-
gestellt haben, werden im Embryo 5 Kopfsegmente, 8 thofakaie
und, abgesehen von den Collembolen, fast immer 1 1 abdominale
Segmente nebst einem Telson angelegt und wir müssen daher
diese Zahl als die primäre annehmen; ebenso primär ist die
Sonderung der drei Regionen des Körpers. Bei Collembolen
werden (nach Uzel) außer dem Telson nur 6 Abdominal-
segmente angelegt, bei Machilis und Lepisma dagegen die
normale Zahl. Später erfolgen dann Reduktionen durch Atrophie
oder durch Verschmelzung.
Bei allen untersuchten Formen werden, abgesehen von
den Fühlern, nur an drei Kopfsegmenten den Beinen gleich-
wertige Extremitäten angelegt, aus denen die Mundteile hervor-
gehen, bei Campodea und bei den Collembolen dagegen (nach
Uzel) an vier Segmenten. Abdominale Extremitäten werden
bei den Collembolen nur auf dem 1., 3. und 4. (oder 5.?) Seg-
mente, bei den anderen Insekten auch auf den meisten anderen
Ringen angelegt. Bei den Thysanuren und vielen Larvenformen
gehen dann aus diesen Extremitäten teils lokomotorische, teils
respiratorische Organe hervor, in den meisten Fällen werden sie
jedoch rückgebildet. Das 11. Segment dagegen trägt den
722 A. Handlirsch,
Fühlern analoge Anhänge, die Cerci, welche bei fast allen
tieferstehenden Insektengruppen persistent sind. Sehr häufig
sind auch noch die Cerci erhalten, wenn das entsprechende
Segment und selbst wenn das vorhergehende bereits eine weit-
gehende Rückbildung erfahren hat.
In neuester Zeit hat Verhoeff wieder den Versuch ge-
macht, diese durch mühevolle Arbeiten von Heymons und
anderen festgestellten Tatsachen zu widerlegen, indem er bei
Forficuliden die Existenz von 13 Segmenten behauptet. Wie
ich mich aber durch sorgfältige Nachprüfung überzeugt habe,
beruht Verhoeff s Annahme jedoch auf einer Täuschung,
denn jene Platten, welche er als Tergit 11 und 12 bezeichnet,
sind nicht getrennt und bilden nur eine einzige nach unten
umgeschlagene, an der Beugungsstelle kantenartig verdickte
Platte. Was Verhoeff als Segment 13 bezeichnet, ist demnach
doch nur das Segment 12. Für ebenso mißglückt halte ich die
in derselben Publikation neuerdings versuchte Deutung der
Cerci als Anhänge des 10. Segmentes. Verhoeff selbst erklärt,
daß die Brückenmuskeln von einem Segmente zum anderen
ziehen und schließt trotzdem aus dem Umstände, daß jene des
10. Segmentes in die Cerci gehen, auf eine Zugehörigkeit
dieser Anhänge zum 10. Ringe. Forficuliden sind übrigens
hochspezialisierte Formen und eignen sich daher nur schlecht
für solche Untersuchungen; hätte Verhoeff die Verhältnisse
bei den Ephemeriden untersucht, so zweifle ich nicht, daß auch
er die Cerci dem 11. Segmente zugezählt hätte, denn hier
finden wir noch gut erhaltene Teile dieses Segmentes.
Aus dem Gesagten ergibt sich also wieder, daß die höhere
Entwicklung mit Rückbildungen und Verlusten von Segmenten
und Extremitäten verbunden ist. Solche Verluste wiederholen
sich in allen Verwandtschaftsreihen und sind demnach Kon-
vergenzerscheinungen.
Es wird heute wohl nicht mehr an der zuerst von Brauer
und dann von vielen jüngeren Forschern festgestellten Tat-
sache gezweifelt, daß die Hexapoden in zwei Hauptgruppen
zerfallen, von denen die eine als primär ungeflügelt, die andere
als geflügelt oder sekundär ungeflügelt zu betrachten ist Die
neueren Forschungen von Adolph, Redtenbacher, besonders
Phylogenie der Hexapoden. 723
aber von Comstock und Needham haben wohl in
unwiderleglich klarer Weise gezeigt, daß die Flügel aller
Insekten homolog sind, daß sie aus Imaginalscheiben ent-
stehen, welche sich früher oder später sackartig ausstülpen.
In diese Säcke wachsen dann zwei starke, an getrennten
Steilen des Tracheensystems entspringende Tracheenäste
hinein, deren Verzweigungen von den genannten Autoren auf
ein allen Ordnungen gemeinsames Grundschema zurückgeführt
werden. Längs dieser Tracheen erfolgt dann bekanntlich eine
stärkere Chitinausscheidung, wodurch die Entstehung der so-
genannten Flügeladern oder Rippen gegeben ist. Als ursprüng-
lich ist das Vorhandensein von vier gleichen häutigen Flügeln
zu betrachten, welche sich unabhängig voneinander böwegten,
deren Hauptadern sich etwa nach dem oben genannten Schema
verzweigten, während die Zwischenräume durch ein ziemlich
unregelmäßiges Netzwerk feinerer, sogenannter Queradern, aus-
gefüllt waren. Alle anderen an den Flügeln auftretenden Charak-
tere, wie die regelmäßige Anordnung gewisser Queradern, die
Vergrößerung der Hinterflügel zu einem sogenannten Fächer,
die Umwandlung der Vorderflügel zu sogenannten Flügel-
decken, das Auftreten von Gelenkfalten und Haftapparaten
sowie die Spezialisierung des Geäders durch Ausfall der Quer-
adern und Rückbildung oder Verschmelzung von Längsadern
ganz so wie die Rückbildung eines oder beider Flügelpaare
wiederholen sich in den verschiedensten Verwandtschaftsreihen,
sind also auch Konvergenzerscheinungen.
Sehr auffallend tritt auch bei den Flugorganen die Tat-
sache hervor, daß die höhere Entwicklung vorwiegend mit
Reduktionen verbunden ist; zweiflügelige oder sekundär un-
geflügelte Formen sind Endglieder und können nicht als Aus-
gangspunkt für normalflügelige angesehen werden.
Die hier angedeuteten Tatsachen scheinen mir geeignet,
eine Theorie hinfällig zu machen, welche D. Sharp auf-
gestellt hat und wonach die Insekten in Exopterygoten und
Endopterygoten zu trennen wären, je nachdem sich die Flügel
gleich äußerlich oder zuerst im Innern des Körpers anlegen^
um sich erst bei der letzten Häutung auszustülpen. Die Endo-
pterygoten seien nicht direkt von Exopterygoten abzuleiten,
Sitzb. d. roathem.-naturw. Kl./ CX11. Bd., Abt. I. 47
724 A. Handlirsch,
sondern nur durch Vermittlung sekundär ungeflügelter Formen,
der »Anapterygoten«, zu welchen die Mellophagen, Anopluren
und Siphonapteren gehören. Es werden also hier durch para-
sitische Lebensweise hochspezialisierte Typen zum Ausgangs-
punkte für alle Holometabolen gemacht, ganz ohne Rücksicht
auf alle Ergebnisse der morphologischen, biologischen und
namentlich auch der paläontologischen Forschung; es werden
die Parasiten der Warmblüter als Vorfahren von Formen erklärt,
die schon existierten, als es noch gar keine Warmblüter gab!
Die Paläontologie ist es auch, welche meine Ansichten
über die Flügel und deren Geäder in glänzender Weise be-
stätigt, denn die ältesten fossilen Pterygogenen stimmen ganz
auffallend mit dem oben skizzierten Grundtypus der Flügel
überein und alle hochspezialisierten Typen treten erst in ver-
hältnismäßig später Zeit auf.
Wenden wir uns nun den inneren Organen zu, so sind es
in erster Linie die Malpighischen Gefäße, welche eine Be-
sprechung erfordern. Paul Mayer und mit ihm die meisten
neueren Autoren betrachten die Vier- beziehungsweise Sechs-
zahl für den primären Zustand. Diese Annahme entstand
durch die seither bereits als irrig erkannte Homologisierung
der Harngefäße, Stigmen und Speicheldrüsen mit Segmental-
organen (Nephridien) und wurde durch die Tatsache bestätigt,
daß bei Thysanuren nur eine geringe Zahl vorhanden ist, daß
ferner die Harngefäße nicht gleichzeitig entstehen, sondern
erst während der ontogenischen Entwicklung an Zahl zu-
nehmen, so daß z. B. die jungen Blattiden weniger haben als
die erwachsenen Tiere. Für die Thysanuren und für die
Insektenlarven mag denn auch die Oligonephrie der primäre
Zustand sein, für die Imagines der Pterygogenea dagegen müssen
wir aus folgenden Gründen die Polynephrie als den primären
Zustand annehmen:
1. Sind alle im übrigen auf primitiver Organisationsstufe
stehenden Pterygogenen (Ephemeren, Odonaten, Perliden, Ortho-
pteren etc.) Polynephria, dagegen alle hochspezialisierten Formen
wie Dipteren, Lepidopteren, Coleopteren etc. Oligonephria.
2. Wenn innerhalb einer Gruppe beide Typen auftreten,
so sind die tieferstehenden Formen Polynephria, die höheren
Phylogenie der Hexapoden. 725
Oligonephria, wie es bei den Hymenopteren der Fall ist, wo
sich gerade parasitische kleine Ichneumoniden und die hoch-
spezialisierten Myrmiciden durch wenig Harngefäße aus-
zeichnen, während die Tenthrediniden typische Polynephria
sind.
3. Finden wir in der paläozoischen Zeit zuerst nur Formen,
welche mit den heute lebenden Polynephrien nahe verwandt
sind, während oligonephre Formen erst im Perm und in der
mesozoischen Periode auftreten.
Die Annahme der Oligonephrie als primären Zustand bei
den Pterygogenen ist es, welche Paul Mayer zur Aufstellung
eines ganz verfehlten Stammbaumes verleitete und deshalb
mußte die Sache hier näher erörtert werden. Selbstverständlich
muß man auch die Reduktion der Harngefäße in den ver-
schiedenen Verwandtschaftsreihen als Konvergenzerscheinung
betrachten. Als Konvergenz ist ferner auch die Konzentration
des Nervensystems in den verschiedenen Gruppen zu be-
trachten, ebenso die höhere Spezialisierung der Ovarien. Zu
diesem letzten Punkte möchte ich nur bemerken, daß als
primärer Typus jedenfalls der panoistische (holoistische) zu
deuten ist, von welchem beide Haupttypen des meroistischen,
der telotrophe und der polytrophe getrennt abzuleiten sind.
Sowohl der telotrophe als der polytrophe Typus zeigt mannig-
fache Grade der Ausbildung und ist durch Übergangsformen
mit dem Urtypus verbunden. Als ursprünglich sind die paarigen,
mit einer mäßig großen Zahl unilateral angeordneter Eiröhren
versehenen Ovarien anzusehen, mit einem einheitlichen, un-
paaren, ectodermalen Ausführungsgang und als Konvergenz
das Auftreten der anderen Typen in den verschiedensten
Gruppen. Paarige Ausführungsgänge der Genitalien sind auf
eine Rückbildung der ectodermalen Einstülpung zurückzu-
führen.
Von den hier erörterten Grundsätzen ausgehend, komme
ich nun zu folgender Einteilung der Insekten.
47*
'26 A. Handlirsch,
I. Klasse. Collembola (Lubbock) m.
1. Ordnung. Arthropleona (Börner) m.
(Aphoruridae, Achorutidae, Entomobryidae).
2. Ordnung. Symphypleona (Börner) m.
(Smynthuridae, MegalothoracidaeJ m.
Die allgemein verbreitete Annahme, wonach die Collem-
bolen durch Vermittlung von Campodea von den Thysanuren
abzuleiten wären, scheint mir nicht zutreffend, weil manche
Charaktere der Collembolen auf einer viel tieferen Stufe stehen,
während andere Momente allerdings auf eine weit höhere
Spezialisierung hindeuten. Zu ersteren gehört z. B. das gar
nicht oder in ganz anderer Weise entwickelte Tracheensystem,
zu letzteren die starke Differenzierung der Körpersegmente.
Die Unterschiede zwischen den Collembolen und den übrigen
Hexapoden erscheinen mir mindestens ebenso bedeutend wie
jene zwischen Myriopoden und Thysanuren, so daß ich die Auf-
stellung einer eigenen Klasse für vollkommen begründet halte.
Vermutlich haben die Collembollen und Campodeoiden gemein-
same Vorfahren.
II. Klasse. Campodeoidea m.
1. Ordnung. Dicellura (Haliday) m. (Japygidae).
2. Ordnung. Rhabdura (Silvestri) m. (Campodeidae).
Wie oben erwähnt, dürfte es kaum möglich sein, die
Campodeoiden von Collembolen abzuleiten. Ebenso unannehm-
bar scheint mir aber auch eine Ableitung von Thysanuren,
welche in vieler Beziehung höher organisiert sind. Dieser Um-
stand zeigt sich sowohl in der Bildung der Mundteile als
auch in der Eientwicklung.
Phylogenie der Hexapoden. 727
III. Klasse. Thysanura (Latr.) m.
1. Ordnung. Macttfloidea m.
2. Ordnung. Lepismoidea m.
Ich glaube nicht, daß diese Klasse von der vorher-
gehenden abgeleitet werden kann. Ob sie den Ausgangspunkt
für die Pterypogenea bildet oder nur eine von ähnlichen Vor-
fahren abstammende parallele Reihe, vermag ich nicht zu
entscheiden. Die. Palaeontologie bietet vorläufig keinen
Anhaltspunkt.
IY. Klasse. Pterygagenea Brauer.
I. Unterklasse. Orthopteroidea m.
1 Ordnung. Orthoptera (Ol i vi er) m.
1. Unterordnung. Locustoidea m.
(Locustidae, Gtyllidae, Gryttotalpidae).
2. Unterordnung. Acridioidea m.
(Acridiidae s. 1.)
Die Locustoidea reichen bis in die Carbonzeit zurück und
sind durch Zwischenglieder mit Palaeodictyopteren verbunden;
sie bilden den Ausgangspunkt für eine Reihe jüngerer Gruppen,
von denen sich die vermutlich erst in der Kreidezeit (mit der
Entstehung der Angiospermen zugleich) entstandenen Acri-
dioiden am wenigsten von den Stammeltern entfernt haben.
2. Ordnung. Phasmoidea m.
Im oberen Jura findet sich eine jedenfalls wasserbewohnende
Orthopteroidenform (Chresmoda), welche ich als Zwischenglied
zwischen Locustoiden und den Phasmoiden betrachten muß.
Die Sprungbeine der Locustiden scheinen durch die veränderte
Lebensweise rückgebildet worden zu sein. Interessant ist die
Tatsache, daß es heute noch wasserbewohnende Phasmiden
gibt, welche nicht jenes aberrante Aussehen haben, wie die
meisten durch Anpassung an Zweige und Blätter (jedenfalls
erst in der Tertiärzeit) so hoch spezialisierten Phasmiden.
3. Ordnung. Dermaptera (Degeer) Kirby.
Die Dermapteren werden von mehreren Autoren mit Un-
recht als sehr ursprüngliche Formen betrachtet, ja von manchen
728 A. Handlirsch,
geradezu als Ausgangspunkt für alle anderen Pterygogenen.
Die außerordentlich hohe Spezialisierung der Flügel, der Cerci,
des ganzen Hinterleibes und der Geschlechtsorgane in Ober-
einstimmung mit der Embryonalentwicklung lassen jedoch auf
eine verhältnismäßig späte Entstehung der Gruppe schließen.
Diese Ansicht wird nun auch durch die Paläontologie bestätigt,
weil sich Dermapteren erst in tertiären Schichten finden. Es
wird demnach kaum gelingen, die Dermapteren direkt von
Paläodictyopteren abzuleiten und wir müssen daher unter den
bereits in der mesozoischen Periode vorhandenen Gruppen
Umschau halten, von denen wohl nur die Blattoidea, Ortho-
ptera und Phasmoidea in Betracht kommen. Erstere scheinen
mir wegen des verschiedenen Thoraxbaues und der damit ver-
bundenen Stellung der Beine ausgeschlossen, so daß wir nur
auf die Orthoptera s. str. und Phasmoidea angewisen sind, bei
denen sich auch bereits ganz ähnliche Flügelbildungen finden.
Daß die Sprungbeine der Rückbildung unterliegen, sehen wir
ja bereits bei Grylliden, Gryllotalpiden und bei Chresmoda. Ob
man nun die Forficuliden von tiefstehenden Phasmoiden oder
von dem Stamme der Locustoidea parallel mit den Phasmoiden
ableiten soll, muß erst entschieden werden.
4. Ordnung. Diploglossata Saussure.
Die einzige bisher bekannte Form dieser Gruppe ist in
vielen Beziehungen, namentlich anatomisch, noch viel zu wenig
untersucht und kann daher noch nicht mit den Dermapteren
vereinigt werden, wie es Verhoeff vorschlägt. Sie kann sich
ebensogut aus gryllidenähnlichen Formen entwickelt haben
wie aus Dermapteren (Hermimerus).
5. Ordnung. Thysanoptera Haliday.
1. Unterordnung. Terebrantia.
2. Unterordnung. Tubulifera.
Es wurde wiederholt der Versuch gemacht, die Thysano-
pteren wegen ihrer zum Saugen von Pflanzensäften eingerich-
teten Mundteile in Beziehung zu den Hemipteren zu bringen.
Nun sind aber die Mundwerkzeuge nach einem ganz anderen
Phylogenie der Hexapoden. 729
Typus gebaut, der sich, ebensowenig von jenem der Hemi-
pteren ableiten läßt als umgekehrt. Ihrer ganzen Organisation
nach sind die Thysanopteren hochspezialisierte Formen und
jedenfalls erst in später Zeit, als schon Angiospermen vorhanden
waren, entstanden. Ihre Wurzel ist wie jene der Phasmoiden
und Dermapteren bei den Orthopteren zu suchen und höchst-
wahrscheinlich direkt bei Locustoiden. Fossile Thysanopteren
finden sich erst in der Tertiärzeit.
II. Unterklasse., Blattaeformia m.
1 . Ordnung. Mantoidea m.
2. Ordnung. Blattoidea m.
Mantoiden und Blattoiden sind durch eine Reihe paläo-
zoischer Formen miteinander und mit den Paläodictyopteren
verbunden. Die erstgenannte Ordnung ist aus einer Formen-
reihe abzuleiten, welche sich weniger rasch von dem Paläo-
dictyopterentypus entfernt hat und noch in der Permzeit ver-
treten war. Später erst entwickelten sich die Raubbeine. Die
in vieler Beziehung stärker spezialisierten Blattoiden hatten
sich bereits in typischer Ausbildung und großer Formenzahl
in der Carbonzeit abgetrennt. Sie nehmen nach der Permzeit
rapid an Zahl ab.
3. Ordnung. Isoptera Com stock.
Die Isopteren oder Termiten sind nach ihrer ganzen
Organisation und auch als staatenbildende polymorphe Formen
keineswegs geeignet, als Ausgangspunkt für andere Ordnungen
angenommen zu werden und es beruhen alle diesbezüglich in
neuerer Zeit gemachten Versuche auf groben Irrtümern. Die
scheinbare Homonomie der Flügel ist wohl durch eine Rück-
bildung des Analfeldes entstanden und hat mit der echten
Homonomie der Paläodictyopterenflügel nichts zu tun. Viele
Paläodictyopteren wurden ursprünglich für Termiten gehalten,
ebenso mehrere Locustiden und Neuropteren aus dem Jura,
doch kommen echte Termiten erst im Bernstein vor. Nach
meiner Ansicht sind die Termiten nichts als ein hoch speziali-
sierter junger Seitenzweig der Blattoiden, mit denen sie morpho-
730 A. Handlirsch,
logisch in allen wesentlichen Punkten übereinstimmen. Inter-
essant ist, daß bei jungen Termiten ähnliche Erweiterungen
des Prothorax vorkommen wie bei Blattiden, daß diese Gebilde
aber später rückgebildet werden.
4. Ordnung. Coirodentia (Burmeister) m.
Gleich den Termiten sind auch die Proeiden oder Corro-
dentien keine alte Gruppe, sondern jedenfalls ein durch An-
passung an ganz spezielle Lebensbedingungen (Flechtenfresser!)
spät abgegliederter Zweig. Jedenfalls kann man weder die
Termiten als Vorfahren der Proeiden, noch diese als Vorfahren
jener annehmen. WahrscheinHch haben sie sich beide parallel
und nahezu gleichzeitig aus verschiedenen Blattoidenformen
entwickelt.
5. Ordnung. Mallophaga (Nitsch) m.
1. Unterordnung. Amblycera.
2. Unterordnung. Ischnocera.
Es unterliegt wohl kaum mehr einem Zweifel, daß die
Mallophagen aus Psociden hervorgegangen sind, und zwar
jedenfalls zu einer Zeit, als jene noch nicht einen so hohen
Grad der Spezialisierung erreicht hatten. Ihre Entwicklung
fällt jedenfalls mit jener der Vögel zusammen.
6. Ordnung. Siphunculata Meinert.
Die Pediculiden oder Siphunculaten unterscheiden sich
von den Mallophagen eigentlich nur durch die stärkere Re-
duktion der drei Kieferpaare und das damit zusammenfallende
Überwiegen von Hypopharynx und Epipharynx. Anatomie und
Entwicklung bieten kaum Anhaltspunkte zu einer Trennung
in höhere Gruppen, dafür aber eine Reihe von Beweisen für
nahe Beziehungen, so daß ich die Pediculiden für Mallophagen
halte, welche sich das Blutsaugen angewöhnt haben. Daß die
Pediculiden nicht zu den Hemipteren gehören können, wo man
sie allgemein unterbrachte, hat schon Meinert nachgewiesen.
Phylogenie der Hexapoden. 731
HI. Unterklasse. Hymenopteroidefc m.
1. Ordnung. Hymenoptera L.
1. Unterordnung. Symphyta (Gerst.) m.
2. Unterordnung. Apocrita (Gerst.) m.
Die ersten fossilen Hymenopteren sind äirexähnliche Tiere
und finden sich im oberen Jura. Ihre Flügel zeigen noch
nicht jene vollkommene Entwicklung wie die unserer rezenten
Formen, sie scheinen auch noch derber gewesen zu sein und
man sieht außer den dicken Adern des Hymenopterenflügels
auch noch eine Menge aderartiger Streifen, welche den höher
entwickelten Hymenopteren verloren gegangen sind und welche
ich daher als Rudimente eines früheren Geäders deuten möchte.
Weder im Lias, noch in den tieferen Schichten wurden
bisher irgendwelche Formen gefunden, welche einen Übergang
zu den Paläodictyopteren andeuten würden und es bleibt uns
dahernichts übrig, als entweder solche hypothetische Formen zu
konstruieren oder einen Anschluß an andere Ordnungen zu ver-
suchen, welche schon in den obengenannten älteren Perioden
existierten. Man hat auch bereits Versuche in der letzteren
Richtung gemacht und dabei von Panorpaten, Neuropteren
oder Corroderrtien etc. gesprochen, Formen, welche teils in
vieler Beziehung bereits damals höher spezialisiert waren als
die Hymenopteren, teils aber damals noch nicht existierten.
Wenn überhaupt ein Anschluß an eine der heute noch exi-
stierenden Gruppen möglich ist, so sind dies nach meiner
Ansicht nur die Blattoiden oder die Orthopteren, doch spricht
die größere Wahrscheinlichkeit für erstere Ordnung, unter
welcher sich auch rezente Formen finden, welche uns beweisen,
daß aus einem Blattrdengeäder ähnliche Bildungen hervor-
gehen können, wie wir sie bei den ersten Hymenopteren
finden. Versuchen wir nun anderseits ein »Protohymdndpteromc
zu konstruieren, so dürfte sich immerhin auch eine Form
ergeben, welche nicht wesentlich von Blattoiden abweicht.
Die Erwerbung einer vollkommenen Metamorphose macht uns
übrigens so manche scheinbar große Differenz zwischen
732 A. Handlirsch.
Hymenopteren und Blattenden leichter verständlich, weil ja
während der Puppenruhe der größte Teil des Individuums
ganz neu aufgebaut wird. Die Larven der tiefstehenden Hymeno-
pteren lassen sich leicht auf den primären Larventypus zurück-
führen. Jedenfalls hat sich die Kluft, welche durch divergente
Entwicklung zwischen Hymenopteren und den anderen Gruppen
entstand, so gewaltig ausgebildet, daß wir hier berechtigt sind,
eine eigene Unterklasse anzunehmen.
IV. Unterklasse. Coleopteroidea m.
1. Ordnung. Coleoptera (L.) Degeer.
1. Unterordnung. Adephaga.
2. Unterordnung. Polyphaga.
Die ältesten bisher aufgefundenen Coleopteren gehören
der unteren Trias an ; von da an nehmen sie ebenso rapid an
Formenzahl zu, wie die Blattoiden abnehmen. Obergänge
zwischen Paläodictyopteren und Coleopteren sind nicht be-
kannt. Bei der Ableitung der Coleopteren bleibt uns infolge
ihres frühen Auftretens nur die Wahl zwischen Paläodictyo-
pteren, Orthopteren und Blattiden, weil alle anderen alten
Gruppen aus morphologischen Gründen ausgeschlossen sind.
Zu einer direkten Ableitung von Paläodictyopteren erscheinen
mir die Coleopteren viel zu hoch spezialisiert und man müßte
hier wieder eine Zwischenform voraussetzen, die jedenfalls
wie bei den Hymenopteren, sehr »blattoid« ausfallen würde.
Tatsache ist, daß in keiner anderen Insektenordnung (ab-
gesehen von Hemipteren) die Tendenz zur Bildung von Flügel-
decken so stark entwickelt ist, wie bei Blattoiden (cf. Euthyr-
rhapha etc.), so daß man einen Unterschied hier kaum mehr
konstatieren kann. Auffallend ist ferner die bei Käfern und
namentlich bei älteren Formen sowie bei Larven stark hervor-
tretende Neigung zu einer Vergrößerung und flachen Aus-
breitung des Prothorax. Ich brauche hier nur an viele Cara-
biden, Silphiden, an Lampyris u. s. w. zu erinnern. Auffallend
ist endlich auch die Übereinstimmung im Bau des Thorax und
Phylogenie der Hexapoden. 733
in der Stellung der Hüften. Nachdem sich alle morphologischen
und anatomischen Charaktere der Coieopteren ohne Zwang
von solchen der Blattoiden ableiten lassen, glaube ich nicht
fehlzugehen, wenn ich annehme, daß auch die Coieopteren
als stark divergierender Seitenzweig der Blattoiden zu be-
trachten sind, dem man aber, so wie den Hymenopteren, wohl
den Rang einer Unterklasse einräumen kann.
2. Ordnung. Strepsiptera Kirby.
Obwohl diese durch parasitische Lebensweise in hohem
Grade spezialisierte Gruppe noch keineswegs genügend unter-
sucht ist, glaube ich doch annehmen zu können, daß die von
den meisten Autoren angenommene Abstammung von Coieo-
pteren den Tatsachen entspricht. Die Strepsipteren leben durch-
wegs parasitisch in hochentwickelten Hymenopterenformen,
welche vor der Tertiärzeit noch nicht existierten; sie müssen
also als ganz junge Gruppe betrachtet werden und können
unmöglich als die Vorläufer der Coieopteren hingestellt werden,
wie dies in neuester Zeit (von A. Porta) geschah.
V. Unterklasse. Embioidea m.
1. Ordnung. Embiaria m.
Die Embiden müssen wohl als eine im Aussterben be-
griffene Gruppe betrachtet werden, die ihrer durchaus ursprüng-
lichen Organisation wegen von keiner anderen Ordnung als
von Paläodictyopteren abgeleitet werden kann. Mit Corro-
dentien und Isopteren haben sie nach meiner Ansicht nichts
gemein.
VI. Unterklasse. Perloidea m.
1. Ordnung. Perlaria m.
Gleich den Embiden muß ich auch die Perliden direkt
von Paläodictyopteren ableiten. Der in letzter Zeit für diese
Gruppe gebrauchte Name Plecoptera ist präokkupiert.
734 A. Handlirsch,
VII. Unterklasse. Libelluloidea m.
1. Ordnung. Odonata Fabr.
Die Odonaten sind in ihrer heutigen Form bis zum Lias
zu verfolgen und sind direkt aus den von Paläodictiopteren
herzuleitenden Protodonaten der Carbon- und Permzeit hervor-
gegangen.
VIII. Unterklasse. Ephemeroidea m.
1. Ordnung. Plectoptera Pack.
Diese Gruppe findet sich schon im Jura durch Formen
vertreten, welche einen Übergang zu den paläozoischen Prot-
ephemeriden darstellen; diese sind von den Paläodictyopteren
nicht scharf zu trennen.
IX. Unterklasse. Neuropteroidea m.
1. Ordnung. Megaloptera (Latr.) m.
Die Megalopteren oder Sialiden können infolge der noch
vorhandenen Cerci und der ursprünglicheren polypoden Larve
mit ihren einfachen beißenden Mundteilen nicht von einer der
zwei folgenden Ordnungen abgeleitet werden. Die ältesten
Sialiden wurden in der Trias gefunden und sie schließen sich
dem Geäder nach so eng an gewisse Formen der Paläodictyo-
pteren, daß man an einer direkten Abstammung kaum
zweifeln kann.
2. Ordnung. Raphidioidea m.
Durch den Mangel der Cerci und die Flügelbildung schließt
sich diese Gruppe eng die folgende an, während sie wieder
durch die einfachen beißenden Mundteile der Larve davon ab-
weicht. Jedenfalls kann man die Raphidien nicht von Neuro-
pteren (im engeren Sinne) ableiten, sondern vermutlich von
eigenen Paläodictyopterenformen, welche mit denen der Sia-
loiden sehr nahe verwandt waren.
Phylogcnie der Hexapoden. 735
3. Ordnung. Neuroptera (L.) m.
Dem Flügelgeäder nach ließen sich die Formen dieser
Gruppe direkt von Paläodictyopteren ableiten, welche jedoch
durch ihren Körperbau noch wesentlich tiefer standen, so daß
es mir nötig erscheint, Zwischenformen anzunehmen, die sich
in der Perm- und Triasformation finden müßten. Die Neuro-
pteren selbst waren in der ganzen Juraperiode sehr reich ent-
wickelt und durch riesige Formen vertreten. Jedenfalls dürften
ihre Vorfahren mit jenen der Sialiden nahe verwandt gewesen
sein.
X. Unterklasse. Panorpoidea m.
1. Ordnung. Panorpata Brauer.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die Panorpaten
nicht von der Neuropteroidenreihe abzuleiten sind, weil sie in
vieler Beziehung ursprünglicher organisfert und in ganz anderer
Richtung entwickelt erscheinen. Unter ihren nächsten Ver-
wandten sind sie als die ältesten zu betrachten und tatsächlich
schon zu Beginn der Juraperiode in der heutigen Form vor-
handen. Unter den Paläodictyopteren gibt es eine Formenreihe,
die Megasecopteriden, welche durch manche Eigenschaften
lebhaft an Panorpaten erinnert, so daß ich es nicht für gewagt
halte, hier einen Anschluß anzunehmen. Zwischenformen
müßten in der Perm- und Triasformation zu finden sein.
2. Ordnung. Phryganoidea m.
Bereits in der Liasperiode finden sich zahlreiche Formen,
welche wir als Phryganoiden bezeichnen können, obwohl sie
sich von den gleichzeitig vorhandenen Panorpaten noch nicht
so stark unterscheiden wie die rezenten Formen beider Gruppen.
Der Name »Trichoptera« ist als präokkupiert besser aufzu-
lassen.
3. Ordnung. Lepidoptera L.
Die nahen Beziehungen zwischen Lepidopteren und Phry-
ganoiden wurden schon oft erörtert, so daß an einer wirklichen
736 A. Handlirsch,
Verwandtschaft kaum mehr gezweifelt wird. Die ältesten sicher
als Lepidopteren zu deutenden Formen finden sich im oberen
und mittleren Jura, also zu einer Zeit, in welcher bereits
Panorpaten und Phryganoiden vorhanden waren aber ihr Aus-
sehen gibt uns keine Handhabe zur Entscheidung der Ab-
stammungsfrage. Nachdem, wie erwähnt, Panorpaten und Phry-
ganoiden damals noch nicht sehr scharf geschieden waren,
können wir uns wohl damit begnügen, die drei Ordnungen
als Zweige eines Stammes aufzufassen.
4. Ordnung. Diptera L.
1. Unterordnung. Orthorrhapha Brauer.
2. Unterordnung. Cyclorrhapha Brauer.
Dipteren finden sich fossil gleichzeitig mit Panorpaten
und alle mesozoischen Formen gehören der ersten Unter-
ordnung an. Nachdem an der nahen Verwandtschaft der Di-
pteren und Panorpiden kaum zu zweifeln sein dürfte, glaube
ich die erstere, in ihren Endgliedern so hoch spezialisierte
Gruppe als alten, stark divergenten Seitenast der wenig und
in gerader Richtung entwickelten Panorpiden bezeichnen zu
können.
5. Ordnung. Suctoria Degeer.
Die Suctorien (oder Siphonapteren) bildeten bisher ein
beliebtes Streitobjekt für die Phylogenetiker. Wiederholt hat
man sie den Dipteren angereiht und fast ebenso oft wurden
wieder Stimmen laut, welche für eine nähere Verwandtschaft
mit Coleopteren eintraten. Es würde zu weit führen, hier alle
in dem großen Streite angeführten Argumente zu besprechen
und ich begnüge mich mit der Feststellung folgender Tat-
sachen :
Die Larve der Suctorien hat die größte Ähnlichkeit mit
jener tiefstehender Orthorrhaphen, z. B. der Mycetophiliden.
Die Stellung der Fühler hinter den Augen ist nicht abnorm,
Phylogenie der Hexapoden. 737
weil die Augen den Stirnaugen anderer Insekten entsprechen
und nicht den Komplexaugen. Stirnaugen fehlen den höher
entwickelten Coleopteren, von denen ausschließlich man die
Flöhe ableiten könnte, sind dagegen bei den Dipteren gut
entwickelt. Die getrennten Thoraxsegmente sind nicht maß-
gebend, weil diese Trennung offenbar eine sekundäre, durch
den Verlust der Flügel bedingte Erscheinung ist. Übrigens
haben ja die Coleopteren ebenso fest verbundenen Meso- und
Metathorax wie die Dipteren. Die Reduktion des ersten Sterniten
hängt mit der mächtigen Entwicklung des dritten Beinpaares
zusammen und findet sich in den verschiedensten Entwicklungs-
reihen. Die panoistischen Ovarien sind nicht von den hoch-
spezialisierten Typen, die wir bei Coleopteren finden, abzu-
leiten, dagegen viel eher von jenen tiefstehender Dipteren, wo
der meroistische, polytrophe Typus noch kaum angedeutet ist.
Die Segmentierung des Hinterleibes ist namentlich inbezug
auf die letzten Glieder bei den Flöhen viel ursprünglicher als
bei den Käfern und leicht an den Typus der Dipteren anzu-
reihen, bei welchen die Cerci in ähnlicher Form erhalten sind«
Die Fühler der Flöhe sind nicht, wie es Lameere behauptet»
aus elf Gliedern zusammengesetzt, sondern aus mindestens
zwölf. Es steht übrigens keineswegs fest, daß die Zahl von
elf Gliedern als typisch für die Coleopteren aufzufassen ist.
Wenn wir alle diese Momente in Betracht ziehen, so
kommen wir zu dem Resultate, daß die Suctorien mindestens
ebensogut von Dipteren abstammen können wie von Coleo-
pteren. Wenn wir sie von Coleopteroiden ableiten wollten,
so müßten wir weit zurückgehen in die Permformation, in
welcher aber die Grundbedingung für die Existenz der Flöhe
— die Säugetiere — noch nicht vorhanden waren. Leiten wir
sie von Dipteren ab, so brauchen wir nur höchstens in den
Schluß des Mesozoicums hinabzusteigen, wo bereits Säuge-
tiere vorhanden waren. Bemerkenswert ist wohl auch, daß
in den verschiedensten Gruppen der Dipteren blutsaugende
Formen auftreten, namentlich aber unter den tiefstehenden
Gruppen und daß sich endlich die Mundteile der Flöhe viel
leichter von jenen der Dipteren ableiten lassen als von jenen
der Käfer.
738 A. Handlirsch, Phylogcnic der Hoxapodcn.
XL Unterklasse. Hemipteroidea m.
1. Ordnung. Hemiptera (L.) m.
1. Unterordnung. Gymnocerata (Fieb.) m.
2. Unterordnung. Cryptocerata (Fteb.) m.
2. Ordnung. Homoptera (Leach) m.
1. Unterordnung. Auchenorhyncha (Dum) m.
2. Unterordnung. Psylloidea m.
3. Unterordnung. Aleurodoidea m.
4. Unterordnung. Aphidoidea m.
5. Unterordnung. Coccoidea m.
Hemiptera und Homoptera sind durch permische Zwischen-
formen verbunden und leiten sich durch Vermittlung des Euge-V
reon von Paläodictyopteren ab.
Schematisch läßt sich die Gliederung des Pterygogenen-
stammes etwa in nachstehender Weise darstellen (siehe Stamm-
baum).
Ich kann meine Ausführungen nicht schließen, ohne mit
Freude und Genugtuung hervorzuheben, daß von allen ge-
bräuchlichen Insektensystemen jenes, welches mein verehrter
Lehrer, Hofrat Brauer, vor 18 Jahren der hohen Akademie
vorgelegt hat, dem obenstehenden Systeme am nächsten kommt,
so daß viele damals ausgesprochene Ansichten durch meine
Arbeit neuerdings bestätigt werden.
739
Der meteorische Eukrit von Peramiho
von
Friedrich Berwerth.
(Mit 2 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 22. Oktober 1903.)
Die aus wenigen Fällen gebildete Gruppe der meteorischen
Eukrite erhält durch den Stein von Peramiho einen erwünschten
Zuwachs. Das einzige bisher aufgefundene Exemplar des Stein-
falles gelangte durch Dekan A. v. Hörmann, in den Besitz
der Meteoritensammlung im naturhistorischen Hofmuseum.
Die Entschließung v. Hörmann's, den Stein der Wiener
Meteoritensammlung zu überlassen, wo er der Untersuchung
und der Wissenschaft allgemein zugänglich geworden ist,
macht es mir zur angenehmen Pflicht, demselben für diese
wertvolle Bereicherung unserer Sammlung auch an dieser Stelle
den allerherzlichsten Dank zum Ausdruck zu bringen.
v. Hörmann hatte den Stein von dem Superior der
Benediktinermission in Peramiho, P. Cassian Spieß, erhalten.
Der Meteoritenfall wurde beobachtet und hat sich den
24. Oktober 1899, 7 Uhr morgens in nordwestlicher Richtung
und 3 Stunden weit von der Missionsstation Peramiho (zirka
10° 3<y südlicher Breite und 35° 3(/ östlicher Länge von Green-
wich) im Gebiete von Ungoni, Bezirk Songea, Deutsch-Ost-
afrika ereignet. Eine kurze Mitteilung über das Ereignis ent-
hält die illustrierte Missionsjugendschrift »Das Heidenkind«
Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXII. Bd., Abt. I. 48
740 F. Berwerth,
(Nr. 8, 13. Jahrgang, 1900), die ich dem freundlichen Entgegen-
kommen von P. Cassian Spieß, seither katholischer Bischof
von Deutsch-Ostafrika, verdanke. Es heißt dort auf p. 94,
daß P. Cassian aus Peramiho folgendes Interessantes
schreibt:
»Es war am 2. November, 7 Uhr früh,1 als bei heiterem
Himmel in nordwestlicher Richtung ein donner- oder kanonen-
ähnlicher Knall ertönte, dem in immer rascherer Folge ein
zweiter, dritter... zehnter Schlag nachfolgte, bis das immer
schneller werdende Dröhnen in eine regelrechte Kanonade
überzugehen schien, um plötzlich wieder zu enden. Da nun
aber in jener Gegend kein Feind stehen konnte und es über-
haupt in ganz Ungoni keine Kanone gibt, waren wir lange
ratlos ob der ungewohnten Naturerscheinung und konnten
auch den verwundert fragenden Schwarzen keinen sicheren
Aufschluß geben; wir selbst dachten an einen vulkanischen
Ausbruch. Nach wenigen Tagen hörten wir von Schwarzen
das Gerücht, es seien in jener Richtung, 3 Stunden von Pera-
miho entfernt, Steine vom Himmel gefallen, und in der Tat
brachte man mir einen kinderfaustgroßen Stein, den der Über-
bringer auf einem Acker gefunden hatte und der seinem
Äußern nach sehr wohl ein Meteor sein kann. Eine kleine
Bruchfläche sah aus wie Gneis, während die übrige Außen-
seite glänzend schwarz war, was fast nur aus dem flüssig
heißen Zustande des Gesteines zu erklären ist Mehr als dies
eine Stück ist bis jetzt leider nicht gefunden worden.«
Der Meteoritenfall hat sich nach dieser Mitteilung unter
Auftreten der bekannten gewöhnlichen Licht- und Schall-
erscheinungen abgewickelt und nach der stattgefundenen
»Kanonade« dürften auch diesmal, wie anderwärts, eine große
Zahl von Steinen gefallen sein, deren Auffinden, wie mir
1 Da die Zeitangabe im »Heidenkind« mit der Angabe auf dem Begleit-
zettel des Steines nicht übereinstimmt, befrug ich P. Cassian Spieß über
diesen Widerspruch und erhielt von ihm die freundlichst gegebene Auf-
klärung, daß der 24. Oktober 1899 die richtige Fallzeit des Steines sei und
diese Angabe der von ihm geführten Peramiho-Chronik entnommen sei. Er
bemerkt noch dazu, daß die falsche Zeitangabe »2. November 1900« sich auf
eine ihm unaufgeklärte Weise in das »Heidenkind« eingeschlichen habe.
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 74 1
P. Cassian berichtet, in der afrikanischen Steppe mit beson-
deren Schwierigkeiten verbunden ist.
Der vorhandene Stein ist kinderfaustgroß und wog ur-
sprünglich 165 £. Nach der Entnahme von Untersuchungs-
material wiegt er jetzt 150 £. Die Gestalt des Steines ist
knollig. In seiner Form und seinem Aussehen an der Ober-
fläche zeigt er viel Übereinstimmung mit den Steinen von
Stannern. Auf Taf. I ist seine Gestalt von vier Seiten dar-
gestellt. Die Bilder bringen deutlich zum Ausdruck, daß der
Stein nach den Oberflächenerscheinungen in zwei Hälften
zerfällt. Die eine Hälfte (Bild ä) zeigt infolge starker Ab-
schmelzung eine mehr glatte Oberfläche und gehört der Vorder-
seite oder Brustseite des Steines an, während die andere
Hälfte (Bild V) eine unebene und mehr schollige Oberfläche
trägt; sie entspricht der Rücken- oder Dorsalseite des Steines.
Die verschiedene Ausbildung der Vorder- und Rückenfläche
bringen die beiden Profilzeichnungen des Steines (Bilder c
und d) deutlich zur Ansicht. Gegenüber der Vorderseite, die
sich durch eine glatte, netzige Verteilung der Schmelzrinde
und einen kantigen Buckel kennzeichnet, ist die schollige
Rückenfläche eine sekundäre Fläche, das ist eine frische
Bruchfläche, die durch Zerteilung oder vielleicht nur stärkere
Abbröckelung des Steines in einem späten Stadium der atmo-
sphärischen Flugbahn entstanden ist, dabei aber noch genü-
gend Zeit gefunden hat, sich neuerlich und vollständig mit
Schmelzrinde zu überziehen.
Die Berindung des Steines besteht aus einer schwarzen,
leicht geflossenen, glänzenden und stellenweise bis zur Ver-
glasung gediehenen Schmelze. Auf der Brustseite ist selbe von
dem die Mitte der Fläche einnehmenden stumpf kantigen Buckel
nach den Rändern abgeflossen. Am Buckel selbst ist die Rinde
sehr dünn, verdickt sich gegen die Ränder, zieht sich zu
glasigen Wülsten zusammen, die wieder untereinander in Ver-
bindung treten und die ganze Fläche netzartig überziehen.
Eine Verschlackung des Schmelzproduktes ist nur in Spuren
vorhanden. Auf der Grenzscheide zwischen Vorder- und Rücken-
seite hat sich die alte Rinde der Vorderfläche durch neuen
Zufluß an Schmelze über die sekundäre Rückenfläche in
48*
742 F. Berwerth,
einem schmalen Wulste dachförmig überhangend vorgebaut.
Wegen der verhältnismäßig leichten Schmelzbarkeit der Stein-
masse ist es auch auf der Rückenfläche zur vollständigen
Neuberindung der in unserer Atmosphäre entstandenen Brucfri-
fläche gekommen. Die Ausgleichung der Unebenheiten, das
Verschwinden der Kanten und Mulden wurde aber nicht mehr
erreicht und die Fläche hat ihren beim Abbruch entstandenen
ursprünglichen scholligen Zustand behalten. Wie es bei
Schmelzungen an festen Körpern gewöhnlich zu geschehen
pflegt, sehen wir auch hier die Kanten immer zuerst der
Schmelzung verfallen, während in den Mulden kaum erst die
Verschlackung begonnen hat.
Ihren starken Glanz verdankt die Rinde der raschen Ver-
glasung der Schmelze, deren rasches Eintreten ihrerseits
wieder auf der verhältnismäßig leichten Schmelzbarkeit der
beiden Hauptgemengteile, des Anorthit und Pyroxens, beruht.
Die Eukrite unterscheiden sich darum durch ihre glänzenden,
glasigen Rinden auch äußerlich von fast allen übrigen Meteor-
steinen, die zufolge der schwereren Schmelzbarkeit ihrer Be-
standteile, des Broncits und Olivins, mehr schlackige und
zugleich glanzlose Rinden tragen.
Kann man also schon aus dem Glänze des äußeren
Gewandes im Steine von Peramiho einen Eukrit vermuten, so
wird dies aus der Betrachtung der frischen Bruchfläche offen-
kundig.
Die frische unebene Bruchfläche zeigt ein feinkörniges
Gemenge von weißem Anorthit und bräunlichgelbem Pyroxen,
so daß die Steinmasse im allgemeinen hellfarbig aussieht mit
einem vorwaltenden weißen Farbenton, der durch Vorhanden-
sein ganz weißer Flecken und solcher von grauer Farbe und
Mischzonen beider variiert wird. Das nur scheinbar homogene
körnige Gefüge der Masse läßt sich bei schärferer Betrachtung
mit der Lupe in mehrere Teile auseinandersondern, von denen
die am reinsten weißen Teile jene Verbindungsart zwischen
Anorthit und Pyroxen zeigen, wie man sie auch an irdischen
Gesteinen findet und die als »ophitische Struktur« bekannt
ist. Nebst der Zusammensetzung war auch dieser Umstand
seinerzeit für Rose maßgebend, die meteorischen Eufcrite mit
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 743
den irdischen Doleriten zu parallelisieren, von denen manche
Vorkommnisse eben auch die ophitische Struktur besitzen.
In diesen ophitischen Eukritpartien besteht der Anorthit
aus Krystalltafeln mit Leistenform auf den Querbrüchen ebenso
wie in den ähnlich struierten irdischen Diabasen und Doleriten.
Zweimal konnte auf Spaltflächen nach P (001) die feine
Zwilliijgsriefung nach dem Albitgesetze beobachtet werden.
Der Feldspat ist schneeweiß, es fehlt ihm fast aller Glanz,
nur einzelne Partikel der Feldspatmasse leuchten glänzend
aus der matt schimmernden Umgebung hervor. Die Einhüllung
glänzender Feldspatpartikel von mattweißer Feldspatmasse ist
die Folge einer durch hohen Druck herbeigeführten Zermal-
mung der Feldspatkrystalle und deren Aggregate. Die glasig
glänzenden Feldspatkörnchen sind die der Zerquetschung ent-
ronnenen Krystallsplitter, während die mattschimmernden
Teiie einer durch Druck stark zermalmten Feldspatmasse ent-
sprechen. Die gelben Pyroxenkörner der ophitischen Partien
stecken in gleichmäßiger Verteilung zwischen den Feldspat-
krystallen und Krystallformen sind an ihnen nicht aufzufinden.
Der Glanz der Pyroxenkörner ist hervorstechend und reicht
an Diamantglanz heran. Man kann bemerken, daß neben den
hellen, gelben Pyroxenkörnern auch solche von mehr brauner
Farbe auftreten. Sie finden sich vorwiegend in den Randzonen
zu den grauen Gesteinspartien und dann in den grauen Zonen
selbst Diese abgedunkelten Pyroxenkörner, die dann auch
gewöhnlich einen eigenen Oberflächenschmelz tragen, sind
durch starke Erhitzung in ihrer Farbe verändert worden.
Neben den ophitisch gefügten, hellfarbigen Gesteins-
abschnitten sind auf dem Bruche ferner ganz dunkel asch-
graue Gesteinspartien zu unterscheiden. In diesen dunkel-
farbigen Gesteinsstücken wird kaum eine Krystalltafel des
Feldspat angetroffen, der Feldspat besteht hier aus eckigen
Bruchstückchen, die samt den Pyroxenkörnern in eine ge-
schwärzte Masse gebettet sind. Der Bruch der geschwärzten
Grundmasse ist rauh und es zeigen sich darin Spuren netzigen
Gefüges, aus dessen Maschen die Feldspat- und Pyroxen-
körnchen öfter herausgefallen sind. Die Verwandtschaft dieser
dunkelgefärbten Partien zu den Grundmassen von tuffigen,
744 F. Berwerth,
chondritischen Meteorsteinen ist unverkennbar. Die mikro-
skopischen Beobachtungen werden es bestätigen, daß die
geschwärzten Gesteinspartien Schmelzherden entsprechen, in
denen ein Schmelzprodukt des Pyroxens vorzugsweise die
Dunkelfärbung der davon betroffenen Gesteinszonen bewirkt.
Die durch mattgraue Farbe gekennzeichneten Schmelzspuren
verbreiten sich in Striemen und Flecken auf der ganzen Bruch-
fläche und verschleiern und verfärben das ursprünglich hell-
farbige Gesteinsbild durch Einmischung grauer Farbentöne.
Das Erscheinen der grauen, schleierartigen Massen findet
gleichmäßig in den ophitisch struierten, wie auch in den trüm-
merigen Gesteinsabschnitten statt, doch sind die breccienartigen
Teile viel tiefer und kräftiger von der grauen Verfärbung erfaßt.
Bei genauer Betrachtung der Bruchfläche gliedert sich
also das scheinbar homogene Gestein in zweierlei Arten von
Brocken, in solche mit ophitischer und in solche mit Breccien-
struktur. Beide zeigen Spuren von strukturellen Veränderungen,
die partienweise durch partielle Schmelzung der beiden Haupt-
gemengteile eingeleitet sind.
Die Abgrenzung zwischen den einzelnen Brocken ist
manchmal deutlich, oft aber nicht festzustellen. Einige Er-
leichterung für deren Auffinden bieten die in der ganzen Stein-
masse zahlreich auftretenden schwarzen Schmelzäderchen. Sie
bilden mehrfach die Grenzscheide zwischen zwei Brocken.
Aber nicht alle Adern sind Scheidewände von Brocken zweier-
lei Art, sie zerschneiden auch einen kompakten Brocken
gleicher Art in mehrere Teile. Man kann bemerken, daß die
Trennungsflächen der Brocken mehrfach geradlinig verlaufen
oder nicht viel von einer geraden Linie abweichen, so daß eine
eckig-kantige Form der Bruchstücke anzunehmen ist. Aus der
Splitterform im großen und aus der Zusammensetzung der
tuffigen Brocken aus Krystallstücken wird man zur Ansicht
geleitet, daß der Stein von Peramiho wahrscheinlich eine
Reibungsbreccie darstellt, die allerdings von ihrem echten
Trümmercharakter vieles durch die allseits im Steine um sich
greifende Schmelzung eingebüßt hat.
Die vielen schwarzen Schmelzadern, die in geraden und
bogigen Linien die Steinmasse netzartig durchdringen, lassen
Meteorischer Eukritvon Peramiho. 745
zur Oberflächenschmelze keine Beziehungen erkennen und ist
die schwarze Füllmasse der Klüfte nicht auf eine Infiltration
von außen zurückzuführen, wie oft angenommen wurde. In
den Kernpartien des Steines sind die Adern gerade oft am
kräftigsten entwickelt und wo sie sich der Oberfläche nähern,
bleibt die Verbindung mit derselben aus oder die Kommunika-
tion mit der Oberfläche ist eine derartige, daß ein Zuströmen
der Schmelze von außen nach innen ausgeschlossen ist.
Die schwarze Ader ist einfach von der Oberfläche abge-
schnitten und sie war schon vorhanden, bevor es zur Bildung
der Schmelzrinde kam. Man muß sich auch gegenwärtig halten,
daß die Abschmelzung der Oberfläche in dünnen Zonen vor
sich geht und die neue Schmelze fortwährend abgeschleudert
wird, ein Vorgang, bei dem niemals so viel Schmelzfluß vor-
rätig ist, um einen ganzen auch nur mittelgroßen Stein in
seinem Inneren damit zu tränken.
Schließlich ist das mürbe Gefüge der Steinmasse als eine
bemerkenswerte Eigenschaft anzuführen. Ein kleines Krüm-
chen des Steines läßt sich ohne alle Anstrengung zwischen
den Fingern zerbröseln. Die leichte Zerbröselung der Masse ist
eine Folge starker Pressungen, denen sie ausgesetzt war. Rohe
äußerliche Spuren des stattgefundenen Gebirgsdruckes zeigen
sich in den zahlreichen Klüften, die sich auf dem Bruche
kreuzen und zu ihrem größeren Teile mit schwarzer Schmelz-
masse gefüllt sind. Die ausgiebigen Spuren starken Druckes
in der Steinmasse wird uns auch der mikroskopische
Befund bestätigen.
Mineralogische Zusammensetzung.
Bei der mikroskopischen Untersuchung wurden als
wesentliche Gemengteile A north it, monokliner und rhom-
bischer Pyroxen gefunden, während Magnetkies und
Magnetit in ganz untergeordneter Menge als Nebengemengteile
erscheinen. Als integrierende Bestandteile der Steinmasse sind
dann die glasigen Schmelzprodukte des Anorthits und der
Pyroxene aufzuführen. In seinen wesentlichen Gemengteilen
entspricht das Mineralgemenge der normalen Zusammen-
setzung eines Eukrits.
746 F. Berwerth,
Anorthit Entsprechend dem inhomogenen Gefüge der
Steinmasse ist die Form des Anorthits eine verschiedene, je
nachdem er als Bestandteil in massig gefügten, tuffigen oder
deutlich geschmolzenen Gesteinspartien auftritt. Ganz von
Kry stall formen wohl begrenzte Anorthitdurchschnitte wurden
nicht beobachtet, Seine vollkommenste Ausbildung erlangte er
in den aus einem Magma direkt auskrystallisierten Gesteins-
teilen. Er erscheint hier in Krystalltafeln nach M (010), an
denen Durchschnitte parallel (001) und (100) die bekannte
Feldspatleistenform liefern. Die Dicke der Tafeln geht über
1 mm nicht hinaus. In den tuffigen Gesteinspartien erscheint
der Anorthit weniger in Gestalt eckig-kantiger Splitter von ver-
schiedenem Umfange, viel häufiger in Form von Bruchstücken
mit abgerundeten Konturen. Viele Anorthitindividuen des Tuffes
sind allotriomorph und erhalten ihre Begrenzung von den
Pyroxenen der Umgebung. In jüngeren Schmelzherden, wo
Anorthit in größerem Umfange zur Schmelzung gelangte, kry-
stallisierte er in Körnern mit buchtiger Verzahnung. Außerdem
tritt der Anorthit auch in der Form von Anorthitglas auf, das
kleine Risse, Spalten und Gesteinslücken ausfüllt. Das Glas ist
nicht immer absolut isotrop, es polarisiert zuweilen in schwach
blaugrauen Farben. Zu seiner Beobachtung sind stärkere Ver-
größerungen anzuwenden. Von den ebenfalls farblosen Krystall-
massen des Anorthits läßt sich der glasige Anorthit durch die
schwächere Lichtbrechung unterscheiden.
Die Anorthite sind in allen Formen farblos durchsichtig.
In den Krystallen und den Bruchstücken ist die Zwillings-
bildung nach dem Albitgesetz eine allgemeine Erscheinung.
Die Zwillingstextur ist sehr verschieden. Die Lamellen sind
ganz fein, dünn und ganz breit. Ganz gleiche Lamellen sind in
einem Individuum selten vorhanden, meist besteht ein Wechsel
zwischen verschieden dicken Lamellen. Nach dem Periklin-
gesetz eingelagerte Lamellen sind eine regelmäßige Er-
scheinung. Gewöhnlich ist eine einzige breitere Lamelle
seltener ein System ganz dünner Periklinlamellen vorhanden. Auf
Schnitten parallel (100) sieht man die Periklinlamellen sich häufig
verjüngen und auskeilen (Taf. II, Bild 5). Außerdem kann
man sehr oft Doppelzwillinge nach dem Albit- und Karlsbader
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 747
Gesetze beobachten. Wahrscheinlich verbergen sich in einigen
Zwillingsstöcken auch Zwillingsverwachsungen nach dem
Bavenoergesetze, deren Orientierung bei der Feinheit der La-
mellen jedoch unmöglich war.
Die genaue Bestimmung der Feldspate als Anorthit wurde
aus der Messung der linearen Entfernung de« beiden Achsen-
örter in benachbarten, nach dem Albitgesetze verzwittingten
Lamellen gewonnen, unter Anwendung der von Becke ein-
geführten Methode mittels Camera lucida und drehbaren
Zeichentisches.1
Der Abstand der Achsenpole wurde in Schnitten nahezu
senkrecht der Vertikalachse wiederholt gleich 2*5 mm oder
2<p gleich 7*5° und somit <p == 3?/4° gefunden. Die Tracen der
Achsenebenen beider Zwülingsindiividuen kreuzen sich in dem
zwischen der Achse B und der Mittellinie a liegenden Ab-
schnitte. Das Resultat dieser Beobachtungen entspricht der Zu-
sammensetzung eines Anorthit, dessen Mischungsverhältnis
(An 88% > Ab 12%) an der Grenze gegen den Bytownit liegt.
In Durchschnitten senkrecht zu (010) und (001) wurde die
Auslöschungsschiefe af gegen (010) im Mittel gleich 42°
gefunden. Beide Beobachtungen bestätigen übereinstimmend^
daß der Feldspat des Eukrits ein Anorthit ist.
Die Spaltbarkeit ist im allgemeinen selbst in dien großen
Individuen undeutlich entwickelt. Sie ist immer nur in sehr
zarten Linien angedeutet und, wie es scheint, noch M immer
deutlicher als nach P zu beobachten. Die feinen Spaltrisse sind
kurz, absätzig und springen öfter aus der Richtung ab und
verbinden sich miteinander.
Eine typische Erscheinung ist für die große Mehrzahl der
Anorthitkrystalle der große Reichtum an Pyroxeneinschttlssen.
Die Gestalt der Einschlüsse ist zweierlei Art. In ihrer Mehrheit
bestehen sie aus runden oder ovalen Körnchen, die sich in
ihren Dimensionen bis zu den feinsten Körnchen abstufen. Die
zweite Form besteht aus kurzer^ schmalen Stäbchen mit
1 Ich fühle mich angenehm veranlaßt, Herrn Prof. Becke für die Ein-
führung in den Gebrauch dieser und anderer von ihm festgestellten optischen
Beobachtungsmethoden meinen herzlichsten Dank zum Ausdruck zu bringen.
748 F. Berwerth,
gewölbten Enden. In manchen Fällen sind die Stäbchen spitz
pfriemenförmig ausgezogen und verdünnen sich oft bis zur
Faser, während zuweilen auch lappige Formen zu beobachten
sind. Sämtliche Pyroxeneinschlüsse sind farblos durchsichtig.
Wegen ihrer stärkeren Lichtbrechung gegenüber dem Anorthit
treten sie aus ihm als helle Punkte und Linien scharf hervor.
Die Menge der Einschlüsse ist in den einzelnen Krystallen eine
sehr ungleichmäßige. In ganz homogenen Krystallen fehlen sie
oft vollständig oder erscheinen nur in einem dünnen Schwärm
von wenigen Körnern. Gewöhnlich ist aber davon eine dichte
Schaar in den Krystallen angesiedelt. In solchen Fällen sind
sie so dicht angehäuft, daß die Feldspatmasse stark schwindet
und an deren Stelle ein von den Einschlüssen ganz getrübter
undurchsichtiger Anorthitdurchschnitt erscheint. Die beiden
Hauptformen, Körner und Stäbchen, schließen sich gegenseitig
nicht aus. In manchen Krystallen herrschen aber die Stäbchen
oder Körner ausschließlich. In vielen Fällen entsprechen
Körnerformen den Querschnitten von Stäbchen. Neben ge-
rundeten Querschnitten wurden vereinzelt viereckige Schnitte
mit den Winkeln des Augitquerschnittes erkannt. In der Ver-
teilung der Einschlüsse in den einzelnen Krystallen ist zu
bemerken, daß für deren Anordnung scheinbar keine bestimmte
Regel besteht. Man sieht zwar die gleiche Anordnung in vielen
Krystallen wiederkehren, ein für alle Fälle giltiges Ansiedlungs-
gesetz besteht aber nicht. Die Körnchen verraten eine starke
Neigung, sich perlschnurartig anzuordnen und mit Vorliebe die
Zwillingsgrenzen zu besetzen. Auch inmitten der Zwillings-
blätter fehlen die Perlenschnüre nicht und sind sie dann eben-
falls parallel den Zwillingsgrenzen aufgereiht. Vereinzelt folgt
die Aufreihung auch nach gebogenen Linien. In ihrer Überzahl
durchschwärmen die Körnchen mehr oder weniger dicht ge-
drängt den ganzen Kry stall. In anderen Krystallen sind sie
partienweise zu streifigen oder wenn sie staubig fein sind, zu
wolkigen Massen gehäuft. In manchen Beispielen wieder beob-
achtet man staubförmige Massen, die wie Nebelschweife in die
sonst reine Krystallmasse hineinstrahlen. Eine besondere Auf-
merksamkeit verlangt die randliche Verteilung der Einschlüsse.
Öfters sieht man deren Masse an jenen Teilen des Kry Stalls
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 749
angesammelt, wo der Rand des Pyroxens seine Schärfe verloren
hat und flackrig wird, während sie entlang der intakten, glatten
Pyroxengrenze fehlen.
In vielen Krystallen überwiegen oder herrschen voll-
ständig die stäbchenförmigen Pyroxeneinschlüsse. Man kann
bemerken, daß ihre Lage fast durchwegs nach Krystallflächen
des Anorthit orientiert ist. In Querschnitten zur Vertikalachse
lagern die Stäbchen parallel zur Prismenfläche (1 10), wobei sie
sich vorzugsweise mit dem einen schmalen Ende unter einem
Winkel von 60° auf die Zwillingsgrenze stützen. Bei Wieder-
holung dieser Stellung in der Nachbarlamelle stoßen dann die
Stäbchen an der Zwillingsnaht in einem Winkel von 120°
zusammen. Orientieren sich mehrere oder viele Stäbchen längs
der Zwillingsnaht, so gleicht das Ganze einer staketenartigen
Anordnung (siehe Taf. II, Bild 6). Rücken die Stäbchen dicht
aufeinander, wobei sie sich gewöhnlich bis zur Faser ver-
dünnen, so haften sie wie kleine Fähnchen an der Zwillings-
grenze, ganz ähnlich wie eine Federfahne am Federkiele.
Wenn die Stäbchen isoliert und verstreut auftreten und
nicht an den Rand der Lamellen gestellt sind, sieht man sehr
häufig Stäbchen, die rechts und links der Zwillingsgrenze in
beiden Lamellen aufsitzen. In manchen Durchschnitten sind
die Stäbchen mit ihren Längskanten parallel der Randzone
gegen M angeordnet. Wenn die Stäbchen und Körner gleich-
zeitig in dichten Haufen auftreten, so gewinnt ein solcher
Anorthitschnitt das Ansehen, als wäre er mit einer Spreu voll-
gestopft.
Da viele Stäbchen trotz ihrer geringen Körperlichkeit mit
Farben erster Ordnung polarisieren, darf man die Einschlüsse
als monoklinen Pyroxen ausgeben.
Außer den Pyroxeneinschlüssen beherbergen manche
Anorthite ein Heer von feinen, dunklen Punkten, die bei starker
Vergrößerung bräunliches Licht durchlassen und Glaskörnchen
sind. Pyroxene und Glasstaub werden zusammen nur aus-
nahmsweise angetroffen. In der Regel schließen sie sich gegen-
seitig aus.
Von Einschlüssen im Feldspat sind noch die hie und da
auftretenden gelben, wolkigen Punkthaufen aufzuführen, die
750 F. Berwerth,
sich bei starker Vergrößerung als braungefarbte Pyroxen-
körachen erkennen lassen. Einmal war es deutlich zu ver-
folgen, daß die Körnchen im Feldspat nach einer Kluftebene
angeordnet waren.
Weiterhin nehmen unsere Aufmerksamkeit in Anspruch
die kataklastischen Erscheinungen in den Anorthiten. Die vor-
handenen Druckspuren liefern uns neben den nachweislichen
Hitzeeinwirkungen in den Feldspaten wichtige dokumenta-
rische Stützpunkte zur Aufklärung der Entwicklungsgeschichte
des Steines. Als untrügliche Merkmale stattgefundener Pres-
sungen im Steine müssen die Verwerfungen und Verlegungen
der Zwillingslamellen in den Anorthiten aufgeführt werden.
Verwerfungen der Lamellen bilden in den polysynthetischen
Zwillingsindividuen eine allgemeine Erscheinung. Am deut-
lichsten und auch am häufigsten sind die Zwillingsverschie-
bungen in den einschlußfreien Individuen vorhanden. Viel
seltener, aber mit Sicherheit, lassen sich Verwerfungen auch in
den pyroxenreichen Feldspaten nachweisen.
Außer den Lamellenverwerfungen finden sich in sämt-
lichen Anorthiten ganze Systeme von Sprüngen und Kluft-
netzen, die ebenso wie die Laraellenverschiebungen im Gefolge
gewaltsamer mechanischer Vorgänge auftreten» Eine absolute
Unterscheidung mancher Druckspalten von der durch große
Hitze veranlagten Zerklüftung läßt sich nicht treffen.
Die sichere Erkennung, ob die SpaJten auf mechanischem
Wege oder durch pyrogenen Einfluß entstanden sind, wird
hauptsächlich durch den Umstand erschwert, daß auch Druck-
Spalten mit Anorthitglas gefüllt sind. In manchen Anorthiten
erscheinen ganze Systeme kurzer, geschlängelter Spältchen,
die untereinander parallel gestellt, also nach derselben Richtung
gestreckt sind. In einem Anorthit waren diese Spältchen schief
zu den Zwillingslamelien gestellt und so zahlreich, daß der
Durchschnitt das Ansehen einer geschieferten Masse erhielt. In
einem solchen Falle liegt zweifellos das Phänomen einseitigen
Druckes vor. In größeren Anorthitinseln, die sich im polari-
sierten Lichte in mehrere Individuen trennen, läßt sich das
Eintreten von Kataklase gut verfolgen. Allenthalben ist eine
weitgehende starke Zerklüftung vorhanden. Neben den unregei-
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 75 t
mäßigen Sprungnetzen erscheinen auch hier in manchen
Körnern Züge von kurzen, feinen Druckspältchen. Bei schiefer
Beleuchtung erreicht man eine deutliche Trennung der Feld-
spatmasse in homogene Bruchstücke mit glatt erscheinender
Oberfläche und Zwischenzonen von trüber Lichtdurchlässigkeit,
in denen die größeren Bruchstücke wie in einem Netze ver-
fangen sind. Die Zwischenmasse stellt Quetschzonen dar, auf
denen die Feldspatsubstanz in verschieden starkem Grade der
Zertrümmerung unterlegen ist. Es ist jener Zustand der Kata-
klase, den man in irdischen Gesteinen als »Mörtelstruktur«
bezeichnet. In das feine Feldspatgewebe ist öfter am Rande ein
Korn oder Fetzchen von Pyroxen eingequetscht.
Die Entstehung der mehrästigen und klaffenden Spalten-
netze und Risse ist einer Zersprengung durch Hitze zuzu-
schreiben, insbesondere auch dann, wenn die Zwillingslamellen
keine Verwerfung erfuhren.
Alle diese Klüfte charakterisieren sich im polarisierten
Licht als breite, dunkle Streifen, die gar oft nur allmählich
gegen die Feldspatsubstanz abdunkeln. Sie sind zumeist mit
Anorthitglas gefüllt und dort, wo die Spalten keine scharfe
Grenze zur Feldspatmasse tragen, ist die Füllung der Spalte an
Ort und Stelle durch Abschmelzung der Feldspatwände vor
sich gegangen. In vielen Krystallen ist ein förmliches Netz von
Glasäderchen vorhanden. Die Störungen der Molekularstruktur
im Anorthit durch Hitze finden ihren Ausdruck ferner im Auf-
treten von flackrigen und geflammten Partien, die am besten im
polarisierten Lichte zu beobachten sind. Aber selbst im ein-
fachen Lichte geben sich die von der Hitze stark beeinflußten
Partien in flimmernden und flammigen Lichtzeichnungen zu
erkennen.
Es kommt auch vor, daß die farblose Schmelze auf den
Klüften teils krystallinisch körnig und zum Teil glasig erstarrte.
Um sich vor der Verwechslung leerer und glasgefüllter
Spalten zu schützen, ist Vorsicht nötig. Die Glasstränge zeigen
in der Regel schwach graublaue Polarisationsfarben. Über den
Anorthit in den größeren Schmelzfeldern, das sind solche
Stellen, wo auf eine weitere Strecke hin der Feldspat zur
Schmelzung kam und aus der Schmelze wieder krystatlmisoh
752 F. Berwerth,
in einem Körneraggregate erstarrte, ist zu bemerken, daß den
Feldspatkörnern jede Spur einer Zwillingslameüierung fehlt,
ebenso fehlen ihnen die für alle anderen Feldspate so charakte-
ristischen ZerSpaltungen und Klüftungen.
Rhombischer und monokliner Pyroxen. Wenn an
den Feldspaten der massigen Gesteinsteile im allgemeinen ein
deutliches Bestreben zur Individualisierung zu erkennen ist,
die in vielen Fällen auch erreicht wurde, so ist der Pyroxen in
seiner Formenentwicklung hinter den Feldspaten stark zurück-
geblieben und er hat es nur ganz ausnahmsweise zu einer
verkümmerten krystallographischen Abgrenzung gebracht Bei
einem Gesamtüberblick einer Dünnschliffläche erscheint der
Pyroxen sowohl in den tuffigen als den massigen Feldern als
ein vielfach zerrissenes und zerzaustes Netz, das immerhin in
seiner Hauptmasse das Traggerüst für den Anorthit abgibt.
In den ophitischen Partien des Steines herrschen große,
nicht idiomorph abgeschlossene Individuen, die von Anorthit-
leisten in eckige Teile zerschnitten sind und gleiche optische
Orientierung zeigen. In den tuffigen Teilen besteht das Pyroxen-
netz aus einem Aggregate von ganz kleinen bis größeren
Körnern und Bruchstückchen. Die Farbe des monoklinen
Pyroxens ist in den dünnen Plättchen des Dünnschliffes grau-
lichweiß und wechselt je nach der Beeinflussung durch Hitze
von hellbraun und dunkelbraun bis rotbraun. Die überwiegende
Mehrheit der Pyroxene trägt monoklinen Krystallbau. An den
wenigen und auch dann meist nur partiell von Krystallebenen
begrenzten Durchschnitten wurden folgende Formen beob-
achtet: a = (100), w = (UO), £=(010) und einmal die
Pyramide «zz(lll). Die Streckung der Individuen nach der
Vertikalachse ist in vielen Fällen ganz bedeutend. Zwillings-
bildung nach (100) kehrt besonders an den großen Krystal-
loiden mit einer gewissen Regelmäßigkeit wieder. Gewöhnlich
besteht der Zwilling aus zwei gleichen Zwillingshälften,
während die Einschaltung dünner Zwillingslamellen inmitten
des Krystalles seltener vorkommt Neben der Zwillingsbildung
nach (100) ist eine solche auch nach (001) vorhanden, die in
ihrer Wiederholung zur schaligen Zusammensetzung des Indi-
viduums führt und im Krystallbau eine typische Erscheinung
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 753
ist. In Schnitten parallel (100) und (010) ist die meist breite
Lamellierung nach der Basis immer deutlich zu sehen. Viele
Krystalle sind als Doppelzwillinge ausgebildet. Die Lamellen
nach (001) stoßen dann in einem Zwilling nach (100) in
Schnitten parallel (010) an der Zwillingsnaht in einem stumpfen
Winkel von 106° zusammen. Die Zwillingsgrenzen nach (100)
sind im einfachen Lichte nie zu erkennen, während die Grenzen
der Lamellen nach (001) immer als scharfe Striche erscheinen.
Dieser Unterschied ist in der verschiedenen Entstehungsweise
der Zwillinge begründet.
Außer der Lamellierung nach (001) wurde an wenigen
Individuen auch eine breitschalige Zusammensetzung nach
(100) beobachtet (Taf. II, Bild 7). Die Lage der optischen
Achsenebene und der optische Charakter wurden normal ge-
funden. Dagegen wurde in einem Schnitte parallel (010) als
Maximalauslöschung c gegen ? mit 34° gemessen. Mittels
Anwendung des Babinet'schen Kompensators wurde die Doppel-
brechung y — ol gleich 0*026 gefunden. Einmal wurde auch
der Winkel der optischen Achsen gemessen und 2 V= 23°
gefunden. Der kleine Achsenwinkel und die niedrige Aus-
löschungsstufe stehen mit einem normalen Diopsid nicht in
Übereinstimmung.
Die Spaltbarkeit nach dem Prisma von 87° zeigt die
gleichen Eigenheiten wie die in den meisten irdischen Augiten,
nämlich Reichhaltigkeit, unterbrochenen Verlauf und auch
Rauheit der Spaltrisse, denen sich aber mehr als sonst irgendwo
ein reichgegliedertes Sprungnetz zugesellt. In Schnitten par-
allel (010) mit Schalenbildung nach (100) wurden innerhalb der
einzelnen Lamellen wenige scharfe Linien beobachtet, die mit
den Lamellenkanten einen Winkel von 76° einschließen, eine
Winkelgröße, die dem Winkel ß entspricht. Die kurzen, scharfen
Striche verlaufen demnach parallel der Basis (001). Man darf
vermuten, daß in diesen feinen Strichen Zwillingslamellierungen
parallel (001) und nicht Spaltrisse vorliegen.
Eine wichtige typische Eigenschaft der Eukritaugite be-
steht in der Inhomogenität der Krystalle. Die Störungen in der
Gleichartigkeit der Substanz beruhen auf zweierlei verschie-
denen Ursachen. In dem einen Falle liegt ihr eine Verwachsung
754 F. Berwerth,
von rhombischem mit monoklinem Pyroxen zugrunde und in
einem anderen Falle besteht sie in einer durch Erhitzung
hervorgerufenen Motekularverämderung der Randzonen in den
Pyroxenkörnern.
Der faserige Zustand der Pyroxene macht sich in den
größeren Krystalloiden am auffälligsten bemerkbar und läßt
sich in seiner Art und seinem Wesen am besten in Schnitten
parallel der Fläche (010) beobachten und beurteilen. Man findet
kaum einen Pyroxenschnitt, dessen Substanz nicht äußerst
zart und fein gefasert erscheint. Wie schon oben mitgeteilt
wurde, zeigen alle Längsschnitte Lamellierung oder Bänderung
nach (001). Kein einziges Band ist für sich einheitlich aus-
gebildet Jede Lamelle ist femgefasert und die Faserung ist
immer auf die einzelne Lamelle beschränkt und nie über-
greifend.
Bei Einstellung der Faserung parallel und in 45° Stellung
zu den Nikolhauptschnitten zeigt sich eine Sonderung der
gefaserten Substanz in Felder mit vorwiegend gerader und vor-
wiegend stark schiefer Auslöschung. Die rhombisch und mono-
klin reagierenden Felder mischen sich an den Grenzen inner-
halb der Lamelle und gehen ineinander über. Die Mischung der
rhombischen und monoklinen Fasern ist aber eine so innige»
daß kaum ein absolut rhombisches und ein rein monoklines
Pyroxenbündel vorhanden ist. Die sehr reinen monoklinen
Streifen nähern sich der Homogenität und die rhombischen
sind immer gefasert.
Nur ganz selten findet man ein kleines Feld, das annähernd
ein ungestörtes monoklines oder rhombisches Verhalten zeigt.
In manchen Krystallen überwiegt die monokline Substanz und
in anderen herrschen die rhombischen Fasern. Schätzungs-
weise läßt sich angeben, daß der rhombische Pyroxen den
monoklinen an Menge übertrifft Wechseln beiderlei Pyroxen-
felder ziemlich gleichmäßig miteinander ab, so teilt sich im
polarisierten Lichte das ganze Lamellensystem in rhomboidisch
begrenzte, verschiedenfarbige Felder, ähnlich der Zeichnung
eines Schachbrettes (siehe Taf. II, Bild 8). In einem Schnitte mit
ziemlich genauer Parallellage zu der Fläche (010) wurde ein
sehr rein rhombisches und monoklines Feld angetroffen. Im
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 755
rhombischen Bündel wurde der Austritt der Mittellinie a und
im monoklinen telde der Austritt der optischen Normalen bei
Parallelität der Vertikalachsen beobachtet. Hiernach liegt bei
Annahme der Aufstellung des rhombischen Pyroxens nach
Tschermak eine regelmäßige Verwachsung beider Pyroxene
parallel den Querflächen (100//100) vor, die jenem Ver-
wachsungsgesetze entspricht, wie es zwischen rhombischen
und monoklinen Pyroxenen sowohl in effusiven als Tiefen-
gesteinen unserer Erde häufig angetroffen wird.
Wir haben gefunden, daß in der Hauptmasse des Pyroxens
eine Verwachsung des rhombischen und monoklinen Pyroxens
innerhalb des monoklinen Krystallbaues stattgefunden hat,
wobei der rhombische Pyroxen den größeren Anteil am Ge-
menge hat. Was bisher vom Auftreten des rhombischen
Pyroxens gesagt wurde, muß aber durch einzelne Beob-
achtungen ergänzt werden, die uns beweisen, daß der rhom-
bische Pyroxen auch in selbständigen Individuen vorkommt
und seine Homogenität nur durch Erscheinen weniger mono-
kliner Lamellen gestört erscheint. Als ziemlich reiner rhom-
bischer Pyroxen lassen sich nur wenige Körner erkennen,
so daß ihm als selbständiger Gemengteil eine bescheidene
Rolle zufällt. Kein augenfälliges Merkmal kennzeichnet ihn.
Im allgemeinen scheint er mehr hellfarbig zu sein als die
gemischten und reinen monoklinen Pyroxene. In Krystall-
massen, die nahezu vollständig aus rhombischen Pyroxenen
bestehen, erscheinen immer wieder Spuren monokliner Fasern
und in Schnitten parallel (100) treten im einfachen Lichte
dunkle Striche auf, die senkrecht auf den prismatischen Rissen
stehen und im polarisierten Lichte sich als monokline Ein-
lagerungen nach (001) zu erkennen geben. In einem Korn,
parallel (100) angeschnitten, sah man zwei breite, monokline
Lamellen austreten. In Querschnitten wurde zweimal eine Be-
grenzung angetroffen, die ziemlich genau dem Prisma ent-
sprach. Auf einem solchen prismatisch begrenzten Basal-
schnitt erschien einmal ein Balken von monoklinem Pyroxen,
der inmitten des Querschnittes parallel (100) dem rhombischen
Pyroxen eingelagert ist. Die optische Achsenebene des rhom-
bischen Pyroxens liegt parallel der monoklinen Lamelle, was
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 49
756 F. Berwerth,
mit dem Verhalten eines rhombischen Pyroxens überein-
stimmt
In einer Mitteilung, betitelt: Ȇber einen neuen Bestand-
teil einiger Meteoriten« berichtet Weinschenk1 über eine ähn-
liche Verwachsung zweier Minerale in einem Eukriteinschlusse
des Meteoriten von Vaca muerta. Die mitgeteilten Beob-
achtungen und die Bildskizze lassen keinen Zweifel auf-
kommen, daß von Wein schenk in Vaca muerta dieselbe Ver-
wachsung von rhombischem und monoklinem Pyroxen beob-
achtet wurde, wie sie hier im Eukrit von Peramiho auftritt.
Es muß noch die wichtige Beobachtung nachgetragen
werden, daß in einem Schnitte aus der Zone 010:001 eines
gemischten Krystalles der optische Charakter des rhombischen
Pyroxens negativ gefunden wurde.
Der rhombische Pyroxen ist hiernach und im Zusammen-
halte mit dem chemisch nachgewiesenen großen Eisengehalte
der Pyroxensubstanz als Hyp ersten zu bezeichnen. Der
monokline Pyroxen zeigt dagegen bei aller Übereinstimmung
der Form mit diopsidischem Augit bemerkenswerte Verschieden-
heiten von dem normalen Verhalten der Diopside. Die Unter-
schiede bestehen in der niedrigen Auslöschungsschiefe und
einem kleinen Achsenwinkel. Mit diesen physikalischen Ver-
schiedenheiten zeigt die chemische Zusammensetzung der
Pyroxenmasse insoweit Übereinstimmung, als nach den stoff-
lichen Mengenverhältnissen eine normale Verbindung der
Diopsidreihe nicht vorhanden sein kann. Alle Umstände weisen
darauf hin, daß im monoklinen Pyroxen des Eukrits eine
bisher in den tonerdefreien Augiten unbekannte Verbindung
vorliegt.
Die auf einer Molekularveränderung der Pyroxenkörner
beruhende Inhomogenität ist durch eine partielle Erhitzung des
Steines veranlaßt. Manche Pyroxene sind aus dieser Ursache
körnig zerklüftet und von den Klüften angeheizt worden. Die
Körner sind dann in ihrem Kerne meist noch vollständig
homogen, dagegen an den Rändern in ihrem molekularen
i Tschermak, Min. petr. Mitt. Bd. XVII, p. 576.
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 757
Bestände verändert, was sich durch die niedrigen Polarisalions-
farben in den Randzonen zu erkennen gibt.
Von den Einschlüssen in den Pyroxenen müssen zunächst
die charakteristischen Einlagerungen besprochen werden, die
bei schwacher Vergrößerung vorwiegend in den größeren
Individuen, und zwar unabhängig von der Natur des Pyroxens,
als dunkle, dichte oder schüttere Tupfen auftreten, ohne
geschlossene Abgrenzung gegen die Pyroxensubstanz. Bildlich
machen diese Tupfen, die aus vielen winzigen Stäbchen
bestehen, den gleichen Eindruck wie die ausgeschiedenen
Haufen von Mineralkörnchen inmitten von Pyroxenen und
Hornblenden dynamometamorpher Gebirgsarten.
Der Sitz der dunklen, schwammigen Flecken erscheint an
keine bestimmte Zone des Pyroxens gebunden. Sie erscheinen
einzeln oder mehrfach in einem Individuum. Es kommt auch
vor, daß einzelne Teile eines großen zerklüfteten Pyroxens
ganz davon erfüllt sind und der ganze Pyroxen wie von einem
schwarzen Schleier bedeckt ist, den nur die Klüfte zer-
schneiden. Man bemerkt schon bei schwacher Vergrößerung,
daß eine streifige Anordnung die dunkle Masse beherrscht. Bei
starker Vergrößerung sondert sich die dunkle Masse und löst
sich in kurze, an den Enden abgerundete Stäbchen auf. Die
Substanz der Stäbchen ist tiefbraun gefärbt und zeigt ent-
schieden isotropes Verhalten. Man muß demnach die Stäbchen-
haufen als Glaseinschlüsse ansehen. Die Glasstäbchen sind
nach zwei Richtungen orientiert. Ein Stäbchensystem liegt
parallel der Achse c und das andere ist parallel der Fläche
(001) gelagert. Beide Systeme geben dann zusammen in einem
Haufen eine gitterförmige Anordnung. In seltenen Fällen
konnte ich bemerken, daß die Form der Glaseinschlüsse mehr
blätterig ist und auch sonst randliche Ausbuchtungen vor-
kommen. Die Stäbchenformen könnten dann als Querschnitte
von Blättern aufgefaßt werden, die in den Ebenen (100) und
(001) liegen. Bei der großen Seltenheit ausgesprochener
blätteriger Formen, die bei den verschiedenen Durchschnitten
sich doch öfters wiederholen müßten, kann man die ungeheure
Zahl der Stäbchen nicht als Querschnitte von Blättern auf-
fassen und muß ihnen eine echte Stengelform zuerkennen.
49*
758 F. Berwerth,
Zuweilen mischen sich zwischen die schmalen, kurzen Stengel-
chen größere, rechteckige, schwarze Felder, deren Entstehung
ich auf das Zusammenfließen mehrerer Stäbchen zurück-
führe.
Solche kompakte, orientierte Felder, die kein braunes
Licht mehr durchlassen, bilden Übergänge zu größeren kom-
pakten, schwarzen Körpern oder Haufen, die isoliert auftreten
oder zuweilen in zusammenhängender Masse den Pyroxen
erfüllen. An größeren schwarzen, ballenartigen Einschlüssen
war manchmal deutlich eine haarige oder wollige Oberfläche
zu erkennen, woraus man auf eine Verdichtung von Stäbchen
schließen kann. Innerhalb zusammenhängender, aber noch
nicht völlig geschlossener netziger, schwarzer Massen ist die
Orientierung parallel der Achse c und nach (001) zu verfolgen,
dieselbe, wie sie sich auch an den isolierten Stäbchen fest-
stellen ließ. In den auf diese Weise zustande gekommenen
schwarzen Massen in den Pyroxenen sehe ich verschlackten
Pyroxen. Wiederholt ließen sich Schlackenkörner mit einer
Kluft in Beziehung bringen. Es kommt kaum vor, daß ein
Körnerschwarm nach allen Richtungen des Krystalls verteilt
sei, sie sind meist in einem Zuge geordnet. In geeigneten
Schnitten läßt sich auch eine Lagerung großer und kleiner
schwarzer Körnchen nach den Spaltebenen beobachten.
Bei Körnerform ist eine Unterscheidung von Erzkörnchen
oder Schlackenkügelchen schon wegen der Kleinheit nicht
möglich.
Eine entscheidende Beobachtung, ob nicht viele von den
schwarzen Körnchen als Magnetit aufzufassen sind, läßt sich
mit dem Mikroskope nicht treffen. Anwesenheit von Kies
scheint ausgeschlossen nach der Rolle, die er anderweitig im
Steine innehat; es wurde auch nie ein Pünktchen im Pyroxen
angetroffen, das sich durch seinen gelben Metallglanz als Kies
verraten hätte.
Druckphänomene, wie sie besonders in den Zwillings-
lamellen der Anorthite zum feinsten Ausschlage kommen, sind
an den Pyroxenen nicht so augenfällige Erscheinungen wie an
den Anorthiten. Man muß die Druckzeichen im Pyroxen auf-
suchen, um sie zu sehen und die Seltenheit von Verwerfungen
Meteorischer Eulcrit von Peramiho. 759
und mechanischen Zertrümmerungen in den Pyroxenen macht
den Eindruck, als seien diese gegen die Druckwirkungen
weniger empfindlich gewesen als der Anorthit, oder der Druck
hat seine Auslösung in anderen als den gewöhnlichen kata-
klastischen Formen gefunden. Echte Kataklase wurde als Ver-
werfung an Pyroxenleisten beobachtet und als Zertrümmerung
größerer Pyroxene, die bis zur Entstehung von Mörtelstruktur
führt.
Die Entstehung des letzteren Phänomens, eine Zer-
quetschung des Pyroxens, illustrierte ein größeres Pyroxen-
korn mit verschwommenen Zwillingsbändern nach (001) und
Ansiedlungen von Glasstäbchen, das inmitten von Pyroxen-
bruchstückchen liegt. Das große Mittelkorn zeigt nicht eckige,
sondern gerundete Konturen. Die umliegenden Bruchstücke
haben sowohl eckige als gerundete Konturen, je nachdem sie
von ebenen oder gewölbten Flächen begrenzt sind. Den Kitt
der Bruchstücke bildet ein Füllsel von gröberen und ganz
feinen Pyroxenkörnchen. Der so zertrümmerte Pyroxen zeigt
das treue Abbild einer irdischen Breccie mit knolliger Formung
der Bruchstücke und Entstehung pulveriger Füllmasse, wenn
eine in sich gepreßte Steinmasse ohne Ausweichen in Trümmer
geht.
Bei der von Mügge1 experimentell festgestellten Tatsache,
daß durch Druck in Diopsidkrystallen Zwillingsumlagerungen
oder für alle Fälle Absonderungsflächen nach (001) entstehen
und da ferner die geologischen Verhältnisse irdischer Gesteine,
in denen Pyroxene die Zwillingsbildung nach (001) zeigen, auf
die Wahrscheinlichkeit hinweisen, daß hier eine Druckzwillings-
bildung vorliege, so werden die an den Pyroxenen des Eukrit
in hohem Maße entwickelten Zwillingslagerungen und Ab-
sonderungsflächen nach (001) ebenfalls auf Druckwirkungen
zurückzuführen sein. Daß der Stein wirklich starken Pressungen
ausgesetzt gewesen ist, haben die Kataklaserscheinungen
an den Anorthiten und auch am Pyroxen bewiesen. Das
1 0. Mügge, Über künstliche Zwillingsbildung durch Druck am Anti-
mon, Wismuth und Diopsid. Neues Jahrbuch für Mineralogie etc. 1886, I,
p. 185.
760 F. Berwerth,
Zusammentreffen der Zwillingsbildung nach (00 1 ) an dem Py roxen
in Begleitung von sicheren mechanischen Folgeerscheinungen
nach Gebirgsdruck bringt eine Zustandsphase in der Geschichte
des Eukritgesteins zu einem bedeutungsvollen Ausdruck.
Magnetkies. Eine Entscheidung, ob der vorhandene
Kies als Magnetkies oder Troilit zu bezeichnen ist, könnte nur
durch eine chemische Analyse getroffen werden. Der Glanz
der auf frischer Bruchfläche bloßgelegten Kieskörnchen ist ein
hoher, vollkommener Metallglanz und die Farbe der Kies-
körnchen ist hellbronzegelb. Aus der Betrachtung echter
Troilite habe ich den Eindruck gewonnen, als zeige dieser für
gewöhnlich einen weniger vollkommenen Glanz als die Kies-
körnchen im Eukrit. Ich bezeichne daher die Kieskörnchen als
Magnetkies. Sein Auftreten ist nach den mikroskopischen
Beobachtungen auf die größeren feldspatigen Schmelzherde
beschränkt, die gleichzeitig von schwarzen Magnetitkörnern
durchsetzt sind.
Die Dimensionen der Kiesausscheidungen und deren
Formen sind sehr verschieden. Sie tragen meist zackige Aus-
bildung und selbst die kleinsten Körner tragen mehr fetzige
als rundum abgeschlossene Kugelformen. Im reflektierten
Lichte glitzern die Kiesflächen, was auf eine Zusammensetzung
der größeren Kiesmassen aus sehr feinen Kieskörnchen hin-
deutet. An den meisten Kiesfetzen haftet Magnetit und vielfach
umhüllt er dieselben. Niemals umschließt Kies den Magnetit.
Aus der Beschränkung des Kieses auf umgeschmolzene Ge-
steinspartien ist zu schließen, daß er eine Neubildung ist,
deren Entstehung von außen angeregt wurde und er gewiß
nicht als ein Urbestandteil des Eukriten zu betrachten ist. In
ähnlichen Formen erscheint der Magnetkies z. B. im Steine von
Zavid. Hier ist er aber durch die ganze Steinmasse verbreitet,
was damit zu erklären wäre, daß die Steinmasse gänzlich der
Umschmelzung unterlag. Von diesem Gesichtspunkte aus
gewinnt die Kiesführung in den Meteorsteinen eine wichtige
genetische Bedeutung.
Magnetit. Kleine, pechschwarze Erzpartikel von eckigen
bis zackigen Formen ohne jede Annäherung zu Krystallformen,
die zuweilen auch zu größeren Aggregaten zusammentreten,
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 76 1
lassen in ihren kompakteren Teilen im auffallenden Licht einen
sehr schwachen Metallglanz erkennen. Da in keinem Falle,
auch nicht an Rändern der Körner Lichtdurchlässigkeit von
brauner Farbe beobachtet wurde, so halte ich die eckigen,
schwarzen Erzkörner für Magnetit und nicht für Chromit,
auf dessen Anwesenheit man die bei der Analyse gefundenen
Chromitspuren deuten könnte. Die Magnetitkörner treten gerne
schwarmartig auf, sie begleiten in ihrer Hauptmasse die ge-
schmolzenen Feldspatpartien und sind hier gerne mit Magnet-
kies verwachsen. Überall dort, wo der Pyroxen in Mitleiden-
schaft gezogen wird, bedeckt er ihn. Schwarze Körner er-
scheinen auch als Einschluß in den Pyroxenen. In Pyroxenen
auftretende gerundete Körner mit glatter Oberfläche halte ich
für dunkles, undurchsichtiges Glas und nicht für Magnetit.
Petrographische Beschaffenheit.
Als wesentliche Gemengteile des Eukrits haben wir den
Anorthit und rhombischen und monoklinen Pyroxen kennen
gelernt. Man sollte erwarten, daß aus der Verbindungsweise
der genannten Komponenten irgendwie ein Gesteinsgewebe
resultiert,, das der gesamten Eukritmasse als ein bestimmter
petrographischer Formentypus zukäme. Diese Voraussetzung
trifft in keiner Weise zu. Es fehlt der Eukritmasse ein homo-
genes Gefüge. An ihrer Zusammensetzung beteiligen sich viel-
mehr verschiedenerlei Gesteinsformen, die ein recht wech-
selndes und vielfach selbst in ihren Einzelheiten nicht immer
ein scharfgeprägtes Gesteinsbild liefern. Man kann kurzweg
von einer zusammengesetzten Struktur des Eukrits sprechen.
Aus den mikroskopischen Beobachtungen ergibt sich vorerst
eine Unterscheidung der Eukritmasse in Gesteinsteile mit
massiger und solcher mit Trümmerstruktur. Sowohl die
massigen als die tuffigen Gesteinspartien haben dann Verände-
rungen erlitten, die durch Druck und Erhitzung veranlaßt
wurden. Insoweit als die massigen und tuffigen Gesteinsformen
jetzt im Stein erhalten sind, müssen wir sie als Reststrukturen
auffassen, die aus der unveränderten Eukritmasse in den neuen
Zustand herübergebracht wurden.
762 F. Berwerth,
Die Auseinandersonderung der verschiedenen Gesteins-
teile läßt sich unter Anwendung einiger Einschränkung leicht
erreichen, wenn man die vielfach vorhandenen, mit kohl-
schwarzer Schmelzmasse oder schwach braun gefärbtem Glase
gefüllten Klüfte als Leitlinien benützt. In vielen Fällen, aber
durchaus nicht immer, bilden nämlich diese schwarzen oder
glasigen Adern die Grenzscheide zwischen zwei verschieden
ausgebildeten Gesteinspartien oder solchen gleicher Art. Im
ersten Falle trennen sie tuffige von massig ausgebildeten
Partien und im zweiten Falle teilen sie massige oder tuffige in
mehrere gleichartige oder selbständige Gesteinsfelder.
Es mögen zuerst jene Gesteinsteile kurz charakterisiert
werden, deren Ausbildung direkt auf die Auskrystallisierung
aus dem magmatischen Zustande zurückzuführen ist. Es sind
dies jene Partien, in denen zwischen dem Pyroxen und dem
Anorthit jene Gewebeform zustande kam, die man heute
gewöhnlich als ophitische Struktur bezeichnet. Die annähernd
idiomorph ausgebildeten, in Schnitten, tafel- und leistenförmig
erscheinenden und nach allen Richtungen sich kreuzenden
Anorthitindividuen, sind durch größere, nicht idiomorph be-
grenzte Pyroxenindividuen so verkittet, daß diese im Durch-
schnitte von den Anorthitleisten in eckige Teile zertrennt
erscheinen und die Pyroxene wie zerhackt aussehen. Dieses
ophitische Verbandsverhältnis zwischen Pyroxen und Anorthit
ist geradezu in typischer Form entwickelt und deckt sich voll-
kommen mit der ophitischen Ausbildung in den irdischen
Diabasen und Doleriten (siehe Taf. II, Bild 2).
Neben den Gesteinsbrocken mit typisch ophitischer Aus-
bildung beteiligen sich auch Brocken mit echter Trümmer-
struktur an der Zusammensetzung des Eukrits. Man kann das
Haufwerk von Pyroxen und Anorthitbruchstücken als einen
echten Krystalltuff, respektive als eine Breccie bezeichnen
(Taf. II, Bild 3).
Der klastische Charakter wird diesen Gesteinsteiien am
deutlichsten durch die Bruchstückformen der Anorthite auf-
gedrückt. Im allgemeinen tragen die Bruchstücke der Anorthite
mehr die Gestalt abgerundeter Bröckchen als jene scharf-
kantiger Splitter. Der andere Gemengteil, der Pyroxen, erscheint
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 763
als Zwischenmasse oder als Träger der Anorthitbruchstücke.
Der Pyroxen überwiegt an Masse den Anorthit. In den mehr
geschlossen auftretenden, netzartig verzweigten Pyroxenmassen
ist der klastische Charakter wenig ausgeprägt, obwohl manche
Körner eine ausgesprochene Bruchstückform tragen. Im ganzen
zeigen die Pyroxene doch mehr Körnerform. Dieser unent-
schiedene zweideutige Ausdruck im Trümmercharakter, den
auch viele Anorthite bei schärferer Beobachtung zur Schau
tragen, wird nur selbstverständlich, wenn man eine weit-
gehende Umschmelzung des Tufifes annimmt. Ein solcher Vor-
gang läßt sich aus folgenden Umständen ableiten. Recht viele
Anorthite der tuffigen Parzellen haben keine Bruchstückform
und selbst dort, wo diese gewahrt erscheint, erweist sie sich
nur als eine scheinbare. Man findet nämlich viele Anorthite,
und zwar ganze Individuen, die keine Eigenform und dafür
ihre Umgrenzung von den umgebenden Pyroxenen auf-
gezwungen erhalten haben. Der Anorthit folgt genau den
Spuren der Pyroxenränder, deren konkaven und konvexen
Bogen und dringt fühlerartig in deren schmale Buchten.
Solche weitgehende Anschmiegung der Anorthite an die
Pyroxenränder läßt sich selbst an Anorthiten mit ausge-
sprochener Bruchstückform beobachten. Es fällt diese Formen-
anpassung der Feldspate umso mehr auf, als in den ophitischen
Teilen gerade die Feldspate die vollkommenere Form zeigen.
Derartige Verbandsverhältnisse, die mehr oder weniger deut-
lich, aber allgemein vorhanden sind, lassen sich in einer
Breccie oder einem Tuffe nur durch eine Stoffumlagerung
erklären, die in diesem Falle durch Schmelzung der Anorthit-
substanz und deren Wiederkrystallisierung an Ort und Stelle
vor sich gegangen ist. Mit der Umschmelzung der Anorthite
steht im engsten Zusammenhange die mehr oder weniger reiche
Anfüllung der Anorthite mit Pyroxeneinschlüssen. Es wurde
schon bei der Besprechung des Anorthits als Mineralgemeng-
teil hervorgehoben, daß die Verteilung der Pyroxeneinschlüsse
in Anorthiten eine höchst ungleichmäßige ist, und zwar sehr
verschieden in einzelnen Gesteinspartien, wie im einzelnen
Feldspatindividuum selbst. Alle unsere Erfahrungen bei magma-
tischen Gesteinsbildungen widersprechen der scheinbaren
764 F. Berwerth,
Gesetzlosigkeit im Auftreten der Pyroxeneinschlüsse. Starke
Anhäufungen oder das fast gänzliche Fehlen der Einschlüsse
in den Anorthiten zeigen uns an, daß beim Ausscheiden der
Einschlüsse an einem Orte des Steines, im gleichen Augen-
blicke an einer anderen Stelle des Steines die Gelegenheit
dazu fehlte.
Die Aufnahme der Einschlüsse und die Bedingungen zu
deren Lieferung war an lokale Vorgänge gebunden. Das örtlich
wirkende Agens besteht auch in diesem Falle in der Schmel-
zung, die nicht alle Gesteinsteile gleich stark ergriffen und
umgewandelt hat. Die Ursachen beider Erscheinungen, die
allotriomorphe Form der Anorthite im Tuffe und die lokale
Verteilung der Pyroxeneinschlüsse in den Feldspaten fallen
zusammen. Beide Erscheinungen sind in der Umschmelzung
begründet. Auch an den Pyroxenen sind aber die Spuren
starker Erhitzung kenntlich geblieben. Wo Pyroxene von der
Erhitzung stark alteriert erscheinen, was sich häufig in un-
scharfen Grenzen und Zerteilung in Körner kundgibt, sind die
benachbarten Feldspate stark mit Pyroxen beladen. Vielfach
zeigen die Pyroxengrenzen weiche, geflossene Formen in der
Nachbarschaft zu den Einschlußfeldspaten und es muß hier an
eine Abschmelzung der Oberflächenschicht gedacht werden.
Die aus farblosen Stäbchen und Körnchen bestehenden
Pyroxeneinschlüsse sind aus Pyroxenschmelze regenerierte
Pyroxene.
In der Entwicklungsphase des Steines, wo es zur Umkry-
stallisierung der meisten Feldspate und in ihnen zur Aus-
scheidung von Pyroxeneinschlüssen kam, wurden alle Gesteins-
gemengteile von der Erhitzung betroffen, aber die festeren
massigen Teile davon weniger berührt als das mehr lockere
Krystallhaufwerk. Stellenweise scheint auch Bewegung in die
Masse gekommen zu sein. An tuffige Teile schließen sich
nämlich größere Feldspatpartien, in denen gerundete Pyroxen-
körner und zackige Pyroxenkomplexe schwimmend in die
Schmelzmasse des Anorthits geraten siftd. Bemerkenswert
erscheint es mir, daß der Anorthit an diesen Stellen mehrfach
nicht in größeren Individuen auskrystallisiert ist, sondern in
kleinen Körnern, die nach Art der Albite und Quarze in den
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 765
Gneisen sich buchtig ineinander verhacken. Die Tatsache
erscheint umso beachtenswerter, als in beiden Fällen, hier
geradeso wie in den Gneisen, eine Um- und Neubildung der
Gemengteile zu der genannten Strukturform führt. Man kann
also auch die cylopischen Strukturfelder im Eukrit als Merk-
male für die Umkrystallisierung des Anorthit aufführen.
Eine Beteiligung der gesamten Pyroxenmasse an der
Schmelzung in dieser Periode des Steines läßt sich nicht sicher
beweisen.
Die großen Pyroxenkrystalle und deren Aggregate lassen
in ihrer Gestalt keine Anzeichen einer Umschmelzung und
Umkrystallisierung erkennen. Aus einer Schmelze, in die alle
Pyroxene und Anorthite gleichmäßig einbezogen wurden, müßte
bei der Erstarrung ein mehr gleichartiges und gewiß ein
anderes Gefüge als das vorhandene resultieren. Als eine auf-
fällige Erscheinung an den Pyroxenen ist aber die innige
und orientierte Verwachsung rhombischen und monoklinen
Pyroxens insbesonders in den großen Krystallen zu bezeichnen.
Die Vermutung, daß diese Art des Zusammenauftretens beider
Pyroxene unter dem Einflüsse starker Erhitzung nach einem
uns noch unbekannten Vorgange zustande kam, wird man
nicht von vorneherein ablehnen dürfen.
Über Umwachsungen von rhombischem durch monoklinen
Augit im Basalte von Burgwald berichtet Schwantke und
kommt zu der Ansicht, daß der verschlackte, nach (100) ver-
zwillingte Augit durch Umschmelzung aus Enstatit entstanden
ist. Auch Lacroix hat die Beobachtung gemacht, daß in Ein-
schlüssen vulkanischer Gesteine, wo rhombischer Pyroxen
geschmolzen ist, aus dessen Glas monokliner Augit krystalli-
sierte, welcher mit dem rhombischen orientiert verwachsen ist.
Es ist durch diese Beobachtungen also erwiesen, daß
geschmolzener rhombischer Pyroxen als monokliner Pyroxen
krystallisierte. Ich bin der Ansicht, daß die Faserung der
Pyroxene in dem Eukrit und vor allem das Erscheinen von
schachbrettartigen Feldern eher mit sekundären Umwandlungs-
erscheinungen in Übereinstimmung zu bringen ist als mit der
Annahme von einer direkten Auskrystallisierung aus dem
Magma.
766 F. Berwerth,
Als letzte für unser Auge noch durchsichtige Unterlage
des Steines ist uns also ein Gemenge von ophitischen und
tuffigen Brocken gegeben. Da die Grenzen zwischen den
zweierlei Gesteinsteilen im jetzigen Zustande nicht mehr scharf
sind und, insoweit sie kenntlich sind, mehr geradlinige als
gerundete Konturen besitzen, so möchte ich dem Eukrit eher
den Charakter einer Reibungsbreccie als einer aus Tuffknollen
zusammengesetzten Masse zuschreiben. Soweit nun die mas-
sigen und trümmerigen Teile des Steines durch Schmelzung
der Anorthite — und partiell auch des Pyroxens — eine Ände-
rung ihres ursprünglichen Zustandes erfuhren, die langsam
und ruhig verlaufen sein muß, hat mit Abschluß dieses Aktes
ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Steines begonnen.
Bei der Beschreibung der Anorthite und Pyroxene habe
ich auf die zahlreichen Kataklasspuren hingewiesen, die als
natürliche Folge starker Pressungen in der Steinmasse auf-
treten und es als wahrscheinlich hingestellt, daß auch die
Zwillingsbildungen der Pyroxene parallel (001) nach analogen
irdischen Vorkommnissen mit dynamometamorphen Vorgängen
in Zusammenhang gebracht werden können. Für die Auf-
stellung der Reihenfolge der Zustandsänderungen des Steines
ist es nun wichtig, die Tatsache festzustellen, daß die Ver-
werfungen der Anorthitzwillingslamellen in zahlreichen Fällen
auch in den mit Pyroxeneinschlüssen angefüllten Anorthiten
vorhanden sind und Verwerfungen auch an Feldspatstückchen
der Tuffmassen vorkommen. Die vorhandene Kataklase ist also
nach der ersten Schmelzperiode eingetreten. Alle diese Um-
stände müssen dahin gedeutet werden, daß die ursprünglich
bestandene Breccie im anstehenden Fels einer ruhig vor
sich gehenden Einschmelzung verfiel und erst später Pres-
sungen ausgesetzt wurde.
Außer der ersten erweislichen Einschmelzung, die für den
Stein eine Restitutio in integrum bedeutete, da das rohe Gefüge
des Steines im vorigen Stande verblieb — und der Periode der
mechanischen Einwirkungen, hat der Stein noch eine dritte
Entwicklungsphase durchgemacht, in der der Stein einer
zweiten partiellen Umschmelzung verfiel. Die Veränderungen,
die der Stein in dieser Periode in seinem Bestände erlitten hat,
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 767
tragen gegenüber der ersten Schmelzperiode nichts mehr Ver-
borgenes an sich. Das Auftreten von Glas läßt die Schmelz-
vorgänge nicht mehr fremdartig erscheinen. Die bei der zweiten
Anschmelzung vorhandenen Umstände waren entschieden
ganz andere als bei der ersten. Dort sehen wir eine vollständige
Rekrystallisierung der geschmolzenen Teile vor sich gehen,
während hier der Schmelzvorgang sich mehr in den Anfangs-
stadien befindet und vorzeitig unterbrochen worden ist. In
dieser Periode ist nur Anorthit einer vollständigen Umschmel-
zung anheimgefallen. Wo dies in größeren Partien geschehen
ist, ist der Feldspat in körnigen Aggregaten wieder krystalli-
siert oder in beschränkteren Partien als Glas erstarrt. Im
ersteren Falle nimmt er mehrfach breite Zwickel im Gestein
ein, die charakteristischerweise an den Rand des Steines
gerückt erscheinen (Taf. II, Bilder 1 und 4). Das gekörnte Anorthit-
feld ist breit am Rande, verjüngt sich nach innen und drängt
sich vielfach verzweigend zwischen die nächsten Einschluß-
feldspate und Pyroxene. In keinem einzigen Feldspatkorne wurde
eine Verzwilligung wahrgenommen. Die Lichtbrechung der re-
krystallisierten Körner ist schwächer als in den Einschlußfeld-
spaten. Als typische Begleiter dieser Feldspatpartien erscheinen
Erzkörner in meist fetzigen Formen, zuweilen gehäuft zu zackigen
Gebilden. Es sind zweierlei Erze. Ein Teil der Körner gibt bei
Abbiendung des Lichtes einen gelben und der andere einen
schwachen, blaugrauen, metallischen Reflex. Die gelben Körner
sind Magnetkies und die schwarzen Magnetit. Beiderlei Erz-
körner mit den zerzausten und verzerrten Gestalten sind mit
Ausnahme des Magnetit an die geschmolzenen Feldspatfelder
gebunden und haben für diese eine typische Bedeutung. Der
Magnetkies ist auf die größeren, mehr randlichen Schmelzherde
beschränkt, während der Magnetit auch in allen kleineren,
mehr im Innern gelegenen Schmelztümpeln steckt.
Von den größeren Schmelzherden aus sind die benach-
barten Pyroxene und Einschlußfeldspate in Mitleidenschaft
gezogen worden. Die Pyroxene werden zunächst durch Er-
hitzung stark rissig, am Rande zeigt sich Abbröckelung und
der Feldspat dringt in Buchten und Kanälen in den Pyroxen
ein. Die abgetrennten formlosen Pyroxenbröckchen geraten in
768 F. Berwerth,
die Feldspatmasse und werden von ihr eingeschlossen. In voll-
kommener Weise haben viele der Schmelzung nicht verfallene
Einschlußfeldspate ihren Bestand innerhalb des Schmelzherdes
bewahrt. Es finden sich aber auch viele von der Schmelzung
ergriffene Feldspate darin, die ganz zernagt und bis zu Skelett-
resten deformiert sind. Auf Klüften und Sprüngen, die sich bis
zum feinsten Geäder verästeln, durchsetzt geschmolzener Feld-
spat die Einschlußfeldspate. Der Gesamtanblick eines größeren
Schmelzherdes bietet ein Bild der Zerrissenheit, als hätten die
Gemengteile bei der Verfestigung nicht Zeit gefunden, sich
auch nur mit dem Scheine einer Ordnung an Ort und Stelle zu
bringen. Schmelztümpel von geringem Umfange mit stetiger
Erzführung erscheinen ganz gleichartig in massigen und in
tuffigen Teilen. Interessant ist die Variation, wo ein größerer
Pyroxen sich in einen Haufen gerundeter, kleiner Körner auf-
löst, mit geschmolzenem Feldspat als Zwischenmasse. Man
meint in diesem Strukturbild inmitten des Eukrits das Stück
eines Chondriten zu sehen, in denen ja ähnliche Bildungen
gewöhnlich sind.
Bei der Entstehung größerer regenerierter Gesteinsteile
konnte die übrige Steinmasse nicht unbeeinflußt bleiben. Man
kann denn auch von den feinsten Schmelzäderchen bis zu den
größeren Schmelzadern Übergänge beobachten. Wenn an einer.
Stelle Schmelzung bis zum Fluß eintrat, befand sich eine
andere Region des Steines mehr im Zustande der Sinterung.
An solchen Punkten sieht man eine allgemeine Dissolution des
Gemenges sich vorbereiten. Die Klüftung der Pyroxene erreicht
ihren Höhenpunkt und führt zu einer weitgehenden Körnung.
In den größeren Körnern sind die Kluftnetze mit dunklem Glas
gefüllt, von denen Verästelungen ausgehen. Die Ränder werden
zausig und verfließen im Feldspat. Die feinsten Körnchen
treten in das Gewebe mit regeneriertem, feingekörnten Feld-
spat und die ganze in den Schmelzbereich einbezogene Masse
bedeckt sich mit Magnetitkörnern, unter denen Magnetkies in
dieser Umgebung nie beobachtet wurde. Manche Pyroxene
überziehen sich mit einer dunklen Wolke, die ihre Entstehung
aus der Vermehrung der im Pyroxen eingeschlossenen Glas-
stäbchen nimmt. Bei der Anfüllung des Pyroxens mit diesen
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 769
Glasstäbchen geht das Auftreten schwarzer Körner Hand in
Hand. Die Körner sind klein und ist ein metallischer Reflex
an ihnen nicht zu beobachten. Ich halte die Körner für ver-
schlackten Pyroxen. In einem Falle war an einem solchen
scheinbar kompakten, geballten Einschlüsse deutlich eine
borstige Oberfläche zu erkennen. Das Gebilde läßt sich als ein
dichtes Gewebe der mikroskopischen Glasstäbchen auffassen.
Als Schlackenkörner möchte ich auch die Einschlüsse be-
zeichnen, die z. B. auf einem Spalte im Pyroxen sitzen. Der
Spalt ist schief angeschnitten und beim Heben und Senken des
Tubus erscheint die ganze Ebene mit schwarzen Körnern
besetzt, von denen die kleinen braun durchscheinen und die
größeren kein Licht durchlassen und schwarz bleiben. In einem
Pyroxenkrystalle ging die Verschlackung nach dessen regel-
mäßigen Durchgängen vor sich und entwickelte sich von den
Spaltrissen aus zu dicken, schwarzen Streifen.
In die zweite Schmelzperiode ist auch die randliche
Molekularveränderung der Pyroxene zu verlegen.
Die in Umschmelzung begriffenen, durch Erze und
Schlacke besetzten Gesteinspartien entsprechen den auf dem
frischen Bruche dunkelgrau gefärbten Gesteinszonen.
Es wurde schon im Eingange dieses Abschnittes des Auf-
tretens von schwarzen und deutlich glasigen Adern Erwähnung
getan, die mehrfach als Grenzscheide verschieden struierter
Gesteinsstücke erscheinen oder ein scheinbar homogenes
Gesteinsfeld in zwei miteinander nicht korrespondierende
Hälften teilen. Diese Tatsache beweist zunächst, daß viele
Adern die Fugen zwischen den einzelnen Gesteinsteilen aus-
füllen. Die Rolle als Füllmaterial kann aber nicht dem ganzen
Adernnetz zugeschrieben werden. Vorwaltend und am stärksten
sind die schwarzen Adern entwickelt. Verfolgt man das Geäder
in seinem Verlaufe nach der Verteilung und nach seiner Aus-
bildungsweise, so gewinnt man den Eindruck, daß die Adern
durchwegs ein inmitten des Steines entstandenes Schmelz-
produkt sind. Stärkere Adern, aber nicht alle, sieht man für
gewöhnlich am Rande des Steines in der Schmelzrinde aus-
laufen. Zwischen der Oberflächenschmelze und den Adern
läßt sich aber keine Beziehung herstellen. Viele Adern
770 F. Berwerth,
verjüngen sich sogar gegen den Rand und stimmen auch sub-
stantiell mit der Oberflächenschmelze nicht überein. An einer
Berührungsstelle beider war die Ader ganz schwarz und
die Rindenschmelze braun gefärbt. Gegen die Zufuhr der
schwarzen Schmelze von außen sprechen noch folgende
Beobachtungen. Eine starke Ader mit schwarzer Schmelze
(Schlacke) setzt plötzlich ab und lauft als Ader mit brauner
Substanz fort. An den Saalbändern vieler Adern bemerkt man
ferner eine Entfärbung der Substanz gegen den benachbarten
Pyroxen. Man sieht dann keine scharfe Trennung zwischen
beiden, sondern entlang ihrer Berührungsebene kurze Schmelz-
fädchen, ähnlich feinen Würzelchen, in den Pyroxen eindringen.
Die Adern bilden durchaus keine glatten Maschen im Netze.
Häufig erleiden sie eine Zertrümmerung. Die Ader tritt an
einen Pyroxenkomplex heran, zerschlägt sich in demselben
und setzt auf der anderen Seite fort. Hauptadern senden
Apophysen aus oder teilen sich auch in zwei Parallelarme
mit Quersprossen und umschließen Gesteinsmasse. Kleine
Adern setzen auch ganz selbständig in der Masse auf, ohne
Verbindung zu großen Adern oder nach außen.
Äußerst lehrreich und für die Natur der Adern bestimmend
ist der Substanzwechsel in derselben Ader. Eine schmale,
schwarze Ader läßt sich auf weitere Strecken verfolgen, plötz-
lich bricht der Strich an einem querliegenden Feldspat ab
und setzt jenseits seine Richtung fort Die Unterbrechung
der Ader ist aber nur eine scheinbare, denn innerhalb des Feld-
spates ist die Ader nicht unterbrochen und ihre Kontinuität
durch weißes Anorthitgias hergestellt. Alle genannten Er-
scheinungen weisen darauf hin, daß die Adern innerhalb der
Steinmasse durch Erhitzung entstanden sind. Zur gleichen
Ansicht, daß die feinen, schwarzen Klüfte in den Chondriten
nicht von der Rinde ausgefüllt wurden, ist schon G. v. Rath
und später Tschermak gekommen. Gegenüber den schwarzen
Adern ist die Menge der weißen Adern gering. Sie sind nur
innerhalb der Feldspate vorhanden. Gewöhnlich ist es etwas
bräunlich gefärbt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ebenso
wie die weißen Adern Anorthitgias, die schwarzen Adern
Schmelzmasse der Pyroxene sind. Wo die schwarze Masse
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 771
dünne Stellen zeigt, kann man deutlich Pyroxenreste als Unter-
lage erkennen. In der Hauptmasse wird sich jedoch auch an
den schwarzen Adern Feldspatglas beteiligen, dessen Schwarz-
färbung bei der hohen Eisenhältigkeit der Pyroxene schon
durch eine kleine Beimengung von Pyroxenschmelze erreicht
werden muß.
Chemische Zusammensetzung.
Auf meine Bitte hin hat Herr Hofrat E. Ludwig mit großer
Bereitwilligkeit die Ausführung der Analyse des Eukrits persön-
lich übernommen, wofür ich demselben zu vielem Danke ver-
pflichtet bleibe.
Die Resultate der Totalanalyse wurden aus folgenden
Bestimmungen erhalten:
I. 1-0092^ der Substanz, mit kohlensaurem Natriumkalium
aufgeschlossen, gaben 0'4977£ Si08, 0-2316^ Fe208,
0-1134£ A1208, 0- 1094g CaO, 0-1993£ P207Mg2 und
0-0042 £ Ti02.
II. 0-9860 £ der Substanz gaben 001 14^ KCl+NaCl, ferner
bei der Trennung mit Platinchlorid 0 0127^ K2P1C16.
III. 0*5492^ der Substanz mit Salpetersäure oxydiert, ergaben
0*0090 £ BaS04, entsprechend 0-00124 £ S.
Das Eisen ist vollständig als Oxydul vorhanden.
Aus diesen analytischen Daten erhält man bei Berechnung
der prozentischen Mengen der einzelnen Bestandteile folgende
Zusammensetzung für den Eukrit:
1. Si02 49-32%
Ti02 0-42
Al203 11-24
CaO 1084
MgO 7 15
KeO 2065
K20 0-25
NagO 0-40
S „ 0^23_
Summe... 100-50%
Dem S-Gehalt entsprechende O-Menge. 0*12
100-38%
Sitzb. d. mathera.-naturw. Kl.; CX1I. Bd., Abt. I. 50
772
K. Berwerth,
Qualitativ wurden Spuren von Mangan und Chrom
nachgewiesen.
Zur Bestimmung des Volumgewichtes verwendete ich ein
Gesteinsbröckchen im Gewichte von 0*5700^ und fand es
zu 3-081.
Die Resultate der Analyse von Peramiho zeigen mit jenen
bei den übrigen Eukriten gefundenen, ausgenommen Shergotty
eine gute Übereinstimmung, wie aus folgender Zusammen-
stellung hervorgeht:
Si08
Ti02
AlaOs
Fe208
CaO
MgO
FeO
K20
Na20
Fe 0-16
S 0-09
FeO.. 0-92
C1308. 0-43
p2oö
Spez. Gew.
b0
i 2
> •
* B
-* s
48
0
12'
1"
10
6-
19
0-
0-
025
1-35
0-28
100-97
3-09-3-11
bO
49-21
11-05
9-01
8-13
20-41
083
Fe 0-50
S 0-06
Mn 004
99-24
3-28
bo
c — .
c ©
3 6
CO g
a
04
48-30
12-65
11-27
6-87
19-32
0-23
0-62
Chromit:
0-54
Mno 0-81
100-61
3-01—3-17
O Q. u
* 6 2
CO J co
5021
5-90
10-41
10-00
17-59
057
1-28
Magnetit:
427
100-53
3-277
14
I 5
49-32
0-42
1P24
10-84
715
20*65
0-25
0-40
S 029
100-50
3 081
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 773
Die erheblichen Abweichungen in der Analyse von Sher-
gotty beruhen auf der Anwesenheit eines labradoritischen statt
anorthitischen Feldspates.
Bei dem Versuche, die chemischen Bestandteile des
Eukrits auf die mineralogisch nachgewiesenen Gemengteile zu
verrechnen, wurden die geringen Mengen von Schwefel und
Titansäure unberücksichtigt gelassen. Es ist gar kein Anhalts-
punkt dafür gegeben, ob die Titansäure als Vertreterin von
Kieselsäure im Pyroxen steckt oder als Erzgemengteil vor-
handen ist. Die Schwefelmenge wäre auf Magnetkies zu be-
rechnen. Auch hiebei begegnet man Schwierigkeiten, da die
Zusammensetzung des Magnetkieses verschieden angegeben
wird. Beide Gemengteile wurden deswegen proportional auf
die übrigen Gemengteile verteilt und wegen weiterer Verein-
fachung der Berechnungen auch der Kaliumgehalt auf Natrium
verrechnet. Die so erhaltene Analysensumme wurde auf 100
reduziert und ist unter II zusammengestellt.
IL Si02 49-46°/(
Ti02 —
A1208 11-27
CaO 10-85
MgO 7-15
FeO 20-71
K20 —
NajjO 0-56
S -
o
100-00°/(
o
Macht man die Annahme, daß der ganze Tonerde- und
Alkaligehalt im Feldspate gebunden ist, wozu uns in diesem
Falle die Erfahrung berechtigt und auch die mineralogischen
Beobachtungen nicht dagegen sprechen, so zerfallt die Analyse
in einen feldspatigen und einen pyroxenischen Anteil.
Aus der Rechnung ergibt sich ein Mengenverhältnis von
29-80% Feldspat und 70-20% Pyroxen.
Der Feldspat entspricht dem Mischungsverhältnisse
Ab2Ann, das ist ein hart an der Grenze zwischen Bytownit
50*
774 F. Berwerth,
und Anorthit stehendes Mischungsglied. Es muß bemerkt
werden, daß dieses aus der Analyse gefundene Resultat mit
den physikalischen Beobachtungen fast genau übereinstimmt.
Nach Eliminierung des auf den Feldspat fallenden Analysen-
teiles bleibt ein Pyroxenrest übrig, dessen Zusammensetzung
dem Verhältnisse
Ca0.2Mg0.3Fe0.6Si02 oder CaMg2Fe3Si6018
sehr nahe entspricht. Bei Verwendung dieser für den Feldspat
und den Pyroxen gefundenen Verhältniszahlen ergibt sich
folgende Zusammensetzung des Eukriten:
Berechnet Total Total
' — — ■ — ^^ — ■**" ^ gefunden beobachtet
Ab2An11 Ca.Mg2.Fe3Si6018 ^^^-^-^^ n^^^v^— >
Si02 13-99 35-50 49*49 4946
A^Og .... 10-20 — 10-20 11*27
CaO 5-07 5-52 1059 10*85
MgO — 7-89 7-89 7*15
FeO — 21-29 21-29 20*71
NagO 054 — 0*54 0-56
29-80 70-20 100-00 100*00
Für eine Zerlegung des pyroxenischen Teiles in die mono-
kline und rhombische Komponente fehlen alle Grundlagen.
Aus dem großen Eisengehalt ist jedoch im Zusammenhalte mit
dem negativ gefundenen optischen Charakter des rhombischen
Pyroxenminerals mit Sicherheit zu entnehmen, daß der rhom-
bische Pyroxen im Eukrit ein eisenreicher Hypersten ist.
Der Versuch, die chemische Zusammensetzung des monoklinen
Pyroxens zu deuten, führt zu der Erkenntnis, daß der Kalk-
gehalt nicht ausreicht, um ein Mischungsglied der Diopsid-
formel zu bilden. Diese Tatsache wurde schon von Tschermak
bei der Untersuchung des Augitminerals im Shergottymeteoriten
erkannt und von ihm die Ansicht ausgesprochen, »daß das
augitähnliche Mineral eine Verbindung darstellt, welche in den
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 775
irdischen Mineralen noch nicht aufgefunden wurde«. Das Vor-
handensein einer vom normalen Diopsid verschiedenen Ver-
bindung bestätigt auch der auffällig klein gefundene Achsen-
winkel 2F=23°.
Bei seinen Untersuchungen über die Herstellung tonerde-
freier Augite aus Schmelzflüssen hat Vogt * nachgewiesen,
daß sich bei gegebenen Bedingungen Augite ausscheiden, in
denen ein Oberschuß von CaSiOs oder CaCaS^Og vorhanden
ist. Nach der Analogie schließt Vogt, daß ein tonerdefreier
Augit auch etwas Überschuß von der Verbindung (Mg Fe) Si02
enthalten kann. Dafür, ob im Eukrit vielleicht der letztere
Fall eingetreten ist, fehlt uns jede Bestätigung. Auch der An-
nahme muß man widerstehen, daß sich im monoklinen Pyroxen
des Eukrits möglicherweise ein Mischungsglied der auf künst-
lichem Wege bekanntgewordenen monoklinen, kalkhaltigen
Enstatit-Hyperstenverbindung verberge; die wahre Zusammen-
setzung des monoklinen Pyroxens im Eukrit muß noch weiter-
hin unentschieden bleiben.
Da niemand die Ausscheidung der Eukritgemengteile aus
einem Magma anzweifeln wird und da selbst bei den späteren
Umwandlungsphasen des Steines an Stoffen nichts verloren
gegangen oder hinzugekommen ist, so besteht keine Schwierig-
keit, das zum Eukrit entwickelte Magma auf seine elemen-
tare Konstitution zu prüfen. Nach dem von Rosenbusch
befolgten Vorgange wurden die zur Gewinnung des Metall-
atomenverhältnisses durchgeführten Berechnungen aus folgen-
den Zahlen erhalten:
II. Analyse I mit proportionaler Verteilung der Titansäure und
des Schwefels, Kali auf Natron verrechnet und die Analyse
auf 100 reduziert.
III. Molekularproportion der Analyse II.
IV. Molekularproportion der Analyse II, auf 100 gerechnet.
V. Verhältniszahlen der Metallatome.
VI. Verhältniszahlen der Metallatome, auf 100 gerechnet.
1 Beiträge zur Kenntnis der Gesetze der Mineralbildungen in Schmelz-
massen und in neovulkanischen Ergußgesteinen. Archiv for Mathematik og
Naturvidenskab, 1890, Bd. XIII, p. 34 ff.
776 F. Berwerth,
II HI IV V VI
SiOi 49-46 82-43 51-40 Si 85*64 48*93
TiO, _____ __ _
Alj08 11-27 11-05 6-89 AI 13-33 7-62
CaO 10-85 19-38 12-08 Ca 21-55 12-31
MgO 7-15 17-87 1114 Mg 27*83 15*90
FeO 20-71 28-76 17-93 Fe 24*89 14-22
K20 — — — — —
Na^O 0*56 0-90 0-56 Na 1*78 1*02
100-00 Mol.Z. 160-39 100*00 M.A.Z. 175-02 100*00
A.Z. 442-32
Spezifisches Gewicht .. . 3-081.
Man erkennt aus diesen Zahlen, daß der Eukrit von Pera-
miho bei dem starken Vorwalten des Metallkernes RSi an die
äußerste Grenze der Gabbromagmen gegen die peridotitischen
Magmen hin zu liegen kommt.
Meteorischer Eukrit von Peramiho. 777
Erklärung zu Tafel IL
1. Allgemeines Strukturbild des Eukrits. Trümmercharakter vorherrschend.
Die weißen Anorthitstücke werden von Pyroxen getragen. Die fein-
gekörnte, im Bilde oben von außen nach innen trichterig verlaufende
Partie ist ein Schmelzherd, schwarz gefleckt von Magnetit und Magnetkies.
Schwarze zerspaltene Schmelzadern durchsetzen die Steinmasse.
(Vergr. 9X.)
2. Gesteinspartie mit ophitischer Struktur. (Vergr. 15X-)
3. Gesteinspartie mit Trümmerstruktur. (Vergr. 15X-)
4. Vergrößerung der im Bilde 1 oben erscheinenden umgeschmolzenen
Gesteinspartie. Körnig rekristallisierte Feldspatmasse mit Einschlußfeld-
spaten, abgebröckelten Pyroxenstückchen, Körnern und Fetzen von
Magnetit und Magnetkies. (Vergr. 15 X)
5. Links oben im Bilde der Durchschnitt eines Anorthits nach der Fläche
(100). Zeigt gleichmäßige Zwillingslamellierung nach dem Albitgesetz
und das Eintreten von Periklinlamellen, vom Rande nach innen auskeilend.
Der Albitzwilling rechts zeigt Verwerfung der Zwillingslamellen. Auch
sonst kommt in der Masse deutliche Kataklase zum Ausdruck. Die
großen Körner links unten und in der Mitte sind gefaserte Mischkristalle
von rhombischem und monoklinem Piroxen. (Vergr. 50 X Nicols-4-.)
6. Anorthitkristall aus zwei Zwillingshälften bestehend. Schnitt quer zur
Vertikalachse. Zeigt stäbchenförmige Pyroxeneinschlüsse, staketenartig auf
die Zwillingsgrenze gestützt. Die Stäbchen lagern parallel der Prismen-
fläche (110). Zu beachten ist die allotriomorphe Begrenzung des
Kristalls gegenüber den angrenzenden Pyroxenen. (Vergr. 50 X •)
7. Inmitten des Budes ein großes Korn monoklinen Pyroxens. Schnitt
parallel (010). Schalige Zusammensetzung nach (100). (Vergr. 80X.)
8. Am Schliffrande liegender nicht homogener Pyroxenkristall. Schnitt ||
(010). Zeigt Lamellierung nach (001). Jede Lamelle ist feingefasert und
im polarisierten Lichte zerfällt das ganze Pyroxenfeld in Felder monoklinen
und rhombischen Pyroxens von schachbrettahnlicher Zeichnung. Die
hellen Felder entsprechen rhombischem, die dunklen Felder monoklinem
Pyroxen, zwischen beiden auch Mischfelder beider Pyroxene. Ver-
wachsung der Pyroxene (100) || (100). (Vergr. 70 X- Nicols-K)
F. Berwerth: Der meteorische Eukrit von Peramiho.
Taf.I.
Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd.CXH Abt.I.190a
A.SwobodaTLd.K*t-ge7..a.lith. LrthJln*t.r Alb. Berger Wien VHI.
Berwerth, F.: Meteorischer Eukrit von Peramiho.
Tafel II.
Autor phot. Lichtdruck v. Max Jafte. Wien.
Sitzungsberichte tl. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Clas^e, Bd. CXII. Abth. I. 1903.
779
Untersuchungen an einigen Lebermoosen. II
von
Emma Lampa.
(Mit 4 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 22. Oktober 1903.)
Durch ziemlich ausführliche Untersuchungen an Leber-
moosen l war ich zu der Anschauung gekommen, das Leber-
moosstämmchen, ob thallös oder beblättert, entstehe in der
Weise, daß in einer Zelle, gewöhnlich der Spitzenzelle
eines Keimfadens, durch zwei mehr oder weniger
senkrecht aufeinanderstehende Längswände drei
Segmente gebildet würden. Aus dem dritten Segment
wird durch eine dritte Teilungswand eine typische Scheitel-
zelle herausgeschnitten, welche weiterhin Segmente bildet, die
gewöhnlich nach drei Richtungen im Räume liegen. Die in der
Literatur beschriebene Quadrantenteilung, die Anlage des
Pflänzchens, d. i. der geschlechtlichen Generation in einem
Quadranten, der dadurch gegenüber den anderen gefördert
erscheint, konnte ich niemals beobachten. Dadurch
konnte ich auch der Auffassung, daß zwischen Keimfaden
und Moospflänzchen ein selbständiges Stadium, die Keim-
scheibe, eingeschoben sei, nicht zustimmen.
Auch Campbell8 fand bei seiner Untersuchung von
Riccia hirta, daß das Pflänzchen aus einer sehr früh ange-
legten Scheitelzelle entstehe, daß diese Segmente abschneide
i Lampa E., diese Sitzungsberichte, Bd. CXI. Vgl. die dort angeführte
Literatur.
* Campbell, The structure and development of the Mosses and Ferns.
London, Macmillan and Co., 1895.
780 E. Lampa,
und daß das ganze Gebilde in der Richtung der Wachstums-
achse des Keimfadens sich fortentwickle. Die zwischen Keim-
faden und Moospflänzchen eingeschobene Keimscheibe, an der
nach Angabe Lei tgeb's und anderer Autoren das Pflänzchen
seitlich angelegt werde, konnte von diesem Forscher für die
von ihm untersuchte Art nicht bestätigt werden.
Da das Stämmchen aus jenem Quadranten entstehen soll,
der zum Lichte am günstigsten liege, nahm ich an, daß
Kulturen, die unter bestimmten Lichtverhältnissen gezogen
würden, einige Aufschlüsse in diesem Sinne gewähren könnten.
Da Chomiocarpon quadratus eine deutliche Gliederung in
Stamm und Beblätterung in der jüngsten Anlage gezeigt hatte,
wurde diese Form zur Aussaat gewählt.
Es wurden folgende Versuche unternommen: Die Schalen,
in welchen die Sporen auf Erde ausgesäet worden waren,
sollten in innen geschwärzte Kistchen gebracht werden. Bei
dem einen Kistchen konnte das Licht nur durch eine oben
eingeschnittene Öffnung hereinfallen, deren vier Seiten je 4 cm
lang waren; bei dem anderen hatte das Licht durch eine seit-
lich angebrachte, ungefähr \0cm lange, 2 cm breite Öffnung
Zugang. Die Öffnungen waren mit Glasplatten versehen.
Unmittelbar nach der Aussaat wurden die Sporen dem vollen
Lichte ausgesetzt, da es sich herausgestellt hatte, daß die
Keimung bei der geringen Lichtintensität, die im Kistchen vor-
handen war, überhaupt unterblieb. Die Aussaaten wurden täg-
lich angesehen und, als sich mehrere einzellige Keimlinge
zeigten, in die Kistchen versetzt Sorgfältig wurde darauf
geachtet, daß Kistchen und Schale immer in derselben Lage
blieben, so daß die Keimlinge immer die gleiche Stellung zum
Lichte einnahmen. Daß anderes Licht als das von oben oder
das seitliche auf die Kultur einwirken konnte, darf als aus-
geschlossen betrachtet werden, da die kurze Zeit, in der die
Kulturen aus den Kistchen genommen wurden, um das Unter-
suchungsmaterial zu erhalten, doch wohl nicht in Betracht
kommt.
Das Wachstum der Keimlinge ging außerordentlich lang-
sam von statten.
Untersuchungen an Lebermoosen. 781
In der Kultur im Oberlichte zeigten sich wenig Unter-
schiede gegenüber einer Aussaat unter normaler Beleuchtung
und sonst wenig günstigen Verhältnissen. Der Keimschlauch
wuchs aufrecht. In einer Spitzenzelle wurden wie immer drei
Segmente gebildet und die Spitzenzelle konstituiert Zuweilen
wurde ein viertes Segment, das erste der nächsten Blattfolge,
abgeschnitten oder die Scheitelzelle wuchs zu einem Keim-
schlauch aus. Gewöhnlich erreichte der Keimfaden abnormale
Länge und etiolierte. Einige unbestimmte Teilungen an solchen
Gebilden gaben keinerlei Aufschlüsse. Die Kulturen gingen
bald, offenbar an den ihnen nicht zusagenden äußeren Bedin-
gungen zugrunde. Hervorzuheben ist, daß an den Segmenten
(also an der früher genannten Keimscheibe) keine Richtungs-
änderung gegen den Keimfaden zu sehen war und daß sich
alle Segmente gleichwertig verhielten (Taf. I, Fig. 1 bis 7).
Interessanter gestaltete sich die Aussaat unter seitlicher
Beleuchtung. Die Keimlinge wuchsen erst aufrecht vermutlich
unter dem Einflüsse des normalen Lichtes, dem sie erst aus-
gesetzt waren, damit sie überhaupt keimten. Der Keimfaden
war anfangs ungeteilt und chlorophyllos, dann bog er sich in
einem fast rechten Winkel gegen die seitliche Lichtöffnung zu.
Die Spitze ergrünte nun lebhaft, es wurden mehrere Teil-
wände senkrecht zur nun eingeschlagenen Wachstumsrichtung
gebildet. Dann wurde das Pflänzchen in der gewöhnlichen
Weise angelegt (Abbildung Taf. I, Fig. 8 bis 11). Die jetzt
bestehende Wachstumsrichtung blieb dem ganzen Pflänzchen
erhalten, Bevorzugung irgend eines Segmentes war nicht zu
bemerken. Und doch hätte nun müssen die von verschiedenen
Autoren gelieferte Angabe, daß das Pflänzchen in dem am
günstigsten zum Licht gelegenen Quadranten einer Keim-
scheibe angelegt werde, sich bestätigen, denn die seitliche
Beleuchtung, so einseitig und ausschließlich wie in diesem
Falle, hätte eine Förderung in diesem Sinne, wenn überhaupt
eine solche Tendenz in dieser Entwicklung gelegen, nach sich
ziehen sollen. Das war jedoch nicht der Fall. Die Abbildungen
zeigen, daß keine Asymmetrie zustande kam, die zu gunsten
der Annahme spräche, daß das Pflänzchen in einem Qua-
dranten, dem dem Lichte zugewendeten, angelegt würde.
782 E. Lampa,
Im Gegenteil, die »Quadranten«, das heißt die ersten nach
bestimmter Gesetzmäßigkeit entstandenen Zellen blieben auch
unter diesen Verhältnissen vollständig gleichwertig, ohne
Bevorzugung der einen oder der anderen in Bezug auf Anlage,
respektive Weiterentwicklung des Pflänzchens. Die Keim-
scheibe ist eben kein Gebilde, das den Obergang vom Keim-
faden zum Moospflänzchen vermittelt, sondern die Anlage des
Pflänzchens selbst. Die Quadranten sind die ersten, einander
gleichwertigen Segmente und liefern durch Teilungen nach
innen das Stämmchen, durch das Weiterwachsen der Zellen
nach außen eine, wie dies später noch einmal gezeigt werden
soll, reduzierte Beblätterung.
Unter denselben Belichtungsverhältnissen wurden Sporen
von Plagiochasma elongatum zur Keimung gebracht. Die nor-
male Keimung, die nebenbei beobachtet wurde, zu beschreiben,
dürfte unnötig sein, da dieselbe mit der von Plagiochasma
rupestre nahezu identisch ist.1
Die Keimlinge der Kultur im Oberlichte zeigten nach
vielen mißratenen Versuchen endlich nach einigen besonders
hellen Tagen zum Teile normales Verhalten (Abbildung Taf. I,
Fig. 12 bis 15). Häufig ging das schon angelegte Pflänzchen
in einen Keimschlauch über und dann zugrunde (Fig. 16).
Unter dem Einflüsse der seitlichen Beleuchtung entstanden
unglaublich lange, farblose, zunächst ungeteilte Keimfäden.
Die Anlage des Pflänzchens wurde zuweilen durch die typi-
schen Teilungen in der Spitzenzelle eingeleitet, die drei Seg-
mente mit der Scheitelzelle gebildet (Fig. 18, 19). Meistens
entstanden ganz absonderliche Gestalten, die weder für noch
gegen meine Anschauungen zu verwenden waren. Recht
sonderbar verhielt sich eine Aussaat, die erst im Oberlichte,
dann, da sie zufallig noch kräftig genug war, im Seitenlichte
gezogen wurde. Erst wurde das Pflänzchen in normaler Weise
angelegt, dann entstanden unter dem Einflüsse der seitlichen
Beleuchtung aus dem Pflänzchen mehrere Keimfaden, die
manchesmal wieder normale Pflänzchen entwickelten (Taf. 1,
Fig. 17, 19). Keine der Kulturen blieb lange genug erhalten,
1 Lampa, Untersuchungen an einigen Lebermoosen.
Untersuchungen an Lebermoosen. 783
um den Einfluß des mangelhaften Lichtes auf das Flächig-
werden der Keimlinge erkennen zu lassen.
Keineswegs ist das Austreten der Keimfäden aus dem
Pflänzchen unter schlechten Beleuchtungsverhältnissen bloß
eine Eigenschaft ganz junger Stadien, also der »Keimscheibe«.
Ich habe Keimfäden aus ziemlich großen Farnprothallien und
an größeren Lebermoospflänzchen hervorkommen sehen, be-
sonders nach plötzlichen Wetterstürzen im Winter, die recht
dunkle Tage zur Folge hatten. Ich glaube, daß dieser Vor-
gang eine Rückschlagserscheinung ist, die für die Auffassung
der Frage nach der Anlage des Lebermoospflänzchens un-
wesentlich ist.
Normal hat der Keimfaden vermutlich die Aufgabe, den
Keimling bis zu dem für die Anlage des Pflänzchens günstigen
Moment zu bringen. Seine Länge, Zellenzahl etc. ist deshalb
verschieden, auch innerhalb der einzelnen Art. Er kann lang
und verzweigt oder auch unverzweigt, sehr kurz, bis auf
eine Zelle reduziert sein oder ganz fehlen. Das Pflänzchen
selbst läßt, mindestens in seiner Jugendform, ein Festhalten
an einem bestimmten, gesetzmäßig vor sich gehenden Ent-
wicklungsmodus unschwer erkennen. Anderseits gibt auch die
Verschiedenartigkeit der Gestaltung des Keimfadens manchen
Aufschluß. Bei Formen, welche normal die Keimung durch
Mehrzelligwerden der Spore einleiten, kann nichtsdestoweniger
zuweilen ein Keimfaden gebildet werden (Scapania). Bei
manchen Jungermanniaceen entstehen neben einfachen mehr-
zelligen Keimfäden solche, die mehr oder weniger reich ver-
zweigtsind und sich der Form nach dem typischen Laubmoos-
protonema nähern, z. B. bei Lophocolea heterophylla Dum.,
Cephalozia bicuspidata Dum., Nardia hyalina Carr. (Taf. II,
1 bis 13). Es besteht demnach zwischen dem Protonema der
Laubmoose und dem Keimfaden der Lebermoose nur soweit
ein Unterschied, als letztere gewöhnlich stark reduzierte
Gebilde im Verhältnisse zu ersteren darstellen.
Bei meinen Aussaaten im Winter 1902/1903 habe ich
im allgemeinen wenig Glück gehabt. Vielleicht hatten die
784 E. Lampa,
zahlreichen trüben Tage im letzten Winter einigen Anteil
daran. Es gelang mir bei wenig Formen, die Kultur bis zum
vollständig ausgewachsenen Pflänzchen zu bringen. Doch
habe ich in allen Fällen die erste Anlage des Pflänzchens
in einer Weise sich vollziehen sehen, die eine Gesetzmäßig-
keit für die Marchantiaceen, die akrogynen und die anakro-
gynen Jungermanniaceen und für Anthoceros im gleichen Sinne
erkennen ließen.
Um allzu große Einförmigkeit zu vermeiden, will ich
mich begnügen, nur die mir besonders instruktiv erschei-
nenden Formen zu beschreiben.
Duvalia rupestris Nees (Taf. II, Fig. 14 bis 22).
Aus der Spore tritt durch das gesprengte Exosporium
der Keimfaden aus. Ganz ähnlich wie bei Chomiocarpon
quadratus wird in der Spitzenzelle durch eine Längswand
das erste Segment abgeschnitten. Die eine Hälfte der Spitzen-
zelle wird von einer senkrecht auf der ersten Längswand
stehenden Wand geteilt Die frühere Spitzenzelle enthält nun
drei Segmente. Während in den Segmenten Wachstums-
vorgänge stattfinden, die diese nicht nur in der Richtung der
Hauptachse des Keimlings vergrößern, wird im dritten Seg-
ment eine median gelegene Scheitelzelle konstituiert, welche
zunächst ein viertes Segment abschneidet, das ungefähr über
dem ersten Segment zu liegen kommt Wie bei Chomiocarpon
quadratus erweckt das Pflänzchen in diesem Stadium den
Eindruck eines Gebildes, dessen Segmente ähnlich wie bei
den Laubmoosen nach innen das Stämmchen bilden, nach
außen Blattanhänge nach drei Richtungen im Räume ent-
wickeln. Die Deutung dieser Anhänge als reduzierte Blätter
ergab sich auch aus dem Vergleiche mit jungen Entwicklungs-
stadien weniger reduzierter Lebermoose, z. B. von Fossom-
bronia.
Übrigens widerspricht Duvalia besonders deutlich der
Auffassung der Bevorzugung eines Segmentes dadurch, daß
dieses zum Pflänzchen weiterwächst. Die median gelegene
Scheitelzelle ist hier ganz unverkennbar (Fig. 17 bis 19).
Untersuchungen an Lebermoosen. 785
Das Pflänzchen geht wie Chomiocarpon und andere
Formen in eine Fläche über. Die neugebildeten Zellen werden
in immer größerem Maße von dem flächigen Stämmchen in
Anspruch genommen, während der Anteil der Blattgebilde an
dem von der Scheitelzelle abgeschnittenen Segmente immer
mehr reduziert wird (Fig. 19 bis 21).
An der Unterseite des erwachsenen dorsiventralen Pflänz-
chens finden sich Gebilde, welche den im ersten Entwicklungs-
stadium entstandenen Blattanlagen gleichen und gewiß nicht
ohne Beziehung zu diesen sind (Fig. 22).
Das Verhalten der Scheitelzelle beim Obergang in die
flächige Form festzustellen, konnte mir nicht gelingen, da in
diesem Stadium die jüngsten Segmente noch Blattgebilde ent-
wickeln, die die Scheitelzelle verdecken. Die Scheitelzelle selbst
ist bei größeren Pflänzchen später oft sehr schön zu sehen
(Taf. IV, Fig. 10).
Riccia glauca L. (Taf. III, Fig. 1 bis 13).
Der Spore entspringt eine Zelle, die zunächst zu einem
ziemlich langen ungeteilten Faden auswächst. Doch möchte
ich dies nicht als typisch und notwendig bezeichnen, da,
wie ich dies schon hervorgehoben habe, der Keimfaden sich
zumeist bei jeder Aussaat anders verhält Das Ende des Keim-
fadens schwillt an und wird durch eine Wand von diesem
getrennt. Die erste Anlage des Pflänzchens erweckt den Ein-
druck der in der Literatur beschriebenen Quadrantenteilung,
die »Quadranten« stehen in mehreren sogenannten Stock-
werken übereinander (Fig. 1 bis 5). Das Pflänzchen gleicht
dem zylindrischen Körper, der sonst als erste Anlage aus
Sporen entsteht, die keinen Keimfaden entwickeln, z. B. bei
Conocephalus, Pellia, Blyttia u. a. Auch hier ist deutlich eine
Gliederung in drei Segmente erkennbar. Ich halte übrigens
nicht gerade die Dreizahl der Segmentierung für sonderlich
wichtig, habe aber bisher nur diese beobachten können.
Nach Fellner 's Angabe1 soll nun in einem Quadranten
lebhaftere Zellvermehrung eintreten, während die anderen
1 Fellner, Die Keimung der Sporen von Riccia gl. Jahresber. des nat.
Ver. in Graz, 1875.
786 E. Lampa,
Quadranten durch stärkeres Längenwachstum diesen über-
ragen. Es bilde sich dadurch eine mehr oder weniger tiefe
Grube, an deren seichterem Rande die Stelle raschester Zell-
vermehrung und somit der Scheitelpunkt sei.
Das konnte ich nun nicht gerade finden. Einzelne ganz
junge Pflänzchen zeigten eine deutliche median gelegene Scheitel-
zelle. (Abbildung 5 bis 8. Die Abbildung 6b zeigt zur größeren
Klarheit die nach Weglassung des älteren Segmentes freigelegte
Scheitelzelle.) Ein gefördertes Segment gegenüber den anderen
konnte ich nicht erkennen, hingegen unschwer auch hier den-
selben Modus der Entwicklung herausfinden, den die ein-
facheren Vorgänge bei Chomiocarpon, Duvalia, Plagiochasma
etc. klargelegt hatten. Die Dorsiventralität tritt sehr bald
ein. Das flächig gewordene Pflänzchen trägt Blattanhänge
von seinem basalen Ende bis zur Scheitelregion. Auf der
Unterseite stehen Gebilde, die Blattanhänge in verschiedener
Größe, mit oder ohne Papille endigend, darstellen (Fig. 9
bis 13).
Pellia endiviaefolia Dum. (Taf. IV, Fig. 1 bis 9 und 11).
Die Sporen sind beim Herausfalien aus dem Sporogon
entweder ungeteilt oder mehrzellig. Bei den ungeteilten Sporen
treten die ersten Teilwände einfach später in derselben Weise
auf wie bei den mehrzelligen. Die Spore quillt stark auf und
zeigt nun eine durchscheinende und eine dunkle Hälfte. All-
mählich ergrünt die ganze Spore. Im durchscheinenden Teile
gehen lebhaftere Zellteilungen vor (Fig. 1); der ersten Wand,
die die Spore in zwei Teile schied, wird eine schiefstehende
Wand aufgesetzt, dieser folgt eine zweite, bis eine dritte
schiefstehende Wand eine prismatische Scheitelzelle heraus-
schneidet (Fig. 2 bis 5). Währenddem ist die dunklere Sporen-
hälfte durch eine Senkrechte auf der ersten Wand geteilt
worden (Fig. 3, 5, 6). Das junge Pflänzchen ist nun ein zylin-
drischer Körper, dessen basaler Teil mit seinen geringen
sekundären Wachstumsvorgängen vielleicht auf den Rest eines
weitgehend reduzierten Keimfadens zurückgeführt werden
kann. Im oberen Teile des Pflänzchens werden von einer
Untersuchungen an Lebermoosen. 787
Scheitelzelle aus — Hofmeister1 nimmt deren mehrere an —
den früher beschriebenen Segmenten ähnliche Bildungen ent-
wickelt und zwar nach mehreren Richtungen im Räume. Diese
Segmente gelangen zu keiner Differenzierung, die zur An-
nahme eines gesonderten Wachstums außerhalb des zylindri-
schen Stämmchens Anlaß geben könnten (Fig. 6 bis 7). Das
Pflänzchen steht aufrecht — vermutlich wird dies durch den
kräftigen basalen Teil und das Fehlen des Keimfadens ver-
anlaßt. Seine zylindrische Gestalt geht ziemlich unvermittelt
in die Bandform über, an welcher sich erst allmählich Unter-
schiede zwischen Ober- und Unterseite zeigen. Am Rande des
Pflänzchens zeigen sich manchesmal Papillen, an der Unter-
seite unregelmäßig angeordnete Ventralschuppen, an der Ober-
seite ein mehrschichtiger Wall von Zellen, dessen jüngste
Zellregion den Eindruck einer sehr reduzierten Blattanlage
hervorruft (Fig. 8, 9, 11). An ziemlich großen Pflänzchen mit
schon ausgebildeter Dorsiventralität ist das zylindrische Ge-
bilde, das unmittelbar aus der Spore hervorging, noch sichtbar
(Fig. 8). Leitgeb nimmt für Pellia epiphylla Quadranten-
teilung und Anlage des Pflänzchens in einem durch das Licht
geförderten Quadranten an. Pellia endiviaefolia gleicht in
seiner Jugendform durchaus der von P. epiphylla. Es ist nicht
anzunehmen, daß bei diesen Arten die Anlage des Pflänzchens
in so verschiedener Weise erfolgen soll.
Blyttia Lyell« Endl. (Taf. IV, Fig. 12 bis 18).
Die Spore quillt stark auf und wird durchscheinend und
grün. Tn ihr zeigen sich keinerlei Teilungsvorgänge. Der Keim-
ling schiebt sich durch eine offenbar zerrissene Stelle (Fig. 12
bis 14) des Exosporiums. Neben der ersten Zelle des Keim-
lings kommt ein Rhizoid heraus. Die Bildung des Keimfadens
unterbleibt. Die Spore und die erste Zelle vergrößern sich
noch beträchtlich; in dem in der Spore verbliebenen Teile des
Keimlings entstehen wenige, gewöhnlich vertikale Teilwände.
In der aus der Spore ausgetretenen Zelle spielen sich die-
selben Vorgänge ab wie bei Pellia.
1 Leitgeb, Untersuchungen über die Lebermoose.
Sitzb. d. mathem.-natunv. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 51
788 E. Lampa,
Durch schief zueinander stehende Teilungen wird eine
Scheitelzelle herausgeschnitten, die dann mit deutlich drei-
zeiliger Segmentierung das Wachstum des Pflänzchens weiter-
führt (Fig. 16). Die Segmente enden häufig mit je einer Papille,
die sich von dem sonst zylindrischen Stämmchen abhebt
(Fig. 17, 18). Denselben Vorgang beobachtete ich bei Scapania,
nur mit dem einen Unterschiede, daß der zylindrische Körper
zuweilen an einem kurzen Keimfaden entstand, zuweilen
gleich aus der Spore hervorging. Die vollständige Entwick-
lung bis zur ausgewachsenen Pflanze konnte^weder bei Blyttia
noch bei Scapania beobachtet werden.
Lophocolea heterophylla Dum. (Taf. II, Fig. 6 bis 10).
Der Keimfaden ist bei L. heterophylla entweder mehr-
zellig und unverzweigt oder er ist, und das ist der häufigere
Fall, ein ziemlich reich verzweigtes Protonema. Am Ende
eines stets mehrzelligen Fadens wird das Pflänzchen ange-
legt. An den verzweigten Protonemen wurden zuweilen zwei
Pflänzchen ausgebildet. Es ist natürlich nicht unmöglich, daß
auch mehrere entstehen können, doch beobachtet wurde dies
nicht.
In einer Spitzenzelle werden drei Segmente gebildet, aus
deren Mitte die Scheitelzelle entsteht. Diese schneidet die
folgenden Segmente in einer Weise ab, die das Pflänzchen
in diesem Stadium einer Laubmoosknospe auffallend ähnlich
erscheinen läßt. Rhizoide werden bis dahin keine entwickelt,
weder an Pflänzchen, die an einem einfachen, noch an solchen,
die an einem verzweigten Protonema entstehen. Ähnliche Ver-
hältnisse bestehen für Nardia hyalina Carr. (Fig. 1 bis 5). In
mancher Aussaat zeigten sich mehr verzweigte Faden, in
mancher mehr unverzweigte. Zur Anlage des Stämmchens
kam es nur in wenig Fällen und auch da gelangten nur die
jüngsten Stadien zur Entwicklung. Dieselbe Verzweigung des
Protonemas findet sich auch bei Cephalozia bicuspidata Dum.
(Fig. 11 bis 13). Zur Vollendung des angefangenen Pflänzchens
bis zum erwachsenen Zustande kam es leider bei keiner dieser
Formen.
Untersuchungen an Lebermoosen. 789
Es mag nebensächlich erscheinen, ob die geschlechtliche
Generation der Lebermoose an einer Keimscheibe angelegt
wird oder an einer Spitzenzelle am Ende eines Fadens, der
bis dahin nur Teilungen nach einer Richtung aufwies. Und
trotzdem muß ich noch einmal darauf zurückkommen. Meine
Beobachtungen ließen mich in der Anlage des Lebermoos-
pflänzchens einen Vorgang erkennen, der sich in der ganzen
Reihe der Hepaticae, bei den Marchantiaceen, den akrogynen
und den anakrogynen Jungermanniaceen und bei Anthoceros
in derselben Weise abspielt.
Die Arten, welche untersucht wurden, waren nicht aus-
gewählt in Rücksicht auf morphologische oder sonstige Ver-
hältnisse derselben. Ich säete die Sporen aus, die ich erhalten
konnte, und untersuchte jene, die keimten. Dabei gelangte ich
zu der Anschauung, daß hier ein einheitliches ßildungsgesetz
vorliegen müsse, das, bald mehr, bald weniger deutlich, Be-
ziehungen erschließe, die doch etwas weiter reichen mögen
als bis zu der Frage der Zellteilungsfolge bei der Anlage eines
Organismus.
Die äußere Ähnlichkeit des jüngsten Stadiums der ge-
schlechtlichen Generation einiger akrogyner Jungermannia-
ceen mit dem gleichen Stadium der Laubmoose gestattet viel-
leicht einen weiteren Vergleich zwischen der scheitelständigen
Anlage des Archegoniums dieser Lebermoose und der Anlage
der Geschlechtsorgane der Laubmoose. Fossombronia, nach
der Anlage seiner Geschlechtsorgane zu den anakrogynen
Jungermanniaceen gehörend, zeigt dieselbe Einleitung des
Wachstums seiner Stämmchen wie die akrogynen Formen
und somit wie die Laubmoose. Das erwachsene Pflänzchen
besitzt zweizeilige Beblätterung, die dritte Blattzeile ist als
bauchständige Papille erhalten.
Die Jugendform von Fossombronia mit seiner dreizeiligen
Segmentierung, seinen in diesem Stadium in gleicher Weise
reduzierten Blättern, die nach 7s angeordnet sind, ergibt
zwanglose Beziehungen zur Segmentierung bei der Anlage
des Stämmchens von Duvalia, Chomiocarpon etc. und erlaubt
die Deutung, die Weiterentwicklung der Segmente dieser
Formen als reduzierte Beblätterung aufzufassen. Pellia mit
51*
790 E. Lampa,
seinem im jüngsten Stadium blattlosen Stämmchen erscheint
in der Gruppe der anakrogynen Jungermanniaceen morpho-
logisch weitergehend reduziert als z. B. Scapania, Blyttia,
deren Segmente deutliche Blattanhänge tragen.
Das fertige Pflänzchen weist bei den Marchantiaceen
äußerlich die weitesten Reduktionserscheinungen auf bei fort-
schreitender anatomischer Differenzierung. Die Jugendform mit
ihrer in den meisten Fällen dreizeiligen Beblätterung kann eine
Erklärung finden in dem Hinweise auf ein andeutungsweise
erhaltenes Bildungsgesetz, das, in ihr noch sichtbar, einer nicht
mehr vorhandenen Organisation des fertigen Pflänzchens ent-
spricht. Riccia entwickelt an seinem jungen Pflänzchen einen
Reichtum an reduzierten Blättern, der mit der schließlichen
Endentwicklung dieser Form doch in keinem kausalen Zu-
sammenhange steht. Die Anlage der Geschlechtsorgane der
Riccien, die exogen entstanden, endogen ihrer Vollendung
entgegengehen, leitet hier aber zu Anthoceros} bei welchen
die Geschlechtsorgane endogen entstehen und bei dem doch
Rückschläge auftreten, dadurch, daß Antheridien exogen ent-
stehen und zur Entwicklung kommen können, ein Beweis,
daß die Anlage der Geschlechtsorgane bei Anthoceros nicht
ohne Beziehung ist zu diesem Vorgange bei den übrigen
Lebermoosen.
Die Entwicklungs- und Wachstumsgeschichte der Farn-
prothallien hat zwanglos die Vorstellung ergeben, daß hier ein
Gebilde vorliege, welches trotz flächiger Ausbreitung Gliede-
rung in Stamm und Beblätterung zeige. Die Ontogenese einer
Marchantiacee zeigt das Zustandekommen dieser Reduktions-
erscheinung, das Übergehen eines körperlichen beblätterten
Stämmchens in eine nach anscheinend einfachem Wachstums-
modus sich vergrößernde Fläche.
Bei den Marchantiaceen sind gewiß die Wachstums-
vorgänge so einfache nicht. Die Blattanhänge und Ventral-
schuppen derselben scheinen nicht ohne Beziehung zu jener
1 Lampa. Exogene Entstehung der Antheridien von Anthoceros. Ost.
Bot. Zeitschrift. LHI. Jahrg. Nr. 11.
Untersuchungen an Lebermoosen. 791
im Jugendstadium sichtbaren Segmentierung und deren Weiter-
entwicklung.
Tafelerklärung.
Tafel I.
Fig. 1. Pflänzchen von Chomiocarpon quadratus. Die Scheitelzelle zu
einem Faden ausgewachsen.
Fig. 2 bis 7. Aufeinanderfolgende Stadien von Chomiocarpon quadratus, im
Oberlichte kultiviert.
Fig. 8 bis 11. Stadien von Chomiocarpon quadratus, im seitlichen Lichte
kultiviert.
Fig. 12 bis 15. Pflänzchen von Plagiochasma elongatum, im Oberlichtc ge-
zogen. Bei Fig. 16 wächst die Scheitelzelle zu einem Faden aus.
Fig. 17. Plagiochasma elongatum, erst im Oberlichte, dann im Seiten-
lichte kultiviert.
Fig. 18 bis 19. Plagiochasma elongatum, im Seitenlichte kultiviert.
Tafel II.
Fig. 1 bis 5. Verzweigte Protonemafaden von Nardia hyalina.
Fig. 6 bis 10. Lophocolea heterophylla im Protonemastadium, mit einigen
schon angelegten Pflänzchen.
Fig. 11 bis 13. Cephalozia bicuspidata im selben Stadium.
Fig. 14 bis 21. Aufeinanderfolgende Entwicklungsstadien von Dtivalia rupe-
stris.
Fig. 22. Unterseite eines erwachsenen Pflänzchens davon mit Ventral -
schuppen (Oberseite desselben auf Taf. IV, Fig. 10).
Tafel III.
Fig. 1 bis 12. Aufeinanderfolgende Entwicklungsstadien von Riccia glauca.
Fig. 13. Unterseite eines dorsiventralen Pflänzchens davon mit Vcntral-
schuppen. b ist eine sekundäre Wand.
Tafel IV.
Fig. 1 bis 7. Aufeinanderfolgende Entwicklungsstadien von Ptllia endiviae-
folia.
Fig. 8. Dorsiventrales Pflänzchen, am Rande mit einigen Papillen. Am
basalen Teile das zylindrische Gebilde, das unmittelbar aus
der Spore hervorging, noch sichtbar.
792 E. Lampa, Untersuchungen an Lebermoosen.
Fig. 9. Oberseite eines erwachsenen Pflänzchens.
Fig. 11. Unterseite eines solchen.
Fig. 10. Oberseite von Duvalia rupestris.
Fig. 12 bis 18. Aufeinanderfolgende Stadien von Blyttia Lyellii. a in Fig. 12
bezeichnet die Stelle, durch welche sich der Keimling heraus-
schiebt, r bezeichnet das Rhizoid.
5 bedeutet auf allen Tafeln die Scheitelzelle.
Liuiii>a,K.:rnlersiirliuno(m an LobennoostMi
Taf.l.
I-if I . \ri.s' TJi Fjii»'.. u'\< ,w ii
Si t z uiitf sbori«* lit v cl k.iis. Ak.ul. il. Wiss. uialh.-n:iturw. (1,.sm\ I Sil.llXlI . AImIi.I.IDIKI.
LaiuiHi.l'.-.riitorsucliunoiMi «in LpImmmiioonoii
Taf.H.
I.itli AnM v T>i H.niii • nrlh U~-n
Sitzungsberichte d.kais. Akad. cl. Wiss.. math - iiaturw. Cl.sso, IM.CXII. Abth.U'K):».
Lumpa.K. rntersiuiumoim an Lebormooson
Tai.iv.
I.ith An.st v Th Bmimwtrlli U"i. n
Sitzungsberichte tl.kais. Ak;id. d. Wiss.. malh.-naturw. Cl;iss<\ UcLC'Xll . Abtli.I.lOOa.
•mjU
793
Untersuchungen über Stipularbildungen
von
Josef Schiller.
(Mit 3 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 22. Oktober 1003.)
Unter »Nebenblättern« oder »Stipulae« versteht bekannt-
lich die deskriptive Morphologie Organe, welche paarweise,
d. h. rechts und links vom Blattgrunde entspringen und in
Anpassung an die verschiedensten Funktionen außerordentlich
verschiedene Ausbildung erlangen können.1
Es ist ferner allgemein bekannt, daß Stipulargebilde viel-
fach ein so konstantes Auftreten bei Pflanzen bestimmter
Zugehörigkeit zeigen, daß sie geradezu als charakteristische
Merkmale ganzer Pflanzenfamilien angesehen werden können.
Goebel2 hat bereits mit voller Sicherheit nachgewiesen,
daß die von der deskriptiven Morphologie als Nebenblätter
bezeichneten Organe entwicklungsgeschichtlich sehr ver-
schiedenwertig sind. Er hat gezeigt, daß beispielsweise
»Axillarstipulae« zum Teile durch Verwachsung von je
zwei rechts und links angelegten Nebenblättern entstehen
1 Vcrgl. nur beispielsweise: Pax Fcrd., Allgemeine Morphologie der
Pflanzen, 1890, p. 99 ff.; — Wiesner .1., Organographie und Systematik,
1891, p. 49; — Eichler A. W., Zur Entwicklungsgeschichte des Blattes,
Marburg 1861; — Strasburger in Strasburger, Noll, Schenck, Schimper,
Lehrbuch der Botanik, 2. Aufl., p. 26. — Über Nebenblätter und die sie
behandelnde Literatur vergl.: Lubbock, Buds and Stipules, London 1899.
2 Goebel KM Organographie der Pflanzen, II. Teil, p. 551 bis 571
(1900).
794 J.Schiller,
können, daß aber ganz ähnliche Bildungen auch ohne jedwede
Verwachsung aus der Blattbasis entstehen können. Ferner hat
er dargelegt, daß »typische«, d. h. rechts und links am Blatt-
grunde entspringende Stipulae in der Regel Umgestaltungen
des Blattgrundes sind, daß aber auch ganz ähnliche Bil-
dungen durch Umbildungen von Teilen der Blatt-
fläche entstehen können.
Auf die letzterwähnten Kategorien von Stipulargebilden hat
auch Wettstein1 hingewiesen und sie zum Unterschiede von
den typischen Stipulargebil den alsPseudostipulae bezeichnet.
Diese Pseudostipulae habe ich zum Gegenstand ein-
gehenderer Untersuchungen gemacht, deren Resultate im
folgenden mitgeteilt werden sollen.
Auf die Möglichkeit des Entstehens von nebenblattähn-
lichen Gebilden durch Umbildung von Teilen der Blattfläche
hat L. Celakovsky und Lubbock hingewiesen. Ersterer2
versuchte die vielbesprochenen Ranken von Smilax als basale
in Ranken umgewandelte Abschnitte der Laubblätter zu deuten,
eine Deutung, der allerdings Goebel8 entschieden entgegentrat.
Lubbock4 erwähnt, daß man gewisse Teile von Blatt-
schuppen und auch tief am Grunde befindliche Fiederpaare,
z. B. bei Cardamine impatiens und bei Kompositen von Neben-
blättern schwerlich trennen kann (»...can scarcely be distin-
quished from stipules«), doch verfolgt er den Gegenstand nicht
weiter.
Die Unterscheidung der Pseudostipulae von den Sti-
pulae im engeren Sinne dürfte nicht bloß aus dem Grunde
gerechtfertigt erscheinen, weil es sich um entwicklungs-
geschichtlich verschiedene Organe handelt, sondern auch des-
halb, weil das Auftreten der beiden Arten von Organen ein
recht verschiedenes ist.
Stipulae im engeren Sinne sind bekanntlich in ihrem Auf-
treten von großer Konstanz; ihre Ausbildung wird von der
1 Wettstein R. v., Verhandlungen der k. k. zoolog. botan. Gesellschaft
in Wien, 50. Jahrg., 1900, p. 57.
- Celakowsky J., Botanische Zeitung, 55. Jahrg., 1897, p. 170 ff.
3 Goebel K., a. a. O., p. 432 und 433.
4 Lubbock, Buds and Stipules, p. 198.
Untersuchungen über Stipularbildungen. 795
Pflanze erblich mit großer Zähigkeit festgehalten, wofür das
Vorkommen rückgebildeter, funktionsloser Stipulae bei Formen,
welche mit nebenblattragenden verwandt sind, ferner das Vor-
kommen an Pflanzenteilen, an welchen die ökologische Be-
deutung eine geringe ist, spricht.
Pseudostipulae dagegen finden sich in der Regel an
Pflanzen, deren Blätter keine Stipulae tragen; sie werden an
gewissen Teilen solcher Pflanzen ausgebildet, und zwar dort,
wo ihnen eine bestimmte Funktion zukommt, also insbesondere
an jungen Sprossen und in der Nähe von Blüten, respektive
Infloreszenzen.
Was die Funktion der Pseudostipulae anbelangt, so stimmt
sie mit jener der meisten Stipulae überein: es sind Schutz-
organe, welche zartere Organe (Knospen, Blattanlagen etc.)
gegen von außen kommende Störungen schützen.
Mit der Unterscheidung der Pseudostipulae (basale Aus-
gliederungen der Blattfläche) von den eigentlichen Stipulae (Aus-
gliederungen des Blattgrundes) soll natürlich nicht gesagt sein,
daß letztere (nach Ausscheidung der »Ligularbildungen«) etwas
entwicklungsgeschichtlich Einheitliches sind; es muß ins-
besondere auch die Möglichkeit der phylogenetischen Entwick-
lung von Ligulargebilden aus Pseudostipulae ins Auge gefaßt
werden, wie dies schon Goebel1 betonte.
Betrachtet man im Frühjahre die Knospenschuppen einer
austreibenden Blattknospe von Rosa, Pirus, Prunus oder einer
anderen holzigen Rosacee, so findet man an ihren Spitzen drei
Höcker, zwei seitliche und dazwischen einen mittleren, häufig
etwas größeren. Dieser stellt die reduzierte Blattfläche, jene die
beiden Stipularanlagen vor. Je weiter die Schuppen an der
Knospe nach oben liegen, desto größer und deutlicher werden
allmählich die beiden seitlichen Höcker, die Stipulae, bis sie
zugleich mit dem Laubblatt ihre normale bekannte Ausbildung
zu beiden Seiten des Blattgrundes erlangt haben.
Solche seitliche Höcker, die also bei den Rosaceae die
Stipulae repräsentieren, finden sich aber auch sonst bei neben-
blattlosen Blättern. Bei Acer tataricum findet man am obersten
i Goebel K., a. a. 0., p. f>53.
796 J. Schiller,
Teile der Niederblätter eine kleine Spitze und zu beiden Seiten
zwei stets deutlich wahrnehmbare Höcker,1 ähnlich wie es in
Fig. 46 von Sambucus nigra dargestellt ist. Die Ausbildung
dieser drei Teile geht regelmäßig weiter, sie werden immer
größer und der Lamina eines entwickelten Laubblattes immer
ähnlicher, bis dann ohne weitere Übergänge die Lamina plötz-
lich normal entwickelt ist. Ihrem Aussehen nach stimmen die
beiden Höcker bei Acer vollkommen mit denen bei Rosa,
Pirus etc. überein. Dort sind es unentwickelte Lappen der
Blattfläche, bei diesen Nebenblattanlagen. Auch darin stimmen
beide Bildungen wieder überein, daß sie die Fläche der
Knospenschuppen vergrößern helfen und damit zum Schutze
der von ihnen bedeckten jungen Blattanlagen beitragen. Allein
es geht aus entwickiungsgeschichtlichen Gründen nicht an,
auch die beiden Höcker, die sich bei allen Acer- Arten finden,
als Stipulae im engeren Sinne zu bezeichnen. Infolge ihrer
Ähnlichkeit mit Nebenblättern und infoige gleicher Funktion
kann man sie wohl als nebenblattähnliche Organe, als Pseudo-
stipulae bezeichnen. Sie sind bei den Bäumen mit gelappten
nebenblattlosen Blättern an den Knospenschuppen sehr häufig
vorhanden.
Viel schönere Pseudostipularbildungen zeigen jedoch
gefiederte Blätter, und zwar die ersten Blätter eines jeden
Jahressprosses. Betrachten wir zunächst Fraxinus.
An der Spitze der untersten Knospenschuppen findet man
eine noch weriig scharf hervortretende Differenzierung, die aber
meistens schon zwei seitliche Höcker von einem mittleren
unterscheiden läßt. An den Knospenschuppen des zweiten oder
dritten Paares bemerkt man, wie dies Fig. 10 von Fraxinus
Ornus zeigt, eine Verbreiterung nach oben und die zwei seit-
lichen Höcker ps, die Pseudostipulae. Der mittlere Teil zeigt
schon eine weitere Ausbildung durch seitliche Einschnitte an.
Aus diesen gehen (Fig. 11) zwei Fiedern hervor. Die Pseudo-
stipulae haben jetzt ihre schönste Ausbildung erlangt. Ihre
Form ist flügelartig. Worauf wir diese stipularen Bildungen
zurückzuführen haben, wird aus den nächsten Entwicklungs-
i Goebel, Spezielle Organographie, p. 575 und 576.
Untersuchungen über Stipularbildungen. 797
Stadien klar. Es treten nämlich auf den seitlichen Abschnitten
jetzt Laminarbildungen auf (Fig. 12, W); die kleine Lamina ist
nur mit dem Mittelnerv der Unterseite auf ihrer Unterlage, die
auf den stark entwickelten Stiel des Fiederblättchens zurück-
zuführen ist, befestigt, so zwar, daß sich die beiden Hälften der
kleinen Lamina leicht aufrichten lassen. Durch diese Bildung
der Lamina auf den Pseudostipulae wird uns ihre phylo-
genetische Bedeutung vollends klar: es sind Fiedern. Je mehr
nun die regelmäßige Entwicklung der beiden Laminae der
Pseudostipulae fortschreitet, umsomehr nehmen die primären
Blätter einen den Laubblättern ähnlicheren Habitus an und die
Pseudostipulae werden langsam zum normalen untersten
Fiederpaare des Laubblattes. In Fig. 13 sind zwei Paar Fiedern
normal entwickelt und der Blattstiel hebt sich deutlich von
dem häutigen, flügelartigen Rande ab, der am Grunde in zwei
fiederähnliche Organe, die Pseudostipulae, ausgeht. Als Schutz-
organ für die nach innen zu gelegenen jüngeren Blätter kommt
jetzt nur noch der Petiolus mit dem breitflügeligen Rande in
Betracht, die beiden Pseudostipulae schon weniger, da das
Schutzbedürfnis immer kleiner wird. Je mehr der flügelige
Saum schwindet, desto unmittelbarer treten nun die beiden
Stipularblätter an den Blattstiel heran. Es kommt bei vielen
anderen Fr axinus- Arten (Fraxinus excelsior, Fr. nana, Fr.
Americana, Fr. viridissitna, Fr. ovata) vor, daß sogar bei voll-
ständig entwickelten Laubblättern der flügelige Rand erhalten
bleibt, wie dies in Fig. 14 bei Fr. excelsior zur Darstellung
gebracht worden ist (von der Rückseite gezeichnet). Der
häutige Rand endigt am Mittelnerv des untersten Fiederblatt-
paares, dessen Lamina gewöhnlich kleiner und dadurch von
den anderen Fiederpaaren verschieden ist, wodurch sie ganz
den Eindruck der »Stipulae adnatae« hervorrufen und von den
Nebenblättern, z. B. unserer Rosen, kaum zu unter-
scheiden sind.
Viele Arten der Gattung Rhus mit Fiederblättern, z. B.
Rh. hemialata, Rh. copalina, Rh. Toxicodendron etc. weisen
eine schöne stipulare Ausbildung des untersten Fiederblatt-
paares auf. Die an der Blattknospe befindlichen ersten Primär-
blätter besitzen gleichfalls die dreiteilige Spitze. Fig. 96 Rhus
798 J.Schiller,
hemialata. Die beiden Pseudostipulae (Fig. 96, ps) biegen sich
nach der Seite hin (Fig. 97) und weisen auf der oberen Seite
eine seichte, glatte Längsfurche auf (Fig. 97, /), welche die
ganz unentwickelte Lamina darstellt. Die Pseudostipulae sitzen
auch hier auf dem emporgehobenen Blattgrunde auf, der als
häutiger Rand am Blattstiel entwickelt ist und aus dem sich
scheinbar die Lamina entwickelt hat. Die Pseudostipulae
nähern sich ihrer Form nach immer mehr den Fiedern (Fig. 98),
der häutige Rand schwindet, bis er nur noch ganz schwach
entwickelt ist (Fig. 100) und am Rücken des unteren Fieder-
blattpaares am Mitteinerv sich hinaufzieht. Mit dem Schwinden
des geflügelten Randes am Blattstiele treten auch die Pseudo-
stipulae {ps, Fig. 99 und 100) immer näher an letzteren heran,
bis sie durch Erlangung der Fiederform ihre Bedeutung ver-
loren haben (Fig. 100, Ft und F2).
Die primären Blätter von Xanthoceras sorbifolia weisen
eine sehr sprungweise Entwicklung auf mit typischen Pseudo-
stipulae. Auf die wenig entwickelten Knospenschuppen, die in
Fig. 16 dargestellt sind, folgen sofort solche mit wohlaus-
gebildeten Pseudostipulae (Fig. 17). Die nächsten Blätter sind
schon fiederig entwickelt. Allein das untere Fiederpaar sitzt
noch am geflügelten Rande auf und zeigt auch eine abweichende
Laminabildung, indem die eine Hälfte des Fiederblattes gesägt,
die andere dagegen ganzrandig ist (Fig. 18).
Ähnliche Ausbildungsweisen zeigt Acer Negundo und
Acer californicus. Für Acer Negundo Fig. 19, 20, 21.
Pseudostipulae, weiche den typischen Stipulae auf das
Täuschendste ähnlich sind, fand ich auch bei der bekannten,
häufig an Wänden gezogenen Bignoniacee Tecoma radicans.
Auch sie besitzt bekanntlich Fiederblätter. Ihre Blattknospen
sind nur von wenigen braunen und kleinen Schuppenblättern
am Grunde umgeben, die wie schon die Schuppenblätter der
besprochenen Formen eine einfache dreiteilige Spitze auf-
weisen. Die beiden Seitenhöcker entwickeln sich aber hier zu
spitzen, länglichen Zipfeln (Fig. l,ps9 und Fig. 2, ps), die von
den bereits abgesetzten Fiedern gänzlich verschieden sind
(Fig. 2). Ihrem Umrisse nach nähern sich (in Fig. 3) die Pseudo-
stipulae bereits den Fiedern und daß es auch hier tatsächlich
Untersuchungen über Stipularbildungen. 799
nur nach einer merkwürdigen Richtung umgebildete Fiedern
sind, geht mit Gewißheit aus den Entwicklungsstadien hervor,
wie sie in Fig. 4 festgehalten sind. Sie weichen zwar in ihrem
Habitus immer noch beträchtlich von den Fiedern ab; allein
die deutliche Ausbildung der Gefaßbündel weist auf die Weiter-
bildung zu normalen Fiedern hin. In der Tat wiesen die
nächsten Blätter das unterste Fiederpaar vollkommen regel-
mäßig ausgebildet auf, so zwar, daß sie von den übrigen Fieder-
paaren in keiner Beziehung verschieden waren. Auffallend
mächtig ist hier bei Tecoma radicans auch der Blattgrund
selbst auf verhältnismäßig hoher Entwicklung (Fig. 4) aus-
gebildet. Da nur zwei oder drei sehr kleine braune Knospen-
schuppen vorhanden sind, hiedurch der nötige Schutz aber
nicht erreicht werden kann, so findet man das Emporstrecken
des Blattgrundes bei den primären Blättern und auch bei den
fast entwickelten Laubblättern vom ökologischen Standpunkte
ganz begreiflich.
Es wurden ferner auch Panax sessilißorus, Carya arnara,
Trichilia undulaefolia untersucht. Es ergab sich, daß auch bei
diesen das unterste Fiederpaar bei den primären Blättern als
Pseudostipulae entwickelt ist.
Aus den eben angeführten Beispielen dürfte hervorgehen,
daß sich pseudostipulare Bildungen in der Region der primären
Blätter sowohl bei gelappten Blättern {Acer tataricmn, Acer
Psettdoplatanus etc.) als insbesondere bei Fiederblättern vor-
finden. Sie stimmten in ihrer physiologischen Bedeutung als
Schutzorgane sowie häufig auch in ihrem morphologischen
Aussehen mit echten Nebenblättern überein, doch zeigt die
Entwicklungsgeschichte, daß sie sich auf das untere Fieder-
paar des entwickelten Laubblattes zurückführen lassen.
Im Gegensatze zu den bisher besprochenen Fällen, wo die
pseudostipularen Bildungen nur im Bereiche der primären
Blätter der Sprosse vorkamen, gibt es in sehr vielen Familien
Pflanzen, die Stipularbildungen nur an den in der Nähe der
Blütenregion gelegenen Fiederblättern aufweisen. Es sind auch
in diesem Falle herabgerückte Fiedern und ihr Zweck ist der-
selbe wie bei den Pseudostipulae der primären Blätter: Knospen-
schutz. Daß die Fiedern nur in der Infloreszenzregion herab-
800 J.Schiller,
rücken und in diesem Falle zu schützenden Organen werden,
verstehen wir biologisch recht gut. Denn hier werden in den
Blattachseln Organe gebildet, die eines Schutzes bedürfen,
währenddem unten am Stengel keine Organanlagen vorkommen,
folglich auch keine Schutzorgane vorhanden zu sein brauchen.
Denn der Schutz der Stammknospe wird nach Goebel durch
das ganze Blatt erreicht.
Valeriana officinalis zeigt unterhalb der Infloreszenz an
den Hochblättern zwei kleine Seitenlappen und dazwischen
einen vielmal längeren Mittellappen (Fig. 57). Diese beiden
Seitenlappen sitzen flügelartig am Grunde des Hochblattes und
bewirken dadurch eine größere flächige Verbreiterung des-
selben, wodurch dessen Eignung als Schutzorgan noch ver-
mehrt wird. Die erwähnten seitlichen Teile sind nichts anderes
als umgewandelte Fiederchen, was aus den Übergängen von
jenen Lappen bis zu normalen Fiedern an den weiter nach
unten gelegenen Fiederblättern deutlich hervorgeht (Fig. 58
und 59). In allen Fällen zeigt das zu unterst stehende Fieder-
paar ein von den übrigen Fiederchen abweichendes morpho-
logisches Aussehen dadurch, daß sie auf dem flügeiförmig ent-
wickelten Blattgrunde breit aufsitzen. Dazu treten häufig noch
andere Abweichungen: in der Größe, Färbung u. s. w. Früh-
zeitig übernehmen sie die Funktion des Knospenschutzes und
treten nur dort auf, wo Organe in den Achseln der Blätter zur
Entwicklung gelangen.
Durch dieses von den übrigen Fiedern abweichende Ver-
halten des untersten Fiederpaares dürfte es gerechtfertigt sein,
auch hiefür den Begriff Pseudostipulae anzuwenden.
Die gleichen Verhältnisse zeigen die übrigen Arten der
Gattung Valeriana, welche fiederschnittige Blätter besitzen:
Vol. sambucifolia, exaltata, dioica etc.
Bei den Kompositen kommen analoge Bildungen, z. B.
bei Centaurea Scabiosa vor. Unter der Infloreszenz trifft man
wie bei Valeriana ein dreiteiliges Hochblatt (Fig. 61), das
durch die seitlichen Zipfel, die Pseudostipulae, gleichfalls eine
bedeutende Flächenvergrößerung erfährt. Zu diesem ersten
stipular umgewandelten Fiederpaare treten bei den nächst
tiefer gelegenen Blättern natürlich noch mehrere andere.
Untersuchungen über Stipularbildungen. 801
normal entwickelte Fiederpaare (Fig. 62). Dieselben Vorgänge
wiederholen sich an den Seitensprossen, wo aus den Achseln
der Blätter neue Organe hervorgehen. Auch hier sieht man also
das Fiederpaar zu einem bestimmten Zweck am Blattgrunde
sitzen bleiben, nämlich um das aus der Blattachsel hervor-
brechende Organ zu schützen (Fig. 63, ps).
Eine sehr schöne Pseudostipularbildung beobachtet man
bei Knautia arvensis. Die obersten Hochblätter zeigen wieder
die dreiteilige Ausbildung an der Spitze (Fig. 67). Der Grund
ist hier besonders breitlappig abgerundet und die lappige oder
flügelartige Verbreiterung wird an den nächst tiefer gelegenen
Blättern immer größer, bis endlich jene Ausbildung erreicht ist,
wie sie Fig. 70 und 71 zeigt. Es läßt sich recht gut denken,
daß hier die Pseudostipulae mit ihrer auffallend großen, flügei-
förmigen Verbreiterung nebst dem Schutze der Axillarknospe
noch andere Funktionen übernehmen. Vielleicht kommt Wasser-
ansammlung in Betracht ähnlich wie bei Dtpsacus; wenigstens
findet man nach einem Regen und an feuchten Tagen immer
einige Tropfen Wasser in der durch die Lappen gebildeten Ver-
tiefung stehen.
Bei Achillea filipendula sind schon die obersten Blätter
vielfach fiederschnittig (Fig. 79). Die nächstfolgenden Hoch-
blätter entwickeln eine große Anzahl von Fiederpaaren, von
denen das unterste sehr abweichend gestaltet ist. Während
nämlich alle übrigen Fiederpaare symmetrisch und auf beiden
Seiten eingeschnitten-gesägt sind (Fig. 80), ist das untere
Fiederpaar auffallend unsymmetrisch gestaltet. Auf dem oberen
Rande ist es ganzrandig, auf dem unteren eingeschnitten-
gesägt. Die Pseudostipulae liegen anfangs beim Hervorbrechen
der axillaren Knospe von beiden Seiten der letzteren an. An
den Laubblättern unten am Stengel sind die Fiederpaare nicht
nur in die Höhe gerückt, sondern es trat hier zum Hinauf-
rücken auch noch Verkümmerung (Fig. 82). Auffallend ist das
ungleichartige Hinaufrücken der Fiedern an Stengel (Fig. 82,
a und a', V und b, d und c).
Auch Serratula cyanoides hat das unterste Fiederpaar
pseudostipular entwickelt (Fig. 64. ps). Auch hier findet man
überall das Fiederpaar jener Blätter am Grunde inseriert, in
802 J.Schiller,
deren Achseln Organanlagen sich befinden (Fig. 65). Wo solche
nicht vorhanden (Fig. 66), sind die Fiederpaare vom Blatt-
grunde entfernt und gewöhnlich noch verkümmert. Analoge
Erscheinungen bieten Papaver Orientale (Fig. 76xbis 78) und
Artemisia vulgaris (Fig. 72 bis 75).
Mit den bisher besprochenen und zur Darstellung gelangten
Beispielen für die Verwendung des untersten Fiederpaares der
Hochblätter als Stipularorgane, als Pseudostipuiae, ist die An-
zahl der Pflanzen, welche die erwähnten Erscheinungen bieten,
natürlich noch lange nicht erschöpft. Wir finden das unterste
Fiederpaar als Pseudostipuiae verwendet ferner noch unter den
Cruciferen bei Cardamine,1 worauf schon Lubbock hinwies,
Nasturtium (z. B. Nast. silvestre, pyrenaicum etc.); unter den
Dipsacaceae nebst der bereits besprochenen Knatttia arvensis
noch bei den meisten unserer Scabiosa- Arten und besonders
oft bei den Compositen. So finden wir sie bei den meisten
Arten der Gattungen Artemisia, Achillea, Anthemis, Tanace-
tutn, ferner bei einigen Cirsiutn- Arten und bei vielen anderen
Gattungen.
Ein besonders erwähnenswertes Beispiel für die Ver-
wendung des unteren Fiederpaares als Stipularorgan bietet
unter den Papaveraceen Chelidonium majus. Die Blätter sind
bekanntlich bei dieser allgemein verbreiteten Pflanze fieder-
schnittig mit zwei bis vier Fiederpaaren, die bekanntlich in
ihrem Aussehen untereinander verschieden sind (Fig. 83, a> af, b).
Die beiden oberen Fiedern in der Abbildung 83, a und a't sind
vor allem bedeutend größer als das untere Paar b und besitzen
.auf ihrer unteren Hälfte einen öhrchenartigen Lappen (Fig. 83, L),
der entweder beiden Fiederpaaren zukommt, oder nur bei
einem, in diesem Fall immer beim unteren Fiederpaare a! anzu-
treffen ist. Diese beiden Fiederpaare sind unter einem spitzen
Winkel gegeneinander geneigt, so zwar, daß sich die beiden
1 Lubbock John, On buds and stipules, London 1899, p. 198 und 199.
In some Crucifers, as for instance, in Cardamine impatiens, some of the
lower leaves have rounded an thickened auricles, which in the upper leaves
become prolonged into subulate, obtuse, falcate processes clasping the stem.
These are often called stipules. They correspond to the auricles of other cruci-
fers which are continous with the margin of the leaf.
Untersuchungen über Stipularbildungen. 803
Läppchen L berühren (Fig. 85, L). Auf diese beiden Fieder-
paare folgt ein kleines, am Grunde des Blattstieles inseriertes
Paar (Fig. 83, 84 und 85, b). An den unten am Stengel befind-
lichen Blättern kommt an kräftigen Trieben manchmal noch
ein zweites kleines Fiederpaar, das im Aussehen mit dem
ersten übereinstimmt, zur Entwicklung. Auch bei Chelidonium
sehen wir das kleine Fiederpaar nur dort am Grunde des Blatt-
stieles inseriert, wo aus den Blattachseln Blüten- oder Sproß-
knospen entstehen. Was aber diesen Fall so interessant macht,
ist der Umstand, daß wir hier fast mit Gewißheit einen
bestimmten Zweck der tiefen Inserierung des kleinen Fieder-
paares zugrunde legen können: Schutz gegen Nässe, ohne aber
andere äußere Einflüsse damit auszuschließen. Chelidonium
gehört bekanntlich zu den typisch hygrophoben Pflanzen und
der Schutz der jungen Organanlagen wird dadurch erreicht, daß
die beiden Pseudostipulae eng an die Axillarknospen (Bl, Fig. 84
und 85) sich anlegen und anfangs auch nach oben hin dachig die
Knospe überdecken. Auf einem späteren Entwicklungsstadium
der Knospe beugen sich allmählich die Pseudostipulae von der-
selben weg, die Knospe entwickelt sich auf einem langen Stiele
weiter und ragt über die beiden Pseudostipulae hinweg, so daß
sie von diesen nicht mehr geschützt werden kann (Fig. 85).
Allein sie scheint auch jetzt noch des Schutzes gegen Nässe
und Sonne zu bedürfen; diesen übernehmen nun die beiden
Lappen L (Fig. 85) des nächsten großen Fiederpaares, unter
die die Knospe tritt und welche eine Art Dach bilden, welches
wohl Regen und Sonne von den immer noch sehr zarten
Knospen abhalten kann. Möglich, daß von den stets dicht mit
Blattläusen besetzten Knospen, die diesen nicht schädlich zu
sein scheinen, nebst dem Schutze gegen Regen und Sonne
noch in anderer Richtung Schutz verlangt wird. Jedenfalls
bietet Chelidonium ein schönes Beispiel für die Pseudostipulae
sowie dafür, daß noch Teile eines zweiten Blattpaares als
Schutzorgane in Verwendung kommen.
Ein überaus schönes Beispiel für die Ausbildung und Ver-
wendung des unteren Fiederpaares als Pseudostipulae be-
schreibt Goebel,1 nämlich Cobaea scandens. Das Laubblatt
i Goebel, Spezielle Organographie, p. 551 ff.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXII. Bd., Abt. I. 52
804 J. Schüler,
besitzt drei Fiederpaare, von denen das eine Paar am Grunde
des Blattstieles inseriert ist und durch die Ausbildung eines
länglich-rundlichen Läppchens auf der oberen Blatthälfte von
den beiden anderen Paaren unterschieden ist Dies« beiden
Lappen breiten sich schirmartig über die Axillarknospe aus,
so daß selbe gegen Regen und Sonne, wie Goebel meint,
geschützt ist. Die Natur dieser Stipulargebilde als Pseudo-
stipulae ist klar. Denn man findet nebst solchen Fiedery mit
deutlich entwickelten Lappen auch solche, welche sie gar nicht
zeigen oder doch nur sehr schwach entwickelt haben, in
welchem Falle sie sich von den anderen Fiederpaaren ungefähr
gar nicht unterscheiden. Dazu kommt, daß sie ihre deutlichsten
Lappen dort entwickeln, wo in den Blattachseln Knospen ent-
wickelt werden, also auch nur ein gelegentliches und regio-
nales Auftreten besitzen.
Auch in einem zweiten von Goebel1 angeführten Falle
bei einer Quilandina sp. aus Ceram mit doppelt gefiederten
Blättern, bei welchen die untersten Fiedern als Stipularorgane
entwickelt sind, ist die Zugehörigkeit derselben zu den Pseudo-
stipularbildungen klar.
In die Kategorie der Pseudostipulae gehören wohl auch
die öhrchenartigen Bildungen am Grunde der Stengelblätter
von Adenostyles albifrons, A. crassifolia und noch anderer ver-
wandter Arten, obwohl hier keine gefiederten Blätter vor-
kommen. Goebel1 meint, »der einzige Grund, sie nicht als
Stipulae zu bezeichnen, könnte eben nur der sein, daß die
unteren Blätter damit nicht versehen sind; dafür können wir
aber leicht einen biologischen Grund angeben. Die unteren
Blätter haben aber nur die Stammknospe, die oberen die
massigeren Infloreszenzanlagen zu schützen«. Diese Begrün-
dung paßt, wie ich glauben möchte, auch für viele der oben
angeführten Beispiele von Pseudostipulae. Erinnert sei nur an
Artemisia, Knauiia, Centaurea. Auch dort sahen wir an den
oberen Blättern, in deren Achseln Organe entstanden, das
untere Fiederpaar am Blattgrunde entwickelt, auch dort waren
an den unteren Blättern die Fiedern vom Grunde entfernt, also
1 Goebel, 1. c.
Untersuchungen über Stipularbildungen. 805
keine Schutzorgane vorhanden, offenbar aus demselben Grunde,
den Goebel angibt, weil die unteren Blätter eben nur die
Stammknospe zu schützen haben.
In der Familie der Simarubaceae kommen Stipulae im
allgemeinen nicht vor. Nur für einige Arten geben Eng ler und
Prantl1 und Bentham und Hoocker8 Nebenblätter an. Für
die Familie sind Fiederblätter mit bis 16 Fiederpaaren charakte-
ristisch. Es konnten also pseudostipulare Bildungen mit Sicher-
heit erwartet werden. Zu diesem Zwecke wurden primäre
Blätter bei dem in Europa allgemein bekannten und kultivierten
Baume, bei Ailanthus glandulosa, untersucht, für den ich
nirgends Stipulae angegeben fand. Große, bis 8 cm lange und
bis 3cm breite, grünlichgelbe Schuppen umgeben die mächtigen
Blattknospen. Die Knospenschuppen zeigen entweder gar keine
Differenzierung an der Spitze oder nur eine undeutliche, in
Form von drei schwach entwickelten Vorwölbungen (Fig. 22).
Die ersten primären Blätter weisen einen mittleren Teil mit
deutlichen Einkerbungen und zwei seitliche Höcker auf
(Fig. 23). In dem nächsten Entwicklungsstadium der primären
Blätter bemerkt man eine Lamina mit bereits deutlich abge-
setzten seitlichen Lappen (Fig. 24) und den stark entwickelten
Blattgrund. Von der Lamina spalten sich zunächst unten zwei
Fiedern ab (Fig. 25), deren Gefäöbündel gleich wie die des
nächsten Fiederpaares, das bereits deutlich durch die Ein-
kerbungen am Rande der Lamina angedeutet ist, getrennt von
dem mittleren Strange in dem häutigen Rande herablaufen
(Fig. 24 und 25).
Aus dem gesonderten Verlaufe der Gefaßbündel der beiden
ersten Fiederpaare kann wohl angenommen werden, daß auch
das erste Fiederpaar nicht eine besondere Bildung des Blatt-
grundes darstellt, sondern denselben phylogenetischen Wert
hat wie die übrigen hier in akropetaler Entwicktungsfolge an-
gelegten Fiedern. Das Fiederpaar Ft (Fig. 24) als auch das
bereits deutlicher abgesetzte in einem vorgeschritteneren
Stadium (Fig. 25, Ft) sind gleich hoch und in übereinstimmender
* Natürliche Pflanzenfamilien, III, 4, p. 202 bis 230.
2 Genera plantarum, I, p. 306 ff.
52*
806 J.Schiller,
Weise inseriert. Sie laufen in den breiten häutigen Rand des
Blattgrundes aus, der hier in Übereinstimmung mit den großen
Blattknospen so mächtig entwickelt ist, um seine Funktion als
Schutzorgan erfüllen zu können. Im weiteren Verlaufe der Ent-
wicklung tritt auf der einen Seite eine Förderung in der Aus-
bildung der einzelnen Organe ein, die nicht bloß in dem einen
Falle beobachtet wurde, sondern als eine ziemlich konstante
Regel erkannt werden kann. Rechts ist in diesem Falle die
Fieder (Fig. 26, Ft) weit vollständiger ausgebildet als links und
erscheint am primären Blatte herabgerückt. Auch die zweite
rechte Fieder ist weiter entwickelt und ihr Gefäßbündelstrang
mit dem mittleren bereits vereinigt, während er links selbständig
und parallel mit dem mittleren Strange herabläuft. Im Laufe der
weiteren Entwicklung ist die rechte Fieder vollständig herab-
gerückt (Fig. 27, Ft) und die zweite rechte Fieder bis auf den
Mittelnerv gespalten. Links ist die zweite Fieder gespalten und
ihr Gefäßbündelstrang mit dem Hauptstrange vereinigt. Selten
durch deutlichere Übergänge verbunden, folgt dann plötzlich
das nächste Stadium (Fig. 28), bei welchem nun auch links das
Herabrücken der untersten Fieder erfolgt ist, wenn auch noch
nicht so weit wie rechts und der übrige Teil hat sich in ein
Endblättchen und zwei seitliche Fiederpaare differenziert. Die
weitere Entwicklung und Vermehrung der Fiedern ist für den
Gang dieser Untersuchung ohne weiteres Interesse; dieses gilt
dem ferneren Schicksale des herabgerückten Fiederpaares, der
Pseudostipulae. Sie stehen gleich tief zu beiden Seiten des
Blattgrundes (Fig. 29) und machen ganz und gar den Eindruck
von Stipulae. Die Reduktion geht sehr schnell vorwärts, der
Charakter von Fiedern schwindet mehr und mehr, da die an
die Fiedern noch deutlich gemahnenden Zähnchen ver-
schwinden (Fig. 29, 30, 31, 32).
Der flächenartigen Entwicklung folgt eine zylindrische
(Fig. 32, 33, 34, 35) oder schmal kegelförmige, bis endlich am
Blattgrunde der normal entwickelten Laubblätter gar nichts
mehr vorhanden ist. Selten bleiben an den Laubblättern junger,
schnell emporgeschossener Lohdentriebe die Stipularorgane
auch an den Laubblättern erhalten,
Untersuchungen über Stipularbil düngen. 807
Mit der äußeren Rückbildung hält auch die innere, ana-
tomische, gleichen Schritt. Das herabgerückte Fiederpaar in
Fig. 28 zeigt noch annähernd normal entwickelte und in ent-
sprechender Anzahl vorhandene Spaltöffnungen. Ein Quer-
schnitt durch die Fieder bei a in Fig. 28 läßt eine normal ent-
wickelte Oberhaut (Fig. 55), ein gegen den Rand einschichtiges,
gegen die Mitte aber zweischichtiges Palisadengewebe er-
kennen, das nur mit sehr wenig Chlorophyll versehen ist. Ein
typisch entwickeltes Schwammparenchym mit zahlreichen
Gefaßbündeln vervollständigt den Eindruck eines Querschnittes
durch eine regelrecht gebaute Fieder von den oberen Fieder-
paaren in Fig. 28. Die Epidermis besitzt einfache Haare und
Köpfchenhaare. Der Schnitt durch die Pseudostipulae bei a in
Fig. 32 gibt einen vollständig veränderten Bau. Die Oberhaut
trägt nur einfache Haare, keine Köpfchenhaare mehr; das
Palisadengewebe ist verschwunden und anstatt des Schwamm-
parenchyms hat sich ein parenchymatisches Grundgewebe
gebildet, das in der Mitte von einem Gefäßbündelstrange durch-
setzt ist, in dem das Xylem kaum nachweisbar oder doch nur
schwach entwickelt ist (Fig. 56).
Die Antwort auf die Frage, ob man es hier bei Ailanthus
glandulosa mit Stipulae oder Pseudostipulae zu tun hat, dürfte
nicht schwer sein, wenn man außer diesen morphologischen
Verhältnissen genannter Spezies auch noch die Beschaffenheit
anderer Vertreter der Familie in Betracht zieht. Der Familie der
Simarubaceae kommen überhaupt eigentliche Stipulae nicht zu.
Bei Ailanthus finden sich aber die Stipularbüdungen nur bei
den primären Blättern und auch hier in den einzelnen Blatt-
knospen durchaus nicht bei allen Primärblättern und sie gehen
ihrem entwicklungsgeschichtlichen Ursprünge nach auf zweifel-
los das unterste Fiederpaar zurück. Es dürfte deshalb berechtigt
sein, auch hier von pseudostipularen Bildungen, also von
Pseudostipulae, zu sprechen.
Für diese Annahme ist weiters bestimmend das Vorkommen
von deutlichen pseudostipularen Bildungen bei einigen anderen
Gattungen der Familie der Simarubaceae. Es sollen nach
Engler und Prantl, Natürliche Pflanzenfamilien, III, 4, p. 202
bis 230, und Bentham und Hoocker, Genera plantarum, I,
808 J.Schiller,
p. 306 ff., Stipulae vorkommen bei folgenden Gattungen, re-
spektive Arten: Picrasma javanica Bl., Rigiostachys, Irvingia,
Brunellia, Klainedoxa, Cadellia und Harrisonia. Ich unter-
suchte diesbezüglich das im botanischen Museum der Wiener
Universität vorhandene Herbarmaterial und fand bei Picrasma
javanica Bl. genau wie Bentham und Hoocker angeben:
»foliis infimis interdum stipulaeformibus« unten am Grunde
des Blattstieies zwei kurzgestielte Fiedern mit einer im Ver-
gleiche zu dem nächsten oberen Fiederpaare kleineren aber
sonst übereinstimmenden Lamina vor (Fig. 53). Die Entstehung
dieser Pseudostipulae wird auf ähnliche Weise zustande
gekommen sein wie bei Aüanthus; nur hat hier nicht die weit-
gehende Umbildung und Reduktion des Fiederpaares statt-
gefunden. Denn wäre bei Aüanthus glandulosa das herab-
gerückte Fiederpaar auf dem Entwicklungszustande stehen
geblieben, den Fig. 28 darstellt — man denke sich die linke
Fieder der rechten gleichgestaltet und den Stiel etwas verkürzt
und ohne den häutigen Rand — so glichen die Pseudostipulae
den Fiederpaaren, eine kleine Größenvariation ausgenommen,
vollkommen. Und diese Entwicklung wurde bei einigen Arten
der Familie der Burscraceae tatsächlich gefunden, worauf ich
später noch zurückkommen werde.
Ähnliche Pseudostipulae, wie Picrasma javanica, scheint
Rigiostachys zu haben. Klainedoxa ist durch ziemlich lange
und große Pseudostipulae ausgezeichnet; etwas kleinere besitzt
Irvingia. Vollkommen dürften mit Aüanthus Brunellia und
Cadellia pentastylis und C monostylis übereinstimmen. Von
Brunellia sp. aus Kuba fand ich im Herbar ein Exemplar, an
dessen Blattstielen sich einige Millimeter von der Blattbasis
nach oben gerückt Pseudostipulae von schmal kegelförmiger
Form (ungefähr so, wie in Fig. 31 bei Aüanthus) vorfanden,
geradeso, wie ich es einigemale bei Aüanthus an kräftigen
Wassertrieben sah. Die beiden Cadellia- Arten in Engler und
Prantl sollen kleine, bald abfallende Stipulae besitzen. Wahr-
scheinlich sind es Bildungen wie bei Aüanthus.
Pseudostipulae dürften auch in der Familie der Burscraceae
gesucht werden; denn die meisten Arten zeichnen sich durch
den Besitz von Fiederblättern mit zahlreichen Fiederpaaren
Untersuchungen über Stipularbildungen. 809
aus. Bei der zugehörigen Gattung Canarium, die nach Engler
und Prantl gegen 50 Arten umfaßt, findet sich vielfach das
unterste Fiederpaar henabgefückt und ihr Charakter als Pseudo-
stipulae wird dadurch noch deutlicher, daß sie oft noch eine
merkwürdige Umbildung erfahren und dadurch von den
Fiederpaaren ein verschiedenes Aussehen erhalten. Bentham
und Ho ocker1 erwähnen bei Canarium besonders das stipu-
lare Aussehen des unteren Fiederpaares: »Folia exstipulata,
vel pinnulis inferioribus sessilibus stipulaeformibus impari-
pinnata«; p. 321: »Foliola infima Canarii interdum stipulas
simulant«. Auch Lubbock* kommt auf diese Bemerkung der
beiden Autoren zu sprechen, ohne daß er sich auf eine nähere
Beschreibung und Untersuchung einließe.
Wie Picrasma javanica haben auch 3 Canarium Boivini
und C. madagascariense Engl, ganzrandige und von den
oberen Fiederpaaren nur durch die Größe verschiedene Pseudo-
stipulae. Dagegen kommen bei Canarium purpurascens,
C. seeundum A. W. Benn. und C. fuscum Engl, zwar auch
noch vielfach ganzrandige, daneben jedoch auch geschlitzte
Pseudostipulae vor, die durch alle Übergangsformen mit den
ganzrandigen verbunden sind. Eine solche Übergangsform von
ungeschlitzten zu geschlitzten Pseudostipulae zeigt Fig. 54
von Canarium seeundum. Tief zerschlitzte Pseudostipulae
kommen bei Canarium ßssistipulum Miqu. und C silvestre
Gärtn. vor (C. silvestre, Fig. 52). Wieder andere Canarium-
Arten, z. B. C. Künstleri King, C. Mehenbethense Gärtn.,
C. moluccanum Bl. sind durch gesägte Pseudostipulae leicht
kenntlich. Daß aber die geschlitzten Formen von Pseudo-
stipulae mit den ganzrandigen gleichwertig sind, ist durch die
Übergänge wohl hinreichend klar. Wahrscheinlich wird auch
diese extreme und sonderbare Ausbildung, welche die ge-
schlitzten Pseudostipulae aufweisen, mit einem besonderen
Zweck in Zusammenhang stehen, worüber ich leider in der
mir bekannten Literatur keine Aufklärung gefunden habe.
i Genera plantarem, I, 1862, p. 324 und 321.
2 Buds and stipules, p. 200.
8 Engler und Prantl, Natürliche Pflanzenfamilien, III, 4, p. 239 u. 240.
810 J. Schiller,
Denn für den Knospenschutz allein, falls einer notwendig ist,
dürfte die geschlitzte Form nicht notwendig sein.
Pseudostipulae fanden sich ferner noch in der Familie der
Meliaceae. Sie scheinen nur bei wenigen Gattungen vorzu-
kommen, sind aber durch ihre beträchtlich von den Fiedern
abweichenden Formen sehr deutliche pseudostipulare Bil-
dungen. Kleine, fast runde Pseudostipulae finden sich immer
bei Trichilia pseudostipularis C. DC., Trichilia otophorum Miq.
und bei der Gattung Dysoxylum.
Nicht unerwähnt mögen die Sapindaceae bleiben. Auch in
dieser Familie finden sich bekanntlich größtenteils Fieder-
blätter und bei mehreren Arten stipulare Bildungen, die man
als Pseudostipulae ansehen muß. Diese finden sich bei den Gat-
tungen Othophora, Othonephelium (z. B. Othonephelium siipu-
laceutn), bei Placodiscus, und zwar hier nur bei einer Art
Placodiscus pseudostipularis, ferner bei Melanodiscus und
Pomelia. Bei letzterer Gattung bei allen vier Arten vorhanden
und von einheitlicher rundlicher Form.
Da Stipulae und Pseudostipulae verschiedener morpho-
logischer Wertigkeit sind, so muß es theoretisch möglich sein,
daß Stipulae und Pseudostipulae an einem und demselben
Blatte vorhanden sind. Und in der Tat finden wir dies bei einer
Reihe ganz allgemein verbreiteter und bekannter Pflanzen, z. B.
bei AnthylliSy Lotus und Tetragonolobus siliquosus. Diese
Pflanzen gehören zu den Papilionaceae, bei denen Stipular-
bildung eine ganz allgemeine Erscheinung ist.
Bei diesen Gattungen sind die eigentlichen Stipulae bis
auf ein winzig kleines, kaum bemerkbares Zähnchen reduziert,
das an der Spitze immer bei allen von mir untersuchten Exem-
plaren rot tingiert war und in ein ebenso gefärbtes, borstliches
Haar endigte. Von vielen Autoren wurde dieses Zähnchen bis-
her schon für das eigentliche Nebenblatt gehalten, während
sich andere dagegen aussprachen und Goebel bemerkt, daß
dies nur durch eine vergleichende Untersuchung festzustellen
wäre. Diese Untersuchungen lassen sich am besten bei An-
thyllis polyphylla Kit. vornehmen. Die tief unten am Stengel
inserierten Blätter zeigen das Nebenblatt ganz deutlich schei-
dig entwickelt (Fig. 87). Das vorhin erwähnte borstliche Haar
Untersuchungen über Stipularbildungen. 811
und das rote Spitzchen finden sich schon hier an der Spitze
der beiden Stipulae und sie geben einen ganz guten Anhalts-
punkt dafür ab, daß man es tatsächlich immer mit ein und
demselben Organe zu tun hat Bei den weiter oben am
Stengel befindlichen Blättern tritt eine schnell fortschreitende
Verkleinerung der Stipulae ein (Fig. 89 bis 94), bis endlich
nur noch ein kleines hellrotes Zähnchen oder Pünktchen, mit
dem erwähnten borstlichen Haare endigend, vorhanden ist. Je
mehr aber das eigentliche Nebenblatt reduziert wurde, desto
tiefer rückt das unterste Fiederpaar herab, die Stellung und
Funktion des eigentlichen Nebenblattes übernehmend: es ist
zum Scheinnebenblatt, zu Pseudostipulae geworden. So sind
jetzt Stipulae und Pseudostipulae am selben Blatte vorhanden.
In vollständig analoger Weise geht die Reduktion auch bei
Lotus und Tetragonolobus von statten; nur ist es bei diesen
beiden Gattungen nicht an jedem Exemplare, sondern nur an
schnell emporgeschossenen sehr kräftigen Trieben zu sehen.
Stipulae und Pseudostipulae kommen ferner noch bei der
Gattung Sambucus vor. An der Spitze der kleinen, ganz zu
unterst am Grunde der Blattknospen befindlichen braunen
Knospenschuppen von Sambucus nigra ist wiederum die uns
schon bekannte Dreiteilung zu bemerken (Fig. 46). Die beiden
seitlichen Höcker, die die Nebenblätter darstellen, rücken
schon an den Knospenschuppen herab (Fig. 47), ein Verhalten,
das ich nur hier bei Sambucus nigra und Sambucus Ebulus
fand, aber immer in einer jeden Zweifel ausschließenden Deut-
lichkeit bemerkte. .Die Spitze der Knospenschuppe differenziert
sich durch seitliche Abspaltung eines zweiten Organpaares
rechts und links (Fig. 47), zu dem bald ein drittes Paar folgt
(Fig. 48). Unterdessen sitzt bereits das erste Stipularpaar am
Grunde der Knospenschuppe (Fig. 48 und 49), während die
nächst höheren seitlichen Organe (Fig. 49, b) eine merkliche
Verkümmerung erfahren ihid an der Ausbildung, die die
übrigen bereits deutlich abgesetzten Organe durchmachen,
nicht Anteil nehmen. Auch diese rücken in manchen Fällen
— nicht immer — herab (Fig. 50, b) und so kommt es, daß
häufig noch ein zweites Paar Stipulae entwickelt ist. Bei
Sambucus Ebulus kann man beobachten, daß noch ein drittes
812 J. Schiller,
Paar herabrückt, wenn auch nicht überall, so wenigstens nicht
in seltenen Fällen. Man sieht, daß auch bei Samtmcus die
Nebenblätter, wenigstens das «weite Paar, wenn man das erste
Paar als auf eine Bildung des Blattgrundes zurückgehend
annehmen will, auf Fiederanlagen sich zurückführen lassen.
Man sieht ja, daß eine seitliche Differenzierung nach der
anderen in ganz gleicher Weise entsteht, von der ersten in
Fig. 46 a angefangen bis d in Fig. 49. Man kann also auch
die beiden Höcker (In Fig. 46, a) als die erste und frühzeitig
herabrückende und verkümmernde Fiederpaaranlage ansehen.
Dafür spricht, glaube ich, auch die Tatsache, daß selbst bei
Sambuais nigra an kräftigen Lohdentrieben die fiederige Aus-
bildung erhalten oder doch deutlich angedeutet ist und somit
von dem ersten Nebenblattpaare bis zu den normalen, der
Assimilation dienenden Fiederpaaren alle Übergänge vorhanden
sind. Bei Sambucus Etulns ist dies eine längst bekannte Er-
scheinung (Fig. 86). Auf einen ähnlichen Fall bei Sambncus
nigra machte zuerst Fritsch1 aufmerksam. Er fand junge,
durch übermäßige Nahrungszufuhr außerordentlich kräftig ent-
wickelte Lohdentriebe, bei denen am Blattgrunde zwei bis drei
Paar Stipulae deutlich fiedei artig entwickelt waren. Diese
flederartige Entwicklung der Stipulae veranlaßte Fritsch mit
Recht gegen die irrige Ansicht Poulsen's,2 der die Stipulae
von Sambucns als selbständige Bildungen des Blattgrundes,
als Nectarien, und nicht als zu Nectarien umgewandelte Neben-
blätter auffaßte, vorzugehen. Durch die im vorausgehenden
gegebene genaue Entwicklungsgeschichte muß man die Ansicht
von Fritsch bestätigen» sofern es überhaupt noch einer Be-
stätigung bedarf.
Bei den Santbucus-Arten stellen also die ersten Stipulae
die normalen dar, die sich am Grunde aller Blätter gewöhnlich
finden; das zweite und eventuell dritte Paar von Stipular-
bildungen sind die Pseudostipulae, die sich nur gelegentlich
i Fritsch K., Österr, bot. Zeitschrift, 39. Jahrg., 1830. Über die Eigen-
tümlichkeiten außerordentlich üppig entwickelter Schößlinge des schwarzen
Hollunders; p. 214.
» Poulsen, Om nagle Trikomer og Nectarier. Videnskabelige Medde-
lesfor fra den naturhistoriske Forening i Kjöbenhavn 1875, p. 264 — 267.
Untersuchungen über Stipularbildungen. 813
finden. Alle Stipularbildungen sind auf Fiedern zurückzuführen
(Fig. 51, b; Fig. 86, bc).
Hier mächte ich noch die Erörterung eines Falles an-
schließen, der streng genommen eigentlich nicht in den Rahmen
dieser Untersuchungen gehört, da sich bei demselben pseudo-
stipulare Bildungen nicht vorfinden. Allein aus einem be-
stimmten Grunde möge es erlaubt sein, die Resultate einer
Untersuchung der primären Blätter an den Jahrestrieben von
Gymnociadns canadensis anzuführen. Es finden sich die Sti-
pulae hier nämlich geradeso wie Pseudostipulae nur in der
Region der primären Blätter. Bei dieser Gattung fehlen bekannt-
lich ebenso wie bei Gleditschia die Stipulae an den ent-
wickelten Laubblättern. Nur selten sieht man auch an diesen
schwache Andeutungen.
Untersucht man im Frühjahre beim Aufbrechen der Blatt-
knospen die untersten Schuppenblätter, so lassen sie die
bereits oft besprochene dreiteilige Spitze erkennen. Sie ent-
wickeln sich zu einem fiederteiligen Organe, wie es in Fig. 37
dargestellt ist, an dessen Grunde sich keinerlei deutliche
stipulare Bildungen nachweisen ließen. Die untersten seit-
lichen Teile, wie es scheint gleichwertig einem Fiederpaare
(Fig. 37, a), rücken nun, sobald sie diesen Grad ihrer Aus-
bildung erlangt haben, herab, auch hier wieder auf der einen
Seite — es ist wie bei Ailanthus die rechte — schneller als
auf der anderen Seite (Fig. 38). Die rechte Fieder sitzt alsbald
am Grunde (Fig. 39), während die linke Fieder nur sehr lang-
sam herabrückt. Bei den nächsten Primärblättern sitzen bereits
beide Fiedern am Grunde als Stipulae auf (Fig. 40) und ihre
Reduktion geht nun schnell von statten (Fig. 41 bis 45). Die
Rückbildung kann bis auf vollständiges Fehlen der Stipulae
stattfinden. Ohne Zweifel wird man hier echte Stipulae an-
nehmen müssen, da ja in der Familie der Papilionaceae
Stipulae regelmäßig vorkommen. Wir können auch einen Grund
für die Rückbildung finden, denn die Stipulae gewähren wohl
durch Vergrößerung der schützenden Fläche der Primärblätter
den nach innen zu gelegenen jüngeren Laubblättern mthr
Schutz; dagegen können sie in einer erkennbaren Weise den
814 J.Schiller,
sich entwickelnden Blattknospen in den Achseln der Laub-
blätter zu nichts dienen, da die Knospen sehr klein bleiben
und von dem stark entwickelten und um die Knospen aus-
gehöhlten Blattgrunde hinreichend geschützt sind.
Bei den im Wiener botanischen Garten kultivierten
Gleditschia- Arten (Gleditschia triacantha, Gl. sinensis und Gl.
caspica) konnte ich keine Stipulae, selbst bei Anwendung
einer entsprechenden Vergrößerung des Blattgrundes, erblicken.
Doch geht auch hier die Entstehung der Stipulae bei den
primären Blättern eines Sprosses in analoger Weise vor
sich wie bei Gymnocladus. Es sind also auch bei Gymnocladus
und Gleditschia Stipulae nur bei den primären Blättern deut-
lich entwickelt.
Interessant ist ferner die Tatsache, daß bei den meisten
bäum- und strauchartigen Leguminosen eine gleiche Rück-
bildung der Stipulae statthat. So findet man bei folgenden
Gattungen die Stipulae an den Laubblättern entweder gar
nicht entwickelt oder bis auf ein kleines Pünktchen reduziert;
z. B. bei Pterolobium, Acrocarpus, Colvillea, Princinia, Schizo-
lobiutn, Martia, Dicorynia etc. Man kann wohl mit Rücksicht
auf ihre Zugehörigkeit zu den Leguminosen und mit Bezug
auf das Verhalten von Gymnocladus und Gleditschia auch bei
allen diesen Gattungen das Vorhandensein der Stipulae
wenigstens bei den primären Blättern und ihre Entstehung
aus Fiedern annehmen. Es fällt ihnen auch die folgende wich-
tige Aufgabe zu, bei den Primärblättern den Raum zwischen
Blattgrund und dem ersten Fiederpaar auszufüllen. Auf diese
Weise wird sowohl hier bei den Stipulae als auch bei den
Pseudostipulae in den früheren Fällen eine fast lückenlos
schließende Fläche (Schutzfläche) erzielt und die nach innen
zu gelegenen Organe gegen äußere Einflüsse, wie schon
wiederholt oben gezeigt wurde, gesichert (vergl. die Lage der
Stipulae an einem primären Blatte von Robinia hispida,
Fig. 101).
Ich habe die Besprechung der Stipulae der primären Sproß-
blätter von einigen Leguminosen hier aus einem speziellen Grund
eingeschaltet. Wir sahen, daß sie in dem Ort ihres Auftretens
mit den Pseudostipularbildungen übereinstimmen. Anderseits
Untersuchungen über Stipularbildungen. 815
zeigt auch die Art ihrer Bildung unverkennbare Ähnlichkeiten
mit jener der Pseudostipulae. Es erscheint mir nicht unmög-
lich, daß diese Ähnlichkeit keine zufallige ist, sondern auf
die Abstammung der Papilionaceenstipulae von Pseudostipulae
hindeutet. Zu denselben Vermutungen drängen mich ähnliche
Verhältnisse bei der Familie der Rosaceen.
Aus den vorstehenden Untersuchungen dürfte zur Genüge
hervorgehen, daß die Berechtigung der Unterscheidung der
»Pseudostipulae« nicht zu leugnen ist, da unter diesen
Begriff tatsächlich Bildungen fallen, die zwar, wie gezeigt
wurde, mit »echten« Stipulae vieles gemeinsam haben können,
dagegen mit diesen gerade in wichtigen Merkmalen nicht über-
einstimmen.
Pseudostipulae finden sich, soweit meine Beobach-
tungen reichen, bei Pflanzen mit gelappten oder gefiederten
Laubblättern, und zwar:
1. an den primären Blättern eines Sprosses;
2. an den Hochblättern und bei den der Blütenregion
mehr oder weniger genäherten Laubblättern;
3. seltener an den Blättern der ganzen Pflanze; dann aber
sind sie gewöhnlich nicht am Grunde eines jeden Blattes vor-
handen (Canarium).
In allen Fällen sind diese Pseudostipulae die speziellen
Aufgaben adaptierten und mehr oder weniger an den Blatt-
grund herabgerückten basalen Abschnitte der Blattfläche. Ihre
Aufgabe ist in allen von mir untersuchten Fällen die des
Schutzes für jugendliche Organe. Es sind Anhaltspunkte vor-
handen, welche die Annahme Goebel's, daß Stipulae phylo-
genetisch vielfach aus Pseudostipulae hervorgegangen sind,
stützen.
Zum Schlüsse erlaube ich mir, meinem verehrten Herrn
Lehrer, Prof. Dr. Richard R. v. Wettstein, für die mir zuteil
gewordene Unterstützung meinen besten Dank abzustatten.
816 J.Schiller,
Erklärung der Abbildungen.
Tafel I.
Fig. 1, 2, 3, 4 Tecoma radicans.
ps Pseudostipulae.
flg. 1, Z und 3 Primärblätter. Nat Größe.
Fig. 5, 6, 7, 8, 9 Juglans regia.
Fig. 5 stellt ein ganz unten an der Blattknospenschuppe befindliches, braunes
ScJuippeoblatt vor;
Fig. 6 ein Machst hoher gelegenes.
Fig. 7 und 8 Obergangsformen von Schuppen biättarn zu Laubblättern. —
ps Pseudostipulae; psl (Fig. 7) Pseudostipulae mit Lamina. Die letztere in
Fig. 8 und 9 deutlich entwickelt. Der häutige Saum in Fig. 9, h, noch am
Petioras vorhanden. — Fig. 5, 6, 7 etwas verkleinert. Fig. 8, 9 nat Größe.
Fig. 10, 11, 12, 13 Fraxtnus Ornus.
ps Pseudostipulae.
In Fig. 10 zeigt der mittlere Teil eine weitere Differenzierung durch Einschnitte
an. — In Fig. 12, W, tritt auf den ps wieder Laminarbitdtmg auf. —
Fig. 10 dem ersten, Fig. 1 1 dem zweiten, Fig. 12 dem dritten Schuppen-
paar an der Blattknospe angehörend. Alle Figuren in nat. Große.
Fig. 14 Fraxmus txcelsier.
Vollständig entwickeltes Laubblatt von rückwärts gezeichnet — h flügeliger
Rand, am Mittelnerv des unteren Fiederpaares endigend. Verkleinert
Fig. 15, 16, 17, 18 Xanthoceras sorbifolia.
Bezeichnung wie früher. — Fig. 15, 16, 17 Blattschuppen. Natürl. Größe.
Fig. 19, 20, 21 Acer Negundo.
Bezeichnung wie früher. — Fig. 19 und 20 Blattschuppen. Fig. 19 und 20 etwas
vergrößert. Fig. 21 natürl. Größe.
Untersuchungen über Stipularbildungen. 8 1 7
Fig. 22, 23, 24, 25, 26 bis 36 Ailanthns glandnlosa.
Fig. 22 kleines Schüppchen am Grunde einer großen Blattknospe.
Fig. 23 etwas höher inseriertes Schuppenblatt.
Fig. 24 ein primäres Blatt mit deutlich abgesetztem ersten Fiederpaar Fl;
h häutiger Rand.
Fig. 25 F1 deutlicher abgesetzt.
Fig. 26 rechts F1 kerabrückend.
Fig. 27 Ft herabgerückt (rechts); F2 zweites Fiederpaar mit fast vollständig
entwickelter rechter Fieder.
Fig. 28 das erste Fiederpaar beiderseits fast ganz zum Grunde herabgerückt.
Fig. 29 bis 36 die Pseudostipulae ps verkümmern immer mehr. Alle Figuren
nat. Größe.
Taf. I, Fig. 37; Taf. II, Fig. 38 bis 45.
Gymnocladus canadensis.
Fig. 37 a Stipulae.
Fig. 38 und 39 zeigen wiederum das rascher« HetabrOcken an der rechten
Seite. In Fig. 45 von Stipulae nichts mehr zu sehen.
Fig. 37, 38 und 39 PrimärbULtter. Nat Größe.
Tafel lt.
Fig. 46 bis 51 Sambucus nigra.
Fig. 46 a Stipulae.
Fig. 47 und die folgenden: b Pseudostipulae; c und d Fiedern; t zum Teile
verkümmert. Nat. Größe.
Fig. 52 Canariutn silvestre.
Nach Herbarmaterial gezeichnet. /«Pseudostipulae. Etwas verkleinert.
Fig. 53 Picrasma javanica.
Nach Herbarmaterial gezeichnet, ps wie oben. Etwas verkleinert.
Fig. 54 Canarium seeundwm.
Nach Herbarmaterial gezeichnet. Stellt die Obergangsform von geschlitzten
(Fig. 52) zu ganzrandigen (Fig. 53) Pseudostipulae dar. Etwas verkleinert.
Fig. 55 Ailanthns glandulosa.
Querschnitt durch die P&eudoatipula bei ä in Fig. 28 von Ailamtkus gkwdulosa*
zur Hälfte gezeichnet mit drei GefäÜbünde Isträngen.
818 J. Schiller,
Fig. 56 Ailanthus glatt dulosa.
Querschnitt durch die stark reduzierte Pseudostipula von Ailanthus glandulosa
in Fig. 32 bei a. In der Mitte ein Gefäßbündelstrang vorhanden.
Fig. 57 bis 60 Valeriana officinalis.
ps wie früher.
Fig. 57 und 58 aus der Blütenregion; die folgenden weiter nach unten am
Stengel inseriert. Nat Größe.
Fig. 61 bis 63 Centaurea Scabiosa.
ps wie früher.
Fig. 61 und 62 unmittelbar der Blütenregion angehörend. Nat. Größe.
Fig. 64 bis 66 Serratula cyanoides.
ps wie früher.
Fig. 64 aus der Nähe der Blütenregion. — In
Fig. 66 die unteren Fiedern verkümmert und hinaufrückend. Nat. Größe.
Fig. 67 bis 7 1 Knautia arvensis.
Fig. 67 der Infloreszenzregion angehörend.
Fig. 68 und 69 unter der Infloreszenz gelegen, ps siehe oben.
Fig. 7 1 Z flügeiförmiger Lappen. Etwas verkleinert.
Taf. II, Fig. 72 bis 74; Taf. III, Fig. 75.
Artemisia vulgaris.
ps wie früher. Etwas verkleinert.
Tafel III.
Fig. 76 bis 78 Papaver Orientale,
ps wie früher. Etwas verkleinet.
Fig. 79 bis 82 Achillea filipendula.
ps wie früher.
Fig. 80 ps unsymmetrisch.
Fig. 82 zeigt das ungleichartige Hinaufrücken der verkümmerten Fiedern. Nat.
Größe.
Fig. 83 bis 85 Chelidonium majus.
Fig. 83 bis 85, b Laubblätter mit den Pseudostipulae und den Lappen Ly unter
welche in Fig. 85 die Infloreszenz Bl tritt. Zwischen den Pseudo-
stipulae in Fig. 84 die junge Infloreszenz Bl. Verkleinert.
Untersuchungen über Stipularbildungen. b 1 0
Fig. 86 Santbucus Ebnlus.
Ein entwickeltes Blatt, a Stipulae, b Pscudostipulae. Verkleinert.
Fig. 87 bis 95 Anthyllis polyphylla.
Fig. 87 Blatt vom Stengelgrunde. Die übrigen Blätter aus einer höheren Lage
am Stengel, st Stipulae; ps Pseudostipulae. Nat. Größe.
Fig. 96 bis 100 Rhus hemialata.
Fig. 96 Blattschuppe.
Fig. 97 noch nicht normal entwickeltes Laubblatt ps Pseudostipulae, / Längs-
furche auf den Pseudostipulae mit Laminabildung. F Fiedern mit
starkem Mittelnerv auf der unteren Seite. Fig. 97 etwas vergrößert, die
übrigen nat. Größe.
Fig. 101 Robinia hispida.
Si Stipulae, welche den Raum zwischen Blattgrund und dem ersten Fieder-
paar ausfüllen. Nat. Größe.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXU. Bd., Abt. 1. 53
Tafel I.
Schiller, J.: Untersuchungen über Stipularbildungcn.
Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Classe, Bd. CXII, Abth. I. 1903.
Tafel II.
Schiller, J. : Untersuchungen über Stipularbildungen.
Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.naturw. Classe, Bd. CXI1. Abth. I. 1903.
Tafel III.
Schiller, J. : Untersuchungen über Süpularbildungen.
Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Classe, Bd. CXI1. Abth. I. 1903.
821
XXI. SITZUNG VOM 29. OKTOBER 1903.
Das k. M. Hofrat Prof. L. v. Graff in Graz übersendet
sechs Exemplare seines Werkes: »Die Turbellarien als
Parasiten und Wirte«, welches derselbe als erste Frucht
seiner mit Unterstützung der kaiserlichen Akademie aus dem
Legate Wedl unternommenen Reise verfaßt hat.
Das w. M. Prof. O. Stolz übersendet eine Abhandlung
von W. H. Young in Göttingen mit dem Titel: »Über die
Einteilung der unstetigen Funktionen und die Ver-
teilung ihrer Stetigkeitspunkte.«
Versiegelte Schreiben zur Wahrung der Priorität
sind eingelangt:
1. Von Dr. Franz Malina in Wien mit der Aufschrift: »Zur
Bahnberechnung der Sterne«;
2. von Dr. techn. Josef Hecht in Berlin mit der Aufschrift:
»Verfahren zur Darstellung von blauen, violetten
und rötlichen Schwefelfarbstoffen«;
3. von stud. phil. Paul Camill Taussig in Wien mit der Auf-
schrift: »Verfahren zur Darstellung von Methyl-
amin.«
Das w. M. Hofrat V. v. Ebner legt zwei Abhandlungen
von Herrn Franz Fuhrmann vor:
I. Ȇber Virulenzsteigerung eines Stammes des
Vibrio Chol, as.« (aus dem Institute für allgemeine Patho-
logie in Graz; Vorstand: Prof. R. Klemensiewicz).
II. Über die Abnahme der Lysinwirkung alter Lysin-
sera« (aus dem Institute für allgemeine Pathologie in
Graz; Vorstand: Prof. R. Klemensiewicz).
53*
822
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht zwei in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeiten:
I. *Über Einwirkung verdünnter Schwefelsäure auf
Butyronpinakon«, von Karl Zumpfe.
II. »Über Einwirkung von Blausäure auf Methylol-
dimethylacetaldehyd«, von Dr. Erhard Glaser.
Dr. Alfred Exner legt eine Abhandlung vor, betitelt:
»Bericht über die bisher gemachten Erfahrungen
bei der Behandlung von Carcinomen und Sarkomen
mit Radiumstrahlen.«
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXII. BAND. IX. HEFT.
ABTEILUNG I.
ENTHALT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
825
XXII. SITZUNG VOM 5. NOVEMBER 1903.
Der Vorsitzende, Prof. E. Sueß, macht Mitteilung von
dem Verluste, welchen die kaiserliche Akademie durch das am
1. November 1903 erfolgte Ableben des auswärtigen Ehren-
mitgliedes der philosophisch-historischen Klasse, Prof. Dr.
Theodor Mommsenin Berlin, erlitten hat.
Die anwesenden Mitglieder geben ihrem Beileide durch
Erheben von den Sitzen Ausdruck.
Der Niederösterreichische Gewerbeverein über-
sendet Einladungen zu der am Samstag, 7. November, statt-
findenden Eröffnung der vom österreichischen Photographen-
vereine unter der Ägide des Niederösterreichischen Gewerbe-
vereines veranstalteten Photographischen Ausstellung.
Dr. Josef Müller in Triest übersendet eine Arbeit mit dem
Titel: »Über neue Höhlenkäfer aus Dalmatien. Resul-
tate derim Sommer 1903 unternommenen Forschungen
in dalmatinischen Höhlen.«
Dr. techn. Richard Silberberger übersendet eine Ab-
handlung mit dem Titel: »Studien über die quantitative
Bestimmung von Schwefelsäure.«
Dr. Ernst Murmann in Pilsen übersendet ein versiegeltes
Schreiben zur Wahrung der Priorität mit der Aufschrift: »Neue
Elemente«.
Dr. Friedrich Wielsch in Wien übersendet ein ver-
siegeltes Schreiben zur Wahrung der Priorität mit der Auf-
schrift: »Über radioaktive Präparate.«
826
Das w. M. Prof. F. Becke überreicht den zweiten Teil des
Berichtes über die petrographischen Untersuchungen an den
krystallinischen Gesteinen der Zentralkette der Ostalpen, be-
titelt: »Optische Untersuchungsmethoden.«
Prof. F. Beckp überreicht einen Bericht über den Fort-
gang der geologischen Beobachtungen auf der Nord-
seite des Tauerntunnels.
Das w. M. Hofrat Siegmund Exner legt eine Abhandlung
vom k. u. k. Stabsarzt Dr. Alois Pick vor mit dem Titel: Ȇber
den Einfluß verschiedener Stoffe auf die Pepsin-
verdauung.«
Hofrat Siegmund Exner überreicht weiter eine Arbeit
des k. M. Dr. J. Breuer, welche den Titel führt: »Studien
über den Vestibular-Apparat.«
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht zwei in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeiten:
I. »Der synthetische Isopropylacetaldehyd und
seine Kondensationsprodukte«, von M. Cihlar.
II. »Über einige Derivate des Diacetonalkamins«,
von Moritz Kohn.
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Komitee des allgemeinen Bergmannstages 1903 in
Wien: Die Mineralkohlen Österreichs. Wien, 1903. 8°.
(Mit 12 Karten.)
Kraus, Herman T. C: Motion. The fundamental principles
of mechanics; or, the mechanics of the universe.
Mathias, E.: Le point critique des corps purs. Paris, 1904. 8°.
Ochsenius, Karl: Erdöl- und Erzstudien. (Abdruck aus der
»Allgemeinen österreichischen Chemiker- und Techniker-
Zeitung, 1903.«)
827
Ochsenius, Karl: Steinsalz und Kalisalze. (Sonderabdruck aus
der »Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft,
1902.«)
— Über den Untergrund von Venedig. (Sonderabdruck aus
der »Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft,
1903.«)
— Wasserkissen. (Briefliche Mitteilung aus der »»Zeitschrift
für praktische Zoologie, 1903«.)
Wilson Ornithological Club in Oberlin: The Wilson
Bulletin No 44. Oberlin, Ohio, September 1903. 8°.
823
XXIII. SITZUNG VOM 12. NOVEMBER 1903.
Das w. M. Prof. R. v. Wettstein überreicht eine Ab-
handlung von Herrn Leopold Mo gan, betitelt: »Untersuchun-
gen über eine fossile Konifere.«
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht eine in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeit »Über die Einwirkung
von Kalkmilch auf Isobutyraldehyd« von Peter Herr-
mann.
Herr Franz Karl Lukas in Mauer bei Wien legt eine
Mitteilung mit dem Titel vor: Ȇber eine neue Art von
Kettenbrüchen.«
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Albert Ier, Prince souverain de Monaco: Resultats des
Campagnes scientifiques accomplies sur son yacht, fasc.
XXIII; fasc. XXIV. Monaco, 1903. 4°.
Königl. Statistisches Landesamt in Stuttgart: Die erd-
magnetischen Elemente von Württemberg und Hohen-
zollern. Gemessen und berechnet für 1. Januar 1901 im
Auftrage und unter Mitwirkung der königl. württembergi-
schen meteorologischen Zentralstation von K. Hauss-
mann. Stuttgart, 1903. 4°.
Universität in Basel: Akademische Publikationen 1902 bis
1903.
829
Untersuchungen über eine fossile Konifere
von
Leopold Mogan.
(Mit 1 Tafel und 2 Textfiguren.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 12. November 1903.)
Die wissenschaftliche Phytopaläontologie, welche die
Pflanzenfossilien zum Gegenstande ihrer Forschung macht,
hat die Aufgabe, fossil auftretende Pflanzenreste zunächst zu
bestimmen und sodann, entsprechend der herrschenden phylo-
genetischen Richtung, den Zusammenhang dieser Formen mit
den heute lebenden nachzuweisen; der letztere Zweck, der die
angestrebte Aufstellung eines Stammbaumes mitherbeiführen
helfen soll, wird erreicht, wenn fossile Funde sich als Zwischen-
oder Übergangsformen in die systematisch angeordneten Reihen
der rezenten Flora einstellen lassen, oder aber, was besondere
Hervorhebung verdient, sich als die Stammformen von rezenten
Pflanzenformen erweisen. Diesen gestellten Forderungen der
Phytopaläontologie in einem speziellen Falle gerecht zu
werden, ist in vorliegender Arbeit versucht worden.
In einem Ziegelwerke bei Leobersdorf nächst Baden in
Niederösterreich wurden fossile Zapfen zu Tage gefördert, die
Herr Karl Tech et dem botanischen Museum der Wiener
Universität als Geschenk überreichte.
Das schöne im besten Erhaltungszustande befindliche
Material, welches der zweiten Mediterranstufe der Tertiär-
formation angehört, läßt sehr deutlich hervortretende äußere
morphologische Verhältnisse erkennen, ohne indes irgend
welche Anhaltspunkte für die vollständige Identifizierung mit
einer rezenten Konifere zu bieten.
830 L. Mogan,
Die Abbildungen der Tafel I sollen diese morphologischen
Eigentümlichkeiten zur Anschauung bringen, die bei aller
Verschiedenheit der Zapfen dennoch dafür sprechen, daß ihre
Zugehörigkeit zu einer Art angenommen werden kann.
Zur näheren Untersuchung wurde ein der mit Nummer 5
bezeichneten Form sehr ähnlicher Zapfen herangezogen.
Die allgemeine Form des Zapfens gleicht einigermaßen
dem Fruchtzapfen von Pinus halepensis und auch die Größe
ist annähernd damit übereinstimmend. Die Abflachung infolge
des Druckes der darüber gelagerten Gesteinsmassen ist eine
sehr bedeutende. Die allgemeine morphologische Betrachtung
gestattet es, mit Gewißheit zu beurteilen, daß es eine Pinus-Art
ist, deren Fruchtzapfen sich in dem Fossil erhalten hat; diese
Deutung stützt sich insbesondere darauf, daß die vorhandenen
Fruchtschuppen-Apophysen sich mit voller Klarheit an den
Enden der Fruchtschuppen abheben. Der gewaltige Druck hat
wohl eine Verflachung der Apophysen bewirkt, doch ist eine
Verwischung ihres rhombischen Umrisses dadurch nicht
eingetreten, und auch der zentral gelegene Höcker, sowie
vier in die Ecken verlaufende Rippen bieten sich der Beob-
achtung dar.
Mit Rücksicht auf diese Merkmale konnte nun die
Zugehörigkeit des Fossils zur Sectio Pinaster ausgesprochen
werden und der Ausschluß der Sektio Strobus erfolgen; 1 eine
Identifizierung aber mit einer rezenten Pinus- Art dieser Gruppe
war auf Grund des morphologischen Vergleiches nicht möglich.
Um in dieser Hinsicht die Untersuchung erfolgreich zu
gestalten, bedurfte es erst einer vergleichend anatomischen
Betrachtung, welcher die Fruchtschuppen der in Beziehung
stehenden rezenten Formen, sowie die des Fossils unterworfen
wurden. Besonders eignen sich für diesen Zweck die mikro-
skopischen Querschnittsbilder, welche eine gute Übersicht
gewähren.
Schnitte durch verholzte Fruchtschuppen von rezenten
Pinus-Arten werden leicht erhalten, wenn das Material, nach
1 Vergleiche: A. Eich ler in Engl er-Pr an tl »Natürliche Pflanzenfamilien c
11. Teil, I. Abt., p. 71.
Untersuchungen über eine fossile Konifere. 83 1
vorherigem Kochen in Wasser, während eines Zeitraumes von
zwei bis drei Tagen in eine Mischung von gleichen Teilen
Alkohol und Glyzerin gelegt wird.1
Diese Methode stellt sich indes bei der versteinerten
Schuppe als unwirksam heraus, weil die vorhandenen Inkru-
stationen den Aufweichungsvorgang behindern. Wiederholte
Versuche ergaben jedoch, daß nach Einlegen des Objektes in
verdünnte Salzsäure durch wenige Tage hindurch, diese
Zeitdauer ist eben eine Funktion des Konzentrationsgrades
der Säure, ein Zustand erreicht wird, bei dem sich unter Beob-
achtung einiger Vorsicht sehr brauchbare Schnitte erzielen ließen.
Die Natur des Lösungsmittels, sowie die Erscheinung des
Aufbrausens bei Berührung mit der Säure weisen auf eine
Verkalkung des karbonisierten Fossils hin.
Der allgemeine Bauplan der Pmws-Fruchtschuppen ist im
wesentlichen bei allen Arten ein analoger und soll in seinen
Grundzügen am Querschnittsbilde von Pinus montana erläutert
werden. (Siehe Abbildung, Fig. 1.)
Die für jedes Abietineenblatt charakteristischen Merkmale
der Symmetrie und Dorsiventralität treten auch hier typisch
hervor. Von den zwei in der Ebene des Querschnitts möglichen
normalen Axen ist die von vorn nach hinten gerichtete kurz
und heteropol, während die von rechts nach links verlaufende
bedeutend länger und homopol ist. Die Dorsalseite, in der
natürlichen Lage am Zapfen nach außen gewendet, zeigt eine
sanfte Wölbung, die Ventral-Innenseite nimmt einen geraden
Verlauf; die größte Breite erreicht das Blatt in der Mitte, gegen
beide Seiten tritt Verjüngung ein. An der Ventralseite erkennt
•man eine hypodermale Sklerenchymschicht, der eine an der
reifen Schuppe nur mehr in wenigen Fragmenten erhaltene
Epidermoidalschicht vorlagert; das Sklerenchym wechselt an
einzelnen Stellen an Mächtigkeit, setzt sich aber meist aus
zwei Zellreihen zusammen, deren Elemente polygonale Quer-
schnittsform haben und selten eine so weitgehende Wand-
verdickung erfahren, daß die Zellumina zur Gänze ver-
schwinden. Daran reiht sich das Grundparenchym mit Zellen
1 E. Strasburger: Großes* botanisches Praktikum, S. 43, III. Aufl.
832
L. Mogan,
von teils rundlicher, teils polygonaler Gestalt, die bald lücken-
los, bald durch weite Intercellularen getrennt angeordnet sind
und Inhaltsreste führen, welche sich als hellgelbe bis bräunliche
Masse darstellen. Nach der Dorsalseite wird das Parenchym
von einem hypodermalen Sklerenchymgewebe abgegrenzt,
j-'
vh "
P« *
Fig. 1.
Stück eines Querschnittes durch die Fruchtschuppe von Pinus moniana\
100 fach vergrößert
dessen Elemente im Bau mit denen der Ventralseite überein-
stimmen, oft jedoch, eine mehr längliche Querschnittsform
annehmend, viel dichter und mächtiger gelagert sind, so daß
nicht selten fünf bis sechs Zellreihen unterschieden werden
können. Immer findet sich an dieser Seite die Epidermoidal-
schicht ganz erhalten, bestehend aus Zellen, deren Lumen
vollständig von einer dunkelbraunen Masse erfüllt ist und die
deshalb total undurchsichtig erscheinen. Gewöhnlich in der
Untersuchungen über eine fossile Konifere. 833
Mittelschicht des Mesophylls treten die kollateralen Gefäß-
bündel auf, von nahezu kreisrunder Gestalt im Querschnitt,
meist sieben bis neun an der Zahl und einen wenig diver-
gierenden Verlauf nehmend; sie sind von einer einschichtigen
Gefäßbündelscheide umschlossen. Die Elemente des bedeutend
überwiegenden Xylems sind dickwandig, radiär gestellt,
während der nach außen gelegene Phloemteil nur von geringer
Mächtigkeit ist. Im ganzen Parenchym sind Harzgänge ein-
gebettet, deren Anordnung insoferne als gesetzmäßig bezeichnet
werden kann, als sich stets ein großer Gang zentral zwischen
zwei Gefaßbündel einschaltet, und die anderen, kleineren, an
der Dorsalseite häufiger sind. Die Harzgänge gehören dem
Typus, welcher den Blättern der Pinus-Arten eigen ist, an,
indem sie an der Peripherie eine Lage von dickwandigen
Zellen führen, deren Querdurchmesser relativ gering ist.
Ein Vergleich der Querschnittsbilder von Fruchtschuppen
der wichtigsten rezenten Pinus-Formen ergab nicht unwesent-
liche Differenzen in Bezug auf den anatomischen Bau, weshalb
eine kurze Übersicht der hauptsächlichsten Unterschiede mit
dem Bemerken gegeben wird, daß nur Schuppen völlig reifer
Zapfen und zwar an analogen Stellen zur Untersuchung
gelangten.
Pinus silvestris zeigt, mit Rücksicht auf die beschriebenen
Verhältnisse von Pintis montana, eine so große Annäherung
der Gefäßbündel, daß der zentrale Harzgang des öftern die
Scheiden tangiert; die Zellen des Grundparenchyms schließen
dicht aneinander, fast lückenlos und sind meist von runder
Gestalt; jener braune InhaltsstoflF, welcher bei Pinus montana
nur als Wandbelag auftritt, erfüllt hier nicht selten das ganze
Zellumen. Eine sehr bemerkenswerte Abweichung äußert sich
im Sklerenchym der Dorsalseite darin, daß es von größerer
Mächtigkeit ist, indem sich an seiner Zusammensetzung
sieben bis acht Zellreihen beteiligen, und als besonders
charakterisierend für Pinus silvestris sott hervorgehoben werden,
daß die zahlreichen Harzgänge nicht allein im Parenchym,
sondern auch im Sklerenchym dieser Seite lagern.
Für Pinus nigra ergibt sich als typisches Merkmal die nicht
seltene Vereinigung von Gefäßbündeln zu Doppel-Gefäßbündeln,
834 L. Mogan,
und bei Betrachtung der Harzgänge zeigt sich die Erscheinung,
daß der bei anderen Formen gesetzmäßig anzutreffende große
zentral gelegene Gang eine Größendifferenz gegenüber den
anderen nicht aufweist Die Grundgewebselemente, nur in ihrer
Minderheit den bereits erwähnten braunen Körper als Wand-
belegung führend, schließen sich in ihrer Gruppierung an
Pinus montana an, doch ist auch hier das Dorsalsklerenchym
zu mächtigerer Ausbildung gekommen; an die bei der reifen
Schuppe leicht abfallende Epidermoidalschicht reihen sich als
Sklerenchym fünf bis sieben Zellschichten mit Elementen, die
eine auffallende Längsstreckung erfahren haben.
Bei Pinus halepensis fehlen ebenfalls die Epidermoidal-
schichten, jedoch ist bei dieser Form zu beobachten, daß jene
dunkelbraune Masse, welche sonst nur den Dorsalepidermoidal-
zellen eigen ist, auch in den Elementen des Sklerenchyms dieser
Seite sich findet. Die Sklerenchyme sind schwach ausgebildet,
die Wandverdickung an vielen Stellen ist so gering, daß
namentlich an der Ventralseite eine Abgrenzung gegen das
Parenchym nahezu verwischt ist. Das Grundparenchym, aus
dünnwandigen, polygonalen Zellen bestehend, die recht
spärliche Wandbelegung haben, ist locker, und Gefäßbündel,
sowie Harzgänge bieten im Vergleiche mit den vorerwähnten
Arten nichts von besonderer Auffälligkeit.
Obwohl die Sectio Strobus schon im voraus aus allgemein
morphologischen Gründen auszuschalten war, so wurde doch
der Vollständigkeit wegen in Pinus Peuce auch ein Vertreter
dieser Gruppe untersucht. Da ist zunächst der meist voll-
ständige Mangel auch der Dorsalepidermoidalschichte zu
konstatieren. Die Sklerenchymgewebe an beiden Seiten sind
nur schwach entwickelt, wobei die Wandverdickung ihrer
Zellen eine mäßige ist, so daß die Lumina immer recht deutlich
wahrgenommen werden. In den Vordergrund tritt das Grund-
gewebe, mit locker angeordneten polygonalen Zellen, in
welchen wohl auch die braune Masse bemerkt wird, eine
Ausfüllung des Lumens aber nie vorkommt. Die Gefäßbündel
sind verhältnismäßig klein, dadurch erscheint der zentrale
Harzgang relativ sehr groß, und es gehört nicht zur Seltenheit,
daß dieser Gang die Gefäßbündel an Größe übertrifft.
Untersuchungen über eine fossile Konifere.
835
Von der fossilen Form ist zunächst hervorzuheben, daß
schon äußerlich an der Schuppe, so wie bei der Gesamlionii
des Zapfens, die Einwirkung der stattgehabten Kompression
sehr merkbar ist; ihr stärkster Einfluß macht sich jedoch in
den Geweben geltend, indem fast sämtliche Rundformen eine
Längsstreckung in der auf die Druckrichtung senkrechten
Ebene erfahren haben. Die Betrachtung des anatomischen
Baues der Schuppe läßt in Bezug auf Bau und Orientierung
der Elemente Verhältnisse erkennen, welche denen von Pinus
Mb soll
Fig. 2.
Stück eines Querschnittes durch die Fruchtschuppe von Pinus prac-moniana\
120 fach vergrößert.
montana vollkommen analog sind, wenn die infolge der
Kompression eingetretenen sekundären Veränderungen in
entsprechende Berücksichtigung gezogen werden. Die Schuppe
erscheint fast gleichbreit im Querschnittsbild, da die bei
rezenten Formen auffallende Wölbung der Dorsalseite vom
Drucke so ziemlich ausgeglichen wurde, und der sicheren
Bestimmung dieser Seite dient die stets vorhandene, undurch-
sichtige Epidermoidalschichte, welche der Ventralseite immer
fehlt. Die Epidermoidalschicht setzt sich aus relativ dünn-
wandigen Elementen zusammen, die im ganzen Lumen von
Sit'/b. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. ßd., Abt. 1. 54
836 L. Mogan,
der bereits angeführten dunkelbraunen, undurchsichtigen
Masse erfüllt sind. Das Dorsalsklerenchym, aus drei bis vier
Zellreihen gebildet, läßt Zellen erkennen, die ursprünglich wohl
parallel dem Querdurchmesser des Bildes längsgestreckt waren,
jetzt aber, infolge Drucks, eine derartige Verschiebung erlitten,
daß die wegen starker Wandverdickung nur strichförmigen
Zellumina parallel dem Längsdurchmesser gestellt sind. Das
hypodermale Sklerenchym an der Ventralseite zeigt längliche
Zellenquerschnitte neben solchen, welche die primäre Poly-
gonalform beibehielten und eine bestimmte gleichartige Orien-
tierung der Lumina, wie sie die Dorsalseite zeigt, ist nicht
bemerkbar. Im Grundgewebe hat sich überall der Übergang
von Rundformen in langgestreckte vollzogen; die dünn-
wandigen, weitlumigen Zellen sind locker gelagert, an manchen
Stellen treten große Interzellularräume auf,und die als Wandbelag
vorkommenden spärlichen Inhaltsreste entsprechen genau
jener gelb-bräunlichen Masse rezenter Formen. Bei vielen
Elementen ist die infolge Kompression hervorgerufene De-
formation eine so weitgehende, daß die ursprünglich polygonale
Zelle in eine längliche, mehrfach gewundene überführt wurde,
bei der zwei gegenüberliegende Wandstellen zur Berührung
kamen und so der Eindruck erweckt wird, als hätte man
mehrere kleinere Zellen vor sich. Eine starke Veränderung
erfuhren die in der Mesophyll-Mittelschichte eingebetteten
Gefäßbündel. Zahl und Anordnung stimmen zwar recht gut
mit den Verhältnissen bei Pinus montana überein, doch hat
die Druckwirkung eine Gestaltsumwandlung hervorgerufen;
im Querschnitte ist die Kreisform zur schmalelliptischen
geworden, bei der die große Axe, in Parallelstellung zum
Bildlängsdurchmesser, die kleine fünf bis sechsfach an Größe
übertrifft. Die aus einer Zellreihe hervorgegangene Scheide
hebt sich deutlich ab, während eine Abgrenzung der einzelnen
Xylemelemente gegeneinander nicht wahrnehmbar ist, so daß
das Xylem den Anblick einer ganz undifferenzierten hellgelben
Masse bietet, in welcher häufig nahezu parallel zum Längs-
durchmesser verlaufende Markstrahlen auftreten, die bei
rezenten Formen ausgesprochen radiär verlaufen. Das Phloem,
in der für collaterale Gefäßbündel typischen Stellung ist
Untersuchungen über eine fossile Konifere. 837
zuweilen lateral verschoben; seine Elemente sind gut aus-
gebildet, deutlich abgegrenzt und an Zahl den rezenten Formen
überlegen; gegenüber dem Xylemteil tritt das Phloem stark
zurück. Harzgänge finden sich im ganzen Grundparenchym
und wird von der durch Druck hervorgerufenen Formänderung
abgesehen, so haben die bezüglichen Angaben für Pinus
montana Geltung.
Ein Vergleich dieses Baues mit den beschriebenen ana-
tomischen Verhältnissen bei den rezenten Formen ergibt das
zweifellose Resultat, daß unter den zur Untersuchung heran-
gezogenen Formen eine Ähnlichkeit nur zwischen dem Fossil
und Pinus montana nachweisbar ist. Dabei ist die konstatierte
Ähnlichkeit nicht bloß relativ zu nehmen, sondern absolut so
groß, daß es eines Vergleiches mit anderen der Betrachtung
nicht unterworfenen Pinus-Arten nicht mehr bedarf.
Haben die vorangegangenen Ausführungen bezweckt, der
ersten phytopaläontologischen Forderung, das ist der Bestim-
mung des Fossils, zu genügen, so soll nun die Aufgabe auch in
ihrem zweiten Teil und zwar in dem Sinne einer Lösung
zugeführt werden, daß die Erbringung eines Wahrscheinlich-
keitsbeweises für den genetischen Zusammenhang des Fossils
mit einer rezenten Form versucht wird.
Hiezu sei bemerkt, daß die folgende Darstellung in
pflanzengeographischer Hinsicht sich auf die Schlüsse stützt,
welche Herr Prof. Dr. Richard v. Wettstein in seiner mono-
graphischen Studie über Picea omorica zieht.1
Mit Rücksicht auf die Beziehungen der geschilderten
Form zu anderen bisher beschriebenen fossilen Pinus-Arten
wird erwähnt, daß aus der großen Zahl von Arbeiten nur
diejenigen Berücksichtigung finden konnten, die mit der
vorliegenden Untersuchung in engerem Zusammenhang stehen,
und zwar:
H. Potonie, Lehrbuch der Pflanzenpaläontologie, p. 311.
A. Schenk, Die fossilen Pflanzenreste in: Handbuch der
Botanik, IV. Bd.
1 Picea Omorica, eine monographische Studie von Dr. R. v. Wettstein,
S. 45 bis 55 des Separatabdruckes a. d. Sitzungsberichten der kaiserl. Akademie
der Wissenschaften in Wien, mathem.-naturw. Klasse, Bd. XCIX, 1891.
54*
83-°» L. Mogan,
A. Eichler, a. a. O., p. 73.
C. v. Ettingshausen, Beiträge zur Erforschung der
Phylogenie der Pflanzenarten.
F. Unger, Sylloge plantarum fossilium.
Von allen in diesen Werken zur Beschreibung gebrachten
Formen käme in erster Linie die Pinus prae-pumilio Ett. in
Betracht, welche Ettingshausen aus den tertiären Ablage-
rungen von Fohnsdorf undParschlug erwähnt. Doch erfolgte
die Aufstellung auf Grund von Nadelpaaren, Fruchtschuppen
und Samen, die eine Deutung mit Sicherheit kaum zulassen, eine
Identifizierung aber mit unserer Form bestimmt ausschließen.
Pinus pinastroides U ng. mit Zapfen, welche gleichfalls den
tertiären Schichten von Fohnsdorf in Steiermark entstammen,
zeigt solche Unterschiede im Bau und in der Größe des Zapfens,
daß eine Gemeinschaft mit dem untersuchten Fossil gewiß
nicht anzunehmen ist.
Die anderen in den zitierten Werken besprochenen
Formen sind außer jeden Betracht.
Überblickt man die Grade der Annäherung, welche die der
Untersuchung unterzogenen rezenten Formen, sowie die bezeich-
neten Fossilien, zu unserer beschriebenen Form erkennen lassen,
so ergibt sich die Tatsache, daß es sich um eine Pflanze handelt,
welche Pinus montana sehr nahe steht und mit Recht als Pinus
prae-montana bezeichnet werden darf. Die Reste wurden nur des-
halb nicht direkt sdsPinus montana angesprochen, weil die Größen-
unterschiede zwischen dem rezenten und fossilen Zapfen zu er-
heblich sind; es ergaben nämlich die Messungen am Zapfen von
Pinus prae-montana eine durchschnittliche Länge von 7 • bem bei
einer Breite von 3 cm, wobei letztere infolge der Lateral-Kom-
pression noch vermehrt wurde ; das sind Dimensionen, welche mit
den entsprechenden von Pinus montana nicht im Einklang stehen.
Wenn stets die Bezeichnung Pinus montana gewählt
wurde, so erfolgte dies in der Absicht, einen Sammelnamen für
die mitteleuropäischen Krummholzkiefern zu verwenden.1
1 Vergleiche: Willkomm M., Versuch einer Monogr. der europ. Krumm-
holzkiefer in Tharand. Jahrb. XIV. p. 166. — Beck G., v., Die Nadelhölzer
Niederösterreichs, aus den Blättern des Vereines für Landeskunde v. Nieder-
öst., Jahrg. 1890, p. 34 bis 87.
Untersuchungen über eine fossile Konifere 839
Von besonderem pflanzengeographischen Interesse wäre
es, wenn andere Funde die Richtigkeit der in hohem Maße
wahrscheinlichen Behauptung bestätigen würden, daß zur
Tertiärzeit am Ostrande der Alpen eine Pinus-Art vegetierte,
welche durch bedeutendere Dimensionen der Fruchtzapfen von
der rezenten Pinus montana abwich. Die unter dem Namen
Pinus montana zusammengefaßten Krummholzkiefern sind
gegenwärtig in ihrer Verbreitung auf die alpine und subalpine
Region der Gebirge Mittel- und Südeuropas beschränkt; sie
stehen keiner der heutigen Pinus- Arten so nahe, daß eine phylo-
genetische Ableitung ohne besondere Schwierigkeit möglich
wäre. Das Vorkommen im Süden Europas, ihr Auftreten in
diluvialen und interglacialen Ablagerungen sprechen überdies
für ein relativ hohes Alter, wodurch die Vermutung, daß die
vorliegenden Fragmente einer Pflanze angehören, die im
Tertiär verbreiteter war und zu Pinus montana in genetischen
Beziehungen steht, nur an Boden gewinnt. Der Eintritt der
Eiszeit schränkte wahrscheinlich das Vegetationsgebiet von
Pinus prae-montana immer mehr ein, das sich zu dieser Zeit
weit über dem Ostabhang der Alpen erstreckt haben dürfte.
Fortschreitende Vergletscherung und die damit verbundene
ungünstige klimatische Veränderung machten in der Folge
das Vorkommen von Pinus prae-montana zur Unmöglichkeit,
es trat das Aussterben der Pflanze ein; während die den
rauheren Verhältnissen der höheren Lagen bereits angepaßte von
jener abgeleitete Pinus montana diese Epoche überdauern konnte.
Als Resultat der Untersuchung ergibt sich somit
der Nachweis einer der rezentenPinusmontananahe ver-
wandten Pinus-Art, deren Auftreten am Nordostrande
der Alpen ins Tertiär fällt und für die der Name Pinus
prae-montana in Vorschlag gebracht werden konnte.
Wenn an dieser Stelle meinem verehrten Lehrer Herrn
Prof. Dr. R. v. Wettstein für die im weitestgehenden Maße
erteilte Unterstützung und Förderung nochmals der herzlichste
Dank ausgesprochen wird, so soll damit nicht nur einer
Verpflichtung, sondern auch einem warm gefühlten Bedürfnis
entsprochen werden.
840
L. Mogan, Untersuchungen über eine fossile Konifere.
Tafelerklärung.
Fig. 1 bis 5, Zapfen von Pinus prae-montana in natürlicher Größe.
Der anatomisch untersuchte Zapfen glich der mit Nr. 5 bezeichneten Form.
Figurenerklärung
zu den beiden Abbildungen auf p. 4 und 7.
a Dorsale Epidermoidaischicht
b Dorsalsklerenchym
c Grundparenchym
d Ventralsklerenchym
x Xylem
ph Phloem
h Harzgang
5 Gefäßbündelscheide.
Mo^an,L.:lInlersuchiin|en über eine fossüe Coiiifere.
A-Swoboda lulNutui yz u.liäi Lüli-Anat v TJi Riuiitwiirth .UVn
Sitzungsberichte d.kais.Akad. d. \Viss.,Tnath-iiaturw. Ciasse, DcLCXH.Abth. 1.1003.
841
XXIV. SITZUNG VOM 19. NOVEMBER 1903.
Erschienen: Monatshefte für Chemie, Bd. XXIV, Heft IX (November 1903).
Herr Karl Mommsen in Charlottenburg dankt für die
Teilnahme der kaiserlichen Akademie anläßlich des Ablebens
seines Vaters Prof. Theodor Mommsen.
Herr Serge Socolow in Moskau übersendet einen Nach-
trag zu seiner Mitteilung über die Beziehungen der Massen und
Entfernungen der Planeten.
Prof. Dr. L. Weine k in Prag übersendet eine Abhandlung
mit dem Titel: »Zur Theorie der Planetenvorübergänge
vor der Sonnenscheibe.«
Prof. Dr. Anton Schell in Wien übersendet eine Abhand-
lung, welche den Titel führt: »Konstruktion und Betrach-
tung stereoskopischer Halbbilder.«
Prof. Friedrich Berwerth überreicht den vierten Bericht
über den Fortgang der geologisch-petrographischen
Beobachtungen im Südflügel des Tauerntunnels.
Das w. M. Hofrat V. v. Ebner legt eine Abhandlung von
Dr. L. Merk, Professor der Dermatologie in Innsbruck, vor,
betitelt: »Die Verbindung menschlicher Epidermis-
zellen unter sich und mit dem Corium.«
Dr. Felix M. Exner überreicht eine Abhandlung mit dem
Titel: Ȇber eine Beziehung zwischen Luftdruckver-
teilung und Bewölkung.«
842
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Katzer, Friedrich, Dr.: Grundzüge der Geologie des unteren
Amazonasgebietes (des Staates Para in Brasilien). Leipzig,
1903. 8(>.
Perina, Adalbert: Ergebnisse von siebenunddreißigjährigen
Beobachtungen der Witterung zu Weißwasser. Ein Beitrag
zur Klimatologie Nordböhmens. 1902. 8°.
Schwarz, Thiemo, P.: Resultate aus den im Jahre 1901 auf
der Sternwarte zu Kremsmünster angestellten meteorologi-
schen Beobachtungen. Wels, 1903. 8°.
— Resultate aus den im Jahre 1902 auf der Sternwarte zu
Kremsmünster angestellten meteorologischen Beobach-
tungen. Wels, 1903. 8°.
Skraup, Zd. H.: Die Chemie in der neuesten Zeit. Inaugurations-
rede, gehalten am 4. November 1903. Graz, 1904. 8°.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXII. BAND. X. HEFT.
ABTEILUNG I.
ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
845
XXV. SITZUNG VOM 3. DEZEMBER 1903.
Erschienen: Mitteilungen der Erdbeben-Kommission, Neue Folge,
Nr. XXI.
Die Permanenzkommission der internationalen bota-
nischen Kongresse übersendet das fünfte Zirkular, be-
treffend die Teilnahme des Permanenzbureaus an den Vor-
arbeiten zum II. internationalen botanischen Kongreß in Wien
1905.
Das k. M. Prof. J. v. Hepperger übersendet eine Abhand-
lung »Bahnbestimmung des Biela'schen Kometen aus
den Beobachtungen während der Jahre 1846 und 1852.«
Prof. Rudolf Andreasch an der k. k. technischen Hoch-
schule in Graz übersendet eine gemeinsam mit Dr. Artur
Zipser durchgeführte Arbeit »Üb er substituiert eRhodanin-
säuren und deren Aldehydkondensationsprodukte«,
II. Mitteilung.
Das k. M. Hofrat Prof. E. Ludwig übersendet eine Abhand-
lung von Herrn Julius Donau mit dem Titel: Ȇber die
Bildung von Magneteisenstein beim Erhitzen von
Eisen im Kohlensäurestrom« aus dem Laboratorium für
allgemeine Chemie an der k. k. Technischen Hochschule in Graz.
Prof. J. Zehenter übersendet eine von ihm im chemi-
schen Laboratorium der k. k. Staatsoberrealschule zu Inns-
bruck ausgeführte Arbeit unter dem Titel: »Beiträge zur
Kenntnis des Baryumuranylacetats und des Blei-
uranylacetats sowie der daraus entstehenden Ura-
nate.«
Chefgeologe G. Geyer besichtigte im Monate September
d. J. die neuen Aufschlüsse in den beiden Richtstollen des
Bosrucktunnels und erstattete hierüber Bericht.
846
Dr. Alfred Nalepa, Professor am k. k. Elisabeth-Gymna-
sium im V. Bezirke in Wien, übersendet eine vorläufige Mit-
teilung über »Neue Gallmilben« (23. Fortsetzung).
Herr Athanas Thodoranoff in Rustschuk übersendet ein
versiegeltes Schreiben zur Wahrung der Priorität mit der Auf-
schrift: »A. T. L. i?"-1 Vidra«, welches seiner Angabe nach
die Beschreibung der Erfindung eines Apparates für Fisch-
fang enthält.
Das w. M. Prof. Dr. R. v. Wettstein überreicht eine
Abhandlung von Dr. Fritz Vierhapper: »Beiträge zur
Kenntnis der Flora Südarabiens und der Inseln
Sokötra, Abdal Kuri und Semhah. Bearbeitung der
von Dr. St. Paulay und Prof. Dr. O. Simony während
der Expedition der kaiserl. Akademie der Wissen-
schaften nach Südarabien und den Inseln Sokötra,
Abdal Kuri und Semhah vom Dezember 1898 bis Mitte
März 1899 gesammelten Gefäßpflanzen. I.«
Das w. M. Prof. R. v. Wettstein überreicht ferner eine
vorläufige Mitteilung über »die geographische Gliede-
rung der Flora Südbrasiliens«.
Das w. M. Prof. Franz Exner überreicht eine Abhandlung:
»Beiträge zur Kenntnis der atmosphärischen Elek-
trizität. XIV. Messungen des Potentialgefälles in
Kremsmünster«, bearbeitet von P. Bonifaz Zölss.
Derselbe legt ferner eine Arbeit von Dr. E. v. Seh weidler
vor: »Beiträge zur Kenntnis der atmosphärischen
Elektrizität. XV. Weitere luftelektrische Beobach-
tungen zu Mattsee im Jahre 1903.«
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Otto, Friedr. Aug.: Die Auflösung der Gleichungen mit Berück-
sichtigung der neuesten Fortschritte. Düsseldorf, 1904. 8°.
S-17
XXVI. SITZUNG VOM 10. DEZEMBER 1903.
Das k. M. Prof. Philipp Forchheimer in Graz übersendet
eine Abhandlung mit dem Titel: »Wasserbewegung in
Wanderwellen.«
Herr Jakob Burgaritzki in Wien übersendet eine Mit-
teilung mit dem Titel: »Hydraulischer Motor.«
Cand. jur. et phil. Erich Bandl in Wien übersendet eine
Mitteilung: »Über die Form der gewöhnlichen Funken-
entladung als Ergebnis einer bestimmten Strom-
richtung.«
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht eine in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeil: »Einwirkung von Pott-
asche auf Isobutyraldehyd«, von Felix Kirchbaum.
Das w. M. Hofrat F. Mertens überreicht eine Abhandlung
von Privatdozenten Dr. Robert Daublebsky v. Sterneck
mit dem Titel: Ȇber die kleinste Anzahl Kuben, aus
welchen jede Zahl bis 40.000 zusammengesetzt werden
kann.«
Das k. M. Prof. R. Wegscheid er überreicht eine Arbeit
von Dr. Jean Billitzer: »Zur Theorie der kapillarelektri-
schen Erscheinungen«, III. Mitteilung.
Dr. Moritz Probst in Wien legt eine Abhandlung vor mit
dem Titel: »Zur Kenntnis der Großhirnfaserung und
der zerebralen Hemiplegie.«
Dr. J. Puluj, o. ö. Professor an der k. k. deutschen
technischen Hochschule in Prag, übersendet eine Abhandlung
848
betitelt: Ȇber die Leistungskurve im Kreisdiagramme
der Drehstrommotoren.«
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Kossonozoff, J. J.: Optische Resonanz als Ursache der selek-
tiven Reflexion und Absorption des Lichtes. Kiew, 1903. 8°.
(In russischer Sprache.)
Ministerio de Agricultura in Buenos Aires: Clima de
la Repüblica Argentina. Buenos Aires, 1902. 4°.
Mji
849
XXVII. SITZUNG VOM 17. DEZEMBER 1903.
Prof. Dr. Anton Fritsch in Prag übersendet einen Bericht
über die mit Subvention der kaiserlichen Akademie zum
Studium der Arachniden der Steinkohlenformation Böhmens
unternommene Reise, dem 15 Tafeln für das Werk über die
paläozoischen Arachniden beiliegen.
Das k. M. Prof. C. Doelter übersendet eine Notiz über
»Adaptierung des Krystallisationsmikroskopes zum
Studium der Silikatschmelzen«.
Das k. M. Prof. Wilhelm Wirtinger in Wien übersendet
eine Abhandlung mit dem Titel: »Eine neue Verallgemei-
nerung der hypergeometrischen Integrale.«
Honorardozent an der k. k. Hochschule für Bodenkultur
M. v. Schmidt überreicht zwei Abhandlungen, betitelt:
I. »Zur Kenntnis der Korksubstanz. I. Die Phellon-
säure.«
II. »Zur Kenntnis der Korksubstanz. Il.Über den ver-
meintlichen Glyzeridcharakter der eigentlichen
Korksubstanz.«
Prof. Dr. O. Tumlirz in Czernowitz übersendet eine
Abhandlung mit dem Titel: »Die Gesamtstrahlung der
Hefnerlampe.«
Herr Heinrich Barvik in Leoben übersendet eine Abhand-
lung, betitelt: »Notiz über einige Euler'sche Integrale.«
Prof. Emil Waelsch in Brunn übersendet eine Abhand-
lung, welche den Titel führt: »Über Binäranalyse.« III. Mit-
teilung.
850
Ing. Otto Kasdorf in Wien übersendet ein versiegeltes
Schreiben zur Wahrung der Priorität mit der Aufschrift: »Über
Entrahmung und CaseYnausscheidung der Milch auf
elektro-mechanischem Wege.«
Das w. M. Sigm. Exner überreicht im Namen der
Phonogramm-Archivskommission den III. Bericht derselben, der
eine von Herrn Fritz Hauser verfaßte Beschreibung einer
neuen, speziell für Reisen bestimmten Type des Archivphono-
graphen enthält. Indem man darauf verzichtete, auf Reisen
Platten zu hobeln, war es möglich, die Konstruktion des Appa-
rates leichter und auch in mancher Beziehung einfacher zu
gestalten, wodurch sich das Gewicht auf zirka 10 ^verringerte.
Das w. M. Hofrat Ad. Lieben überreicht eine in seinem
Laboratorium ausgeführte Arbeit: »Die Einwirkung von
Wasser auf Trimethylenbromid und von Schwefel-
säure auf Trimethylenglykol«, von Marcellus Rix.
Das k. M. Prof. R. Wegs che i der überreicht zwei Arbeiten
aus seinem Laboratorium:
I. »Über das 5, 7-Dimethyl-8-Oxyfluoron«, von J.
Liebschütz und F. Wenzel.
II. »Über die Reaktionsfähigkeit substituierter
Phloroglucine bei der Fluoronbildung«, von
A. Schreier und F. Wenzel.
Prof. Dr. Johann Sahulka in Wien legt eine Abhandlung
vor mit dem Titel: Ȇber die Ursachen des Erd-
magnetismus und des Polarlichtes.«
Prof. Dr. G. Jäger überreicht eine Abhandlung mit dem
Titel: »Die Gummiguttspirale.«
Prof. Dr. Fridolin Krasser überreicht eine Abhandlung
mit dem Titel: »Konstantin von Ettingshausen Studien
über die fossile Flora Brasiliens.«
851
Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht
zugekommene Periodica sind eingelangt:
Mogni Ing. Antonio: Nuova teorica della legge d'oscülazione
del pendolo avuto riguardo alla rotazione della terra.
Jesi, 1903; 8°.
Niederländische Botanische Vereinigung: Prodromus
Florae Batavae. Vol. I. pars IL Nijmegen, 1902; 8°.
Sitzt). J. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt I. 55
852
Konstantin von Ettingshausen's Studien über
die fossile Flora von Ouricanga in Brasilien
von
Prof. Dr. Fridolin Krasser in Wien.
(Vorgelegt in der Sitzung am 17. Dezember 1004.)
Die letzte wissenschaftliche Arbeit, mit welcher sich Kon-
stantin Freih. von Ettingshausen beschäftigte, war die
Bearbeitung einer von Dr. Hussak in Ouri9anga bei Alagoinhas
nördlich von der Stadt Bahia gemachten Aufsammlung von
Tertiärpflanzen.1
Ettingshausen hat zwar die ganze Sammlung bestimmt
und die Stücke in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise
bezeichnet, auch eine Skizze der Arbeit, eine Reihe bei der
ausführlichen Bearbeitung zu verwendender Naturselbstdrucke
von Blättern rezenter zum Vergleiche herangezogener Arten
hinterlassen; er hat jedoch nur mehr wenige Beschreibungen
der von ihm in der fossilen Flora von Ouri9anga unter-
schiedenen Arten ausführen können, da ihn schwere Krankheit,
von der er nicht mehr genesen sollte, daran verhinderte.
Durch einen Zufall gelangte ich in den Besitz der Auf-
zeichnungen von Ettingshausen und fand so, da mir auch
die Stücke der Hussak'schen Sammlung bekannt waren, den
Schlüssel einerseits für die letztere, anderseits in dieser für die
erwähnten Aufzeichnungen, aus welchen direkt nicht zu er-
sehen war, auf welche Sammlung sie sich beziehen. Manu-
skriptfragment und Sammlung konnten nun durch sorgfältige
i Diese Sammlung wird gegenwärtig im Naturhistorischen Hofmuseum
aufbewahrt.
Fossile Flora von Ouricanga (Brasilien). 853
gegenseitige Vergleichung in Ordnung gebracht werden. Auch
die auf 11 Tafeln verteilten Naturselbstdrucke mußten zu
diesem Zwecke auf Grundlage einer vorhandenen Liste und
auf Grund von Vergleichungen mit Herbarexemplaren identi-
fiziert werden. Da die Ausführung der Beschreibungen im
Sinne Ettingshausens und die Textierung der Begründung
der Bestimmungen noch einige Zeit in Anspruch nehmen
werden, sei es gestattet, schon jetzt einen Bericht über die Er-
gebnisse der von Ettingshausen durchgeführten Unter-
suchung der fossilen Flora von Ouri9anga zu geben.
Ettingshausen hält diese Flora, wie aus dem Umstände
erhellt, daß er eine Licania pliocenica und eine Guarea plio-
cenica aufstellt, für eine Flora der Pliocaenzeit.
Schlüsse allgemeiner Natur ergaben sich aus einer Über-
sicht der Gattungen und Arten der fossilen Flora unter Berück-
sichtigung der rezenten Analogien; sie sollen zum Schlüsse
dieser vorläufigen Mittheilung zusammengefaßt werden.
In der nachfolgenden Übersicht über die fossile
Flora von Ouri9anga in Brasilien sind die von Ettings-
hausen als neu bezeichneten Arten mit dem Vermerk n. sp.
versehen, und diejenigen, von welchen er auch Beschreibungen
hinterlassen hat, durch ein * gekennzeichnet.
Pilices.
*1. Asplenium prae-oligophyllwm n. sp. Rezente Analogie:
A. oligophyllum Kaulf., Brasilien.
*2. Cyathea prae-ebenica n. sp. Rezente Analogie: C. ebenica
Karst., Venezuela.
Cycadeae.
*3. Zamia praecedens n. sp. Die rezente in Brasilien vor-
kommende Zamia Boliviana D. C. stimmt in der Breite
der Blättchen mit der fossilen überein.
Coniferae.
*4. Spuren von Cupressineen. Bruchstücke von Zvveigchen
nicht selten, nicht näher bestimmbar.
*5. Nadelfragment von Pinus?
854 F. Krasser,
Typhaceae.
*6 Sparganiumt Ein einziges Blattbruchstück vom Aussehen
des Sparganium acheronticum Ung. des europ. Tertiär.
Palmae.
*7. Blütenspindeln und höchst mangelhaft erhaltene Blatt-
reste.
Cupuliferae.
*8. Quercus Pseudo-Dapknes n. sp. Analoge Blattbildung be-
sitzt die rezente Qu. virens Ait, die gleiche Bildung des
Tertiärnetzes Qu. Dapknes.
*9. Qu. brasiliensis n. sp. Zeigt den Blatt-Typus einer Reihe
von Arten aus der Abteilung Cyclobalanus und Pasania.
Unter den fossilen Eichen steht Qu. Hookeri Ett. Tertfl.
Austr. I. am nächsten.
MO. Qu. Hussakii n. sp. Analog der Qu. Galeotti Mart, nur von
dünnerer Textur. Nähert sich einer Reihe amerikanischer
Formen. Unter den fossilen Eichen zeigen Qu. medüer-
ranea und Zoroastri die meiste Annäherung.
*11. Qu. prae-mespilifolia n. sp. Die Blätter sind noch ledriger
als bei der rezenten Qu. mespilifolia Wall. Von den
fossilen Eichen ist Qu. castaneopsis Lesqu. nächst ver-
wandt.
Sämtliche von Ettingshausen in der Tertiärflora
Brasiliens nachgewiesene Eichen haben Blätter von
lederiger Textur. Ettingshausen legt großes Gewicht auf
den Nachweis der Gattung Quercus, »da hiedurch abermals
ein schlagender Beweis für die Mischung der Floren-
elemente in der Tertiärflora« geliefert wird. Der sichere
Nachweis der angegebenen Quercusarten war nur auf
Grund einer schon früher von Ettingshausen publi-
zierten monographischen Bearbeitung der Blattformen der
rezenten Quercusarten möglich (Vgl. Denksch., Bd. LXIII).
Fossile Flora von Ouric,anga (Brasilien). 855
Moreae.
*12. Ficus prae-cestrifolia n. sp. Es besteht eine auffallende
Übereinstimmung mit den Blättern der brasilianischen
Ficus cestrifolia Schott.
*13. Ficus sp. Blattabdrücke, deren Merkmale am meisten mit
Ficus übereinstimmen. Sie lassen sich mit Ficus nitida
Thunberg vergleichen. Unter den fossilen Ficus ist Ficus
multinervis Heer am ähnlichsten.
Artocarpeae.
* 14. Artocarpidium brasiliense n. sp. Die Nervation schließt
an Artocarpus rigida L. und Brosimum Galactodendron
D. Don an.
*15. A. rectinerve n. sp., erinnert in manchen Merkmalen an
Brosimum Galactodendron.
Laurineac.
* 1 6. Cinnamomum brasiliense n. sp. Steht dem rezenten C. Mala-
bathrum Don sehr nahe.
*I7. C. camphoroides n. sp. Nahe verwandt mit dem rezenten
C. Bur mannt Bl. und C. albiflorum Hook.
Die Gattung Cinnamomum findet tich fast in allen
Tertiärfloren vom Eocän bis zum Pliocän in Europa und
Nordamerika häufig. Auch im Tertiär Australiens und
Neuseelands unzweifelhaft vorhanden, findet sich diese
Gattung nach Ettingshausen auch in der Tertiärflora
von Chili , da das von Engelhardt angegebene
»Laurineenblatt« zu C. gehört.
Oleaceae.
*18. Oleoides. Ceranthus n. sp. Es konnte vorläufig nur die
Sammelgattung Oleoides Ung. angenommen werden.
Apocynaceae.
19. Apocynophyllum brasiliense n. sp. Analogien finden sich
insbesonders bei Plumeria, ferner Alyxia, Rauwolfia, Aspi-
dosperma. Unter den fossilen Arten kommt A. chilense
Engelh. nahe.
856 F. Krasser,
Myrsineae.
20. Myrsine crenulata n. sp. Zeigt Beziehungen zu Myrsinc
variabilis.
21. M. excoecarioides n. sp.
Sapotaceae.
22. Sapotacites chrysophylloides n. sp. Analogien finden sich
in den Blattmerkmalen von Chrysophyllutn und Mimusops
Cqffra.
23. S. proximus n. sp. Analogien mit Copaifera- Arten und mit
tertiären Sapotacites-Arten.
24. S. bumelioides n. sp. Analogien bestehen mit Bumelia
lucida und auch mit Lucuma Bonplandii.
25. S. ornatus n. sp.
26. Labatia tertiaria n. sp. Schließt an Labatia- und Lucuma-
Arten in der Nervation an.
Die aus der Tertiärflora von Chili durch Engelhardt
beschriebenen »Anona« erklärt Ettingshausen für
Sapotaceenreste, so daß also auch in der älteren Tertiärzeit
Sapotaceen in der Flora Südamerikas vorhanden waren.
Styraceae.
27. Styrax praecedens n. sp. Unter den rezenten Arten zeigt
besonders St. ferruginea Ähnlichkeiten. Auch die fossile
St. glabratoides Engel h. (Chile) ist ähnlich.
Loranthaceae.
28. Loranthophyllnm phoradendroides n. sp. Scheint mit
Phoradendron emarginatum Mart. (Brasilien) verwandt
zu sein.
29. L. dendrophtoe n. sp. Bezüglich des Netzes der Sekundär-
nerven schließt sich das Fossil an die rezente Dendroph-
thoe tetrapetala Bl. (Australien) und bezüglich der Primär-
nerven und der Blattform an Struthanthus flexicaulis Mart.
(Brasilien) an.
30. L. parvttm n. sp. Mit Phthirusa aliernifolia Eichl.
(Brasilien) nach Textur und Feinheit der Sekundärnerven,
Fossile Flora von Ourifanga (Brasilien). 857
mit Dendrophthoe cellastroides Mart. (Australien) wegen
Form, Textur und Nervation vergleichbar.
31. L. ovalifolium n. sp. Scheint besonders mit Phthirusa
Theobromae Willd. (Brasilien) verwandt zu sein. Doch
zeigen auch Ph. ovata Pohl (Brasilien) und Ph .pyrifolia
H. B. & K. (Trop. Südamerika) und Pkrygilanihus Tagua
Ei chl. (Brit. Guiana) große Analogie in verschiedenen
Merkmalen.
Saxifragaceae (Cunonieae).
32. Weintnannia Bahiana n. sp. Schließt sich an die rezente
W. glabra M. (Trop. Amerika) an.
Myristicaceae.
33. Myristica apocynophylloides n. sp.
Bombaceae.
34. Bombaciphyllum mtütinerve n. sp.
35. B. tenuinerve n. sp.
Clusiaceae.
36. Calophyllum pliocenicum n. sp. Zeigt große Annäherung
an C. Calaba.
Meliaceae.
37. Guarea pliocenica n. sp. Die rezente G. trichilioides Cav.
(Brasilien) ist nahe verwandt.
Malpighiaceae.
38. Malpigkiastrum brasiliense n. sp. Die rezente Hiptage
Madablota Gaertn. kommt der fossilen Art sehr nahe.
39. M. hiraeaefolium n. sp. Erinnert in wesentlichen Merk-
malen an Hiraea cordata H ayne.
Sapindaceae.
40. Sapindus tenuinervis n. sp. Klingt an verschiedene Sapin-
dus-Arten an.
858 F. Krasser,
41. Cupania prae-iomeniosa n. sp. Mit der rezenten C. tonten-
tosa Swartz (Westindien) zeigt sich engste Überein-
stimmung.
Celastrineen.
42. Celastrus n. sp. Analog mit dem fossilen C europaeus
Ung.
43. Celasims n. sp. Mit Frucht.
44. C. avicennioides n. sp.
Ilicineae.
45 Hex n. sp.
Euphorbiaceae.
46. Euphorbiophyllum mabaeformis n. sp. Arten von Mabea
und Actinostemon zeigen die ähnlichsten Merkmale.
Anacardiaceae.
47. Anacardiophyllum rotundifoliutn n. sp.
49. A. parvifoliutn n. sp.
50. Spondias prae-laurifolia n. sp. Beste Übereinstimmung
mit S. laurifolia.
Connaraceae.
51. Connarophyllum crassinervium n. sp.
52. Cnestis praecedens n. sp.
53. C. grandifolia n. sp.
Vochysiaceae.
54. Amphilochia protogaea n. sp.
55. Vochysia dubia n. sp.
56. Qualea parvifolia n. sp.
Combretaceae.
57. Terminalia lauritta n. sd.
~j
Fossile Flora von Ouricanga (Brasilien). 859
Alangieae.
58. Alangium comifolium n. sp. Rezente Analogie: A. hexa-
petalum Lam.
Melastomaceae.
59. Miconia lancifolia n. sp. Rezente Analogie: Miconia holo-
sericea D. C. Brasilien.
Chrysobalanaceae.
60. Cktysobalanus Prae-Icaco n. sp. Dem rezenten C. Icaco
nächst verwandt.
61. Idcania pliocenica n. sp. Rezente Analogie: Verschiedene
Licania-Arten.
62. Hirtella Hussakii n. sp. Rezente Analogie: Verschiedene
Hirtella-Arten.
Papilionaceae.
63. Dalbergiophyllum ellipticum n. sp.
64. D. parvulum n. sp.
65. Phaseolites n. sp.
Caesalpinieae.
66. Copaifera n. sp.
67. Cassta. Es scheinen 4 n. sp. unterscheidbar zu sein.
Mimoseae.
68. Inga n. sp. Kommt der Inga ßabelliformis Mart. nahe.
Es ergeben sich etwa folgende allgemeine Resultate:
1. Die Tertiärflora Brasiliens zeigt enge Beziehungen zur
rezenten Flora dieses Gebietes. Sie enthält Arten, welche
den rezenten so nahe kommen, daß sie als die unmittel-
baren Vorläufer derselben betrachtet werden können,
manche vielleicht sogar identisch sind. (Vergl. die Arten,
deren Name mit »prae-< zusammengesetzt ist.)
860 K. Krasser, Fossile Flora von Ouricanga (Brasilien).
2. Nur wenige Reste mußten in Sammelgattungen unter-
gebracht werden. (Artocarpidium, Oleoides, Loranlho-
phyllutn u. s. w.)
3. Neben brasilianischen und südamerikanischen Typen
zeigen sich auch fremde Florenelemente. (Qiiercus, Cinna-
ntotnum u. s. w.)
4. Auch in der Tertiärflora Brasiliens läßt sich daher eine
Mischung der Florenelemente nachweisen.
5. Die Tertiärflora Brasiliens zeigt deutliche Beziehungen
auch zur älteren Tertiärflora von Chili, in welcher nach
Ettingshausen ebenfalls nicht bloß tropisch-ameri-
kanische Florenelemente vorkommen, denn das »Laura-
ceenblatt« Engelh. = Cinnamomum.
861
Berieht über die mit Unterstützung der kaiser-
liehen Akademie unternommene Reise be-
hufs des Studiums fossiler Araehniden
von
Prof. Dr. Anton Fritsch in Prag.
(Vorgelegt in der Sitzung am 17. Dezember 1003.)
Beim Beginn des Studiums der in den letzten Dezennien
in Böhmen entdeckten paläozoischen Araehniden erkannte
ich bald, daß es nötig ist, sowohl die im Ausland befindlichen
Exemplare aus Böhmen, als auch die ihnen verwandten aus-
ländischen Funde zu untersuchen und mit Fachmännern
darüber Rücksprache zu pflegen.
Zuerst besuchte ich London, um das im Britischen
Museum befindliche, als Cyclophthalmus senior bezeichnete
Exemplar aus Rakonitz näher zu untersuchen. Nach mehr-
tägiger Präparation gelang es mir, das von Gestein verdeckte
Postabdomen zu entblößen und am Negative die Kamm-
organe heraus zu präpariren.
Es bestätigte sich, daß dies kein Cyclophthalmus ist,
sondern ein Repräsentant einer eigenen Gattung, welche ich
Eobuthus benannte.
Hier fand ich, daß hinter den großen Mittelaugen kein
Halbkreis kleinerer Augen steht, wie ich schon früher bei
Cyclophthalmus nachgewiesen habe, und daß hier auch Spuren
von Randaugen wahrzunehmen sind, ganz ähnlich wie man es
bei den rezenten Buthiden findet. Von Cyclophthalmus weicht
Eobuthus durch anderen Scheerenbau, sowie durch ein
abweichend geformtes Sternum ab.
Außerdem machte ich Prof. Pocock auf zwei neue
Opilioniden aus der Steinkohlenformation Englands aufmerk-
862 Dr. A. Fritsch,
sam, welche derselbe seit der Zeit im Geological Magazin
beschrieb als Anthracosiro Woodtvardi und Anthracosiro
Fritschii.
In Paris hatte ich Gelegenheit, die zwei Arachniden aus
der Steinkohlenformation von Commentry, die von Thevenin
beschrieben wurden, zu untersuchen und fand, daß die
Originale viel mehr Detail erkennen lassen als die publizierten
Photographien.
Bei Nemastoides Elaveris fand ich einen ovipositor,
wodurch die Verwandtschaft zu den rezenten Opilioniden klar
hervortritt.
Die Exemplare wurden mir nicht nach Prag geliehen,
aber auf Grund der mir von H. Thevenin besorgten Photo-
graphien werde ich in meinem im Druck befindlichen Werke:
»Monographie der paläozoischen Arachniden« dennoch Restau-
rationen sowohl von Nemastontoides als auch von Eotrogulus
Thev. zu geben Gelegenheit haben.
Auch erhielt ich von Herrn Thevenin eine ausge-
zeichnete Photographie eines mit Kreischeria verwandtet?
Tieres, das aus der Steinkohlenformation von Valenciennes
(Westphalien) herrührt und in der Sammlung der Ecole de
mines in Paris sich befindet.
Dasselbe repräsentiert eine neue Gattung, die ich Hemi-
kreischeria zu nennen vorschlage und von der ich eine
Restauration veröffentlichen werde.
In Dresden untersuchte ich die von Geinitz beschriebene
Kreischeria Wiedei eingehend und stellte auf Grund von
sechsmal vergrößerten Zeichnungen eine Restauration her, die
bedeutend von der bei Haase dargestellten abweicht und eine
bessere Grundlage für die Vergleiche mit verwandten Arten
bieten wird. Diese Arbeit wurde mir auch durch Photographien
erleichtert, die ich der Gefälligkeit des Dr. Deichmüller
verdanke.
Auch fand ich hier mehrere Exemplare der Gattung
Anthracomartus, welche mir ermöglichten, genaue Darstellung
der Rücken- und Bauchseite durchzuführen, welche bisher im
Unsicheren waren, da durch Druck beide zugleich an den
früher studierten Exemplaren zum Vorschein kamen.
Fossile Arachniden. 863
In Breslau konnte ich zwei ungenügend bekannte Arach-
niden aus der schlesischen Steinkohlenformation untersuchen.
Vor allem die zuerst bekannt gewordene paläozoische
Spinne, welche Römer als Protolycosa anthracophyla beschrieb
und abbildete.
Dieselbe sollte nach diesem Autor lange Dornen am
Abdomen besitzen, aber bei stärkerer Vergrößerung und nach
Befeuchtung mit schwacher Gummi arabicum-Lösung stellte
es sich heraus, daß dies große gegliederte Genitalanhänge
sind, wie wir sie neuerer Zeit bei den in Böhmen gefundenen
Steinkohlenspinnen auch gefunden haben und wie sie auch
die rezente Art Liphistus besitzt.
Der zweite Arachnid warder, welcher von Römer als
Architarbus Silesiacus beschrieben, aber nicht abgebildet
wurde. Es stellte sich heraus, daß dies kein Architarbus ist,
sondern eine neue Gattung mit vier gekrümmten Stacheln am
Abdomen und ich nenne dieselbe Vratislavia und werde so-
wohl die Originalzeichnungen als die Restauration der Ober-
und Unterseite bringen.
In Wien war es meine erste Sorge, nach den Originalen
zu Sturs Eophrynus Salmii zu fahnden. In der k. k. Geologi-
schen Reichsanstalt waren dieselben nicht zu finden und ich
erhielt bloß durch die Güte des Sektionsgeologen Petatschek
einen Gipsabguß der gesuchten Art, sowie von dem bisher
nicht abgebildeten Eophynus Sturii Haase. Alle Bemühungen
durch Korrespondenz zu eruieren, wo sich die Originale dieser
zwei wichtigen Arten befinden, blieben ohne Erfolg.
Die Abgüsse waren so gut, daß ich sicherstellen konnte,
daß beide Arten Repräsentanten von neuen Gattungen sind.
Eophrynus Salmii gehört der neuen Gattung Stenotro-
gultts, Eophrynus Sturii zur Gattung Cyclotrogulns, welche
beide durch die Stellung der Höcker am Cephalothorax von
Eophrynus verschieden sind.
Im Hofmuseum zu Wien untersuchte ich ein weiteres
Exemplar des Skorpions von Rakonitz und überzeugte mich,
daß es nicht das Negativ unseres Exemplares ist. Übrigens
bot es nichts neues.
864 Dr. A. Fritsch,
Interessanter war die Revision einiger Spinnen aus der
Gaskohle von Nyran, auf welche mich Herr Kustos Kittl auf-
merksam machte.
Das eine war ein gut erhaltenes, nicht aus Schwefelkies
bestehendes Exemplar von Promygale boAemica, das die Ober-
seite des Körpers ausgezeichnet erhalten zeigte und von mir
auf Taf. 15 wird veröffentlicht werden.
Von Promygale elegans Fr. lag hier ein Exemplar nebst
Gegendruck vor, das mit Erlaubnis des Herrn Direktor Prof.
Fuchs zur Anfertigung von galvanischen Abdrücken ver-
wendet wurde und eine vollkommene Herstellung der
Restauration der beiden Körperseiten ermöglichte.
Dieser kurze Bericht dürfte einen Beleg liefern über die
Verwendung der mir von der k. Akademie gewährten Boue-
Stiftung.
Die unternommenen Reisen vervollständigten meine Arbeit
über die paläozoischen Arachniden, welche binnen kurzem
mit 15 Tafeln und etwa 100 Textfiguren erscheinen wird und
in welchen über 60 Arten behandelt werden, von denen die
Hälfte aus Böhmen stammt.
Ich gebe zum Schlüsse eine Übersicht über die bisher
bekannten palaeozoischen Arachniden:
Systematische Obersicht der paläozoischen Arachniden.
Ordnung Araneae Sund.
Unterordnung Artharachnae Haase.
Familie Arthrolycosidae H arger.
Gattung Arthrolycosa H arger.
Arthrolycosa antiqua H arger, Mazon Creek.
A. (Scudderia) carbonaria Kt. sp., Rakonitz.
A.fortis Fr., Rakonitz.
A. (Eolycosa) Lorenzi Kt. sp., Rakonitz.
A. (Palaranea) palaranea Ft., Chomle.
A. Beechcri Fr., Rakonitz.
Fossile Arachniden. 865
Gattung Protolycosa.
Protolycosa antkracophyla Rom., Schlesien.
Gattung Geralycosa Kt.
Geralycosa Fritschii Kt., Rakonitz.
Gattung Rakovnicia Kt.
Rakovnicia antiqna Kt., Rakonitz.
Unterordnung Pleuraraneae Fr.
Familie Hemiphrynidae Fr.
Gattung Hemiphrynus.
Hemiphrynus longipes, Nyfan.
H. Hofmanni Fr., Nyfan.
Familie Promygalidae Fr.
Gattung Promygale Fr.
Promygale bohemica Fr., Nyfan.
P. rotundata Fr., Nyran.
P. elegcws Fr., Nyran.
Von unsicherer Stellung.
Gattung Eopholcus Fr.
Eopholcus pedatus Fr., Nyfan.
Gattung Pleurolycosa Fr.
PI eur oly cosa prolif er a Fr., Nyfan.
Gattung Perneria Fr.,
Perneria salticoides Fr., Nyfan.
866 Dr. A. Fritsch,
Gattung Brachylycosa Fr.
Brachylycosa carcinoides Fr., Nyfan.
Gattung Pyritaranea Fr.
Pyritanea tubifera Fr. Nyfan.
Ordnung OpiUones Sund.
Unterordnung Opionidae veri Fr.
Gattung Nemastomoides Thev.
Nemastomoides Elaveris T h e v e n i n , Commentry.
Gattung Dinopilio Fr.
Dinopilio gigas Fr., Rakonitz.
Unterordnung Meridogastra Thorel.
Familie Poliocheridae Scudder.
Gattung Poliochera.
Poliochera pnnctulata Scudder, Mazon Creek.
Familie ArchiUrbidae Kar seh.
Gattung Geraphrynus Scudder.
Geraphrynus carbonarius Scudder, Mazon Creek.
G. elongatus Scudder sp., Braidwood near Mazon Creek.
Gattung Architarbus Scudder.
Architarbus rotundatus Scudder, Mazon Creek.
A. subovalis Woodw., Lancashire.
Fossile Ar ach rüden. 867
Familie Anthracomartidae Haase.
Gattung Anthracomartus Kars eh.
Anthracomartus Kr ejcii Kt., Rakonitz.
A minor Kt., Rakonitz.
A. affinis Kt., Rakonitz.
(A socius Kt.)?, Rakonitz.
A. Völkelianus Kars eh., Schlesien.
A granulatus Frv Schlesien.
A. trilobitus Scudder, Arkansas.
A. palatinus Amon, Pfalz.
Gattung Brachypygc H. Woedn.
Brachypyge celtica Pocock sp., Schottland.
Brachypygc carbonis Woodw., England.
Gattung Anthracosire Pocock.
Anthracosiro Woodwardi Pocock, Schottland.
A Fritschü Pocock, Schottland.
Gattung Eotrogulus Thevenin.
Estrogtilus Fayoli Thevenin, Commentry.
Gattung Vratislavia Fr.
Vratislavia silesiaca F. Römer, Schlesien.
Familie Eophrynidae.
Gattung Eophrynus H. Woodward.
Eophrynus Prestwicii Buckland sp.
Gattung Stenotrogulus Fr.
Stenotrogulus Salmii Stur, sp., Schlesien.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl. ; CXD. Bd., Abt. I. 56
868 Dr. A. Fritsch,
Gattung Cyclotrogulus Fr.
Cyclotrogulus Sturii Haasc sp., Schlesien.
Gattung Kreischeria Gein.
Kreischeria Wiedei Gein, Sachsen.
Gattung Adelocaris Packard.
Adelocaris peruvianus P a c k a r d , Perm ?
Gattung Hemikreischeria Fr.
Hemikreischeria Thevenini Fr., Valenciennes.
Gattung Petrovicia Fr.
Petrovicia proditoria Fr., Petrovic.
Ordnung Pedlpalpl Latr.
Familie Thelyphonidae.
Gattung Prothelyphonus Fr.
Prothelyphonus bohemicus Kusta sp., Rakonitz.
(Prothelyphonus socius) Fr., Chomle.
Gattung Geralinura Scudder.
Geralinura carbonaria Scudder, Mazon Creek.
Ordnung Scorplonldae.
Unterordnung Apoxypodes Thor, et L.-
Familie Palaeophonoidae Th. et L.
Gattung Palaeophonus Th. et L.
Palaeophonns nuncius Th. et L., Schottland (Silur).
P. Hunteri Pocock, Schottland (Silur).
Fossile Arachniden. 869
P. Loudonensis Laurie, Schottland (Silur).
P. Osborni Whitefield sp.. Amerika (Silur).
Unterordnung Dionychopodes Th. et L.
Familie Anthracoscorpii Th. et L.
Gattung Cyclophthalmus Cor da.
Cyclophthalmus senior Corda, Chomle.
Gattung Microlabis Corda.
Microlabis Sternbergii Corda, Chomle.
Gattung Isobuthus Fr.
Isobuthus Kralupensis Th. et L. sp., Kralup.
Gattung Eobuthus Fr.
Eobuthus Rakomicensis Fr., Rakonitz.
Gattung Feistmantelia Fr.
Feistmantelia ornata Fr., Studnoves.
(ßcorpio?) Nyranensis Fr., Nyfan.
Gattung Eoscorpius M. et W.
Eoscorpius carbonarius M. et W., Mazon Creek.
E. anglicus H. Woodward, England.
Gattung Mazonia M. et W.
Mazonia Woodiana M. et W., Mazon Creek.
56*
870
Ober neue Höhlenkäfer aus Dalmatien.
Resultate der im Sommer 1903 unternommenen Forschungen
in dalmatinischen Höhlen
Dr. Josef Müller,
Snpplenten an der k. fc. Oberrealschule in Triest.
(Mit 1 Textfigur.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 6. November 1903.)
Nach anderthalbjähriger Unterbrechung konnte ich wieder-
um eine Reise nach Dalmatien unternehmen, um weitere, bis-
her noch nicht untersuchte Höhlen hinsichtlich ihrer Fauna zu
durchforschen. Mein diesmaliger Aufenthalt in Dalmatien
währte vom 13. August bis zum 12. September, und zwar
besuchte ich in der zweiten Hälfte des Monats August in
Begleitung meiner verehrten Freunde Dr. Hermann Krauss
aus Marburg a. D. und Prof. Dr. Karl Alfons Pen ecke aus
Graz einige Höhlen auf der Insel Brazzaundin der Umgebung
vonSebenico; im September bot sich die Gelegenheit, zu-
sammen mit meinen Freunden Josef Leinweber (Scardona)
und Peter Novak (Zara) eine Anzahl von Höhlen in der Um-
gebung von Gjevrske zu erforschen.
Bevor ich zur Besprechung der Sammelergebnisse über-
gehe, sei es mir erlaubt, der löblichen Lloyddirektion in Triest
meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen für die mir bewilligte
Freifahrt in Dalmatien. Ferner sage ich, auch im Namen meiner
Reisegefährten Dr. Krauss und Prof. Pen ecke, dem Herrn
Nicolaus L. Petric aus Bol (Brazza) unseren besten Dank für
Höhlenkäfer aus Dalmatien. 87 1
das Interesse, welches er unseren Höhlenuntersuchujjgen ent-
gegengebracht, sowie für die bereitwillige Unterstützung durch
Rat und Tat, die er uns während unseres Aufenthaltes in Bol
angedeihen ließ.
Alle die von uns untersuchten Höhlen der Insel Brazza
liegen im Kreidekalk, der fast die ganze Insel zusammensetzt.1
Die Höhle, die uns den ersten neuen Höhlenkäfer lieferte, heißt
»Bazdovaca jama« und liegt auf dem Karstplateau der Insel
nördlich vom Monte S. Vi to (der größten Erhebung der Insel,
778 m hoch), etwa zehn Minuten vom sogenannten »Bezmek-
stan« entfernt. östl. Länge 34° 17' 20", nördl. Breite 43° 15' 39".
Die Höhle öffnet sich, zirka 600 m über dem Meeres-
spiegel mit einem breiten, feuchten Trichter, der sich
unten zu einem schief nach abwärts führenden, dunklen Gang
verengt. Dieser Gang erweitert sich bald zu einer rundlichen,
hohen Kammer, die zugleich den tiefsten Teil der Höhle bildet.
Der Boden ist hier feucht, lehmig; stellenweise sind kleine
Wasseransammlungen vorhanden. In diesem Teile der Höhle
fanden wir unter Steinen, aber auch am Boden umherlaufend
einige Exemplare einer neuen Anophthalmus-Art (lucidus mihi).
Von Höhlensilphiden konnten wir trotz eifrigen Suchens keine
Spur entdecken und auch das Ködern mit stinkenden Knochen
blieb erfolglos.
Die Höhle von »Cinjadra«, drei Viertelstunden nordöst-
lich von der Ortschaft Neresi entfernt, liegt etwa 300*w über
dem Meeresspiegel. Sie stellt einen im allgemeinen horizontal
verlaufenden, nur stellenweise aufsteigenden, ziemlich engen
i Nur eine kleine, sogenannte Höhle, die wir am 25. August mit einer
Barke besuchten, befindet sich in einem anderen Gestein, nämlich in einer
harten, rötlichen Kalkbreccie, die am Südabhange der Insel in der Umgebung von
Bol auftritt und von der Küste bis zu einer gewissen Höhe hinauf zu verfolgen
ist. Dieser Besuch fiel aber ganz ergebnislos aus, da es sich nur um eine kleine,
domartige Auswaschung in dem genannten Gesteine handelt, in die das Meer und
das Tageslicht eindringt, so daß hier wohl keine Höhlenkäfer zu erwarten sind.
Dieses Loch heißt »Golubna spilja* (wegen des Vorkommens von Tauben)
und liegt an der Südküste der Insel, zwischen der Punta lunga und dei Ort-
schaft Murvica, östlich von Bol.
872 J. Müller.
Gang dar# welcher schätzungsweise 80 — 100 m lang sein dürfte
und sich längs einer äußerlich sichtbaren Verwerfungskluft
erstreckt. Sinterbildungen und Tropfsteine sind namentlich im
hinteren Teile der Höhle reichlich vorhanden; die Tropfsteine
fallen durch ihre äußerst grobkrystallinische Struktur auf. Die
Höhle ist ziemlich feucht und der an den Wänden haftende
Lehm spricht dafür, daß sie in der Regenperiode vom Wasser
ganz durchströmt wird.1 Beim ersten Besuche fanden wir trotz
eifrigen Suchens nicht einen blinden Höhlenkäfer, während am
Tage darauf am ausgelegten Köder (stinkende Knochen) sich
30 Exemplare einer neuen Spelaeobates-Avt (Peneckei mihi)
angesammelt hatten. Am Eingang der Höhle fanden wir zwei
Exemplare des Laemosthenes elongatus robusttts Seh auf.
Ebenfalls in der Umgebung von Neresi befindet sich eine
andere Höhle, »Dobrajama« genannt; sie liegt südwestlich
von der genannten Ortschaft, in einer Entfernung von zirka drei
Viertelstunden. Die Distanz zwischen dieser Höhle und jener
von »Cinjadra« (Luftlinie) dürfte etwas über 5 km betragen. Sie
öffnet sich ungefähr 400 m über dem Meeresspiegel mit einem
tiefen, von steilen Wänden umgebenen Trichter, in den man
ohne Seil nur sehr schwer hinabklettern kann. Dieser Trichter
führt zu einem schief nach abwärts gerichteten Gang, der in
seinem Verlaufe zwei senkrechte Abstürze bildet. Unten
erweitert sich die Höhle zu einem größeren Raum, dessen
feuchter Lehmboden stellenweise mit Wasser bedeckt war, das
kleine, seichte Pfützen ausfüllte. In diesem unteren Teile der
Höhle wurde eine neue Spelaeobates-Art (Kraussi m.) entdeckt,
1 Es ist ziemlich allgemein die Meinung verbreitet, daß in engen, lang-
gestreckten Höhlen, die zu gewissen Jahreszeiten von einem unterirdischen
Wasserlauf durchströmt werden, keine Höhlensilphiden vorkommen. Daß
diese Ansicht den Tatsachen nicht entspricht, beweist das Vorkommen einer
Spclatobatcs- Art in der Höhle von »Öinjadra«, ferner das Vorkommen einer
ApholeuoHUs- Art (pubescens) in einer Höhle bei Vrlika, die ebenfalls einen
langgestreckten, unterirdischen Gang darstellt, welcher bei Hochwasser fast
ganz von Wasser durchströmt wird. Die in solchen Höhlenräumen lebenden
Käfer werden sich wahrscheinlich zur Zeit der Wasserfülle gegen die Decke der
Höhle flüchten, um sich dort in hochgelegenen Spalten und Löchern, die vom
Wasser nicht ausgefüllt werden, zu verstecken.
HöhlenkÄfer aus Dalmatien. 873
die mit der vorher erwähnten Spezies aus der Höhle von
»Öinjadra« zwar sehr nahe verwandt, aber doch hinreichend
verschieden ist. Letzterer Umstand ist bei der geringen Distanz,
die zwischen der »Dobra jama« und der Höhle von »Cinjadra«
besteht, jedenfalls beachtenswert. Am Grunde des oberwähnten
Trichters waren unter feuchtem Moos massenhaft kleine Käfer,
namentlich Staphyliniden, darunter aber keine blinden Spelaeo-
philen. Die Höhle dürfte vom Rande der oberen Trichter-
öffnung bis zur entlegensten Stelle ihrer unteren Kammer eine
Länge von etwa 100 m haben.
Die übrigen uns von der Landbevölkerung angegebenen,
zahlreichen Höhlen in der weiteren Umgebung von Bol sind
durchwegs senkrechte Schlote, in die man nur mit Hilfe von
Seilen oder Strickleitern eindringen kann. In eine derartige
Höhle ließ ich mich hinabseilen. Sie stellt eine senkrechte,
zirka 1 8 m tiefe, brunnenartige, sich nach unten etwas erweiternde
Vertiefung dar. Das Tagöslicht dringt bis zum Grunde dieses
Brunnens; nur einige seitliche Spalten sind den Lichtstrahlen
nicht zugänglich. In einer solchen Spalte legte ich Köder aus,
fand aber bei einem zweiten Besuch nur Atheta spelaea. In
Löchern an den Wänden dieser Höhle nisten zahlreiche Tauben
und diesem Umstände verdankt die Höhle ihren Namen:
»Golubacka1 pecina«. Sie liegt in der nächsten Nähe des
Monte S. Vito etwa 700m über dem Meeresspiegel.
Wie erwähnt, gibt es auf der Insel Brazza noch eine große
Zahl von ähnlichen, senkrechten, teilweise sehr tiefen Höhlen,
und es werden darunter Wahrscheinlich auch einige sein, die
sich in der Tiefe in horizontaler Richtung weiter ausdehnen.
Doch fehlte es uns an Zeit und an den nötigen Hilfsmitteln, um
in diese schwer zugänglichen Löcher einzudringen und deren
Fauna zu erforschen.
In der Umgebung von Sebenico besuchten wir drei
Höhlen, die sämtlich auf der Spezialkarte (1 : 75.000) ver-
zeichnet sind.
Die eine, von Sebenico in zirka einer halben Stunde zu
erreichende Höhle, liegt im Nummulitenkalk am südlichen
1 »Golub« (kroat.) ist die Taube.
874 J. Müller,
Ende des Hafens von Sebenico, wenige Minuten von der
Küste entfernt. Der in einer kleinen Doiine befindliche, nach
Süden gerichtete Eingang führt in eine weite, domartige
Kammer, in die wenigstens teilweise das Tageslicht eindringt.
Im Hintergrunde dieses Höhlendomes befindet sich ein kleiner
See, den wir durchwaten mußten, um in die Höhle weiter vor-
zudringen. Diese besteht in ihrem weiteren Verlaufe aus einem
im allgemeinen horizontal verlaufenden, nach Norden (gegen
das Meer zu) gerichteten Gang, in dem das Vorwärtskommen
äußerst beschwerlich war; denn der Boden war fast überall mit
großen, von äußerst schlüpfrigem Lehm umgebenen Stein-
blöcken bedeckt und dazwischen waren größere und kleinere
Wasseransammlungen vorhanden. Wir mochten zirka 80 m in
die Höhle eingedrungen sein; ein weiteres Vordringen war
wegen des (trotz der damals in Dalmatien herrschenden großen
Trockenheit) zu hohen Wasserstandes nicht möglich. Sinter-
bildungen und Tropfsteine fehlen fast vollständig. Ein genaues
Absuchen der Höhle blieb fast erfolglos; von Höhlensilphiden
keine Spur, im Vorderteil unter Steinen ein Laemostenes
cavicola Mülleri Gangl.1 und eine Falagria thoracica. Zum
Auslegen von Köder hatten wir leider keine Zeit.
Die beiden anderen Höhlen sind am besten von der Bahn-
station Vrpolje aus zu erreichen. Die eine ist sehr klein; sie
liegt wenige Meter von der Bahnstrecke entfernt östliche
Länge 33° 40' 25" nördl. Breite 43° 40/22'. Eine enge Öffnung
führt in eine äußere, kleine Vorhalle; aus dieser gelangt man
in eine etwas größere, dunkle Kammer. Diese beiden Teile der
Höhle sind voneinander durch eine kleine, von einer künstlichen
Türe durchbrochene Mauer getrennt. Sowohl das Absuchen der
Wände und des Bodens als auch das Auslegen von Köder
blieben erfolglos.
Die zweite Höhle, die den Namen »Strazbenica« führt,
liegt nördlich von Vrpolje. Nördl. Breite 43°41/50//, östl.
Länge 33° 41/40//. In einer ein paar Meter breiten Einsenkung
befinden sich zwei enge und niedere Öffnungen; die eine führt
1 Vergl. L. Gangibaue r, Die Rassen des Laemostenes elegans Dej. und
cavicola Schaum, in Münch. Kol. Zeitschr., 1. Bd. 1903, p. 222—229.
Höhlenkäfer aus Dalmatien. 875
in nördlicher Richtung zu einem kleinen Höhlenraum, in dem
man sich kaum bewegen kann; die andere noch kleinere, leicht
übersehbare, gegenüber der ersten befindliche Öffnung ist der
Eingang zur eigentlichen Höhle, die am Anfang äußerst schmal,
nur sehr schwierig passierbar ist, sich aber bald zu einem etwa
80 m langen schief nach abwärts, in nordwestlicher Richtung
verlaufenden Gang erweitert. Die Höhle liegt im Nummuliten-
kalk. Außer einiger Exemplare des Laemostenes cavicola Mülleri
war in dieser Höhle auch durch Ködern nichts zu finden.
Die in der Umgebung von Gjevrske(Norddalmatien, an
der Reichsstraße Zara-Kistanje, zirka 12 km vor der letzt-
genannten Ortschaft gelegen) besuchten acht Höhlen liegen
durchwegs in einem eocänen Konglomerat, welches in Wechsel-
lagerung mit Sandstein (Flysch) auftritt und dort, wo es durch
die Erosion freigelegt wurde (wie in der Umgebung von Gjevrske)
der Gegend ein echtes Karstgepräge verleiht, ganz so wie der
gewöhnliche Kalkfels. Unzählige Spalten und Höhlen durch-
setzen dieses Konglomerat; die meisten sind aber sehr klein
und für das Vorkommen von blinden Höhlenkäfern wohl nicht
geeignet; aber auch in den wenigen größeren Höhlenräumen,
die ich dort besuchte und worin man blinde Höhlenkäfer ganz
gut hätte erwarten können, war absolut nichts zu finden.
Auf die Details der einzelnen Höhlen aus der Umgebung von
Gjevrske will ich hier nicht eingehen; nur einer Höhle möchte
ich mit einigen Worten gedenken, da sie sich durch ihren
Gehalt an Kohlensäure auszeichnet.
Sie liegt zwischen Bratiskovci und Gjevrske; östl.
Länge zirka 33° 33; 50", nördl. Breite 43°55'. Sie beginnt
mit einer etwa 4w tiefen Einsenkung, die sich unten
in zwei ziemlich horizontal verlaufende Äste gabelt, von
denen der kürzere nach Norden, der längere und etwas tiefer
gelegene nach Süden verläuft. In diesem erlischt die Kerze all-
mählich, wenn sie am Boden gehalten wird; zuerst wird die
Flamme kleiner und nach zirka 20 Sekunden ist sie vollständig
erloschen. Aus diesem allmählichen Erlöschen der Kerzenflamme
geht hervor, daß die Kohlensäure jedenfalls nur in geringer
Menge vorhanden ist; dafür spricht auch das Vorkommen
lebender Toduriden, Acarinen und einer Troglophilns- Art am
876 J. Müller,
Boden der Höhle. Ein bis anderthalb Meter über dem Boden
erlischt die Kerze auch nach längerer Zeit nicht, brennt aber
viel schlechter als im Freien.
Fast in allen auf dieser Reise besuchten Höhlen sammelte
ich neben Koleopteren auch andere Spelaeophilen, wie Titanetes-
Arten, Myriapoden, Arachnoideen u. s. w. Diese harren jedoch
der Bearbeitung und werden die Resultate an anderer Stelle
veröffentlicht werden; nachstehend lasse ich die Beschreibung
der auf dieser Sammeltour neu entdeckten Höhlenkäfer folgen.
1. Anophthalmu8 lucidus nov. spec.
Rufo-ferrugineus, impubens, nitidissimus ; capite pro-
thorace paulo angustiore, sulcis frontalibus integris, tempora
amplectentibus ; antennis dimidio corporis tanlummodo paulo
longioribus, articulo tertio secundo fere sesqui, interdum
tantam tertia parte longiore, quarto tertio paulo breviore sed
secundo longiore; prothorace longitudine vix latiore, cordato,
ante medium dilatato, angulis posticis magnis, acutis, fossulis
basalibus profundis; elytris simul sumptis prothorace duplo
latioribuSy latitudine plus quam sesqui longioribus, lateribus
parum rotundatis,humerisdistinctisyobtuse rotundato-angulatis;
striarum dorsalium tantum tribus primis perspicuis, subtilibusj
externis nullis; interstitio tertio elytrorum punctis setigeris
tribus instructo; Striae suluralis parte recurva sat longa,
punctum dorsalem tertium antice paullo excedente, extus
plicula terminata; setis submarginalibus tribus longissimis;
pedibus sat brevibus, tarsorum anticorum articulis duobus
basalibus in mare dilatatis, apice extus angulatim productis.
Long. 4 — 4' 3 mm.
Habitat in antro quodam insulae Brattiae, »Bazdovaca
jama« dicto.
Stark glänzend, rostrot, mit Ausnahme der langen Tast-
haare kahl.
Der Kopf nur wenig schmäler als der Halsschild, bis zum
Vorderrande des Clypeus etwa ebenso lang als breit oder nur
wenig länger, seitlich ziemlich stark gerundet, in der Halsregion
mäßig eingeschnürt. Die Stirnfurchen hinten bogenförmig in die
Höhlenkäfer aus Dalmatien. 877
Einschnürung der Kopfbasis übergehend, vorne mäßig diver-
gierend, tief eingegraben, nur hinten bei ihrer Biegung nach
außen erheblich seichter, aber auch hier scharf ein-
geschnitten und daher sehr deutlich; Die Schläfen ebenso wie
die ganze Oberseite stark glänzend, glatt, nicht behaart. Die
beiden Supraorbitalpunkte fast gleich stark; der vordere in der
Mitte der Seitenwülste des Kopfes, der hintere knapp an der
den Seitenwulst begrenzenden Verlängerung der Stirnfurchen
befindlich. Von den Augen ist bei flüchtiger Betrachtung fast
nichts zu sehen; nur bei genauerer Untersuchung bemerkt man
an den Seiten des Kopfes je ein Augenrudiment in Form eines
schmalen, etwas vertieften und von der Umgebung sich wenig
scharf abhebenden Feldchens, welches ungefähr senkrecht zur
Längsachse des Kopfes gestellt ist. Bei einem der mir vor-
liegenden Individuen ist dieses laterale Feldchen etwas
angedunkelt; vielleicht ist hier noch ein wenig Pigment vor-
handen.
Die Fühler sind mäßig dick, die Mitte des Körpers nur
wenig überragend; ihr drittes Glied iy3 bis P^rcml so lang als
das zweite1; das vierte Glied etwas kürzer als das dritte, aber
immerhin noch deutlich länger als das zweite. Die Länge der
außer der Pubescenz vorhandenen längeren Haare am Ende
der einzelnen Fühlerglieder beträgt kaum mehr als die Maximal-
breite der einzelnen Glieder.
Der Hals schild ist herzförmig, kaum breiter als lang,
vorder Mitte am breitesten; die Hinterwinkel groß, etwa ein
Sechstel bis ein Siebentel der Halsschildlänge einnehmend,
ziemlich scharf abgesetzt, spitzig vortretend, nach außen
gerichtet; die Basis innerhalb der Hinterwinkel etwas aus-
gerandet. Die Distanz zwischen den Hinterwinkeln kaum
geringer als jene zwischen den Vorderecken des Halsschildes.
Der Vorderrand nur sehr sanft ausgebuchtet, die Vorderecken
daher nur wenig vortretend. Die Halsschildscheibe ziemlich
stark konvex, mit feiner aber scharfer, im basalen Viertel
* Von den mir vorliegenden fünf Exemplaren haben drei das dritte
Glied P/8mal so lang als das zweite; bei den zwei übrigen ist es etwas kürzer,
etwa n/3 mal so lang als das zweite Glied.
878 J. Müller,
bedeutend stärker vertiefter Mittellinie; an der Basis jederseits
mit einer tiefen, großen Grube ; die fast der ganzen Länge nach
gleichmäßig aufgebogene Seitenrandleiste mäßig breit; in der
Seitenrandkehle zwei borstentragende Punkte, der eine im
vorderen Drittel, der andere in den Hinterwinkeln.
Die Flügeldecken zusammen doppelt so breit als der
Halsschild, mehr als lV2mal so lang als zusammengenommen
breit *, mäßig gewölbt, die Seiten nur sehr wenig gerundet, die
Schultern deutlich erkennbar, stumpf abgerundet; die Seiten-
randleiste mäßig breit aufgebogen. Die Dorsalstreifen sind
schwach ausgebildet; die zwei bis drei inneren (sehr
selten noch teilweise der vierte) als sehr feine Linien
schwach angedeutet, die äußeren sind ganz ge-
schwunden. Der dritte Zwischenraum mit drei borsten-
tragenden Punkten, von denen der erste von der Basis und
Naht der Flügeldecken ungefähr gleich weit entfernt ist. Das
umgebogene Ende des Nahtstreifens ziemlich lang,
über das Niveau des dritten Dorsalpunktesnach vorne
verlängert, mit der Naht schwach divergierend, am Ende
nicht nach innen gekrümmt. An der Außenseite wird dieses
rücklaufende Stück des Nahtstreifens von einem schwach
kielformig hervortretenden Fältchen begrenzt. Im Verlaufe des
achten, bei dieser Art allerdings gänzlich fehlenden Dorsal-
streifens befinden sich sieben haartragende Punkte, und zwar
die drei ersten hinter der Schulter, der vierte und fünfte in der
Mitte, der sechste und siebende vorder Spitze der Flügeldecken
(die beiden letzten außerhalb des oben erwähnten, das um-
gebogene Ende des Nahtstreifens begrenzenden kielartigen
Fältchens). Die aus diesen Punkten entspringenden Tasthaare
sind sehr fein, feiner als die auf dem dritten Zwischenräume;
daher fehlen sie oft bei konservierten Stücken und ich besitze
1 Die an drei Exemplaren vorgenommene Messung der Länge und Breite
der Flügeldecken ergab folgende Zahlen :
Länge Breite
2 • 6 mm
1 'Qmm
2-G »
1-5 »
2-3 >
1-3 »
Höhlenkäfer aus Dalmatien. 879
nicht ein Exemplar, bei dem alle zugleich vorhanden wären.
Ihre Länge ist sehr verschieden; am längsten sind jederseits drei
Haare, und zwar das des ersten, fünften und siebenten Punktes.
Die Länge dieser drei Tasthaare ist sehr bedeutend,
sie beträgt fast soviel als die Breite beider Flügel-
decken zusammen; die anderen Tasthaare sind viel kürzer.
Der Punktan derBasis des siebenten (bei der vorliegenden
Spezies fehlenden) Dorsalstreifens ist vom Schulterrande
nicht weiter entfernt als der erste Punkt des achten
Streifens; er befindet sich also nicht in der Verlängerung der
Verbindungslinie der drei ersten Punkte des achten Streifens,
sondern etwas weiter nach innen.
Die Beine sind ziemlich kurz. Beim Männchen sind die
beiden ersten Glieder der Vordertarsen erweitert und nament-
lich das erste an seiner apikalen Außenecke spitzwinkelig
vortretend.
Die Körperlänge beträgt 4—4-3, die Maximalbreite
1-3— 1-6 mm.
Diese Art ist durch ihren starken Glanz, die stark
reduzierten, größtenteils überhaupt nicht mehr erkennbaren
Dorsalstreifen und die auffallend langen Tasthaare am Rande
der Flügeldecken sehr ausgezeichnet und steht eigentlich zu
keiner der bisher bekannten Arten in näherer Beziehung. Die
Kleinheit und die Lage des Borstenpunktes an der Basis des
siebenten Dorsalstreifens erinnert an A. PaganettiGa.ng\. (Verh.
zool. botan. Ges. Wien, XL VI, 1896, p. 460), ebenfalls eine
dalmatinische Art, bei der der genannte Borstenpunkt vom
Schulterrande nicht weiter abgerückt ist als der erste Punkt
des achten Dorsalstreifens; doch hat dieser Anophthalmus nach
der Originalbeschreibung viel längere Fühler, vollzählig ge-
streifte Flügeldecken, das umgebogene Ende des Nahtstreifens
ist im Niveau des dritten Dorsalpunktes der Flügeldecken nach
innen gekrümmt und mit diesem verbunden etc. etc. Von dem
ebenfalls kleinen A. Ganglbaueri Padewieth aus dem Velebit-
gebirge unterscheidet sich die vorliegende Art durch kürzer
abgesetzte Basalpartie des Halsschildes, die unvollständige
Streifung der Flügeldecken, die Lage des Borstenpunktes an
der Basis des siebenten Dorsalstreifens, die Länge des
880 J. Müller,
umgebogenen Endstückes des Suturalstreifens etc.; von den viel
größeren dalmatinus und suturalisy mit denen die vorliegende
Art das über das Niveau des dritten Dorsalstreifens nach vorn
verlängerte umgebogene Ende des Nahtstreifens gemeinsam hat,
differiert sie fast in allen sonstigen Merkmalen, wie Streifung
der Flügeldecken, Größe und Tiefe der Basaleindrücke des
Halsschildes, Form desselben und der Flügeldecken, Breite des
Kopfes u. s. w., von dalmatinus außerdem noch durch den
Mangel jeglicher Pubeszenz auf den Flügeldecken. (Über
die Unterschiede zwischen A. lucidus und amabilis Schau f.
siehe weiter unten.)
Vorkommen: Insel Brazza (»Bazdovaca jama«).
Diese Art ist der erste bisher bekannte insulare Anoph-
thalmus aus Dalmatien.
Zur besseren Übersicht gebe ich noch folgende Be-
stimmungstabelle der dalmatinischen Anophthalmus-
Arten:
1. Das umgebogene Ende des Nahtstreifens lang, über
das Niveau des dritten Dorsalpunktes der Flügel-
decken nach vorne verlängert 2
— Das umgebogene Ende des Nahtstreifens nicht über
das Niveau des dritten Dorsalpunktes nach vorne
verlängert 4
2. Größere Arten (Körperlänge 5*5 — 6- 5 mm) mit voll-
kommen verrundeten Schultern und auch außen deut-
lichen, wenn auch oft nur sehr schwach angedeuteten
Dorsalstreifen der Flügeldecken; der Borstenpunkt an
der Basis des siebenten Dorsalstreifens vom Schulter-
rande meist deutlich weiter abgerückt als der erste
Punkt des achten Streifens 3
— Kleinere Art von nur 4 — 4-3 mm Länge; Schultern
nicht ganz verrundet, stumpfwinkelig hervortretend;
nur die zwei oder drei inneren Dorsalstreifen vor-
handen und auch diese sehr fein; der Borstenpunkt
an der Basis des siebenten und der erste Punkt des
achten Dorsalstreifens vom Schulterrande gleich weit
entfernt.
Vorkommen: Insel Brazza. A. lucidus Jos. Müll.
Höhlenkäfer aus Dalmatien. 881
3. Flügeldecken glänzend, nicht pubeszent; die Dorsal-
streifen, namentlich der Nahtstreifen, kräftiger und
tiefer.
Vorkommen: Bei Ragusa (ferner in zahlreichen
Höhlen der Herzegowina und in Montenegro).
A. suturalis Schauf.
— Flügeldecken matt, äußerst fein pubeszent; Dorsal-
streifen, namentlich der Nahtstreifen, feiner und
seichter.
Vorkommen: Höhlen des Narentatales bei
Metkovich; Höhle von Kotlenice bei Spalato;
angeblich auch in Höhlen auf der Halbinsel Sabbton-
cello. (Außerdem auch in der Herzegowina.)
A. dalmatinus M i 1 1.
4. Der Borstenpunkt an der Basis des siebenten Dorsal-
streifens vom Schulterrande nicht weiter abgerückt
als der erste Punkt des achten Streifens. (Die Flügel-
decken vollzählig und ziemlich tief gestreift, die Fühler
nur wenig kürzer als der Körper; Halsschild vor der
Basis etwa bis zu einem Siebentel seiner Länge
parallelseitig; Länge 4*7 mm.)
Vorkommen: Höhle bei Stolivo, in der Nähe
von Castelnuovo di Cattaro. Verh. zool. botan.
Ges. Wen 1896,460.
A. Paganettii Gangib.
— Der Borstenpunkt an der Basis des siebenten Dorsal-
streifens vom Schulterrande weiter abgerückt als der
erste Punkt des achten Streifens 5
5. Halsschild herzförmig, die Seiten im basalen Drittel
parallel, die Hinterecken groß, rechtwinkelig, mit scharf
und kurz ausgezogener Spitze. Stirnfurchen ziemlich
stark gekrümmt. Zweites Fühlerglied vom vierten kaum
an Länge verschieden. Länge 4*5— 5 mm.
Vorkommen: In Grotten nordwestlich von Stari-
grad (Velebitgebirge).
A. Ganglbaueri Padew.
— Halsschild nach hinten allmählich und fast geradlinig
bis zu den kleinen, nur sehr wenig oder gar nicht
882 J. Müller,
vorspringenden Hinterwinkeln verengt. Stirnfurchen
lang und wenig gekrümmt. Zweites Fühlerglied deut-
lich kürzer als das vierte. Länge 6 • 5 — 7 • 5 mm.
Vorkommen: Höhlen im Velebitgebirge (Pak-
lenicatal).
A. Kic8enwetteri Schaum, subsp.?1
Den angeblich in Dalmatien vorkommenden Anophthalmus
amabilis Schau f. (Verhandl. zool. botan. Ges. Wien 1863,
1220) kann ich bloß nach der Originalbeschreibung in dieser
Tabelle nicht unterbringen ; dazu reichen die Angaben des Autors
nicht hin. Doch lassen sich aus der Originalbeschreibung Unter-
schiede zwischen dieser Form und sämtlichen in obiger Obersicht
angeführten Arten herausfinden, auf die ich kurz hinweisen
möchte. Von A. Kiesenwetteri, dalmatinus und suturalis differiert
die in Rede stehende Art ganz erheblich in der Größe 8, von lucidus
durch die vollzählig gestreiften Flügeldecken ; auf A Ganglbaueri
und Paganettii schließlich läßt sich diese Art wegen der Angabe
»jederseitigerBasaleindruck (des Halsschildes) kurz, undeutlich«
nicht beziehen. Es scheint somit der A. amabilis Seh au f. einer
guten selbständigen Art anzugehören, die aber in neuerer Zeit
leider nicht mehr aufgefunden wurde.
2. Spelaeobates3 Peneckei nov. spec.
Brunneo-ßavescens, supra pilis subdepressis sat dense
vestitus, subtiis tantum modo metathorace abdomineque pilosus ;
capite longitudine sua fere duplo longiore, dimidio basali
confertim sed sttbtiliter punetulato, sat nitido, pone frontem
subdepresso; antenuis longitudine corporis plerumque solum-
modo paullo brevioribus, articulis primis duobus subaequalibus,
crassiusculiSy 7°, 9° et 10° apice plus minusve incrassatis;
1 Ob diese Form vom Velebitgebirge der A. likanensis Sc hau f. oder
eine andere, vielleicht noch unbeschriebene Russe des A. Kiesenweiteri ist, kann
ich vorläufig nicht angeben ; dazu wäre unbedingt ein genauer Vergleich mit
den Originalexemplaren der einzelnen Kicsenwetteri-Y ormen notwendig.
- Der A. amabilis soll nur 4 • 5 mm lang sein.
3 Vergl. Jos. Müller: »Beitrag zur Kenntnis der Höhlensilphiden«, Verh.
zool. botan. Ges. Wien 1901, p. 16-33, Taf. I.
Höhlenkäfer aus Dalmatien. 883
prothorace capite paullo breviore, latitudine sua sesqtti longiore,
sat nitido, obsolete pukctulato, basin versus tnodice angustato,
pone medium leviter emarginato, latitudine maxima a margine
anteriore prothoracis perparum distante, latßribus, tantum-
modo dimidio basali marginatis; elytris mediocriter
punctulaiis, apice singulatimsubrotundatis; carina mesosternali
mediocriter elevata, ante coxas mßdias prominentia saepe
vix perspiqua ornata; tarsis anticis in utroque sexu
simplicibus.
Long. 2m 5 mm.
Habitat in aniro insulae dalmaticae Brattiae (»Öinjadra«).
Braungelb, auf der Oberseite, ferner auf dem Metasternum
und auf der Ventralseite des Abdomens fein anliegend behaart
Die Skulptur des Chitinskelettes besteht wie bei Sp. Novaki
und pharensis erstens aus einer mikroskopischen Chagrinierung
(Netzung), die auf der Unterseite gröber und weitmaschiger ist
als auf der Oberseite, und zweitens aus eingestochenen haar-
tragenden Punkten, die an den oberwähnten behaarten Körper-
stellen auftreten; die Punkte stehen aber im allgemeinen
weniger dicht als bei Sp. Novaki und pharensis und daher ist
auch die Behaarung spärlicher als bei diesen beiden Arten.
Namentlich auf dem Halsschilde tritt dieser Unterschied recht
deutlich hervor.
Der Kopf ist ungefähr doppelt so lang als breit, von der
Breite des Halsschildes; die Punktierung ziemlich fein, im all-
gemeinen erheblich feiner und etwas spärlicher als bei
Sp. Novaki und pharensis, daher die Oberfläche des Kopfes
glänzender; zwischen den Fühlern macht sich eine kleine
Vertiefung bemerkbar.
Die Fühler variieren ein wenig in der Länge; bei den
meisten Exemplaren sind sie nur wenig kürzer als der Körper.
Die beiden ersten Glieder ungefähr von gleicher Länge .und
Breite, die nächst folgenden erheblich schmäler; wie gewöhnlich
sind die Glieder 7, 9 und 10 an der Spitze knotig aufgetrieben
und zwar bei den Individuen mit etwas kürzeren Fühlern
deutlich stärker als bei solchen mit längeren Antennen.
Der Halsschild ist 1 78 mal so lang als breit, etwas kürzer
als der Kopf; seine Maximalbreite ist sehr weit nach vorne
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXII. Bd., Abt. I. 57
884 J. Müller,
gerückt, ungefähr um ein Fünftel der Halsschildlänge von den
Vorderecken entfernt; von da an nach hinten schwach verengt,
hinter der Mitte sehr sanft ausgeschweift. Die Hals seh ild-
seiten sind nur auf der hinteren Hälfte, und zwar sehr
fein gerandet Die Punktierung des Halsschildes ist ziemlich
fein und nicht sehr dicht, so daß die Oberfläche des Hals-
schildes ziemlich glänzend erscheint (während bei Sp. Novaki
und pharensis der Halsschild infolge der viel dichteren
Punktierung etwas matt ist).
Die Flügeldecken sind in ihrem Umriß variabel, was eine
Verschiedenheit in der allgemeinen Körpergestalt zur Folge
hat; im allgemeinen sind sie ziemlich langgestreckt oval, ihre
größte Breite befindet sich in der Mitte; an der Spitze sind sie
einzeln abgerundet und bedecken das Pygidium nicht voll-
ständig. Die ziemlich schmalen Epipleuren sind wie bei
Sp. Novaki und pharensis ganz auf die Unterseite des Körpers
verschoben und durch eine feine Randleiste abgesetzt.
Das Pro8ternum hinter den Vorderhüften kürzer als der
größte Querdurchmesser derselben, am Hinterrande ohne
medianen Einschnitt.
Im Baue des Mesosternums läßt sich diese Art direkt auf
Sp. pharensis zurückführen. Ebenso wie bei dieser Spezies ist
auch bei Sp. Peneckei die den vorderen Teil der Mittelbrust
absetzende feine Kante in der Mitte nach hinten spitzig aus-
gezogen, allerdings etwas schwächer als bei pharensis. Der
Mesosternalkiel ist im Vergleiche zu pharensis stark reduziert;
doch läßt sich die bei pharensis vorhandene große zahnartige
Erweiterung des Mesosternalkieles vor den Mittelhüften auch
bei dieser Spezies noch meistens nachweisen in Form eines
kleinen, mehr oder minder deutlichen, an der entsprechenden
Stelle befindlichen Vorsprungs. Trotz der im Vergleich zu
pharensis ziemlich weitgehenden Reduktion ist der Mesosternal-
kiel dieser Spezies immer noch etwas stärker ausgebildet als bei
Sp. Novaki, wo er sehr niedrig, nur kantenartig (nicht lamellen-
förmig) vortretend und durchaus einfach ist. Der Mesosternalfort-
satz ist nach hinten spitzig ausgezogen, ein wenig kürzer als bei
Sp. Novaki, dabei aber immer noch etwas länger als bei
pharensis.
Höhlenkäfer aus Dalmatien. 885
Die Vordertarsen beim <f einfach, 4-gliedrigt wie
beim Q.
Länge: 2* 5 *m*.
Diese Art ist habituell dem Spelaeobates Novaki äußerst
ähnlich; die meisten der mir vorliegenden Exemplare sind aber
etwas schlanker gebaut als die letztgenannte Art, die Fühler
und Beine sind ein wenig länger. Doch gibt es auch Individuen
die in dieser Beziehung von Spelaeobates Novaki fast gar nicht
differieren. Am bequemsten und mit vollkommener Sicherheit
ist diese Art von Novaki und ebenso von pharensis durch die
nur auf der hinteren Hälfte gerandeten Halsschildseiten aus-
einanderzuhalten, von Novaki speziell auch durch die im
männlichen Geschlechte durchaus einfachen -Vordertarsen.
Vorkommen: Insel Brazza, Höhle von Cinjadra bei
Skrip, in der Umgebung von NeresL
3. Spelaeobates Kraussi nov. spec.
Sp. Peneckei affinis, $ed major, supra pube minus snbtili
vestito; prothorace fortius et paullo densius punctato, lateribus
ab angulis posticis usque ad tertiam pariem apicalcm mar gl-
natis; carina mesosternali fere simplici.
Long. 2 8— 3 mm.
Häbitat in antra insulae Bratiiaef »Dobra jama< diclo.
Diese Art fallt schon durch ihre Größe auf; die Körper-
länge beträgt 2#8 — 3 mm und es übertrifft somit die vorliegende
Spezies an Länge (und entsprechend auch an Breite) alle
übrigen bisher bekannten Spelaeobates- Arten. Die größte
Anzahl von Merkmalen hat die vorliegende Art mit Sp. Peneckei
gemeinsam, mit dem sie auch auf derselben Insel vorkommt
und steht somit dem Sp. Peneckei sowohl morphologisch als
auch geographisch am nächsten. Neben der Größe liefert uns
auch die Punktierung der Oberseite ein Unterscheidungs-
merkmal; diese ist nämlich bei Sp. Kraussi im allgemeinen
kräftiger, namentlich auf dem Halsschilde. Entsprechend der
stärkeren Punktierung ist auch die Behaarung bei Sp. Kraussi
durchwegs etwas kräftiger und länger als bei Sp. Peneckei. Die
Halsschildseiten sind ebenso wie bei Sp, Peneckei nurunvoll-
ständig gerandet, doch reicht die feine Randlinie etwas
57*
886 J. Müller,
weiter nach vorne als bei der genannten Art, so daß etwa nur
das apikale Drittel der Halsschildseiten ungerandet bleibt. Der
Kiel des Mesosternums ist etwas stärker reduziert als bei
Sp. Peneckei; der bei dieser Spezies meist noch deutlich
hervortretende, wenn auch schwache Vorsprung vor den
Mittelhüften ist hier fast völlig geschwunden; dabei ist der
Mesosternalkiel noch immer ein wenig stärker hervortretend
als bei Sp. Novaki, wo er nur noch mehr schwach kantenartig
vorspringt. Die Vordertarsen des 0" sind wie bei Sp. Peneckei
einfach.
Von Sp. pharensis, der ebenfalls im männlichen Geschlechte
einfache Vordertarsen besitzt, unterscheidet sich diese Art
schon hinreichend durch den an den Seiten nur unvollständig
gerandeten, weiter vom die Maximalbreite erreichenden Hals-
schild und den fast einfachen, niederen Mesosternalkiel. Von
Sp. Novaki differiert die vorliegende Spezies ebenfalls durch
unvollständig gerandete Seiten des Halsschildes, dessen breiteste
Stelle etwas mehr nach vorne verschoben erscheint, ferner
durch die im männlichen Geschlechte einfachen Vordertarsen.
Andere, geringfügigere Unterschiede brauche ich hier nicht
hervorzuheben.
Länge: 2*8 — 3 mm.
Vorkommen: »Dobra jama« bei Neresi auf der Insel
Brazza.
Diese beiden neuen Spelaeobates-Arten erfordern eine
kleine Änderung der von mir (Verhandl. zool. botan. Ges.
Wien 1901, p. 28) auf Grund der beiden damals bekannten
Spezies aufgestellten Gattungsdiagnose: die Angabe »Hals-
schild an den Seiten vollständig gerundet« muß umgeändert
werden in »Halsschild an den Seiten wenigstens teilweise
gerandet«. Sonst paßt die dort aufgestellte Diagnose auch auf
die beiden neuen Arten vollständig und es erweist sich somit
die Gattung Spelaeobates trotz des neuen Zuwachses als eine
sehr homogene.
Das männliche Kopulationsorgan ist bei den zwei
neuen soeben beschriebenen Arten — abgesehen von der etwas
Höhlenkäfer aus Dalmatien.
887
verschiedenen Größe1 — äußerst ähnlich; es ergeben sich nur
minimale Unterschiede und ich habe daher nur von einer der
beiden neuen Spezies den männlichen Begattungsapparat in
beiliegender Figur dargestellt. Die schräg gestellte Basalöffnung
des Penisrohres, in die der Ductus
ejaculatorius eintritt, erscheint von
oben betrachtet etwa ebenso lang als
breit; der Penis ist an der Spitze
deutlich erweitert. Es erinnert also in
dieser Beziehung das männliche Ko-
pulationsorgan von Sp. Peneckei und
Kraussi sehr an jenes von Sp.
pharensis (vergl. Verh. zool. bot. Ges.
Wien, 1901, Taf. I, Fig. 9); auch ist
es von der Seite gesehen ziemlich
gleichmäßig gebogen, ähnlich wie bei
Sp. pharensis. Nur der basale, ring-
förmige Teil der Parameren ist etwas
anders gebaut als bei der letztge-
nannten Art, wie aus einem Ver-
gleich der soeben zitierten Abbildung
mit beiliegender Textfigur hervorgeht.
Der Kopulationsapparat von Sp. No-
vaki weist dagegen erheblichere Ab-
weichungen von jenem der beiden hier beschriebenen Arten auf;
die schräg gestellte Basalöffnung des Penisrohres ist viel länger,
der Penis ist an der Spitze nicht erweitert und von der Seite
betrachtet erscheint er vor der Mitte ziemlich scharf ein-
geknickt.—
Nachstehend gebe ich noch eine Übersichtstabelle der
bisher bekannten Spelaeobates-Arten:
1 Halsschildseiten der ganzen Länge nach gerandet ... 2
— Halsschildseiten vorne in größerer oder geringerer
Ausdehnung ungerandet 3
Männlicher Kopulations-
apparat von SpelaeobaUs
Kraussi m. in der Dorsal-
ansicht. Vergr. 155.
1 Der männliche Kopulationsapparat von Sp. Peneckei ist 0*33 mm lang,
von Sp. Kraussi 0*4 mm; bei Sp. Novaki beträgt die Länge ebenfalls 04 mm.
SS« J Müller,
2 Mesosternalkiel einfach, niedrig, nur kantenartig
vortretend.
Vorkommen: Isola grossa und Eso. (Verh.
zool. bot. Ges. Wien, 1901, p. 19, Taf. I, Fig. 1—7).
Sp. Novaki Jos. Müll.
— Mesosternalkiel stärker ausgebildet, lamellenartig vor-
tretend, vor den Mittelhüften mit einem zahnartigen
Vorsprung.
Vorkommen: Insel Lesina. (Verh. zool. bot. Ges.
Wien 1901, p. 20, Taf. I, Fig. 9). Sp. pharensis Jos. Müll.
3 Kleiner 2'bmm lang; Halsschildseiten nur auf der
basalen Hälfte gerandet; Oberseite feiner punktiert
und behaart
Vorkommen: Insel Brazza (Höhle von »Cin-
jadra«). Sp. Peneckei Jos. Müll.
— Größer, 2#8-3ww lang; Halsschildseiten von den
Hinterecken bis ungefähr zum vorderen Viertel der
Halsschildlänge gerandet; Oberseite etwas kräftiger
punktiert und behaart.
Vorkommen: Insel Brazza (»Dobra jama«).
Sp. Kraus« Jos. Müll.
Obige Übersicht der Gattung Spelaeobates soll lediglich
zur Bestimmung der Arten dienen; die natürliche Verwandt-
schaft der Arten kommt keineswegs darin zum Ausdruck. Es
zeigt sich nämlich auch hier, wie in vielen anderen Fällen, daß
die Artengruppen, die sich zu Bestimmungszwecken am besten
bilden lassen, nicht zugleich natürliche Artengruppen sind und
daß jene Merkmale, die für die natürliche Gruppierung maß-
gebend sind, sich zur Aufstellung einer rasch und sicher zum
Ziele führenden dichotomischen Bestimmungstabelle nicht gut
verwerten lassen. Der phylogenetische Zusammenhang
der bisher bekannten Spelaeobates-Arien ist nach meiner
Ansicht folgender: es gehören zu einer natürlichen Gruppe die
drei Arten Sp. pharensis, Peneckei und Kraussi und zu einer
ganz anderen Abteilung Sp. Novaki. Schon vorher wurde an
verschiedenen Stellen auf die nahen Beziehungen hingewiesen,
welche zwischen Sp. pharensis, Peneckei und Kraussi bestehen.
Diese drei Arten haben sämtlich im männlichen Geschlechte
Höhlenkäfer aus Dal matten . 889
einfache Vordertarsen, ihr männlicher Kopulationsapparat ist
äußerst ähnlich gestaltet und auch im Baue des Mesosternums
bilden diese drei Arten eine einheitliche Reihe. In dieser Artenreihe
nimmt Sp. pharensis wegen der stärkeren Ausbildung des Meso-
sternalkieles die tiefste Stellung ein und auch die gedrungenere
Körpergestalt und die vollständige Randung an den Seiten des
Halsschildes deuten darauf hin, daß in Sp. pharensis ein
ursprünglicher Typus vorliegt, von dem die beiden schlanker
gebauten und mit vorne reduzierter Seitenrandleiste des Hals-
schildes versehenen Arten, Peneckei und Kraussi, abzuleiten
sind. Wollte man den Versuch machen, den Sp. Novaki \n diese
Artenreihe einzuzwängen, so müßte man ihn wegen des am
stärksten reduzierten Mesosternalkieles als die höchst
stehende, jüngste Form dieser Reihe betrachten. Dagegen
spricht aber entschieden der an den Seiten vollständig
gerandete Halsschild, abgesehen von den Differenzen im
Bau des männlichen Kopulationsapparates und den beim tf
erweiterten Vordertarsen. Alles dies zwingt uns also zu der
Annahme, daß in Sp. Novaki ein Glied einer selbständigen, von
der pharensis-Gruppe verschiedenen Entwicklungsreihe vorliegt.
Damit stimmt auch auffallenderweise die Verbreitung der
in Rede stehenden Arten. Sp. pharensis, Peneckei und Kraussi
kommen auf zwei zentraldalmatinischen Inseln (Lesina und
Brazza) vor, die von einander nur wenige Kilometer ent-
fernt sind; Sp. Novaki dagegen lebt weit davon entfernt auf
den norddalmatinischen Inseln Isola grossa und Eso. Also
auch geographischbi lden Sp. pharensis, Peneckei und Kraussi
einerseits und Novaki andererseits zwei verschiedene Gruppen.
So weit aus den bisher bekannten Spelaeobates-Arten zu
entnehmen ist, müssen wir also in der Phylogenie dieser
Gattung zwei Entwicklungsreihen annehmen. Bekannte
Glieder der einen Reihe sind: Sp. pharensis, Peneckei und
Kraussi, von denen die erste Art am tiefsten steht, die beiden
letzteren eine höhere, derivate Stellung einnehmen; von der
anderen Reihe ist bisher eine einzige Art, Sp. Novaki, bekannt.
Die Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Klasse
erscheinen vom Jahre 1888 (Band XCVII) an in folgenden vier
gesonderten Abteilungen, welche auch einzeln bezogen
werden können:'
Abteilung I. Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der
Mineralogie, Krystallographie, Botanik, Physio-
logie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geo-
logie, Physischen Geographie und Reisen.
Abteilung II a. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der
Mathematik, Astronomie, Physik, Meteorologie
und Mechanik.
Abteilung Hb. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der
Chemie.
Abteilung III. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der
Anatomie und Physiologie des Menschen und der
Tiere, sowie aus jenem der theoretischen Medicin.
Dem Berichte über jede Sitzung geht eine Übersicht aller
in derselben vorgelegten Manuskripte voran.
Von jenen in den Sitzungsberichten enthaltenen Abhand-
lungen, zu deren Titel im Inhaltsverzeichnisse ein Preis bei-
gesetzt ist, kommen Separatabdrücke in den Buchhandel und
können durch die akademische Buchhandlung Karl Gerold's
Sohn (Wien, I., Barbaragasse 2) zu dem angegebenen Preise
bezogen werden.
Die dem Gebiete der Chemie und verwandter Teile anderer
Wissenschaften angehörigen Abhandlungen werden auch in
besonderen Heften unter dem Titel: »Monatshefte für Chemie
und verwandte Teile anderer Wissenschaften« heraus-
gegeben. Der Pränumerationspreis für einen Jahrgang dieser
Monatshefte beträgt 10 K oder 10 Mark.
Der . akademische Anzeiger, welcher nur Originalauszüge
Oder, wo diese fehlen, die Titel der vorgelegten Abhandlungen
enthält, wird, wie bisher, acht Tage nach jeder Sitzung aus-
gegeben. Der Preis des Jahrganges ist 3 K oder 3 Mark.
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