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Full text of "Sitzungsberichte"

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HARVARD    UNIVERSITY. 


LIBRARY 

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MUSEUM  OP  COMPARATIVB  ZOÖLOGY. 


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FEß     4    V335 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


HUNDERTZWÖLFTER  BAND. 


•  9  «<•>■  e> 


WIEN,  1903. 

AUS  DER  KAISERLICH-KÖNIGLICHEN  HOF-  UND  STAATSDRUCKEREL 
IN  KOMMISSION  BEI  KARL  GEROLDS  SOHN, 

BUCHHANDt.HR  DKR  KAISBRL1CHRN  AKAPKMTK  DRR  WISSENSCHAFTEN 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN  KLASSE 


DER  KAISERLICHEN 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


CXII.  BAND.  ABTEILUNG  I. 
Jahrgang  1903.  —  Heft  I  bis  X. 

(MIT*1  KARTENSKIZZE,  *47  TAFELN  UND  27  TEXTFIGUREN.) 


v    WIEN,  1903. 
AUS  DER  KAISERLICH-KÖNIGLICHEN  HOF-  UND  STAATSDRUCKEREL 

IN  KOMMISSION  BEI  KARL  GEROLDS  SOHN, 

BUCHHÄNDLER  UKK  KAISERLICHEN  AKADEMIF  DER  WISSENSCHAFTEN. 


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INHALT. 


Seite 

I.  Sitzung  vom    8.  Jänner  1903:  Obersicht 3 

II.  Sitzung  vom  15.  Jänner  1903:  Obersicht 5 

III.  Sitzung  vom  22.  Jänner  1903:  Obersicht 6 

IV.  Sitzung  vom    5.  Februar  1903:  Obersicht 63 

V.  Sitzung  vom  12.  Februar  1903:  Obersicht 65 

VI.  Sitzung  vom  19.  Februar  1903:  Obersicht 91 

VII.  Sitzung  vom    5.  März  1903:  Obersicht 95 

VIII.  Sitzung  vom  12.  März  1903    Obersicht 295 

IX.  Sitzung  vom  19.  März  1903:  Obersicht 317 

X.  Sitzung  vom    2.  April  1903:  Obersicht 321 

XI.  Sitzung  vom    7.  Mai  1903:  Obersicht 327 

XII.  Sitzung  vom  14.  Mai  1903:  Übersicht 353 

Xni.  Sitzung  vom  22.  Mai  1903:  Obersicht 430 

XTV.  Sitzung  vom    4.  Juni  1903:  Obersicht 433 

XV.  Sitzung  vom  12.  Juni  1903:  Obersicht 435 

XVI.  Sitzung  vom  18.  Juni  1903:  Obersicht 437 

XVn.  Sitzung  vom    2.  Juli  1903:  Obersicht 537 

XVffl.  Sitzung  vom    9.  Juli  1903:  Obersicht 599 

XIX.  Sitzung  vom  15.  October  1903:  Obersicht 709 

XX.  Sitzung  vom  22.  October  1903:  Übersicht 714 

XXI.  Sitzung  vom  29.  October  1903:  Obersicht 821 

XXII.  Sitzung  vom    5.  November  1903:  Obersicht 825 

XXTII.  Sitzung  vom  12.  November  1903:  Übersicht 828 

XXIV.  Sitzung  vom  19.  November  1903:  Obersicht 841 

XXV.  Sitzung  vom    3.  December  1903 :  Obersicht 845 

XXVI.  Sitzung  vom  10.  December  1903:  Übersicht 847 

XXVII.  Sitzung  vom  17.  December  1903:  Übersicht 849 

Berwerth  F.,  Der  meteorische  Eukrit  von  Peramiho.  (Mit  2  Tafeln.) 

[Preis:  1  K60h=l  Mk.  60  Pfg.] 739 

BrunnthdUr  J.,   Phytoplankton   aus  Kleinasien.   [Preis:  20  h  = 

20  Pfg.] 289 

Busson  B.t  Über  einige  Landplanarien.  (Mit  1  Tafel  und  5  Text- 
figuren.) [Preis:  1  K  40  h=  1  Mk.  40  Pfg.] 375 


VI 


Seite 
Daday  E.,  v.y  Mikroskopische  Süßwassertierc  aus  Kleinasien.  (Mit 

2  Tafeln   und  2  Textfiguren.)    [Preis:   1  K  —  h  =  1  Mk. 

—  Pfg.]     . 139 

Doelter  C,  Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  II.  Teil.  (Mit  2  Tafeln, 

1  Kartenskizze  und  1  Textfigur.)  [Preis:  2  K  —  h  =  2  Mk. 

—  Pfg.] 169 

—  Zur  Physik   des   Vulkanismus.    (Mit   l  Textfigur.)  [Preis: 

50  h  =  50  Pfg.] 681 

Eberwein  R.,  Zur  Anatomie  des  Blattes  von  Borassus  flabclliformis. 

(Mit  1  Tafel.)  [Preis  :40  h  =  40  Pfg.] 67 

Fritsch  A.,  Bericht  über  die  mit  Unterstützung  der  kaiserlichen 
Akademie  unternommene  Reise  behufs  des  Studiums  fossiler 
Arachniden.  [Preis:  30  h  =  30Pfg,] 861 

Handlirsch  A.,  Zur  Phylogenie  der  Hexapoden.  (Vorläufige  Mit- 
teilung.) (Mit  1  Tafel.)  [Preis:  6Q  h«  60  Pfg.]     716 

Krasser  F.,  Konstantin  von  Ettingshausen's  Studien  über  die  fossile 

Flora  von  Ouricanga  in  Brasilien.  [Preis:  30  h  =  30  Pfg.]  .    852 

Kulczynski  VI.,  Arachnoidea  in  Asia  Minore  et  ad  Constantinopolim 
a  Dre.  F.  Werner  eoileeta.  (Mit  1  Doppeltafel.)  [Preis: 
1  K  30  h  =  1  Mk.  30  Pfg.] 627 

Lampa  E.,    Untersuchungen    an    einigen   Lebermosen.  IL    (Mit 

4  Tafeln.)  [Preis:  1  K  10  h  =  l  Mk.  10  Pfg.] 779 

Michniewicz  A.  R.t  Die  Lösungsweise  der  Reservestoffe  in  den 
Zellwänden  der  Samen  bei  ihrer  Keimung.  (Mit  2  Tafeln.) 
[Preis:  1  K  10  h  =  l  Mk.  10  Pfg.] 483 

Mogan  L.,  Untersuchungen  über  eine  fossile  Konifere.  (Mii  1  Tafel 

und  2  Textfiguren.)  [Preis:  50  h  =  50  Pig.] 829 

Molisch    H.,    Bakterienlicht    und    photographische    Platte.    (Mit 

3  Tafeln.)  [Preis:  1  K  20  h=  1  Mk.  20  Pfg.] 297 

Müller  /.,  Die  Coleopterengattung  Apholeuonus  Reitt  Ein  Beitrag 

zur  Kenntnis  der  dalmatinischen  Höhlenfauna.  (Mit  1  Tafel 
und  4  Textfiguren.)  [Preis:  60  h  =  60  Pfg.] 77 

—  Über  neue  Höhlenkäfer  aus  Dalmatien.  Resultate  der  im 
Sommer  1903  unternommenen  Forschungen  in  dalmatini- 
schen Höhlen.  (Mit  l  Textfigur.)  [Preis:  50  h  =  50  Pfg.]  .    .    870 

Peter  A.t  Beiträge  zur  Anatomie  der  Vegetationsorgane  von 
Boswellia  Carteri  Birdw.  (Mit  3  Tafeln  und  3  Textfiguren.) 
[Preis:  1  K  — h=l  Mk.  —  Pfg.] 511 

Pinlntr  Th.,  Studien  über  Tetrarhynchen  nebst  Beobachtungen  an 
anderen  Bandwürmern.  (III.  Mitteilung.)  Zwei  eigentüm- 
liche Drüsensysteme  bei  Rhynchöbothrius  adenoplusius  n. 
und  histologische  Notizen  über  Antocephalus,  Amphilina 
und  Taenia  saginala.  (Mit  4  Tafeln.)  [Preis:  1  K  70  h  = 
1  Mk.  70  Pfg.] 541 


VII 


Seite 
Parsek  0.,  Zur  Kenntnis  des  Spaltöffnungsapparates  submerser 
Pflanzenteile.  (Mit  3  Doppeltafeln.)  [Preis:   1  K60h  = 

1  Mk.  60  Pfg.] 97 

Schiller  /.,  Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  (Mit  3  Tafeln.) 

[Preis:  80  h  =  80  Pfg.] 793 

Siebenrock   F.,    Schildkröten    des   östlichen    Hinterindien.     (Mit 

2  Tafeln.)  [Preis:  80  h  =  80  Pfg.] 333 

—  Ober  zwei  seltene  und  eine  neue  Schildkröte  des  Berliner 
Museums.  (Mit  l  Tafel.)  [Preis:  50  h  =  50  Pfg.]     ....    439 

Steindachner  F.,  Batrachier  und  Reptilien  aus  Südarabien  und 
Sokötra,  gesammelt  während  der  südarabischen  Expedition 
der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften.  [Preis:  20  h 
=  20  Pfg.] 7 

—  Ober  einige  neue  Reptilien-  und  Fischarten  des  Hofmuseums 

in  Wien.  (Mit  1  Tafel.)  [Preis:  40  h  =  40  Pfg.] 15 

Tondera  F.,    Das   Gefäßbündelsystem    der  Cucurbitaceen.    (Mit 

5  Tafeln.)  [Preis:  1  K  80  h=  1  Mk.  80  Pfg.] 23 

Xschermak  G.,   Ober  die  chemische  Konstitution  der  Feldspate. 

(Mit  1  Textfigur.)  [Preis:  40  h  =  40  Pfg.| 355 

Went  K.,  Ober  einige  melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  (Mit 

1  Tafel  und  6  Textflguren.)  [Preis :  1  K  30  h  =  1  Mk.  30  Pfg.]  237 
Wolf  K„  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Gattung  Braunina  Hei  der. 

(Mit  1  Doppeltafel  und  1  Textfigur.)  [Preis:  80  h  =  80  Pfg.]  603 
Zederbauer  E.,  Myxobacteriaceae,  eine  Symbiose  zwischen  Pilzen 

und  Bakterien.   (Mit  2  Tafeln.)  [Preis:  1  K  —  h  =  1  Mk. 

—  Pfg.] 447 


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SITZUNGSBERICHTE 

DER  KAISERLICHEN 

AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXIL  BAND.  L  BIS  III.  HEFT. 
JAHRGANG  1903,  —   JÄNNER  bis  MÄRZ. 

ABTEILUNG  [. 

ENTHÄLT  OLE    ABHANDLUNGEN  AUS   DEM  GEBIETE  DER  MINERALOGIE, 

KRYSTALLOGRAPH1E,    BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 

PALÄONTOLOGIE,     GEOLOGIE,   PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  URO  REISEN. 


/AflT*"1    KARTENSKIZZE,  19  TAFELN  UND  13  TEXTFlGüRBN.) 


'  WIEN,  1903. 

^D^    TCH-KÖNIGLICHEN  HOF- UND  STA  AT&DR  UCKEREI. 
AÜSDERKAISER^1 

oJyjMlSSION  BEI  KARL  GEROLD'S  SOHN, 

^^  „,   dlt  PER  KMWWWGHB«  A^P«1HL«  *&*  *'«S-^HArTO 


INHALT 

* ? 
des  1.  bis  3.  Heftes  Jänaer  bis  März  1903  des  CXJI.  Bandes»  Abteilung  I 

der  Sitsungsberiöhie  der  mathem.-naturw.  Klasse. 

Seite 

L  Sitzung  vom  8.  Jänner  1903:  Übersicht 3 

II.  Sitzung  vom  15.  Jänner  1903:  Übersicht 5 

III.  Sitzung  vom  22.  Jänner  1903:  Übersicht 6 

Steindachner  F.,  Batrachier  und  Reptilien  aus  Südarabien  und 
Sokötra,  gesammelt  während  der  südarabi$chen  Expedition 
der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften.  [Preis:  20  h 

=  20Pfg.] \.    .    .    .    .         7 

—     Über  einige  neue  Reptilien-  und  Fischarten  des  Hoftnuseums 

in  Wien.  (Mitf  Tafel.)  [Preis:  40  h  =  40  Pfg.]    .    ,    .    .    .       15 
Tondcra  F.,    Das   Gefäßbündelsystem    der  Cucurbitaceen.    (Mit 

v5  Tafeln.)  [Preis:  1  K  80  h  =  1  Mk.  80  Pfg.] .       23 

IV.  Sitzung  vom  5.  Februar  1903:  Übersicht 63 

V.  Sitzung  vom  12.  Februar  1903:  Übersicht 65 

Eberwein  /?.,  Zur  Anatomie  des  Blattes  von  Borassus  ßabelliformis. 

(Mit!  Tafel.)  [Preis :  40  h  =  40  Pfg.] 67 

Müller  /.,  Die  Coleopterengattung  Äpholeuonus  Reitt  Ein  Beitrag  •• 
zur  Kenntnis  der  dalmatinischen  Höhlenfauna.  (Mirf  Tafel  vv 
und  4  Textfiguren.)  [Preis:  60  h  =  60  Pfg.] ']7 

VI.  Sitzung  vom  19.  Februar  1903:  Übersicht 91 

VII.  Sitzung  vom  5.  März  1903:  Übersicht 9jt 

Forsch  0.,  Zur  Kenntnis  des  Spaltöffnungsapparates  submerser 
Pflanzenteile.  (Mit  3  Doppeltafeln.)  [Preis:   1  K60h  = 

1  Mk.  60  Pfg.] 97 

Daday  E.,  v.,  Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  (Mit 

2  Tafeln   und  2  Textfiguren.)    [Preis:    1  K  —  h=  1  Mk. 

—  Pfg.] ,-    •    •    ■     139 

Doelter  C,  Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  II.  Teil.  (Mit'2  Tafeln, 

1  Kartenskizze  und  1  Textfigur.)  [Preis:  2  K  —  h  =  2  Mk. 

—  Pfg.] 169 


W&Y      •««    1904 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTER 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXII.  BAND.  I.  HEFT. 


ABTHEILUNG  I. 


ENTHÄLT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MINERALOGIE, 

KRYSTALLOGRAPHIE,  BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 

PALÄONTOLOGIE,  GEOLOGIE,  PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  UND  REISEN. 


I.  SITZUNG  VOM  8.  JÄNNER  1903. 


Dankschreiben  sind  eingelangt: 

1.  Von  Dr.  Alfred  Exner  in  Wien  für  die  Bewilligung  einer 
Subvention  für  die  von  ihm  und  Dr.  G.  Holzknecht 
geplanten  Untersuchungen  über  die  biologische  Wirkung 
der  Radiumstrahlen; 

2.  von  Dr.  Sigmund  Frank el  in  Straßburg  für  die  Bewilligung 
einer  Subvention  zur  Fortsetzung  seiner  Arbeiten  über 
Histidin  und  Haematoporphyrin; 

3.  von  Prof.  Dr.  E.  Heinrich  er  in  Innsbruck  für  die  Be- 
willigung der  Reisesubvention  nach  Buitenzorg. 

Herr  Arthur  Michael  übersendet  eine  Berichtigung  zu  der 
in  den  »Monatsheften  für  Chemie«  erschienenen  Arbeit  von 
J.  Svoboda:  Ȇber  einen  abnormalen  Verlauf  der 
MichaeTschen  Kondensation«. 

Prof.  Dr.  A.  Schell  in  Wien  übersendet  eine  Abhandlung 
mit  dem  Titel:  »Das  Präzisions-Nivellierinstrument«. 

Prof.  Dr.  Franz  Tondera  in  Stanisiau  übersendet  eine 
Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Gefäßbüschelsystem  der 
Cucurbitaceen«. 

Das  c. M.Prof. C.  Doelter  in  Graz  übersendet  den  zweiten 
Teil  seiner  Abhandlung:  »Der  Monzoni  und  seine  Ge- 
steine«. 

Dr.  Anton  Lampa  in  Wien  übersendet  eine  Arbeit  mit 
dem  Titel:  Ȇber  die  elektromagnetischen  Schwin- 
gungen einer  Kugel,  sowie  über  diejenigen  einer 
Kugel,  welche  von  einer  konzentrischen  dielektri- 
schen Kugelschale  umgeben  ist«. 

l* 


Das  w.  M.  Prof.  K.  Grobben  überreicht  das  von  der 
Verlagsbuchhandlung  A.  Holder  in  Wien  der  kaiserlichen 
Akademie  geschenkweise  überlassene  2.  Heft  des  XIV.  Bandes 
der  »Arbeiten  aus  den  zoologischen  Instituten  der 
Universität  Wien  und  der  zoologischen  Station  in 
Triest«.  

Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Albert  Ier,  Prince  souverain  de  Monaco:  Resultats  des 
campagnes  scientifiques  accomplies  sur  son  yacht  Fasci- 
cule  XXII:  Echantillons  d'eaux  et  de  fonds  provenant  des 
campagnes  de  la  Princesse-Alice  (1901)  par  J.  Thoulet. 
Monaco,  1902.  4°. 

Di chi ara,  Francesco,  Dr.:  La  cura  elettrica  dei  fibromi  deir 
utero.  Palermo,  1902.  8°. 

Jardin  Botanique  de  TEtat  in  Brüssel:  Bulletin,  vol.  I, 
fasc.  1—3  (1902).  Brüssel,  1902.  8°. 

Klemensiewicsz,  Rudolf:  Weitere  Beiträge  zur  Kenntnis  des 
Baues  und  der  Funktion  der  Wanderzellen,  Phagocyten 
und  Eiterzellen.  (Abdruck  aus:  »Beiträge  zur  pathologi- 
schen Anatomie  und  zur  allgemeinen  Pathologie«,  32.  Bd., 
1902.)  Jena,  1902.  8°. 

Lachiche  Hugues:  Un  seul  Champignon  sur  le  globe!  Port- 
Louis  (Maurice),  1902.  8°. 

Läska,  W.,  Dr.:  Ziele  und  Resultate  der  modernen  Erdbeben- 
forschung. (Sonderabdruck  aus  »Natur  und  Offenbarung«, 
48.  Bd.,  1902.)  Münster,  1902.  8°. 

Pantocsek,  Jözsef,  Dr.:  A  Balaton  Kovamoszatai  vagy  Bacil- 
lariai.  Budapest,  1902.  4°. 

Universität  in  Lund:  Akademische  Publikationen  1901  und 
1902. 


IL  SITZUNG  VOM  15.  JÄNNER  1903. 


Erschienen:  Sitzungsberichte:  Bd.  111,  Abt.  IIa,  Heft  V  bis  VI  (Mai 
und  Juni  1902).  —  Monatshefte  für  Chemie:  Bd.  XXIII,  Heft  X 
(Dezember  1902). 

Das  w.  M.  Hofrat  E.  Weiß  überreicht  die  bis  jetzt 
erschienenen  acht  Hefte  des  von  der  Royal  Society  in  London 
inaugurierten  Internationalen  Kataloges  der  Natur- 
wissenschaften. 

Das  k.  M.  Prof.  C.  Doelter  übersendet  einen  Bericht  über 
eine  von  Herrn  K.Went  und  ihm  aufgestellte  neue  Gesteins- 
art, den  Rizzonit. 

Das  w.  M.  Hofrath  J.  H  ann  überreicht  eine  Abhandlung  des 
Herrn  Ed.  Mazelle,  Leiters  des  k.  k.  astr.  met.  Observatoriums 
in  Triest  unter  dem  Titel:  »Die  mikroseismische  Pendel- 
unruhe und  ihr  Zusammenhang  mit  Wind  und  Luft- 
druck.« 

Das  w.  M.  Prof.  Franz  Exner  legt  eine  zum  Teil  in  seinem, 
zum  Teil  im  Göttinger  Institut  für  physikalische  Chemie  aus- 
geführte Arbeit  des  Herrn  Dr.  J.  Billitzer  vor:  »Elektrische 
Doppelschicht  und  absolutes  Potential,  eine  kontakt- 
elektrische Studie.« 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 

zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 
Societe    astronomique    de    France    in    Paris:    Bulletin, 

Jauvier  1903.  Paris,  8°. 
Wulff  Thorild:  Botanische  Beobachtungen  aus  Spitzbergen. 

Lund,  1903  8°. 


III.  SITZUNG  VOM  22.  JÄNNER  1903. 


Das  Ateneo  di  Brescia  übersendet  eine  aus  Anlaß 
seines  hundertjährigen  Bestandes  geprägte  Jubiläumsplakette 
sowie  die  Denkschrift:  »II  primo  secolo  delT  Ateneo  di 
Brescia«. 

Das  w.  M.  Hofrat  F.  Steindachner  übersendet  eine  Ab- 
handlung mit  dem  Titel:  Ȇber  einige  neue  Fisch-  und 
Reptilienarten  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmu- 
seums«. 

Ferner  übersendet  Hofrat  F.  Steindachner  eine  Mit- 
teilung mit  dem  Titel:  »Batrachier  und  Reptilien  aus 
Südarabien  und  Sokotra  (gesammelt  während  der 
südarabischen  Expedition  der  kaiserl.  Akademie  der 
Wissenschaften)«. 

Prof.  Johann  Melichar  in  Kremsier  übersendet  eine 
Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Die  Bestimmung  der  Selbst- 
schattengrenze an  Flächen  2.  Grades  bei  Parallel- 
beleuchtung« (I.  Teil). 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Grüning,  Wilhelm:  Studien  über  Chemie  und  therapeutischen 
Wert  der  offiziellen  Eisenpräparate.  Riga,  1902.  8°. 

Universität  in  Klausenburg:  Regia  litt.  Universitas  Hung. 
Ciaudiopoiitana  Joannis  Bolyai  in  memoriam.  Klausen- 
burg, 1902.  4°. 

Universität  in  Columbia:  Laws  Observatory  University  of 
Missouri  Bulletin  Nr.  1. 

Vollü,  Leopoldo  Nery:  La  trigonometrie  universeile.  Rio  de 
Janeiro,  1902.  8°. 


Batrachier  und  Reptilien  aus  Südarabien 
und  Sokötra, 

gesammelt  während  der  südarabischen  Expedition  der 
kaiserliehen  Akademie  der  Wissenschaften 


Dr.  Franz  Steindachner, 
w.  M.  k.  Akad. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  22.  Jänner  1903.) 

Ich  gebe  nachfolgend  ein  Verzeichnis  über  die  herpeto- 
logische  Ausbeute,  welche  während  der  südarabischen 
Expedition  an  der  Küste  Südarabiens  und  auf  Sokötra  aus- 
schließlich von  dem  Expeditionsmitgliede  Herrn  Prof.  Dr.  Oskar 
Simo  ny  gemacht  wurde  und  vereinige  damit  eine  Liste  jener 
Arten,  welche  von  Frau  Dr.  W.  Hein  in  den  Wintermonaten 
1901  und  1902  gesammelt  wurden.  Letztere  Arten  sind  mit 
»(H.)«  bezeichnet. 

Einen  ausführlichen  Bericht  behalte  ich  mir  für  spätere 
Zeit  vor.  Die  Gesamtzahl  der  gesammelten  Arten  beträgt  38, 
von  denen  23  auf  die  südarabische  Küste  entfallen. 

A.  Südarabien. 

Fam.:  Geckonidae. 

1.  Stenodactylus  (Ceramodactylus)  doriae  Blanf. 
Gischin  (H.). 


8  F.  Steindachner, 

2.  Stenodactylus  (Ceramodactylus)  pulcher  Anders. 

Gischin  (H.). 
Vulgärname:  Bod. 

3.  Pristurus  collaris  (Steind.)  Anders. 

Gischin  (H.). 

Vulgärname  daselbst:  Dallayn. 

Westlich  von  Tauwahi  (Aden)  von  Prof.  Simony,  am 
sandigen,  teilweise  mit  Steinen  bedeckten  Küstengebiete, 
ferner  am  sandigen  Küstengebiete  von  Makalla,  zwischen 
Gerolle  unterhalb  des  Gipfels  des  nächst  Dal  Haf  gelegenen 
Vulkanes  El  Hasida  el  Hamra,  an  sandigen  Stellen  im  untersten 
Teile  der  Sohle  des  nächst  Ras  Fartak  gelegenen  Wadi 
Dhaurüten,  sowie  im  Küstengebiet  von  Ras  Fartak  auf  sandigen, 
teilweise  mit  Geröll  bedeckten  Stellen,  an  sandigen  Stellen 
der  mit  Geröll  bedeckten  Lavaströme  in  der  Umgebung  von 
Bai  Haf. 

4.  Pristurus  cruciferVal. 
Aden,  in  Geröllhalden  des  jüdischen  Friedhofes. 

5.  Ptyodactylus  hasselquistii  Donnd. 

In  Einhöhlungen  der  nächst  eAzzän  gelegenen  Felskuppen, 
im  Wadi  Hamön  nächst  Ras  Fartak,  im  Wadi  Bagren  nächst 
Makalla. 

6.  Hemidactylus  turcicus  (L.)  Böttg. 

Gischin  (H.). 
Vulgärname:  Mjezal. 

7.  Hemidactylus  yerburii  Anders. 

Gischin  (H.). 
Vulgärname:  Mjezal. 


Südarabische  Batrachier  und  Reptilien.  9 

Farn. :  Agamidae. 

8.  Agama  sinaita  Heyd. 

Gischin  (H.). 
Vulgärname:  Yirgad. 

An  sandigen  Stellen  der  Felsgehänge  des  Wadi  Bagren 
bei  Makalla,  am  Westgehänge  des  nächst  Makalla  gelegenen 
Gebel  al  Karah,  im  Wadi  Dhaurüten  und  Wadi  Hamon  nächst 
Ras  Fartak,  endlich  bei  £Azzän. 

9.  Uromastix  (Aporoscelis)  benti  Anders. 

In  Felsspalten,  sowie  unter  größeren  Steinen  in  den  Vor- 
gebirgen von  'Azzän  und  eAin  Oä  Ma'bad,  ferner  von  Makalla. 

Fam.:  Laeertidae. 

10.  Acanthrodactylus  boskianus  Daud. 

Längs  der  Karawanenstraße  zwischen  Bal-haf  und  "Azzän 
somie,  sowie  in  der  Umgebung  letztgenannter  Festung  an 
sandigen  Stellen. 

Auf  erdigen  trockenen  Stellen  in  den  Gärten  von  Scheich 
Othman. 

11.  Acanthrodactylus  cantoris  Gthr. 

Gischin  (H.). 
Vulgärname:  Latit. 

12.  Eremias  guttulata  Licht. 

Gischin  (H.). 
Vulgärname:  Latit. 

Fam.:  Scincidae. 

13.  Mabuia  brevicollis  (Wie gm.)  Blgr. 
Umgebung  von  cAzzän,  in  Felsspalten  und  unter  größeren 
Steinen. 


10  F.  Steindachner, 

14.  Scincus  hemiprichii  Wie  gm. 

In  einem  Baranco  südlich  von  Gebel  Samsan  bei  Aden 
gefangen. 

15.  Scincus  muscatensis  Murr. 

Gischin  (H.). 

Vulgärname:  Bedbedad. 

Nur  bei  einem  der  6  größeren  Exemplare  steht  das 
1.  Supraorbitale  beiderseits  und  bei  einem  zweiten  Exemplare 
auf  einer  Seite  mit  dem  Frontale  nicht  in  Berührung. 

Bei  6  Exemplaren  mittlerer  Größe  ist  das  1.  Supraorbitale 
2  mal  vollständig,  3  mal  nur  auf  einer  Seite  (links)  vom  Frontale 
abgeschlossen  und  nur  bei  einem  Exemplare  mit  diesem  in 
Kontakt. 

16.  Chalcides  ocellatus  (Forsk.) 

Gischin  (H.). 

Vulgärname:  Jemh  (ad.),  Lazog  (jun.). 

Scheich  Othman  längs  den  Gartenmauern;  Umgebung  von 
rAzzän  und  cAin  Oä  Ma  fbad  an  felsigen,  mit  Gerolle  bedeckten 
Stellen;  Wadi  Dhaurüten  bei  Ras  Fartak. 

Fam.:  Chamaeleontidae. 

17.  Chamaeleon  calcarifer  Pet. 

Auf  Tamarix-Gebüschen  in  der  Umgebung  von  cAzzän. 

Fam.:  Colubridae. 

18.  Zamenis  rhodorhachis  Jan. 

Gischin  (H.). 
Vulgärname:  Risid. 

19.  Psammophis  schokari  (Forsk.)  Blgr. 
Gischin  (H.). 


Südarabische  Batrachier  und  Reptilien.  1 1 

Am  Fuße  und  auf  den  Festungsmauern  von  €Azzän;  auf 
einer  von  niedrigen  Akazien  umsäumten  Sandfläche  östlich 
von  eAzzän;  in  einer  mit  Geröll  bedeckten  Bergschiucht  des 
Schamscham,  welche  in  die  Ma  Calla-Ebene  ausmündet. 


Fam.:  Viperidae. 
20.  Cerastes  cornutus  (Hasselq.).  Forsk. 
Zwischen  Bal-haf  und  der  Oase  Ain  Gow'äri. 

21.  Echis  carinatus  (Sehn.)  Wagl. 

Gärten  von  Scheich  Othman  an  den  Gartenmauern  unter 
Reisig. 

Batrachia. 

Fam.:  Ranidae. 

22.  Rana  cyanophlyctis  Sehn. 

In  kleinen,  stagnierenden  Wasseransammlungen  in  der 
Umgebung  von  eAzzän. 

Fam.:  Bufonidae. 

23.  Bufo  viridis  Laur.,  var.  arabica. 

An  den  Rändern  der  seichten  Wassergräben  der  Palmen- 
gärten des  Wadi  Bagren  bei  Makalla  und  an  den  schlammigen 
Rändern  eines  kleinen  Wasserreservoirs  nächst  einem  Dorfe 
bei  Ras  Fartak. 

B.  Sokötra  und  benachbarte  Inseln. 

Fam.:  Geckonidae. 
1.  Pristurus  crueifer  (Val.)  Blgr. 
Felsige  Umgebung  von  Ras  Shoab. 


12  F.  Steindachner, 

2.  Pristurus  rupestris  Blanf. 

Küstengebiet  des  Wadi  Felink,  Kallansiye  (Sokötra),  Insel. 
Abd  el  Kuri,  westlich  von  Sokötra. 

3.  Ptyodactylus  sokotranus  Steind. 

Unter  Felsplatten  im  Westgehänge  des  Gebel  Hali  nächst 
Kallansiye  in  zirka  460  m  Seehöhe,  ferner  in  Einhöhlungen, 
sowie  unter  größeren  Steinen  der  felsigen  Umgebungen  von 
Ras  Shoab. 

4.  Hemidactylus  oxyrhinus  Blgr. 
Abd  el-Kuri. 

5.  Hemidactylus  granti  Blgr. 

Alpine  Region  des  Haggier-Gebirges  in  zirka  900  m  See- 
höhe, in  Einhöhlungen  der  Felsen. 

6.  Hemidactylus  homoeolepis  Blanf. 

Kallansiye;  Abd  al-Kuri  in  circa  340 m  Seehöhe,  in  Ein- 
höhlungen des  Gesteines. 

Fam.:  Amphisbaenidae. 

7.  Pachycalamus  brevis  Gthr. 

Ebene  von  Tamarida  und  Vorhöhen  des  Haggier-Gebirges 
bis  zu  700  m  Seehöhe,  unter  Steinen. 

Fam.:  Lacertidae. 

8.  Eremias  guttulata  (Licht.)  D.  B. 

Im  Dünensand  des  Strandgebietes  von  Kallansiye,  Hakari 
und  des  Wadi  Felink;  Gebel  Haumeni;  im  Dünensand  der  Insel 
Ab  del-Kuri  und  Semhah. 


Südarabische  Batrachier  und  Reptilien.  1 3 

Farn.:  Seincidae. 

9.  Mabuia  sokotrana  (Pet.)  Blgr. 

Wadi  Felink  (Südsokötra);  nächst  Tamarida;  Haggier- 
Gebirge;  Geröllhalden  am  Fuße  des  Gebel  Mali  bei  Kallansiye; 
Insel  Hakari  bis  zu  400  m  Seehöhe  und  Abd  el-Kuri,  unter 
Steinen. 

10.  Parachalcides  sokotranus  Blgr. 
Stpsina  (Hakaria)  srmonyi  S  t  e  i  n  d .  * 

Hakan  und  Wadi  Felink,  östlich  von  Hakari. 

Fam.:  Chamaeleontidae. 

11.  Chamaeleon  monachus  Gray. 

Haggier-Gebirge;  vereinzelt  auf  steiniger,  zumeist  mit 
krautartigen  Pflanzen  und  wenigen  Büschen  bewachsener 
Ebene  von  Kallansiye. 

Fam.:  Typhlopidae. 

12.  Typhlops  sokotranus  Blgr. 

Nach  dem  Nordrande  der  Ebene  bei  Ras  Shoab,  zirka 
70 tn  tief,  unter  der  Oberfläche  bei  Erdarbeiten  gefunden; 
Hakari  in  feuchter  Erde  nächst  der  »Klamm«  der  Wildbach- 
schlucht. 

Fam.:  Glauconidae. 

13.  Glauconia  filiformis  Blgr. 

Hakari  in  feuchter  Erde  nächst  der  »Klamme  der  Wild- 
bachschlucht. 


i  Anzeiger  der  k.  Akad.  d.  Wissensch.,  Jahrg.   1899,  Nr   12,  im  Drucke 
erschienen  und  versendet  am  12.  Mai  1899. 


14  F.  Steindachner,  Südarabische  Batrachier  und  Reptilien. 

Fam.:  Colubridae. 

14.  Zamenis  sokotrae  Gthr. 

Küstengebiet  von  Haulaf  nächst  Tamarida,  von  Ras 
Shoab;  Kallansiye,  nächst  den  Cyperus-Sümpfen  des  Strand- 
gebietes. 

Hakari  nächst  der  Mündung  des  Wadi  Felink;  Insel 
Semhah,  in  Felslöchern  des  Küstengebietes. 

15.  Ditypophis  vivax  Gthr. 

Unter  Steinen  auf  den  gegen  Ras  Shoab  und  Wadi  Felink 
abstürzenden  Felsengehängen  und  benachbarten  Kuppen. 


15 


Ober  einige  neue  Reptilien-  und  Fischarten 
des  Hoftnuseums  in  Wien 


Dr.  Franz  Steindachner, 
w.  M.  k.  Akad. 

(Mit  1  Tafel.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  22.  Jänner  1903.) 

Epicrates  wieningeri  n.  sp. 

Rostrale  etwas  breiter  als  hoch,  von  oben  sichtbar.  Ober- 
seite der  Schnauze  und  Stirn  mit  meist  regelmäßigen  Schildern 
mittlerer  Größe  bedeckt.  Ein  Supraoculare,  größer  als  die 
übrigen  Schilder  der  Stirngegend. 

Internasalia  viel  kleiner  als  die  Präfrontalia,  zwischen  die 
sich  das  vorne  spitz  zulaufende  Frontale  teilweise  einschiebt. 
An  dem  kurzen,  konkaven  Seitenrande  des  Frontale  liegen 
jederseits  ein  rundliches,  an  dem  schwach  konvexen  breiten 
Hinterrand  3  Schiidchen,  von  denen  das  mittlere  schmal 
rhombenförmig  ist.  Loreale  groß,  unregelmäßig  viereckig,  mit 
der  ganzen  Länge  seines  unteren  Randes  an  das  2.-5.  Supra- 
labiale stoßend. 

1  großes  Prä-,  3—4  Post-  und  2  Subocularia,  einen 
geschlossenen  Halbring  bildend,  so  daß  das  Auge  vollkommen 
von  den  Supralabialia  getrennt  ist. 

13 — 14  Oberlippenschilder;  sie  sind  gleich  den  Unterlippen- 
schildern nicht  grubig. 

Schuppen  in  47  Reihen.  V.  244.  Subc.  64,  viele  derselben 
geteilt,  schuppenartig. 


16  F.  Steindachner, 

5  tiefbraune  Längsstreifen  am  Kopfe.  Rücken  mit  zirka  60, 
Oberseite  des  Schwanzes  mit  zirka  20  dunkelbraunen  Quer- 
binden, deren  unterer  Rand  gerundet  ist  und  welche  nur  durch 
schmale  hellbraune  Zwischenräume  voneinander  getrennt 
werden. 

Die  größten  dieser  Binden  liegen  gegen  das  Ende  des  ersten 
Drittels  und  am  Beginne  des  zweiten  Drittels  der  Rumpflänge. 
Die  hellbräunlich  gelben  Rumpfseiten  sind  dicht  mit  schwarz- 
braunen, fast  hieroglyphenartigen  Strichelchen  und  Fleckchen 
besetzt,  die  gegen  die  oberen  Reihen  zu  etwas  an  Größe  zu- 
nehmen und  stellenweise  durch  Verschmelzung  einen  nach 
unten  offenen  kleinen  Halbring  bilden.  Die  ganze  Bauchseite  ist 
mit  zahlreichen  rundlichen  Fleckchen  übersät. 

1  Exemplar,  59  cm  lang,  aus  Paraguay  bei  Aitos,  wurde 
von  Herrn  Wieninger  in  Schärding  dem  Hofmuseum  als 
Geschenk  übergeben. 

Leptognathus  intermedia  n.  sp. 

Körper  ziemlich  stark  komprimiert  Schuppen  der  Verte- 
braireihe  nicht  vergrößert.  Auge  klein,  Rostrale  breiter  als  hoch, 
von  oben  nur  wenig  sichtbar.  Internasalia  klein,  zirka  halb  so 
lang  als  die  auch  der  Breite  nach  viel  größeren  Präfrontalia. 
Frontale  breiter  als  lang.  Den  Vorderrand  des  Auges  bilden  das 
Loreale  und  Präfrontale.  Parietalia  sehr  groß,  mindestens 
doppelt  so  lang  als  das  kleine  Frontale.  Nasale  geteilt.  Nur  5 
Supralabialia  wie  bei  Leptognathus  ventrimaculata,  von  denen 
das  3.  und  4.  am  größten  ist.  Die  hintere  obere  Ecke  des  2. 
und  der  weitaus  größte  Teil  des  oberen  Randes  des  3.  Supra- 
labiale begrenzen  das  Auge  nach  unten.  2  Postocularia,  das 
untere  derselben  sehr  klein.  Temporalia  1-4-2.  Diebeiden  ersten 
Infralabialia  an  der  Unterseite  des  Kopfes  aneinander  stoßend. 
3  Paar  Kinnschilder,  die  des  ersten  Paares  sind  ein  wenig 
größer  als  die  des  nächstfolgenden  Paares.  Schuppen  in 
15  Reihen.  V.  155.  Subc.  41. 

Zeichnung  und  Färbung  ähnlich  wie  bei  L.  turgida.  Ein 
großer  ovaler,  dunkelbrauner  Fleck  nimmt  fast  die  ganze  Ober- 
seite des  Kopfes  ein. 


Neue  Reptilien  und  Fischarten.  1 7 

Seiten  des  Kopfes  gelblich,  doch  sehr  dicht  dunkel 
gesprenkelt,  nur  auf  den  Oberlippenschildern  sind  größere 
Stellen  ohne  Sprenkelung. 

2  sehr  breite,  fast  schwärzliche  Querbinden  oben  und  seit- 
lich in  der  Halsgegend,  die  vordere  ist  nur  durch  einen  schmalen 
gelben  Ring  von  der  dunklen  Färbung  der  Oberseite  des 
Kopfes  getrennt.  Auf  diese  beiden  ersten  Rumpfbinden  folgen 
am  Rücken  zahlreiche,  viel  schmälere  und  durchschnittlich 
stark  schräge  gestellte  Querbinden.  Sie  sind  von  einem  hellen 
Ringe  umgeben  und  lösen  sich  hie  und  da  in  Flecken  auf. 
Unter  und  mit  ihnen  alternierend  liegen  ebenso  viele  quer- 
gestellte  schmale  Flecken  oder  Querstreifen,  die  sich  zuweilen 
der  Höhe  nach  spalten;  dazwischen  entwickeln  sich  sehr 
häufig  noch  kleinere  Flecken.  Bauchseite  fast  weiß,  vorderer 
Teil  derselben  nur  wenig,  weiter  zurück  dagegen  dichter  und 
unregelmäßig  mit  dunklen  Längsstrichen  oder  Flecken  besetzt. 

1  Exemplar,  25  cm  lang,  von  Altos  und  gleichfalls  ein 
Geschenk  des  Herrn  Wieninger. 

Plesiops  altivelis  n.  sp. 

Kopflänge  unbedeutend  weniger  als  3  mal,  Leibeshöhe 
weniger  als  2  a/5  mal,  Länge  der  Caudale  (bei  g  ?)  1 2/5  mal, 
Länge  der  Ventralen  zirka  l^mal,  die  der  Pectorale  3mal,  die 
höchsten  vorletzten  Gliederstrahlen  der  Dorsale  wie  der  Anale 
(bei  cf )  2V3  — 2V4nial  in  der  Körperlänge  (d.  i.  Totallänge  mit 
Ausschluß  der  Caudale),  Länge  der  Schnauze  4  mal,  des  Auges 
etwas  mehr  als  3l/8nial,  Stirnbreite  5mal,  letzter  Analstachel 
etwas  mehr  als  l8/4mal  in  der  Kopflänge  enthalten. 

Die  Kiefer  reichen  gleich  weit  nach  vorne.  Das  hintere 
Ende  des  Oberkiefers  fällt  in  vertikaler  Richtung  hinter  die 
Augenmitte.  Ein  schmaler  supplementärer  Knochen  über  dem 
Maxillare. 

3  Schuppenreihen  zwischen  dem  Auge  und  der  Vorleiste 
des  Präoperkels  in  dessen  Winkelgegend.  Die  beiden  Ränder 
des  Vordeckels  treffen  unter  einem  rechten  Winkel  zusammen 
und  sind  ungezähnt. 

Eine  ziemlich  hohe  Schuppenscheide  längs  der  Basis  der 
Dorsale  und  der  Anale.  Die  Stacheln  der  Dorsale  nehmen  vom 

Sitzb.  d.  mathexn.-naturw.  KL;  CXII  Bd.,  Abt.  I.  2 


18  F.  Steindachner, 

ersten  bis  zum  letzten  gleichförmig,  mäßig  an  Höhe  zu,  der 
erste  Stachel  ist  ein  wenig  kürzer,  der  letzte  zirka  2  mal  so  lang 
wie  das  Auge  und  minder  kräftig  als  der  3.  Anaistachel. 

Die  ersten  Gliederstrahlen  der  Dorsale  sind  an  dem  vor- 
liegenden Unicum  beschädigt,  dürften  jedoch,  nach  den  wohl- 
erhaltenen Strahlen  der  Anale  zu  schließen,  den  letzten  Stachel 
um  mehr  als  das  Doppelte  an  Höhe  übertroffen  haben.  Die  Spitze 
des  längsten  ersten  gegliederten  Ventralstrahles  überragt  das 
hintere  Basisende  der  Anale;  der  Ventralstachel  ist  ziemlich 
lang,  schlank,  zirka  l2/3mal  in  der  Kopflänge  enthalten. 

Der  obere  Ast  der  Seitenlinie  endigt  unterhalb  der  Basis 
der  letzten  gegliederten  Dorsalstrahlen  und  durchbohrt  20,  der 
untere  Ast  7  Schuppen  am  Rumpfe  und  zirka  2  auf  der  Caudale. 
Sämtliche  Rumpfschuppen  äußerst  zart  und  dicht  am  hinteren 
Rande  gezähnt. 

Kaffeebraun  mit  dunkleren  Längsstreifen,  der  Zahl  der 
Schuppenreihen  entsprechend.  Sehr  kleine,  scharf  abgegrenzte 
himmelblaue  Punkte  über  Körper  und  Flossen  zerstreut;  am 
dichtesten  liegen  sie  am  Kopfe  rings  um  das  Auge  und  an  der 
Unterseite  der  Unterkiefer;  die  auf  der  Caudale  liegenden 
Punkte  sind  ein  wenig  größer  als  die  übrigen. 

1  Exemplar,  16  cm  lang,  von  Nias. 
D.  11/9.     A.  3/9.     P.  19.     L.  1.  r.  25  +  2.     L.  tr.  2/1/11  (zurV.). 

Chaetodon  eques  n.  sp. 

D.  13/20.     A.  3/16.     L.  1.  26-29.     L.  tr.  10/1/15.     L.  hör.  c.  40. 

Körperform  erhöht.  Schnauze  stark  und  spitz  vorgezogen. 
Obere  Profi ilinie  des  Kopfes  steil  ansteigend,  in  der  Stirn-  und 
Schnauzengegend  konkav.  Die  größte  Körperhöhe  mit  Aus- 
schluß der  hohen  Schuppenscheide  an  der  Basis  der  Dorsale  ist 
etwas  mehr  als  2  mal,  die  Kopflänge  etwas  mehr  als  3 mal,  die 
Länge  des  3.  höchsten  Dorsalstachels  (von  seiner  unter  der 
Schuppenscheide  verborgen  liegenden  Basis  an  gemessen) 
etwas  weniger  als  3  mal  in  der  Totailänge,  der  Augendiameter 
3V2mal,  die  Schnauzenlänge  22/5nial,  die  Stirnbreite  nahezu 
4V2  mal,  die  Länge  der  Pectorale  l2/5nml,  die  der  Ventrale  1  mal, 


Neue  Reptilien  und  Fischarten.  1 9 

die  Länge  der  fächerförmig  ausgebreiteten  Caudale  nahezu 
l2/3mal,  Länge  des  2.  höchsten  Stachels  der  Anale  zirka  l8/8mal 
in  der  Kopflänge  enthalten. 

Der  hintere  Rand  des  Vordeckels  ist  nahezu  vertikal 
gestellt,  der  Vordeckelwinkel  unbedeutend  größer  als  ein  rechter. 

Kopfschuppen  sehr  klein. 

Der  1.  Dorsaistachel  ist  unbedeutend  länger  als  der 
Augendiameter,  der  2.  etwa  um  eine  Augenlänge  kürzer 
als  der  Kopf,  der  4.  ebenso  lang  wie  der  Kopf.  Vom  3.  Dorsal- 
stachel an  bis  zum  6.  nimmt  die  Stärke  der  Stachel  ziemlich 
rasch  ab,  der  7. — 11.  gleichen  sich  einander  in  dieser  Beziehung, 
ebenso  die  beiden  letzten  Stacheln,  welche  die  schwächsten  der 
Flosse  sind  und  an  Höhe  etwas  mehr  als  iy8  Augenlängen 
erreichen.  Der  7.,  höchste  Gliederstrahl  der  Dorsale  ist  halb  so 
lang  wie  der  Kopf,  der  3.  Analstachel  ein  wenig  kürzer  als  der 
2.  Der  schlanke  Stachel  der  Ventrale  ist  etwas  mehr  als  l73mal 
in  der  Kopflänge  enthalten,  der  erste  Gliederstrahl  reicht  mit 
seiner  fadenartigen  Spitze  bis  zur  Basis  des  2.  Analstachels 
zurück. 

Zwischen  dem  oberen  Ende  der  Kiemenspalte  und  der 
Basis  der  Caudale  liegen  zirka  40  Schuppen  in  einer  hori- 
zontalen Reihe,  sie  nehmen  kurz  vor  Beginn  des  Schwanz- 
stieles bis  zur  Basis  der  Caudale  rasch  an  Größe  ab.  Sämtliche 
Rumpfschuppen  sind  am  hinteren  Rande  gleichmäßig  gerundet, 
die  größten  derselben  liegen  in  etwa  4—5  Reihen  am  Vorder- 
rumpfe über  und  zunächst  unter  der  Höhe  der  Pectoralen  und 
verlaufen  in  fast  horizontaler  Richtung,  während  die  folgenden 
bis  zur  Seitenlinie  nach  hinten  und  oben  ansteigen.  Die  über 
der  Seitenlinie  gelegenen  Schuppenreihen  folgen  der  Richtung 
der  Seitenlinie  und  die  untersten  Schuppenreihen  laufen  fast 
parallel  zur  Bauchlinie.  Die  Seitenlinie  durchbohrt  auf  einer 
Körperseite  26,  auf  der  anderen  29  Schuppen  und  endigt  nach 
hinten  nächst  der  Basis  der  mittleren  Gliederstrahien  der 
Dorsale. 

Eine  schwarzbraune  Binde  zieht  von  der  Basis  der  zwei 
ersten  Dorsalstacheln  nach  vorne  zum  Auge  und  nimmt  unter 
demselben  rasch  an  Breite  und  Intensität  der  Färbung  ab.Sie  steht 
an  ihrer  breitesten  Stelle  in  einiger  Entfernung  über  dem  Auge 

2* 


20  F.  Steindachner, 

der  Länge  desselben  nicht  sehr  bedeutend  nach  und  ist  am 
ganzen  hinteren  Rande  hell  gesäumt. 

Viel  breiter  ist  die  gleichfalls  tiefbraune  Rumpfbinde,  die 
an  dem  größten  mittleren  Höhendrittei  des  5.  Dorsalstachels 
beginnt  und  im  Bogen  bis  über  die  Anale  herabzieht,  auf  weicher 
sie  in  der  Längenmitte  des  ersten  Giiederstrahles  der  Anale 
zugespitzt  endigt.  Diese  Binde  ist  am  vorderen  Rande  silber- 
weiß gesäumt. 

1  Exemplar,  \0ctn  lang,  von  der  Küste  Yucatans. 

Durch  die  Länge  und  stark  zugespitzte  schnabelförmige 
Form  der  Schnauze  und  die  Zahl  der  Dorsalstacheln  unter- 
scheidet sich  die  hier  beschriebene  Art  von  den  übrigen  west- 
indischen Arten,  mit  weichen  sie  in  Körperzeichnung  große 
Ähnlichkeit  zeigt,  wie  Ch.  nigrirostris,  Ch.  ocellatus,  Ch. 
sedentarias,  namentlich  aber  mit  Ch.  aya  Jord.  aus  dem 
Golfe  von  Mexico. 


Gymnocharacinus  n.  g. 

Körperform  gestreckt,  mäßig  am  Rumpfe  komprimiert. 
Körperhaut  schuppenlos,  chagrinartig,  Fettflosse  fehlend.  Dor- 
sale in  der  Längenmitte  des  Rumpfes  gelegen.  Ventrale  sehr 
klein,  in  vertikaler  Richtung  ein  wenig  vor  der  Dorsale  ein- 
gelenkt. Zähne  im  Zwischenkiefer  zweireihig,  im  Ober-  und 
Unterkiefer  einreihig,  mit  schlanker  Basis,  gegen  das  freie 
Ende  verbreitert  und  daselbst  in  3 — 5  Spitzen  geteilt.  Eine 
lange  Fontanelle  am  Hinterhaupte. 

Gymnocharacinus  bergii  n.  sp. 

Kopf  kurz,  vorne  stumpf  gerundet,  steil  abfallend. 

Kopflänge  4mal,  Rumpfhöhe  32/3mal  in  der  Körperlänge 
(d.  i.  Totallänge  mit  Ausschluß  der  Caudale),  Kopfbreite  zirka 
1 1/2  mal,  Kopfhöhe  etwas  mehr  als  lV3mal,  Augendiameter 
4  mal,  Breite  der  querüber  mäßig  gewölbten  Stirn  fast  3  mal, 
Länge  der  Mundspalte  3  mal,  Höhe  der  Dorsale  l8/4mal,  Basis- 
länge derselben  22/5  mal,  Länge  der  Ventralen  22/6  mal,  Basislänge 
der  Anale  weniger  als  2  mal,  Höhe  derselben  2 mal,  Länge  der 


Neue  Reptilien  und  Fischarten.  2 1 

zweilappigen  Dorsale  etwas  mehr  als  1  mal,  Länge  der  Pecto- 
ralen  l^mal  in  der  Kopflänge  enthalten. 

Die  Kiefer  reichen  gleich  weit  nach  vorne.  Das  hintere 
Ende  des  nach  unten  umgebogenen  Oberkiefers  fällt  vor  die 
Augenmitte. 

Die  Dorsale  ist  höher  als  lang;  vordere  Strahlen  derselben 
höher  als  die  folgenden,  daher  der  obere  Flossenrand  schräge 
nach  hinten  abfällt. 

Auch  der  untere  Rand  der  Anale  ist  schräge  gestellt;  die 
letzten  Flossenstrahlen  derselben  sind  halb  so  lang  wie  die 
vorderen  höchsten. 

Die  geringste  Rumpfhöhe  des  stärker  komprimierten 
Schwanzstieles  übertrifft  ein  wenig  die  Hälfte  der  größten 
Rumpfhöhe. 

Der  Seitenkanal  läuft  längs  der  Höhenmitte  des  Rumpfes 
hin.  Körperhaut  dick,  lederartig,  fein  gerunzelt. 

Grundfarbe  rötlichbraun.  Eine  breite  dunkelbraune  Längs- 
binde, sie  beginnt  hinter  dem  Kopfe  am  oberen  Teil  der 
Kiemspalte  und  liegt  bis  in  die  Nähe  der  Dorsale  über  dem 
Seitenkanal  weiter  zurück,  von  der  Analgegend  an  wird  sie 
von  letzterem  der  Höhe  nach  gleich  geteilt. 

D.  11;     A.  13.     V.  6  an  7. 

1  Exemplar,  7!/2  cm  lang,  aus  einem  Bache  des  südlichen 
Argentinien,  der  nach  kurzem  Laufe  in  der  Ebene  verschwindet; 
ein  zweites  kleineres  Exemplar  skelettiert,  beide  ein  Geschenk 
meines  langjährigen  Freundes  Dr.  Carlos  Berg  in  Buenos  Ayres, 
dessen  Gedächtnis  diese  hochinteressante  Art  gewidmet  sei, 
die  wegen  der  Schuppenlosigkeit  des  Körpers  eine  ganz 
exzeptionelle  Stellung  in  der  Familie  der  Characinen  einnimmt. 


22  F.  Steindachner,  Neue  Reptilien  und  Fischarten. 


Tafelerklärung. 


Fig.  1.  Chaetodon  eques  n.  sp.  in  natürlicher  Größe. 
»     2.  Gymnocharacinus  btrgii  n.  g.,  n.  sp.,  3  mal  vergrößert. 
>     2  a.  Vordere  Ansicht  der  Mundspalte,  4  mal  vergrößert. 


F.  Steindachner:  Neue  Reptilien  und  Fischarten. 


*  .  ._'« 


£      Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Classe,  Bd.  CXII.,  Abth.  I.  1003. 


Lichtdruck  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei. 


23 


Das  Gefößbündelsystem  der  Cucurbitaceen 

von 
Prof.  Dr.  Franz  Tondera  in  Stanislau. 

(Mit  5  Tafeln.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  8.  Jänner  1903  ) 

In  seinem  Werke:  Vergleichende  Anatomie  der  Vege- 
tationsorgane (S.  259)  äußert  sich  De  Bar y  bei  der  kurzen 
Erörterung  der  Gefäßbündelanordnung  in  der  Familie  der 
Cucurbitaceen,  wie  folgt:  »Die  Stränge  beider  Ringe  sind, 
soweit  die  Untersuchung  reicht,  Blattspurstränge,  welche 
durchschnittlich  zwei  Internodien  abwärts  laufen.  Die  durch 
frühzeitig  auftretende  unregelmäßige  Queranastomosen  in  den 
Knoten  sehr  erschwerte  genaue  Ermittlung  ihres  Verlaufes 
bleibt  weiteren  Untersuchungen  vorbehalten.« 

Eine  nähere  Einsicht  in  das  Anastomosennetz  der 
Stengelknoten  der  Cucurbitaceen  bestätigt  wohl  die  Annahme, 
daß  die  Erforschung  des  Gefäßbündelverlaufes  durch  die  Quer- 
anastomosen sehr  erschwert  ist;  die  Behauptung  dagegen, 
daß  die  Anastomosen,  welche  in  den  Stengelknoten  die  Ver- 
bindung der  Stränge  vermitteln,  unregelmäßig  erfolgen,  läßt 
sich  nur  an  einzelnen,  und  zwar  nur  an  kultivierten  Arten  beob- 
achten und  begründen.  Die  Untersuchungen  beweisen  auch, 
daß  die  durchschnittliche  Länge  der  Blattspurstränge,  welche 
nach  De  Bary  zwei  Internodien  betragen  soll,  zu  kurz 
angenommen  wurde. 

Die  äußerst  dürftige  Erledigung  dieses  im  hohen  Grade 
interessanten  Gegenstandes,  sowie  die  angeführten  Äußerungen 
im  Werke  eines  gründlichen  Forschers  lassen  vermuten,  daß 


24  F.  Tondera, 

die  Untersuchungen  über  den  Gefäßbündelverlauf  der  Cucur- 
bitaceen vor  der  Verfassung  der  Vergleichenden  Anatomie  De 
Bary's  sehr  unzulänglich  sein  mußten.  In  derTat  beschränken 
sich  die  damals  bekannten  Untersuchungen  auf  die  Angaben 
Lestiboudois',1  Bernhardi's2  und  Sanio's,8  die  aber,  da 
die  Untersuchungen  dieser  Forscher  einen  anderen  Zweck 
verfolgten,  nur  gelegentlich  erfolgten  und  vorwiegend  den 
anatomischen  Bau  der  Stengelquerschnitte  einiger  Arten 
betreffen. 

Bald  nachher  erschien  eine  namhafte  Arbeit,  in  welcher 
die  Anordnung  der  Gefäßbündel  und  ihr  Verlauf,  sowie 
Anastomosen  in  den  Stengelknoten  einer  Cucurbitacee  gründ- 
lich erforscht  und  dadurch  die  Grundlage  weiterer  Unter- 
suchungen gegeben  worden  ist.  Es  ist  dies  die  Arbeit  von 
M.  G.  Dutailly,  die  unter  dem  Titel:  Recherches  anatomiques 
et  organogeniques  sur  les  Cucurbitacees  et  les  Passiflorees  im 
Jahre  1879  erschien.  In  dieser  Abhandlung  legt  der  Verfasser 
die  Ergebnisse  seiner  Forschungen,  welche  er  an  Cucurbita 
maxima  mittels  der  Macerationen  angestellt  hat,  nieder  und 
erläutert  mit  Hilfe  gelungener  Zeichnungen  den  Verlauf  der 
Gefäßbündel  in  den  Stengelgliedern,  sowie  die  Verzweigungen 
und  das  Anastomosennetz  derselben  in  den  Stengelknoten. 
Die  Wahl  der  Art  Cucurbita  maxima  fand,  wie  die  Benennung 
erklärt,  ihre  Begründung  darin,  daß  die  ausgewachsenen 
Glieder  dieser  Art  die  mächtigste  Entwickelung  unter  allen 
anderen  Kürbisarten  erlangen.  Durch  die  Untersuchungen 
Dutailly's  sind  die  Schwierigkeiten  beseitigt  worden,  welche 
die  Erörterung  der  Frage  des  Gefäßbündelverlaufes  in  der 
Familie  der  Cucurbitaceen  bis  dahin  unmöglich  machten. 

Bald  nachher  erschien  ebenfalls  in  Frankreich  eine 
umfangreiche  Arbeit  von  H.  A.Lotar,4  in  welcher  der  Verfasser 
die  Anatomie,  gelegentlich   auch  den   Gefäßbündelverlauf  der 


1  Lestiboudois,  Etüde  sur  l'anatomie  et  la  physiologie  des  vegetaux. 
Lille  1840. 

*  Bernhard i,  Beobachtungen  über  Pflanzengefäße.  Erfurt,  S.  20. 

s  Sanio,  Botanische  Zeitung  1864,  S.  227. 

4  Henri-Aime  Lotar,  Essai  sur  l'Anatomie  comparee  des  organes  vege- 
tatifs  et  des  teguments  seminaux  des  Cucurbitacees.  Lille  1881. 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  25 

Cucurbitaceen  behandelt.  Das  schematische  Bild  des  Anasto- 
mosennetzes  im  Stengelknoten  einer  Cucurbitacee  *  ist  leider 
nicht  nach  der  Natur,  sondern  vielmehr,  wie  der  Verfasser 
auch  eingesteht,  nach  den  theoretischen  Erwägungen  von 
Bertrand,  dem  Leiter  des  Laboratoriums  in  Lille,  gezeichnet. 
Die  Anastomosen  und  Kommissuren  des  Knotens,  wie  sie  in 
dieser  Figur  dargestellt  sind,  lassen  sich  in  der  Natur  nicht 
wiederfinden. 

Die  isolierten,  d.  h.  ohne  Begleitung  von  Gefäßbündeln 
auftretenden  Siebröhren,  welche  als  Siebröhrenbündel  als 
Verlängerung  der  Gefäßbündel  auch  im  inneren  Bündelringe 
der  Cucurbitaceen  sich  vorfinden  und  welche  bei  Cucumis 
sativus  schon  Sanio  an  der  Innenseite  des  Sklerenchymringes 
aufgefunden  hatte  und  De  Bary  in  anderen  Cucurbitaceen, 
immer  jedoch  an  der  Innenseite  des  Sklerenchymringes  nach- 
gewiesen hatte,  wurden  zum  Gegenstande  der  Forschungen  in 
dem  Aufsatze  von  Fischer2  erwählt.  In  dieser  eingehenden 
Arbeit,  in  welcher  der  Verfasser  vorwiegend  die  Sproßachse 
und  die  Fruchtrinde  von  Cucurbita  Pepo  behandelt,  ist  an  über 
zwanzig  von  der  Sproßspitze  aus  sich  nachfolgenden  Stengel- 
gliedern die  Entstehung,  die  Lebensdauer,  sowie  die  Oblitera- 
tion  der  isolierten  Siebröhren  nachgewiesen  worden.  Der  Ver- 
fasser hat  in  dieser  Abhandlung  dargelegt,  daß  die  isolierten 
Siebröhren  nicht  nur  an  der  Innenseite,  sondern  auch  an  der 
Außenseite  des  Sklerenchymringes,  ja  sogar  in  Kollenchym- 
strängen  sich  zahlreich  vorfinden  und  nur  wegen  der  früh- 
zeitigen Obliteration  im  späteren  Alter  des  Stengels  kaum  zu 
erkennen  sind.  Auf  die  Ergebnisse  dieser  Arbeit  werde  ich 
noch  später  zurückkommen. 

Die  übrigen  Arbeiten,  welche  in  einem  gewissen  Zu- 
sammenhange mit  meinen  Untersuchungen  stehen,  werden 
an  geeigneten  Stellen  erwähnt  werden. 

Meine  ersten  Forschungen  über  den  Gefäßbündelverlauf 


i  Henri-Aime  Lotar,  Essai  sur  l'Anatomie  comparee  des  organes  vege- 
tatifs  et  de  teguments  seminaux  des  Cucurbitacees.  Lille  1881,  S.  36. 

*  Dr.  A.  Fischer,    Untersuchungen    über   das   Siebröhrensystem    der 
Cucurbitaceen.  Berlin  1884. 


26  F.  Tondera, 

der  Cucurbitaceen  habe  ich  an  der  Art  Sicyos  angulata  L. 
angestellt.  Die  Methode  der  Mazeration,  weiche  bei  den 
Pflanzen  mit  dicken  Sproßachsen  sehr  gute  Dienste  leistet,  ist 
für  die  Arten  mit  Stengeln  von  geringer  Dicke  allein  für  sich 
kaum  zu  verwenden.  • 

Die  Übung  hat  mich  dagegen  belehrt,  daß  bei  den  Arten 
mit  schwach  entwickelten  Sproßachsen  die  Mazeration  zwar 
unumgänglich  ist,  daß  aber  die  sorgfältig  ausgeführten  Serien 
von  Längs-  und  Querschnitten  ein  sehr  wichtiges  Hilfsmittel  bei 
der  Erforschung  des  Gefäßbündelverlaufes  darbieten.  Vermittels 
dieser  kombinierten  Untersuchung  wird  man  in  den  Stand  ge- 
setzt, auch  in  sehr  feinen  Sproßachsen  die  Anordnung  der 
Gefäßbündel  ohne  Unterbrechung  zu  verfolgen  und  das  Gesamt- 
bild des  Gefäßbündelnetzes  genau  darzulegen. 

Meine  Untersuchungen  habe  ich  an  den  Stengeln  von 
achtzehn  Arten,  welche  dreizehn  Gattungen  angehören,  aus- 
geführt. Die  meisten  dieser  Arten  sind  einjährige  Pflanzen;  von 
perennierenden  Arten  habe  ich  Thladiantha  dubia  Bunge, 
Bryonia  dioica  Jacq.,  Bryonia  alba  L.  und  Cucurbita  perennis 
A.  Gray  untersucht. 

An  dem  Querschnitte  des  kantigen  Stengels  einer  Cucur- 
bitaceenart  —  nur  Ecballium  Elaterium  A.  Rieh,  bildet  hier 
eine  Ausnahme  —  befinden  sich,  im  Grundparenchym  ein- 
gebettet, zwei  konzentrische  Bündelkreise.  Die  Anzahl  der 
Gefaßbündel  eines  jeden  Bündelkreises  entspricht  gewöhnlich  der 
Anzahl  der  Stengelkanten,  wobei  die  Bündel  des  äußeren  Kreises 
kantenständig  sind,  die  des  inneren  Kreises  dagegen  den 
Furchen  entsprechen. 

Mit  Ausnahme  der  Art  Bryonia  alba  L.,  wo  der  Stengel 
sieben  Kanten  besitzt,  sind  alle  anderen  von  mir  untersuchten 
Cucurbitaceenstengel  fünfkantig.  Die  allgemeine  Regel,  nach 
welcher  die  Bündel  des  inneren,  sowie  des  äußeren  Bündel- 
kreises mit  den  Stengelkanten  gleichzählig  sein  sollen,  weist  in 
einzelnen  Arten  Ausnahmen  auf,  welche  bei  derselben  Art  sich 
stetig  wiederholen.  In  gewissen  Arten  verschwindet  ein  Bündel 
des  äußeren,  oder  auch  des  inneren  Bündelkreises  so,  daß  die 
Anzahl  der  Bündel  um  eins  kleiner  ist,  als  die  Zahl  der  Stengel- 
kanten, z.  B.  bei  Bryonia  dioica  L.  Bei  manchen  Arten  dagegen 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  27 

besitzt  der  innere  Bündelkreis  bei  fünf  Bündeln  des  äußeren 
Kreises  nur  drei  stark  entwickelte  Bündel  im  inneren  Kreise; 
die  zwei  anderen  Bündel  dieses  Kreises  sind  sehr  schwach  und 
bilden  nur  einfache  Siebröhrenbündel,  welche  keinen  Gefäßteil 
aufweisen,  wie  z.  B.  Cyclanihera  explodens  Naud.,  Luffa 
acutangula  Roxb. 

In  einzelnen  Arten  befinden  sich  bei  der  regelmäßigen 
Zusammensetzung  der  Bündelkreise  einzelne  überzählige 
Bündel  bald  nur  im  inneren,  bald  auch  im  äußeren  Bündelkreise, 
wie  bei  Lagenaria  vulgaris  Ser.  In  der  Art  Cucurbita  perennis 
A.  Gray  ist  die  Anzahl  der  überzähligen  Bündel  so  groß,  daß 
man  anstatt  zweier  Bündelkreise  am  Querschnitte  des  Siengels 
einen  fünfstrahligen  Bündelstern  beobachtet,  welcher  durch  die 
Vermittlung  der  überzähligen  Bündel,  die  zwischen  den  Bündeln 
des  inneren  und  des  äußeren  Bündelkreises  erscheinen,  ent- 
standen ist.  Endlich  sind  bei  Ecballium  Elateriutn  A.  Rieh,  die 
Gelaßbündel  der  beiden  Kreise  zwischen  einander  eingeschoben, 
daß  man  am  Querschnitte  des  Stengels  nur  einen  Bündelkreis 
beobachtet. 

Beginnt  man  bei  der  Schilderung  des  Gefaßbündelverlaufes 
der  Cucurbitaceen  mit  dem  einfachsten  Stengelbau,  in  welchem 
die  geringste  Anzahl  der  Gefäßbündel  beobachtet  wird,  so 
lassen  sich  nach  der  Zahl  der  Bündel  und  nach  der  Anordnung 
derselben  mehrere  Typen  unterscheiden,  die  zwar  im  all- 
gemeinen große  Verwandtschaft  aufweisen,  die  sich  aber  durch 
die  Einzelheiten  von  einander  sehr  unterscheiden.  Alle  von  mir 
untersuchten  Arten  lassen  sich  in  folgende  Typen   einteilen. 

I.  In  dem  fünfkantigen  Stengel  enthält  sowohl  der  äußere 
als  auch  der  innere  Bündelring  je  vier  asymmetrisch  verteilte 
Gefäßbündel.  Von  den  äußeren  Bündeln  sind  nur  drei  kanten- 
ständig, das  vierte  liegt  in  der  Furche  des  Stengels  Bryonia 
dioica  Jacq. 

II.  Der  äußere  Bündelring  besteht  aus  fünf  schwächeren, 
kantenständigen  Gefäßbündeln;  im  inneren  Bündelringe  be- 
finden sich  vier  ungleich  starke,  asymmetrisch  verteilte  Gefäß- 
bündel. Hieher  gehören:  Thladiantha  dubia  Bunge,  Cucumis 
sativus  L. 


28  F.  Tondera, 

III.  Im  äußeren  Bündelkreise  finden  sich  fünf  schwächere, 
kantenständige  Bündel  vor.  Der  innere  Bündelring  umfaßt  fünf 
Bündel  von  ungleicher  Stärke:  drei  Gefäßbündel  sind  stark, 
bikollateral  und  asymmetrisch  angeordnet,  zwei  übrige  dagegen 
sind  sehr  schwach  entwickelt  und  bestehen  nur  aus  Sieb- 
röhrenbündeln. Die  meisten  von  mir  untersuchten  Arten  weisen 
den  Bau  dieses  Typus  auf,  z.  B.  Cyclanthera  pedata  Schrad., 
Benincasa  cerifera  Sa  vi,  Trichosanthes  colubrina  Jacq.,  Luffa 
acutangula  Roxb.,  Sicyos  angulata  L.  und  viele  andere. 

Einige  Abweichungen  von  diesem  Typus  weisen  die  Arten: 
Cucumis  meto  L.,  Trichosanthes palmata  Roxb.,  und  Lagenaria 
vulgaris  Ser.  auf.  Im  allgemeinen  stimmt  aber  ihr  Stengelbau 
mit  dem  typischen  überein. 

IV.  Am  Stengelquerschnitte  findet  man  fünf  stark  ent- 
wickelte, kantenständige  Bündel  des  äußeren  Kreises  und  sechs 
—  ein  Bündel  spaltet  sich  gewöhnlich  in  zwei  schwächere  — 
furchenständige  Gefäßbündel  des  inneren  Kreises.  Zwischen 
den  alternierenden  Bündeln  des  inneren  und  des  äußeren 
Kreises  erscheint  aber  eine  Menge  überzähliger  Bündel  von 
verschiedener  Stärke,  welche  bewirken,  daß  im  Grundparenchym 
des  Stengels  aus  allen  Bündeln  das  Bild  eines  fünfstrahligen 
Sternes  entsteht.   Hieher  gehört   Cucurbita  per ennis  A.  Gray. 

V.  Stengel  siebenkantig  mit  zwei  konzentrischen  Bündel- 
kreisen. Die  sieben  äußeren  Bündel  sind  kantenständig  und  stark 
entwickelt;  die  Bündel  des  inneren  Ringes  sind  von  verschiedener 
Stärke,  jedoch  alle  bedeutend  mächtiger,  als  die  des  äußeren 
Ringes.  Im  Marke  erscheinen  zuweilen,  besonders  in  stärkeren 
Stengelgliedern,  überzählige  Siebröhrenbündel.  Diesen  Stengel- 
bau findet  man  bei  Bryonia  alba  L. 

VI.  Stengel  glatt,  stielrund,  ohne  Kanten.  Die  fünf  inneren 
und  fünf  äußeren  Bündel  stehen  abwechselnd  in  einem  Kreise; 
einige  der  inneren  Gefäßbündel  spalten  sich  stellenweise  in 
zwei  oder  sogar  drei  nebenläufige  Bündel:  Ecballium  Elaterium 
A.  Rieh. 

Bei  der  Erörterung  des  Gefäßbündelverlaufes  der  auf- 
gezählten Typen  wählte  ich  für  jeden  Typus  eine  Art,  deren 
Stengelquerschnitt  und  Gefaßbündelverlauf  abgebildet  sind,  um 
Bn   derselben   die  Anordnung  der  Gefäßbündel  genau  darzu- 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  29 

legen.  Diese  Arten,  welche  in  ihrem  Baue  mit  der  Beschreibung 
der  typischen  Art  übereinstimmen,  werden  als  solche  angeführt. 
Diejenigen  Arten  dagegen,  in  welchen  die  einzelnen  Bündel 
eine  Abweichung  in  ihrem  Verlaufe  aufweisen,  werden,  falls 
diese  Abweichungen  als  normal  und  konstant  angenommen 
werden  müssen,  eine  besondere  Erklärung  finden. 

Bryonia  dioica  Jacq. 

Im  fünfkantigen,  an  den  Kanten  abgerundeten  Stengel 
dieser  Art  findet  man  unter  der  einschichtigen  Epidermis  an 
den  Stengelkanten  abgeflachte  Kollenchymstränge  (Taf.  I,  Fig.  8, 
S.);  zwischen  den  Stengelkanten  erscheinen  im  chlorophyll- 
haltigen  Rindenparenchym  stellenweise  einzelne  Kollenchym- 
platten,  welche  mitunter,  besonders  in  alten  Stengelgliedern,  zu 
einer  geschlossenen  Kollenchymzone  zusammenschmelzen 
können.  Die  chlorophyllhaltige  primäre  Rinde  schließt  gegen 
den  Zentralzylinder  mit  einer  oder  zwei  Zellschichten,  deren 
große  Zellen  reich  an  Stärkekörnern  sind,  der  Stärkescheide. 
Diese  grenzt  von  der  Innenseite  an  den  aus  mehreren  Schichten 
Sklerenchymfasern  zusammengesetzten,  nicht  immer  geschlos- 
senen Skierenchymring.  Der  ganze  innere  Raum  ist  mit  groß- 
zelligem Parenchym  gefüllt,  in  welchem  die  bikollateralen 
Gefäßbündel  scheinbar  unregelmäßig  zerstreut  liegen,  bei 
genauer  Beobachtung  aber  in  zwei  Bündelringe  zu  vier  Bündeln 
angeordnet  erscheinen.  Von  den  Bündeln  des  äußeren  Ringes 
stehen  zwei  an  den  Kanten  des  Stengeis,  zwei  andere  weichen 
von  dieser  Stellung  so  ab,  daß  alle  vier  Bündel  ein  asym- 
metrisches Viereck  bilden. 

Diese  bikollateralen  Gefäßbündel  setzen  sich  aus  einem 
äußeren  und  einem  inneren  Siebteile,  zwischen  weichen  der 
schwach  entwickelte  Gefäßteil  sich  befindet,  zusammen.  Eine 
Cambiumschichte  kommt  in  diesen  Bündeln  nicht  vor.  Der  äußere 
Siebteil  ist  bedeutend  größer  als  der  innere  und  enthält  mehrere 
große  Siebröhren,  die  mit  Geleitzellen  versehen  im  Cribral- 
parenchym  eingebettet  sind.  Am  äußeren  Rande  des  Siebteiles 
befinden  sich  zahlreiche  Cribralprimanen.  Der  innere  Siebteil 
weist  an  seiner  Peripherie  vorwiegend  Cribralparenchym  auf. 


30  F.  Tondera, 

Im  Gefäßteile  beobachtet  man  einige  schmale,  ringförmig 
und  schraubenförmig  verdickte  Gefaßtracheiden  und  Gefäße, 
die  im  dünnwandigen  Vasalparenchym  eingeschlossen  sind. 
Die  vier  inneren  Gefäßbündel  sind  bedeutend  stärker  und 
weisen  am  Querschnitte  eine  breitere  Gestalt  auf,  da  ihr  Gefäß- 
teil den  größten  Raum  im  Bündel  einnimmt.  Sie  sind,  ähnlich 
wie  die  Bündel  des  äußeren  Bündelkreises,  am  Stengelquer- 
schnitte asymmetrisch  verteilt,  unterscheiden  sich  auch  von- 
einander durch  ihre  ungleiche  Größe.  Von  diesen  Bündeln 
stehen  die  drei  größeren  an  den  Ecken  eines  beinahe  gleich- 
schenkligen Dreieckes,  das  vierte,  sehr  schwach  entwickelte 
Bündel  nimmt  die  Lage  des  fehlenden  Bündels  des  äußeren 
Kreises  ein. 

Im  Gefäßteile  der  größeren  Bündel  des  inneren  Bündel- 
kreises beobachtet  man  zunächst  an  der  inneren  Grenze  sehr 
schmale,  englumige,  im  Vasalparenchym  eingeschlossene,  ring- 
förmig verdickte  Tracheiden;  nach  außen  findet  man  ringförmig 
und  schraubenförmig  verdickte  Gefäße,  denen  sehr  weitlumige, 
behöft  getüpfelte  Gefäße  folgen.  Die  größten  Gefäße  grenzen  an 
den  äußeren  Siebteil,  in  welchem  zahlreiche  Siebröhren  mit 
ihren  Geleitzellen  im  Cribralparenchym  eingebettet  stehen. 
Gegen  den  Rand  des  Siebteiles  findet  man  vorwiegend  das 
Cribralparenchym,  an  der  Peripherie  selbst  aber  bemerkt  man 
eine  Reihe  von  Siebröhrenerstlingen. 

Ungefähr  dieselbe  Zusammensetzung  weist  der  innere 
Siebteil  auf,  mit  dem  Unterschiede,  daß  derselbe  kleiner  ist  und 
vornehmlich  aus  dem  Cribralparenchym  besteht,  die  Siebröhren 
dagegen  nur  in  geringer  Anzahl  sich  darin  vorfinden. 

Im  Inneren  des  Markes  kommt  zuweilen  in  älteren  Stengeln 
ein  lysigenischer  Hohlraum  vor,  wie  er  auch  bei  vielen  anderen 
Cucurbitaceenarten  beobachtet  wird. 

Um  den  Gefäßbündelverlauf  mit  seinen  Anastomosen  in 
den  Stengelknoten  übersichtlich  darlegen  zu  können,  muß  man 
zunächst  den  Verlauf  der  einzelnen  Gefäßbündel  von  ihrer 
Ursprungstelle  bis  an  ihren  Ausgang  verfolgen.  Faßt  man  nach- 
her die  bis  nun  gesondert  betrachteten  Bündel,  die  den  Stengel 
der  Länge  nach  durchziehen,  als  ein  Ganzes  zusammen,  und 
ergänzt   man    den    Längsverlauf  mit   den   Anastomosen   und 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  31 

Kommissuren,  durch  welche  die  Bündel  in  den  Stengelknoten 
mit  einander  verbunden  sind,  so  kommt  das  Gesamtbild  des 
Gefaßbündelverlaufes  genau  zum  Vorschein. 

An  dem  Querschnitte  des  Blattstieles  von  Bryonia  dioica 
beobachtet  man  mehrere,  an  der  Unterseite  stärkere,  oben 
schwächere  Gefaßbündel,  welche,  kreisförmig  angeordnet,  in 
das  Parenchym  eingebettet  sind.  An  der  Ansatzstelle  des  Blatt- 
stieles vereinigen  sich  die  Bündel  durch  Anastomosen  in  einen 
Ring,  aus  dessen  unteren  Bögen  drei  Blattspurstränge  in  das 
Parenchym  des  Stengels  eintreten.  Sie  verlaufen  an  den 
Kanten  des  Stengels,  jedenfalls  an  der  Innenseite  des  Skleren- 
chymringes  (Taf.  I,  Fig.  2,  a,  b>  c). 

Verfolgt  man  den  Verlauf  der  einzelnen  Blattspurstränge 
von  ihrer  Einbiegungsstelle  in  den  Stengel  bis  an  die  Ansatz- 
stelle an  den  Anastomosen  des  inneren  Bündelkreises,  so 
kommt  man  zum  Schlüsse,  daß  am  Querschnitte  eines  beliebigen 
Stengelgliedes  drei  Blattspurstränge  des  nächstoberen  Blattes 
und  ein  Strang  des  zweitoberen  Blattes  durchschnitten  sind. 
Der  Medianstrang  (Taf.  I,  Fig.  2,  b)  steigt  nur  durch  ein  Stengel- 
glied nach  unten  und  setzt  sich  im  nächstunteren  Stengelknoten 
mittels  zweier  schräger  Kommissuren  an  die  nebenläufigen, 
markständigen  Gefaßbündel  1  und  2  des  inneren  Bündelkreises 
an.  Am  oberen  Ende  gabelt  sich  der  Medianstrang  in  drei 
Schenkel,  deren  mittlerer  in  dem  Blattstiele  verschwindet,  die 
beiden  seitlichen  dagegen  mit  den  seitlichen  Strängen  a  und  c 
sich  verbinden. 

Die  beiden  seitlichen  Blattspurstränge  a,  c  bilden  insoferne 
einen  einzigen  Strang,  daß  das  Gefaßbündel  a,  welches  als 
linker  lateraler  Strang  ein  Stengelglied  durchsetzt  und  sich  im 
nächstoberen  Knoten  mit  dem  Medianstrange  durch  eine  Ana- 
stomose verbindet,  noch  in  das  nächstobere  Stengelglied  hinauf- 
steigt und  als  Bündel  c  den  rechten  Lateralstrang  des  zweit- 
oberen Blattes  ausmacht.  Der  linke  Lateralstrang  des  unteren 
Blattes  wird  demzufolge  zum  rechten  Lateralstrange  des  nächst- 
oberen Blattes.  Man  kann  daher  die  zwei  Blattspurstränge  in 
den  unteren  Stengelgliedern  als  vereintläufig  betrachten. 

Im  ganzen  steigt  der  Lateralstrang  a!  a  c  durch  drei  Inter- 
nodien  nach  abwärts.  Von  der  Ansatzstelle  des  Blattstieles,  wo 


32  F.  Tondera, 

er  mittels  der  Kommissur  mit  dem  Medianstrange  verbunden  ist, 
geht  er  als  rechter  seitlicher  Blattspurstrang  c  durch  ein  Stengel- 
glied nach  abwärts,  verbindet  sich  im  nächstunteren  Stengel- 
knoten durch  eine  kurze  Kommissur  mit  dem  Bündel  2  des 
inneren  Bündelkreises,  außerdem  durch  eine  bogenartige 
Kommissur  mit  dem  Medianstrange  des  Blattes;  durch  zweit- 
unteres Stengelglied  verlauft  dieses  Bündel  als  linker  seitlicher 
Blattspurstrang  a  zum  zweitunteren  Stengelknoten,  wo  es  sich 
durch  zwei  schräge  Kommissuren  mit  der  Queranastomose  des 
inneren  Bündelringes  in  Verbindung  setzt,  steigt  noch  durch 
das  drittuntere  Stengelglied  als  Blattspurstrang  a!  nach  unten, 
um  sich  im  drittunteren  Stengelknoten  an  das  Gefäßbündei  2 
des  inneren  Kreises  seitlich  anzusetzen. 

Beobachtet  man  näher  den  Gefäßbündelverlauf  des  inneren 
Bündelkreises,  so  bemerkt  man  bald,  daß  an  der  Entwicklung 
der  Achselorgane  x,yy  z  eines  jeden  Stengelknotens  sich  nur 
zwei  größere  Gefäßbündel  beteiligen,  nämlich  die  zwei  am  Quer- 
schnitte nebeneinander  liegenden  großen  Gefäßbündel  1  und  2. 
Das  Gefäßbündei  2  entspringt  im  zweitunteren  Stengelknoten 
als  Bündel  2'  aus  der  Queranastomose  der  unteren  Gefäßbündel; 
die  miteinander  bogenartig  anastomosierenden  Schenkel  sind 
die  nach  der  Entstehung  der  Achselorgane,  sowie  der 
horizontalen  Queranastomosen  zurückgebliebenen  Teile  der 
Gefäßbündel  1  und  2.  Das  Bündel  2'  wird  im  nächstfolgenden 
oberen  Stengelknoten  durch  Queranastomose  verstärkt,  durch- 
setzt als  das  stärkste  Gefäßbündel  2  das  folgende  Stengelglied 
und  liefert  im  zweitoberen  Knoten,  in  Verbindung  mit  dem 
seitlichen  Zweige  des  Bündels  1,  drei  Seitenorgane,  nämlich: 
die  seitwärts  links  ausbiegende  Ranke  x,  den  vegetativen  Sproß 
y  und  die  aus  der  Vereinigung  mit  dem  aus  dem  Gefäßbündel  2 
entstandenen  Bündelzweige  rechts  erscheinende  Blüte  z. 

Der  untere  Teil  des  Gefäßbündels  1  entspringt  als 
schwaches  Bündel  l'aus  der  vom  Gefäßbündel  1  sich  horizontal 
abzweigenden  Queranastomose.  Dieses  Bündel  wird  im  höheren 
Stengelknoten  durch  die  Verbindung  mit  der  vom  Gefäßbündel  2 
stammenden  Anastomose  bedeutend  verstärkt,  steigt  noch  durch 
ein  Stengelglied  aufwärts  und  spaltet  sich  im  nächstfolgenden 
Stengelknoten  in  drei  Arme,  deren  einer  die  Blüte  z  liefert,  der 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  33 

zweite  eine  bogenförmige  Anastomose  mit  dem  Gefäßbündel  2 
bildet,  der  dritte  als  Queranastomose  im  Gefäßbündel  2'  ver- 
schwindet. 

Es  leuchtet  demnach  ein»  daß  an  einem  Stengelquerschnitte 
vom  inneren  Bündelkreise  die  drei  starken  Gefäßbündel  1,  2,  2' 
und  das  schwache  Bündel  1'  durchschnitten  werden. 

Betrachtet  man  nun  das  Gesamtbild  des  Gefäßbündelnetzes 
in  zwei  einander  nachfolgenden  Stengelknoten  und  dem 
dazwischen  liegenden  Stengelglied,  so  treten  uns  zunächst  die 
Queranastomosen  entgegen.  Sie  bilden  die  Übergangsglieder 
zwischen  den  stärksten  Gefäßbündeln  des  unteren  und  des 
oberen  Internodiums.  In  jedem  Stengelknoten  sind  nämlich  die 
zwei  Bündel  des  inneren  Bündelkreises  1  und  2  die  tätigsten. 
Verfolgt  man  ihren  Verlauf,  so  bemerkt  man,  daß  sie  zunächst 
durch  das  untere  Stengelglied  dicht  nebeneinander  aufwärts 
laufen  und  jedes  derselben  sich  im  nächsten  Stengelknoten  in 
drei  Äste  spaltet.  Aus  den  bogenartig  oben  sich  vereinigenden 
Asten  entsteht  das  Bündel  2'  des  oberen  Stengelgliedes;  die 
nach  einwärts  abweichenden  Verzweigungen  liefern  die  Seiten- 
organe: die  Ranke  x,  den  vegetativen  Sproß  y  und  die  Blüte  z; 
vermittels  der  stärksten  Äste  dagegen,  die  horizontal  als  Ana- 
stomosen verlaufen,  werden  die  ungefähr  gegenüber  stehenden 
Gefäßbündel  1  und  2  verstärkt.  Diese  verstärkten  Gefäßbündel 
übernehmen  im  nächstoberen  Stengelgliede  die  Rolle  der 
Bündel  1  und  2  des  unteren  Stengelgliedes.  Außerdem  entsteht 
ein  neues  schwaches  Gefäßbündel  1'  an  der  horizontalen  Ana- 
stomose des  Bündels  1. 

Von  den  Gefäßbündeln  des  äußeren  Kreises  gehen  die 
Blattspurstränge  b  und  c  in  den  Blattstiel  über;  das  Bündel  a 
verstärkt  dieselben  durch  eine  Seitenanastomose,  steigt  aber 
selbst  um  ein  Stengelglied  aufwärts,  um  als  Bündel  c  im  nächst- 
folgenden Blatte  zu  verschwinden. 

In  allen  Stengelexemplaren  von  Bryonia  dioica,  die  mir  zur 
Verfügung  standen,  habe  ich  den  eben  geschilderten  Gefaß- 
bündelverlauf gefunden.  Es  scheint  aber,  daß  gewisse  ältere 
Stengelglieder  am  Querschnitte  einen  regelmäßigeren  Bau, 
welcher  dem  unten  zu  beschreibenden  Stengelbaue  von  Cyclan- 
thera  pedata  entspricht,  haben  mögen.  Besonders  auf  Grund  der 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  3 


34  F.  Tondera, 

genauen  Übereinstimmung  des  beschriebenen  Gefäßbündel- 
verlaufes mit  dem  Verlaufe  einzelner  Gefaßbündel  in  dem 
Stengel  der  Art  Cyclanthera  pedata  kann  man  die  Vermutung 
hegen,  daß  die  Gefäßbündelanordnung  von  Bryonia  dioica  nur 
eine  einfachere  Form  des  Typus  der  Cyclanthera  pedata  dar- 
stellt, die  durch  Verkümmerung  eines  äußeren  und  eines  inneren 
Bündels  entstanden  ist.  Diese  Vermutung  wird  auch  durch  den 
von  Lotar  beschriebenen  und  abgebildeten  Stengelquerschnitt 
bestätigt,  an  welchem  fünf  äußere  und  fünf  innere  Gefaßbündel 
dargestellt  sind. l 

Cucumis  sativus  L. 

Am  Querschnitte  des  Stengels  von  Cucumis  sativus  finden 
sich  fünf  unregelmäßig  verteilte  und  ungleiche  Kanten  vor;  drei 
Kanten  sind  stumpf  abgerundet  und  weit  voneinander  entfernt 
(Taf.  II,  Fig.  1),  zwei  dagegen  sind  näher  gerückt  und  durch 
eine  tiefe  Furche  getrennt.  Den  vier  flachen  Furchen  entsprechen 
vier  asymmetrisch  gestellte  große  Gefäßbündel  des  inneren 
Bündelkreises;  an  den  Kanten  befinden  sich  fünf  schwächere 
Bündel  des  äußeren  Bündelringes.  Da  der  Verlauf  und  die 
Anastomosen  der  Gefäßbündel  des  inneren  Kreises  denen  von 
Bryonia  dioica  ungefähr  analog  sind  (Taf.  II,  Fig.  2),  sehen  wir 
von  der  Beschreibung  ihres  Verlaufes  vorläufig  ab.  Es  kommt 
nur  darauf  an,  den  Verlauf  und  die  Kommissuren  der  Gefäß- 
bündel des  äußeren  Kreises  oder  der  Blattspurstränge  zu 
ermitteln. 

Aus  jedem  Blattstiele  steigen  drei  Blattspurstränge  in  den 
Stengel,  nachdem  sie  sich  an  der  Ansatzstelle  des  Blattes  durch 
Anastomosen  miteinander  verbunden  hatten.  Der  Medianstrang 
b  V  durchsetzt  zwei  Stengelglieder  nach  unten  und  schließt 
sich  im  zweitunteren  Knoten  seitlich  an  die  Anastomose  des 
Gefäßbündels  1,  welche  dieses  Bündel  mit  dem  Gefaßbündel  2' 
verbindet.  Der  linke  seitliche  Blattspurstrang  a  bildet  die 
Verlängerung  des  Stranges  a',  welcher  den  rechten  Lateralstrang 
des  nächstunteren  Blattes  darstellt.  Der  Blattspurstrang  a!  geht 


1  H.  A.  Lotar,  Essai  sur  l'Anatomie  comparee  etc.,  S.  26. 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  35 

durch  ein  Stengelglied  nach  unten,  verbindet  sich  mittels 
Kommissuren  mit  der  Queranastomose  des  unteren  Stengel- 
knotens, durchsetzt  noch  ein  Internodium  als  Blattspur- 
strang an  und  legt  sich  seitlich  an  die  Bogenanastomose  des 
Bündels  2  an.1 

Vergleicht  man  nun  den  Gefaßbündelverlauf  mit  dem  Quer- 
schnitte des  Stengels,  so  fällt  sofort  auf,  daß  an  einem  Stengel- 
querschnitte dieselben  Gefaßbündel  zweimal,  ja  sogar  dreimal 
durchschnitten  werden,  je  nachdem  diese  Bündel  durch  zwei 
oder  drei  Stengelglieder  nach  unten  steigen.  Es  treten  nämlich 
im  Stengel  zwei  Gefaßbündel  des  inneren  Kreises  1  und  2,  deren 
untere  Verlängerung  die  Bündel  \'  und  2'  bilden,  und  zwei 
Gefaßbündel  des  äußeren  Kreises  a  und  b  auf.  Da  der  Blattspur- 
strang a  durch  drei  Stengelglieder  nach  unten  steigt,  findet  man 
ihn  am  Stengelquerschnitte  in  drei  Punkten  als  ay  a\  an.  Der 
Strang  b  durchsetzt  zwei  Stengelglieder,  findet  sich  daher  am 
Querschnitte  als  b  und  V  vor. 

Der  Unterschied  zwischen  dem  Gefäßbündelnetze  von 
Bryonia  dioica  und  Cucumis  sativus  besteht  darin,  daß  in  der 
ersten  Art  der  Blattspurstrang  V  verschwindet;  im  inneren  Kreise 
dagegen  ist  das  Bündel  V  der  Art  Bryonia  dioica  bedeutend 
schwächer  als  das  Bündel  1,  was  bei  Cucumis  sativus  nicht 
vorkommt;  außerdem  hat  das  Bündel  V  in  Cucumis  sativus 
seine  Ansatzstelle  an  der  Verlängerung  des  Bündels  1,  in 
Bryonia  dioica  ist  dagegen  dieser  Ansatzpunkt  auf  die  Quer- 
anastomose des  Bündels  1  übertragen. 

Der  bei  Cucumis  sativus  geschilderte  Gefäßbündelverlauf 
findet  sich  auch  bei  Thladiantha  dubia  Bunge  vor,  mit  dem 
Unterschiede,  daß  der  Blattspurstrang  a  mit  seinem  oberen 
Ende  nicht  an  die  Queranastomose  des  Bündels  1  sich  ansetzt, 
sondern  sich  an  den  nebenläufigen  Blattspurstrang  a"  anlegt, 
um  als  rechter  seitlicher  Blattspurstrang  des  nächstoberen 
Blattes  noch  ein  Stengelglied  zu  durchsetzen. 


*  Die  Angabe  De  Bary's  (vergl.  Anat.,  S.  249),  daß  die  Stränge  der 
dreisträngigen  Blattspur  mit  der  1  und  2  verschränktläufig  seien,  ist,  wie  aus 
der  Figur  ersichtlich,  irrtümlich. 

3* 


36  F.  Tondera, 


Cyclanthera  pedata  Schrad. 

Dieser  Typus  umfaßt  die  meisten  Arten,  welche  ich  auf  den 
Gefäßbündelverlauf  untersucht  habe.  Hiehergehören:  Benincasa 
cerifera  Savi,  Coccinia  indica  W.  &  A.,  Cyclanthera  explodens 
Naud.,  Luffa  acutangula  Roxb.,  Momordica  Charantia  L., 
Sicyos  angulata  L.,  Trichosanthes  colubrina  Jacq.,  Tricho- 
santes  palmata  Roxb.,  Cucumis  melo  L.  und  Lagenaria 
vulgaris  Ser.  Die  drei  letzteren  Arten,  welche  in  den  Einzelheiten 
ihrer  Gefäßbündelanordnung  gewisse  Abweichungen  von  dem 
typischen  Bau  darbieten,  werden  nachträglich  besonders 
besprochen  werden. 

An  dem  Querschnitte  des  Stengels  von  Cyclanthera  pedata 
beobachtet  man  an  den  Stengelkanten  fünf  mächtige  Kollen- 
chymbündel  (Taf.  I,  Fig.  1,  s).  An  das  chlorophyllhaltige  Paren- 
chym  grenzt  der  mehrschichtige  Sklerenchymring  r,  welcher  in 
jungen  Stengelgliedern  einen  geschlossenen  Kreis  bildet,  in 
ausgewachsenen  Stengelgliedern  dagegen  an  den  Stellen 
zwischen  den  Gefäßbündeln  sich  auflöst  und  nur  aus  Stücken, 
die  über  den  Gefäßbündeln  liegen,  besteht.  In  dem  großzelligen 
Grundparenchym  finden  sich  zehn  in  zwei  Bündelkreisen  ange- 
ordnete Gefäßbündel  vor.  Die  bikollateralen  Gefäßbündel  des 
äußeren  Kreises  besitzen  alle  ungefähr  dieselbe  Entwicklung; 
die  Bündel  des  inneren  Ringes  unterscheiden  sich  vielfach 
voneinander  durch  ihre  Stärke  und  ihren  Bau.  In  der  Regel 
besitzen  die  drei  großen  Gefäßbündel  1,  2,  1'  den  gleichen 
bikollateralen  anatomischen  Bau  und  gleiche  Entwicklung; 
ganz  anders  verhalten  sich  die  zwei  schwächeren  Bündel  2' 
und  2",  welche  die  untere  Verlängerung  des  bikollateralen 
Bündels  2  bilden. 

Was  den  anatomischen  Bau  der  letztgenannten  Bündel 
anbelangt,  nimmt  man  bei  den  Arten  dieses  Typus  eine  große 
Verschiedenheit  wahr;  sie  sind  manchmal  sogar  bei  derselben 
Art,  je  nach  dem  Alter  des  Stengelgliedes,  veränderlich. 

Im  einfachsten  Falle  enthalten  diese  Bündel  auch  in  den 
ältesten  Stengelgliedern  nur  Siebteile,  sie  bilden  somit  die 
isolierten  Siebröhrenbündel,  welche  im  drittoberen  Stengelgliede 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  37 

zu  gewöhnlichen  bikollateralen  Bündeln  sich  umgestalten. 
Solche  Bündel  kommen  in  den  Arten:  Coccinia  indica  W.  &  A., 
Trichosanthes colubrina  Jacq.,  Sicyos  angulata  L.  und  Cyclan- 
tkera  explodens  Naud.  vor. 

In  anderen  Arten  erscheinen  in  jungen  Stengelgliedern  in 
diesen  Bündeln  nur  Siebteile,  sie  bekommen  aber  in  älteren 
Internodien  an  ihren  Innenseiten  ein  oder  einige  Gefäße,  bilden 
sich  daher  in  kollaterale  Bündel  um.  Sie  unterscheiden  sich  von 
den  bikollateralen  Bündeln  des  inneren  Kreises  nicht  nur  durch 
den  einfachen  kollateralen  Bau,  sondern  auch  durch  die 
Abwesenheit  der  englumigen  Gefaßtracheiden,  welche  jedenfalls 
in  den  bikollateralen  Bündeln  vorhanden  sind.  Solche  Bündel 
beobachtet  man  in  den  Arten:  Momordica  Charantia  L.,  Luffa 
acutangula  Roxb.,  Cyclanthera  pedata  Schrad. 

Endlich  gehören  diesem  Typus  auch  Arten  an,  in  welchen 
alle  fünf  Bündel  des  inneren  Bündelkreises  einen  ungefähr 
gleichen  bikollateralen  Bau  aufweisen,  z.  B.  die  Arten:  Benin- 
casa  cerifera  Savi,   Cucurbita  Pepo  L.  und  Cucumis  ntelo  L. 

Der  äußere  Bündelring  von  Cyclanthera  pedata  enthält 
fünf  Blattspurstränge,  die  von  den  oberen  drei  Blättern  herab- 
steigen ;  a,  b,  a!  gehören  als  dreisträngige  Blattspur  dem  nächst- 
oberen Blatte  an,  af,  V,  a11  biegen  im  zweitoberen  Stengelknoten 
in  den  Blattstiel  aus,  a"  bildet  noch  eine  Verlängerung  als 
rechter  seitlicher  Blattspurstrang  in  das  drittobere  Blatt,  in 
dessen  Basis  er  verschwindet. 

Von  den  Bündeln  des  inneren  Kreises  finden  die  Gefäß- 
bündel 1  und  2  in  dem  nächstoberen  Stengelknoten  in  den 
seitlichen  Achselorganen  ihren  teil  weisen  Abschluß;  das  Gefaß- 
bündel V  und  das  kollaterale  Bündel  2'  verlängern  sich  in  das 
obere  Stengelglied,  wo  sie  als  bikollaterale  Bündel  1  und  2 
auftreten  und  im  zweiten  Stengelknoten  die  seitlichen  Organe 
liefern.  Das  kollaterale  Bündel  2"  gehört  als  späteres  Bündel  2 
dem  drittoberen  Stengelknoten  an. 

Der  Verlauf  und  die  Anastomosen  der  einzelnen  Gefaß- 
bündel bieten  keinen  bedeutenden  Unterschied  von  dem  Verlaufe 
und  den  Anastomosen  der  Gefäßbündel  in  der  Art  Cucumis 
sativus.  Man  muß  dennoch  zunächst  die  einzelnen  Bündel  ins 
Auge  fassen  und  ihren  Verlauf  von  dem  Eintritte  in  den  Stengel 


38  F.  Tondera, 

bis  an  die  Ansatzstelle  an  den  Anastomosen  genau  verfolgen, 
wenn  man  eine  klare  Übersicht  des  ganzen  Bündelnetzes 
erlangen  will. 

Bei  der  Beobachtung  der  Bündel  des  äußeren  Bündelringes 
bemerkt  man,  daß  alle  diese  Bündel  Blattspurstränge  sind.  Der 
mediane  Strang  verlauft  durch  zwei  Stengelglieder,  die  lateralen 
Blattspurstränge  steigen  durch  drei  Internodien  nach  abwärts. 

Der  mittlere  Blattspurstrang  b  tritt  in  den  Stengel  durch  die 
Mitte  des  Querbogens,  welcher  aus  den  Anastomosen  an  der 
Ansatzstelle  des  Blattes  entsteht.  Von  diesem  Punkte  steigt 
dieser  Strang  durch  ein  Stengelglied  hinab,  vereinigt  sich  durch 
Kommissuren  mit  der  Queranastomose  «,  verlauft  noch  ein 
Stengelglied  nach  abwärts  und  legt  sich  seitlich  an  den  bogen- 
artigen  Schenkel  /  des  Bündels  2  an. 

Die  lateralen  Blattspurstränge  a  und  a!  sind  für  je  zwei 
aufeinander  folgende  Blätter  gemeinschaftlich,  indem  der  rechte 
obere  Lateralstrang  die  Verlängerung  des  linken  unteren 
Lateralstranges  bildet. 

Verfolgt  man  den  Verlauf  des  Blattspurstranges  a,  so 
bemerkt  man,  daß  er  als  rechter  seitlicher  Strang  ein  Stengel- 
glied durchsetzt  und  sich  im  unteren  Stengelknoten  mittels 
einer  einfachen  Kommissur  mit  der  Anastomose  m  verbindet. 
Unter  dem  Knoten  erscheint  an  diesem  Strange  eine  Abzwei- 
gung, welche  nach  der  rechten  Seite  ausbiegt  und  sich  als 
linker  Lateralstrang  mit  dem  medianen  Blattspurstrange  des 
unteren  Blattes  verbindet.  Nachher  zieht  er  als  linker  Blattspur- 
strang noch  durch  zwei  Stengelglieder  nach  unten  und  schließt 
sich  seitlich  dem  bogenartigen  Arm  5  des  Bündels  1  an.  Der 
untere  Teil  dieses  Blattspurstranges  gehört  somit  durch  zwei 
Stengelglieder  als  linker  Lateralstrang  dem  rechten  Blatte  an 
und  ist  mit  dem  linken  Lateralstrange  des  nächstoberen  Blattes 
vereintläufig. 

Die  Stränge  an  und  b'y  die  am  Querschnitte  sich  vorfinden, 
entsprechen  den  gleichnamigen  Blattspursträngen  des  hinteren 
Blattes. 

Von  den  Bündeln  des  inneren  Bündelkreises  sind  für  jeden 
Stengelknoten  die  Bündel  1  und  2  die  wichtigsten.  Das  Bündel 
1,  welches  im  z<veitunteren  Stengelknoten  als  Bündel  l7  aus 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  39 

der  Vereinigung  der  beiden  Schenkel  5  und  /  der  unteren 
Gefäßbündel  1  und  2  entstanden  ist,  verstärkt  sich  während 
seines  Verlaufes  im  mittleren  Stengelknoten  durch  die  Ana- 
stomose «;  es  steigt  noch  durch  ein  Stengelglied  nach  aufwärts 
und  spaltet  sich  im  nächstoberen  Stengelknoten  in  drei  große 
Zweige.  Der  nach  auswärts  ausbiegende  Zweig  teilt  sich  in 
drei  kleinere  Arme,  aus  welchen  die  drei  Seitenorgane  sich 
bilden:  x  die  links  ausbiegende  Ranke,  xf  der  vegetative  Seiten- 
sproß und  xf'  die  weibliche  Blüte.  Der  Arm  m  bildet  die  Quer- 
anastomose,  aus  welcher  das  Gefäßbündel  2  des  nächstoberen 
Stengelgliedes  hauptsächlich  entstanden  ist;  aus  dem  bogen- 
artigen  Arme  5  entsteht  in  Verbindung  mit  dem  Arme  /  das 
Gefaßbündel  1'  des  folgenden  Internodiums.  An  diesen  Arm 
setzt  sich  der  Blattspurstrang  a"  seitlich  an.  In  der  Ecke,  wo 
die  Zweige  m  und  5  zusammenkommen,  hat  das  Bündel  2  des 
drittoberen  Stengelgliedes  seinen  Ursprung  als  schwaches 
kollaterales  Bündel  2". 

Das  mit  dem  Bündel  1  nebenläufige  Bündel  2,  dessen 
Ursprungsstelle  eben  angegeben  worden  ist,  geht  durch  drei 
Stengeiglieder  und  zwar  in  den  zwei  unteren  Internodien  als 
kollaterales  Bündel  2"  und  2';  vor  dem  Eintritte  in  das  dritte 
Stengelglied  wird  dieses  Bündel  durch  die  Anastomose  m 
verstärkt,  steigt  als  mächtiges  bikollaterales  Gefäßbündel  durch 
das  dritte  Internodium  nach  oben  und  teilt  sich  im  nächsten 
Stengeiknoten  in  drei  Äste.  Der  Ast  t  steigt  bogenartig  nach  auf- 
wärts, um  in  Verbindung  mit  dem  Arme  5  das  Bündel  1'  zu 
bilden;  der  zweite  hxmy  liefert  den  männlichen  Blütenstand; 
der  dritte  Schenkel  n  tritt  als  Anastomose  zwischen  dem  Bündel 
2  und  dem  Bündel  1  des  nächstoberen  Stengelgliedes  auf.  Die 
anderen  Bündel  2'  und  2",  die  am  Querschnitte  sich  vorfinden, 
gehören  den  gleichnamigen  Teilen  der  Bündel  an,  die  in  höheren 
Stengelknoten  ihren  Abschluß  finden. 

Aus  dieser  Darlegung  ersieht  man,  daß  in  jedem  Stengel- 
knoten die  zwei  Bündel  des  inneren  Bündelkreises  1  und  2  die 
tätigsten  sind,  indem  aus  denselben  alle  achselständigen  Seiten- 
organe ihren  Ursprung  nehmen;  der  Überschuß  derselben  wird 
teilweise  zur  Bildung  der  Bündel  des  oberen  Stengelgliedes  1' 
und  2,  teilweise  zur  Verstärkung  des  Bündels   1  verwendet 


40  F.  Tondera. 

Die  Bündel  1  und  2  übernehmen  dieselbe  Tätigkeit  im  folgenden 
Stengelknoten. 

Den  eben  dargelegten  Gefäßbündelverlauf  weisen  die 
meisten  von  mir  untersuchten  Arten  dieses  Typus  auf.  Die 
Abweichungen,  die  in  einzelnen,  oben  erwähnten  Arten  vor- 
kommen, betreffen  hauptsächlich  die  Bündelstücke  2'  und  2", 
d.  h.  die  untere  Verlängerung  des  Bündels  2.  Dieses  Bündel  ist 
nämlich  in  dem  unteren  Teile  vorwiegend  ein  Siebröhrenbündel, 
welches  keinen  Gefäßteil  besitzt.  Es  kommt  aber  in  gewissen 
Arten  vor,  daß  entweder  das  Stück  2/,  oder  aber  2'  und  2"  zu 
kollateralen  Bündeln  sich  umgestalten,  d.  h.  an  ihrer  Innen- 
seite von  einem  Gefaßbündel  begleitet  werden,  z.  B.  in  den 
Arten:  Momordica  Ckarantia,  Luffa  acutangula,  Cyclanihera 
pedctia  (Taf.  I,  Fig.  1,  2',  2"). 

In  den  Arten  Benincasa  cerifera  und  Cucurbita  Pepo x  sind 
die  genannten  Bündelstücke  sehr  stark  entwickelt  und  den  drei 
anderen  Gefäßbündeln  des  inneren  Bündelringes  beinahe  gleich 
(Taf.  I,  Fig.  7). 

In  den  Stengeln  von  Cucumis  tnelo  ist  dagegen  mitunter 
ein  Bündel  des  inneren  Bündelkreises  in  zwei  sehr  schwache 
nebenläufige  Bündel  gespalten. 

Auf  dem  Querschnitte  des  Stengels  von  Lagenaria  vulgaris 
(Taf.  II,  Fig.  5)  beobachtet  man  zwischen  den  Bündeln  1  und  2' 
des  inneren  Bündelringes  ein  sehr  schwaches  Siebbündelchen  «, 
welches  an  der  Anastomose  zwischen  den  Bündeln  2'  und  1 
seinen  Ursprung  nimmt  (Taf.  II,  Fig.  7,  5)  und  nur  ein  Stengel- 
glied durchsetzt,  um  an  der  Anastomose  des  folgenden  Stengel- 
knotens zu  verschwinden. * 

Das  Gefäßbündelsystem  von  Coccinia  indica  stimmt  in  den 
meisten  untersuchten  Stengelgliedern  mit  dem  typischen  Bau 
überein  (Taf.  V,  Fig.  4).  Es  kommen  aber  auch  einzelne 
Exemplare  vor,  an  deren  Querschnitte  nur  vier  äußere  und  vier 
innere  Gefäßbündel  erscheinen,  oder  fünf  äußere  und  vier  innere 
Bündel  sich  vorfinden.  In  diesen  Fällen  entspricht  der  Gefäß- 


1  Vergl.  Dutailly,  Recherches  anatomiques  et  organogeniques  sur  los 
Cucurbitacees,  Taf.  I,  Fig.  7. 

H.  A.  Lotar,  Essai  sur  Vanatomie  comparee  etc.,  S.  60. 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  41 

bündel  verlauf  von  Coccinia  inäica  den  zwei  zuerst  geschilderten 
Typen.  Auf  Grund  dieser  Erscheinung  kann  man  auch  der 
Vermutung  beistimmen,  daß  die  Typen  mit  vier  inneren  Bündeln 
durch  Verkümmerung  eines  Gefäßbündels  entstanden  sind,  daß 
daher  die  Gefäßbündelanordnung  mit  zwei  Bündelkreisen  zu 
fünf  Bündeln  als  das  Ursprüngliche  und  Maßgebende  in  der 
Familie  der  Cucurbitaceen  anzunehmen  ist. 

Als  eine  besondere  Abart  in  der  Anordnung  der  Gefäß- 
bündel dieses  Typus,  deren  Eigentümlichkeiten  konstant  sind, 
ist  noch  das  Gefaßbündelsystem  von  Trichosanthes  palmata 
anzuführen.  Man  beobachtet  in  dieser  Art  Abweichungen 
sowohl  in  dem  äußeren  wie  in  dem  inneren  Bündelkreise. 

Im  äußeren  Bündelringe  ist  der  Verlauf  der  seitlichen  Blatt- 
spurstränge a  und  V1  (Taf.  III,  Fig.  3)  insoferne  auffallend,  daß 
beide  Lateralstränge  von  der  Ansatzstelle  ihres  Blattes  aufwärts 
steigen,  wobei  V1  zwei  Stengelglieder,  a  sogar  drei  Stengel- 
glieder durchsetzt,  um  nachher  als  Medianstrang  in  das  höher 
liegende  Blatt  auszubiegen. 

Unter  den  Bündeln  des  inneren  Ringes  beobachtet  man, 
daß  das  Bündel  V  nicht  aus  der  Vereinigung  der  Bogenana- 
stomosen  5  und  /  seinen  Ursprung  nimmt,  sondern  eine  gerade 
Verlängerung  des  Bündels  2  ausmacht.  An  der  Steile  dagegen, 
wo  sich  die  Bogenanastomosen  verbinden,  entsteht  ein 
schwaches  Bündel  des  äußeren  Bündelkreises. 

Es  leuchtet  ein,  daß,  wenngleich  der  Stengelquerschnitt 
von  Trichosanthes  palmata  (Taf.  IV,  Fig.  6)  dem  Querschnitte 
von  Cyclanthera  pedata  ungefähr  gleichkommt,  die  an  beiden 
Querschnitten  beobachteten  Bündel  nicht  analog  sind. 

Cucurbita  perennis  A.  G  r ay. 

An  dem  Querschnitte  des  fünfkantigen,  an  den  Kanten 
abgerundeten  Stengels  von  Cucurbita  perennis  findet  man  unter 
der  Epidermis  beinahe  am  ganzen  Umfange  des  Stengels  breite 
Kollenchymplatten,  die  aber  niemals  in  einen  geschlossenen 
Kollenchymring  verschmelzen,  sondern  stellenweise  durch  das 
Rindenparenchym  unterbrochen  sind.  Dieses  Parenchym  bildet 
eine   an   der  Innenseite    der  Kollenchymplatten  ausgebreitete 


42  F.  Tondera, 

Zone,  welche  an  den  Sklerenchymring  (Taf.  V,Fig.  1,  r)  angrenzt. 
In  der  Umgebung  des  Sklerenchymringes,  besonders  aber  in 
dem  Parenchym  an  dessen  Innenseite,  finden  sich  zahlreiche,  im 
späteren  Alter  der  Stengelglieder  obliterierte,  isolierte  Sieb- 
röhren vor,  die  das  Grundparenchym  in  allen  Richtungen  durch- 
setzen. Solche  Bündel  hat  Fischer  in  der  Art  Cucurbita  Pepo 
genau  untersucht  und  ebenfalls  in  der  Nähe  des  Sklerenchym- 
ringes in  großer  Anzahl  nachgewiesen. 

Im  Grundparenchym  des  Stengels  beobachtet  man  am 
Querschnitte  einen  fünfstrahligen  Stern.  Das  Bild  dieses  Sternes 
wird  durch  eine  im  Zickzack  laufende  Linie  hervorgerufen, 
welche  aus  Gefäßbündelquerschnitten,  die  reihenweise  an- 
geordnet sind,  besteht  (Taf.  V,  Fig.  1).  An  den  inneren  und 
äußeren  Ecken  dieser  gebrochenen  Linie  befinden  sich  die 
stärksten  Gefäßbündel;  die  geraden  Linienstücke  enthalten 
gegen  außen  kleinere,  gegen  innen  größere  Gefäßbündel.  Mit 
Ausnahme  der  kleinsten  Bündel  (Taf.  V,  Fig.  1,  1),  die  neben 
den  äußersten  Bündeln  verlaufen  und  isolierte  Siebbündel  dar- 
stellen, sind  alle  Bündel  bikollateral.  Mitunter  bemerkt  man 
querverlaufende  Siebröhren,  welche  die  äußersten  Gefäßbündel 
untereinander  oder  auch  mit  dem  entokyklischen  Siebbündel- 
systeme verbinden. 

Wie  bei  den  meisten  Cucurbitaceenarten,  die  einen  fünf- 
kantigen Stengelbau  aufweisen,  unterscheidet  man  bei  Cucur- 
bita perennis  fünf  äußere:  a8,  7,  ß,  a'8',  Y  Gefaßbündel,  deren 
einzelne  sich  in  zwei  nebenläufige  Bündel  (a8,  a'8')  spalten 
können.  Dasselbe  bemerkt  man  an  den  inneren  Bündeln:  aa\  c, 
e,  bVy  äy  unter  welchen  die  Bündel  aa\  bV  doppelt  erscheinen. 
Von  den  Bündeln  des  inneren  Bündelringes  spalten  sich 
gewöhnlich  diejenigen  in  zwei  nebenläufige  Bündel,  welche  in 
den  nächstoberen  Stengelknoten  an  der  Bildung  der  Achsel- 
organe sich  beteiligen. 

Der  Verlauf  und  die  Anastomosen  der  Gefäßbündel  sind  an 
der  Taf.  V,  Fig.  2  übersichtlich  dargestellt.  Die  zwei  neben- 
läufigen Bündel  des  inneren  Bündelkreises  bV,  die  an  der  Quer- 
anastomose  m  ihren  Ursprung  nehmen,  steigen  durch  zwei 
Stengelglieder  nach  oben,anastomosieren  als  Bündel  aa!  in  dem 
zweitoberen  Stengelknoten  miteinander  und  mit  dem  Bündel  8 


Gefaßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  43 

des  äußeren  Bündelringes  und  bilden  die  Achselorgane.  Aus 
dem  Bündel  a!  entspringt  ein  nach  auswärts  ausbiegender 
Bündelarm,  der  sich  sofort  in  drei  Zweige  spaltet.  Der  mittlere 
Zweige  bildet  den  vegetativen  Seitensproß,  an  welchem  zur 
Rechten  die  Blüte  z,  zur  Linken  die  Ranke  x  entspringt.  In  die 
Ranke  biegt  auch  ein  Teil  des  äußeren  Bündels  a  aus.  Aus  dem- 
selben Gefäßbündel  entspringt  auch  das  Bündel  des  äußeren 
Kreises  a';  aus  der  Anastomose,  welche  die  Bündel  a  und  a! 
verbindet,  nimmt  das  mit  a!  nebenläufige  Bündel  87  seinen 
Ursprung.  Das  Bündel  a  setzt  nach  der  Anastomose  seinen 
Verlauf  nach  oben  als  Bündel  e  fort,  anastomosiert  im  nächsten 
Stengelknoten  mit  dem  Gefäßbündel  c,  steigt  noch  durch  vier 
Stengelglieder  als  Bündel  dy  c,  b,  a  nach  oben,  um  im  fünften 
Stengeiknoten  die  ursprüngliche  Rolle  zu  übernehmen.  Ähn- 
lichen Verlauf  weisen  die  übrigen  Gefäßbündel  des  inneren 
Bündelringes  auf. 

Die  Blattspurstränge  bieten  einen  einfacheren  Verlauf  dar. 
Der  rechte  Blattspurstrang  des  zweitoberen  Blattes  aa'  und  der 
linke  Blattspurstrang  des  erstoberen  Blattes  besitzen  eine 
gemeinschaftliche  Ursprungsstelle  an  der  Queranastomose  der 
Gefößbündel  a  und  a\  Der  mittlere  Blattspurstrang  y'y  setzt  sich 
an  die  untere  Anastomose  der  Gefaßbündel  b  d  an,  zieht  durch 
zwei  Stengelglieder  nach  oben  und  verbindet  sich  mit  den 
Lateralsträngen  a,  ß  durch  bogenartige  Kommissuren,  an  welche 
die  zahlreichen  Gefäßbündel  des  Blattstieles  sich  anschließen 
(auf  der  Zeichnung  Taf.V,  Fig.2  sind  diese  Bündel  weggelassen). 
Was  die  übrigen  bikollateralen  Gefäßbündel  sowie  Sieb- 
bündel anbelangt,  die  den  Raum  zwischen  den  Bündeln  des 
inneren  und  des  äußeren  Bündelkreises  erfüllen,  sind  dieselben 
als  überzählige  oder  Nebenbündel  zu  betrachten.  Ihr  Ursprung 
ist  immer  an  der  Anastomose  m  zu  finden;  sie  setzen  sich  nach 
dem  Verlaufe  von  vier  Stengelgliedern  an  die  Anastomose  n  an 
und  beteiligen  sich  derart  an  der  Bildung  der  Achselorgane. 

Bryonia  alba  L. 
Der  Stengel  dieser  perennierenden  Art  unterscheidet  sich 
von  anderen  Cucurbitaceenstengeln  dadurch,  daß  er  nicht  fünf-, 
sondern  siebenkantig  ist  (Taf.  III,  Fig.  2).  Die  Kanten  weisen 


44  F.  Tondera, 

zwar  eine  ungleiche  Entwicklung  auf,  die  Untersuchung  des 
inneren  Stengelbaues  liefert  aber  den  Beweis,  daß  alle  Stengel- 
kanten gleichwertig  sind. 

Am  Umfange  des  Stengels  beobachtet  man  unter  der 
Epidermis  breite  Kollenchymplatten  (S,s),  deren  Mächtigkeit  an 
den  Stengelkanten  die  auffallendste  ist.  Das  chlorophyllhaltige 
Rindenparenchym  ist  von  dem  Sklerenchymring  durch  eine 
zweischichtige  Stärkeschicht  getrennt.  Die  Zellen  des  Grund- 
parenchyms  sind  auch  in  alten  Stengelgliedern  mit  Stärke- 
körnern gefüllt  so,  daß  alle  Gefäßbündel  im  stärkehaltigen 
Grundparenchym  eingebettet  sind.  Der  äußere  Gefäßbündelring 
umfaßt  sieben  kantenständige,  bikollaterale  gleichgroße  Gefaß- 
bündel; die  sieben  Bündel  des  inneren  Ringes  unterscheiden 
sich  von  einander  durch  ihre  Größe.  Die  Gefäßbündel  nämlich, 
aus  welchen  im  nächstoberen  Stengelknoten  die  achselständigen 
Seitenorgane  entspringen,  erscheinen  immer  als  die  mächtigsten 
am  Querschnitte  des  Stengels.  Im  Inneren  des  Markes  älterer 
Stengelglieder  beobachtet  man  einige  markständige  Siebbündel 
(Taf.  III,  Fig.  2,  d). 

Die  Blattspur  ist  in  der  Art  Bryonia  alba  immer  drei- 
strängig,  der  Verlauf  der  Blattspurstränge  kurz  und  einfach. 
Der  linke  Lateralstrang  a  steigt  durch  drei  Stengelglieder,  der 
Medianstrang  b  und  der  rechte  seitliche  Strang  c  durch  zwei 
Stengelglieder  hinab  und  schließen  sich  den  Anastomosen  des 
drittunteren,  respektive  des  zweitunteren  Stengelknotens  an. 
Der  linke  Lateralstrang  geht  mithin  (Taf.  III,  Fig.  1,  a)  von  der 
Ansatzstelle  des  Blattes  als  das  Bündel  a  durch  ein  Stengel- 
glied nach  unten,  verbindet  sich  durch  schräge  Kommissuren 
mit  den  Bündeln  3  und  5  neben  der  Anastomose  m,  zieht  als 
Bündel  a!  und  an  noch  durch  zwei  Internodien  nach  abwärts, 
und  setzt  sich  an  die  Anastomose  m  an.  Der  Medianstrang  geht 
als  b  und  bf  durch  zwei  Stengelglieder  nach  unten  und  schließt 
sich  der  Anastomose  n  dicht  neben  der  Verzweigungsstelle 
des  Bündels  5  an.  Der  rechte  Lateralstrang  c  vereinigt  sich 
durch  Kommissuren  im  nächstunteren  Stengelknoten  mit  der 
Anastomose  w,  steigt  als  Bündel  d  durch  das  zweituntere 
Stengelglied  und  legt  sich  seitwärts  an  die  bogenartige 
Anastomose  des  Bündels  7  an. 


Geräßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  45 

Um  den  Verlauf  der  Gefäßbündel  des  inneren  Bündel- 
kreises genau  verfolgen  zu  können,  muß  man  mit  dem  Gefäß- 
bündel 6  beginnen.  Dieses  Bündel  entsteht  an  dem  Vereinigungs- 
punkte y  der  zwei  bogenförmigen  Anastomosen  der  Bündel  5 
und  7;  es  zieht  durch  ein  Stengelglied  nach  oben,  wird  durch 
die  Anastomose  n,  die  vom  Bündel  5  ausgeht,  im  nächsten 
Stengelknoten  verstärkt,  steigt  noch  durch  ein  Stengelglied  nach 
oben  und  teilt  sich  im  zweitoberen  Knoten  in  vier  ungleiche 
Äste  ein.  Der  stärkste  dieser  Äste  steigt  als  Bündel  1  nach  auf- 
wärts; der  rechte  Ast  m  bildet  die  Anastomose  mit  zwei  benach- 
barten Gefaßbündeln  und  dient  hauptsächlich  zur  Verstärkung 
des  Bündels  5;  der  linke  bogenartig  aufsteigende  Schenkel 
trägt  zur  Bildung  des  oberen  Bündels  6  bei,  der  nach  auswärts 
ausbiegende  Arm  gabelt  sich  in  zwei  schwächere  Bündel  z  und 
y.  Das  Bündel  z  versieht  die  un verzweigte  Ranke,  das  Bündel^ 
vereinigt  sich  mit  der  gleichnamigen  Abzweigung  des  Bündels 
5  und  bildet  den  vegetativen  Sproß. 

Beobachtet  man  den  Verlauf  des  Bündels  1,  welches  die 
Verlängerung  des  Bündels  7  ausmacht,  so  bemerkt  man,  daß 
dasselbe  als  Bündel  1,  2,  3,  4,  5  fünf  aufeinander  folgende 
Stengelglieder  durchlaufen  muß,  um  im  fünftoberen  Stengel- 
knoten als  das  Bündel  5  an  der  Verästelung  des  Stengels  teil- 
zunehmen. Dabei  gabelt  sich  dieses  Bündel  in  drei  Arme.  Der 
mächtigste  teilt  sich  wieder  in  zwei  kleinere  x  und  y;  x  ver- 
schwindet in  dem  Blutenstände,  y  vereinigt  sich  mit  dem 
entsprechenden  Zweige  des  Bündels  7  und  biegt  in  den  oben 
erwähnten  vegetativen  Achselsproß  aus.  Die  aufsteigende 
Anastomose  bildet  den  Ursprung  des  Bündels  6,  die  horizontale 
Anastomose  n  verstärkt  das  Bündel  7  des  oberen  Stengelgliedes. 

Aus  der  Gefäßbündelanordnung  ersieht  man  leicht,  daß  die 
Blattstelhing  der  Art  Bryonia  alba  der  Divergenz  8/7  entspricht. 
Diese  Blattstelhing  findet  sich  bei  keiner  anderen  von  mir 
untersuchten  Art  vor;  demgemäß  findet  man  einen  analogen 
Gefäßbündel  verlauf  in  keiner  anderen  Cucurbitaceenart. 

Ecballium  Elaterium  A.  Rieh. 

In  allen  bisher  beschriebenen  Arten  trat  uns  ein  kantiger 
Stengel  entgegen;  die  Zahl  der  Blattspurstränge,    sowie   die 


46  F.  Tondera, 

Zahl  der  Bündel  des  inneren  Bündelringes  richtete  sich  vor- 
wiegend nach  der  Zahl  der  Stengelkanten.  In  der  Art  Cucurbita 
perennis  sind  zahlreiche  Gefäßbündel  in  einem  fünfstrahligen 
Stern  angeordnet.  In  allen  diesen  Fällen  sind  demnach  alle 
Gefäßbündel,  ohne  Unterschied,  ob  sie  dem  äußeren  oder  dem 
inneren  Bündelkreise  angehören,  in  einem  der  Stengeloberfläche 
parallelen  Gürtel  zusammengestellt.  Bei  Ecballium  Elaterium 
nimmt  man  einen  stielrunden  Stengel  wahr;  demzufolge  sind 
alle  Gefäßbündel  in  einem  einzigen  Kreis  angeordnet.  Dessen- 
ungeachtet lassen  sich  die  Blattspurstränge  von  den  Gefäß- 
bündeln, die  dem  inneren  Bündelkreise  entsprechen,  genau 
nach  ihrer  Größe  und  Funktion  unterscheiden. 

Der  bikollaterale  Bau  der  Gefäßbündel  von  Ecballium 
Elaterium  weist  aber  einen  Unterschied  vom  anatomischen 
Bau  der  übrigen  Cucurbitaceenbündel  auf.  An  den  Gefäßbündeln 
beobachtet  man  hier  nämlich  einen  mächtigen  äußeren  Sieb- 
teil und  einen  großen  Gefäßteil;  der  innere  Siebteil  ist  dagegen 
auffallend  klein  und  besteht  aus  Cribralparenchym  und  Cribral- 
primanen  am  Rande  des  Siebteiles.  Je  breiter  der  Gefaßteil, 
desto  kleiner  der  innere,  desto  größer  der  äußere  Siebteil.  Da 
die  Bündel  von  Ecballium  Elaterium  nahe  nebeneinander 
stehen,  kann  man  annehmen,  daß  der  innere  Siebteil  nur  in 
diesem  Falle  sich  ausbilden  kann,  wenn  zwischen  den  einzelnen 
Bündeln  ein  genügender  Raum  für  das  Grundparenchym  hinter- 
bleibt. Zwar  ist  das  Vorhandensein  der  inneren  Siebbündel 
in  bikollateralen  Bündeln  nicht  durch  das  Grundparenchym  be- 
dingt, wohl  aber  durch  die  isolierten  Siebbündel,  welche  in 
diesem  Parenchym  als  Kommissuren  eingebettet  sind  und  die 
Eiweißströmung  zwischen  der  Rinde  und  den  Siebröhren  des 
inneren  Siebteiles  vermitteln.  Diese  Annahme  wird  durch  die 
Untersuchungen  Fischer* s  an  den  Stengeln  von  Cucurbita  Pepo 
bestätigt. x  Umgekehrt  muß  man  daraus  folgern,  daß  in  allen 
Fällen,  wo  in  dem  Stengel  bikollaterale  Gefäßbündel  vorhanden 
sind,  auch  die  isolierten  Siebbündel  als  Kommissuren  sich  auf- 
finden lassen  müssen.  Am  Querschnitte  des  stielrunden  Stengels 


1  Dr.  A.  Fischer,    Untersuchungen    über    das    Siebröhrensystem    der 
Cucurbitaceen,  Taf.  VI,  Fig.  1,  8,  10,  14. 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  47 

von  Ecballium  Elaterium  beobachtet  man  unter  der  Epidermis 
das  rundzellige,chlorophyllhaltigeRindenparenchym,  welches  an 
den  einschichtigen,  stellenweise  unterbrochenen  Sklerenchym- 
ring  (Taf.  V,  Fig.  6,  r)  angrenzt.  Das  Rindenparenchym,  welches 
an  der  inneren  Seite  des  Sklerenchymringes  liegt,  besitzt  sehr 
zahlreiche,  isolierte  Siebröhren;  dieselben  erscheinen  in  der 
Nähe  der  äußeren  Siebbündel  als  querverlaufende  Kommissuren. 
Die  bikollateralen  Bündel  erreichen  in  älteren  Stengelgliedern 
solche  Mächtigkeit,  daß  die  Zellen  des  dazwischenliegenden 
Grundparenchyms  durch  seitlichen  Druck  deformiert  sind. 

In  dem  Grundparenchym  des  Stengelquerschnittes  findet 
sich,  wie  oben  erwähnt,  nur  ein  Bündelkreis  vor.  Die  fünf 
stärkeren  Gefaßbündel  1,  2,  l7,  27,  277,  welche  den  Bündeln  des 
inneren  Bündelkreises  der  bisher  geschilderten  Arten  ent- 
sprechen, alternieren  mit  den  schwächer  entwickelten,  neben- 
läufigen Blattspursträngen  (a,  b,  c,  d,  e)  Das  Bündel  27  (Taf.  V, 
Fig.  7)  spaltet  sich  während  des  Verlaufes  durch  das  Stengel- 
glied in  drei  oder  vier  nebenläufige  Bündel,  die  sich  vor  dem 
oberen  und  unteren  Stengelknoten  vereinigen,  so  daß  man  im 
Knoten  nur  ein  mächtiges  Bündel  findet.  Dieselbe  Erscheinung 
tritt  auch  im  Bündel  l7  auf  mit  dem  Unterschiede,  daß  die 
schmalen  nebenläufigen  Bündel  durch  zwei  Internodien  getrennt 
verlaufen  und  erst  in  der  unteren  Hälfte  als  Bündel  2  vereint- 
läufig sind. 

Die  seitlichen  Sprosse  nehmen  ihren  Ursprung  aus  den 
Bündeln  l7  und  27;  diese  Gefaßbündel  verbinden  sich  im 
Stengelknoten  mit  den  Gefaßbündeln  1  und  2/7  durch  Quer- 
anastomosen.  An  den  Blattspursträngen  finden  sich  die 
Kommissuren  nur  am  unteren  Teile  des  rechten  seitlichen  Blatt- 
spurstranges vor,  und  verbinden  denselben  mit  den  neben- 
läufigen Bündeln  1'  und  2'7. 

Die  Blattspur  ist  dreisträngig  und  umfaßt  in  jedem  Stengel- 
knoten die  drei  schmalen  Bündel,  welche  neben  den  Bündeln 
r  und  27  verlaufen.  Vor  dem  Eintritte  in  den  Blattstiel  vereinigen 
sich  die  drei  Blattspurstränge  durch  bogenförmige  Kommissuren, 
aus  welchen  die  Bündel  des  Blattstieles  entspringen. 

Der  linke  Lateralstrang  steigt  noch  durch  ein  Stengelglied 
nachoben,umim  nächstoberen  Stengelknoten  als  rechter  Lateral- 


48  F.  Tondera, 

sträng  in  den  Blattstiel  einzutreten.  An  die  Stelle  des  medianen 
und  des  rechten  Blattspurstranges,  welche  sich  in  das  obere 
Stengelglied  nicht  verlängern,  treten  zwei  neue  Bündel  auf:  der 
mediane  Blattspurstrang  des  zweitoberen  Blattes,  welcher  aus 
der  Anastomose  m  zwischen  den  Bündeln  2  und  2"  entspringt, 
und  der  linkje  seitliche  Blattspurstrang  des  genannten  Blattes, 
welcher  aus  dem  unteren  Teile  des  Bündels  1  seinen  Ursprung 
nimmt. 

Bei  der  Beobachtung  des  Gefaßbündelverlaufes  fällt  der 
Umstand  auf,  daß,  wenngleich  die  Blattspuren  in  demselben 
Bündelringe  mit  den  markständigen  Bündein  abwechselnd 
angeordnet  sind,  der  Verlauf  derselben  jedoch  dem  Verlaufe 
der  Bündel  des  äußeren  Ringes  anderer  Arten  analog  ist;  die 
Ansatzstellen  der  Blattspurstränge  an  den  anastomosierenden 
größeren  Gefäßbündeln,  sowie  die  Kommissuren,  mittels  deren 
sich  dieselben  mit  den  Queranastomosen  verbinden,  entsprechen, 
soweit  sie  vorhanden  sind,  den  bei  dem  Typus  der  Cyclanthera 
pedata  dargelegten  Verhältnissen. 

Die  untersten  Stengelglieder. 

Die  bisher  erörterten  Gefäßbündelsysteme  finden  sich  in 
allen  vollkommen  ausgewachsenen  Stengelgliedern  der  ge- 
schilderten Arten  vor;  die  untersten  Stengelglieder  weisen 
dagegen  verschiedene  Abweichungen  auf,  welche  bei  manchen 
Arten  in  konstante  Eigentümlichkeiten  übergehen  können. 

Mit  Ausnahme  des  hypokotylen  Gliedes  tritt  uns  an  den 
Querschnitten  der  meisten  Arten  schon  in  den  unteren 
Stengelgliedern  der  ungleich  pentamere  Stengelbau  entgegen; 
die  Blattstellung  entspricht  damals  der  Divergenz  2/s-  Ich  habe 
aber  unter  den  untersuchten  Arten  in  dieser  Hinsicht  Aus- 
nahmen angetroffen;  es  gibt  nämlich  Arten,  welche  in  den 
untersten  Stengelgliedern  einen  tetrameren  Stengelbau  besitzen, 
die  unteren  Laubblätter  sind  in  diesem  Falle  opponiert,  in  den 
aufeinanderfolgenden  Blattparen  alternierend.  Diese  Eigen- 
tümlichkeit wiederholt  sich  stetig  in  den  Arten:  Trichosanthes 
palmata,  Trichosanthes  colnbrina,  Momortica  Charanthia  und 
Cyclanthera   pedata.    Das   Gefäßbündelsystem    der   untersten 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  49 

Stengelglieder  und  Stengelknoten  der  genannten  Arten  habe 
ich  einer  eingehenden  Untersuchung  unterzogen  und  die 
Ergebnisse  dieser  Arbeit  will  ich  hier  wenigstens  an  der  Art 
Trichosanthes  palmaia  vorlegen.  Der  Übergang  von  der 
gegenständigen  Blattstellung  der  Kotyledonen  in  die  schrauben- 
ständige Anordnung  der  höheren  Laubblätter,  welcher  in  den 
meisten  Arten  schon  in  dem  Kotyledonarknoten  sich  vollzieht 
(Taf.  II,  Fig.  4),  erstreckt  sich  in  diesen  Arten  auf  einige 
Stengelglieder  und  bildet  in  einzelnen  Stengelknoten  be- 
merkenswerte Übergangsstadien. 


Trichosanthes  palmata  Roxb. 

Der  Querschnitt  des  hypokotylen  Stengelgliedes  weist 
zwei  Bündelringe  zu  sechs  Gefaßbündeln  auf.  Die  Gefäßbündel 
des  inneren  Ringes  sind  ungefähr  gleich  stark,  die  des  äußeren 
Ringes  sind  schwächer  und  bilden  die  Kotyledonarspuren.  Vor 
dem  Eintritte  in  die  Kotyledonen  verbindet  sich  jeder  Blatt- 
spurstrang mittels  schwacher  Kommissuren  mit  den  benach- 
barten Gefäßbündeln  des  inneren  Bündelringes.  In  den  Achseln 
der  Kotyledonen  treten  zwei  Seitensprosse  als  x,  x  auf,  die  aus 
den  Bündeln  3,  4  und  5,  6  entspringen. 

Unmittelbar  über  dem  Kotyledonarknoten  spalten  sich  die 
Bündel  1  und  2,  welche  ein  wenig  stärker  entwickelt  sind,  als 
die  übrigen  Gefäßbündel  des  inneren  Kreises,  in  zwei 
schwächere  Bündelzweige;  aus  je  einem  derselben  entspringt 
der  Blattspurstrang  a  und  b,  welcher  zum  Medianstrange  des 
ersten  Paares  der  Laubblätter  sich  umgestaltet.  Die  aus  der 
Gabelung  der  Bündel  1  und  2  entstandenen  Seitenzweige 
werden  durch  Anastomosen,  welche  von  den  Bündeln  3,  4 
und  5,  6  kommen,  verstärkt  und  bilden  sich  zu  vier  starken 
Gefaßbündeln  des  inneren  Bündelkreises  1',  1",  2',  2"  im 
epikotylen  Stengelglied  um. 

In  dem  ersten  Stengelknoten  bemerkt  man,  daß  nicht  in 
den  beiden  Blattachseln  der  opponierten  Laubblätter  y,  y, 
sondern  nur  neben  dem  Blatte  y  eine  schwache  Knospe  4/ 
sich  gebildet  hat;  daß  hiemit  bei  der  opponierten  Blattstellung 
die  zwei  gegenüberstehenden  Blätter  sich  ungleich  verhalten. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CX1I.  Bd.,  Abt.  I.  4 


50  F.  Tondera, 

In  dem  zweiten  Stengelknoten  befindet  sich  nur  ein  Blatt  y 
mit  der  Knospe  xf;\  das  zweite  Blatt,  welches  mit  dem  Blatte  v7' 
ein  opponiertes  Blätterpaar  bilden  sollte,  steht  in  dem  nächst- 
folgenden Stengelknoten  y"1.  Mari  beobachtet  hier  den  Über- 
gang aus  der  opponierten  Blattstellung  der  ersten  Laubblätter 
in  die  abwechselnd  zweizeilige  Anordnung  der  Blätter.  Das 
Blatt  y7  befindet  sich  aber  nicht  nur  in  ungleicher  Höhe  mit 
dem  Blatte  y",  sondern  es  zeigt  auch  eine  horizontale 
Abweichung  von  der  opponierten  Stellung,  was  durch  die 
Entstehung  des  neuen  Bündels  l7  und  des  Blattspurstranges  a" 
im  dritten  Stengelgliede  hervorgerufen  wird.  Diese  zwei  Bündel 
bewirken,  daß  der  tetramere  Stengelbau  des  epikotylen 
Stengelgliedes  in  einen  pentameren  Bau  übergeht,  wobei  die 
zweizeilig  abwechselnde  Blattstellung  in  eine  spiralige  Anord- 
nung der  Blätter  sich  umgestaltet. 

Im  fünften  Stengelgliede  beobachtet  man  endlich,  daß  die 
Bündel  des  inneren  Bündelringes  eine  ungleiche  Entwickelung 
aufweisen  und  daß  nur  die  Bündel  1;/,  37/  und  477  stark  ent- 
wickelt sind,  die  Bündel  277  und  5/7  dagegen  sehr  schwach 
ausgebildet  erscheinen.  Gleichzeitig  bemerkt  man,  daß  alle 
Gefaßbündel  mittels  stärkerer  Anastomosen  oder  wenigstens 
durch  schwache  Kommissuren  mit  einander  verbunden  sind. 

Bei  der  Beobachtung  des  Gefäßbündelsystems  der  übrigen 
Cucurbitaceen,  welche  keine  gegenständige  Blattstellung  in 
den  unteren  Stengelknoten  aufweisen,  wie  z.  B.  bei  Sicyos 
angulata  L.  findet  man  (Taf.  II,  Fig.  4),  daß  der  eben 
geschilderte  Übergang  aus  der  opponierten  Blattstellung  der 
Kotyledonen  in  die  spiralige  Anordnung  der  höheren  Laub- 
blätter sich  bereits  in  dem  Kotyledonarknoten  vollzieht.  Das 
erste  Primordialblatt  V  erscheint  damals  in  dem  Kotyledonar- 
knoten an  der  einen  Seite  der  Spalte,  welche  durch  die  breiten 
Kotyledonen  gebildet  ist  und  besitzt  in  seiner  Achsel  die 
Knospe  k.  Im  ersten  epikotylen  Stengelgliede  findet  man  schon 
den  ungleich  pentameren  Bau  des  Stengels. 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  51 


Rückblick  auf  den  Bauplan  des  Stengels  der  Cucurbitaceen. 

Sieht  man  von  den  verschiedenen  Einzelheiten  des 
Stengelbaues  der  geschilderten  Cucurbitaceen-Arten  ab  und 
faßt  man  nur  die  gemeinschaftlichen  Kennzeichen  des  Bündel- 
gerüstes zusammen,  so  bemerkt  man,  daß  der  allgemeine 
Bauplan  des  Stengels,  ungeachtet  der  vielen  Abweichungen, 
in  den  meisten  Arten  ungefähr  derselbe  ist. 

Um  diesen  Bauplan  genauer  kennen  zu  lernen,  muß  man 
zunächst  den  Stengelbau  des  Typus  der  Cyclanthera  pedata, 
welcher  die  meisten  Arten  umfaßt  und  mit  welchem  die  zwei 
ersten  Typen  im  wesentlichen  übereinstimmen,  einer  kritischen 
Untersuchung  unterziehen.  Bei  der  Beobachtung  des  Gefäß- 
bündelverlaufes fällt  nämlich  auf,  daß  in  jedem  Stengelgliede 
nur  die  drei  Gefaßbündel  1,  2,  l7,  (bei  Bryonia  dioica  1,  2,  27, 
bei  Cucumis  sativus  1,2,  l7)  die  wichtigste  Rolle  spielen,  wobei 
das  dritte  stark  entwickelte  Gefäßbündel  (l7,  21)  zuerst  im 
zweitoberen  Stengelknoten  zur  Bildung  der  Seitenorgane  bei- 
trägt. In  jedem  Stengelknoten  sind  hiemit  die  Gefäßbündel  l 
und  2  die  tätigsten,  da  aus  diesen  Gefaßbündeln  die  Seiten- 
organe ihren  Ursprung  nehmen,  nämlich:  der  schwach  ent- 
wickelte vegetative  Sproß  x'  mit  der  weiblichen  Blüte  od1  an 
der  rechten,  mit  der  Ranke  x  an  der  linken  Seite  aus  dem 
Bündel  l  und  der  männliche  Blütenstand  y  aus  dem  Bündel  2. 

Beobachtet  man  das  Äußere  eines  Knotens,  in  welchem 
alle  achselständigen  Seitenorgane  vollkommen  entwickelt  sind, 
so  bemerkt  man,1  daß  die  aus  einem  Stengelknoten  ent- 
springenden Organe  niemals  in  der  Achsel  des  Tragblattes 
stehen,  sondern  in  einer  Querreihe  zwischen  der  links  ent- 
springenden Ranke  und  dem  rechts  stehenden  Blatte  ange- 
ordnet sind.  Neben  der  Ranke  erscheint  der  vegetative  Sproß, 
aus  welchem  rechts  die  weibliche  Blüte  sich  abzweigt;  in  der 
Blattachsel  steht  nur  der  männliche  Blütenstand  y  (Taf.  I, 
Fig,4,  x,x?,x!\y). 


i  Vergl.  Engler  und  Prantl,  Die  natürlichen  Pflanzenfamilien,  IV.  Teil, 
5.  Abteilung,  Fig.  22,  S.  39. 

4* 


52  E.  Tondera, 

Diese  Organe  können  auch  in  verkehrter  Reihenfolge 
angeordnet  sein,  da  die  Grundspirale  an  den  Sprossen 
nächstfolgender  Ordnung  in  allen  Cucurbitaceen-Arten  gegen- 
läufig ist.1 

Daß  von  den  angeführten  Organen  nur  der  männliche 
Blütenstand  achselständig  ist,  geht  aus  diesem  Umstände  her- 
vor, daß  die  Spur  eines  jeden  Blattes  scheinbar  dreisträngig,  in 
der  Tat  aber  zweisträngig  ist,  und  zwar  gehören  einem  jeden 
Blatte  nur  die  zwei  Blattspurstränge  an,  welche  neben  dem 
Gefäßbündel  2  verlaufen  (Taf.  I,  Fig.  3,a,  b);  der  Strang  af 
gehört  dem  nächstoberen  Blatte  als  rechter  Lateralstrang  an 
und  ist  nur  durch  eine  Seitenanastomose  mit  dem  Strange  b 
verbunden.  Demzufolge  liegt  die  Insertionsstelle  des  Blattes 
vor  dem  Gefäßbündel  2,  nicht  aber  zwischen  den  Gefaß- 
bündeln 1  und  2. 

Diese  Anordnung  der  Seitenorgane  eines  Stengelknotens 
führt  zum  Schlüsse,  daß  dieselben  nicht  als  achselständige 
Sprosse  betrachtet  werden  dürfen,  weil  nur  der  männliche 
Blütenstand  achselständig  ist,  sondern  daß  der  vegetative 
Sproß  eines  jeden  Stengelknotens  die  Verlängerung  der  Haupt- 
achse ausmacht,  das  heißt  den  Hauptsproß  darstellt.  Dieser 
Hauptsproß  muß  aber  infolge  des  Verbrauches  seiner  Nahrungs- 
stoffe durch  die  an  demselben  wachsende  Frucht  verkümmern, 
oder  es  beschränkt  sich  sein  Wachstum  auf  einige  schwach 
entwickelte  Stengelglieder.  Die  Rolle  des  Hauptsprosses  über- 
nimmt im  folgenden  Stengelgliede  der  seitliche  Sproß,  aus 
dessen  Adventivknospe  der  achselständige  männliche  Blüten- 
stand entspringt. 

Diese  Annahme  wird  auch  durch  die  Richtung  jedes  fol- 
genden Stengelgliedes  bestätigt:  dasselbe  bildet  nämlich  bei 
den  frei  schwebenden  Stengeln  niemals  eine  Verlängerung  des 
unteren  Stengelgliedes,  sondern  weicht  unter  einem  stumpfen 
Winkel  von  der  Richtung  des  unteren  Stengelgliedes  ab,  was 
beweist,  daß  dies  keine  Hauptachse,  sondern  eine  Neben- 
achse ist. 


i  Vergl.  F.  Tondera,  Über  den  sympodialen  Bau  des  Stengels  von 
Sicyos  angulaia,  Taf.  I,  Fig.  1.  Sitzungsber.  d.  kais.  Akad  d.  Wiss.,  Bd.  CXI, 
Abt.  I. 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  53 

Eine  genaue  Beobachtung  des  weiteren  Verlaufes  der 
Gefäßbündel  1  und  2  führt  auch  zu  demselben  Schlüsse.  Wir 
haben  dargelegt,  daß  aus  denselben  in  jedem  Stengelknoten 
die  Seitenorgane  entstehen.  Der  Überschuß  dieser  Gefäßbündel 
schlägt  durch  die  Anastomosen  m  und  n  in  die  gegenüber- 
liegende Hälfte  des  Stengels  über,  um  die  Gefäßbündel  1' 
und  2'  zu  verstärken  und  zu  den  Gefäßbündeln  1  und  2  des 
folgenden  Stengelgliedes  umzubilden  (Taf.  V,  Fig.  5).  Aus 
diesen  Gefaßbündeln  nehmen  die  Seitenorgane  des  nächst- 
oberen Stengelknotens  ihren  Ursprung. 

Es  leuchtet  ein,  daß  der  Stengel  der  Cucurbitaceen  einen 
sympodialen  Bau  darbietet,  welcher  dem  des  Wickels 
(Cicinnus)  am  nächsten  steht,  demselben  aber  nicht  gleich- 
kommt, da  die  konsekutiven  Abzweigungen  nicht  zweizeilig 
rechts  und  links  erfolgen,  sondern  eine  Abweichung  in  hori- 
zontaler Richtung  aufweisen  und  mit  der  Divergenz  2/5  über- 
einstimmend einer  spiraligen  Anordnung  entsprechen. 

Die  Ranke  der  Cucurbitaceen. 

Neben  dem  Gefaßbündelverlauf  der  Cucurbitaceen  habe 
ich  auch  gelegentlich  das  Gefaßbündelsystem  der  Ranke  und 
der  Blätter  untersucht.  Was  den  morphologischen  Charakter 
der  Ranke  anbelangt,  hat  man  denselben  vielfach  zu  erklären 
versucht,  die  bisherigen  Deutungen  laufen  jedoch  erheblich 
auseinander.  Die  Überzeugung,  welche  heutzutage  vorwiegt 
und  welche  Dutailly1  geltend  gemacht  hat,  erklärt  diese 
Ranke  als  einen  beblätterten  Sproß;  besonders  aus  dem  ana- 
tomischen Baue  des  Rankenstieles,  welcher  dem  des  Stengels 
entsprechen  soll,2  hat  man  geschlossen,  daß  der  Rankenstiel 
einem  Stengel,  die  Verzweigungen  desselben  den  Blättern 
gleichzustellen  sind. 

Die  handförmige  Verzweigung  der  Ranken  der  meisten 
Cucurbitaceen  weist  jedoch  darauf  hin,  daß  man  hier  ganz 


1  M.  G.  Dutailly,  Recherches  anatomiques  et  organogeniques  sur  les 
Cucurbitacees,  S.  1. 

1  Dr.  A.  Fischer,  Untersuchungen  über  das  Siebröhrensystem  der 
Cucurbitaceen,  S.  71. 


54  F.  Tondera, 

einfach  mit  rankenförmig  metamorphosierten  Blättern  zu  tun 
hat  Außerdem  geben  die  Zeichnungen,  durch  welche  E.  G.  O. 
Müller1  die  Bedeutung  der  Ranke  der  Cucurbitaceen  zu 
erklären  sucht,  einen  vollständigen  Aufschluß  über  die  Natur 
derselben.  Man  ersieht  nämlich  aus  diesen  Zeichnungen,  daß 
die  Ranken  umgestaltete  Blätter  darstellen,  indem  sich  der  Blatt- 
stiel um  eine  Stütze  zu  wickeln  vermag  oder  umgekehrt,  am 
Rankenstiele  anstatt  der  Ranken  sich  eine  blattartige  Form 
entwickelt. 

Die  auf  dem  anatomischen  Bau  angeblich  begründete 
Vermutung,  daß  der  Rankenstiel  einen  Stengel  darstellt,  geht 
hauptsächlich  aus  dem  Umstände  hervor,  daß  in  dem  Ranken- 
stiel ein  geschlossener  Sklerenchymring  vorhanden  ist, 
wogegen  in  den  Blattstielen  nur  an  der  Außenseite  der  bikol- 
lateralen  Gefäßbündel  Sklerenchymsicheln  vorkommen. 

Meines  Erachtens  liefert  der  angeführte  Umstand  keinen 
untrüglichen  Beweis  dafür,  daß  der  Rankenstiel  einen  Stengel 
darstellen  soll.  In  allen  stengelartigen  Organen  der  Cucur- 
bitaceen finden  sich  nämlich  zwei  Bündelringe  vor:  im  äußeren 
sind  die  kantenständigen  Blattspurstränge  angeordnet,  der 
innere  Ring  umfaßt  erheblich  größere  markständige  Bündel. 

In  dem  Rankenstiele  beobachtet  man  dagegen  nur  einen 
Bündelring,  und  zwar  sind  es  kantenständige  Bündel  oder 
Blattspurstränge  (Taf.  I,  Fig.  2  ay  b).  Dasselbe  beobachtet  man 
am  Querschnitte  eines  Blattstieles  (Taf.  II,  Fig.  6).  Außer  der 
Anordnung  gestattet  auch  die  Entwickelung  der  Bündel  im 
Rankenstiele  über  die  morphologische  Bedeutung  der  Ranke 
zu  schließen.  Es  fällt  nämlich  bei  der  Beobachtung  der  Quer- 
schnitte sowohl  der  Rankenstiele,  als  auch  der  Blattstiele  auf, 
daß  die  untersten  Gefäßbündel  die  mächtigste  Entwickelung 
aufweisen;  gegen  die  obere  Hälfte  des  Organes  sind  sie  paar- 
weise immer  schwächer. 

Diese  Umstände  beweisen,  daß  der  Rankenstiel  ungeachtet 
der  veränderten  äußeren  Gestalt  dem  Blattstiele  analog 
gebaut  ist. 


i  Engler  und   Prantl,     Die    natürlichen  Pflanzenfamilien,    IV.   Teil, 
5.  Abt.,  S.  2. 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  55 

Was  den  Sklerenchymring  anbelangt,  ist  man  der  Ansicht, 
daß  derselbe  in  einem  Stengel  eine  ununterbrochene  Zone 
bilden  soll,  was  eben  im  Rankenstiele  vorkommt.  Ich  habe 
aber  während  meiner  Untersuchungen  einzelne  Arten  gefunden, 
deren  Sklerenchymring  in  den  ausgewachsenen  Stengelgliedern 
immer  unterbrochen  ist  und  nur  aus  nicht  zusammenhängenden 
Sklerenchymplatten  besteht  (Taf.  I,  Fig.  l;Taf.  V,  Fig.  3;Taf.V, 
Fig.  6),  was  beweist,  daß  der  Sklerenchymring  ebenfalls  unter- 
brochen angetroffen  wird,  und  zwar  ist  dies  eine  konstante 
Eigentümlichkeit  gewisser  Arten. 

Diese  Erörterung  dürfte  genügen,  um  die  vielmals 
bestrittene  Deutung  der  Ranke,  nach  welcher  dieselbe  als  ein 
metamorphosiertes  Blatt  erklärt  wird,  gelten  zu  lassen  und  die 
Bedenken,  die  dagegen  erhoben  wurden,  zu  beseitigen. 


56  F.  Tondera, 


Tafelerklärung. 


Tafel  I. 


Fig.  1.  Cyclanthcra  peäata  Sehr  ad.  Querschnitt  durch  ein  ausgewachsenes 
Stengelglied.  5  Kollenchymbündel  an  den  Stengelkanten,  /jchlorophyll- 
haltiges  Rindenparenchym,  st  Stärkeschicht,  r  stellenweise  unter- 
brochener Sklerenchymring;  a%  bf  a\  b'f  a"  Blattspurstränge  oder  der 
äußere  Bündelkreis;  1,  2,  1',  2',  2"  Gefäßbündel  des  inneren  Bündel- 
kreises, darunter  1,  2,  1'  bikollaterale  und  2',  2"  kollaterale  Gefäß- 
bündel. 

Fig.  2.  Bryonia dioica  J a  c  q.  GeflLßbündelsystem  in  dem  durchsichtig  gedachten 
Stengel ;  die  dem  Beobachter  abgekehrten  Gefäßbündel  sind  blasser,  die 
zugekehrten  schwarz.  1,2,  1',  2'  sind  die  vier  Gefäßbündel  des  inneren 
Bündelkreises;  a,  b,  a',  c  die  Blattspurstränge,  oder  die  Gefäßbündel 
des  äußeren  Bündelringes,  x  die  Ranke,  y  der  vegetative  Sproß,  z  die 
Blüte. 

Fig.  3.  Bcnincasa  cerifera  Sa  vi.  Querschnitt  durch  den  Rankenstiel;  r  ge- 
schlossener Sklerenchymring,  5  Kollenchymbündel,  a,  b  kantenständige 
bikollaterale  Gefäßbündel,  die  an  der  Unterseite  mächtiger  (a)  als  an 
der  Oberseite  sind. 

Fig.  4.  Cyclanthcra  pedata  Schrad.  Gefäßbündelsystem  zweier  aufeinander- 
folgenden Stengelglieder,  die  durchsichtig  gedacht  sind.  Die  dem  Beob- 
achter abgekehrten  Gefäßbündel  sind  blasser,  die  zugekehrten  schwarz 
gezeichnet  a,  b,  a\  b\  a"  sind  die  Gefäßbündel  des  äußeren  Bündel- 
ringes oder  die  Blattspurstränge;  1,  2,1'  sind  die  bikollateralen,  2',  2"  die 
kollateralen  Gefäßbündel  des  inneren  Bündelringes,  x  die  Ranke,  x'  der 
vegetative  Sproß,  x"  die  weibliche  Blüte,  y  der  männliche  Blütenstand. 

Fig.  5.  Cucumis  melo  L.  Querschnitt  durch  ein  ausgewachsenes  Stengelglied, 
s  Kollenchymbündel  an  den  Stengelkanten,  p  chlorophyllhaltiges 
Rindenparenchym,  r  Sklerenchymring.  Im  äußeren  Bündelringe  erscheint 
ein  überzähliger  Blattspurstrang  3;  im  inneren  Bündelringe  ist  ein  Gefäß- 
bündel in  zwei  kleinere  nebenläufige  Bündel  x,  x'  gespalten. 

Fig.  6.  Cyclanthcra  cxplodcns  Naud.  Querschnitt  durch  ein  Stengelglied,  s  die 
Kollenchymbündel  an  den  Stengelkanten,  p  chlorophyllhaltiges  Rinden- 
parenchym, r  der  Sklerenchymring.  Die  äußere  Stärkeschicht  (zwischen 
dem  Chlorophyllparenchym  und  dem  Sklerenchymringe)  fehlt,  anstatt 
derselben  erscheint  eine  stärkehaltige  Parenchymzone  st,  welche  die 
Bündel  des  äußeren  mit  denen  des  inneren  Bündelringes  verbindet.  Die 
Bündel  2'  und  2"  sind  isolierte  Siebröhrenbündel. 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  57 

Fig.  7.  Btnincasa  cerifera  Savi.  Querschnitt  durch  ein  ausgewachsenes 
Stengelglied,  in  welchem  die  Gefäßbündel  des  äußeren  und  des  inneren 
Bündelringes  durch  eine  breite  stärkehaltige  Zone  st  verbunden  sind, 
s  Kollenchymbündel,  p  chlorophyllhaltiges  Parenchym,  r  Sklerenchym- 
ring. 

Fig.  8.  Bryonia  dioica  Ja cq. Querschnitt  durch  ein  Stengelglied. 5  Kollenchym- 
bündel  an  den  Stengelkanten,  $  Kollenchymplatten  in  den  Furchen  des 
Stengels,  p  chlorophyllhaltiges  Rindenparenchym,  r  Sklerenchymring. 
1,  2,  2'  die  bikollateralen  Gefäßbündel  des  inneren  Bündelringes,  1'  das 
kollaterale  Bündel  dieses  Ringes,  a,  a%  b,  c  die  Gefäßbündel  des  äußeren 
Bündelringes  oder  Blattspurstränge. 

Tafel  II. 

Fig.  1  Cucumis  sativus  L.  Querschnitt  eines  Stengelgliedes  mit  fünf  äußeren 
und  vier  inneren  Gefäßbündeln,  s  Kollenchymbündel  an  den  Stengel- 
kanten, p  chlorophyllhaltiges  Rindenparenchym,  r  Sklerenchymring. 

Fig.  2.  Cucumis  sativus  L.  Gefäßbündelsystem  zweier  aufeinanderfolgenden 
Stengelglieder,  wobei  der  Stengel  durchsichtig  gedacht  ist;  die  dem 
Beobachter  abgekehrten  Gefäßbündel  sind  blasser,  die  zugekehrten 
schwarz.  1,  2,  1',  2'  sind  die  Gefäßbündel  des  inneren  Bündelringes, 
a,  6,  a',  b',  a"  sind  die  Blattspurstränge,  oder  die  Bündel  des  äußeren 
Bündelringes,  x  die  Ranke,  y  der  vegetative  Sproß,  z  die  Blüte. 

Fig.  3.  Sicyos  angulata  L.  Querschnitt  durch  ein  ausgewachsenes  Stengel- 
glied. 5  Kollenchymbündel,  p  chlorophyllhaltiges  Rindenparenchym, 
st  Stärkeschicht,  r  Sklerenchymring.  2'  und  2"  sind  die  isolierten  Sieb- 
bündel des  inneren  Bündelringes. 

Fig.  4.  Sicyos  angulata  L.  Gefäßbündelsystem  des  hypokotylen  und  des 
epikotylen  Stengelgliedes.  Der  tetramere  Bau  des  hypokotylen  Gliedes 
wird  im  epikotylen  Stengelgliede  durch  die  Spaltung  des  Bündels  3  in 
die  Bündel  1  und  2,  die  durch  Anastomosen  vom  Bündel  4  verstärkt 
sind,  und  durch  die  neuentstandenen  Bündel  2'  und  2"  des  inneren 
Bündelringes  zu  einem  ungleich  pentameren  Stengelbaue  umgestaltet; 
gleichzeitig  erscheinen  die  fünf  Blattspurstränge,  oder  die  Bündel  des 
äußeren  Bündelringes  a,  b,  c,  d,  e.  Dieser  Stengelbau  wiederholt  sich  in 
allen  folgenden  Stengelgliedern.  (Vergl.  Taf.  IV,  Fig.  1.)  b'  sind  die 
Blattspuren,  welche  in  das  unterste  Blatt  eintreten,  k  die  seitliche 
Knospe  in  dem  Kotyledonarknoten,  **,  n  die  Kotyledonarspuren. 

Fig.  5.  Lagenaria  vulgaris  Ser.  Zwischen  den  Gefäßbündeln  1  und  2'  erscheint 
ein  überzähliges  Siebbündel  5,  welches  nur  ein  Stengelglied  durchlauft. 
s  Kollenchymbündel,/?  chlorophyllhaltiges  Rindenparenchym, r  Skleren- 
chymring. 

Fig.  6.  Benincasa  cerifera  Savi.  Querschnitt  durch  den  Blattstiel;  r  Skleren- 
chymsichel  an  der  Außenseite  der  Gefäßbündel,  die  an  der  Unterseite 
mächtiger  entwickelt  sind  (a),  als  an  der  Oberseite  (a'). 


58  F.  Tondera, 

Fig.  7.  Lagenaria  vulgaris  Ser.  Gefäßbündelsystem  in  zwei  aufeinander 
folgenden  Stengelgliedem.  1,  2,  1',  2',  2"  und  5  sind  die  Bündel  des 
inneren  Bündelkreises ;  5  ist  ein  überzähliges  Siebröhrenbündel,  welches 
aus  der  Anastomose  n  bei  x  den  Ursprung  nimmt  und  an  der  Ana- 
stomose m  bei  y  verschwindet. 


Tafel  III. 

Fig.  1.  Bryonia  alba  L.  Gefäßbündelsystem  in  zwei  aufeinander  folgenden 
Stengelgliedern  in  die  Vertikalebene  ausgebreitet,  x  der  Blütenstand, 
y  der  vegetative  Sproß,  z  die  Ranke. 

Fig.  2.  Bryonia  alba  L.  Querschnitt  durch  ein  altes  Stengelglied.  S  Kollenchym- 
bündel  an  den  Stengelkanten,  s  Kollenchym platten  in  den  Furchen  des 
Stengels,  p  chlorophyllhaltiges  Rindenparenchyra,  r  Sklerenchymring, 
d  isolierte  Siebröhrenbündel  im  Markparenchym. 

Fig.  3.  Trichosanthes palmata  Roxb.  Gefäßbündelsystem  in  dem  durchsichtig 
gedachten  Stengel.  Die  dem  Beobachter  abgekehrten  Gefäßbündel  sind 
blasser,  die  zugekehrten  schwarz.  (Der  Querschnitt  eines  Stengelgliedes 
ist  Taf.  IV,  Fig.  6  abgebüdet.)  1,  2,  1',  2',  2"  sind  die  Bündel  des 
inneren  Bündelringes,  a,  b,  a',  b\  b"  sind  die  Blattspurstränge  oder  die 
Bündel  des  äußeren  Bündelringes. 

Tafel  IV. 

Fig.  1.  Trichosanthes  palmata  Roxb.  Gefäßbündelsystem  in  dem  hypokotylen 
Gliede  und  in  den  fünf  aufeinander  folgenden  untersten  Stengelgliedern 
in  die  Vertikalebene  ausgebreitet.  Die  Zeichnung  legt  die  allmähliche 
Umbildung  des  tetrameren  Stengel baues  in  eine  ungleich  pentamere 
Gefäßbündelanordnung  dar.  Die  nebenstehenden  Figuren  2,  3,  4,  5,  6 
stellen  die  Querschnitte  des  Stengels  in  den  mit  I,  II,  III,  IV,  V  bezeich- 
neten Stellen  dar. 


j  Tafel  V. 


Fig.  1.  Cucurbita  perennis  A.  Gray.  Querschnitt  eines  ausgewachsenen  Sten- 
gelgliedes: a  $,  7,  ß,  8'  o!  und  7'  sind  die  Gefäßbündel  des  äußeren 
Bündelringes ;  a  a\  b  b't  c,  d,  t  sind  die  Bündel  des  inneren  Bündel- 
ringes. Den  Zwischenraum  zwischen  den  alternierenden  Gliedern  des 
äußeren  und  des  inneren  Bündelringes  erfüllen  die  überzähligen  Bündel 
1,  2,  3. 

Fig.  2.  Cucurbita  pertnnts  A.  Gray.  Gefäßbündelsystem  zweier  Stengelglieder 
in  die  Vertikalebene  ausgebreitet.  Die  Gefäßbündel  des  inneren  Bündel- 
ringes sind  schwarz,  die  des  äußeren  Ringes  blaß  gezeichnet  Die  über- 
zähligen Bündel  (1,  2,  3  Fig.  1)  sind  vorwiegend  weggelassen,  x  die 
Ranke,  y  der  vegetative  Sproß,  z  die  Blüte. 


Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen.  59 

Fig.  3.  Thladiantha  dubia  Bunge. Querschnitteines  ausgewachsenen  Stengel- 
gliedes, s  Kollenchymbündel,  p  chlorophyllhaltiges  Rindenparenchym, 
st  Stärkeschicht,  r  stellenweise  unterbrochener  Sklerenchymring.  Die 
Gefäßbündel  des  inneren  Bündelringes  1,  2,  1',  2'  und  2"  sind  mit  den 
Bündeln  des  äußeren  Kreises  mittels  einer  Cambiumschicht  c  verbunden, 
welche  nicht  nur  in  den  Gefäßbündeln,  sondern  auch  in  dem  da- 
zwischen liegenden  Parenchym  (Interfascicularcambium)  erscheint. 
Das  Bündel  2"  ist  ein  isoliertes  Siebbündel. 

Fig.  4.  Coccinia  indica  W.  &  A.  Querschnitt  durch  ein  Stengelglied.  1,  2,  1',  2', 
1"  sind  die  Bündel  des  inneren  Bündelringes,  1'  und  1"  isolierte  Sieb- 
bündel, s  Kollenchymbündel,  p  chlorophyllhaltiges  Rindenparenchym, 
r  Sklerenchymring. 

Fig.  5.  Schema  des  Gefäßbündelverlaufes  des  inneren  Bündelringes  bei 
Cyclanthera  pedata  Sehr  ad.  Alle  Blattspurstränge,  sowie  die  untere 
Verlängerung  des  Bündels  2  sind  weggelassen,  um  den  Bauplan  des 
Stengels  nachzuweisen  und  hauptsächlich  um  das  Überschlagen  der 
Gefäßbündel  in  jedem  Stengelknoten  genau  verfolgen  zu  können. 

Fig.  6.  Ecballium  Elatcrium  A.  Rieh.  Querschnitt  durch  ein  ausgewachsenes 
Stengelglied,  p  chlorophyllhaltiges  Rindenparenchym,  r  stellenweise 
unterbrochener  Sklerenchymring ;  a,  b,  c,  d,  e  Blattspurstränge,  welche 
mit  den  Gefäßbündeln  1,  2,  3,  4,  5,  die  den  Gefäßbündeln  des  inneren 
Bündelkreises  anderer  Cucurbitaceen  entsprechen,  einen  gemeinsamen 
Bündelring  bilden. 

Fig.  7.  Ecballium  Elatcrium  A.  Rieh.  Gefäßbündelsystem  in  zwei  Stengel- 
gliedern in  eine  Ebene  ausgebreitet.  1,  1',  2,  2',  2"  sind  die  größeren, 
stellenweise  gespaltenen  Gefäßbündel;  zwischen  diesen  Gefäßbündeln 
verlaufen  die  schmalen  Blattspurstränge. 


F.  Tondera:  Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen. 


Tafel  I. 


Ad  mit.  dcl.  Tondera. 
Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXII,  Abt.  I,  1903. 

Lichtdrack  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdrackerfi. 


F.  Tondera:  Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen. 


Tafel  II. 


Ad  nai.  del.  Tondera. 
Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXII,  Abt.  I,  1903. 

Lichtdruck  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei. 


F\  Tondera:  Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen. 


Tafel  III. 


er       &■    3        S 


d~-H 


S  c/  1  aT  3     *  5    l    7   o      2  a!  y. 
Ad  nat.  del.  Tondera. 

Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CX1I,  Abt.  I,  1903. 


Lichtdruck  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei. 


F.  Tondera:  Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen. 
i. 


Tafel  IV. 


Adnat.  del.  Tondera. 
Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXII,  Abt.  I,  1903. 

Lichtdruck  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdrucktrei. 


F.  Tondera:  Gefäßbündelsystem  der  Cucurbitaceen. 


Tafel  V. 


Ad  nal.  dcl.  Tondera. 


t      r     r      r      x 


Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math:-natur\v.  Klasse,  Bd.  CXII,  Abt.  I,  1903. 

Lichtdruck  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei. 


SITZUNGSBERICHTE 

DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXII.  BAND.  II.  HEFT. 


ABTEILUNG  I. 

ENTHÄLT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MINERALOGIE, 

KRYSTALLOGRAPHIE,  BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 

PALÄONTOLOGIE,  GEOLOGIE,  PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  UND  REISEN. 


63 


IV.  SITZUNG  VOM  5.  FEBRUAR  1903. 


Erschienen:  Sitzungsberichte,  Bd.  111,  Abt.  I.  Heft  VI  (Juni  1002). 

Der  Vorsitzende,  Präsident  Prof.  E.  Sueß,  macht  Mit- 
teilung von  dem  am  2.  Februar  1.  J.  erfolgten  Ableben  des  aus- 
ländischen Ehrenmitgliedes  dieser  Klasse,  Professors  George 
Gabriel  Stokes. 

Die  anwesenden  Mitglieder  geben  ihrem  Beileide  durch 
Erheben  von  den  Sitzen  Ausdruck. 

Das  Kuratorium  der  Schwestern  Fröhlich-Stiftung 
zur  Unterstützung  bedürftiger  und  hervorragender  schaffender 
Talente  auf  dem  Gebiete  der  Kunst,  Literatur  und  Wissenschaft 
übermittelt  die  diesjährige  Kundmachung  über  die  Verleihung 
von  Stipendien  und  Pensionen  aus  dieser  Stiftung. 

Das  k.  M.  Hofrat  A.  Bauer  übersendet  eine  Arbeit  von 
Prof.  Ferdinand  Breinl  in  Reichenberg  mit  dem  Titel:  >Über 
das  Verhalten  der  tierischenFasern  und  der  tierischen 
Haut  zu  Säuren  (Beiträge  zur  Theorie  der  Färberei 
und  Gerberei)«. 

Das  k.  M.  Hofrat  E.  Ludwig  übersendet  eine  von  Prof. 
Dr.  J.  Mauthner  und  Prof.  Dr.  W.  Suida  in  Wien  ausgeführte 
Arbeit  unter  dem  Titel:  »Beiträge  zur  Kenntnis  des  Chole- 
sterins« (V.  Abhandlung). 

Prof.  Dr.  W.  Laska  in  Lemberg  übersendet  eine  Ab- 
handlung mit  dem  Titel:  Ȇber  die  Berechnung  der 
Fernbeben«. 

Dr.  Josef  Schießler  in  Wien  übersendet  ein  versiegeltes 
Schreiben  zur  Wahrung  der  Priorität  mit  der  Aufschrift:  »Ein 


64 

genau  die  Richtung  bestimmender  Sender  für  draht- 
lose Telephonie  (respektive  Telegraphie)«. 

Kand.  med.  Gottwald  Schwarz  in  Wien  übersendet  ein 
versiegeltes  Schreiben  zur  Wahrung  der  Priorität  mit  dem 
Titel:  »Mitteilung  einer  neu  beobachteten  Natur- 
erscheinungc. 

Das  w.  M.  Hofrat  J.  Hann  legt  eine  Abhandlung  mit 
dem  Titel  vor:  »Beobachtungen  und  Messungen  der 
Temperatur,  des  Salzgehalts,  der  Farbe  und  Durch- 
sichtigkeit des  Wassers  in  der  nördlichen  Adria, 
ausgeführt  im  Winter  1901«.  Aus  dem  Nachlasse  von 
Prof.  J.  Luksch,  zusammengestellt  von  Prof.  Julius  Wolf  in 
Fiume. 

Das  w.  M.  Hofrat  J.  Wiesner  berichtet  über  eine  von 
Cand.  phil.  R.  Eberwein  im  pflanzenphysiologischen  Institute 
der  Wiener  Universität  ausgeführte  und  demnächst  zur  Vor- 
lage kommende  Arbeit  über  die  anatomischen  Ver- 
hältnisse des  Blattes  der  Palmyrapalme  (Borassus 
fldbelliformis). 

Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Ungarisches  Nationalmuseum  in  Budapest:  A  Magyar 
Nemzeti  Müzeum  multja  es  jelene.  Budapest,  1902.  4°. 

Universität  in  Missouri:  Studies,  vol.  I,  number  3.  Missoun 
1902;  8°. 


65 


V.  SITZUNG  VOM  12.  FEBRUAR  1903. 


Das  w.  M.  Prof.  G.  Goldschmiedt  übersendet  eine  im 
chemischen  Laboratorium  der  k.  k.  deutschen  Universität  in 
Prag  ausgeführte  Arbeit  von  Dr.  Hans  Meyer:  »Über  Ester- 
bildung und  Betaine«. 

Herr  Josef  Müller  in  Triest  übersendet  eine  Abhandlung 
mit  dem  Titel:  »Die  Coleopteren-Gattung  Apholeuonus 
Reitt  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  dalmatinischen 
Höhlenfauna«. 

Herr  Gustav  Paganetti-Hummler  in  Wien  übersendet 
einen  Bericht  über  seine  in  den  Monaten  April  und  Mai  1902 
mit  Unterstützung  der  kaiserlichen  Akademie  unternommenen 
Forschungen  in  Höhlen  Süd-Dalmatiens  und  der  Herzegowina 
und  teilt  mit,  daß  er  das  Sammlungsmaterial  bereits  an  das 
k.  k.  naturhistorische  Hofmuseum  in  Wien  abgegeben  hat. 

Das  w.  M.  Prof.  Franz  Exner  legt  eine  Arbeit  von 
Dr.  F.  Hasenöhrl  vor:  »Nachtrag  zu  der  Abhandlung 
über  die  Absorption  elektrischer  Wellen  in  einem 
Gase«. 

Derselbe  legt  ferners  eine  in  seinem  Institute  ausgeführte 
Arbeit  des  Herrn  M.Topolansky  vor,  betitelt:  »Bestimmung 
der  Farben  der  Radde'schen  internationalen  Farben- 
skaia«. 

Derselbe  legt  weiters  die  in  seinem  Institute  ausgeführte 
Abhandlung  des  Herrn  F.  Ehrenhaft:  »Das  optische  Ver- 
halten der  Metallcolloide  und  deren  Teilchengröße« 
vor. 

Prof.  Max  Bamberger  überreicht  eine  im  Laboratorium 
für  allgemeine  Chemie  an  der  technischen  Hochschule  in  Wien, 
in  Gemeinschaft  mit  Heinrich  Renezeder,  ausgeführte  Arbeit, 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CX1I.  Bd.,  Abt.  1.  5 


betitelt:  »Zur  Kenntnis  der  Überwallungsharze«  (VIII.  Ab- 
handlung). 

Das  w.  M.  Herr  Hofrat  J.  Wiesner  überreicht  die  in  der 
Sitzung  vom  5.  Februar  1.  J.  angekündigte  Abhandlung  von 
cand.  phil.  Richard  Eberwein:  »Zur  Anatomie  des  Blattes 
von  Borassus  flabelliformis«. 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Associazione  medica  Triestina  in  Triest:  Bollettino, 
1901  bis  1902,  annata  Va.  Triest,  1902.  8°. 

Fuhrmann,  Franz:  Über  Präcipitine  und  Lysine.  (Abdruck 
aus  »Beiträge  zur  chemischen  Physiologie  und  Pathologie« ; 
3.  Band.  Braunschweig,  1903.) 

Klemensiewicz,  Rudolf:  Über  Amitose  und  Mitose.  (Abdruck 
aus  »Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  und  zur  all- 
gemeinen Pathologie«;  33.  Band.  Jena,  1903.) 

Klug,  Anton,  Dr.:  Der  Hausschwamm,  ein  pathogener  Parasit 
des  menschlichen  und  tierischen  Organismus,  speziell 
seine  Eigenschaft  als  Erreger  von  Krebsgeschwülsten. 
Freiheit-Johannisbad,  1903.  8°. 

Königl.  technische  Hochschule  in  Berlin:  Ist  die  Un- 
freiheit unserer  Kultur  eine  Folge  der  Ingenieurkunst? 
Festrede  zum  Geburtsfeste  Seiner  Majestät  des  Kaisers 
und  Königs  Wilhelm  IL,  gehalten  vom  Rektor  Kammerer. 
Berlin,  1903.  8°. 

Ministere  de  Tlnstruction  publique  et  des  Beaux- 
Arts  in  Paris:  Atlas  photographique  de  la  lune,  execute 
par  M.  M.  Loewy  et  M.  P.  Puisseux;  Fascicule  7  (mit 
Tafeln).  Paris  1902. 
—  Carte  photographique  du  ciel,  Zone  +3,  Feuille  46;  Zone 
+7,  Feuilles  3,  4,  18,  121,  124,  142;  Zone  +9,  Feuilles  1, 
3,  18,  121,  125,  168;  Zone  +16,  Feuilles  23,  78,  124;  Zone 
+22,  Feuilles  21,  61,  66,  67,  79;  Zone  +24,  Feuille  34. 

Righi,  Augusto  und  Bernhard  Dessau:  Die  Telegraphie  ohne 
Draht.  Braunschweig,  1903.  8°. 


67 


Zur  Anatomie  des  Blattes  von  Borassus  flabelli- 

formis 

von 
cand.  phil.  Richard  Eberwein. 

Aus  dem  pflanzenphysiologischen  Institute  der  k.  k.  Universität  in  Wien. 

(Mit  1  Tafel.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  12.  Februar  1903.) 

Die  Veranlassung  zu  dieser  Untersuchung  gab  eine 
paläographische  Frage,  nämlich  die  bis  in  alte  Zeiten  zurück- 
reichende Verwendung  gewisser  Palmblätter  in  Indien  als 
Beschreibstoff.  Es  wurde  nachgewiesen,  daß  die  zu  diesem 
Zwecke  benützten  Blätter  von  Borassus  fldbelliformis  und 
Corypha  umbraculifera  stammen.1  Obwohl  nun  die  Blätter 
dieser  beiden  Palmen  schon  makroskopisch  erkennbare  Unter- 
schiede zeigen,  so  ergab  sich  doch  die  Notwendigkeit,  zur 
genauen  Erkennung  kleinerer  Bruchstücke  oder  stark  ver- 
änderter Manuskripte  auch  Verschiedenheiten  im  anatomischen 
Verhalten  heranzuziehen.  Deshalb  unterzog  ich  auf  Veran- 
lassung des  Herrn  Professors  Hofrat  Dr.  Wiesner  die  Blätter 
der  beiden  genannten  Palmenarten  einer  eingehenden  ver- 
gleichenden mikroskopischen  Untersuchung.  Die  Unterschei- 
dung der  zwei  Palmblätter  gelingt  leicht  und  sicher  und  stützt 
sich  hauptsächlich  auf  Kennzeichen,  die  in  den  Oberhaut- 
elementen sich  finden.2 


1  Siehe   hierüber  Wiesner,   Rohstoffe   des  Pflanzenreiches,   2.  Aufl., 
Bd.  II,  Abschnitt:  Fasern;  S.  453  ff. 

2  Wiesner,  1.  c,  Bd.  II,  S.  455  ff. 

5* 


68  R.  Eberwein, 

Bei  dieser  vergleichenden  Untersuchung  zeigten  sich  im 
Bau  des  Borassus-BlsiUes  einige  auffällige  anatomische  Be- 
sonderheiten, die  sich  auf  den  Bau  der  Spaltöffnungen  und  auf 
die  Lage  und  Anordnung  der  Stegmata  beziehen.  Mit  diesen 
Gegenständen  wird  sich  die  vorliegende  Abhandlung  be- 
schäftigen. 

Borassusflabelliformis,  unter  dem  Namen  »Palmyrapalme« 
bekannt,  gehört  zu  den  Fächerpalmen;  ihr  Blatt  erreicht  mit 
dem  Blattstiele  eine  Länge  von  3  bis  4  m.  Dieser  ist  an  seiner 
Ansatzstelle  scheidig  verbreitert,  unterseits  konvex,  oben  leicht 
gehöhlt  und  reicht  mit  seinem  oberen  Ende  scharf  dreieckig  - 
zungenförmig  in  die  breit-kreisförmige  Blattfläche  hinein, 
welche  in  zahlreiche  Fächerstrahlen  von  1  bis  2  m  Länge  zer- 
schlitzt ist. 

Diese  Fächerstrahlen  sind  es,  welche  in  Indien  seit  den 
ältesten  Zeiten  als  Beschreibstoff  dienten  und  noch  dienen. 

In  seinem  anatomischen  Verhalten  zeigt  das  Blatt  im 
großen  und  ganzen  einen  isolateralen  Bau.  Ein  Schwamm- 
parenchym  ist  überhaupt  nicht  ausgebildet,  sondern  wir  sehen 
nur  ein  lockeres  Gewebe  aus  palissadenförmigen  Zellen,  das 
sich  allerdings  in  sechs-  bis  siebenfacher  Reihe  zwischen  den 
beiden  Oberhautschichten  vorfindet. 

In  diesem  Parenchym  verlaufen  die  Gefäßbündel,  die  eine 
sehr  verschiedene  Größe  aufweisen.  Wir  sehen  größere,  die 
sich  durch  ein  bis  zwei  besonders  weite  Treppengefäße  aus- 
zeichnen. Sie  sind  ringsum  von  mechanischen  Elementen  ein- 
geschlossen, die  namentlich  oben  und  unten  einen  mächtigen 
Belag  bilden,  so  daß  diese  Gefäßbündel  die  ganze  Dicke  des 
Blattes  ausfüllen.  Die  mechanischen  Elemente  schieben  sich 
auch  zwischen  Phloem  und  Xylem  ein  und  gliedern  das  erstere 
selbst  in  mehrere  Teile.  Auf  jedes  solche  größere  Gefäßbündel 
folgen  nun  zwei  bis  drei  kleinere  und  diese  weisen  einen 
bedeutend  einfacheren  Bau  auf.  Das  Xylem  ist  bei  diesen  meist 
nur  durch  eine  einzige  Schicht  dickwandiger  mechanischer 
Zellen  vom  Phloem  getrennt,  dieses  selbst  ist  zusammen- 
hängend, ohne  eingelagerte  Bastelemente,  seitlich  schwinden 
die  mechanischen  Elemente  vollständig,  außen  ist  das  Phloem 
nur  von  einem  kleinen  Baststreifen  begleitet,  der  bei  einigen 


Blatt  von  Borassus  flabelliformis.  69 

auf  eine  einzige  Schicht  reduziert  ist,  bei  manchen  schwindet 
er  auf  dieser  Seite  vollständig;  auf  der  oberen,  der  Xylemseäte, 
dagegen  weist  auch  das  kleinste  Gefäßbündel  eine  ziemlich 
starke  Schichte  von  mechanischen  Elementen  auf;  daher 
kommt  es  auch,  daß  das  Gefäßbündel  auf  der  oberen  Seite 
stets  bis  an  die  Epidermis  herantritt,  während  das  Phloem  nur 
ungefähr  bis  zur  Mitte  des  Blattparenchyms  reicht.  An  dieser, 
der  unteren  Seite  des  Blattes,  treten  aber  dafür  isolierte  Bast- 
bündel auf,  die  jedoch  zumeist  keine  große  Mächtigkeit  er- 
reichen, bisweilen  aus  bloß  3  bis  5  Bastzellen  bestehen.  Jedes 
Gefaßbündel  ist  von  einer  Bündelscheide  umgeben,  die  aus 
ziemlich  großen,  dünnwandigen  Zellen  besteht.  Das  Lumen  der 
Bastzellen  ist  nicht  gleichmäßig  zylindrisch,  sondern  an  ver- 
schiedenen Stellen  von  sehr  ungleicher  Weite. 

Die  Epidermis  erscheint  dreischichtig.1  Die  äußerste 
Schichte  setzt  sich  aus  kleinen  Zellen  zusammen,  die  an  der 
Außenseite  etwas  stärker  verdickt  sind  als  an  den  Seiten- 
wänden; die  zweite  Lage  besteht  aus  nahezu  kubischen  Zellen, 
deren  Wände  bei  Behandlung  mit  Phloroglucin  und  Salzsäure 
eine  leichte  Verholzung  erkennen  lassen;  die  dritte  Schichte 
endlich  ist  gebildet  aus  flachen,  dünnwandigen  Zellen  mit 
unverholzten  Membranen.  Wo  Baststränge  in  der  Querrichtung 
des  Blattes  verlaufen,  da  ist  die  Epidermis  einschichtig,  da 
finden  sich  in  ihr  die  größeren  Stegmata,  deren  weiter  unten 
gedacht  werden  soll. 

Die  Trichome,  die  sich  auf  beiden  Seiten  des  Blattes 
finden,  sind  mehrzellig  und  treten  zumeist  über  den  Gefäß- 
bündeln auf.  Die  Epidermis  ist  hier  trichterig  eingesenkt,  am 
Grunde  der  Vertiefung  liegen  vier  Oberhautzellen,  welche  die 


1  Ob  hier  eine  mehrschichtige  Oberhaut  oder  eine  einfache,  mit  hypo- 
dermaler Mesophyllschicht  verbundene  Oberhaut  vorliegt,  konnte  ich  nicht 
entscheiden,  da  mir  die  hiezu  erforderlichen  meristematischen  Entwicklungs- 
stadien des  Borassus-Blattes  nicht  zur  Verfügung  standen.  Mit  Rücksicht  jedoch 
auf  die  drei  Schichten  der  Spaltöffnung,  von  denen  weiter  unten  die  Rede  sein 
wird,  die  genau  den  drei  Oberhautschichten  entsprechen  und  von  denen  man 
mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  annehmen  kann,  daß  sie  aus  der  jungen 
Epidermis  (Dermatogen)  hervorgegangen  sind,  glaube  ich  in  diesem  Falle  eine 
dreischichtige  Epidermis  annehmen  zu  dürfen. 


70  R.  Eberwein, 

Fußzellen  des  Trichoms  bilden.  Dieses  ragt  säulenförmig  aus 
dem  Zelltrichter  heraus  bis  etwas  über  den  Rand  desselben, 
dort  verzweigt  es  sich  in  sieben  bis  acht  einzellige,  braune 
Lappen,  welche  dem  Rande  der  Einsenkung  aufliegen.1 

Die  Spaltöffnungen  treten,  dem  isolateralen  Bau  des 
Blattes  entsprechend,  auf  beiden  Seiten  und  zwar  in  annähernd 
gleicher  Anzahl  auf,  es  entfallen  auf  1  nttn*  oben  wie  unten 
zirka  22. 

In  der  Oberflächenansicht  scheint  jede  Spaltöffnung  jeder--" 
seits  zwei  Nebenzellen  zu  haben,  die  an  den  Scheiteln  der 
Spaltöffnung  an  einer  gemeinsamen  Polzelle  (Fig.  1,  p)  sich 
ansetzen,  so  daß  also  an  die  Polzelle  vier  Nebenzellen  (zwei 
Nebenzellenpaare)  grenzen  (Fig.  1;  w2,  w8).  Bei  den  meisten 
Spaltöffnungen  erfolgt  ein  solcher  Anschluß  nur  an  einem 
Scheitel  der  Spaltöffnung,  während  auf  dem  anderen  die  Pol- 
zelle der  Breite  nach  geteilt  ist,  so  daß  das  innere  Nebenzellen- 
paar  an  die  innere,  das  äußere  an  eine  zweite  Polzelle 
(Fig.  1,//)  sich  ansetzt.  Wiederholt  tritt  auch  eine  Kombination 
der  beiden  Fälle  ein,  indem  die  beiden  Nebenzellen  der  einen 
Seite  an  eine  gemeinsame  Polzelle  anschließen,  während  an 
derselben  Polzelle  auf  der  anderen  Seite  desselben  Scheitels 
nur  die  innere  Nebenzelle  anliegt,  die  äußere  dagegen  eine 
weiter  nach  außen  liegende  Polzelle  berührt.  —  Es  wurde 
gesagt,  die  Spaltöffnung  scheine  zwei  Paare  von  Nebenzellen 
zu  besitzen:  Wenn  man  nämlich  die  Spaltöffnung  im  Quer- 
schnitte betrachtet  (Fig.  2),  so  bemerkt  man,  daß  die  eigentliche 
Nebenzelle  (nx)  —  wenn  man  nämlich  mit  diesem  Namen  die- 
jenige Zelle  bezeichnet,  die  unmittelbar  neben  der  Schließzelle 
liegt  —  in  der  Oberflächenansicht  gar  nicht  zu  sehen  ist,  da 
sie  von  der  zweiten  Nebenzelle  (n2)  seitlich  überwallt  wird,  so 
daß  also  das,  was  in  der  Flächenansicht  als  innere  und  äußere 
Nebenzelle  erscheint,  in  Wirklichkeit  die  zweite  und  dritte 
Nebenzelle  ist;  wir  haben  also  in  diesem  Falle  bei  jeder  Spalt- 
öffnung drei  Paare  von  Nebenzellen,  von  denen  aber  die  eigent- 
lichen, die  innersten,  nur  am  Querschnitte  zu  sehen  sind.  In 
den  Querdurchschnitten  der  Oberhaut  bemerkt  man  dann  auch 


1  Die  Trichome  sind  abgebildet  in  Wiesner,  1.  c.t  Bd.  II,  S.  455. 


Blatt  von  Borassus  fläbelliformis.  7 1 

unter  jeder  Schließzelle  je  zwei  Querschnitte  von  sehr  zart- 
wandigen,  engen  Zellen  (r)  und  bei  geeigneten  Schnitten,  die 
näher  gegen  die  Spitze  der  Spaltöffnung  geführt  sind,  kann 
man  dann  sehen,  daß  diese  so  erhaltenen  vier  Zellquerschnitte 
zwei  Zellringen  angehören,  deren  jeder  an  zwei  Stellen  durch- 
schnitten ist.  Diese  beiden  Ringe  sind  unter  den  Schließzellen 
so  eingelagert,  daß  ihre  Berührungslinie  gerade  unter  die  Spalte 
der  Stomata  zu  liegen  kommt  (Fig.  4),  während  die  Ringe 
anderseits  ungefähr  unter  der  zweiten  Nebenzelle  an  einer 
Zelle  der  zweiten  Epidermisschicht  festgewachsen  sind.  Jeder 
solche  Zellring  hat  ungefähr  die  Form  einer  Ellipse,  deren 
große  Achse  annähernd  doppelt  so  groß  ist  als  die  kleine 
(so  daß  also  beide  Ringe  nebeneinandergelegt  zusammen 
ungefähr  eine  Kreisfläche  bilden)  und  besteht  aus  zwei  Zellen 
(Fig.  3). 

Unter  diesem  doppelten  Zellringe  ist  in  noch  tieferer  Lage, 
der  dritten  Epidermisschicht  entsprechend,  ein  einfacher  Zell- 
ring zu  sehen  (Fig.  2,  R),  der  den  oberen  Rand  der  Atemhöhle 
bildet;  er  ist  in  der  Flächenansicht  kreisförmig  (Fig.  5,  R)  und 
zumeist  aus  zwei  Zellen  zusammengesetzt,  seltener  aus  drei 
bis  vier. 

Wo  zwei  Spaltöffnungen  ganz  nahe  nebeneinander  zu 
liegen  kommen  (Fig.  2),  sehen  wir  sie  voneinander  getrennt 
durch  eine  Zelle  der  zweiten  Epidermisschicht;  diese  Zelle  ist 
von  länglich-birnförmiger  Gestalt  und  dient  als  Basis  für  die 
der  ersten  Oberhautschicht  angehörigen  drei  bis  fünf  Zellen, 
welche  im  Querschnitte  fächerförmig  angeordnet  erscheinen. 
An  die  genannte  Zelle,  die  man  in  diesem  Falle  als  Träger- 
zelle bezeichnen  könnte,  setzen  sich  unten  beiderseits  die  oben 
erwähnten  doppelten  Zellringe  an,  während  zwei  neben- 
einanderliegende, kreisförmige  Zellquerschnitte  unter  dieser 
Trägerzelle  den  beiden  einander  berührenden  einfachen  Zell- 
ringen entsprechen.  Wenn  man  bisweilen  unter  der  Trägerzelle 
nur  einen  Zellquerschnitt  vorfindet  wie  in  Fig.  2  unter  der 
Trägerzelle,  welche  die  zweite  Spaltöffnung  von  der  dritten 
trennt,  so  hat  das  darin  seinen  Grund,  daß  zwei  benachbarte 
einfache  Zellringe  oft  eine  Zelle  gemeinsam  haben,  wie  ein  Fall 
auch  in  Fig.  5  (bei  R')  abgebildet  ist. 


72  R.  Eberwein, 

Was  nun  die  Deutung  dieser  eigentümlichen  Zellbildungen 
der  Spaltöffnung  betrifft,  so  ist  der  einfache  Zellring  wohl  ganz 
ungezwungen  als  Aussteifung  des  Einganges  zur  Atemhöhle 
zu  betrachten.  Schwieriger  ist  es  dagegen  heute  noch,  dem 
doppelten  Zellringe  eine  bestimmte  Funktion  zuzuschreiben; 
es  konnte  dies  umsoweniger  geschehen,  als  dem  Verfasser 
nur  Herbarmaterial  zur  Verfügung  stand  und  infolgedessen 
weder  eine  entwicklungsgeschichtliche  noch  eine  experi- 
mentelle Untersuchung  durchgeführt  werden  konnte;  es  lassen 
sich  daher  über  diesen  Punkt  augenblicklich  nur  Mutmaßungen 
anstellen.  Mir  scheint  die  Annahme  nicht  unberechtigt,  daß  die 
beiden  Zellringe,  die  nach  unten  leicht  bewegt  werden  können, 
nach  obenhin  dagegen  in  den  beiden  Schließzellen  einen  Wider- 
stand finden,  wie  ein  Ventil  tätig  sein  könnten,  das  dem  Ein- 
tritte der  Luft  kein  Hindernis  entgegensetzt,  das  Entweichen 
der  mit  Wasserdampf  gesättigten  Luft  aus  den  Intercellularen 
der  inneren  Blattgewebe  dagegen  erschwert  —  eine  Annahme, 
die  wohl  auch  in  den  trockenen  Standorten,  welche  diese  Palme 
vorzugsweise  aufsucht,  begründet  erscheint. 

Als  Begleiter  der  Sklerenchym-Elemente  finden  sich  bei 
vielen  Monokotylen  und  Kryptogamen  (nach  bisherigen  Unter- 
suchungen nie  bei  Dikotyledonen)  eigentümliche  Zellen,  die 
einen  Kalk-  oder  Kieselkern  enthalten.  Zum  erstenmale  wurden 
diese  Zellbildungen  beobachtet  von  Link,1  dann  später  von 
Crüger2  (an  Moquilea),  im  Jahre  1864  von  Mettenius,3  der 
ihnen  den  Namen  Stegmata  oder  Deckzellen  beilegte,  »da  sie 
stets  das  Sklerenchym  bedecken,  insoferne  als  sie  an  der 
äußeren  Grenze  desselben  von  dem  Parenchym  liegen«. 
1871  beobachtete  Rosanoff4  diese  Gebilde  bei  einer  Anzahl 
von  Palmen;  aber  erst  Kohl5  ließ  diesen  eigentümlichen  Zellen 


i  Link,  Botan.  Ztg.,  1849,  S.  750. 

2  Crüger  H.,  Westindische  Fragmente.  Botan.  Ztg.,  1857. 

3  Mettenius  G.,  Abh.  d.  math.-phys.  Klasse  d.  kön.  sächs.  Ges.  d.  Wiss. 
Bd.  VII,  Nr.  II,  1864,  S.  419  ff. 

*  Rosanoff  S.,  Über  Kieselsäure-Ablagerungen  in  einigen  Pflanzen. 
Botan.  Ztg.  1871,  Nr.  44  und  45. 

5  Kohl  F.,  Anatomisch-physiolog.  Unters,  d.  Kalksalze  und  Kieselsäure 
in  der  Pflanze.  Marburg,  1889. 


Blatt  von  Borassus ßabelliformis.  73 

eine  eingehende  Behandlung  zuteil  werden  und  konstatierte, 
daß  die  Kiesel-  (seltener  Kalk-)  Körper,  die  sich  in  den  Deck- 
zellen finden,  nicht  als  innere  Verdickung  der  Membran  zu 
betrachten  sind,  wie  die  früheren  Autoren  annahmen,  sondern 
frei  im  Lumen  der  Zellen  liegen.  Sie  bestehen  aus  reiner, 
amorpher  Kieselsäure  ohne  jede  Grundlage  von  Cellulose,  denn 
sie  zeigen  keine  der  Eigenschaften,  wie  sie  verkieselte  Cellulose 
aufweist,  sie  werden  durch  kein  Cellulose-Reagens  tingiert  und 
hinterlassen  bei  Einwirkung  von  Fluorwasserstoffsäure  keinen 
organischen  Rest.  Die  Membran  der  Deckzelle  ist  an  der  Seite, 
die  der  Bastfaser  anliegt,  am  stärksten  verdickt,  nach  oben  hin 
nimmt  die  Verdickung  allmählich  ab,  so  daß  an  der  der  Bast- 
faser abgewendeten  Seite  die  dünnste  Membranstelle  sich 
findet.  An  der  Seite  der  stärksten  Verdickung,  d.  i.  an  der 
Grenze  gegen  die  Bastfaser,  finden  sich  in  der  Regel  Poren,  die 
sich  in  die  Wand  der  Bastfaser  hinein  fortsetzen  und  so  die 
beiden  Lumina  miteinander  verbinden.  In  den  Deckzellen, 
deren  Wand  in  der  ersten  Anlage  an  allen  Stellen  gleichmäßig 
dünn  ist,  findet  man  ursprünglich  viel  Plasma  und  einen  ver- 
hältnismäßig großen  Zellkern,  später  erscheint  daneben  ein 
stark  lichtbrechendes  Kügelchen,  das  sich  bei  eingehender 
Untersuchung  als  Kieselkörper  erweist. 

Mit  einer  allmählichen  Verdickung  des  unteren  Teiles  der 
Deckzellenmembran  geht  ein  allmähliches  Heranwachsen  des 
Kieselkörpers  Hand  in  Hand,  so  daß  derselbe  späterhin  in  der 
Höhlung  der  Deckzelle  nicht  mehr  so  frei  beweglich  ist  wie 
früher  und  zuletzt  in  vielen  Fällen  den  ganzen  vorhandenen 
Raum  vollständig  ausfüllt.  Gleichzeitig  verändert  sich  die 
zuerst  glatte  Oberfläche  des  Kieselkörpers,  er  enthält  eigentüm- 
liche Leisten,  Wärzchen  und  Skulpturen.  Die  ganze  Gestalt  des 
vollständig  entwickelten  Kieselkörpers  ist  sehr  verschieden; 
neben  der  reinen  Kugelform  gewahrt  man  oft  niedrige  oder 
höhere  Kegel  oder  oft  auch  Gebilde,  deren  Gestalt  an  die  eines 
Brotlaibes  oder  eines  niedrigen  Hütchens  erinnert. 

Deckzellen  finden  sich  nach  Kohl  in  folgenden  Familien 
der  Monokotyledonen:  Palmen,  Pandaneen,  Scitamineen  (exklu- 
sive Zingiberaceen)  und  Orchideen  (exklusive  Ophrydeen, 
Listereen,  Arethuseen  und  Cypripedieen)  und  zwar  enthalten 


74  R.  Eberwein, 

die   Deckzellen   der  Pandaneen   kohlensauren  Kalk,   die   der 
übrigen  genannten  Familien  dagegen  Kieselkörper. 

Nur  in  einer  Pflanze,  in  der  Palme  Kentia,  hat  man 
zweierlei  Formen  von  Kieselkörpern  beobachtet:  In  den 
größeren  Deckzellen  treten  größere,  kugelförmige  Kieselkörper 
auf,  in  anderen  dagegen  sind  dieselben  scheibenförmig  und 
von  geringerer  Größe.  Diese  Eigentümlichkeit  zeigt  sich  nun 
auch  bei  Borassus;  auch  hier  finden  sich  zweierlei  Formen 
von  Deckzellen,  aber  während  die  kleineren  ein  normales 
Verhalten  zeigen,  da  sie  den  Bast  begleiten,  der  ganz  im 
Innern  des  Blattes  verläuft,  treten  andere  dickwandige  Faser- 
elemente (Bastfasern)  beiderseits  sehr  nahe  an  die  Oberfläche 
des  Blattes  heran,  so  daß  die  sonst  dreischichtige  Epidermis 
an  diesen  Stellen  einschichtig  wird.  Diejenigen  dieser  hoch- 
gelegenen Bastfaserstränge  nun,  welche  die  Queranastomosen 
der  Hauptstränge  bilden,  sind  sehr  häufig  begleitet  von  Deck- 
zellen, die  in  diesem  Falle,  ganz  abweichend  von  den  übrigen 
untersuchten  Palmen,  in  der  Epidermis  selbst  liegen.1  Die 
Kieselkörper  dieser  letzterwähnten  Deckzellen  unterscheiden 
sich  nur  durch  ihre  Größe  von  den  oben  genannten;  ihre 
Form  ist  dieselbe,  sie  sind  kugelförmig,  mit  warzigen  Vor- 
sprüngen dicht  besetzt. 

Aus  der  Tatsache  nun,  daß  die  Kieselkörper  frei  im  Zell- 
lumen liegen,  daß  ferner  die  Stegmata  zumeist  durch  Poren 
mit  der  Bastfaser,  auf  der  sie  aufsitzen,  verbunden  sind  und 
daß  sie  mit  ihrem  freien  äußeren  Ende  in  Intercellularen 
hineinragen,  hat  Kohl  die  Hypothese  abgeleitet,  die  Kiesel- 
körper in  den  Deckzellen  wirkten  ähnlich  wie  Ventile,  die  den 
Zweck  hätten,  bei  reichlicher  Wasserzufuhr  den  Interceliular- 
raum  von  den  Gefäßen  her  rasch  mit  Wasser  zu  füllen  und 
anderseits  bei  eintretender  Trockenheit  zu  verhindern,  daß 
das  auf  diese  Weise  in  die  Zwischenzellräume  gelangte 
Wasser  wieder  in  die  Bastzellen  zurückweicht. 

Gegen  diese  Auffassung  ließe  sich  mancherlei  sowohl 
vom  physikalischen  als  auch  vom  physiologischen  Standpunkte 


1  Ein  ähnliches  Verhalten  zeigt  nach  den  bisherigen  Veröffentlichungen 
nur  noch  Aspidium  deltoiäeum.  Mettenius,  1.  c.  S.  426. 


Blatt  von  Borassus  flabdliformis.  75 

einwenden.  Allein  ich  will  davon  ganz  absehen  und  nur 
darauf  hinweisen,  daß  diese  Auffassung  keine  allgemeine 
Gültigkeit  haben  kann,  vor  allem  deshalb  nicht,  weil  es 
Stegmata  gibt,  welche  einen  kompakten,  festen  Körper  dar- 
stellen, indem  das  Lumen  der  Deckzelle  von  dem  Kieselkörper 
vollkommen,  ja  bisweilen  bis  in  die  Poren  hinein  erfüllt  ist.1 
Ein  Gleiches  gilt  auch  für  die  Stegmata  der  Musaceen  und 
Farne,2  wo  die  Kieselkörper  den  ganzen  verfügbaren  Raum 
innerhalb  der  Deckzelle  einnehmen.  In  diesem  Falle  ist  es  ganz 
unmöglich,  daß  die  Stegmata  als  Ventile  wirken.  Aber  auch 
rücksichtlich  der  Zingiberaceen  und  mancher  Marantaceen2 
kann  die  von  Kohl  aufgestellte  Hypothese  über  die  Funktion 
der  Stegmata  nicht  aufrecht  erhalten  werden,  da  die  Deckzellen 
dieser  Pflanzen  entweder  keine  Kieselkörper  enthalten  oder 
sehr  kleine,  in  kleinerer  oder  größerer  Zahl  vorhandene  Kiesel- 
körper führen.3  Vollends  die  Tatsache,  daß  Stegmata  in  der 
Epidermis  vorkommen  können,  erscheint  wohl  als  ein  wichtiges 
Argument  gegen  die  Annahme  einer  Ventiltätigkeit.  Bei 
Borassus  ist  ebenso  wie  bei  den  Deckzellen  anderer  Pflanzen 
die  größte  Verdickung  der  Membran  an  der  Stelle,  wo  die 
Deckzelle  dem  Gefäße  aufsitzt,  die  dünne  Wand  aber  liegt  frei 
in  der  Epidermis;  ist  nun  eine  Ventiltätigkeit  anzunehmen,  so 
kann  sie  bei  Borassus  ebenso  wie  in  den  übrigen  Pflanzen  nur 
in  der  Weise  wirken,  daß  das  Wasser  aus  den  Bastzellen 
heraustreten  kann.  Nun  ist  aber  Borassus  eine  Palme,  die  stets 
trockene  Standorte  bevorzugt  und  die  mit  allen  Mitteln  gegen 
einen  zu  starken  Wasserverlust  geschützt  ist;  sie  hat  eine 
ziemlich  starke  Cuticula  und  sogar  die  Spaltöffnungen  sind, 
wie  oben  gezeigt  wurde,  in  ganz  hervorragender  Weise  dazu 
eingerichtet,  einen  Wasserverlust  möglichst  hintanzuhalten;  es 
ist  wohl  kaum  anzunehmen,  daß  eine  Pflanze  sich  einen  so 
komplizierten  Mechanismus  aufbaut,  wie  es  die  Spaltöffnungen 


1  Siehe  hierüber  Wiesner,  Rohstoffe,  IL,  S.  796.  Nach  Beobachtungen 
von  T.  F.  Hanausek:  »Die  Kieselkörper  (der  Stegmata  aus  der  Attalea-Schsile) 
stellen  Ausgüsse  des  Zeltumens  aus  amorpher  Kieselsäure  dar<. 

2  Kohl,  l.  c. 

s  Kohl  betrachtet  die  erwähnten  Formen  als  rudimentär  oder  reduziert. 


76  R.  Eberwein,  Blatt  von  Borassus  fläbelliformis. 

von  Borassus  sind,  um  dann  den  dadurch  erreichten  Effekt 
durch  eine  entgegengesetzte  Einrichtung  wieder  aufzuheben. 

Über  die  Funktion  der  Stegmata  ist  außer  der  oben 
angeführten  Ansicht,  soviel  mir  bekannt,  nichts  veröffentlicht 
worden.  Wohl  aber  äußert  sich  Prof.  Wiesner  in  seinen  Vor- 
lesungen über  die  Stegmata  dahin,  daß  in  jenen  Fällen,  in 
welchen  der  Kieselkörper  die  Deckzelle  erfüllt,  das  aus  diesen 
Elementen  bestehende  Gewebe  naturgemäß  den  Gefaßbündel- 
scheiden (speziell  den  Schutzscheiden)  zugezählt  werden 
müßte,  welche  den  Stoffwechsel  zwischen  dem  Stranggewebe 
und  dem  umgebenden  Grundgewebe  lokal  herabzusetzen  oder 
aufzuheben  bestimmt  sind,  wofür  nicht  nur  die  schließliche 
Erfüllung  der  Zelle  mit  dem  Kieselkörper  spricht,  sondern  auch 
die  bei  Schutzscheiden  oft  beobachtete  Tatsache,  daß  die  die- 
selben zusammensetzenden  Elemente  an  ihrer  gegen  das 
Gefäßbündel  gerichteten  Seite  am  stärksten  verdickt  sind. 

Ich  glaube,  daß  die  hier  ausgesprochene  Ansicht  umso 
acceptabler  ist,  als  sie  in  der  gegebenen  Einschränkung  kaum 
einen  Widerspruch  zuläßt. 


Erklärung  der  Tafel. 


Fig.  1.  Spaltöffnung,  Flächenansicht.  —  Vergr.  hier  und  Folge  400. 

»  2.  Querschnitt  durch  3  nebeneinander  liegende  Spaltöffnungen. 

»  3.  Flächenansicht  der  zweiten  Spaltöffnungsschicht. 

»  4.  Spaltöffnung,  Flächenansicht,  Orientierung  des  doppelten  Zellringes. 

»  5.  Flächenansicht  des  einfachen  Zellringes. 

»  6.  Deckzelle,  Querschnitt. 

»  7.  Dieselbe,  von  der  Fläche. 

s  Schließzelle. 

nv  n2>  nz  Nebenzellen. 

r  Doppelter  Zellring. 

R  Einfacher  Zellring. 

A  Atemhöhle. 

K  Kieselkörper  der  Deckzelle. 


Eberwein RTIiil  ^or;  h.TH^riis  liäbollifcrmis. 


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rjobcriohie  -ilrs^  .'.kald'^J  rr.aih.: 


77 


Die  Koleopterengattung  Apholeuonus  Reitt. 

Ein  Beitrag  zur  Kenntnis   der  dalmatinischen  Höhlenfauna 


von 


Josef  Müller, 

Supplent  an  der  k.  k.  Oberrealschule  in  Triest. 

(Mit  1  Tafel  und  4  Textfiguren.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  12.  Februar  1903.) 

Im  Jahre  1889  wurde  von  Apfelbeck  1  ein  neuer  Höhlen- 
silphide  aus  Südbosnien  unter  dem  Namen  Hexaurtts  nudtts 
beschrieben  und  in  demselben  Jahre  stellte  Reitter2  für  diese 
Art  das  Genus  Apholeuonus  auf.  Seither  sind  keine  weiteren 
Apholeuonus- Arten  beschrieben  worden. 

Ich  bin  nun  in  der  glücklichen  Lage,  zwei  neue  Arten  der 
in  Rede  stehenden  Gattung  bekannt  zu  machen  und  zwar 
beide  aus  dalmatinischen  Höhlen.  Die  eine  dieser  Spezies 
(A.  pubescens  m.)  wurde  auf  einer  Höhlentour  entdeckt,  die  im 
September  1901  von  mir  in  Begleitung  meiner  Freunde  Peter 
Novak  und  Anton  Mucalo  in  der  Umgebung  von  Verlicca 
(Zentraldalmatien)  unternommen  wurde.  Die  andere  (A.  Taxi  m.) 
fand  Herr  Franz  Tax  aus  Graz  zusammen  mit  Herrn  Dr.  Ed. 
Karaman  in  einer  von  mir  angegebenen  Höhle  östlich  von 
Spalato. 


1  Apfelbeck  V.:  »Nove  bube  u  pecinama  juzne  Bosne  (Speluncarum 
Coleoptera  nova  e  Bosnia  meridionali)«.  Glasnik  zemaljskog  muzeja  u  Bosni 
i  Herzegovini,  I,  1889,  S.  61 — 65.  (Text  kroatisch,  mit  lateinischen  Diagnosen 
der  neuen  Arten.  Eine  deutsche  Übersetzung  findet  sich  in  den  Wiss.  Mit- 
teilungen aus  Bosnien  und  Herzegowina,  IL  Bd.,  1894,  511  bis  514.) 

*  Deutsche  entoraolog.  Zeitschr.,  1889,  S.  295  und  297. 


78  J.  Müller, 

Wie  weiter  unten  näher  auszuführen  sein  wird,  sind  diese 
beiden  neuen  Spezies  miteinander  seht  nahe  verwandt.  Dagegen 
ist  die  Kluft  zwischen  diesen  beiden  und  Apholeuonus  nudus 
bedeutend  größer,  aber  nach  meiner  Ansicht  zu  einer 
generischen  Abtrennung  doch  nicht  hinreichend.  Ich  habe  es 
daher  vorgezogen,  die  beiden  neuen  Spezies  (pubescens  und 
Taxi)  zur  Gattung  Apholeuonus  zu  stellen,  und  mich  damit 
begnügt,  für  dieselben  ein  eigenes  Subgenus  (Haplotropidius  m.) 
innerhalb  der  genannten  Gattung  zu  kreieren.  Natürlich  muß 
dadurch  das  Genus  Apholeuonus  in  einem  etwas  weiteren  Sinne 
aufgefaßt  und  seine  ursprüngliche  Diagnose  etwas  abgeändert 
werden.  Darauf  werde  ich  aber  später  zurückkommen. 

Nun  soll  zunächst  die  Beschreibung  der  beiden  neuen 
Arten  folgen: 


Apholeuonus  pubescens  nov.  spec. 
Taf.  I,  Fig.  1. 

Ferrugineus,  transparens;  capite  nitidissimo,  latitudine 
sesqui  longiore,  subtiliter  sparsimque  punctulato,  fronte  sub- 
depressa;  autennis  corpore  paulo  longioribus,  articttlo  primo 
pernio  incrassato,  seeundo  prior e  f er e  duplo  longiore,  articulis 
7°,  9°  et  10°  apice  leviter  incrassatis;  prothorace  nitidissimo, 
subtiliter  sparsimque  punctulato,  pilis  brevissimis,  vixperspieuis 
vestito,  paulo  transverso,  latitudine  maxima  in  basi,  adhinc 
usque  ad  medium  vix,  dimidio  anteriore  leviter  angustato, 
augulis  posticis  rectis,  margine  basali  haud  sculptnrato,  lae- 
vissimo,  sed  a  reliqua  colli  parle  nulla  linea  separato;  elytris 
valde  convexis,  subtiliter  pnbescetitibus,  sat  dense  punetatis, 
prothorace  fere  duplo  latioribus,  latitudine  maxima  in  medio, 
in  anteriorem  et  in  posteriorem  partem  fere  aequaliter 
angustatis;  epipleuris  marginem  lateralem  corporis  haud 
attingentibus,  in  parte  ventrali  collocatis,  ad  basin  haud 
fortiter  dilataiis ;  carina  mesosternali  fortiter  elevata,  simplici ; 
abdomine  pube  subtili  et  aequali  vestito;  pedibus  sat  longis, 
femoribus  ad  apicem  vix  angustatis;  tibiis  finissime  spinulosis; 
larsis  auticis  apud  marem  S-articulatis  et  paulo  dilataiis. 


Koleopterengattung  Apholenonus.  79 

Long.  5  —  5m5  mm. 

Habitat  in  antris  dalmaticis  (Verlicca,  Dragovic). 

Rostrot,  durchscheinend,  auf  dem  Kopfe  und  dem  Hals- 
schilde mit  starkem,  auf  den  Flügeldecken  mit  schwächerem 
Glänze. 

Der  Kopf  deutlich  schmäler  als  der  Halsschild,  andert- 
halbmal so  lang  als  breit,  nach  hinten  kaum  verengt  (noch 
schwächer  verengt  als  bei  Apholeuonus  nudus),  auf  der  Stirn 
zwischen  den  Fühlerwurzeln  mit  einem  sehr  seichten  Eindruck. 
Die  Skulptur  des  Kopfes  besteht  aus  einer  äußerst  feinen 
Chagrinierung  und  einzelnen,  ziemlich  feinen  Punkten. 

Die  Fühler  sind  verhältnismäßig  etwas  dicker  und 
bedeutend  länger  als  bei  Apholeuonus  nudus;  sie  ragen  in 
vollkommen  ausgestrecktem  Zustande  über  das  Hinterende  des 
Körpers  hinaus.  Ihr  erstes  Glied  ist  nicht  so  stark  verdickt  wie 
bei  Apholeuonus  nudus  und  nur  wenig  stärker  als  das  zweite; 
dieses  ist  nur  doppelt  so  lang  als  das  erste.  Das  dritte  Glied  ist 
nicht  oder  nur  sehr  wenig  kürzer  als  das  zweite,  das  vierte, 
fünfte  und  sechste  und  zwar  namentlich  das  fünfte  etwas 
länger.  Das  siebente,  neunte  und  zehnte  Glied  gegen  die  Spitze 
sehr  schwach  verdickt,  bedeutend  schwächer  als  bei  A.  nudus. 
Das  achte  Glied  gegen  die  Spitze  kaum  verdickt,  etwas  mehr 
als  halb  so  lang  als  das  siebente;  das  neunte  nur  sehr  wenig, 
das  zehnte  deutlich  kürzer  als  das  siebente;  das  Endglied  fast 
so  lang  als  das  vorletzte,  an  seiner  breitesten  Stelle,  welche 
sich  der  Spitze  näher  befindet  als  der  Basis,  ebenso  dick  als  die 
Spitze  der  beiden  vorhergehenden  Glieder. 

Der  Halsschild  etwas  breiter  als  lang,  mit  der  Maximal- 
breite  an  der  Basis,  von  da  an  bis  zur  Mitte  des  Seitenrandes 
fast  parallel,  in  der  apikalen  Hälfte  dagegen  schwach  verengt. 
Die  Hinterwinkel  rechtwinkelig;  die  Halsschildseiten  der  ganzen 
Länge  nach  scharf  gerandet,  die  Randlinie  in  der  Seitenansicht 
fast  gerade  erscheinend.  Der  Halsschild  ist  so  wie  die  Oberseite 
des  Kopfes  im  Grunde  fein  chagriniert  und  außerdem  mit 
zerstreuten  Pünktchen  besetzt;  längs  der  Basis  befindet  sich, 
ähnlich  wie  bei  A.  nudus,  eine  spiegelglatte,  nicht  skulptierte 
Randleiste,  die  aber  im  Gegensatze  zur  letzgenannten  Spezies 
gegen  die    chagrinierte  Fläche   des  Pronotums   nicht   scharf 


80  J.  Müller, 

abgesetzt  erscheint. l  Erwähnt  sei  noch,  daß  aus  dem  Pünktchen 
des  Halsschildes  äußerst  feine  Härchen  entspringen,  die  aber 
nur  bei  sehr  starker  Vergrößerung  wahrzunehmen  sind. 

Die  Flügeldecken  sind  fein  anliegend  behaart,  stark 
gewölbt,  erheblich  stärker  als  bei  A.  nudus,  von  elliptischem 
Umrisse,  nach  vorn  und  hinten  ziemlich  gleich  stark  verengt, 
mit  der  größten  Breite  in  ihrer  Mitte,  daselbst  meist  doppelt  so 
breit  als  die  Halsschildbasis;  ich  sage  ausdrücklich  »meist«, 
weil  die  Breite  der  Flügeldecken  ganz  erheblich  variiert  und 
zwar  bei  ein-  und  demselben  Geschlechte.  Zwischen  Halsschild 
und  Flügeldecken  ist  ein  deutlicher  einspringender  Winkel 
vorhanden  (im  Gegensatze  zu  A.  Taxi).  Die  Skulptur  der 
Flügeldecken  besteht  aus  einer  feinen,  netzartigen  Chagrinierung 
und  einer  ziemlich  dichten,  aber  mäßig  starken  Punktierung 
(bei  weitem  nicht  so  stark  wie  bei  Apholeuonus  nudus).  Die 
Randleiste2  der  Flügeldecken  ist  der  ganzen  Länge  nach  auf 
die  Ventralseite  des  Körpers  verschoben  und  daher  von  oben 
nicht  sichtbar.  Die  Epipleuren  sind  nach  vorne  nur  allmählich 
erweitert,  vor  der  Basis  kaum  halb  so  breit  als  bei  A.  nuäus. 
Hinter  der  Spitze  der  Flügeldecken  tritt  das  Pygidium  hervor. 

Das  Prosternum  besitzt  in  der  Mitte  des  Basalrandes  einen 
Einschnitt.  Das  Meso-  und  Metasternum  und  die  dazu  gehörigen 
Pleuralstücke  sind  fein  netzartig  chagriniert.  Die  Naht  zwischen 
den  Epimeren  und  Episternen  des  Mesothorax  ist  sehr  deutlich; 


1  Bei  Apholeuonus  nudus  ist  nämlich  die  glatte  Randleiste  an  der  Hals- 
schildbasis durch  eine  feine,  aber  scharfe  Linie  von  der  skulptierten 
Halsschildfläche  getrennt. 

2  Ich  verstehe  unter  diesem  Ausdruck  das,  was  man^bisher  als  »Seiten- 
rand« bezeichnet  hat.  Der  Ausdruck  »Seitenrand«  ist  schon  deshalb  unpassend, 
weil  damit  meistens  doch  nicht  die  seitliche  Grenzlinie  der  Flügeldecken 
gemeint  ist,  sondern  die  daselbst  befindliche,  oft  durch  eine  Furche  abgesetzte 
Leiste;  und  dann  ist  diese  Leiste  nicht  immer  an  den  Seiten  gelegen,  sondern 
manchmal,  wie  z.  B.  in  unserem  Falle,  auf  der  Ventralfläche  des  Körpers.  Ich 
würde  daher  vorschlagen,  den  Ausdruck  »Randleiste«  einzuführen  und 
denselben,  ganz  abgesehen  von  der  geometrischen  Lage,  für  die  äußere 
Begrenzung  der  Epipleuren  zu  gebrauchen;  dann  könnte  man  den  Aus- 
druck »Seitenrand«  in  rein  geometrischem  Sinne  verwenden,  um  damit 
den  Umriß  der  Flügeldecken  zu  bezeichnen,  wie  er  sich  bei  direkter 
Betrachtung  von  oben  ergibt. 


Koleopterengattung  Apholeuonus. 


81 


die  die  Episternen  des  Mesothorax  vom  Mesosternum 
abgrenzende  Naht  ist  nur  hinten  deutlich,  nach  vorne  erlischt 
sie  allmählich.  Die  Epimeren  der  Mittelbrust  sind  deutlich  breiter 
als  bei  A.  nudus,  ihre  Maximalbreite  überschreitet  etwas  jene 
der  Vorderschienen.  Der  Mesosternalfortsatz  reicht  zwischen 
den  Mittelhüften  bis  zum  Vorderrand  des  Metasternums;  der 
Mesosternalkiel  ist  sehr  hoch,  an  seinem  ventralen  Rande 
schwach  ausgebuchtet,  etwas  gesägt  und  mit  Wimperhaaren 
versehen  (vergl.  Textfig.  2).  Das  Abdomen  ist  fein  und  gleich- 
mäßig pubeszent. 

Die  Beine  sind  ziemlich  lang,  die  Schenkel  fast  gleich  breit, 
an  der  Spitze  kaum  verengt.  Die  Tibien  sind  sehr  fein 
abstehend  bedornt;  an  der  Außenseite  der  Vorderschienen  ist 
eine  dichte  Reihe  von  äußerst  kurzen,  aber  ziemlich  dicken 
Dörnchen  vorhanden,  welche  bei  geeigneter  Beleuchtung  von 
hinten    lebhaft    schimmern    und   dadurch   am   leichtesten   zu 


Fig.  l. 


Fig.  2. 


Fig.  3. 


Fig.  1.  Mesosternalkiel  von  Apholeuonus  nuäus  in  der  Seitenansicht; 
Fig  2  derselbe  von  Apholeuonus  pubescens  m.;  co  die  mittleren  Hüfthöhlen. 

Vergr.  48. 
Fig.  3.  Penis  (pc)  samt  Parameren  (pa)  von  Apholeuonus  pubescens  m.,  Seiten- 
ansicht Vergr.  zirka  60. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  6 


82 


J.  Müller, 


'"•. 


erkennen  sind.  Die  Vordertarsen  sind  beim  d"  fünfgliederig, 
schwach  erweitert;  das  erste  Glied  nur  wenig  schmäler  als  die 
Spitze  der  Vorderschienen,  fast  viermal 
so  lang  als  breit;  die  folgenden  allmählich 
schmäler,  das  dritte  und  vierte  nur  halb 
so  lang  als  das  erste;  das  letzte  so  lang 
als  die  drei  ersten  zusammen.  Beim  9 
sind  die  Vordertarsen  viergliederig,  ein- 
fach, das  erste  und  letzte  Glied  sehr 
lang,  die  beiden  mittleren  kurz,  zu- 
sammen etwas  kürzer  als  das  erste. 

Das  männliche  Kopulations- 
organ (vergl.  Textfig.  3  und  4)  ist  1*1  mm 
lang  und  viel  plumper  als  bei  Spelaeo- 
bates  gebaut.1  Der  Penis  stellt  ein  weites, 
ungefähr  in  der  Mitte  eingeknicktes 
Rohr  dar,  welches  im  Basalteil  und  zwar 
auf  der  ventralen  Seite  kragenförmig 
erweitert  ist.  Der  Basalrand  des  Penis- 
rohres  besitzt  zwei  dorsolateral  gelegene, 
von  oben  betrachtet  fast  kreisförmige 
Einschnitte;  der  dazwischen  liegende 
dorsale  Teil  der  Peniswandung  ent- 
sendet jederseits  einen  spitzen  Fortsatz, 
der  die  vordere  Begrenzung  dieser  beiden 
Einschnitte  bildet.  Die  Parameren,  welche  dem  Penis  eng 
anliegen,  sind  wie  bei  Spelaeobates  ventral  verwachsen;  jedoch 
sind  sie  hier  insofern  komplizierter  gebaut,  als  sie  sich  in 
ihrem  Basalteile  in  zwei  Gabeläste  spalten.  Der  eine  Ast  verläuft 
gerade  nach  vorne  und  inseriert  an  dem  oben  erwähnten,  die 
vordere  Begrenzung  der  kreisförmigen  Einschnitte  bildenden 
lateralen  Fortsatz  der  Penisbasis;  der  andere  biegt  auf  die 
Ventralseite,  um  daselbst  mit  dem  der  anderen  Seite  zu  ver- 
wachsen. 

Körperlänge:  5  bis  5*5  mm. 


Fig.  4. 

Penis  und  Parameren  von 

Apholcuonus  pubesecns 

m.,  Dorsalansicht. 

Vergr.  zirka  60. 


1  Vergl.  Jos.  Müller,  Beitr.  z.  K.  der  Höhlensilphiden  in  den  Verhand- 
lungen der  k.  k.  zoolog.-botan.  Gesellschaft  in  Wien,  1901,  Taf.  I,  Fig.  7  und  9. 


Koleopterengattung  Apholeuonus.  83 

Fundort:  Höhlen  bei  Verlicca  und  Dragovic  (Zentral- 
dalmatien). 

Apholeuonus  Taxi  nov.  spec. 

Taf.  I,  Fig.  2. 

Aph.  pubescenti  m.  affinis,  sed  praecipue  sequentibus  notis 
bene  distinctus.  Antennarutn  articulo  primo  minus  incrassato, 
sectmdo  prior e  paulo  magis  quam  sesqni  longiore;  protkorace 
finissitne,  sed  perspique  pubescente,  transverso,  basi  latitudine 
maxima,  adhinc  ad  apicem  fere  rede  angusiato,  angulis 
posiicis  acutis;  elytris  prothorace  paulo  magis  quam  sesqni 
latioribns,  latitudine  maxima  in  medio,  vel  paulo  pone  medium, 
ad  apicem  magis  angustatis  quam  basin  versus. 

Long.  5  -  5  mm. 

Habitat  in  antro  quodam  Dalmatiae  centralis  (Kotlenice). 

Mit  der  vorigen  Spezies  in  allen  wesentlichen  Merkmalen 
übereinstimmend,  jedoch  in  folgenden  Punkten  verschieden: 

Das  erste  Fühlerglied  ist  noch  schmäler  und  länger,  das 
zweite  nur  anderthalb  so  lang  als  das  erste. 

Kopf  und  Halsschild  ist  etwas  stärker  und  dichter 
punktiert,  der  letzte  ist  zwar  sehr  fein,  aber  deutlicher  als  bei 
der  vorigen  Spezies  behaart;1  die  Hinterwinkel  des  Halsschildes 
spitzwinkelig,  daher  die  Seiten  schon  von  der  Basis  an  nach 
vorne  (fast  geradlinig)  konvergierend;  der  Seitenrand  des 
Halsschildes  erscheint  bei  seitlicher  Betrachtung  vor  den 
Hinterecken  in  schwachem,  nach  unten  konkavem  Bogen 
gekrümmt. 

Die  Flügeldecken  sind  nur  anderthalbmal  so  breit  als  die 
Halsschildbasis  und  nach  vorne  schwächer  als  nach  hinten 
verengt;  zwischen  Flügeldecken  und  Halsschild  ist  bei  Be- 
trachtung von  oben  kaum  ein  deutlich  einspringender  Winkel 
zu  erkennen. 

Die  Beine  sind  etwas  robuster  gebaut,  namentlich  die 
Schenkel. 

Länge:  5' 5  mm. 


1  Trotzdem  ist  diese  feine  Pubeszenz  des  Halsschildes  nur  bei  starker 
Vergrößerung  deutlich  wahrnehmbar! 

6* 


84  J.  Müller, 

Fundort:  Höhle  westlich  von  Spalato  (Kotlenice). 

(Das  männliche  Kopulationsorgan  ist  von  derselben  Größe 
wie  bei  Apholeuonus  pubescens  und  auch  sonst  demjenigen  der 
letztgenannten  Spezies  sehr  ähnlich.) 


Es  erübrigt  mir  noch,  die  Umgrenzung  der  durch  die 
beiden  oben  beschriebenen  Arten  bereicherten  Gattung  Apho- 
leuonus festzustellen. 

Als  Reitter  (1.  c.)  für  den  Hexaurus  nudus  Apfelbeck 
die  Gattung  Apholeuonus  kreierte,  konnte  er  dieselbe  durch  die 
kahle  Oberseite,  das  kurze  erste  Fühlerglied,  den  vorne  haken- 
förmig vortretenden  Mesosternalkiel,  die  Form  des  Halsschildes 
und  das  hinter  der  Spitze  der  Flügeldecken  hervortretende 
Pygidium  scharf  definieren.  Ganglbauer1  machte  in  seiner 
Beschreibung  der  Gattung  Apholeuonus  auch  noch  auf  die 
glatte  Randleiste  an  der  Halsschildbasis,  auf  die  vorne  sehr 
breiten  Epipleuren  der  Flügeldecken  und  auf  die  nicht 
erweiterten  fünfgliederigen  Vordertarsen  des  cf  aufmerksam. 

So  war  bis  jetzt  die  Gattung  Apholeuonus  eine  der  am 
schärfsten  umgrenzten  Gattungen  der  Höhlensilphiden.  Durch 
das  Bekanntwerden  der  beiden  oben  beschriebenen  dalmatini- 
schen Arten  (A.  pubescens  und  Taxi)  müssen  aber  mehrere 
Merkmale,  denen  man  bisher  generischen  Wert  beigelegt  hat, 
aus  der  Definition  der  Gattung  Apholeuonus  entfallen,  so  das 
Fehlen  der  Behaarung  auf  der  Oberseite,  die  starke  Erweiterung 
der  Epipleuren  der  Flügeldecken  in  ihrem  vorderen  Teile,  der 
Besitz  eines  zahnartigen  Vorsprunges  am  Mesosternalkiel  und 
nicht  erweiterter  Vordertarsen  im  männlichen  Geschlechte.  Die 
Angabe  über  die  relative  Länge  des  ersten  Fühlergliedes  muß 
wenigstens  eine  Einschränkung  erfahren,  da  dasselbe  bei  A. 
pubescens  und  Taxiy  wenn  auch  kürzer  als  das  zweite  Glied, 
doch  relativ  erheblich  länger  als  bei  A.  nudus  ist.2  Freilich 
verliert  dadurch  die  Umgrenzung  der  Gattung  Apholeuonus  an 


i  Die  Käfer  von  Mitteleuropa,  III.  Bd.,  S.  86. 

2  Bei  Apholeuonus  nudus  ist  das  erste  Fühlerglied  nur  ein  Drittel  so 
lang,  bei  pubescens  halb  so  lang  und  bei  Taxi  fast  zwei  Drittel  so  lang  als 
das  zweite. 


Koleopterengattung  Apholeuonus.  85 

Schärfe;  trotzdem  läßt  sich  aber  dieses  Genus  als  solches 
aufrechterhalten.  Wir  wollen  nun  auf  die  Unterschiede,  welche 
zwischen  der  Gattung  Apholeuonus  im  weiteren  Sinne  (nämlich 
mit  den  drei  Arten  nuäus,  pubescens  und  Taxi)  und  den 
verwandten  Genera  bestehen,  kurz  eingehen,  um  so  zur  Auf- 
stellung der  Gattungscharakteristik  zu  gelangen. 

Was  zunächst  die  Unterscheidung  von  dem  mit  Apho- 
leuonus habituell  etwas  ähnlichen  Propus  (Protobraharthron) 
Reitteri  betrifft,  so  muß  in  erster  Linie  auf  den  Mesosternal- 
fortsatz  hingewiesen  werden.  Dieser  reicht  nämlich  bei 
Apholeuonus  bis  an  den  Vorderrand  des  Metasternums, 
während  er  bei  Propus  und  sämtlichen  von  mir  in  meinem 
Beitrag  zur  Kenntnis  der  Höhlensilphiden *  behandelten 
Gattungen  mehr  oder  minder  abgekürzt  erscheint  und  daher 
das  Metasternum  nicht  erreicht.  Ferner  ist  bei  Protobraharthron 
Reitteri  der  Halsschild  schmäler,  um  ein  Drittel  länger  als 
breit,  hinter  der  Mitte  ausgeschweift;  bei  Apholeuonus  ist  da- 
gegen der  Halsschild  mehr  oder  minder  quer  und  hinter  der 
Mitte  nicht  ausgeschweift.  Ob  bei  Protobraharthron  Reitteri 
die  für  Apholeuonus  charakteristische  glatte  Randleiste  an  der 
Halsschildbasis  fehlt,  kann  ich  vorläufig  nicht  mitteilen,  da  mir 
zur  Zeit  von  der  erstgenannten  Form  kein  Exemplar  vorliegt; 
sollte  dies  der  Fall  sein,  so  würde  sich  ein  weiterer  Unterschied 
zwischen  den  beiden  in  Rede  stehenden  Formen  ergeben. 

Von  der  Gattung  Hexaurus  Reitt,  von  der  mir  durch  die 
Freundlichkeit  des  Herrn  Kustos  L.  Ganglbauerin  Wien  drei 
Exemplare  vorliegen,  läßt  sich  das  Genus  Apholeuonus  i.  w.  S. 
folgendermaßen  abgrenzen.  Das  erste  Fühlerglied  ist  bei 
Hexaurus  mindestens  so  lang  als  das  zweite  —  bei  Apholeuonus 
erheblich  kürzer;  an  der  Halsschildbasis  ist  bei  Hexaurus  — 
im  Gegensatze  zu  Apholeuonus  —  eine  deutliche  glatte  Rand- 
leiste nicht  vorhanden.  Die  Flügeldecken  sind  bei  Hexaurus 
weniger  gewölbt,  ihre  Randleiste  befindet  sich  am  Seitenrande 
des  Körpers;  bei  Apholeuonus  ist  hingegen  die  Randleiste  der 
Flügeldecken  wenigstens  größtenteils  auf  die  Ventralseite  des 


i  Vergl.  Verhandlungen  der  k.  k.  zoolog.-botan.  Gesellschaft  in  Wien, 
1901,  S.  27  bis  29. 


86  J.  Müller, 

Körpers  verschoben.  Schließlich  ist  hervorzuheben,  daß  nach 
Reitter  die  Vordertarsen  des  Männchens  von  Hexaurus  nur 
viergliederig  sind,  was  ich  leider  an  den  mir  vorliegenden  drei 
Exemplaren  des  Wiener  Hofmuseums  nicht  nachprüfen  kann. 
Allerdings  zeigen  alle  drei  Exemplare  nur  viergliederige  Vorder- 
tarsen; nur  müßte  man  durch  Untersuchung  des  Kopulations- 
apparates feststellen,  ob  darunter  auch  wirklich  männliche 
Exemplare  vorhanden  sind. 

Von  der  neulich  beschriebenen  Gattung  Leonhardia  Re  i  1 1. l 
differiert  unser  Genus  Apholeuonus  schon  durch  seine 
bedeutendere  Größe  und  die  hinter  der  Mitte  nicht  aus- 
geschweiften Halsschildseiten.  Dann  ist  bei  Leonhardia  die 
Randleiste  der  Flügeldecken  ungefähr  an  dessen  Seitenrande 
gelegen,  nicht  oder  kaum  auf  die  Ventralseite  des  Körpers 
verschoben.  Eine  spiegelglatte,  nicht  skulptierte  Randleiste  an 
der  Halsschildbasis,  wie  wir  sie  bei  sämtlichen  bisher  bekannten 
Apholeuonus- Arten  antreffen,  fehlt  bei  Leonhardia;  überhaupt 
ist  die  Skulptur  des  Halsschildes  bei  den  zwei  hier  verglichenen 
Gattungen  total  verschieden.  Das  erste  Glied  der  Vordertarsen 
des  tf  von  Leonhardia  ist  nicht  länger  als  das  zweite,  während 
es  bei  den  Apholeuonus- Arten  erheblich  länger,  gestreckter  ist. 
Schließlich  sei  noch  erwähnt,  daß  die  Schienen  bei  Apholeuonus 
fein  bedornt  sind,  was  bei  Leonhardia  nicht  deutlich  zu 
sehen  ist.2 


i  Wiener  entom.  Zeitung,  1901,  S.  128. 

2  Ich  muß  hier  bemerken,  daß  mir  von  der  Gattung  Leonhardia  nur  die 
L,  Hilft  Reitt.  (Wiener  entom.  Zeitung,  1891,  S.  128)  vorliegt,  nach  der  allein 
die  oben  erwähnten  generischen  Unterschiede  zwischen  Leonhardia  und 
Apholeuonus  zusammengestellt  sind.  Die  später  beschriebene  L.  Reitteri  Breit 
<Soc.  entom.,  1902,  Nr  12,  p.  89;  Wiener  entom.  Zeitung,  1902,  S.  223)  ist  mir 
in  natura  nicht  bekannt. 

Als  Ergänzung  der  Reitter'schen  Beschreibung  der  Leonhardia  Hilft 
möchte  ich  noch  erwähnen,  daß  die  erweiterten  Vordertarsen  des  tf  so  breit 
als  die  Spitze  der  Vordertibien  sind;  ihre  einzelnen  Glieder  besitzen  am 
Vorderrande  einen  tiefen,  winkeligen  Einschnitt,  aus  dem  das  folgende  Glied 
entspringt.  Die  Schenkel  sind  vor  der  Spitze  ein  wenig  verengt.  Der  Hinterrand 
des  Prosternums  besitzt  in  der  Mitte  einen  kleinen  Einschnitt.  Am  Mesothorax 
sind  sowohl  die  Epiraeren  von  den  Episternen  als  auch  diese  letzteren  vom 
Mesosternum  durch  deutliche  Nähte  getrennt.  Der  Mesosternalfortsatz  ist  nach 


Koleopterengattung  Apholcuonus.  87 

Von  Spelaeodromus  und  Pholeuo»  (die  man  vielleicht 
besser  zu  einer  einzigen  Gattung  vereinigen  könnte)  unter- 
scheiden sich  die  Apkoleuonus-Axten  schon  habituell  durch  die 
viel  breiteren  Flügeldecken,  weiters  durch  das  hinter  der  Spitze 
der  Flügeldecken  etwas  hervortretende  Abdomen,  durch  die 
hinter  der  Mitte  nicht  ausgeschweiften  Halsschildseiten,  den 
spiegelglatten  Streifen  an  der  Halsschildbasis  und  die  Lage  der 
Randleiste  der  Flügeidecken.  Diese  ist  nämlich  bei  Pkolenon 
und  Spelaeodromus  nicht,  respektive  nur  sehr  wenig  gegen  die 
Ventraiseite  verschoben  im  Gegensatze  zu  Apholeuonus,  wo  sie 
sich,  ziemlich  weit  vom  Seitenrande  des  Körpers  entfernt,  auf 
dessen  Ventralseite  befindet.  Von  Spelaeodromus  speziell  unter- 
scheidet sich  unsere  Gattung  Apholeuouns  auch  durch  die  fein 
bedornten  Schienen  und  namentlich  durch  die  dichte  Reihe  von 
kurzen,  aber  ziemlich  dicken  Dörnchen  an  der  Außenseite  der 
Vordertibien. 

Aus  diesen  Betrachtungen  ergibt  sich  für  unsere  Gattung 
Apholeuonus  i.  w.  S.  (nämlich  mit  den  drei  Spezies:  nudus, 
pnbescens  und  Taxi)  folgende  Diagnose: 

Ziemlich  groß.  Kopf  bedeutend  schmäler  als  der 
Halsschild;  dieser  mehr  oder  minder  quer,  die  Seiten 
hinter  der  Mitte  nicht  ausgeschweift,  am  Basalrande 
mit  einem  spiegelglatten,  unskulptierten  Streifen. 
Flügeldecken  erheblich  breiter  als  der  Halsschild, 
etwas  blasenförmig  angeschwollen,  mehr  oder  minder 
dicht,  einfach  punktiert;  ihre  Randleiste  wenigstens 
größtenteils  vom  Seitenrande  des  Körpers  abgerückt, 
auf  dessen  Ventralseite  verschoben.  Das  Pygidium 
von  den  Flügeldecken  nicht  ganz  bedeckt.  Das  erste 
Fühlerglied  kürzer  als  das  zweite.  Die  Tibien  sehr 
fein  bedornt,  an  der  Außenseite  der  Vorderschienen 
eine  dichte  Reihe  von  kurzen,  aber  ziemlich  dicken 
Dörnchen.  Vordertarsen  beim  c?  fünfgliederig.  Pro- 
sternum  in  der  Mitte  des  Basalrandes  ausgeschnitten; 


hinten  bis  zum  Metasternum  verlängert.  An  den  Fühlern  sind  nicht,  wie 
Reitter  angibt,  »die  letzten  fünf  Glieder  fast  doppelt  stärker  als  die  anderen«, 
denn  das  achte  Glied  ist  wie  gewöhnlich  einfach,  nicht  erweitert. 


88  J.  Müller, 

Mesosternalfortsatz     bis     an     das    Metastern  um 
reichend. 

Die  so  definierte  Gattung  Apholeuonus  zerfällt  naturgemäß 
in  zwei  Subgenera: 

Subgen.  Apholeuonus  s.  str. 

Oberseite  unbehaart.  Der  Kiel  des  Mesosternums  niedrig, 
vorne  zahnförmig  vortretend  (vergl.  Textfig.  1).  Randleiste  der 
Flügeldecken  größtenteils  auf  die  Ventralseite  des  Körpers 
verschoben,  nur  im  basalen  Viertel  am  Seitenrande  befindlich, 
daher  die  Epipleuren  der  Flügeldecken  vorne  sehr  breit.  Die 
glatte  Randleiste  an  der  Basis  des  Halsschildes  durch  eine 
feine  aber  scharfe  Linie  von  der  skulptierten  Fläche  abgegrenzt. 
Vordertarsen  beim  d*  einfach. 

Hieher  Apholeuonus  nudus  Apfelb. 

(Zur  Ergänzung  der  Beschreibung  dieser  Spezies  in 
Ganglbauer's  Werke  »Die  Käfer  von  Mitteleuropa«  Bd.  III, 
S.  86,  möchte  ich  folgendes  bemerken: 

Die  Mittel-  und  Hinterbrust  sind  äußerst  dicht  schuppig 
gekörnt.  Die  die  Seitenstücke  des  Mesothorax  abgrenzenden 
Nähte  sind  undeutlich;  namentlich  die  Naht  zwischen  den 
Epimeren  und  Episternen  ist  nur  bei  gewissen  Stellungen 
erkennbar.  Hat  man  diese  Naht  gefunden,  so  sieht  man,  daß  die 
Epimeren  schmale,  bogenförmige  Stücke  darstellen,  welche  von 
außen  und  hinten  die  Episternen  umgeben  und  keinesfalls 
breiter,  eher  etwas  schmäler  als  die  Spitze  der  Vorderschienen 
sind.  Die  Mitte  des  Metasternums  und  das  Abdomen  sind 
behaart  und  zwar  ist  die  Behaarung  des  Abdomens  ganz 
deutlich  eine  doppelte,  neben  einer  feinen,  anliegenden,  kurzen 
und  ziemlich  dichten  Grundbehaarung  sind  zerstreute,  erheblich 
längere  und  mehr  abstehende  Haare  vorhanden. 

Das  männliche  Kopulationsorgan  ist  1  mm  lang,  also  etwas 
kürzer  als  bei  A.  pubescens  und  Taxi.  In  der  Seitenansicht  ist 
es  etwas  plumper  als  bei  den  letztgenannten  Spezies  und  fast 
gleichmäßig  gebogen  (nicht  eingeknickt).  Bei  Betrachtung  von 
der  Dorsalseite  erscheint  das  männliche  Begattungsorgan  nicht 
so  parallelseitig  wie  bei  den  zwei  anderen  Apholeuonus- Arten: 
an  der  Stelle,  wo  sich  die  Parameren  gabeln,  ist  es  deutlich 


Koleopterengattung  Apholeuonus.  89 

verengt,  erheblich  schmäler  als  an  der  Basis.  Eine  Folge  dieser 
Verengung  ist,  daß  die  dorsalen  Gabeläste  der  Parameren 
einander  erheblich  näher  gerückt  sind  als  bei  A.  pubescens 
und  Taxi.) 

Subgen.  Haplotropidius 1  mihi. 

Flügeldecken  oder  auch  der  Halsschild  behaart.  Der  Kiel 
des  Mesosternums  hoch,  vorne  nicht  zahnförmig  vortretend 
(vergl.  Textfig.  2).  Randleiste  der  Flügeldecken  auch  vorne 
vom  Seitenrande  abgerückt,  auf  die  Ventralfläche  des  Körpers 
verschoben,  daher  die  Epipleuren  der  Flügeldecken  vorne  nicht 
viel  breiter  als  hinten.  Die  glatte  Randleiste  an  der  Halsschild- 
basis nicht  scharf  abgegrenzt.  Die  Vordertarsen  des  $  schwach 
erweitert. 

Hieher  die  oben  ausführlich  beschriebenen  Arten  pube- 
scens m.  und  Taxi  m. 

Nachtrag. 

Erst  nach  Fertigstellung  dieser  Arbeit  ist  es  mir  gelungen, 
ein  Exemplar  (rf)  der  mir  bei  der  Aufstellung  der  Gattungs- 
unterschiede zwischen  Leonhardia  und  Apholeuonus  nicht 
vorgelegenen  Leonhardia  Reitteri  Breit  zu  bekommen.  Eine 
Untersuchung  desselben  ergab,  daß  die  oben  (S.  86)  angegebenen 
Unterschiede  zwischen  den  beiden  genannten  Gattungen  auch 
für  Leonhardia  Reitteri  zutreffen. 


i  Von  ÄzXoog  =  einfach  und  Tporc'.g  =  der  Kiel. 


90  J.  Müller,  Keleopterengattung  Aphohtionus. 


Tafelerklärung. 

Fig.  1.  Apholeuoniis  (Haploiropidius)  pubescens  nov.  spec,  cf.  Vergr.  8. 
Fig.  2.  Apholenonus  (Haplotropidius)  Taxi  nov.  spec.,  (^.  Vergr.  8. 
Fig.  3.  Apholeuontts  nudus  Apfelb.,  tf.  Vergr.  8. 

Anmerkung.  In  Fig.  1  konnten  die  letzten  fünf  Glieder  des  linken 
Fühlers  wegen  Raummangels  nicht  dargestellt  werden  und  dasselbe  gilt  für 
den  rechten  Fühler  in  Fig.  2.  Ferner  ist  in  Fig.  1  und  2  die  feine  Behaarung 
der  Flügeldecken  und  in  Fig.  2  die  äußerst  feine  Pubeszenz  des  Halsschildes 
nicht  eingezeichnet  worden. 


J.  Müller:  Koleopteren-Gattung  Apholeuonus. 


Tafel  1. 


Autor  dcl. 


Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXII.,  Abt.  I,  UK)M. 

Lichtdruck  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckeret. 


91 


VI.  SITZUNG  VOM  19.  FEBRUAR  1903. 


Erschienen:   Monatshefte  für  Chemie,  Band  XXIV,  Heft  I  (Jänner  1003). 

Das  Generalsekretariat  des  internationalen  bota- 
nischen Kongresses  in  Wien  übersendet  die  Mitteilung  von 
der  Wahl  des  Organisationskomitees  für  den  im  Jahre  1905  in 
Wien  abzuhaltenden  internationalen  botanischen  Kongreß. 

Von  Seite  der  Dampfschiffahrtsgesellschaft  des 
österreichischen  Lloyd  in  Triest  ist  folgendes,  die  von 
der  kaiseri.  Akademie  nach  Brasilien  entsendete  zoologische 
Expedition  betreffende  Telegramm  eingelangt:  »Orion  Sonn- 
tag 15./2.  Pernambuco  eingelaufen.  Lloyd«. 

Dr.  Wolfgang  Pauli  in  Wien  übersendet  eine  weitere  Ver- 
öffentlichung über  seine  mit  Unterstützung  der  kaiseri.  Aka- 
demie der  Wissenschaften  vorgenommenen  Untersuchungen 
über  physikalische  Zustandsänderungen  der  Kolloide, 
welche  im  4.  bis  6.  Hefte  des  HI.  Bandes  der  »Beiträge  zur 
chemischen  Physiologie  und  Pathologie« (Braunschweig, 
1902)  erschienen  sind. 

K.  k.  Bergrat  Leopold  Schneider  in  Wien  übersendet 
eine  Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Die  Löslichkeit  der  Salze 
im  Wasser  und  ihre  Beziehung  zur  Salzgewinnung 
aus  dem  Meere«. 

Privatdozent  Dr.  Franz  Werner  in  Wien  übersendet  eine 
Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Mikroskopische  Süßwasser- 
tiere aus   Kleinasien.«  Mit  Unterstützung  der  kaiser- 
lichen    Akademie    der   Wissenschaften    in  Wien    ge- 
sammelt     im     Jahre    1900     von     Dr.     Franz    Werner. 


92 

Bearbeitet  von  Prof.  Dr.  Eugen  v.  Daday  in  Budapest.  Nebst 
einem  Anhange:  »Phytoplankton  aus  Kieinasien«.  Be- 
arbeitet von  Josef  Brunnthaler. 

Das  w.  M.  Prof.  F.  Becke  überreicht  eine  Arbeit  aus  dem 
mineralogisch-petrographischen  Institute  der  k.  k.  Universität 
in  Graz  von  K.  Went,  betitelt:  Ȇber  einige  melanokrate 
Gesteine  des  Monzoni«. 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Foveau  de  Courmelles,  Dr.:  L'annee  electrique  electro- 
therapique  et  radiographique.  Revue  annuelle  des  progres 
electriques  en  1902.  Troisieme  annee.  Paris,  1903.  8°. 

Heil,  Albrecht:  Beobachtungen  über  thermoelektrische  Ströme 
und  Mitteilungen  über  ein  neues  Thermoelement.  (Sonder- 
abdruck aus  »Zeitschrift  für  Elektrochemie«,  1903,  Nr.  5.) 

Lebon,  Ernest:  Sur  un  manuscrit  d'un  cours  de  J.  N.  Deliste 
au  College  royal.  Paris,  1902.  8°. 

Pannekoek,  Ant.:  Untersuchungen  über  den  Lichtwechsel 
Algols.  Leiden,  1902.  8°. 

Popoff,  Boris:  Über  Rapakiwi  aus  Süd-Rußland.  (Mit  4  Tafeln.) 
St.  Petersburg,  1903.  8°. 

Saint-Lager,  Dr.:  La  perfidie  des  synonymes  devoilöe  ä  pro- 
pos  d'un  astragale.  Lyon,  1901.  8°. 
—  Histoire  de  TAbrotonum.  Signification  de  la  desinence  Ex 
de  quelques  noms  de  plantes.  Paris,  1900.  8°. 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXII.  BAND.  III.  HEFT. 


ABTEILUNG  I. 

ENTHÄLT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MINERALOGIE, 

KRYSTALLOGRAPHIE,  BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 

PALÄONTOLOGIE,  GEOLOGIE,  PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  UND  REISEN. 


11 


95 


VII.  SITZUNG  VOM  5.  MÄRZ  1903. 


Erschienen:   Sitzungsberichte,  Bd.  111,  Abt.  I,  Heft  VII  (Juli   1902).  — 
Abt  II  b,  Heft  VI  und  VII  (Juni  und  Juli  1902). 

Das  Ministerio  di  Pubblica  Istruzione  in  Rom  über- 
sendet als  Geschenk  den  XII.  Band  des  Druckwerkes:  »Le 
opere  di  Galileo  Galilei.  Edizione  nationale  sotto 
gli  auspicii  di  Sua  Maesta  il  Rc  d*  Italia«. 

Das  Sekretariat  des  XIV.  internationalen  Kongresses 
für  Thalassotherapie  übersendet  eine  Einladung  zu  der  vom 
19.  bis  21.  April  1903  in  Madrid  abzuhaltenden  Versammlung. 

Die  Dampfschiffahrts-Gesellschaft  des  österrei- 
chischen Lloyd  in  Triest  übersendet  folgendes  weitere,  die 
akademische  Expedition  nach  Brasilien  betreffende  Telegramm 
vom  24.  Februar  1.  J.:  »Orion  Bahia  eingetroffen«. 

Dr.  Josef  Wiesel  in  Wien  übersendet  einen  Sonder- 
abdruck seiner  im  91.  Bande  des  Archivs  für  die  gesamte 
Physiologie  veröffentlichten  Arbeit:  »Über  die  funktionelle 
Bedeutung  der  Nebenorgane  des  Sympathi  cus(Zucker- 
kandl)  und  der  chromaffinen  Zellgruppen«,  in  welcher 
ein  Teil  des  Materials  verwendet  wurde,  weiches  derselbe  an 
derk.  k.  zoologischen  Station  in  Triest  mittels  Subvention  der 
kaiserlichen  Akademie  angeschafft  hat. 

Das  w.  M.  Hofrath  J.  Hann  übersendet  eine  Abhandlung 
von  Herrn  Ladistaus  Satke  in  Tarnopol,  welche  den  Titel 
führt:  »Die  tägliche  Periode  und  Veränderlichkeit  der 
relativen  Feuchtigkeit  in  Tarnopol*. 

Das  k.  M.  Hofrat  A.  Bauer  übersendet  eine  vorläufige 
Mitteilung  von  Prof.  M.  Bamberger  und  A.  Landsiedl  über 
ein  Vorkommen  von  Harnstoff  im  Pflanzenreiche. 


96 

Das  k.  M.  Prof.  Dr.  G.  Haberlandt  übersendet  eine  Arbeit 
des  Assistenten  am  botanischen  Institute  der  Universität  Graz, 
Dr.  Otto  Porsch:  »Zur  Kenntnis  des  Spaltöffnungs- 
apparates submerser  Pflanzenteile«. 

Hofrat  Prof.  W.  F.  Loebisch  übersendet  eine  im  Labora- 
torium für  medizinische  Chemie  der  k.  k.  Universität  in  Innsbruck 
von  ihm  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  Assistent  Max  Fischler 
ausgeführte  Arbeit:  »Über  einen  neuen  Farbstoff  in  der 
Rindergalle*. 

Stud.  med.  Gottwald  Schwarz  in  Wien  übersendet 
eine  Mitteilung  aus  dem  Röntgeninstitute  des  Sanatoriums 
Low  über  die  assimilatorische  Wirkung  der  Röntgen- 
strahlen. 

Herr  Wilhelm  Lausch  in  Wien  übersendet  ein  ver- 
siegeltes Schreiben  behufs  Wahrung  der  Priorität  mit  der  Auf- 
schrift: »Eine  neue  mathematische  Entdeckung«. 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  eine  mit  Unter- 
stützung der  kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften  in  dem 
physiologisch-chemischen  Institut  der  Universität  Straßburg 
ausgeführte  Arbeit:  »Zur  Kenntnis  des  Suprarenins«  von 
Dr.  O.  v.Fürth. 

Prof.  Hans  v.  Jüptner  legt  eine  Arbeit  über  die  Disso- 
ziation des  Stickstofftetroxydes  vor. 

Das  w.  M.  Hofrat  F.  Mertens  legt  eine  Abhandlung  von 
Prof.  Dr.  Georg  Pick  an  der  k.  k.  deutschen  Universität  in 
Prag  vor,  welche  den  Titel  führt:  »Über  lineare  Differential- 
gleichungen in  invarianter  Darstellung«. 

Das  w.  M.  Prof.  K.  Grobben  überreicht  das  von  dei 
Verlagsbuchhandlung  A.  Holder  in  Wien  der  kaiserlichen 
Akademie  geschenkweise  überlassene  3.  Heft  des  XIV.  Bandes 
der  »Arbeiten  aus  den  zoologischen  Instituten  der 
Universität  Wien  und  der  zoologischen  Station  in 
Triest«. 


97 


Zur  Kenntnis  des  Spaltöffhungsapparates 
submerser  Pflanzenteile 

von 
Dr.  Otto  Porsch, 

Assistenten  am  botanischen  Institute  der  k.  k.  Universität  Graz. 

Aus  dem  botanischen  Institute  der  k.  k.  Universität  Graz. 

(Mit  3  Doppeltafeln.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  5.  März  1903.) 

Einleitung. 

Die  vorliegende  Untersuchung  hat  kurz  folgende  Vor- 
geschichte. Auf  Grund  phylogenetischer  Studien  über  den 
Spaltöffnungsapparat  gelangte  ich  zu  dem  Ergebnisse,  daß 
derselbe  als  ein  in  langer,  allmählicher  Anpassungsgeschichte 
erworbener  Organkomplex  mit  großer  Zähigkeit  erblich  fixiert 
wird.  Dies  spricht  sich  nicht  bloß  darin  aus,  daß  eine  einmal 
erreichte  Organisationshöhe  desselben  wenigstens  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  auch  dann  noch  vererbt  wird,  wenn  die 
ursprünglich  ihr  zukommende  Funktion  von  einer  späteren 
leistungsfähigeren  Neuerwerbung  übernommen  wurde,  nicht 
nur  in  der  Tatsache,  daß  in  vielen  Fällen  die  Hauptetappen  der 
Anpassungsgeschichte  des  Apparates  heute  noch  im  Laufe  der 
ontogenetischen  Entwicklung  des  Individuums  nachweisbar 
sind,  sondern  vor  allem  darin,  daß  es  Fälle  gibt,  wo  der 
Apparat  selbst  dann,  wenn  er  für  die  Pflanze  nicht  nur 
überflüssig  ist,  sondern  seine  Ausbildung  für  diese 
sogar  eine  gewisse  Gefahr  einschließt,  noch  nicht 
preisgegeben  wird,  sondern  diese  lieber  zu  sekundä- 
ren Einrichtungen  greift,  den  eventuellen  schädlichen 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  Bd.  CXII,  Abt.  1 .  7 


98  O.  Porsch, 

Folgen  der  Ausbildung  dieses  Erbstückes  wirksam  zu 
begegnen  als  dasselbe  einfach  gänzlich  zu  unter- 
drücken. 

Indem  ich  die  ausführliche  Darstellung  der  oben  erwähnten, 
rein  phylogenetischen  Ergebnisse  einer  späteren,  vorzugsweise 
der  Phylogenie  des  Apparates  gewidmeten  Arbeit  vorbehalte, 
möchte  ich  im  folgenden  bloß  das  letzgenannte  Hauptergebnis 
an  dem  im  Titel  bezeichneten  Spezialfälle  näher  beleuchten. 
Die  Untersuchung  dieser  Teilfrage,  deren  Besprechung  ur- 
sprünglich als  ein  Kapitel  der  phylogenetischen  Hauptarbeit 
gedacht  war,  lieferte  derart  einheitliche  Ergebnisse,  daß  ihre 
getrennte  Publikation  geboten  schien. 

Die  oben  erwähnten  Gesichtspunkte  führten  naturgemäß 
zunächst  zur  Forderung,  daß  an  assimilierenden  Organen, 
welche  in  verschiedener  Höhe  ihrer  Ausdehnung  gleichzeitig 
dauernd  den  beiden  Medien  Luft  und  Wasser  ausgesetzt  sind, 
wobei  wegen  der  wechselnden  Höhe  des  flüssigen  Mediums  in 
der  histologischen  Differenzierung  der  Epidermis  eine  scharfe 
Grenze  nicht  zu  erwarten  war,  auch  in  dem  dauernd  unter- 
getauchten Teile  derselben  bis  zu  einer  gewissen  Tiefe  noch 
Spaltöffnungen  entwickelt  werden.  Am  ehesten  war  dies  bei 
jenen  Formen  zu  erwarten,  welche  noch  nicht  ausschließlich 
oder  wenigstens  nicht  weitgehend  dem  Wasserleben  angepaßt, 
bei  niedrigstem  Wasserstande  auch  auf  sumpfigem  Boden  zu 
vegetieren  imstande  sind.  Umgekehrt  standen  bei  hochgradig, 
beziehungsweise  ausschließlich  an  das  Wasserleben  angepaßten 
oder  zeitlebens  gänzlich  untergetauchten  Formen  die  Aussichten 
für  die  vorliegende  Frage  viel  ungünstiger,  dabei  der  weitgehenden 
und  auch  zeitlich  weit  zurückreichenden  Differenzierung  nach 
dieser  Richtung  hin  die  vollständige  Auslöschung  des  dem 
ehemaligen  terrestrischen  Leben  angehörigen  Erbstückes  voraus- 
zusehen war. 

Da  nun  in  der  Ausbildung  des  Apparates  in  der  bezeich- 
neten Region  zum  mindesten  die  Gefahr  der  Infiltration  der 
Interzellularräume  des  Durchlüftungssystems  mit  Wasser  liegt,1 

1  In  zweiter  Linie  wäre  in  Betracht  zu  ziehen,  daß  der  Apparat  in  dieser 
Region  bei  physiologisch  und  histologisch  normalem  Verhalten  eine  gefähr- 
liche Eingangspforte  für  Bakterien,  parasitische  Pilze  etc.  bilden  könnte. 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  99 

war  eine  Umbildung  desselben  im  Sinne  einer  Verhinderung 
dieser  Eventualität  wahrscheinlich.  Wir  werden  im  folgenden 
sehen,  daß  die  eben  geäußerten  Gesichtspunkte  durch  die 
daraufhin  untersuchten  Arten  auch  ihre  Bestätigung  finden. 
Der  Apparat,  welcher  in  seiner  Haupteigenschaft  als 
Regulator  des  Gasaustausches  an  den  dauernd  der 
Luft  ausgesetzten,  assimilierenden  Teilen  der  Pflanze 
die  doppelte  Funktion  der  Freihaltung,  beziehungs- 
weise Sistierung  der  Kommunikation  zwischen  dem 
inneren  Durchlüftungssystem  und  dem  Medium  der 
umgebenden  Luft  hat,  fungiert  in  der  dauernd  unter- 
getauchten Region  derselben  bloß  als  Verschluß- 
apparat, erfüllt  also  nunmehr  bloß  einen  Teil  seiner 
ursprünglichen  Aufgabe  und  dies  bloß  deshalb,  weil 
die  Pflanze  nicht  imstande  ist,  seine  mit  großer 
Zähigkeit  erblich  fixierte  Anlage  zu  unterdrücken. 

Bevor  ich  jedoch  auf  die  in  der  Literatur  unsere  Frage 
betreffenden  Angaben  sowie  die  Ergebnisse  meiner  eigenen 
Untersuchung  näher  eingehe,  fühle  ich  mich  veranlaßt,  der 
Dankespflicht  gegen  meinen  hochverehrten  Herrn  Vorstand, 
Prof.  Dr.  G.  Haberlandt,  unter  dessen  Leitung  die  Arbeit  im 
hiesigen  botanischen  Institute  ausgeführt  wurde,  für  die  viel- 
seitige Anregung  und  weitgehende  Unterstützung,  die  er  der- 
selben angedeihen  ließ,  im  vollsten  Maße  entgegenzukommen. 
Weiters  bin  ich  Herrn  Prof.  Dr.  E.  Palla  für  manche  freundliche 
Aufklärung  verbunden.  Bei  der  Beschaffung  des  Materiales  war 
mir  Herr  Garteninspektor  Petrasch  in  dankenswerterweise 
behilflich. 

Historisches. 

Indem  ich  die  zahlreichen,  auf  mit  Wasserspalten  ver- 
sehene Hydathoden  submerser  Blätter  bezüglichen  Unter- 
suchungen, die  sich  besonders  an  die  Namen  Borodin, 
Askenasy,  Volkens,  Gardiner,  Sauvageau  und  andere 
knüpfen,  übergehe,1  habe  ich  hier  in  Kürze  bloß  jener  Angaben 


1  Vergl.  diesbezüglich  Schenk,  Vergleichende  Anatomie  der  submersen 
Gewächse  in  Biblioth.  botan.,  Heft  1,  Cassel  1886;  Haberlandt,  Physio- 
logische Pflanzenanatomie,   1896,  S.  454,  Anmerkung  2;    Max  v.  Minden, 

7* 


100  0.  Porsch, 

zu  gedenken,  welche  echte  Spaltöffnungen  submerser 
Organe  betreffen.  Am  längsten  scheint  das  Vorkommen  echter 
Spaltöffnungen  an  den  untergetauchten  Blättern  einiger  Isoetes- 
Arten  bekannt  zu  sein.  Diese  Gattung  ist  besonders  dadurch 
interessant,  daß,  wie  namentlich  Braun1  gezeigt  hat,  die  An- 
oder Abwesenheit  der  Spaltöffnungen  mit  der  Lebensweise  der 
einzelnen  Arten  in-  oder  außerhalb  des  Wassers  nicht  immer 
gleichen  Schritt  hält,  also  jedenfalls  auch  die  erbliche  Fixierung 
des  Apparates  mitspielt  Im  Jahre  1864  gibt  Hegelmaier8  für 
die  untergetauchten  Stengel  und  Blätter  der  Callitrickc-Arten 
seiner  Sektion  Encallitriche  Spaltöffnungen  an.  Über  ihren  Bau 
spricht  sich  der  Autor  folgendermaßen  aus:8  »Die  wie 
gewöhnlich  chiorophyllhaltigen  Porenzellen  liegen,  wie  Durch- 
schnitte zeigen,  im  Niveau  der  Epidermis,  sind  von  beträchtlich 
geringerem  Dickedurchmesser  als  die  angrenzenden  Zellen  der 
letzteren  und  der  Eingang  in  die  Spalte  wird  von  der  Cuticula 
in  Form  eines  schmalen  Vorsprungs  überragt.«  Später  gab 
Weiß4  für  die  beständig  untergetauchten  Teile  von  Najas 
und  Potamogeton  Spaltöffnungen  an,  was  De  Bary  18776 
leugnete.  Für  den  untergetauchten  Blattstiel  von  Potamogeton 
natans  konnte  ich,  wie  später  gezeigt  werden  wird,  die 
Weiß'sche  Angabe  bestätigen.  Im  Jahre  1870  wies  Askenasy6 
für  die  Oberseite  der  unter  Wasser  aufgekeimten  Kotyledonen 
von  Ranunculus  aquatilis  die  Existenz  einiger  weniger  Spalt- 
öffnungen nach.  In  demselben  Jahre  beobachteten  Alex.  Braun7 

Beiträge  zur  anatom.  und  physiolog.  Kenntnis  Wasser  sezernierender  Organe 
in  Biblioth.  botan.,  Heft  46,  Stuttgart  1899. 

i  »Über  die  Isoctes-Arien  der  Insel  Sardinien.«  Monatsber.  der  Berliner 
Akad.,1863.Vergl.  überdies  Sadebeck,  »Die  Gefäßkryptogamen«  in  Sehen k's 
Handb.  der  Botanik,  I,  S.  309  bis  310,  sowie  dessen  Bearbeitung  der  Isoetaceen 
in  Engler-Prantl's  Natürl.  Pflanzenfamilien,  I,  4,  S.  764  bis  766,  1902. 

2  Monographie  der  Gattung  Callitriche,  S.  9  und  10. 

8  Die  Kenntnis  der  Originalstelle  verdanke  ich  der  freundlichen  Mit- 
teilung des  Herrn  Dr.  R.  v.  Keissler  in  Wien. 

*  Untersuchungen  über  die  Zahlen-  und  Größen  Verhältnisse  der  Spalt- 
öffnungen. Pringsheim's  Jahrbücher,  IV,  1865/66,  S.  189. 

5  Vergleich.  Anatomie  der  Vegetationsorgane,  S.  49. 

6  Über  den  Einfluß  des  Wachstumsmediums  auf  die  Gestalt  der  Pflanzen. 
Botan.  Zeitung,  1870,  S.  198. 

7  Monatsber.  der  Berliner  Akad.,  S.  665. 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  1 0 1 

solche  an  den  submersen  Primordialblättern  und  dem  Keimblatt 
der  Marsilien  und  Hildebrand1  an  den  Blattstielen  und  an 
der  Unterseite  der  den  Luftblättern  vorhergehenden  Schwimm- 
blätter von  Sagittaria  sagittifolia.  Später  fand  Kamienski2  auf 
der  Unterseite  der  Adventivsproßblätter  von  Utricularia 
vulgaris  »zahlreiche  große,  einfach  gebaute,  mit  sehr  breiter, 
fast  runder  Spalte  versehene  Spaltöffnungen«.  Ihm  folgten 
Schenk,3  welcher  für  die  submersen  Blätter  der  Wasserform 
von  Cardamine  pratensis,  und  Hildebrand,4  der  für  jene  von 
Heterantherazosterifolia  echte  Stomata  nachwies.  In  seiner  1886 
erschienenen  »Vergleich.  Anatomie  submerser  Gewächse«  weist 
Schenk  hier  mit  Recht  auf  die  Bedeutung  der  Vererbung 
für  die  Erklärung  des  vereinzelten  Auftretens  von  Spaltöffnungen 
an  submersen  Organen  hin,  ohne  weitere  neuere  diesbezügliche 
Tatsachen  anzuführen.  Pax  reproduziert  in  seiner  Bearbeitung 
der  Callitrichaceen  in  Engler-PrantTs  Natürl.  Pflanzenfamilien, 
III.  5,S.  122, 1890,  die  allgemeine  AngabeHegelmaier's  für  die 
Encallitrichen.  In  demselben  Jahre  wies  Arcangeli5  für  die 
submersen  Blätter  von  Nuphar  luteum  Spaltöffnungen  nach 
und  schließlich  fand  Weinrowsky6  solche  auf  den  unter- 
getauchten Blättern  von  Elisma  sparganiifolium,  Veronica 
Anagallis  und  Typha  angustifolia.  Wichtig  ist  die  auf  die 
Stomata  der  beiden  letzten  Arten  bezügliche  Angabe  des  Autors, 
daß  ihre  Spalte  immer  geschlossen  ist.  Merkwürdiger- 
weise übersah  er  die  zahlreichen  Spaltöffnungen  an  den  unter- 
getauchten Blättern  von  Callitriche  vema  (1.  c,  S.  127).  Bezüglich 


1  Botan.  Zeitung,  1870,  Nr.  2,  S.  19. 

2  Vergleich.  Untersuchungen  über  die  Entwicklungsgesch.  der  Utricu- 
larien.  Botan.  Zeitung,  1877,  S.  769. 

8  >Über  Strukturänderung  submers  vegetierender  Landpflanzen«  in  Ber. 
der  Deutschen  botan.  Ges.,  II,  1884,  S.  485. 

4  »Ober  Heteranthera  zoslerifolia*  in  Engler's  botan.  Jahrb.,  VI,  1885, 
S.  142. 

5  Sülle  foglie  delle  piante  acquatiche  e  specialmente  sopra  quelle  della 
Nymphaea  e  del  Nuphar.  Nuovo  Giorn.  Bot.  Ital.,  XXII,  1890.  Vergl.  das 
Referat  von  Solla  in  Jusfs  Botan.  Jahre9ber.  pro  1890, 1,  S.  649,  Nr.  81. 

*  Untersuchungen  über  die  Scheitelöffnungen  bei  Wasserpflanzen.  Bertis 
1898  (Inauguraldissertation),  S.  17,  34.  35. 


102  O.  Porsch, 

seiner  Angabe  über  Hippuris  vergleiche  das  im  IL  Abschnitte 
Gesagte. 

Wie  die  eben  mitgeteilten  Literaturstellen  ergeben, 
begnügen  sich  die  für  unsere  Frage  vorliegenden  Angaben, 
welche  sich  überdies  fast  ausschließlich  auf  Blattflächen 
beziehen,  zumeist  mit  der  bloßen  Feststellung  der  Tatsache  des 
Vorkommens  von  Spaltöffnungen;  im  besten  Falle  sind  die 
Querschnittsform,  der  allgemeine  Umriß,  Verschluß  und  Inhalt 
der  Atemhöhle  nur  sehr  kurz  und  zumeist  zweideutig  erwähnt. 
Nirgends  finden  sich  genauere  histologische  Angaben  über  die 
Art  des  Verschlusses  im  speziellen,  die  Differenzierung  der  Vor- 
und  Hinterhofleisten,  die  Querschnittsform  der  Schließzellen, 
ihre  Beweglichkeit  u.  s.  w.  Diese  Lücken  an  der  Hand  genauer 
histologischer  Zeichnungen  auszufüllen,  soweit  es  das  zur 
Verfügung  stehende  Untersuchungsmaterial  erlaubt,  ist  Zweck 
vorliegender  Untersuchung.  Bei  der  Auswahl  der  zu  unter- 
suchenden Objekte  bin  ich  meine  eigenen  Wege  gegangen.  In 
erster  Linie  ließ  ich  mich  hiebei  von  den  eingangs  erwähnten 
Gesichtspunkten  leiten,  denen  zufolge  gerade  die  Untersuchung 
untergetauchter  Stammteile  und  Blattstiele  als  besonders 
wünschenswert  erschien  und  welche,  wie  aus  dem  Folgenden 
hervorgehen  dürfte,  im  allgemeinen  auch  interessantere  Ergeb- 
nisse als  jene  der  Blattflächen  lieferte.  Die  von  älteren 
Autoren  gemachten  Angaben  wurden,  soweit  mir  Material  zur 
Verfügung  stand,  berücksichtigt.  Über  die  Untersuchungs- 
ergebnisse einer  Reihe  von  Objekten,  die  derzeit  noch  in  Kultur 
sind,  hoffe  ich  in  einer  späteren  Mitteilung  berichten  zu  können. 

I.  Bei   normalem   histologischen   Bau  physiologisch 
abweichende  Spaltöffnungen. 

Dieses  Verhalten  fand  ich  an  den  untergetauchten  Stengeln 
und  Blättern  von  Callitriche  vema  L.1  und  Hippuris  vulgaris  L. 
In  zweiter  Linie  wären  die  meisten  der  in  den  folgenden  Ab- 
schnitten besprochenen  Arten  anzuführen,  da  sie  in  der  obersten 


i  Die  nahe  verwandte  C.  stagnalis  Scop.,  für  welche  Hegelmaier  1.  c. 
ebenfalls  Spaltöffnungen  an  den  untergetauchten  Organen  angibt,  stand  mir 
lebend  nicht  zur  Verfügung. 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  103 

Region  des  noch  untergetauchten  Stammes,  beziehungsweise 
Blattstieles  neben  histologisch  rückgebildeten  oder  in  ver- 
schiedener Weise  nach  außen  verschlossenen  Spaltöffnungen 
auch  solche  von  normalem  Baue,  aber  physiologisch 
abweichendem  Verhalten  besitzen.  Die  physiologische  Um- 
Stimmung  scheint  hier  den  ersten  Schritt  zur  Umbildung  des 
Apparates  im  Sinne  eines  Verschlußapparates  darzustellen, 
wozu  sich  in  der  untersten,  auch  bei  niedrigem  Wasserstande 
konstant  untergetauchten  Region  die  später  genau  zu 
erörternden  histologischen  Differenzierungen  gesellen.  Die 
Pflanze,  welche  begreiflicherweise  in  ihrer  Anpassung  mit  den 
jeweiligen  Schwankungen  des  Wasserstandes  nicht  gleichen 
Schritt  zu  halten  vermag,  hat  sich  in  der  weitgehenden  Um- 
bildung des  Apparates  gewissermaßen  an  ein  Minimum  des 
Niveaustandes  gehalten,  das  für  sie  als  Normalzustand  in  erster 
Linie  in  Betracht  kommt.  Dementsprechend  zeigen  auch  die  in 
der  obersten,  nur  bei  gelegentlichem,  besonders  hohem  Wasser- 
stande untergetauchten  Spaltöffnungen  ein  normales  physio- 
logisches Verhalten. 

Callitriche  verna  L. 

(Taf.  II,  Fig.  2.) 

Von  dieser  Art  stand  mir  jene  Form  zur  Verfügung,  deren 
oberste,  rosettenartig  zusammengedrängte  Blätter  als  Schwimm- 
blätter fungieren.  An  den  längeren,  untergetauchten  Blättern, 
welche  sich  im  Gegensatze  zu  den  kürzeren,  breiteren,  elliptisch 
eiförmigen  Schwimmblättern  durch  einen  schmalen  linearen 
Umriß  auszeichnen,  finden  sich,  über  die  ganze  Epidermis  der 
Oberseite  zerstreut,  zahlreiche  Spaltöffnungen.  Frische  Ober- 
flächenschnitte, welche  so  geführt  wurden,  daß  die  Schließ- 
zellen nicht  verletzt  wurden,  zeigen,  im  Wasser  beobachtet, 
die  Zentralspalten  der  meisten  Apparate  geschlossen;  ja  der 
Verschluß  derselben  erstreckt  sich  nicht  selten  auch  auf  die 
Eisodialöffnung,  welche  durch  engen  Anschluß  der  Cuticular- 
leisten  entweder  bis  auf  einen  sehr  feinen  Spalt  oder  fast 
gänzlich  verschlossen  ist1  Median  geführte  Querschnitte  zeigen 


1   Die   an   den   untergetauchten   Stengeln    sehr  zerstreut    auftretenden 
Apparate  zeigen  dasselbe  Verhalten. 


104  O.  Porsch, 

eine  mächtige  Förderung  der  vorderen  Cuticularleisten  den 
hinteren  gegenüber,  ein  Verhalten,  welches  bekanntlich  an  den 
Schwimmblättern  der  Wasserpflanzen  in  meist  noch  weiter 
vorgeschrittenem  Maße  ganz  allgemein  verbreitet  ist1  (Taf.  II, 
Fig.  2). 

Wenn  man  dagegen  dünne  Oberflächenschnitte  mit  ver- 
letzten Epidermiszellen,  aber  intakten  Schließzellen  in  Wasser 
beobachtet,  findet  man  die  Zentralspalten  weit  offen.  Daraus 
geht  hervor,  daß  am  intakten  Blatte  der  Turgor  der  an  die 
Spaltöffnung  angrenzenden  Epidermiszellen  größer  sein  muß 
als  der  Turgor  der  Schließzellen,  so  daß  diese  von  den 
Epidermiszellen  zusammengedrückt  werden,  wie  dies  von 
Leitgeb  für  Potamogeton  natans  angegeben  wurde  (vergleiche 
diesbezüglich  das  im  nächsten  Abschnitte  über  diese  Art 
Gesagte).  Doch  muß  ausdrücklich  erwähnt  werden,  daß  diese 
Mechanik  des  Schließens  und  öffnens  nur  den  untergetauchten 
Blättern  zukommt.  An  den  Schwimmblättern  sind  die  Schließ- 
zellen an  dieser  Mechanik  aktiv  beteiligt.  Die  Rückbildung 
äußert  sich  also  an  den  untergetauchten  Blättern  in  der  Herab- 
setzung des  Turgors  der  Schließzellen  und  ihrer  damit  ver- 
bundenen Inaktivität  beim  Bewegungsmechanismus.  Anatomisch 
kommt  dieselbe  lediglich  dadurch  zum  Ausdrucke,  daß  der 
Assimilationsapparat  der  Schließzellen  fast  ganz  rückgebiidet 
ist.  Es  kommen  in  ihnen  nur  ganz  wenige,  meist  zwei  bis  drei 
kleine  und  blasse  Chloropiasten  vor. 

Eine  Kontrolluntersuchung  von  Oberflächenschnitten  der 
Schwimmblätter  zeigte  regelmäßig  geöffnete  Spaltöffnungen, 
auch  die  Eisodialöffnung  war  gewöhnlich  weit  offen.  Für  den 
Grad  der  Verschlußfähigkeit  ihrer  Zentralspalte  gilt  im  all- 
gemeinen das  von  Haberlandt2  über  die  Spaltöffnungen  der 
Schwimmblätter  Gesagte. 

Wie  aus  der  großen  Zahl  der  ausgebildeten  Spaltöffnungen 
sowie  dem  gelegentlichen  zerstreuten  Auftreten  von  solchen 
mit  geöffneter  Zentralspalte  und  Eisodialöffnung  hervorgeht, 


1  Vergl.  Haberlandt,  Zur  Kenntnis  des  Spaltöffnungsapparates.  II.  Die 
Spaltöffnungen  der  Schwimmpflanzen.  »Flora«,  1887,  Nr.  7. 

2  L.  c,  1887;  S.  A.,  S.  11  bis  13. 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  105 

haben  wir  es  hier  mit  einer  Pflanze  zu  tun,  bei  der  die 
Umbildung  des  Spaltöffnungsapparates  in  der  untergetauchten 
Region  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade  gediehen  ist1  Dies 
erscheint  nicht  befremdend  angesichts  der  Tatsache,  daß  die 
untersuchten  Exemplare,  welche  aus  der  Umgebung  von  Graz 
stammten,  am  natürlichen  Standorte  in  seichtem  Wasser 
wuchsen,  wo  sie  wenigstens  in  der  heißen  Jahreszeit  der 
Gefahr  ausgesetzt  sind,  auch  in  der  unteren  Region  mit  der 
Luft  in  Berührung  zu  kommen  und  als  Landpflanzen  vegetieren 
zu  müssen.  Auch  in  der  Ausbildung  der  Rosette  verschieden 
großer  und  gestalteter  Schwimmblätter  erweist  sich  diese  Form 
gewissermaßen  als  ein  niedrigeres  Anpassungsstadium,  inso- 
ferne  als  die  typische  Wasserform  derselben  Art  gänzlich 
untergetaucht  wächst,  überhaupt  keine  Schwimmblätter  mehr 
ausbildet  und  nur  die  länglichen,  schmallinealen  Blätter  der 
untergetauchten  Region  unserer  Form  besitzt.  Von  diesem 
Gesichtspunkte  aus  wäre  eine  vergleichende  Untersuchung 
der  Wasserform  auf  die  Zahl  sowie  das  physiologische  und 
histologische  Verhalten  ihrer  Spaltöffnungen  von  besonderem 
Interesse. 


Hippuris  vulgaris  L. 

(Taf.  I,  Fig.  1.) 

Von  dieser  Art  wurde  eine  größere  Anzanl  von  Exemplaren 
aus  dem  Bassin  des  hiesigen  botanischen  Gartens  untersucht. 
Die  in  ihrem  gesamten  histologischen  Bau  ziemlich  weit- 
gehend an  das  Wasserleben  angepaßte  Pflanze  bildet  zweierlei 
Blätter  aus.  Die  der  dauernd  untergetauchten  untersten  Quirle 
sind  dünner,  länger,  chlorophyllärmer  und  sterben  verhältnis- 
mäßig früh  ab,  indem  sie  bis  auf  die  am  längsten  erhalten 
bleibenden  Gefäßbündel  verfaulen.  Diese  auch  in  ihrem  sonstigen 
histologischen  Bau  weitgehend  an  das  flüssige  Medium  an- 
gepaßten Blätter,  welche,  soweit  sie  für  die  Untersuchung  zur 


1  Auch  der  sonstige  histologische  Bau  der  Blätter  zeigt  noch  keine  weit- 
gehende Anpassung  an  das  Wasserieben. 


106  O.  Porsch, 

Verfügung  standen,1  keine  Spaltöffnungen  aufwiesen,2  gehen 
nach  oben  zu  in  kürzere,  dickere  Blätter  über,  von  denen  ein 
Teil  auch  bei  gewöhnlichem  durchschnittlichem  Wasserstande 
untergetaucht  ist.  Letztere  besitzen  gleich  den  Luftblättern 
beiderseits  zahlreiche  Spaltöffnungen,  bei  welchen  ein  möglichst 
ausgiebiger  Verschluß  des  Apparates  gegen  das  umgebende 
Wasser  durch  gegenseitige  Annäherung  der  Vorhofleisten 
angestrebt  wird.  Die  Eisodiaiöffnung  erscheint  daher  zumeist 
als  sehr  schmaler  Spalt  (Taf.  I,  Fig.  1).  Dabei  ist  die  Zentral- 
spalte häufig  offen.  Es  handelt  sich  hier  um  eine  Region  der 
Pflanze,  welche  zwar  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  noch 
untergetaucht  ist,  aber  bei  niedrigerem  Wasserstande  an  die 
Luft  gesetzt  wird.  Hand  in  Hand  damit  geht  auch  der  Grad  der 
Umbildung  des  Apparates.  Die  Pflanze  hat  in  der  untersten 
konstant  untergetauchten  Region  den  Apparat  als  überflüssig 
und  gefährlich  bereits  aufgegeben,  in  der  höheren  Region 
wechselnden  Niveaustandes  bloß  den  ersten  Schritt  der  Um- 
bildung, beziehungsweise  physiologischen  Umstimmung  der 
Schließzellen  gemacht,  welcher  sich  in  dem  Streben  nach 
möglichst  weitgehendem  Verschlusse  der  Eisodiaiöffnung, 
respektive  Zentralspalte  äußert. 

Die  obersten,  dickeren,  kürzeren,  chlorophyllreichen,  scharf 
bespitzten  Luftblätter  besitzen  beiderseits  zahlreiche  normale 
Spaltöffnungen. 

Callitriche  gegenüber  bedeutet  also  das  Verhalten  von 
Hippuris  einen  merklichen  Fortschritt  in  der  Anpassung  an 
das  Wasserleben,  insoferne  erstere  auch  in  der  gewöhnlich 
untergetauchten  Region  ganz  allgemein  zahlreiche  Spalt- 
öffnungen entwickelt,  letztere  hingegen  in  dieser  den  Apparat 
bereits  aufgegeben  hat.  Doch  betrachte  ich  es  keineswegs  als 
ausgeschlossen,  daß  auch  Hippuris  gleich  Marsilia  und 
Ranunculus  aqttatilis  auf  den  Kotyledonen,  ja  vielleicht  selbst 
noch  auf  den  ersten,  diesen  folgenden  Blättern  noch  vereinzelt 


*  Denn  die  ältesten,  unmittelbar  über  dem  Boden  angelegten  Quirle 
waren  auch  an  jüngeren  Exemplaren  bereits  abgefault. 

2  Auf  diese  dürfte  sich  auch  die  Angabe  Weinrowsky's  (1.  c,  S.  26) 
beziehen,  wonach  an  den  jungen  untergetauchten  Blättern  typische  Stomata 
fehlen. 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  107 

Spaltöffnungen  als  erblich  fixierte  Organe  ausbildet,  was  an 
den  im  Wachstum  zu  weit  vorgeschrittenen  Versuchspflanzen 
leider  nicht  mehr  festzustellen  war. 

Wie  bereits  eingangs  dieses  Abschnittes  erwähnt,  gilt  das 
eben  für  Callitriche  und  Hippuris  geschilderte  Verhalten  auch 
für  die  meisten  der  in  den  späteren  Abschnitten  besprochenen 
Arten,  welche  in  der  untersten,  konstant  untergetauchten  Region 
der  bezüglichen  Organe  in  der  Umbildung  des  Apparates  viel 
weiter  gegangen  sind.  Auch  hier  treten  namentlich  im  obersten 
Drittel  noch  häufig  histologisch  normal  gebaute,  aber  physio- 
logisch abweichende  Spaltöffnungen  auf,  so  an  den  Blattstielen 
von  Alisma  Plantago,  Sagittaria  sagittifolia  und  montevidensis, 
Calla  palustris  und  Menyanthes  trifoliata,  am  Stamme  von 
Schoenoplectus  lacustris.  Bei  den  erstgenannten  erfolgt  der 
Verschluß  häufiger  durch  Verengung  der  Zentralspalte  als  der 
Eisodialöffnung,  bei  Schoenoplectus  hingegen  meist  umgekehrt, 
aber  auch  bei  offener  Eisodialöffnung  durch  Verschluß  der 
Zentralspalte.  (Über  die  im  untergetauchten  Teile  des  Stammes 
von  Oenanthe  aquatica  gelegentlich  auftretenden,  normal 
gebauten,  aber  physiologisch  abweichenden  Spaltöffnungen 
vergleiche  das  im  III.  Abschnitt  über  diese  Art  Gesagte.) 

IL  Spaltöffnungen  mit  verwachsener  Elsodialöffiiung. 

Vollständige  Verwachsung  fand  ich  bei  Potamogeton 
naians,  Oenanthe  aquatica,  Alisma  Plantago,  Schoenoplectus 
lacustris  und  Polygonum  amphibium  und  zwar  bei  Potamogeton 
und  Polygonum  als  das  gewöhnlichere  Verhalten,  bei  den 
übrigen  Arten  bloß  als  Ausnahmsfall,  teilweise  Verwachsuug 
überhaupt  nur  an  Schoenoplectus.  Da  ich  in  diesem  Abschnitte 
des  Zusammenhanges  halber  bloß  jene  Fälle  bespreche,  in 
denen  Verwachsung  bei  gleichzeitiger  normaler  histologischer 
Ausbildung  der  Schließzellen  auftritt,  verweise  ich  bezüglich 
Schoenoplectus  und  Polygonum,  wo  zur  Verwachsung  auch  eine 
histologische  Umbildung  des  Apparates  tritt,  auf  den 
IV.  Abschnitt.  Um  irrigen  Vermutungen  vorzubeugen,  bemerke 
ich  ausdrücklich,  daß  sich  sämtliche  im  folgenden  gemachte 
Angaben  auf  vollständig  ausgewachsene  Organe  beziehen  und 


108  O.  Porsch, 

die  oft  gebrauchte  Bezeichnung  »Verwachsung«  nicht  in  dem 
Sinne  zu  verstehen  ist,  als  ob  die  beiden  ursprünglich  durch 
einen  Spalt  getrennten  Schließzellen  später  miteinander  ver- 
wachsen wären.  Es  soll  damit  nur  ein  kurzer  Ausdruck  für  die 
Tatsache  gewonnen  werden,  daß  eine  Trennung  der 
Schließzellen  von  vornherein  unterblieben  ist 

Potamogeton  natans  L. 

(Taf.  I,  Fig.  2  bis  5.) 

Von  dieser  Pflanze  untersuchte  ich  den  untergetauchten 
Schwimmblattstiel.  Unter  den  nur  im  obersten  Teile  desselben 
und  auch  hier  nur  sehr  vereinzelt  auftretenden  Spaltöffnungen 
sind  in  erster  Linie  jene  zu  erwähnen,  welche  bei  sonst 
normalem  Baue  gegen  das  umgebende  Wasser  voll- 
ständig verschlossen  sind,  d.  h.  es  fehlt  jede  Differen- 
zierung einer  Eisodialöffnung,  die  Cuticula  zieht  an 
Querschnitt  enauchbei  genau  median  erEinstellung  als 
kontinuierliches  Häutchen  über  den  Vorhof  hinweg 
(Fig.  2  und  5). 

Die  Zentralspalte  ist  weit  geöffnet  oder  in  verschiedenem 
Grade  verschlossen,  der  Hinterhof  stets  offen,  niemals  durch 
die  Hinterhofleisten  geschlossen,  die  Atemhöhle  ausnahmslos 
normal  entwickelt. 

Die  Cuticula,1  welche  sich  innen  an  der  Grenze  zwischen 
Schließ-  und  Nebenzelle  verliert,  bildet  deutliche  Hinterhof- 
leisten, die  häufig  etwas  stärker  entwickelt  sind  als  an  der 
Blattlamina,  und  ist  an  den  Bauchwänden  der  Schließzellen  nur 
so  weit  entwickelt,  daß  diese  auch  bei  verschlossenem  Apparate 
noch  einen  geräumigen  Vorhof  zwischen  einander  freilassen 
(Fig.  2).  Oberhalb  desselben  erhebt  sie  sich  in  Form  eines  hohen, 
seitlich  meist  steil  abfallenden  (Fig.  2),  seltener  niedrigeren, 
seitlich  flach  abfallenden  Längswalles  (Fig.  5).  Dieses  Quer- 
schnittsbild findet  durch  die  Oberflächenansicht  seine 
Bestätigung,  wie  Fig.  3  und  4  zeigen,  welche  den  Apparat  in 

1  Hier  in  kollektivem  Sinne  als  Gesamtbezeichnung  für  eigentliche 
Cuticula  und  cutinisierte  Schichten  gemeint. 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  109 

dieser  Ansicht  bei  höherer  und  tieferer  Einstellung  darstellen. 
Stellt  man  zunächst  auf  jene  Höhe  ein,  welche  bei  einem  nor- 
malen Apparate  der  Eisodialöffnung  entspricht,  so  fällt  sofort 
die  Plastizität  des  dieselbe  stellvertretenden  elliptischen  Feldes 
auf;  welche  in  der  Abbildung  durch  die  seitliche  Schattierung 
angedeutet  ist  (Fig.  3).  Bei  höherer  Einstellung  erscheint  in 
der  Mitte  desselben  ein  anfangs  doppelt  konturierter,  stark 
lichtbrechender  Streifen,  welcher  dem  besonders  in  Fig.  2 
deutlichen  Längswalle  entspricht,  um  schließlich  bei  höchster 
Einstellung  von  einer  dunklen,  der  obersten  Kante  desselben 
entsprechenden  Linie  ersetzt  zu  werden  (vergleiche  die  etwas 
kombinierte  Abbildung  3).  Bei  tieferem  Einstellen  verschwinden 
der  Reihe  nach  die  dem  Längswalle  entsprechende  Mittellinie, 
die  seitlichen  Schatten,  die  Bauchwände  der  Schließzelle  nähern 
sich,  bis  schließlich  bei  genau  medianer  Einstellung  die  hier 
geöffnete  Zentralspalte  sichtbar  wird  (Fig.  4).  Diese  Figur  zeigt 
gleichzeitig,  wie  die  in  3  dargestellte  kollabierte  rechte  Neben- 
zelle bei  Einstellung  auf  die  Zentralspalte  vollständig  ver- 
schwindet; von  ihrem  Lumen  ist  nichts  mehr  zu  sehen,  ihre 
beiden  Seitenwände  sind  mit  der  Rückenwand  der  Schließzelle 
vollständig  verschmolzen  und  nur  die  Bräunung  der  mittleren 
Partie  (in  der  Abbildung  durch  Schattierung  angedeutet), 
erinnert  noch  an  ihr  Vorhandensein.  Diese  Reduktion  ist  in  dem 
in  Fig.  5  dargestellten  Falle  noch  weiter  vorgeschritten.  Hier 
sind  beide  Nebenzellen  in  mittlerer  Höhe  mit  der  Rückenwand 
der  ihnen  anliegenden  Schließzelle  vollständig  verschmolzen 
und  bloß  im  obersten  und  untersten  Teile  finden  sich  noch 
Reste  ihres  Lumens,  welche  Interzellularräumen  täuschend 
ähnlich  sehen,  besonders  dann,  wenn  ihr  Plasma  bereits  aus- 
gefallen ist. 

Die  Zentralspalte  ist  häufiger  weit  geöffnet  (Fig.  5)  als 
teilweise  bis  fast  vollständig  verschlossen  (Fig.  2).  Der  Grad 
ihres  Verschlusses  hängt  nämlich  von  dem  Entwicklungs- 
zustande der  Nebenzellen  ab.  Diese  sind  bloß  ausnahmsweise 
beide  normal  entwickelt,  häufig  beide  oder  eine  derselben  ab- 
gestorben, kollabiert,  ihre  Membran  gebräunt.  Sind  beide 
erhalten,  so  finden  wir  die  Zentralspalte  meist  teilweise,  seltener 
fast  vollständig  verschlossen  (Fig.  2).  Umgekehrt  ist  sie  bei 


110  O.  Porsch, 

Rückbildung  einer  oder  beider  Nebenzellen  in  verschiedenem 
Grade  meist  weit  geöffnet  (Fig.  5).  Dieses  Abhängigkeits- 
verhältnis findet  besonders  in  der  Oberflächenansicht  des 
Apparates  seinen  klaren  Ausdruck.  Der  dauernd  untergetauchte 
Apparat  ist  nämlich  in  der  Regel  in  seinem  Gesamtumrisse  viel 
breiter  als  jener  der  Blattlamina,  oft  beinahe  kreisrund,  ja  bis- 
weilen sogar  senkrecht  zur  Längsachse  breitgedrückt.  Mit 
dem  Absterben  der  Nebenzellen  geht  selbstverständlich  eine 
beträchtliche  Abnahme  ihres  Turgors  Hand  in  Hand,  wodurch 
der  von  ihnen  im  normalen  lebensfähigen  Zustande  auf  die 
Schließzellen  ausgeübte  Seitendruck  auf  ein  Minimum  herab- 
sinkt und  diese,  selbst  im  normalen  Turgor  befindlich,  sich 
naturgemäß  nach  der  Seite  der  Druckabnahme  hinkrümmen. 
Dies  ist  nicht  nur  am  untergetauchten  Apparate,  sondern  an 
dem  der  Lamina  bei  Rückbildung  einer  oder  beider  Nebenzellen 
regelmäßig  zu  beobachten.  Mit  vollem  Rechte  vergleicht 
Leitgeb1  die  Schließzellen  der  Blattfläche  unserer  Art  mit 
zwei  federnden  Stahllamellen,  »welche  durch  seitlichen  Druck 
bis  zur  Berührung  genähert  werden  können,  aber  stets  ihre 
frühere  Krümmung  wieder  zu  gewinnen  streben«.  Ohne  auf 
eine  Kritik  der  verschiedenen  Meinungen  einzugehen,  welche 
über  die  ausschließliche  oder  teilweise  Übernahme  der  Funktion 
des  öffnens  und  Schließens  des  Apparates  durch  die  Neben- 
zellen geäußert  wurden,2  möchte  ich  hier  bloß  auf  die  zum  Teil 
aus  rein  physikalischen  Gründen  hervorgehende  Notwendigkeit 
der  erwähnten  Erscheinung  hinweisen.  Zu  erklären  bleibt  vor 
allem  das  auffallend  häufige,  ja  beinahe  regelmäßige  frühzeitige 
Absterben  einer  oder  beider  Nebenzellen  am  dauernd  unter- 
getauchten Apparate.  Zur  Erklärung  dessen  sei  folgendes  bei- 
getragen. 


i  Leitgeb,  »Beiträge  zur  Physiologie  des  Spaltöffnungsapparates«  in 
Mitteil,  aus  dem  botan.  Institut  Graz.  Jena  1888,  S.  156. 

2  Leitgeb,  1.  c.  —  Schaefer,  Über  den  Einfluß  des  Turgors  der 
Epidermiszellen  auf  die  Funktion  des  Spaltöffnungsapparates.  Pringsheim's 
Jahrb.,  IX,  1888,  S.  178  ff.  —  Benecke,  Die  Nebenzellen  der  Spaltöffnungen. 
Botan.  Zeitung,  1892.  —  Schellenberg,  Beiträge  zur  Kenntnis  vom  Bau  und 
Funktion  der  Spaltöffnungen.  Daselbst,  1896. 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  111 

Schon  Leitgeb  hat  (1.  c.)  gezeigt,  daß,  wenn  man  trockenen, 
auf  den  Objektträger  gebrachten  Oberflächenschnitten  der 
Blattlamina  unserer  Pflanze  Wasser  zusetzt,  im  ersten  Augen- 
blick sofortiger  Verschluß  der  Zentralspalten  erfolgt.  Später 
werden  diese  geöffnet,  »wenn  durch  Verdunstung  des  Wassers 
die  Nebenzellen  wieder  wasserärmer  werden«  (1.  c,  S.  156). 

Mag  nun  diese  Erklärung  Leitgeb's  richtig  sein  oder 
nicht,  jedenfalls  folgt  aus  der  weiteren,  schon  von  ihm 
beobachteten  unzweifelhaften  Tatsache,  daß  während  des 
Spaltenverschlusses  die  Gesamtbreite  des  Apparates  (inklusive 
Nebenzellen)  vollkommen  gleich  bleibt,  die  Nebenzellen 
dagegen  an  Breite  bedeutend  zunehmen,  daß  der  gesteigerte 
Turgor  derselben,  wenn  auch  nicht  gerade  ausschließlich,  so 
doch  wesentlich  am  Spaltenverschlusse  aktiv  beteiligt  ist. 
Weiters  geht  aus  der  zeitlichen  Aufeinanderfolge  von  Spalten- 
verschluß und  Spaltenöffnung  hervor,  daß  die  Nebenzellen 
jedenfalls  für  Reize,  welche  von  den  Turgor  beeinflussenden 
äußeren  Faktoren  ausgehen,  weitaus  empfindlicher  sind  als  die 
Schließzellen.  Nun  wissen  wir  sowohl  aus  den  Untersuchungen 
Leitgeb's  als  denen  anderer  Autoren,1  daß  die  Schließzellen 
im  allgemeinen  gegen  die  verschiedensten  äußeren  Einflüsse 
ungleich  widerstandsfähiger  sind  als  die  übrigen  Epidermis- 
zellen.  Angesichts  dessen  kann  es  daher  nicht  befremden,  daß 
die  für  die  oben  erwähnten  Reize  so  empfindlichen  Nebenzellen 
durch  dauerndes  Untergetauchtsein  früher  und  folgenschwerer 
betroffen  werden  als  die  widerstandsfähigeren  Schließzellen. 
Worin  diese  Beeinflussung  im  speziellen  besteht,  festzustellen, 
bleibt  weiteren  Untersuchungen  vorbehalten. 

Wie  bereits  erwähnt,  fand  ich  den  Hinterhof  niemals  durch 
engen  Anschluß  der  hinteren  Cuticularleisten  verschlossen, 
was  auf  der  Blattlamina  häufig  der  Fall  ist,  wo  diese  dann 
allein  den  Verschluß  übernehmen.2 


1  Vergl.  Kindermann,  Über  die  auffallende  Widerstandskraft  der 
Schließzellen  gegen  schädliche  Einflüsse.  Diese  Sitzungsber.,  CXI,  Abt.  I,  1902. 

2  Vergl.  Haberlandt,  Zur  Kenntnis  des  Spaltöffnungsapparates.  II.  Die 
Spaltöflfnungen  der  Schwimmpflanzen.  »Flora«,  1887,  Nr.  7,  Taf.  II,  Fig.  3  und 
Text  S.  A.,  S.  7. 


112  O.  Porsch, 

Ein  derartiger  Verschluß  wäre  auch  im  vorliegenden  Falle 
gänzlich  überflüssig,  da  jedes  Eindringen  von  Wasser  in  die 
Atemhöhle  durch  Verwachsung  der  Eisodialöffhung  allein 
wirksam  verhindert  ist. 

Außer  den  beschriebenen  Spaltöffnungen,  welche  die  über- 
wiegende Mehrzahl  der  allerdings  überhaupt  nur  sehr  zerstreut 
auftretenden  derartigen  Apparate  bilden,  fand  ich  auch  vereinzelt 
solche,  deren  Eisodialöffhung  und  Zentralspalte  weit  geöffnet 
waren.  Diese  zeigten  ausnahmslos  eine  oder  beide  Nebenzellen 
abgestorben.  Auch  der  Hinterhof  war  meist  geöffnet.  Der 
Gesamtumriß  des  Apparates  war  beinahe  kreisrund,  ja  in  einem 
Falle  sogar  querelliptisch. 

Oenanthe  aquatica  (L.)  Lam. 
(Taf.  I,  Fig.  6.) 

Am  untersten,  dauernd  untergetauchten  Teil  des  Stammes 
dieser  Pflanze  fand  ich  ausnahmsweise  neben  den  im  folgenden 
Abschnitte  besprochenen,  in  verschiedenem  Grade  reduzierten 
Spaltöffnungen  einen  Apparat,  welcher  am  Querschnitte  das  für 
Potatnogeton  geschilderte  Verhalten  zeigte  (vergleiche  Ab- 
bildung). Auch  hier  waren  Zentralspalte  und  Hinterhof  weit 
geöffnet.  Die  bei  dieser  Art  überhaupt  geräumigere  Atemhöhle 
war  normal  entwickelt,  nur  der  den  Vorhof  überwölbende 
Cuticularwall  niedriger  und  breiter. 

Alisma  Plantago  L. 

(Taf.  II,  Fig.  5  bis  9.) 

Auch  für  diese  Art,  welche  in  der  untersten,  dauernd  unter- 
getauchten Region  des  Blattstieles  regelmäßig  die  im  IV.  Ab- 
schnitte genauer  besprochenen  Verschlußeinrichtungen  zeigt, 
bildet  vollständige  Verwachsung  der  Eisodialöffhung  einen 
sehr  seltenen  Ausnahmsfall.  Im  Gegensatze  zu  den  früher 
beschriebenen  Fällen  waren  die  Schließzellen  mit  ihren  Bauch- 
wänden eng  aneinander  gedrückt  und  zwar  an  frischen,  im 
Wasser  beobachteten  Schnitten.  Der  Hinterhof  war  durch  engen 
Anschluß,  beziehungsweise  Übereinandergreifen  der  hinteren 


Spaltöffnungsappäraf  submeVscr  Pflanzenteile.  11  o 

Cuticuterleteteö  tost  ganz  verschlössen,  die  Atemhöhiö  dagegen 
normal  eftWrtfckelt.  Dfcr  für  die  mit  eigenen  Verschlüß- 
einrichtungen  versehenen  Schließzellen  der  später  besprochenen 
Arten  konstante  Höhenunterschied  denen  des  normalen 
Apparates  gegenüber  mächte  äich  auch  hier  geltend  (vergleiche' 
Fig.  5  mit  Fig.  3,  letztere  den  normalen  Apparat  darstellend). 
Die  Nebenzellen  waren  normal  entwickelt 

Mit  diesem  Querschnittsbilde  stimmte  auch  die  Oberflächen  - 
ansieht  vollkommen  überein  (Fig.  6  bis  9).  Bei  hoher  Einstellung 
finden  wir  nämlich  in  dem  mittleren,  der  Eisodialöffnuiig  ent- 
sprechenden Teile  des  Apparates  einen  durch  seinen  seitlichen 
Schatten  besonders  plastisch  hervortretenden  breiteren  Längs- 
wall, welcher  der  mittleren  Cuticularerhebung  der  Querschnitts- 
ansicht entspricht  (Fig.  6),  rechts  und  links  von  diesem  und  mit 
ihm  parallel  laufend  je  einen  schmäleren,  der  am  Fuße  des 
Mittelwalles  auftretenden  kleineren,  seitlichen  Erhebung  ent- 
sprechenden Seitenwall.  Bei  etwas  tieferer  Einstellung 
verschwindet  der  Mittelwall,  dessen  Wände  jetzt  besonders 
deutlich  iri  der  Profilansicht  hervortreten  und  den  in  die 
mittlere  Erhebung  hineinreichenden  Teil  des  Vorhofes  zwischen 
einander  freilassen  (in  der  Abbildung  dunkel  gehalten).  Diese 
Wände  weichen  bei  weiterem  Senken  des  Tubus  dem  seitlichen 
Abfalle  des  Mittelwalles  entsprechend  auseinander,  bis 
schließlich  das  Maximum  der  Vorhofweite  erreicht  ist  (Fig.  8). 
Nähern  wir  uns  der  medianen  Einstellung,  so  nähern  sich  diö 
Seitenwände  wiedör,  utft  sich  schließlich  bei  genau  medianer 
Einstellung  eng  aneinander  zu  legen  (Fig.  9). 

Unter  den  ift  diesem  Abschnitte  besprochenen  Pflanzen 
stellt  also  die  einheitliche  Verwachsung  der  Eisodialöffnung 
seitens  der  Cuticula  bloß  für  den  Schwimmblattstiei  von 
Potantogeton  natans  das  gewöhnliche  Verhalten  dar,  während 
sie  für  Oenanthe  aquaiiecu  und  Alistna  Plantago  immer  einen 
seltenen  Ausnahmsfall  bedeutet.  Aber  gerade  für  Potamogeton 
fällt  diese  Schutzeinrichtung  umsomehr  ins  Gewicht, 
als  diese  Pflanze  bei  dem  aktiven  Anteil  ihrer  gerade 
am  untergetauchten  Apparate  meist  abgestorbenen 
Nebenzellen  am  Bewegungsmechanismus  desselben 
über  kein  anderes  Mittel  verfügt,  das  Eindringen  des 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  8 


114  O.  Porsch, 

Wassers  zu  verhindern,  während  die  beiden  anderen, 
wie  später  gezeigt  wird,  dieses  Ziel  auf  verschiedene 
Weise  erreichen. 

III.   Histologisch  weitgehend   rückgebildete  Spaltöffnungen. 

Oenanthe  aquaüca  (L.)  Lam. 
(Taf.  I,  Fig.  7  bis  13;  Taf.  II,  Fig.  2.) 

Während  bei  den  übrigen  daraufhin  untersuchten  Gewächsen 
weitgehende  histologische  Rückbildungserscheinungen  des 
Spaltöffnungsapparates  selbst  an  den  dauernd  untergetauchten 
Organen  nur  vereinzelt  auftreten  und  die  Rückbildung  dann 
meist  nur  einen  geringen  Grad  erreicht,  sind  dieselben  für 
Oenanthe  aquatica  geradezu  charakteristisch  und  erreichen  hier 
ihren  Höhepunkt.  Diese  Pflanze,  welche  auch  in  der  untersten, 
konstant  untergetauchten  Region  des  Stammes  regelmäßig  noch 
vereinzelt  Spaltöffnungen  entwickelt  und,  wie  der  tatsächliche 
Befund  zeigt,  in  der  Regel  nicht  imstande  ist,  spezieller 
differenzierte  Verschlußeinrichtungen  auszubilden,1  findet  in 
der  möglichst  weitgehenden  histologischen  Rückbildung  des 
Apparates  das  beste,  ihr  erreichbare  Mittel,  das  Eindringen  des 
Wassers  in  die  Interzellularräume  des  Stammes  möglichst  zu 
verhindern.  Alle  übrigen  Versuche  der  Pflanze,  diesen  Zweck 
auf  anderem  Wege  zu  erreichen  —  wie  der  gelegentliche 
Verschluß  der  Zentralspalte  oder  des  Hinterhofes  durch  An- 
einanderlegen  der  Bauchwände,  beziehungsweise  hinteren 
Cuticularleisten  der  Schließzellen  —  treten  diesem  Mittel  gegen- 
über nicht  nur  qualitativ  in  der  Wirkung,  sondern  numerisch 
in  der  Häufigkeit  ihres  Auftretens  weit  zurück.  Es  ist  sehr 
interessant  zu  sehen,  wie  in  der  erwähnten  Region  und  nur  in 
dieser  an  ein  und  demselben  Stammteile  sozusagen  als  Ergebnis 
des  Kampfes  zwischen  Vererbung  und  Anpassung  alle  Stadien 
der  Rückbildung  des  Apparates  in  geschlossener 
Übergangsreihe  zu  verfolgen  sind.  Ja  selbst  die  Aus- 
bildung der  Atemhöhle,  weiche  auch  bei  den  im  folgenden 

1  Denn  die  im  vorigen  Abschnitte  geschilderte  Überwachsung  der  Eisodial- 
öffnung  stellt  nur  einen  sehr  seltenen  Ausnahmsfall  dar. 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  115 

Abschnitte  besprochenen,  mit  den  am  weitestgehenden  ver- 
änderten, beziehungsweise  als  Verschlußapparate  angepaßten 
Spaltöffnungen  versehenen  Pflanzen  ausnahmslos  normal  ent- 
wickelt ist,  kann  hier  unterbleiben. 

Bevor  ich  auf  die  ausführliche  Schilderung  der  verschiedenen 
Rückbildungsgrade  eingehe,  von  denen  ich  bloß  die  Haupt- 
etappen der  Reduktion  des  Apparates  vorführe,  mag  erwähnt 
sein,  daß  neben  den  weitgehend  rückgebildeten  auch  gelegentlich 
normal  gebaute,  aber  physiologisch  insoferne  abweichende 
Spaltöffnungen  ausgebildet  werden,  als  dieselben  gänzlich 
unbeweglich,  selbst  unter  Wasser  dauernd  offen  bleiben.  Sie 
sind  klein,  im  Umrisse  kreisrund  mit  ebenso  geformter  Eisodial- 
Öffnung.1  Neben  diesen  treten  vereinzelt  auch  solche  auf, 
welche  bei  offener  Eisodialöffnung  und  Zentralspalte  selbst  an 
frischen,  im  Wasser  beobachteten  Schnitten  den  Hinterhof  durch 
Aneinanderlegen  der  hinteren  Cuticularleisten  verschlossen 
zeigen.  Am  Querschnitt  bekommen  wir  in  diesem  Falle  das 
durch  die  Untersuchungen  Haberlandt's2  für  die  Spalt- 
öffnungen der  Schwimmblattlamina  von  Potamogeton  natans 
bereits  bekannte  Bild. 

Das  erste  Stadium  der  histologischen  Rückbildung  wird 
durch  die  Fig.  7  und  8  auf  Taf.  I  dargestellt.  Die  eine  der 
beiden  Schließzellen,  selbst  die  Eisodialöffnung  ist  normal 
entwickelt,  die  andere  abgestorben,  kollabiert,  ihre  Membran 
gebräunt,unregelmäßigverdickt  und  von  abweichendem  Umrisse, 
(Fig.  7).  Die  Querschnittsansicht  Fig.  8  stellt  rechts  eine  normal 
gebaute,  links  die  rückgebildete  Schließzelle  dar.  Das  Lumen 
der  letzteren  ist  für  mediane  Einstellung  ausgezogen,  für  tiefere 
Einstellung  punktiert  gezeichnet.  Im  vorliegenden  Falle  war 
sowohl  Eisodial-  als  Opisthialöffnung  durch  Vor-,  beziehungs- 
weise Hinterhofleisten  verschlossen.  An  dem  in  Fig.  7  dar- 
gestellten Apparate  ergab  sich  bei  Tiefeneinsteilung  Verschluß 
des  Hinterhofes. 


i  Ganz  dasselbe  Verhalten  fand  Haberlandt  für  die  rückgebildeten 
Spaltöffnungen  des  Sporogons  von  Splachnum  ampullaceum.  Vergl.  »Beiträge 
zur  Anatomie  und  Physiologie  der  Laubmoose«.  Pringsheim's  Jahrb.,  XVII, 
1886,  S.  473  und  Fußnote  2,  und  Taf.  XXVI,  Fig.  11. 

2  L.  c,  1887,  Taf.  II,  Fig.  3.  Vergl.  Text  S.  A.,  S.  7. 

8* 


116  O.  Pbrffch, 

Ein  weitere*  Rückbildungsstadium  zeigt  Fig.  9,  wo1  auch 
dieBildung  der  Eisodiaiöffnung  unterblieb.  Die  Tiefeneinstöllurrg: 
ergab  eine  an  Größe  allerdings  reduzierte  Atemhöhie.  Fig.  10' 
stellt  zwei  abgestorbene  Schließaellen.  dar;  deren  unregelmäßig«' 
Geatait  bei  dem  Mangel  eines  eigenen  Targors  demselben  aus 
dem  seitlichen  Überdrucke  der  Nachbarzellen  resultiert  Beide 
Zellen'  lassen  zwischen*  einander  einen  sehr  feinea  Spalt  fcei*, 
weither  der  rudimentären  Ausbildung  der  Eisodiatöffhuflg 
entspricht  Hier  war  die  Atemhöhle  bereits  als  kleiner  Inter- 
zellularraum  rückgebiidet.  Ein  ähnliches  Stadium,  aber  ohne 
Andeutung  einer  Eisodialöffnung  und  mit  normal  entwickelter 
Atemhöhle  stellt  Fig.  1  auf  Tat  II  dar.  Das  Querschnittsbüd: 
entspricht  hier  der  genaa  medianen.  Einstellung.  Auch  bei 
höherer  oder  tieferer  Einstellung  war  jede  Kommunikation  der 
Atemhöhle  mit  dem  äußeren.  Medium»  durch-  vollständige  Ver- 
wachsung unterbrochen.  Beide  Schiießzellen  sind  abgestorben, 
ihre  Membran  sßark  verdickt,  die  rechte  Zelle,  ihrer  unregel- 
mäßigen Gestalt  entsprechend,  an  zwei  Stellen  angeschnitten, 
die  CutiGula  zwischen  beiden  bis  in  die  Atemhöhle  differenziert. 
Die  Nebenzellen  führen  wie  auch  die  subepidermalen  Zellen 
des  Stammes  dieser  Art  spärlich  Chlorophyllkörner. 

Vollständige  Rückbildung  der  Atemhöhle 1  zeigt  Taf.  I, 
Fig.  12.  Die  beiden  abgestorbenen,  doppelt  angeschnittenen 
Schließzellen  sind  bei  dem  ersten  Versuche  der  Differenzierung 
der  Vorhofleisten  stehen  geblieben*  Die  Cuticula  reicht  bis  zu 
jener  Stelle,  wo  unter  normalen  Verhältnissen  die  Zentral- 
spalte auftritt; 

In  allen  bisher  erwähnten  Fällen  war  selbst  bei  frühzeitigem 
Absterben  der  Schließzellenanlagen  wenigstens  die  Teilung  der 
Urmutterzelle  des  Apparates  eingeleitet.  Doch  auch  diese  kann 
unterbleiben,  wie  Fig.  1 1  auf  Taf;  I  zeigt  Die  Mutterzelle  stirbt 
ab,  bevor  sie  durch  Teilung  die  erste  Anlage  der  Schließzellen 
gebildet  hat.  Wir  haben  dann  eine  kollabierte  Zelle  von  unregel- 
mäßiger Gestalt  und  verdickter  gebräunter  Membran  vor  uns, 
welche  zwischen  die  benachbarten  Epidermiszellen  wie   ein- 


1  Dasselbe  zeigen  nach  Haberlandt  die  weitgehend   rückgebildeten 
Spaltöffnungen  der  Sphagnumkapsel  (vergl.  1.  c,  1886,  Taf.  XXVI,  Fig.  23). 


Spaltöffnungsapparat  sübmorser  Pflanzenteile.  117 

gekeilt  erscheint.  Begreiflicherweise  kann  jede  andere  frühzeitig 
abgestorbene  Epidermiszelle  aus  rein  physikalischen  Gründen 
im  wesentlichen  dieselben  Eigenschaften  zeigen,  gleichgültig, 
zu  welcher  späteren  Differenzierung  dieselbe  auch  ihrer  Anlage 
nach  bestimmt  war.  Es  fragt  sich  daher,  welche  Kriterien 
uns  im  vorliegenden  Falle  berechtigen,  eine  derartig 
aussehende  Zelle  als  frühzeitig  abgestorbene  Mutter- 
zelle eines  Spaltöffnungsapparates  aufzufassen.  Es 
sind  dies  die  folgenden:  zunächst  die  vollkommen  geschlossene 
Obergangsreihe  der  in  verschiedenem  Grade  reduzierten 
Apparate;  weiters  die  bei  Tiefeneirastellung  gelegentlich  noch 
nachweisbare,  allerdings  an  Größe  stark  rückgebildete  Atem- 
höhle. Diese  Tatsache  fallt  umsomehr  ins  Gewicht,  als,  wie 
die  vergleichende  Untersuchung  zahlreicher  Querschnitte  ergab, 
die  unmittelbar  unter  den  Epidermiszellen  liegenden  sub- 
epidermalen  Zellen  ausnahmslos  mit  diesen  in  lückenlosem 
Verbände  stehen,  derart,  daß  beim  Durchmustern  der  Quer- 
schnitte auf  Spaltöffnungen  hin  jeder  Interzellularraum  als 
bequemer  diesbezüglicher  Hinweis  dienen  kann;  schließlich 
das  Fehlen  derartiger  Zellen  im  obersten,  dauernd  in  Luft 
befindlichen  Teile  der  Stammepidermis.  Selbstverständlich  will 
damit  nicht  gesagt  sein,  daß  alle  in  der  untersten  unter- 
getauchten Region  des  Stammes  unserer  Pflanze  gelegentlich 
auftretenden  Zellen  mit  solchen  Eigenschaften  in  diesem  Sinne 
zu  deuten  sind. 

Doch  selbst  mit  der  bloßen  Ausbildung  der  Mutterzelle  des 
Apparates  hat  die  Rückbildung  seiner  Anlage  noch  nicht  ihren 
Höhepunkt  erreicht.  Nicht  selten  bleibt  die  Pflanze  bei  den 
ersten  vorbereitenden  Zellteilungen  stehen,  die  der  Bildung  der 
Mutterzelle  vorausgehen.  Diese  sind  in  unserem  Falle  umso 
sicherer  als  solche  zu  erkennen,  als  die  großen,  in  der  Ober- 
flächenansicht fast  isodiametrischen,  polygonalen,  sechs-  oder 
viereckigen  Epidermiszellen  in  ziemlich  regelmäßigen  Längs- 
reihen am  Stamme  verlaufen,  in  denen  derartige  Zellteilungen 
distinkte  Inseln  bilden,  deren  Identität  mit  den  in  der  Umgebung 
normal  entwickelter  Spaltöffnungen  auftretenden  gleichen 
Erscheinungen  bicht  durch  den  Vergleich  festzustellen  ist, 
(vergleiche  Taf.  I,  Fig.  11,  wo  der  gesamte  mittlere,  aus  fünf 


118  O.  Porsch, 

Zellen  bestehende  Zellkomplex  aus  einer  einzigen  Dermatogen- 
zelle  hervorgegangen  ist.  Ober-  und  unterhalb  desselben  sind 
die  Ansatzstellen  der  in  der  Reihe  folgenden  Zellen  zu  sehen). 

Zum  Schlüsse  noch  einige  Worte  über  die  in  den  Ab- 
bildungen 7,  9  und  10  auf  Taf.  I  wiedergegebene  Cuticular- 
streifung  der  Nachbarzellen.  Ich  fand  dieselbe  bei  Reduktion 
einer  Schließzelle  häufig  an  der  dieser  seitlich  direkt 
angrenzenden  Zelle  (Fig.  7)  oder  einer  (Fig.  9)  bis  sämtlichen 
direkten  Nachbarzellen,  bei  bloßer  Ausbildung  der  Mutterzelle 
des  Apparates  an  mehreren  oder  häufiger  an  allen  direkten 
Nachbarzellen  (Fig.  10).  In  allen  Fällen  laufen  die  Streifen  direkt 
auf  den  Apparat  zu.  Über  die  Bedeutung  dieser  Erscheinung 
läßt  sich  vorläufig  nichts  Bestimmtes  aussagen.1 

Ein  Rückblick  über  das  von  Oenanthe  aquatica  in  diesem 
Abschnitte  Gesagte  ergibt  also,  daß  diese  Pflanze  in  der 
möglichst  weitgehenden  histologischen  Rückbildung  des 
Apparates  das  beste  Mittel  besitzt,  das  Eindringen  von  Wasser 
zu  verhindern.  Daß  diese  Erscheinung  wirklich  sozu- 
sagen der  Ausdruck  eines  Kompromisses  zwischen 
Vererbung  und  Anpassung  ist,  beweist  die  Tatsache, 
daß  im  obersten,  konstant  derLuft  ausgesetztenTeile 
des  Stammes  Rückbildungserscheinungen  des  Spalt- 
öffnungsapparates in  der  Regel  überhaupt  fehlen  oder 
in  den  seltenen  Fällen  ihres  Auftretens  über  die 
teilweise  Reduktion  einer  Schließzelle  nicht  hinaus- 
gehen, während  sie  im  untersten,  dauernd  unter- 
getauchten Teile  desselben  nicht  nur  graduell  bis 
zum  Maximum  der  erreichbaren  Reduktion  schreiten, 


1  Bemerkenswert  ist,  daß  dieselbe  an  Stammteilen  von  3V2  bis  4  cm 
im  Durchmesser  ausschließlich  an  den  bezeichneten  Zellen,  an  einem  jüngeren 
Stamme  von  bloß  1  cm  Dicke  an  sämtlichen  Epidermiszellen  auftrat.  Im 
letzteren  Falle  war  in  der  Mitte  fast  jeder  Zelle  ein  warzenförmiger  Höcker 
ausgebildet,  von  dessen  Spitze  die  Cuticularfalten  über  die  ganze  Zelle  strahlig 
herabliefen.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  der  Verlust  der  Streifung  an  den 
Epidermiszellen  der  dickeren,  älteren  Stammteile  auf  einem  Ausgleiche  der 
Cuticularfalten  infolge  der  durch  das  Dickenwachstum  bewirkten  peripheren 
Spannung  beruht.  Ich  behalte  mir  vor,  auf  diese  Erscheinung  in  einer  späteren 
Mitteilung  zurückzukommen. 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  119 

sondern    auch    numerisch    die   histologisch    normal 
entwickelten  Apparate  weit  überwiegen. 

Sagittaria  montevidensis  Cham,  et  Schlecht. 
(Taf.  II,  Fig.  10.) 

Im  Anschlüsse  an  die  eben  für  Oenanthe  geschilderten 
Tatsachen  sei  ein  Fall  histologischer  Rückbildung  aus  der 
untersten,  dauernd  untergetauchten  Region  des  Blattstieles  der 
oben  angeführten  Art  erwähnt.  Diese  Pflanze,  welche,  wie  im 
folgenden  Abschnitte  gezeigt  werden  wird,  in  der  bezeichneten 
Region  Spaltöffnungen  mit  eigenen  Verschlußeinrichtungen 
ausbildet,  zeigt  nur  ausnahmsweise  weitgehende  histologische 
Rückbildungserscheinungen1  des  Apparates.  Im  vorliegenden 
Falle  war  die  rechte  Schließzelle  abgestorben,  die  Bauchwand 
außergewöhnlich  stark  verdickt  und  ebenso  wie  die  Rücken- 
wand gebräunt,  ihr  Lumen  auf  einen  Spalt  reduziert.  Es  fehlte 
jede  Differenzierung  von  Vorhofleisten,  die  Cuticula  zog  über 
den  durch  Verwachsung  der  Bauchwände  beider  Schließzellen 
gebildeten  Zellulosepfropf  einheitlich  hinweg.  Der  fehlende 
Vorhof  war  durch  einen  feinen  Spalt  schwach  angedeutet.  Ein 
besonderes  Interesse  verdienen  die  Innenwände.  Nicht  nur  an 
der  linken,  weiter  entwickelten,  sondern  auch  an  der  rechten 
Schließzelle  waren  trotz  der  sonstigen  weitgehenden  Rück- 
bildung derselben  die  Hinterhofleisten  sowohl  ihrer  Gestalt 
nach  als,  wie  die  Chlorzinkjodreaktion  zeigte,  auch  chemisch 
differenziert.  Die  Cuticula  erstreckte  sich  noch  in  einen  Teil 
der  normal  entwickelten  Atemhöhle  hinein. 

IV.    Bei    abweichendem    physiologischen   Verhalten   histo- 
logisch umgebildete  Spaltöffnungen  mit  eigenen  Verschluß- 
einrichtungen. 

Die  in  diesem  Abschnitte  zu  schildernden  Fälle  haben  alle 
das  eine  gemeinsam,  daß  der  mit  großer  Zähigkeit  erblich  fixierte 


1  Denn  die  weiter  unten  besprochene  histologische  Veränderung  des 
Apparates  ist  keine  bloße  Rückbildung,  sondern  auch  eine  Umbildung 
in  Anpassung  an  eine  bestimmte  Funktion. 


120  0.  Porsch, 

Apparat  zwar  ausgebildet  .wird,  aber  außer  seiner  physio- 
logischen Umstimmung  $uch  durch  sekundäre  histologische 
Umbildung  im  Sinne  eines  Verschlußapparates  nach  außen 
möglichst  unschädlich  gemacht  wird. 

Um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  bemerke  ich  gleich  im 
vorhinein,  daß  mit  Ausnahme  von  Schoenoplectus  lacustris,  wo 
der  Stamm  zur  Untersuchung  gelangte,  sich  alle  im  folgenden 
gemachten  Angaben  auf  die  dauernd  untergetauchte  Region  des 
Blattstieles  beziehen.1  Wie  bereits  zu  Beginn  des  Abschnittes  I 
hervorgehoben  wurde,  hat  sich  die  Pflanze  in  der  weit- 
gehenden Umbildung  des  Apparates  an  eine  durch- 
schnittliche Niveauhöhe  gehalten,  die  ftfr  sie  als 
Normalzustand  in  erster  Linie  in  Betracht  kommt. 

Demgemäß  finden  sich  auch  an  den  Luftblattstielen  in  der 
obersten,  nur  bei  höherem  Wasserstande  untergetauchten 
Region  normal  gebaute  und  normal  funktionierende  Spalt- 
öffnungen und,  je  mehr  man  sich  dem  durchschnittlichen 
Niveau  nähere,  desto  zahlreichere  Übergänge  zu  den  im 
folgenden  geschilderten  Spaltöffnungen  treten  auf.  Das  erste 
Stadium  der  Umbildung  besteht  zunächst  bloß  in  der  physio- 
logischen Umstimmung  der  Schließzellen,  welche  bei  sonst 
normalem  histologischen  Bau  auch  im  lebenden  Zustande  die 
Zentralspalte  verschlossen  zeigen.  Indem  die  Stomata  nach 
unten  zu  immer  seltener  werden,  erweisen  sie  sich  immer  mehr 
histologisch  umgebildet,  bis  sie  schließlich  im  untersten  Drittel 
des  Blattstieles,  wo  sie  überhaupt  nur  sehr  vereinzelt  auftreten, 
die  im  folgenden  geschilderten  Verschlußeinrichtungen  in 
vollendetster  Ausbildung  zeigen.  In  einem  gewissen  Abstände 
vom  Boden  hören  sie  dann  überhaupt  auf.  Allen,  auch  den 
•histologisch  am  weitestgehenden  umgebildeten  ist  die  normale 
•Entwicklung  der  Atemhöhle  gemeinsam. 

In  Übereinstimmung  mit  dem  eben  Gesagten  bestand  die 
Untersuchungsmethode  darin,  daß  von  den  möglichst  tief 
abgeschnittenen  Blattstielen,  an  denen  die  obere  Grenze  des 
Wasserstandes  durch  einen  farbigen  Strich  bezeichnet  wurde, 


1  Und  zwar  bloß   bei   Polygonum  atnphibium  das  oberste,  bqi  allen 
übrigen  Formen  das  unterste  Drittel  derselben. 


SpaltöffnungsappfHrat  sufrmerser  Pflanzenteile.  1  21 

zunächst  von  der  Sqhnittfläphe  flach  aufwärts  zahlreiche  Ober- 
flftchepschnitt?  angefertigt  wurden,  so  lange,  bis  in  einem 
derselben  die  erste  Spaltöffnung  auftrat.  D#nn  «wurden  vqp  der 
Höhe  derselben  nach  aufwärts  Freihandqwrschmtte  gemacht 
und  auf  Spaltöffnungen  untersucht.  Dies  wurde  so  lange  fort- 
gesetzt, ;bis  der  farbige  Strich  erreicht  war.  Selbstverständlich 
verblieb,  da  diese  ziemlich  mühsame  Methode  für  einen  Blattstiel 
mehrere  Tage  beanspruchte,  dieser  für  die  Zeit  der  Untersuchung 
bis  zu  der  durch  dßn  Strich  markierten  Höhe  unter  Wasser. 
Dasselbe  gilt  für  den  Stamm  von Schoemoplectus  lacustris.XJm  mir 
ein  sicheres  Urteil  über  die  allgemeine  Gültigkeit  der  auf  diesem 
Wege  gewonnenen  Ergebnisse  bilden  zu  können,  wurden  von 
jeder  Art  mehrere  Blattstiele  verschiedener  Individuen  von 
verschiedener  Herkunft  untersucht.  Die  Schnitte  wurden  in 
Alkohol  fixiert  und,  wenn  nötig,  mit  Eau  de  Javelle  aufgehellt. 
Die  Beweglichkeit  der  Schließzellen  wurde  an  frischen  Schnitten 
studiert.  Für  das  Studium  der  Membrandifferenzierung  bewährte 
sich  in  kritischen  Fällen  als  Färbemittel  am  besten  das  Dela- 
field'sche  Hämatoxylin. 

Alisma  Plantago  L. 

(Taf.  II,  Fig.  3  und  4.) 

Die  histologische  Umbildung  des  normal  untergetauchten 
Apparates  geht  am  besten  aus  einem  Vergleiche  der  beiden 
Fig.  3  und  4  hervor.  Fig.  3  stellt  den  Querschnitt  durch  den 
normalen  Apparat  aus  dem  obersten,  grünen,  auch  bei  hohem 
Wasserstande  dauernd  in  Luft  befindlichen  Teile  des  Blattstieles 
dar,  Fig.  4  den  untergetauchten  dar.  Zunächst  fällt  die  größere 
Höhe  der  Schließzeilen  des  letzteren  im  Verhältnis  zur  Breite 
dem  ersteren  gegenüber  auf,  eine  Erscheinung,  die  auch  für  die 
meisten  folgenden  Arten  gilt  (vergleiche  Taf.  II,  Fig.  11  mit  14, 
16  mit  15,  Taf.  III,  Fig.  2  und  5,  8  und  7,  18  und  20).  Weiters 
sind  die  bei  dieser  wie  auch  bei  den  folgenden  Arten  un- 
beweglichen Schließzellen  auch  im  lebenden  Zustande  mit  den 
Bauchwänden  fest  aneinandergedrückt,  wodurch  ein  intimer 
Verschluß  der  Zentralspalte  bewirkt  wird.  Das  auffallendste  und 
für  den  untergetauchten  Apparat  charakteristischeste  Merkmal 


122  O.  Porsch, 

liegt  jedoch  in  dem  Verschlusse  der  Eisodial-  und  Opisthial- 
öffnung.  Die  beiden  Vorhofleisten  schließen  nämlich  enge  an- 
einander an  und  lassen  nur  einen  äußerst  schmalen  Kanal 
zwischen  einander  frei.  Dabei  erfolgt  der  gegenseitige  Anschluß 
so  ausgiebig,  daß  die  eine  Leiste  durch  die  andere  schief  nach 
aufwärts  umgebogen  wird,  wodurch  ein  schiefer  Kanal  zustande 
kommt.  Auch  die  Hinterhofleisten  legen  sich  entweder  in 
gleicher  Höhe  direkt  enge  aneinander  (vergleiche  Fig.  4)  oder 
sie  greifen,  wie  in  dem  in  Fig.  5  dargestellten  Falle  über- 
einander. Bei  dem  engen  Anschlüsse  beider  Zellen  kann  ein 
Rest  des  Vorhofes  noch  erhalten  bleiben  (Fig.  4)  oder  er  ist  auf 
einen  Spalt  von  der  Breite  des  durch  die  Vorhofleisten  gebildeten 
reduziert.  Mit  dem  eben  geschilderten  Querschnittsbilde  stimmt 
auch  die  Oberflächenansicht  des  Apparates  überein,  indem  bei 
höchster  Einstellung  etwas  seitlich  von  der  Mitte  desselben 
parallel  zur  Längsachse  ein  sehr  feiner  dunkler  Strich  auftritt, 
welcher  dem  schmalen  Spalte  der  Eisodialöffnung  entspricht 
Die  seitliche  Verschiebung  desselben  ergibt  sich  aus  der 
Umbiegung  der  einen  Vorhofleiste. 

Jedenfalls  haben  wir  es  hier,  wie  aus  dem  Gesagten  hervor- 
geht, mit  einem  Spaltöffnungsapparate  zu  tun,  der  in  Anpassung 
an  seine  nunmehr  ausschließliche  Funktion,  einen  möglichst 
ausgiebigen  Verschluß  der  Atemhöhle  nach  außen  zu  erzielen, 
in  hohem  Grade  histologisch  umgebildet  ist. 

Sagittaria  montevidensis  Cham,  et  Schlecht. 
(Taf.  II,  Fig.  11  bis  14.) 

Die  eben  für  Alisma  geschilderten  Verhältnisse  wieder- 
holen sich  im  wesentlichen  auch  bei  dieser  Art.  Auch  hier  sind 
die  Schließzellen  des  untergetauchten  Apparates  (Fig.  1 1)  höher 
als  die  des  normalen  (Fig.  14).  Aber  der  Verschluß  erfolgt  hier 
noch  radikaler,  indem  der  zwischen  den  Bauchwänden  derselben 
frei  gelassene,  äußerst  schmale  Kanal  nur  bei  schärfster 
medianer  Einstellung  einen  Augenblick  sichtbar  ist;  bei  der 
geringsten  Veränderung  derselben  nach  oben  oder  unten  zu 
bekommt  man  die  in  den  Fig.  12  und  13  dargestellten 
Bilder,  nämlich  Verwachsung  der  Bauchwände  in  der  Vor-  oder 


Spaltöffnungsapparat  submcrser  Pflanzenteile.  123 

Hinterhofregion  oder  in  beiden.  Da  diese  Ansichten  zwischen 
der  polaren  und  medianen  Einstellung  auftreten,  so  folgt  daraus, 
daß  die  Verwachsung  der  Schließzellen  unter  der 
Eisodialöffnung  noch  etwas  über  die  Pole  gegen  die 
Mitte  des  Apparates  zu  reicht.  Besonders  klar  tritt  dieses 
Verhältnis  am  Hinterhofe  hervor,  wo  die  miteinander  ver- 
wachsenen Cuticularleisten  einen  letzten  Rest  des  Hinterhofes 
zwischen  einander  freilassen  können  (Fig.  13).  Aber  auch  in 
jenen  Fällen,  wo  sie  bloß  eng  aneinander  schließen,  ist  der 
Verschluß  sehr  ausgiebig,  indem  sich  je  ein  Vorsprung  der 
einen  Leiste  einer  entsprechenden  Einsenkung  der  anderen 
dicht  anschmiegt  (Fig.  12).  Alisina  gegenüber  bedeutet  mithin 
die  Verschlußeinrichtung  unserer  Pflanze  einen  merklichen 
Fortschritt. 


Sagittaria  sagittifolia  L. 

(Taf.  II,  Fig.  15  und  16.) 

Für  diese  Art  gilt  in  allen  wesentlichen  Punkten  das  für 
die  vorhergehende  Gesagte,  nur  ist  hier  der  untergetauchte 
Apparat  dem  deutlich  erhabenen  normalen  gegenüber  als 
schwach  eingesenkt  zu  bezeichnen  (vergleiche  Fig.  16  mit  15), 
während  in  dieser  Beziehung  bei  der  früheren  Art  kein  regel- 
mäßiger Unterschied  besteht,  wenn  auch  im  einzelnen 
Variationen  eintreten  können.  Interessant  ist  der  in  Fig.  16  dar- 
gestellte Querschnitt,  welcher  einem  an  der  oberen  Grenze  der 
untergetauchten  Region  gelegenen  Apparate  angehörte  und  für 
diese  Art  das  Maximum  der  Öffnungsweite  der  Zentralspalte  in 
der  bezeichneten  Region  darstellt.  Der  Verschluß  der  Eisodial- 
öffnung war  durch  starke  Verdickung  der  beiden  Vorhofleisten 
erleichtert,  was  gleichzeitig  eine  bedeutende  Reduktion  des 
Vorhofes  zur  Folge  hatte.  Dagegen  war  die  Zentralspalte 
ziemlich  weit  geöffnet,  die  Opisthialöffnung  dagegen  durch  die 
hier  zwar  dünneren,  aber  entsprechend  breiteren  Hinterhof- 
leisten merklich  eingeengt.  Bei  höherer  oder  tieferer  Einstellung 
zwischen  den  Polen  traten  ganz  ähnliche  Bilder  wie  die  in 
Fig.  12  und  13  dargestellten  auf. 


124  O.  Porsch, 

Calla  palustris  L. 
(Taf.  III,  Fig.  1  bis  5.) 

Bei  dieser  und  der  folgenden  Art  bilden  die  Vor-  und 
Hinterhofleisten  nicht  nur  wie  bei  den  vorhergehenden  durch 
die  Art  ihres  gegenseitigen  Anschlusses  eine  ausgezeichnete 
Verschlußeinrichtung,  sondern  erscheinen  jenen  des  normalen 
Apparates  gegenüber  auch  in  ihrer  Entwicklung  mächtig 
gefördert,  wie  ein  Vergleich  der  Fig.  1  und  2  (untergetauchter 
Apparat)  mit  5  (normaler  Apparat)  ergibt.  Auch  hier  wird  durch 
enges  Übereinanderlegen  der  Vorhofleisten  ein  enger  schiefer 
Kanal  gebildet,  nur  erscheint  die  von  der  anderen  gedeckte 
Leiste  nicht  hinauf,  sondern  herabgebogen  (vergleiche  Fig.  1 
und  2).  Dagegen  ist  die  Zentralspalte  meist  offen.  Ein  wirk- 
samerer Verschluß  kommt  dagegen  der  Opisthialöffnung  zu. 
Die  mächtig  entwickelten  Hinterhofleisten  (vergleiche  besonders 
Fig.  2  bis  4),  welche  nicht  selten  gegen  die  Zentralspalte  hinauf 
gekrümmt  sind  (Fig.  1),  sind  fest  aneinander  gelegt  und  lassen 
nur  bei  genau  medianer  Einstellung  einen  äußerst  feinen  Kanal 
zwischen  einander  frei  (Fig.  1,  2,  4);  bei  einer  Zwischen- 
einstellung zwischen  dieser  und  der  polaren  sind  sie  mit- 
einander direkt  verwachsen  (Fig.  3).  So  wird  durch  den 
Verschluß  der  mächtig  geförderten  Hinterhofleisten  das  wieder- 
gewonnen, was  der  Apparat  an  Wirksamkeit  durch  die  Öffnung 
der  Zentralspalte  und  den  bei  dieser  Pflanze  nicht  selten 
verhältnismäßig  weniger  ausgiebigeren  Eisodialverschluß 
verliert. 

Menyanthes  trifoliata  L. 
(Taf.  III,  Fig.  6  bis  8.) 

Bei  dieser  Art  ist  der  Höhenunterschied  zwischen  den 
Schließzellen  des  untergetauchten  Apparates  und  jenen  .des 
normalen  noch  auffallender  als  bei  der  vorhergehenden,  wie  ein 
Vergleich  der  Fig.  6  und  7  mit  8  zeigt.  Besonders  verkürzt 
erscheinen  an  letzterem  die  Bauchwände  den  Rückenwändea 
gegenüber.  Auch  hier  ist  für  den  umgebildeten  Apparat  Se 
mächtige  Förderung  der  Vorder-  und  besonders  der  Hinterhof- 
leisten charakteristisch    (vergleiche  Fig.  6  und  7  mit  8).  Der 


Spaltöffnungsapparat  submefrScr  Pflanzenteile.  1 25 

VoitofVerschluß  erfolgü  durch»  enges  Aneinander*  (Fig.  ö)  oder 
Übereinanderlegen  der  Vorderleisteni  Im  erstseren  Falle"  erscheint 
in  der  Oberflächenansicht  bei  höchster  Einstellung  ein  sehr 
schmaler,  dem  Zwischenraum  zwischen  beiden  Leisten  ent- 
sprechender Spalt  Der  Hinterhof  wird  entweder  durch  engen 
Anschluß  der  beiden  hinteren  Leisten  (Fig.  6)  oder  aber  durch 
vollständig-e  Verwachsung1  derselben  verschlossen.  Im 
letzteren  Falle  ist*  selbst  bei  genau  medianer  Einstellung  leein 
Kanal  zwischen^  den  beiden  hinteren  Leisten  nachweisbar 
(Figi  7). Dagegen1  ist  dieZentttalspalte  meist;  mehr  oder  Weniger 
weit  geöffnet. 

Wie  die  gelegentliche  vollständige  Verwachsung  der 
hinteren  Cuticularleisten  zeigt»  ist  diese  Art  im  Verschlusse  des 
Hinterhofes  bei'  sonst  im  allgemeinen  gleichen  Verschluß- 
einrichtungen um  einen  Schritt  weitergegangen  als  die  vorige. 

Schoenoplectus  lacüstris  (L.)  Palla. 

(Taf.  III,  Fig.  9  bis  14.) 

Von  dieser  Pflanze  gelangte,  wie  bereits  erwähnt,  der 
Stamm  zur  Untersuchung;  Die  nach  dem  Gramineentypus 
gebauten*  Spaltöffnungen,  treten  hier  in  ziemlich  regelmäßigen 
Längsreihen  zwischen  den  subepidermalen  Bastgurtungen  auf 
und  zwar  werden  sie  in  dem  obersten,  dauernd  in  Luft 
befindlichen  Teile  des  Stammes  von  1  bis  2,  seltener  3 
Epidermiszellen  unterbrochen.  Je  weiter  man  jedoch  von  oben 
nach  unten  am  Stamme  vorrückt,  desto  mehr  Epidermiszellen 
weisen  zwischen  je  zwei  aufeinanderfolgende  Spaltöffnungen 
eingeschaltet,  bis  diese*  im'  untersten,  konstant  untergetauchten 
Teile  desselben  nur  sehr  selten  auftreten,  um  schließlich  von 
einer  bestimmten  Entfernung  vom  Boden  an  ganz  aufzuhören. 

Der  konstant  untergetauchte  Apparat  unterscheidet  sich 
schonin  der  Oberflächenansicht  auf  den  ersten  Blick  merklich 
von  dem  normalen.  Zunächst  ist  seine  Gesamtbreite  inklusive 
Nebenzellen  etwas  größer  als  die  des  normalen  (vergleiche 
Fig.  10,  welche  den  untergetauchten,  mit  Fig.  9,  welche  den 


1  In  dem  oben  S.  10S  angegebenen  Sinne  gemeint. 


126  O.  Porsch, 

normalen  Apparat  darstellt).  Weiters  sind  beide  Schließzeilen 
zusammengenommen  etwas  breiter.  Da  nun  die  Eisodialöffnung 
des  untergetauchten  Apparates,  wenn  sie  überhaupt  geöffnet 
ist,  gewöhnlich  bloß  ein  Drittel  der  Breite  jener  des  normalen 
besitzt,  resultiert  auch  für  die  einzelne  Schließzelle  des  ersteren 
eine  größere  Breite.  Dagegen  steht  ersterer  dem  letzteren  an 
Länge  etwas  nach  (vergleiche  Abbildung).  Ein  Vergleich  der 
beiden  zitierten  Abbildungen  gewinnt  umso  mehr  an  Interesse, 
als  beide  Apparate  bei  maximaler  Eisodialöffnungsweite 
in  nahezu  gleicher  Vergrößerung  dargestellt  sind. 
Wenn  man  weiters  bedenkt,  daß  die  in  Fig.  10  abgebildete 
Eisodialöffnung  1140fach  vergrößert  ist  und  die  seitliche 
Abgrenzung  derselben  durch  schwer  benetzbare  Cutinleisten 
hergestellt  ist,  erscheint  wohl  selbst  bei  schwach  geöffneter 
Zentralspalte  jedes  Eindringen  des  Wassers  wirksam  verhindert. 
Ein  Vergleich  der  beiden  Oberflächenansichten  liefert  weiters 
das  interessante  Ergebnis,  daß  die  polare  Verwachsung 
der  Schließzellen  am  untergetauchten  Apparate  viel 
weiter  gegen  die  Mitte  derselben  reicht  als  am  nor- 
malen, wodurch  selbst  bei  maximaler  Öffnungsweite 
der  Eisodialöffnung  der  Spielraum  derselben  beträcht- 
lich eingeschränkt  wird.  Nach  dem  Gesagten  weist  der 
untergetauchte  Apparat  schon  in  seiner  Oberflächenansicht  eine 
auf  Rechnung  der  Anpassung  an  den  möglichst  ausgiebigen 
Verschluß  der  Atemhöhle  gegen  das  flüssige  Medium  zu  setzende 
weitgehende  histologische  Umbildung  auf. 

In  physiologischer  Hinsicht  ist  der  beinahe  regelmäßige 
Verschluß  der  Zentralspalte  auch  an  frischen,  im  Wasser 
beobachteten  Schnitten  hervorzuheben.  Dabei  kann  die  Eisodial- 
öffnung schwach  geöffnet  oder,  was  häufiger  der  Fall  ist,  bis 
auf  einen  äußerst  feinen  Spalt  verschlossen  sein  (vergleiche 
Fig.  11).  Die  hinteren  Cuticularleisten  können  enge  aneinander 
gedrückt  sein  (Fig.  1 1)  oder  einen  typischen  Hinterhof  zwischen 
einander  frei  lassen. 

Mit  den  eben  geschilderten  Differenzierungen  hat  jedoch 
die  Umbildung  des  Apparates  noch  nicht  ihren  Höhepunkt 
erreicht.  Wie  aus  der  erwähnten,  weiter  gegen  die  Mitte  der 
Schließzellen  reichenden  Verwachsung  derselben   hervorgeht, 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  1 27 

tritt  deutlich  dasBestreben  zutage,  zu  jener  Verschlußeinrichtung 
zu  greifen,  welche  nicht  nur  am  promptesten  wirkt,  sondern 
auch  allem  Anscheine  nach  am  einfachsten  zu  erreichen  wäre, 
nämlich  zur  gänzlichen  Verwachsung  der  Eisodialöffnung,  Aber 
gerade  dieser  scheinbar  kürzeste  und  leichteste  Weg  scheint 
der  Pflanze  der  schwierigste  zu  sein.  Die  Bildung  eines  Spaltes 
zwischen  den  beiden  Schließzellen  ist  eben  als  phylogenetisch 
sicherlich  erster  und  ältester  Schritt  *  zur  Differenzierung  des 
Spaltöffnungsapparates  mit  der  inneren  Anlage  desselben  so 
innig  verbunden  und  hochgradig  erblich  fixiert,  daß  die  Pflanze 
unter  Umständen  elier  befähigt  ist,  auf  dem  Umwege  einer 
weitgehenden  histologischen  Umprägung  den  Folgen  der  Aus- 
bildung desselben  zu  begegnen  als  auf  dem  kürzeren  Wege 
der  Unterdrückung  desselben.  So  auch  hier.  An  den  zahlreichen 
daraufhin  untersuchten  Apparaten  fand  ich  bloß  je  zwei  Fälle 
einer  teilweisen  und  vollständigen  Verwachsung  der  Eisodial- 
öffnung, die  beiden  ersteren  in  Oberflächenansicht,  von  den 
zwei  letzteren  einen  ebenso,  den  anderen  in  Querschnitt.  In  dem 
einen  in  Fig.  12  dargestellten  Falle  war  die  Eisodialöffnung  bis 
auf  sechs,  in  dem  zweiten  bis  auf  drei  unregelmäßig  gestaltete, 
mit  rauhen  Rändern  versehene  Poren  verwachsen.  Vollständige 
einheitliche  Verwachsung  zeigt  in  der  Oberflächenansicht 
Fig.  13,  im  Querschnitte  Fig.  14.  Die  Oberflächenansicht  zeigte 
in  der  Medianlinie  des  Apparates  eine  einheitliche  plastische 
Erhöhung,  die  bloß  an  den  Polen  die  Mittellamelle  in  schwacher 
Andeutung  erkennen  ließ.  Dagegen  war  in  dem  in  Fig.  14  dar- 
gestellten Querschnitte  die  Verwachsungssteile  keineswegs 
durch  eine  partielle  Erhebung  charakterisiert,  sondern  die 
Cuticula  zog  über  die  schwach  gewölbten  Außenwände  glatt 
hinweg.  Bemerkenswert  ist,  daß  auch  hier  noch  deutlich  ein 
Rest  des  Vorhofes  in  Form  eines  kleinen  Spaltes  nachweisbar 


1  In  demselben  Sinne  sagt  Haberlandt  (Beiträge  zur  Anatomie  und 
Physiologie  der  Laubmoose,  III,  S.  475,  Fußnote  1,  Pringsheim's  Jahrb.,  17, 
1886):  »Offenbar  hat  man  sich  die  phylogenetische  Entstehung  der  Spalt- 
öffnungen so  vorzustellen,  daß  zuerst  zwischen  gewöhnlichen  Epidermis- 
zellen  Spalten  auftraten  und  daß  dann  später  infolge  des  Bedürfnisses, 
diese  Spalten  öffnen  und  schließen  zu  können,  die  beiden  betreffenden  Epi- 
dermiszellen  zu  entsprechend  gebauten  Schließzellen  umgestaltet  wurden«. 


f28  O.  Forsch, 

war  und  der  Hinterhof  normale  Entwicklung  zeigte.  Wie  wir 
später  sehen  weisen,  kehren  gan^  dieselben'  Verhältnisse  bei 
Polygonam  amphibium  wieder.  Im  allgemeinen  können  wir 
sagen,  daß  im  Vergleiche  zu  den  vorhergehenden  Arten  dte 
Umbildung  des  untergetauchten  Apparates  bei  SökoeHoplecfus 
lacustris  merklich  weiter  gediehen  ist. 

Polygonum  amphibium  L.  (Wasserform.) 

(Taf.  III»  Fig.  15  bis  20.) 

Die  für  Schoenoplectus  als  seltener  Ausnahmezustand 
nachgewiesene  vollständige  Verwachsung  der  Eisodialöffhurtg 
seitens  der  Cuticula  stellt  für  den  SpaltöffhungSapparat  der 
obersten  untergetauchten  Region  des  Schwimmblattstieles 
obiger  Pflanze  nicht  nur  das  gewöhnliche  Verhalten  dar,  sondern 
wird  in  ihrer  Funktion  überdies  noch  durch  die  Beteiligung  der 
stark  entwickelten  vorderen  Cuticularleisten  an  der  Verschluß- 
einrichtung unterstützt.  Und  zwar  geschieht  dies  in  folgender 
Weise.  Die  denen  des  normalen  Apparates  gegenüber  deutlich 
geförderten  Vorderleisten  (vergleiche  die  beiden  Fig.  20 
und  17,  erstere  den  normalen,  letztere  den  untergetauchten 
Apparat  darstellend)  sind  enge  miteinander  verbunden  und 
lassen  zwischen  einander  nur  selten  einen  bis  zur  Cuticula 
reichenden,  sehr  feinen  Spalt  frei,  welcher  den  letzten  Rest  des 
ursprünglichen  Vorhofes  darstellt  (Fig.  17);  zumeist  sind  sie 
jedoch  vollständig  miteinander  verwachsen  (Fig.  19)  oder  der 
Spalt  reicht  weder  bis  zur  Cuticula  noch  bis  zur  Zenträlspalte, 
beziehungsweise  der  dieser  entsprechenden  Region  (Fig.  18) 
wie  in  dbm  oben  für  Schoenoplectus  geschilderten  Spezialfälle 
(vergleiche  Fig.  14). 

Die  Ausdehnung  des  Spaltes  variiert  dort,  wo  er  überhaupt 
erhalten  ist»  wie  aus  der  Oberflächenansicht  hervorgeht.  Bei 
höchster,  der  Eisodialöffnung  entsprechender  Einsteilung  tritt 
wie  bei  Potamogeton  natans  ein  von  der  stark  lichtbrechenden 
Cuticula  überwachsenes,  plastisches,  elliptisches  Feld  auf.  In 
manchen  Fällen  wird  ein  durch  die  Mittellinie  desselben  durch- 
gehender hellerer  Strich  sichtbar,  der  dann  einer  mittleren,  über 
dem  Spalte  gelegenen  Erhebung  der  Cuticula  entspricht,  wie 
dies  etwa  am  Querschnitte  in  Fig.  17  zum  Ausdrucke  gelangt. 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  1 29 

Steift  man  jedoch  etwas  tiefer  ein,  so  tritt  der  Spalt  in  Form 
eines  rötlich  erscheinenden  Striches  von  verschiedener  Länge 
auf.  Entweder  nimmt  er  bloß  die  Mitte  des  elliptischen  Feldes 
ein,  kaum  ein  Drittel  des  Längendurchmessers  desselben 
betragend  (Fig.  16),  oder  er  reicht  weiter  gegen  die  Ver- 
wachsungsstelle der  beiden  Schließzeilen,  ohne  dieselbe  zu 
erreichen  (Fig.  15).  Nur  selten  erstreckt  er  sich  bis  zu  dieser. 

Wie  bei  den  übrigen,  in  diesem  Abschnitte  geschilderten 
Arten  sind  auch  hier  die  Schließzellen  gänzlich  unbeweglich 
und  jenen  des  normalen  Apparates  gegenüber  im  Verhältnisse 
zur  Breite  merklich  höher  (vergleiche  Fig.  17  bis  19  mit  20). 
Die  Zentralspalte  ist  ausnahmslos  verschlossen.  Weiters  ist 
wichtig  hervorzuheben,  daß  der  Hinterhof  bei  medianer  Ein- 
stellung am  Querschnitte  fast  regelmäßig  normal  entwickelt 
ist  (Fig.  17,  18),  und  ebensowenig  unterscheiden  sich  für 
gewöhnlich  die  hinteren  Cuticularleisten  von  jenen  des  nor- 
malen Apparates.  Nur  einmal  fand  ich  dieselben  an  einem 
Querschnitte  über  ihr  gewöhnliches  Maß  hinaus  ausgebildet, 
wo  sie  in  ihrer  scharfen  Zuspitzung,  welche  räumlich  einer 
schneidigen  Kante  entspricht,  an  die  ganz  ähnliche  für  Sagit- 
taria  sagittifolia  beschriebene,  auf  Taf.  II,  Fig.  16,  dargestellte 
Bildung  erinnern.  Wie  dort  waren  sie  auch  hier  einander  stark 
genähert  In  der  Regel  wird  jedoch,  wie  erwähnt,  eine  Verschluß- 
einrichtung für  den  Hinterhof  nicht  ausgebildet  und  ist  auch  im 
vorliegenden  Falle  gänzlich  überflüssig,  da  durch  den  radikalen 
Verschluß  der  Eisodialöffnung,  beziehungsweise  des  Vorhofes 
und  der  Zentralspalte  allein  die  Atemhöhle  gegen  jedes  Ein- 
dringen von  Wasser  wirksam  geschützt  ist. 

Wie  aus  dem  Gesagten  hervorgeht,  Stelltuns  der  unter- 
getauchte Spaltöffnungsapparat  von  Polygonum  atnphi- 
biutn  in  seiner  weitgehenden  physiologischen  und 
histologischen  Differenzierung  unter  allen  bisher 
beschriebenen  Fällen  insoferne  den  Höhepunkt  der 
Umbildung  desselben  in  Anpassung  an  seine  Funkt io  n 
als  Verschlußapparat  der  Atemhöhle  dar,  als  er  in  der 
Gesamtheit  seiner  Organisation  eine  Kombination 
fast  sämtlicher  Verschlußeinrichtungen  darstellt,  die 
zum   Teile    allein   auf    die    einzelnen    Arten    verteilt 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  9 


130  O.  Porsch, 

erscheinen,  wie  Unbeweglichkeit  der  Schließzellen 
(Callitriche,  Hippuris),  Verwachsung  derEisodialöffnung 
(Potatnogeton,  ausnahmsweise  Alistna,  Oenanthe),  För- 
derung  der  vorder en  Cuticu\eir\eiste n(Calla,Menyanthes)> 
Verschluß  der  Zentralspalte  (SchdenoplectusJ.  Zu  all  dem 
tritt  als  Neuerwerbung  die  gänzliche  Verwachsung 
der  Vorhof  leisten  hinzu,  dagegen  unterbleibt  der  unter 
diesen  Umständen  auch  überflüssige  Verschluß  des 
Hinterhofes. 

Zum  Schlüsse  habe  ich  noch  auf  die  interessante  Ver- 
teilung der  Spaltöffnungen  am  Blattstiele  einzugehen.  Macht 
man  durch  den  Blattstiel  des  Luftblattes  der  Wasserform 
einen  Querschnitt,  so  erscheint  derselbe  seitlich  in  zwei  schmale, 
dünne,  flügelartige  Erweiterungen  ausgezogen,  welche  in  dem 
subepidermalen,  an  Interzellularräumen  reichen  Grundgewebe 
zahlreiche  und  große  Chlorophyllkörner  enthalten.  Die  grünen 
Zellen  dieser  beiden  Assimilationsflügel  weichen  in  ihrer 
eiförmigen  bis  fast  kugeligen  Gestalt  von  den  gewöhnlichen 
Grundgewsbezellen  des  Blattstieles  nicht  ab,  nur  stehen  sie 
etwas  dichter  als  diese.  Wie  Oberflächenschnitte  ergeben,  liegen 
die  Spaltöffnungen  nicht  unregelmäßig  über  den  ganzen  Blatt- 
stiel verteilt,  sondern  sind,  dieser  Differenzierung  des  Grund- 
gewebes entsprechend,  auf  die  Assimilationsflügel  beschränkt. 
Der  oberste,  untergetauchte  Teil  des  Schwimmblatt- 
stieles hingegen  besitzt  weder  die  seitlichen  flügel- 
artigen Erweiterungen  noch  ein  subepidermales 
Assimilationsgewebe.  Ab  er  auch  an  diesem  zeigen  die 
Spaltöffnungen  eine  strenge  Lokalisierung  an  die 
den  Assimilationsflügeln  des  Luftblattstieles  ent- 
sprechende Region.  Der  erste  Schritt  zur  Rückbildung  der 
Assimilationsfähigkeit  des  Blattstieles  im  Laufe  seiner  all- 
mählichen Anpassung  an  das  ausschließliche  Wasserleben  war 
die  Rückbildung  des  Assimilationsgewebes.  Dies  war  im  vor- 
liegenden Falle  umso  leichter,  als  die  assimilierenden  Zellen 
wahrscheinlich  noch  keine  weitgehende  histologische  Differen- 
zierung in  Anpassung  an  ihre  Funktion  aufwiesen,  indem  sie 
sich    von    gewöhnlichen   subepidermalen   Grundgewebszellen 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  131 

hauptsächlich  durch  den  Besitz  von  Chloroplasten  unterschieden, 
die  Reduktion  des  Assimilationsgewebes  in  erster  Linie  also 
auf  die  Rückbildung  der  Chloroplasten  hinauslief.  Ungleich 
schwieriger  jedoch  muß  die  Rückbildung  des  Spaltöffnungs- 
apparates sein,  dessen  Bildung  nicht  bloß  eine  weitgehende 
physiologische  und  histologische  Differenzierung  bestimmter 
Epidermiszellen,  sondern  auch  die  Kommunikation  ihres 
Spaltes  mit  dem  Durchlüftungssystem  voraussetzt.  Bei  der 
innigen  Wechselbeziehung  zwischen  der  Anlage  dieses 
Apparates  und  den  Assimilationsgeweben  wurden  die  Spalt- 
öffnungen begreiflicherweise  schon  frühzeitig  auf  die  assimi- 
lierende Region  beschränkt  und  die  Fähigkeit  zur  Ausbildung 
derselben  ausschließlich  gewissen  Dermatogenzellen  dieser 
Region  erblich  übertragen.  Der  vorliegende  Fall  gewinnt 
umsom  ehr  an  Interesse,  als  wir,  wie  Haberland  t  gezeigt 
hat,1  in  der  Rückbildung  des  Assimilationssystems  am 
Sporogon  der  Sphagnutn-Arten  ein  ganz  ähnliches 
Verhältnis  vor  uns  haben.  Auch  hier  ist  dieses  bereits 
vollständig  rückgebildet,  die  Spaltöffnungen  sind 
jedoch,  wenn  auch  auf  reduzierter  Stufe,  immer  noch 
erhalten.  Wenn  wir  weiters  bedenken,  daß,  wie  Hildebrand 
bereits  nachgewiesen  hat,2  die  Luftblätter  der  Wasserform 
unserer  Art  auf  ihrer  Lamina  beiderseits  Spaltöffnungen  führen 
und  überdies,  wie  eben  gezeigt  wurde,  an  eigenen  assimilierenden 
Teilen  des  Blattstieles,  die  Schwimmblätter  dagegen  bloß  auf 
ihrer  Oberseite,  an  ihren  Blattstielen  dagegen  bei  Reduktion  des 
Assimilationsgewebes,  die  erblich  fixierten  Spaltöffnungen 
dagegen  selbst  noch  gegenwärtig  in  der  den  ursprünglich 
assimilierenden  Teilen  entsprechenden  Region  ausbilden,  so 
stellt  uns  Polygonum  amphibium  das  seltene  Beispiel 
einer  Pflanze  dar,  welche  an  verschiedenen  Organen 
eines  und  desselben  Individuums  die  Hauptetappen 
seiner  wechselnden  Anpassungsgeschichte  auch  im 


1  »Beiträge  zur  Anatomie  und  Physiologie  der  Laubmoose«  in  Prings- 
heim's  Jahrb.,  17.  Bd.,  1886,  S.  475. 

2  »Über  die  Schwimmblätter  von  Marsilia  und  einigen  anderen  amphibi- 
schen Pflanzen.«  Botan.  Zeitung,  1870,  S.  20. 

9* 


132  O.  Porsch, 

histologischen  Bau  gegenwärtig  noch  klar  zum  Aus- 
drucke bringt. 

Ein  vergleichender  Rückblick  über  die  Verteilung  der  in 
der  vorliegenden  Untersuchung  geschilderten  Verschlußarten 
auf  die  einzelnen  daraufhin  untersuchten  Objekte  liefert  zwei 
interessante  Ergebnisse:  zunächst  die  Tatsache,  daß  die  Pflanze 
im  allgemeinen  bei  der  Ausbildung  der  jeweiligen  Verschluß- 
einrichtungen gewissermaßen  mit  einer  gewissen  Ökonomie  zu 
Werke  geht,  indem  zu  einer  auf  den  Vorhof  sich  erstreckenden 
Verschlußeinrichtung  eine  zweite,  die  Zentralspalte  oder  Hinter- 
hof betreffende,  in  der  Regel  nur  dann  hinzutrit,  wenn  die  erstere 
allein  nicht  volle  Garantie  für  ausgiebigen  Abschluß  bietet 
(vergleiche  Alisma,  Taf.  II,  Fig.  4,  Sagittaria,  Taf.  II,  Fig.  1 1 
und  16,  Calla,  Taf.  III,  Fig.  1,  2,  Menyanthes,  Taf.  III,  Fig.  6,  7). 
Umgekehrt  verzichtet  die  Pflanze  auf  einen  Verschluß  des 
Hinterhofes,  wenn  durch  eine  auf  Eisodialöffnung,  Vorhof  oder 
Zentralspaite  sich  erstreckende  Einrichtung  der  wirksame 
Verschluß  nach  außen  gesichert  erscheint  (vergleiche  Pota- 
mogeton,  Taf.  I,  Fig.  2,  5,  Oenanthe,  Taf.  I,  Fig.  6,  Schocnoplecttis, 
Taf.  III,  Fig.  14,  Polygonum,  Taf.  III,  Fig.  17,  18).  Weiters  zeigt 
sich,  daß  die  weitgehendste  histologische  Umbildung  des 
Apparates  in  Form  der  soeben  beschriebenen  Verschluß- 
einrichtungen nicht  nur  gerade  jenen  Pflanzen  zukommt,  welche 
auch  durch  die  Fähigkeit  der  gelegentlichen  amphibischen 
Lebensweise  eine  höhere  Anpassungsfähigkeit  bekunden, 
sondern  unter  diesen  wieder  bei  einer  Art  den  Höhe- 
punkt erreicht,  welche  geradezu  ein  Paradigma  adap- 
tiver Plastizität  darstellt. 

Zusammenfassung  der  Hauptergebnisse. 

I.  Bei  einer  Reihe  von  Wasserpflanzen  finden  sich  in  der 
bei  normalem  Wasserstande  dauernd  untergetauchten  Region 
gewisser  Organe  als  Erbstück  ihres  ehemaligen  terrestrischen 
Lebens  vereinzelt  Spaltöffnungen  entwickelt. 

II.  Der  mit  der  erblich  fixierten  Anlage  derselben  ver- 
bundenen Gefahr  der  Infiltration  der  Durchlüftungsräume  durch 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  1 33 

dsa  umgebende  Wasser  wird  bei  den  verschiedenen  Arten  auf 
verschiedene  Weise  begegnet  und  zwar: 

1.  bei  sonst  normalem  histologischem  Baue  durch  eine 
Veränderung  des  physiologischen  Verhaltens  der  Schließzellen, 
welche  sich  darin  äußert,  daß  diese  auch  in  Berührung  mit 
Wasser  und  unter  günstigen  Beleuchtungsverhältnissen  die 
Zentralspalte  oder  Eisodialöffnung  verschließen,  in  ihrer 
Wirkungsweise  also  genau  das  umgekehrte  Verhalten  normaler 
Schließzellen  zeigen.  Beispiele:  Callitriche  verna,  Hippuris 
vulgaris; 

2.  durch  Abänderung  des  histologischen  Baues  bei 
physiologisch  abweichendem  Verhalten. 

a)  Die  Schließzellen  trennen  sich  wie  gewöhnlich  vollständig 
voneinander,  es  entsteht  ein  Spalt.  Vor-  und  Hinterhof- 
leisten mächtig  gefördert,  erstere  enge  aneinander  oder 
dicht  übereinander  gelegt,  letztere  bis  auf  einen  sehr 
schmalen  Spalt  einander  anliegend.  Vorhof,  Zentralspalte 
und  Hinterhof  vorhanden.  Calla  palustris,  Menyanthes 
trifoliata. 

b)  Beide  Schließzellen  sind  getrennt,  aber  die  polare  Ver- 
wachsung derselben  weiter  vorgeschritten.  Der  in  seinen 
Größenverhältnissen  abweichende  Apparat  ist  durch  engen 
Anschluß  der  Vorhofleisten,  Bauchwände  und  Hinterhof- 
leisten verschlossen.  Zentralspalte  fehlt.  Schoenoplectus 
lacustris. 

c)  Beide  Schließzellen  sind  getrennt,  die  Spalte  zwischen 
ihnen  ist  äußerst  schmal.  Vor-  und  Hinterhof  fehlen  in  der 
Regel  oder  sind  sehr  reduziert.  Alisma  Plantago,  Sagittaria 
montevidensis  und  sagittifolia. 

d)  Beide  Schließzellen  sind  bis  auf  die  inneren  Cuticularleisten 
getrennt,  letztere  bleiben  verwachsen.  Vorhof,  Zentralspalte 
und  Hinterhof  sind  vorhanden.  Menyanthes  trifoliata. 

e)  Beide  Schließzellen  sind  bis  auf  die  äußeren  Cuticular- 
leisten getrennt,  letztere  bleiben  miteinander  verwachsen. 
Vorhof  und  Hinterhof  sind  vorhanden.  Potamogeton  natans, 
ausnahmsweise  bei  Alisma  Plantago  und  Oenanthe 
aquatica. 


134  O.  Porsch, 

f)  Beide  Schließzellen  bleiben  bis  auf  die  inneren  Cuticular- 
leisten  verwachsen,  letztere  sind  getrennt  Vorhof  entweder 
auf  einen  schmalen  Spalt  reduziert  oder  fehlend.  Zentral- 
spalte fehlt,  Hinterhof  ist  vorhanden.  Polygonum  amphU 
bium9  Schoenoplectus  lacustris. 

3.  Die  Spaltöffnungsmutterzelle  teilt  sich,  die  beiden 
Tochterzellen  trennen  sich,  eine  derselben  stirbt  frühzeitig  ab. 
Verschluß  durch  engen  Anschluß  der  äußeren  und  inneren 
Cuticularleisten  bewirkt.  Oenanthe  aquatica. 

4.  Die  Spaltöffnungsmutterzeile  teilt  sich;  eine  Tochterzelle 
stirbt  vor  ihrer  Trennung  von  der  Schwesterzelle  ab.  Oenanthe 
aquatica,  ausnahmsweise  bei  Sagittaria  montevidensis. 

5.  Beide  Schließzellen  sterben  frühzeitig  ab,  ihre  Trennung 
erstreckt  sich  bloß  bis  zur  halben  Höhe  derselben.  Oenanthe 
aquatica. 

6.  Beide  Schließzellen  sterben  noch  vor  ihrer  Trennung  ab. 
Oenanthe  aquatica. 

7.  Die  Teilung  der  Spaltöffnungsmutterzelle  unterbleibt, 
diese  stirbt  frühzeitig  ab.  Oenanthe  aquatica. 

8.  Die  Spaltöffnungsmutterzelle  wird  überhaupt  nicht  mehr 
gebildet,  die  Pflanze  beschränkt  sich  bloß  auf  die  ihrer  Bildung 
vorhergehenden  Zellteilungen.  Oenanthe  aquatica. 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  1 35 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel  I. 


Fig.  1 .  Hippuris  vulgaris,  L.  Untergetauchter  Apparat  in  Oberflächenansicht. 
Eisodialöffnung  bis  auf  einen  schmalen  Spalt  verschlossen.  Vergr.  1000. 

Fig.  2  bis  5.  Potamogeton  natans  L. 

Sämtliche  Figuren  beziehen  sich  auf  den  untergetauchten  Apparat  der 
obersten  Region  des  Schwimmblattstieles. 

Fig.  2.  Querschnitt.  Eisodialöffnung  vollständig  verwachsen.  Nebenzellen 
normal  entwickelt.  Vergr.  1240. 

Fig.  3.  Oberflächenansicht  bei  höherer  Einstellung.  Die  mittlere  Cuticular- 
erhebung  erscheint  als  stark  lichtbrechender  Strich.  Rechte  Neben- 
zelle abgestorben.  Vergr.  700. 

Fig.  4.  Ebenso,  bei  Einstellung  auf  die  Zentralspalte,  letztere  schwach 
geöffnet.  Seitenwände  der  rechten  Nebenzelle  mit  der  Rückenwand 
der  Schließzelle  verschmolzen.  Vergr.  670. 

Fig.  5.  Querschnitt.  Eisodialöffnung  vollständig  verwachsen.  Beide  Neben- 
zellen abgestorben,  ihre  Seitenwände  in  mittlerer  Höhe  mit  der 
Rückenwand  der  Schließzelle  verschmolzen,  ihre  Lumina  ober-  und 
unterhalb  der  Verwachsungsstelle  je  auf  einen  einem  Intercellular- 
raum  ähnlichen  Spalt  reduziert.  Vergr.  820. 

Fig.  6  bis  13.  Ocnanthc  aquatica  (L.)  Lam. 

Sämtliche   Figuren   beziehen   sich   auf  den    untersten,    dauernd   unter- 
getauchten Teil  des  Stammes. 

Fig.  6.  Querschnitt  durch  einen  untergetauchten  Apparat  mit  vollständig  ver- 
wachsener Eisodialöffnung.  Atemhöhle  normal  entwickelt.  Vergr.  780. 

Fig.  7.  Oberflächenansicht;  rechte  Schließzelle  abgestorben,  Eisodialöffnung 
normal,  offen.  Vergr.  460. 

Fig.  8.  Querschnitt  Linke  Schließzelle  abgestorben.  Begrenzung  ihres  Lumens 
für  mediane  Einstellung  ausgezogen,  Air  tiefere  Einstellung  punktiert 
gezeichnet.  Eisodialöffnung  und  Hinterhof  durch  die  Vor-,  beziehungs- 
weise Hinterhof  leisten  verschlossen.  Vergr.  1100. 

Fig.  9.  Oberflächenansicht.  Eine  Schließzelle  abgestorben.  Es  fehlt  jede 
Differenzierung  eines  Spaltes.  Vergr.  700. 


136  O.  Porsch, 

Fig.  10.  Beide  Schließzellen  abgestorben.  Zwischen  beiden  ein  sehr  feiner, 
der  Eisodialöffnung  entsprechender  Spalt.  Vergr.  660. 

Fig.  11.    Abgestorbene  Mutterzelle  des  Apparates.  Vergr.  470. 

Fig.  12.  Querschnitt.  Beide  Schließzellen  rückgebildet,  doppelt  angeschnitten. 
Vorhof  leisten  schwach  angedeutet;  die  Spalte  reicht  bloß  bis  zur 
Mitte  der  Bauchwand.  Atemhöhle  vollständig  rückgebildet. 
Vergr.  890. 

Fig.  13.  Oberflächenansicht,  von  der  Anlage  des  Apparates  bloß  die  der 
Bildung  der  Mutterzelle  vorhergehenden  Zellteilungen  zeigend. 
Vergr.  800. 

Tafel  II. 

Fig.  1.  Otnantht  aquatica  (L.)  Lam.  Querschnitt  durch  einen  untergetauchten, 
rückgebildeten  Apparat.  Beide  Schließzellen  abgestorben,  vollständig 
verwachsen,  die  rechte  doppelt  angeschnitten.  Atemhöhle  normal 
entwickelt.  Vergr.  870. 

Fig.  2.  Callitriche  vcrna  L.  Querschnitt  durch  den  untergetauchten  Apparat. 
Verschluß  der  Eisodialöffnung  durch  die  Vorhofleisten.  Vergr.  750. 

Fig.  3  bis  9.  Alisma  Plantago  L. 

Fig-  3.  Querschnitt  durch  den  normalen  Apparat  aus  der  obersten  Luftregion 
des  Blattstieles.  Vergr.  1060. 

Fig.  4  bis  9  beziehen  sich  auf  die  unterste,  dauernd  untergetauchte  Region 
desselben. 

Fig.  4.  Querschnitt.  Vorhofleisten  als  Verschlußeinrichtung  ausgebildet, 
einen  zarten,  schiefen  Kanal  bildend.  Zentralspalte  und  Hinterhof 
geschlossen.  Vergr.  1400. 

Fig.  5.  Querschnitt  eines  untergetauchten  Apparates  mit  verwachsener  Eiso- 
dialöffnung. Zentralspalte  geschlossen,  Hinterhofleisten  eng  über- 
einandergreifend.  Atemhöhle  normal.  Vergr.  1140. 

Fig.  6  bis  9.  Oberflächenansicht  hiezu,  zum  Teil  nur  die  mittlere  Partie  des 
Apparates  eingezeichnet. 

Fig.  6.  Der  mittlere,  plastisch  hervortretende  Längswall  entspricht  der  über 
dem  Vorhof  gelegenen  mittleren  Cuticularerhebung  der  Querschnitts- 
ansicht (Fig.  5).  Rechts  und  links  von  diesem,  parallel  mit  ihm,  je 
eine  kleinere  seitliche  Erhebung  (vergl.  Querschnitt). 

Fig.  7  bis  9.  Tiefere  Einstellung.  Fig.  7  zeigt  den  in  die  mittlere  Cuticular- 
erhebung hineinragenden  Teil  des  Vorhofes  (dunkel),  die  begrenzenden 
Wände  einander  stark  genähert.  Fig.  8  Einstellung  auf  das  Maximum 
der  Vorhofweite,  Fig.  9  auf  die  Zentralspalte  (vergl.  Querschnitt, 
Fig.  5).  Vergr.  850. 

Fig.  10  bis  14.  Sagütaria  montcvidensis  Cham,  et  Schlecht. 

Fig.  10.  Rückgebildeter  Apparat  aus  der  untersten,  dauernd  untergetauchten 
Region     des     Blattstieles.     Beide     Schließzellen     sind    miteinander 


Spaltöffnungsapparat  submerser  Pflanzenteile.  137 

verwachsen,  die  rechte  kollabiert,  ihre  Bauchwand  stark  verdickt, 
das  Lumen  bis  auf  einen  feinen  Spalt  reduziert,  Hinterhofleisten 
dagegen  entwickelt.  Atemhöhle  normal.  Vergr.  1000. 

Fig.  11.  Querschnitt  durch  den  untergetauchten  Apparat.  Vor-  und  Hinterhof- 
leisten eine  deutliche  Verschlußeinrichtung  bildand.  Vergr.  1300. 

Fig.  12  und  13.  Querschnitte  der  Bauch  wände  desselben  bei  Einstellungen, 
welche  zwischen  der  medianen  und  polaren  Einstellung  liegen.  Fig.  12 
vordere  Leisten  miteinander  verwachsen,  Fig.  13  Verwachsung  der 
hinteren  Leisten  bis  auf  einen  kleinen,  dem  Reste  des  Hinterhofes 
entsprechenden  Spalt.  Vergr.  1300. 

Fig.  14.    Querschnitt  durch  den  normalen  Apparat  der  Luftregion.  Vergr.  1300. 

Fig.  15  und  16.  Sagittaria  sagittifolia  L. 

Fig.  15.    Normaler  Apparat,  deutlich  erhaben.  Vergr.  980. 

Fig.  16.  Querschnitt  durch  den  untergetauchten  Apparat,  das  Maximum  der 
öffnungsweite  der  Zentralspalte  desselben  darstellend.  Hinterhof- 
leisten mit  verlängerten,  schneidigen  Kanten,  einander  genähert. 
Apparat  schwach  eingesenkt.  Vergr.  1200. 

Tafel  III. 

Fig.  1  bis  5.  Calla  palustris  L. 

Fig.  1  bis  4  beziehen  sich  auf  den  Apparat  der  untersten,  dauernd  unter- 
getauchten Blattstielregion. 

Fig.  1.      Querschnitt  bei  genau  medianer  Einstellung.  Vergr.  1500. 

Fig.  2.  Dasselbe  wie  vorige ;  zeigt  besonders  deutlich  den  engen  Anschluß  der 
mächtig  entwickelten  Hinterhofleisten,  welcher  auch  für  ihre  Form 
bestimmend  ist.  Vergr.  1680. 

Fig.  3  und  4.  Hinterhofleisten  bei  hoher  oder  tiefer,  beziehungsweise  medianer 
Einstellung,  im  ersten  Falle  gänzlich  miteinander  verwachsen,  im 
letzteren  einen  sehr  feinen  Kanal  freilassend.  Vergr.  1500. 

Fig.  5.      Querschnitt  durch  den  normalen  Apparat.  Vergr.  1500. 

Fig.  6  bis  8.  Mcnyanthes  trifoliata  L. 

Fig.  6  und  7.  Untergetauchter  Apparat  der  untersten  Blattstielregion.  Beide  bei 
genau  medianer  Einstellung,  in  Fig.  7  Hinterhofleisten  vollständig 
miteinander  verwachsen.  Vergr.  1240  und  1280. 

Fig.  8.      Normaler  Apparat.  Vergr.  1600. 

Fig.  9  bis  14.  Schoenoplcctus  lacustris  (L.)  Palla. 

Mit  Ausnahme   von   Fig.  9   beziehen   sich   sämtliche   Figuren   auf  den 
konstant  untergetauchten  Apparat  der  untersten  Stammregion. 

Fig.  9.  Normaler  Apparat  der  Luftregioh  des  Stammes  im  geschlossenen 
Zustande.  Oberflächenansicht.  Vergr.  1100. 


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138  Ü.  Porsch,  Spaltöffnungsapparat  s üb mers er  Pflanzenteile. 

Fig.  10.  Untergetauchter  Apparat.  Eisodialöffnung  offen,  Zentralspalte  ge- 
schlossen. Die  polare  Verwachsung  der  Schließzellen  reicht  viel 
weiter  gegen  die  Mitte  des  Apparates  als  im  normalen  Zustande. 
Vergr.  1180. 

Fig.  11.    Querschnitt  durch  denselben.  Vergr.  1200. 

Fig.  12.  Desgleichen.  Oberflächenansicht.  Eisodialöffnung  bis  auf  sechs  Löcher 
verwachsen.  Vergr.  1200. 

Fig.  13.    Desgleichen.  Eisodialöffnung  gänzlich  verwachsen.  Vergr.  1200. 

Fig.  14.  Querschnitt  bei  vollständiger  Verwachsung  der  Eisodialöffnung. 
Vergr.  1270. 

Fig.  15  bis  20.  Polygonum  amphibium  L.  (Wasserform). 

Fig.    15   bis    19   beziehen   sich   auf  den    untergetauchten   Apparat    der 
obersten  Region  des  Schwimmblattstieles. 

Fig.  15  und  16.  Oberflächenansichten  bei  Einstellung  auf  den  als  Spalt  von 
verschiedener  Ausdehnung  entwickelten,  unterhalb  der  Cuticula 
gelegenen  Rest  des  Vorhofes.  Letzterer  ist  dunkel  gehalten.  Vergr.  1 140. 

Fig.  17.  Querschnitt.  Eisodialöffnung  und  Zentralspalte  verwachsen,  Rest  des 
Vorhofes  bis  zur  Cuticula  reichend.  Vergr.  840. 

Fig.  18.  Desgleichen.  Vorhof  leisten  bis  auf  einen  kleinen  Rest  des  Vorhofes 
verwachsen.  Vergr.  800. 

Fig.  19.  Desgleichen.  Vorhof  leisten  vollständig  miteinander  verwachsen.  Ver- 
größerung 980. 

Fig.  20.    Querschnitt  durch  den  normalen  Apparat  Vergr.  830. 


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139 


Mikroskopische  Süß  wassertiere  aus  Kleinasien 

von 
Dr.  Eugen  v.  Daday, 

o.  ö.  Professor  der  Zoologie  am  Polytechnikum  zu  Budapest. 

(Mit  2  Tafeln  und  2  Textfiguren.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  19.  Februar  1903.) 


Mit  Unterstützung  der  kaiserl.  Akademie  der  Wissen- 
schaften zu  Wien  hat  Dr.  Franz  Werner,  Privatdozent  der 
Zoologie  an  der  Universität  zu  Wien,  im  Jahre  1900  eine 
Sammlungsreise  nach  dem  nördlichen  Kleinasien  unternommen, 
dabei  an  den  Fundorten,  den  beiden  Seen  Albullonia-Göl 
und  Isnik-Göl,  Planktonmaterial  gesammelt  und  mich  ersucht, 
die  Bearbeitung  des  in  sieben  Fläschchen  wohl  konservierten 
Materials  zu  übernehmen.  Dieser  Aufgabe  habe  ich  mich  umso 
bereitwilliger  unterzogen,  als  sich  mir  dadurch  Gelegenheit  bot, 
zu  der  bisher  nur  sehr  lückenhaft  bekannten  Süßwasser-Mikro- 
fauna  von  Kleinasien  einige  neuere  Daten  zu  liefern. 

Bei  meinen  Untersuchungen  war  ich  bestrebt,  insoweit 
es  irgend  möglich  war,  sämtliche  mikroskopische  Tiere  zu 
studieren  und  zu  determinieren,  um  auf  diese  Weise  ein 
möglichst  erschöpfendes  Bild  dieser  Fauna  zu  bieten.  Trotzdem 
aber  ist  das  Verzeichnis  der  nachstehend  aufgezählten  Tier- 
arten durchaus  nicht  als  vollständig  zu  betrachten,  weil  darin 


140  E.  v.  Daday, 

der  größte  Teil  der  äußerst  schwierig  oder  überhaupt  nicht  zu 
konservierenden  Protozoen  fehlt,  welche  doch  sicherlich  das 
Plankton  der  erwähnten  Fundorte  in  ziemlicher  Menge  be- 
völkern. 

Hinsichtlich  der  qualitativen  und  quantitativen  Beschaffen- 
heit des  mir  vorliegenden  Planktonmaterials  führten  meine 
Untersuchungen  zu  dem  Resultate,  daß  das  an  dem  Fundorte 
Isnik-Göl  an  der  Oberfläche  vom  Ufer  und  aus  dem  offenen 
Wasserspiegel  gesammelte  Material  an  Arten  und  deren  Indivi- 
duen auffallend  ärmer  war  als  das  vom  Grund  gesammelte, 
wogegen  das  an  dem  Fundorte  Albullonia-Göl  an  der 
Oberfläche  vom  Ufer  und  aus  dem  offenen  Spiegel  gesammelte 
Material  dieselben  Arten  in  ansehnlicher  Individuenzahl  enthielt, 
die  Grundprobe  aber  sich  sehr  ärmlich  erwies,  die  Arten 
indessen,  mit  Ausnahme  einer  einzigen,  mit  denjenigen  der 
ersteren  übereinstimmten. 

Verzeichnis  der  beobachteten  Arten. 

I.  Protozoa. 

1.  Arcella  vulgaris  Ehrb. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Mitte,  Oberfläche  und  Grundprobe, 
ziemlich  häufig,  besonders  in  der  Grundprobe.  Aus  Kleinasien 
bisher  unbekannt. 

2.  Difflugia  acuminata  Ehrb. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
vereinzelt;  auch  in  der  Grundprobe.  Diese  Art  ist  aus  Kleinasien 
bisher  noch  nicht  bekannt. 

3.  Difflugia  constricta  (Ehrb.). 

Fundort:  Isnik-Göl,  Grundprobe,  selten.  Aus  Kleinasien 
noch  nicht  bekannt. 

4.  Difflugia  pyriformis  Perty. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Grundprobe,  nur  vereinzelt.  Aus 
Kleinasien  bisher  noch  nicht  verzeichnet. 


Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  141 

5.  Centropyxis  aculeata  (Ehrb.). 

Fundort:  Isnik-Göl,  Mitte,  Oberfläche,  vereinzelt;  Grund- 
probe zahlreich.  Diese  Art  war  aus  Kleinasien  noch  nicht 
verzeichnet. 

6.  Euglena  deses  Ehrb. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberpäche,  ziemlich  häufig.  Aus  Kleinasien  bisher 
unbekannt. 

7.  Euglena  viridis  Ehrb. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  häufiger  als  vorige  Art.  Aus  Kleinasien 
bisher  noch  nicht  verzeichnet. 

8.  Peridinium  quadridens  Stein. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  ziemlich  häufig.  Auch  diese  Art  war 
bisher  aus  Kleinasien  nicht  bekannt 

9.  Ceratium  macroceros  Schrank. 
Taf.  I,  Fig.  1. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Ufer,  Oberfläche,  ziemlich  häufig; 
Grundprobe  vereinzelt;  fehlte  indessen  in  dem  oberflächlichen 
Material  der  Seemitte,  d.  i.  im  eigentlichen  Plankton. 

Diese  Art  erscheint  in  der  Literatur  auch  unter  den  Namen: 
Ceratium  longicorne  Perty,  Ceratium  Hirundinella  Auct. 
und  Ceratium  reticulatum  Imhof.  G.  Entz  aber  hat  jüngst 
nachgewiesen,  daß  von  den  vielen  Benennungen  zufolge  des 
Prioritätsrechtes  eigentlich  nur  die  Schrank'sche  Bezeichnung 
zu  gelten  hat  (siehe  Fauna  Regni  Hungariae.  Protozoa,  S.  21). 
Hiernach  kann  und  muß  man  zwei  Formen  dieser  Art  unter- 
scheiden und  zwar  die  Perty-  und  Stein'sche  schlanke,  lang-  und 
dünngehörnte  forma  procera  sowie  die  gedrungene,  kurz-  und 
breitgehörnte  forma  obesa,  welche  O.  E.  Imhof  als  Ceratium 
räiculatum  aus  der  Schweiz,  Saville  Kent  dagegen  auf 
Grund  der  von  Carter  in  Ostindien  gesammelten  Exemplare 
unter  dem  Namen  Ceratium  longicorne  Perty  beschrieben  hat. 


142  E.  v.  Daday, 

Die  von  mir  untersuchten  Exemplare  gehören  insgesamt 
der  forma  obesa  an,  indem  sie  gedrungenen  Körpers  und  ihre 
Hörner  kurz,  im  Verhältnis  breit  und  dick  sind,  auch  sind 
darunter  Exemplare  mit  vier  Hörnern  nicht  selten  (Taf.  I,  Fig.  1). 

Diese  Form  ist,  insofern  es  mir  gelang  festzustellen,  in 
Europa  verhältnismäßig  häufig,  so  z.  B.  ist  sie  im  Balaton  und 
im  See  von  Kazan  eine  charakteristische,  massenhaft  auftretende 
Form;  außerhalb  Europa  aber  ist  sie  bloß  aus  Asien  bekannt 
und  zwar  aus  Ostindien  (Carter-Saville  Kent)  und  aus 
Sibirien,  Baltim-See,  Tojanov-Gorodok  (Csiki-Daday).  Aus 
Kleinasien  war  die  Art  und  Form  bisher  nicht  bekannt. 

10.  Tintinnopsis  ovalis  Dad. 

Taf.  I,  Fig.  2. 
Tintinnopsis  ovalis  Daday,  Die  mikroskopische  Tierwelt  der  Mezöseger  Teiche. 
Term.  rajzi  füzetek,  Vol.  XV,  1892,  p.  200,  Taf.  t,  Fig.  9. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Mitte  und  Oberfläche,  sehr 
häufig. 

Diese  Art  war  bisher  bloß  aus  den  Mezöseger  Teichen 
Siebenbürgens  bekannt.  Die  mir  derzeit  vorliegenden  Exemplare 
weichen  in  der  Form  und  Struktur  der  Hülse  einigermaßen  ab 
von  den  aus  der  Mezöseg.  Die  Hülse  ist  nämlich  gegen  die 
Öffnung  nur  schwach  verschmälert,  nahe  zur  Öffnung  aber 
plötzlich  eingeschnürt,  so  zwar,  daß  demzufolge  an  der  Hülse 
annähernd  ein  Wohnfach  und  ein  sehr  schmaler  Aufsatz  wahr- 
nehmbar ist.  Diese  Art  bildet  somit  einen  Übergang  zwischen 
den  Gattungen  Tintinnopsis  und  Codonella. 

Der  Rand  des  Aufsatzes  hat  einen  größeren  Durchmesser 
als  der  Basalteil,  so  daß  derselbe  einem  schmalen  Trichter 
gleicht,  an  dessen  Saum  sich  in  dem  gallertigen  Stoffe  winzige 
Sandkörner  anhäufen. 

Das  Hinterende  des  Wohnfaches  ist  stumpf  abgerundet 
und  die  Oberfläche  mit  fremden  Partikeln,  Kalk-  und  Quarz- 
körperchen  dicht  bedeckt. 

11.  Vorticella  nebulifera  0.  F.  Müll. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Mitte,  Oberfläche,  an  Algen  befestigte 
Kolonien,  nicht  häufig.  Aus  Kleinasien  bisher  nicht  verzeichnet 


Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  143 

12.  Cothurniopsis  imberbis  (Ehrb.). 
Taf.  I,  Fig.  3. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Grundprobe;  drei  Exemplare  an 
einem  Harpactiden  festsitzend. 

Die  Hülsen  der  beobachteten  Exemplare  sitzen  an  ziemlich 
kurzen,  dicken  und  geringelten  Stielen.  Die  durchsichtige  Hülse 
ist  farblos  oder  kaum  wahrnehmbar  gelblich,  der  Mittelteil  in 
drei  gleich  große  Ringe  gegliedert,  das  distale  Ende  schwach 
gekrümmt,  die  Öffnung  durch  den  in  der  Mitte  befindlichen 
Einschnitt  zweilappig  erscheinend. 

Eines  der  Exemplare  saß  an  der  Furca  der  Harpactida, 
das  andere  am  Unterrand  des  ersten  Rumpfsegments,  das  dritte 
aber  am  Genitalsegment;  es  scheint  indessen,  daß  diese  Art 
kein  beständiger  Bewohner  der  betreffenden  Harpactida  ist, 
weil  ich  sie  unter  zahlreichen  Exemplaren  derselben  nur  an 
einem  einzigen  vorfand. 

IL  Vermes. 
13.  Trilobus  gracilis  Bast. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Grundprobe.  Ich  fand  bloß  ein 
einziges,  völlig  geschlechtsreifes  Männchen.  Diese  Art  war 
bisher  aus  Kleinasien  nicht  bekannt. 

14.  Rotifer  sp. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Mitte,  Oberfläche,  selten.  Die  unter- 
suchten Exemplare  waren  sämtlich  so  zusammengeschrumpft, 
daß  die  nähere  Artbestimmung  unmöglich  war. 

15.  Asplanchna  Brightwelli  Gosse. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  massenhaft.  Aus  Kleinasien  bisher  un- 
bekannt. 

16.  Adactyla  verrucosa  Barr.  Dad. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche;  sehr  häufig. 


144  E.  v.  Daday, 

Diese  Art  wurde  zuerst  von  Th.  Barrois  aus  dem  Plankton 
des  Houleh-Sees  gesammelt.  Allem  Anscheine  nach  ist  es 
eine  für  die  Gewässer  Kleinasiens  charakteristische  Rotatorie. 
Ungeachtet  mir  bei  meinen  Untersuchungen  sehr  zahlreiche 
Exemplare  zu  Gesicht  kamen,  gelang  es  mir  nicht,  auch  nur 
eines  zu  finden,  dessen  Räderorgan  genau  zu  untersuchen 
gewesen  wäre,  und  auch  hinsichtlich  der  allgemeinen  Struktur- 
verhältnisse vermag  ich  keine  neueren  Daten  beizubringen. 

17.  Mastigocerca  bicornis  Ehrb. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche;  vereinzelt.  Bereits  vorher  von  Th.  Barrois 
aus  dem  Houleh-See  gesammelt. 

18.  Mastigocerca  elongata  Gosse. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  ziemlich  häufig.  Diese  Art  war  aus  Klein- 
asien bisher  noch  nicht  verzeichnet. 

19.  Mastigocerca  heterostyla  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  4. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
einige  Exemplare. 

Körper  spindelförmig,  nach  hinten  stark  verjüngt.  Fuß 
kurz,  eingliedrig,  an  der  Spitze  mit  zwei  geißeiförmigen  Fingern, 
deren  einer  länger  ist  als  der  andere,  daher  der  Name  hetero- 
styla. Der  längere  Finger  sitzt  oberseits,  überragt  nur  wenig 
ein  Drittel  der  Körperlänge  und  ist  nach  unten  gebeugt.  Der 
kürzere  Finger  ist  unterständig,  erreicht  nicht  ein  Viertel  der 
Körperlänge  und  ist  ebenfalls  abwärts  gebogen. 

Die  Körperhülle  bildet  auf  dem  Rücken  einen  Kamm, 
welcher  zum  größten  Teile  durchsichtig,  strukturlos,  an  der 
Basis  jedoch  gekörnt  ist;  die  Körner  sind  in  sägeartige  Er- 
höhungen gruppiert.  Am  vorderen  Körperende  geht  die  Hülle 
in  je  fünf  Fortsätze  aus,  von  welchen  der  auf  dem  Rücken 
befindliche  oberste  an  der  Basis  breit  ist,  sich  aber  vor  der 


Mikroskopische  Süfiwassertiere  aus  Kleinasien.  145 

Mitte  plötzlich  und  auffallend  verjüngt  und  dann  sichelförmig 
gegen  den  Bauch  gebogen  ist.  Die  unterwärts  folgenden  drei 
Fortsätze  sind  fingerförmig,  der  obere  derselben  ist  indessen 
länger  als  die  übrigen  und  endigt  in  einer  dünnen  Spitze, 
während  die  beiden  anderen  an  der  Spitze  abgestumpft  sind. 
Der  Fortsatz  am  Bauche  ist  kürzer  als  alle  übrigen,  spitz 
endigend,  nach  vorn  gerichtet  und  an  ein  schmales  Dreieck 
erinnernd. 

Von  den  inneren  Organen  fallen  die  zwei  großen  Kleb- 
drüsen auf,  welche  schlauchartig  sind  und  vermöge  ihres 
dunklen  granulierten  Inhaltes  leicht  erkennbar  werden. 

Von  den  bisher  bekannten  Arten  stehen  Mastigocerca 
bicornis  Ehrb.  und  Mastigocerca  cornuta  Eyf.  dieser  Art  am 
nächsten.  Vermöge  der  Fortsätze  der  vorderen  Hüllenöffnung 
stimmt  dieselbe  mit  Mastigocerca  cornuta  überein,  unterscheidet 
sich  jedoch  von  derselben  sowie  von  Mastigocerca  bicornis 
dadurch,  daß  ihr  Fuß  zwei  Zehen  aufweist,  während  der  Fuß 
der  zwei  anderen  Arten  bloß  eine  Zehe  hat,  welche  so  lang  ist 
wie  der  Körper.  Gerade  letzterer  Umstand  veranlaßte  mich, 
dieses  Tier  als  eigene  Art  anzusprechen. 

20.  Notops  macrourus  Barr.  Da d. 
Taf.  I,  Fig.  5  bis  7. 

Notops  macrourus  Barrois  et  Daday,  Resultats  scientifiques  d'un  voyage 
entrepris  en  Palestine  et  en  Syrie.  Contribution  a  l'etude  des  Rotifera 
de  Syrie.  Revue  Biologique  du  Nord  de  la  France,  1894,  PI.  1,  Fig.  3. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  massenhaft.  Diese  Art  ist  bisher  nur  aus 
dem  Houleh-See  bekannt. 

Unter  den  mir  vorliegenden  sehr  zahlreichen  Exemplaren 
gelang  es  mir  auch,  einige  zu  finden,  deren  Räderorgan  nicht 
zurückgezogen  war  und  überhaupt  keine  hochgradige  Ein- 
schrumpfung zeigte,  demzufolge  ich  eine  ziemlich  genaue 
Beschreibung  ihrer  Körperform  und  ihrer  Organisationsverhält- 
nisse überhaupt  glaube  bieten  zu  können,  was  übrigens  umso- 
mehr  vonnöten  ist,  weil  ich  dadurch  glaube,  nachweisen  zu 
können,  daß  diese  Art  nicht  mit  Notops  Brachionus  identisch, 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  10 


146  E.v.  Daday, 

wie  es  Rousselet  voraussetzte,1  sondern  tatsächlich  eine 
selbständige  Art  ist. 

Der  mit  einer  dünnen  Cuticularhülle  bedeckte  Körper  ist 
eiförmig,  nach  hinten  auffallender  verschmälert  und  unmerklich 
in  den  Fuß  übergehend,  dagegen  vorn  an  der  Basis  des  Räder- 
organs eingeschnürt,  beziehungsweise  unterhalb  des  Räder- 
organs halsformig  verengt  (Taf.  I,  Fig.  7).  Der  Rumpf  erlangt 
hinter  der  halsförmigen  Verengung  seine  größte  Breite  und  ist 
dagegen  an  der  Basis  des  Fußes  am  schmälsten. 

Das  Räderorgan  ist  auf  dem  Rücken  in  drei  Lappen 
gegliedert,  dessen  mittlerer  am  kleinsten  erscheint  und  einen 
abgerundeten  Hügel  bildet,  während  die  äußeren  zwei  Lappen 
größer  und  weniger  erhaben  und  sicherlich  auch  gegen  den 
Bauch  hinabgebogen  sind.  Welchen  Verlauf  der  Rand  des 
Räderorgans  auf  dem  Bauche  hat,  das  vermochte  ich  nicht 
sicher  festzustellen  sowie  es  mir  nicht  gelang,  zu  beobachten, 
ob  sich  an  der  Stirn  Füllhügel  befinden. 

Das  den  Zentralteil  des  Nervensystems  bildende  Gehirn- 
ganglion war  mit  seinen  dunkelgrauen,  körnigen,  großen  Zellen 
leicht  zu  erkennen  und  selbst  jenes  Nervenfaserbündel  war 
deutlich  wahrnehmbar,  welches  zu  dem  vor  dem  Gehirnganglion 
liegenden,  kegelförmigen  Taster  hinläuft.  Die  Seitennerven 
sind  gleichfalls  gut  entwickelt  und  laufen  bis  zum  hinteren 
Körperdrittel. 

Die  Struktur  des  Kaumagens  ist  ganz  ebenso,  wie  sie  die 
Abbildung  von  Barrois  und  Daday  darstellt. 

Die  Hepatopankreasdrüsen  zeigten  sich  kugelförmig  und 
gelang  es  mir,  im  Inneren  derselben  mehrere  kleine  Kerne 
wahrzunehmen. 

Die  Exkretionsgefäßstämme  waren  zwar  zu  erkennen, 
allein  die  Zitterorgane  vermochte  ich  dennoch  nicht  zu  beob- 
achten. 

Das  Ovarium  zeigte  sich  bei  den  meisten  Exemplaren 
in  Form  eines  halbmondförmig  gekrümmten  Schlauches. 

Der  Fuß  ist,  von  der  Afteröffnung  bis  zu  den  Fingerspitzen 
gemessen,  fast  so  lang  wie  der  ganze  Rumpf;  nahe  zur  Basis 

i  Syrian  Rotifers.  Science-Gossip.,  1895,  Vol.  11,  No  14,  p.  30. 


Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  147 

zeigen  sich  zwei  ringförmige  Einschnürungen;  derselbe  ist 
jedoch  in  seiner  ganzen  Länge  ungegliedert,  beziehungsweise 
er  zeigt  keine  Spur  einer  Gliederteiiung;  die  im  Inneren  hin- 
ziehenden Muskelbündel  sind  scharf  konturiert.  Die  Klebdrüsen 
sind  spindelförmig,  das  obere  Ende  zugespitzt,  sie  sind  im 
Verhältnisse  kurz  und  überragen  kaum  ein  Viertel  der  Fußlänge. 
Die  Fußmuskel  laufen  bis  zur  Basis  der  Zehen. 

Die  Finger  sind  blattförmig,  an  der  Basis  sehr  breit,  gegen 
Ende  plötzlich  verjüngt  und  etwas  bogig  seitwärts,  beziehungs- 
weise auswärts  gekrümmt  (Taf.  I,  Fig.  6). 

Die  ganze  Körperlänge  beträgt,  vom  Rande  des  Räder- 
organs bis  zu  der  Fingerspitze  gemessen,  0*54  bis  0*56  mmy 
die  Länge  des  Fußes  0*26  bis  0*28  mm. 

Diese  Art  wurde,  wie  oben  erwähnt,  von  C.  F.  Rousselet 
für  ein  infolge  der  Konservierung  zusammengeschrumpftes  und 
nicht  leicht  erkennbares  Exemplar  von  Notops  Brachionus 
erklärt;  wenn  wir  indessen  beide  Arten  etwas  vergleichen, 
zeigt  sich  sofort  ihre  Selbständigkeit. 

Der  Rumpf  von  Notops  Brachionus  gleicht  nämlich  in 
gewissem  Maße  einem  viereckigen  Schlauche,  dessen  hintere 
Spitzen  schwach  abgerundet  sind;  der  Rumpf  von  Notops 
macrourus  dagegen  ist,  wie  erwähnt,  eiförmig.  Einiger  Unter- 
schied zeigt  sich  auch  in  der  Struktur  des  Räderorgans,  des 
Kaumagens  und  der  Hepatopankreasdrüsen,  am  auffallendsten 
aber  ist  immerhin  der  Unterschied  in  der  Struktur  des  Fußes. 
Der  Fuß  von  Notops  Brachionus  ist  nämlich  kaum  halb  so  lang 
als  der  Rumpf,  zumindest  überragt  er  dessen  halbe  Länge 
nicht  beträchtlich  (vergl.  Hudson  und  Gosse,  The  Rotifera, 
PI.  XV,  Fig.  1  und  E.  F.  Weber,  Faune  Rotatorienne  du  Bassin 
duLeman,  2e  partie,  PI.  17,  Fig.  9),  ist  in  drei  Glieder  geteilt 
und  die  Finger  klein,  schmal,  wogegen  der  Fuß  von  Notops 
macrourus  so  lang  wie  der  Rumpf,  nicht  gegliedert  und  die 
Finger  breit  und  groß  sind.  Zudem  hat  Notops  macrourus 
vor  dem  Gehirnganglion  einen  Taster,  welcher  bei  Notops 
Brachionus  fehlt. 

Den  in  der  Struktur  des  Fußes  sich  zeigenden  Unterschied 
allein  halte  ich  meinerseits  für  genügend,  um  Notops  macrourus 
von  Notops  Brachionus  zu    trennen,    umsomehr    als   dieser 

10* 


148  E.  v.  Daday, 

Unterschied  selbst  für  eine  generische  Trennung  der  beiden 
Arten  hinreichend  wäre. 


21.  Anuraea  cochlearis  Gosse. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  vereinzelt.  Diese  Art  kommt  nach  Barrois 
und  Daday  auch  im  Planktonmaterial  des  Tiberias-Sees  vor. 

22.  Anuraea  Testudo  Ehrb. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  ziemlich  häufig,  besonders  in  dem  Material 
von  der  Oberfläche.  Aus  Kleinasien  bisher  nicht  bekannt. 

23.  Brachionus  angularis  Gosse. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
vereinzelt,  auch  in  dem  Material  von  der  Mitte  und  Oberfläche. 
Aus  Kleinasien  bisher  nicht  verzeichnet. 

24.  Brachionus  budapestinensis  Dad. 
Taf.  I,  Fig.  8. 

Brachionus  budapestinensis  Daday,  Neue  Tierarten  aus  der  Süßwasserfauna 
von  Budapest.  Term.  rajzi  ftizetek,  Vol.  IX,  1885,  p.  211,  Tab.  XI,  Fig.  i 
bis  4,  9,  10. 

Brachionus  punctatus  Hempel  A.,  Descriptions  of  new  species  of  Rotifera 
and  Protozoa  from  the  Illinois  River  and  adjacent  waters.  Bulletin  of  the 
Illinois  State  Laboratory  of  Nat.  Hist.,  Vol.  IV,  1896.  p.  311,  PI.  XXIII, 
Fig.  3  bis  5. 

Brachionus  budapestinensis  var.  Scorikow  A.  S.,  Rotateurs  des  environs  de 
Kharkow,  1896,  p.  143,  Taf.  VIII,  Fig.  25  a,  b. 

Brachionus  lineatus  Scorikow  A.  S.,  Ibid.,  p.  144,  PI.  VIII,  Fig.  26. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia  wie 
auch  Mitte  und  Oberfläche,  häufig.  Aus  Kleinasien  bisher  noch 
nicht  erwähnt. 

Diese  Art  ist  zuerst  aus  der  Fauna  von  Budapest  bekannt 
geworden,  später  fand  sie  A.  Hempel  auch  in  den  Wässern 


Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  149 

von  Illinois  sowie  A.  S.  Scorikow  in  denen  von  Kharkow. 
A.  Hempel  hat  die  von  ihm  untersuchten  Exemplare  mit 
Rücksicht  auf  die  annähernd  eiförmige  Schale  als  Vertreter 
einer  selbständigen  Art  betrachtet  und  unter  dem  Namen 
Brachionus  punctatus  beschrieben.  A.  S.  Scorikow  fand  fast 
gleichzeitig  mit  Hempel  unter  den  von  ihm  beobachteten 
Exemplaren  eine  anscheinende  Varietät  des  typischen  Brachi- 
onus budapestinensis  sowie  außerdem  auch  mit  der  Hempel- 
schen  Art  in  allem  übereinstimmende  Exemplare,  zu  deren 
Bezeichnung  er  die  Benennung  Brachionus  lineatus  anwandte. 

Meiner  Ansicht  nach  unterliegt  es  keinem  Zweifel.,  daß 
A.  HempeTs  Brachionus  punctatus  und  A.  S.  Scorikow's 
Brachionus  lineatus  identisch,  beziehungsweise  synonym  sind; 
indessen  irre  ich  wohl  nicht  sehr,  wenn  ich  diese  beiden 
zugleich  für  Synonyme  von  Brachionus  budapestinensis  erkläre 
und  höchstens  für  Varietäten  dieser  Art  halte,  in  welchem 
Falle  für  dieselben  zufolge  des  Prioritätsrechtes  die  Bezeichnung 
Brachionus  budapestinensis  var.  punctatus  Hempel  anzu- 
wenden wäre.  Den  Unterschied,  welcher  bei  den  Hempel- 
Scorikow'schen  Arten  und  bei  Brachionus  budapestinensis  in 
der  äußeren  Schalenform,  im  Verlaufe  der  auf  dem  Schalen- 
rücken sich  zeigenden  Linien  sowie  in  Länge  und  Richtung 
der  Rückenrandfortsätze  bemerkbar  ist,  halte  ich  nämlich  nicht 
für  wesentlich  genug,  um  eine  neue  Art  aufzustellen.  Die  an 
den  erwähnten  Körperteilen  auftretenden  Abweichungen  sind 
nämlich  nur  als  Varietäten  solchen  Wertes  zu  betrachten, 
welchen  Wert  z.  B.  die  Veränderlichkeit  des  hinteren  Schalen- 
fortsatzes an  den  Exemplaren  von  Brachionus  Bakeri  besitzt. 

Körperlänge  0*14  bis  0 '19  mm,  größte  Breite  0*08  bis 
0-12  mm. 

Die  mir  vorgelegenen  Exemplare  erinnern  gemäß  der  Form 
ihrer  Schale,  zahlreiche  derselben  sogar  auch  durch  die  Struktur 
der  Rückenrandfortsätze  einerseits  in  gewissem  Grade  an  den 
eigentlichen  Brachionus  budapestinensis,  anderseits  aber  in 
eben  dem  Maße  an  die  Hempel-Scorikow'schen  Exemplare, 
sind  somit  Übergangsformen,  welche,  so  es  beliebt,  als  Vertreter 
von  Brachionus  budapestinensis  var.  punctatus  betrachtet 
werden  können. 


150  E.  v.  Daday, 

25.  Brachionus  forficula  Wierz. 

Taf.  I,  Fig.  8,  10,  11. 

Brachionus  forficula  Wierzejski  A.,  Liste  des  Rotiferes  observes  en  Galicie. 
Bull,  de  la  Soc.  Zool.  de  France,  Tom.  XVI,  1891,  p.  51,  Fig.  3. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  massenhaft  Diese  Art  war  bisher  nur 
aus  Galizien  bekannt. 

Die  Schale  gleicht  annähernd  einem  gestreckten  Viereck, 
die  Seiten  sind  indessen  schwach  gewölbt,  demzufolge  an  der 
Mitte  breiter  als  vorn  und  hinten,  den  kleinsten  Durchmesser 
aber  weist  der  Vorderrand  auf.  Am  Vorderrande  des  Rückens 
ragt  beiderseits  je  ein  ziemlich  langer  Fortsatz  hervor,  welcher 
jedoch  ein  Drittel  der  Länge  des  hinteren  Fortsatzes  nur  wenig 
überragt;  dieselben  sind  zumeist  gerade  nach  vorn  gerichtet, 
zuweilen  aber  schwach  einwärts  gekrümmt.  In  der  Mitte  des 
Rückenrandes  erheben  sich  gleichfalls  zwei  Fortsätze,  welche 
durch  eine  schmale  Bucht  voneinander  getrennt  sind;  beide 
sind  gleich  lang,  gerade  nach  vorn  gerichtet,  weit  kürzer  als 
die  seitlichen,  d.  i.  kaum  halb  so  lang.  Der  Bauchrand  zwei- 
lappig, d.  i.  in  der  Mitte  schwach  eingebuchtet,  an  der  Basis  der 
beiden  mittleren  Rückenfortsätze  aber  ist  bogig  gewölbt. 

An  den  beiden  Hinterenden  der  Schale  entspringt  je  ein 
mächtiger  Fortsatz,  die  bald  gerade  nach  hinten  (Taf,  I,  Fig.  8), 
bald  etwas  einwärts  blicken  (Taf.  I,  Fig.  10,  11),  zuweilen  aber 
säbelförmig  etwas  gegeneinander  gebogen  sind.  Die  Basis  aller 
Fortsätze  ist  etwas  schmal,  verbreitert  sich  aber  alsbald  auf- 
fallend, indem  im  proximalen  Viertel  des  Innenrandes  sich  eine 
mehr  oder  weniger  stumpf  abgerundete,  zahnartige  Erhebung 
befindet,  welche  ihnen  eine  eigentümliche  und  charakteristische 
Form  verleiht.  Auffallend  werden  diese  Fortsätze  durch  ihre 
ziemlich  große  Breite  und  ihre  Länge,  indem  sie  so  lang  sind 
wie  der  Rumpf  ohne  die  äußeren  Rückenrandfortsätze. 

An  der  Basis  der  hinteren  Schalenfortsätze  bildet  der 
Schalenrand  drei  Buchten,  zwei  seitliche  und  eine  mittlere, 
welch  letztere  der  Fußöffnung  entspricht.  Ober  der  Fußöffnung 
liegt  auf  dem  Rücken  eine  lappenförmige  Lamelle. 


Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  151 

Die  Schalenoberfläche  ist  mit  feinen,  runden  Körnern 
bedeckt,  auf  dem  Rücken  indessen  zeigen  sich  auch  Konturen 
von  kleineren  oder  größeren,  regelmäßigen,  vier-,  fünf-  und 
sechseckigen  Felderchen,  ganz  ebenso  wie  z.  B.  auf  der  Schale 
von  Noteus  quadricornis. 

Der  Fuß  ist  zylindrisch,  ungegliedert,  nicht  ganz  halb  so 
lang  wie  die  Schale  von  der  Spitze  des  hinteren  Fortsatzes  bis  zur 
Spitze  des  Fortsatzes  am  vorderen  Seitenrand  gemessen,  die 
Oberfläche  fein  geringelt.  Die  Finger  sind  blattförmig,  ziemlich 
groß.  Die  Hepatopankreasdrüsen  sind  annähernd  nierenförmig, 
nahe  zum  oberen  und  unteren  Ende  sitzt  je  ein  großer  Kern. 

Die  ganze  Körperlänge  beträgt,  von  der  Spitze  des  hinteren 
Schalenfortsatzes  bis  zur  Spitze  des  Fortsatzes  am  vorderen 
Seitenrande  gemessen,  0'17  bis  0'2ww,  die  größte  Breite 
0*08  mm. 

Die  mir  vorgelegenen  Exemplare  unterscheiden  sich  von 
den  galizischen  nur  dadurch,  daß  der  Rücken  der  Schale 
gefeldert  ist. 

26.  Brachionus  rubens  Ehrb.  var.  Werner i  n.  var. 
Taf.  I,  Fig.  12. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Ufer,  Oberfläche  und  Grundprobe, 
ziemlich  häufig. 

Die  Schale  gleicht  einem  kurzen,  breiten  Ei,  ist  in  der 
Mitte  am  breitesten  und  vorn  auffallend  verschmälert.  Am 
Stirnrande  des  Rückens  erheben  sich  sechs  Fortsätze,  deren 
zwei  mittlere  weit  länger  sind  als  die  übrigen,  die  äußersten 
aber  sind  von  allen  die  kürzesten.  Die  Basis  der  äußeren  Fort- 
sätze ist  ziemlich  schmal,  zwischen  ihnen  und  den  mittleren 
Fortsätzen  befindet  sich  ein  schmaler  und  tiefer  Einschnitt. 
Die  Basis  der  mittleren  Fortsätze  ist  breit,  ihr  Ende  spitz, 
zwischen  ihnen  und  den  inneren  Fortsätzen  zeigt  sich  ein 
ziemlich  breiter  und  tiefer  Einschnitt.  Die  inneren  Fortsätze 
werden  durch  einen  fast  ebenso  tiefen  und  schmalen  Einschnitt 
voneinander  getrennt  wie  die  äußeren  von  den  mittleren;  ihre 
Basis  ist  ziemlich  breit. 

Am  Bauchrand  der  Schale  erheben  sich  vier  Hügel,  von 
welchen  der  äußere  annähernd  kegelförmig  ist,  ihre  äußeren 


152  E.  v.  Daday, 

Seiten  allmählich,  die  inneren  hingegen  steil  abfallen.  Die 
mittleren  Hügel  sind  breiter  als  die  äußeren,  zwischen  ihnen 
liegt  eine  schmale  Bucht,  in  der  Mitte  bildet  ihr  Rand  je  einen 
spitzen  Gipfel. 

Die  Fußöffnung  am  Bauch  ist  bogig  ausgeschnitten, 
während  auf  dem  Rücken  ein  spitzer  Einschnitt  sichtbar 
ist,  welcher  gerade  in  der  Mittellinie  des  hinteren  Schaien- 
randes  liegt. 

Die  Schalenoberfläche  ist  ganz  glatt,  zumindest  vermochte 
ich  an  derselben  weder  Kämme  noch  scharfe  Linien  wahr- 
zunehmen. 

Die  Muskulatur  ist  kräftig  und  sah  ich  in  der  vorderen 
Schalenhälfte  außer  den  in  der  Längsrichtung  liegenden  Muskel- 
bündeln auch  zwei  Ringmuskelbündel,  deren  eines  am  Kau- 
magen, das  andere  aber  etwas  tiefer  hinzieht. 

Die  Hepatopankreasdrüsen  sind  quergestreckte  Schläuche, 
beziehungsweise  bandförmig,  ihr  äußeres  Ende  trägt  einige 
breite  oder  enge  Fortsätze;  in  ihrem  Inhalt  sind  4  bis  5  kleine, 
runde  Kerne  wahrzunehmen. 

Das  Ovarium  ist  wurstförmig  und  annähernd  hufeisen- 
förmig gekrümmt.  Die  ganze  Schalenlänge  beträgt  0  •  35  mm9 
die  größte  Breite  0*25  mm. 

Die  Stammart  ist  aus  Kleinasien  bereits  bekannt;  Th. 
Barrois  sammelte  sie  aus  den  Wässern  von  Abbadi  und 
Hadar  sowie  aus  den  Sümpfen  bei  Teil  Forkloos. 

Diese  Varietät,  welche  ich  nach  dem  Sammler  Dr.  Franz 
Werner  benenne,  unterscheidet  sich  von  der  Stammform  in 
erster  Reihe  durch  die  Struktur  der  Schale,  besonders  die 
Gliederung  des  Stirnrandes  der  Bauchseite  sowie  Lage  und 
Ausschnitt  der  Fußöffnung,  sodann  in  zweiter  Linie  durch  die 
Struktur  und  Form  der  Hepatopankreasdrüsen,  welche  bei  der 
Stammform  einem  Schauche  gleicht. 

27.  Schizocerca  diversicornis  Daday. 
Taf.  I,  Fig.  13  bis  16. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  massenhaft.  Aus  Kleinasien  bisher  nicht 
bekannt. 


Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  153 

Bei  meinen  Untersuchungen  fand  ich  bloß  die  Stammform 
mit  dem  sehr  kurzen  linken  und  dem  langgestreckten  rechten 
hinteren  Schalenfortsatz.  Die  vorderen  Seitenfortsätze  der  Schale 
variieren  bloß  in  geringem  Maße,  d.  i.  sie  sind  entweder  gerade, 
oder  schwach  einwärts  gebogen.  Dagegen  ist  der  hintere  rechte 
Fortsatz  in  hohem  Grade  variabel;  an  den  meisten  Exemplaren 
ist  derselbe  nämlich  säbelförmig  einwärts  gekrümmt  (Taf.  I, 
Fig.  14)  und,  wie  es  scheint,  ist  auch  dies  der  Typus;  allein  es 
kommen  auch  Exemplare  vor,  an  welchen  der  hintere  rechte 
Fortsatz  nahezu  gerade  nach  hinten  gerichtet  (Taf.  I,  Fig.  13), 
oder  bald  schwächer,  bald  stärker  nach  außen  gekrümmt  ist;  an 
einem  Exemplar  ist  derselbe  im  ersten  Viertel  noch  gerade  und 
erst  dann  nach  außen  gekrümmt  (Taf.  I,  Fig.  15),  an  einem 
anderen  dagegen  beginnt  er  schon  an  der  Basis  sich  zu  krümmen 
(Taf.  I,  Fig.  16)  und  dies  dürfte  als  extremste  Form  zu 
betrachten  sein. 

Die  mir  vorgelegenen  Exemplare  waren  im  Verhältnis 
auffallend  groß,  insofern  die  ganze  Schalenlänge  von  der  Spitze 
des  hinteren  rechten  Fortsatzes  bis  zur  Spitze  des  rechten 
Stirnrandfortsatzes  0*5  bis  0*57  mm  beträgt;  dies  beruht 
übrigens  in  der  ziemlich  bedeutenden  Verlängerung  der  Fort- 
sätze; der  Rumpfan  sich  ist  nur  0*2  bis  0%2imm  lang.  Auch 
der  Fuß  ist  sehr  langgestreckt;  derselbe  ist  über  0*4  mm  lang, 
mithin  doppelt  so  lang  wie  der  Rumpf. 

28.  Pedalion  mirum  Huds. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  vereinzelt;  Isnik-Göl,  Grundprobe,  nur 
einige  Exemplare. 

Diese  Art  wurde  von  Th.  Barrois  und  E.  v.  Daday 
bereits  aus  den  Planktonmaterial  des  Yamoun-Sees  verzeichnet 
und  zwar  unter  dem  Namen  Hexarthra  polyptera  Schmarda. 
Wenn  ich  bei  dieser  Gelegenheit  zur  Bezeichnung  der  Art  nicht 
die  Benennung  von  Schmarda,  sondern  die  von  Hudson 
anwende,  wie  ich  es  schon  hie  und  da  getan,  so  komme  ich 
bloß  dem  Usus  nach;  denn  die  von  mehreren  Forschern  vor- 
gebrachten Gründe  haben  mich  noch  immer  nicht  von  der 
unbedingten   Sonderstellung   von   Hexarthra   polyptera    und 


154  E.  v.  Daday, 

Pedalion  mirum  überzeugt.  Bereitwillig  anerkenne  ich  zwar, 
daß  die  Abbildungen  und  Beschreibungen  der  beiden  Tiere 
auffallende  Verschiedenheiten  aufweisen  und  zur  generischen 
und  speziellen  Sonderstellung  derselben  eine  berechtigte  Basis 
bilden,  allein  ich  halte  die  von  Schmarda  abgebildete  und 
beschriebene  Hexarthra  polyptera  für  nicht  zutreffend  und 
wohl  auf  einen  PWa//o«-Organismus  beziehbar.  Es  scheint 
eine  unzureichende  Beobachtung  vorzuliegen.  Daß  diese  Form 
dennoch  zustande  kam,  schreibe  ich  einem  Observationsfehler 
zu,  was  leicht  erklärlich  wird,  wenn  man  die  technischen 
Schwierigkeiten  in  Betracht  zieht,  welche  Schmarda  bei  seinen 
Untersuchungen  während  einer  Weltumsegelung  zu  bekämpfen 
hatte,  und  wenn  man  hinweist  auf  die  Schwierigkeiten,  welche 
sich  dem  Forscher  beim  Studium  der  verwickelten  Struktur  der 
Pedalion- Arten  entgegentürmen. 

In  dieser  Überzeugung  bestärkt  mich  in  erster  Reihe  die 
Ähnlichkeit,  welche  sich  in  der  Struktur  der  Ruder  zeigt,  in 
zweiter  Reihe  aber  die  geographische  Verbreitung  des  Tieres, 
beziehungsweise  der  Umstand,  daß  dem  Hudson'schen  Pedalion 
mirum  vollständig  analoge  Exemplare  auch  in  Kleinasien 
vorkommen,  während  die  Schmarda'sche  Hexarthra  polyptera 
bisher  außer  von  dem  Entdecker  nirgends  und  durch  niemand 
beobachtet  wurde.  Nach  dem  Vorgebrachten  dürfte  es  sich  bei 
der  Schmarda'schen  Hexarthra  um  ein  Pedalion  handeln.  Die 
Entscheidung  in  dieser  Streitfrage  wird  natürlich  bloß  durch 
die  Entdeckung  eines  mit  dem  Schmarda'schen  Hexarthra 
polyptera  oder  zumindest  in  Hinsicht  der  Anordnung  der  Ruder 
übereinstimmenden  Tieres  erbracht  werden  können.  Bis  dahin 
aber  hängt  es  bloß  von  der  individuellen  Ansicht  ab,  ob  man 
die  beiden  Gattungen  und  Arten  trennen  oder  vereinigen  will, 
und  in  letzterem  Falle,  ob  man  mit  Berücksichtigung  oder 
Umgehung  des  Prioritätsrechtes  den  einen  oder  den  anderen 
Namen  benützt. 

29.  Triarthra  longiseta  Ehrb. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  zahlreich.  Th.  Barrois  hat  diese  Art 
schon  früher  aus  dem  Homs-  und  Houleh-See  gesammelt. 


Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  1 55 

30.  Polyarthra  platyptera  Ehrb. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  nicht  häufig.  Diese  Art  wurde  von 
Th.  Barrois  vormals  aus  dem  Homs-,  Houleh-  und  Yamoun- 
See  gesammelt. 

III.  Crustacea. 

31.  Cyclops  languidus  G.  0.  Sars. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Grundprobe  ein  reifes  Weibchen 
und  mehrere  Jugendstadien.  Aus  Kleinasien  bisher  noch  nicht 
verzeichnet. 

32.  Cyclops  oithonoides  G.  0.  Sars. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
ein  reifes  Männchen  und  zahlreiche  Exemplare  in  verschiedenen 
Entwicklungsstadien;  Mitte,  Oberfläche  und  Grundprobe,  einige 
reife  Weibchen  und  Massen  von  Larvenstadien.  Aus  Kleinasien 
bisher  noch  nicht  bekannt. 

33.  Canthocamptus  sp.  ? 
Taf.  I,  Fig.  17;  Textfig.  la,  b. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Mitte  und  Oberfläche,  selten. 

Die  mir  vorgelegenen  wenigen  Exemplare  waren  nur 
Bruchstücke,  so  zwar,  daß  ich  die  Art  nicht  sicher  zu  deter- 
minieren vermochte,  noch  die  eingehende  Beschreibung  zu 
geben  vermag.  Die  beobachteten  Daten  fasse  ich  nachstehend 
zusammen. 

An  den  Abdominalsegmenten  ist  am  Bauche  der  Hinterrand 
mit  einer  Dornenreihe  versehen,  welche  indessen  in  der  Mitte 
des  Randes  unterbrochen  ist  und  seitlich  sich  auch  etwas  auf 
den  Rücken  erstreckt.  Das  letzte  Abdominalsegment  geht 
innerhalb  der  Furcalbasis  in  je  einen  fingerförmigen  Fortsatz 
aus.  Die  Basis  der  Furca  ist  von  einem  Borstenkranz  umgeben 
(Textfig.  1  a). 

Von  den  Schwimmfüßen  fand  ich  bloß  die  letzten  zwei 
Paare  in  erkennbarem  Zustande;  die  Äste  derselben  waren 
dreigliedrig,  die  Borsten  und  Dornen  aber  fehlten  größtenteils. 


156 


E.  v.  Daday, 


Der  freie  Rand  des  Analoperculums  ist  gerade  abge- 
schnitten, in  der  Mitte  aber  etwas  vertieft,  erscheint  somit  als 
in  zwei  Lappen  gegliedert;  beiderseits  erhebt  sich  an  der  Basis 
je  ein  kurzer,  kräftiger  Dorn  (Textfig.  1  a). 

Am  fünften  Fußpaare  (Textfig.  1  b)  ist  die  Basallamelle  mit 
dem  Endopodit  verwachsen,  das  äußere  Ende  aber  fingerförmig 
gestreckt.  Das  Exopodit  ist  blattförmig,  die  Basis  breiter  als  die 
Spitze,  am  Außenrand  mit  drei,  an  der  Spitze  gleichfalls  mit 
drei  langen  Borsten  bewehrt,  außerdem  ist  die  proximale  Hälfte 


Fig.  1. 


des  Außenrandes  fein  behaart,  während  am  Innenrand  in  der 
ganzen  Länge  feine  Haare  sich  erheben.  Das  Endopodit  erhebt 
sich  bloß  halb  so  hoch  als  das  Exopodit,  an  seiner  Spitze  sitzen 
drei  kräftige,  lange  Borsten,  deren  innere  indessen  weit  länger 
als  die  beiden  anderen,  die  äußere  aber  die  kürzeste  von  allen 
ist;  am  Innenrande  stehen  zwei  ziemlich  lange  Borsten,  unter- 
halb derselben  folgt  eine  Reihe  von  einigen  feinen  Härchen  und 
auch  am  Außenrande  zeigen  sich  einige  solcher  Härchen. 

Das  Cuticulargerüst  der  weiblichen  Genitalöffnung,  welches 
aus  einem  zentralen  senkrechten  und  zwei  querliegenden 
Teilen  besteht,  ist  auf  Taf.  I,  Fig.  17  dargestellt.  Borsten  ver- 
mochte ich  daran  nicht  wahrzunehmen. 


Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  157 

34.  Onychocamptus  heteropus  n.  gen.  n.  sp. 
Taf.  I,  Fig.  18  bis  24. 

Character  gener.  Der  Körper  ist  aus  zehn  Segmenten 
zusammengesetzt,  nach  hinten  allmählich  verjüngt.  An  den 
Schwimmfüßen  des  Weibchens  ist  der  äußere  Ast  am  ersten 
Fuße  zwei-,  an  den  drei  hinteren  dreigliedrig,  der  innere  Ast 
am  ersten  Fuße  drei-,  an  den  übrigen  Füßen  zweigliedrig;  an 
den  Schwimmfüßen  des  Männchens  ist  der  äußere  Ast  drei- 
gliedrig; der  innere  Ast  am  ersten,  zweiten  und  vierten  Fuße 
zwei-,  am  dritten  Fuße  dreigliedrig.  An  der  inneren  Astspitze 
des  ersten  Fußpaares  sitzt  eine  kräftige,  sichelförmige  Kralle. 
Das  fünfte  männliche  Fußpaar  besteht  aus  zwei,  mit  dem 
Segment  in  direkter  Verbindung  stehenden,  selbständigen  An- 
hängen. Das  Weibchen  trägt  zwei  Eiersäckchen. 

Das  erste  Rumpfsegment  ist  so  lang  oder  auch  etwas 
länger  als  die  darauffolgenden  drei  zusammen,  geht  vorn  in 
ein  mehr  oder  weniger  gerade  geschnittenes  Rostrum  aus, 
dessen  Spitze  fein  behaart  ist,  die  hinteren  Seitenecken  sind 
spitzig,  ebenso  wie  auch  die  darauffolgenden  drei  Segmente, 
während  am  fünften  Segment  die  unteren  Seitenecken  ab- 
gerundet sind  (Taf.  1,  Fig.  18). 

Die  Abdominalsegmente  sind  fast  gleich  lang,  die  Seiten- 
enden der  drei  ersteren  spitzig,  die  Cuticula  hier  stark  verdickt, 
auch  am  vierten  Segmente  sind  die  Seitenenden  zwar  spitzig, 
die  Randcuticula  aber  ist  nur  an  der  Spitze  verdickt.  Sämtliche 
Segmente,  mit  Ausnahme  der  zwei  letzten  Abdominalsegmente, 
sind  am  Hinterrande  mit  gleich  weit  voneinander  stehenden 
Chitinverdickungen  versehen,  welche  auf  dem  Gipfel  mit  je 
einer  Borste  bewehrt  sind. 

Das  Analoperculum  bildet  einen  bogigen  Lappen,  am 
freien  Rande  erheben  sich  feine  Härchen  und  auch  an  der 
Basis  sitzen  in  einer  Querreihe  ähnliche  feine  Härchen. 

Die  Furcallamellen  sind  so  lang  wie  das  letzte  Abdominal- 
segment, welches  sie  trägt,  sind  im  Verhältnis  schmal,  fast 
dreimal  so  schmal  als  lang,  ihre  Basis  mit  feinen  Haaren 
umgebten.  Von  den  Endborsten  sind  bloß  drei  entwickelt  und 
zwar  eine  mittlere,  sehr  kräftige  und  auffallend  lange,  welche 


158  E.  v.  Daday, 

fast  die  halbe  Körperlänge  erreicht  und  fein  gefiedert  ist,  ferner 
eine  äußere  und  eine  innere  Endborste,  welche  die  halbe  Lange 
der  Furcallamellen  kaum  überragen  und  glatt  sind.  Am  Außen- 
rande der  Furcallamellen  erheben  sich  nahe  zur  Spitze  auf 
kleinen  Hügelchen  nahe  beieinander  einzelne  Borsten,  welche 
glatt  und  fast  so  lang  sind  wie  die  Furcallamelle.  Der  Innenrand 
der  Furcallamellen  ist  fein  behaart;  auf  dem  Rücken  derselben 
sitzt,  auf  doppelt  eingeschnürter  Basis,  eine  ziemlich  lange 
Borste. 

Das  weibliche  erste  Antennenpaar  ist  fünfgliedrig  (Taf.  L 
Fig.  19);  am  längsten  ist  das  dritte  Glied,  welches  sicherlich 
durch  Verwachsung  zweier  Glieder  entstanden  ist  und  an  der 
gestreckten  distalen  vorderen  Spitze  das  charakteristische 
Riechstäbchen  und  eine  lange  Borste  trägt.  Auf  dem  Rücken 
des  ersten  Gliedes  erheben  sich  feine  Härchen  in  zwei  Quer- 
reihen. Das  letzte  Glied  ist  nahezu  doppelt  so  groß  als  das 
voranstehende,  welches  von  allen  Gliedern  das  kleinste  ist; 
charakteristisch  ist  es,  daß  am  Vorder-  und  Hinterrande  sowie 
auch  auf  dem  Rücken  des  letzten  Gliedes  sich  mehrere  Borsten 
befinden.  Das  erste  Antennenpaar  ist  übrigens  sehr  kurz,  kaum 
so  lang  oder  nur  wenig  länger  als  das  erste  Rumpfsegment 
samt  dem  Rostrum. 

Das  männliche  erste  Antennenpaar  ist  beiderseits  gleich- 
förmig zu  Greifantennen  gestaltet  und  besteht  aus  sechs 
Gliedern  (Taf.  I,  Fig.  20).  Die  ersten  drei  Glieder  sind  zylindrisch, 
fast  gleich  dick,  wogegen  das  vierte,  welches  das  Gelenkglied 
bildet,  auffallend  gedunsen,  in  der  Mitte  des  Hinterrandes  vertieft 
ist  und  an  der  Basis  des  Vorderrandes  einen  fingerförmigen 
Cuticularfortsatz  trägt.  Das  Riechstäbchen  samt  der  sie  be- 
gleitenden Borste  entspringt  an  diesem  Gliede.  Das  fünfte  Glied 
ist  weit  dünner  als  die  vorherigen,  dabei  fast  so  lang  wie  das 
vierte,  am  Hinterrande  der  äußeren  Seite  erhebt  sich  auf  breiter 
Basis  eine  Cuticularlamelle  mit  abgerundeter  Spitze.  Das  letzte 
Glied  ist  sehr  kurz  und  dünn,  kaum  ein  Drittel  der  Länge  des 
fünften  Gliedes  erreichend,  an  der  Spitze  mit  dem  Riechstäbchen 
und  der  langen  Borste  versehen. 

Der  äußere  Ast  der  Schwimmfüße  ist  am  ersten  weiblichen 
Fuße  zwei-,  am  zweiten,  dritten  und  vierten  sowie  an  samt- 


Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  1 59 

liehen  männlichen  Füßen  stets  dreigliedrig,  wogegen  der 
innere  Ast  des  ersten  weiblichen  Fußes  aus  drei,  die  übrigen 
aber  sowie  am  ersten,  zweiten  und  vierten  männlichen  Fuße 
aus  zwei  Gliedern  zusammengesetzt  ist,  am  dritten  männlichen 
Fuße  hingegen  aus  drei  Gliedern  besteht.  Der  äußere  Ast  der 
Füße  ist,  mit  Ausnahme  der  ersten,  stets  länger  als  der  innere 
Ast,  von  den  Gliedern  am  inneren  Aste  des  ersten  Fußes  an 
und  für  sich  länger  als  der  äußere  Ast  und  fast  doppelt  so 
lang  als  die  zwei  anderen  Glieder  zusammen  (Taf.  I,  Fig.  21), 
sein  Innenrand  ist  fein  behaart;  das  basale  Glied  ist  breiter  als 
das  mittlere,  fast  so  breit  als  lang  und  trägt  an  der  inneren 
Spitze  einen  kleinen  Dorn;  das  letzte  Glied  ist  gegen  Ende 
verschmälert,  am  Außenrande  mit  einigen  Borsten,  an  der 
Spitze  mit  einer  kräftigen,  sichelförmig  gekrümmten  Kralle 
bewehrt,  an  deren  Basis  ein  kleiner  Dorn  sitzt.  Das  Basalglied 
des  äußeren  Astes  ist  so  lang  als  das  erste  Glied  des  inneren 
Astes,  gegen  das  Ende  allmählich  verbreitert,  die  Ränder 
behaart,  am  distalen  äußeren  Ende  mit  einer  kräftigen,  langen, 
dornartigen  Borste  versehen;  das  zweite  Glied  ist  weit  länger 
als  das  erste,  die  Ränder  gleichfalls  behaart,  am  Außenrande 
aber  sitzt  nahe  zur  Spitze  und  auf  dieser  je  ein  Dorn,  wogegen 
am  distalen  Ende  drei  verschieden  lange  Borsten  sitzen  (Taf.  I, 
Fig.  21).  An  den  übrigen  Füßen  ist  der  innere  Ast  kürzer  als 
der  äußere,  d.  i.  nur  so  lang  als  die  zwei  ersten  Glieder  des 
äußeren  Astes  zusammen. 

Am  dritten  männlichen  Fuße  sind  beide  Äste  dreigliedrig. 
Das  erste  Glied  des  äußeren  Astes  ist  gegen  das  distale  Ende 
verbreitert,  am  Außenrande  fein  behaart  und  auch  an  der 
Innenseite  zeigen  sich  im  Bogen  angeordnete,  feine  Härchen, 
wogegen  am  äußeren  Ende  ein  kräftiger  Dorn  sitzt  (Taf.  I, 
Fig.  24).  Das  zweite  Glied  ist  fast  überall  gleich  breit,  der 
Außenrand  fein  behaart,  das  äußere  Ende  mit  einem  Dorn,  das 
innere  mit  einer  Borste  versehen.  Das  dritte  Glied  ist  dünner 
als  die  übrigen,  am  Außenrande  mit  drei  kräftigen  Dornen 
bewehrt,  wogegen  der  Innenrand  in  der  Mitte  eine  Borste,  am 
distalen  Ende  aber  zwei  kräftige,  lange  Borsten  trägt.  Der 
innere  Ast  ist  bloß  so  lang  als  die  zwei  proximalen  Glieder  des 
äußeren  Astes  zusammen,  das  erste  Glied  länger  als  die  beiden 


ICO  E.  v.  Daday, 

anderen,  überall  gleich  breit,  weder  mit  Borsten  noch  mit 
Domen  versehen;  am  äußeren  und  inneren  Ende  des  zweiten 
Gliedes  sitzt  je  eine  Borste;  am  Innenrand  und  distalen  Ende 
des  dritten  Gliedes  erheben  sich  je  zwei  Borsten  (Taf.  I, 
Fig.  24). 

Das  fünfte  weibliche  Fußpaar  ist  gut  entwickelt  (Taf.  I, 
Fig.  22);  das  Protopodit  mit  dem  Endopodit  verwachsen,  das 
äußere  Ende  fingerförmig  stark  verlängert  und  an  der  Spitze 
mit  einer  Borste  bewehrt;  das  Exopodit  sitzt  auf  einer  hals- 
artigen Erhöhung  des  Protopodits,  ist  annähernd  blattförmig, 
die  Oberseite  nahe  zur  Spitze  mit  feinen  Härchen  versehen, 
wogegen  an  der  Spitze  sich  ein  kürzerer,  schwächerer  und 
zwei  kräftigere  Dornen  erheben;  das  Endopodit  trägt  am  Innen- 
rand eine  Reihe  feiner  Haare,  welche  mit  einer  größeren  Borste 
endigt,  das  distale  Ende  ist  in  zwei  Hügel  gegliedert,  auf 
deren  Gipfel  je  eine  Fiederborste  emporragt;  an  der  Basis  des 
äußeren  Hügels  stehen  kleine  Härchen  in  einer  Bogenreihe. 

Das  männliche  fünfte  Fußpaar  hat  eine  sehr  eigentüm- 
liche und  charakteristische  Form  (Taf.  I,  Fig.  23),  indem  das- 
selbe aus  einem  mit  dem  Cuticularrande  des  Segmentes  in 
unmittelbarer  und  selbständiger  Berührung  stehenden,  finger- 
förmigen und  einem  annähernd  herzförmigen  Anhang  besteht; 
das  Protopodit  scheint  zu  fehlen.  Von  den  beiden  Anhängen 
liegt  der  fingerförmige  gegen  außen,  trägt  an  der  Spitze  eine 
lange  Borste  und  ist  seiner  Lage  nach  als  Exopodit  zu 
betrachten.  Der  herzförmige  Fortsatz  liegt  nach  innen,  ist  am 
distalen  Ende  mit  zwei  kräftigen  Fiederborsten,  am  Innenrande 
nahe  zur  Spitze  mit  einem  kleinen  Dorn  versehen  und  scheint 
dem  Endopodit  zu  entsprechen.  Am  zweiten  Endominal- 
segment  ragen  gegen  das  fünfte  Fußpaar  zwei  Borsten  empor, 
welche  gewissermaßen  das  sechste  Fußpaar  andeuten. 

Hier  ist  zu  bemerken,  daß  ich  es  nicht  für  ausgeschlossen 
halte,  daß  am  fünften  männlichen  Fußpaar  derjenige  Teil, 
welcher  als  äußerer  Ast  betrachtet  werden  kann,  dem  letzten 
Rudimente  des  Protopodits  entsprechen  dürfte,  und  in  diesem 
Falle  würde  der  als  Endopodit  erscheinende  Teil  das  Exo- 
podit repräsentieren,  während  das  eigentliche  Endopodit  im 
Verlaufe  der  Entwicklung  spurlos  verschwunden  ist.  Für  die 


Mikroskopische  Süöwassertiere  aus  Kleinasien.  161 

Wahrscheinlichkeit  dieser  Annahme  scheint  der  fünfte  männ- 
liche Fuß  von  W.  Lilljeborg's  Canthocamptus  gracilis  zu 
sprechen,  an  welchem  das  Endopodit  fehlt  (vergl.  Lilljeborg, 
Synopsis  specierum  hucusque  in  aquis  dulcibus  Sueciae  observ. 
Famil.  Harpactidarum,  Tab.  II,  Fig.  13). 

Das  Weibchen  trägt  die  Eier  in  zwei  Säckchen;  dieselben 
sind  gestreckt  schlauchförmig,  liegen  parallel  der  Längsachse 
des  Körpers  und  enthalten  nur  wenig  (6  bis  8)  Eier.  Das 
Spermatophor  ist  kurz  schlauchförmig. 

Die  Länge  des  Weibchens  beträgt  ohne  die  Furcalborste 
0-63  bis  0-65  mm,  mit  der  Furcalborste  0*90  bis  0*95  mm; 
die  Furcalborste  ist  0*3  ptm,  die  Furcallamellen  sind  0*05  mm 
lang;  die  größte  Breite  des  Rumpfes  beträgt  0*2  bis  0*22  mm. 
Die  Länge  des  Männchens  beträgt  ohne  die  Furcalborste 
0-53  mm,  mit  der  Furcalborste  0*7  mm\  die  der  Furcallamellen 
0'04mm;  die  größte  Breite  des  Rumpfes  beträgt  0*15  mm. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Grundprobe,  einige  Männchen  und 
Weibchen. 

35.  Argulus  foliaceus  L. 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Mitte,  ein  einziges  Exemplar. 
Aus  Kleinasien  bisher  unbekannt 

36.  Alona  rectangula  G.  O.  Sars. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Grundprobe,  einige  eiertragende 
Weibchen.  Aus  Kleinasien  bisher  noch  nicht  verzeichnet. 

37.  Leydigia  Leydigi  (Schödt). 

Fundort:  Isnik-Göl,  Grundprobe,  nicht  häufig;  ein  maze- 
riertes Exemplar  und  einige  leere  Schalen.  Aus  Kleinasien  jetzt 
zuerst  verzeichnet. 

38.  Bosmina  longirostris  (O.  Fr.  Müll.). 

Fundort:  Isnik-Göl,  Mitte,  Oberfläche,  vereinzelt  und  nur 
Bruchstücke;  Ufer,  Oberfläche,  Vorkommen  ebenso;  Grund- 
probe, zahlreiche  komplette  Exemplare.  J.  Richard  verzeichnete 
diese  Art  aus  dem  Ho  ms -See. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  1 1 


162  E.v.  Daday, 

39.  Moina  brachiata  (0.  Fr.  Müll). 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
vereinzelt;  Mitte  und  Oberfläche,  zahlreich.  Diese  Art  wurde 
von  Th.  Barrois  schon  früher  an  zwei  Lokalitäten  gesammelt 
und  zwar  bei  Birket-Hadar  und  Ain-Katab. 

40.  Diaphanosoma  brachyurum  (Liev.). 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Ufer  gegenüber  Albullonia, 
Mitte  und  Oberfläche,  massenhaft;  Isnik-Göl,  Ufer,  Oberfläche, 
vereinzelt,  Grundprobe,  zahlreicher.  Diese  Art  scheint  in  Klein- 
asien gemein  und  sehr  verbreitet  zu  sein,  denn  auch  Th. Barrois 
hat  sie  an  einigen  Fundorten  und  zwar  aus  dem  Homs-, 
Tiberias-  und  Houleh-See  gesammelt. 

41.  Darwinula  Stewensonii  Brad.  Rob. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Grundprobe,  einige  leere  und  gelb- 
braun gefärbte  Schalen.  Aus  Kleinasien  bisher  nicht  bekannt. 

42.  Limnicythere  dubiosa  n.  sp. 
Taf.  I,  Fig.  25  bis  27;  Textfig.  2. 

Die  Schalen  des  Männchens  sind,  von  der  Seite  gesehen, 
gestreckt  nierenförmig  (Taf.  I,  Fig.  25),  vorn  spitziger  ab- 
gerundet und  verschmälert  als  hinten.  Der  vordere  Schalenrand 
ist  am  vorderen  Teile,  beziehungsweise  am  Berührungspunkte 
mit  dem  Rückenrand  etwas  abschüssig,  am  unteren  Teile 
dagegen  scharf  abgerundet,  in  der  ganzen  Länge  mit  kurzen 
steifen  Borsten  bedeckt.  Der  Rückenrand  ist  im  ganzen 
Verlaufe  fast  ganz  gerade  und  erscheint  bloß  oberhalb  der 
Augen  etwas  erhaben.  Der  Hinterrand  der  Schale  ist  stumpf 
und  nahezu  gleichmäßig  abgerundet,  höher  als  der  Vorderrand, 
am  Berührungspunkte  mit  dem  Rückenrande  wenig  abschüssig, 
in  der  ganzen  Länge  mit  kurzen  Borsten  bedeckt,  unter  welchen 
sich,  ebenso  wie  am  Vorderrande,  auch  lange  feine  Randborsten 
erheben.  Der  Bauchrand  der  Schale  ist  vor  der  Mitte  breit  und 
stumpf  gebuchtet,  so  zwar,  daß  die  Bucht  den  Bauchrand  in 
eine    vordere   kleinere   und   in    eine    hintere    größere   Partie 


Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  163 

abteilt,  welch  letztere  abwärts  laufend  schwach  bogig  ist, 
demzufolge  die  Schalen  hier  am  höchsten  sind. 

Von  oben  gesehen  sind  die  Schalen  annähernd  kahnförmig, 
vorn  spitz,  hinten  dagegen  etwas  stumpf  abgerundet,  vor  der 
Mitte  seichter  oder  stärker  vertieft  und  ist  demzufolge  der 
Rand  beiderseits  hügelartig  vorspringend  (Taf.  I,  Fig.  26,  27). 
Die  linke  Schale  erscheint  hinten  etwas  länger  als  die  rechte. 

Die  Schalenwandung  zeigt  unregelmäßige  vieleckige 
Felderchen,  welche  fein  granuliert  erscheinen. 


Fig.  2. 


Von  den  Füßen  ist  das  dritte  Paar  weit  länger  und  kräftiger 
als  die  übrigen;  besonders  auffallend  lang  ist  die  Endkralle, 
welche  die  Länge  des  ganzen  Fußes  überragt  und  dabei  sehr 
dünn  ist. 

Sehr  auffallend  und  zugleich  äußerst  charakteristisch  ist 
das  männliche  Kopulationsorgan,  welches  in  Textfig.  2  von  der 
Seite  dargestellt  ist.  Außer  der  verwickelten  Struktur  ist  auch 
die  Größe  desselben  auffallend,  insofern  es  in  der  Schalen- 
höhlung nicht  Platz  genug  findet,  sondern  mit  einem  Teile  frei 
aus  den  Schalen  ragt. 

n* 


164  E.  v.  Daday, 

Die  weiblichen  Schalen  gleichen  den  soeben  beschriebenen 
männlichen  Schalen  in  hohem  Grade,  sind  indessen  weit  kleiner 
und  ihr  Vorder-  und  Hinterrand  ist  fast  gleich  hoch,  der  Vorder- 
rand jedoch  etwas  schärfer  abgerundet 

Die  Länge  der  weiblichen  Schalen  beträgt  0-58  mm,  ihre 
größte  Höhe  0-3 mm,  die  größte  Breite  0'18mw.  Die  Länge 
der  männlichen  Schalen  beträgt  0'65ww,  ihre  größte  Höhe 
0  •  3  mm,  die  größte  Breite  0  •  25  mm. 

Fundort:  Isnik-Göl,  Grundprobe,  einige  leere  und  einige 
das  Chitingerüst  des  Tierchens  enthaltende  Schalen. 

43.  Limnicythere  inopinata  (Baird). 

Fundort:  Albullonia-Göl,  Grundprobe,  mehrere  leere 
Schalen;  Isnik-Göl,  Grundprobe,  ziemlich  häufig;  ich  f^nd 
indessen  bloß  leere  Schalen.  Aus  Kleinasien  bisher  nicht  bekannt. 


Vergleicht  man  nunmehr  die  oben  verzeichneten  Daten 
miteinander,  so  wird  man  unter  den  aufgezählten  Arten 
zunächst  solche  finden,  welche  aus  Kleinasien  schon  früher 
bekannt  waren,  sodann  aber  solche,  welche  erst  zufolge  der 
Sammlung  von  F.  Werner  aus  Kleinasien  bekannt  geworden 
sind.  Aus  diesem  Gesichtspunkte  zerfallen  die  von  F.  Werner 
gesammelten  und  hier  verzeichneten  Arten  in  folgender  Weise: 

a)  Aus  Kleinasien  schon  früher  bekannte  Arten. 

Rotifer  sp. 

Adactyla  verrucosa  Barr.  Dad. 
Mastigocerca  bicornis  Ehrb. 
Notops  macrourus  Barr.  Dad. 
5.  Anuraea  cochlearis  Ehrb. 
Brachionus  rubens  Ehrb. 
Pedalion  mirum  Huds. 
Triarthra  longiseta  Ehrb. 
Polyarthra  platyptera  Ehrb. 
10.  Bosmifta  longirostris  (0.  Fr.  M.). 
Moina  brachiata  (O.  Fr.  M.). 
Diaphanosoma  brachyttrum  (Liev.). 


Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  165 

b)  Aus  Kleinasien  bisher  nicht  bekannte  Arten. 

Aredia  vulgaris  Ehrb. 
Difflugia  acutninata  Ehrb. 
»         constrieta  Ehrb. 

>  pyriformis  Perty. 
5.  Centropysis  aculeata  (Ehrb.). 

Euglena  deses  Ehrb. 

>  viridis  Ehrb. 
Peridinium  quadridens  Stein. 
Ctraüum  macroceros  Schrank. 

10.  Tintinnopsis  ovalis  Dad. 

Vorticella  nebulifera  0.  F.  M. 

Cothurniopsis  imberbis  (Ehrb.). 

Trilobus gracilis  Bast. 

Asplancha  Brigthtvelli  Gosse. 
15.  Mastigocerca  elongata  Gosse. 

>  heterostyla  n.  sp. 
Anuraea  testttdo  Ehrb. 
Brachionus  angularis  Gosse. 

»  budapestinensis  Dad. 

20.  »  forficula  Wierz. 

»  rubens  var.  Werneri  n.  v. 

Schizocerca  diversicornis  Dad. 
Cyclops  languidus  Sars  G.  O. 
»       oithonoides  Sars  G.  O. 
25.  Canthocamptus  sp.? 

Onychocamptus  keteropus  n.  gen.  n.  sp. 
Argulus  foliaceus  L. 
-d/ewa  reetangula  Sars  G.  O. 
Leydigia  Leydigi  (Schödt). 
30.  Dartvinula  Stetvcnsoni  Brad.  Rob. 
Limnicythere  dubiosa  n.  sp. 

>  inopinata  (Baird). 

Laut  den  Daten  dieser  beiden  Gruppen  sind  unter  den 
von  F.  Werner  gesammelten  Arten  wenig  mehr  als  ein  Viertel 
solche,  welche  aus  Kleinasien  schon  früher  bekannt  waren, 


166  E.  v.  Daday, 

wogegen  nahezu  drei  Viertel  derselben   erst  auf  Grund  der 
Sammlungen  von  F.  Werner  bekannt  geworden  sind. 

Überblicken  wir  schließlich  die  verzeichneten  Arten  aus 
allgemein  zoogeographischem  Gesichtspunkte,  so  zeigt  es 
sich,  daß  der  größte  Teil  derselben  kosmopolitisch,  d.  i.  bereits 
aus  mehreren  zoogeographischen  Regionen  bekannt  ist,  ein 
kleiner  Teil  aber  bisher  entweder  bloß  aus  Kleinasien  oder 
außer  Kleinasien  nur  aus  Europa  verzeichnet  wurde.  Den  beiden 
letzteren  Gruppen  gehören  nachstehende  Arten  an: 

a)  Bisher  bloß  aus  Kleinasien  bekannte  Arten. 

Adactyla  verrucosa  Barr.  Dad. 
Notops  macrourus  Barr.  Dad. 
Mastigocerca  hcterostyla  n.  sp. 
Brachionus  rubens  var.  Werneri  n.  var. 
5.  Canthocamptus  sp.? 

Onychocamptus  heteropus  n.  gen.  n.  sp. 
Limnicythere  dubiosa  n.  sp. 

b)  Außerhalb  Kleinasiens,  bloß  aus  Europa  bekannte 

Arten. 

Peridinium  quadridens  Stein. 
Tintinnopsis  ovalis  Dad. 
Argulus  foliaceus  L. 
Brachionus  forßcula  Wierz. 
5.  Schizocerca  diversicomis  Dad. 
Dartvinula  Stetvensoni  Brad.  Rob. 
Limnicythere  inopinata  (Baird). 

Aus  dieser  Zusammenstellung  geht  somit  hervor,  daß  der 
sechste  Teil  der  von  F.  Werner  gesammelten  43  Arten  bisher 
bloß  aus  Kleinasien,  der  andere  Sechstelteil  außerdem  nur 
aus  Europa  bekannt  ist,  während  die  übrigen  vier  Sechstelteile 
aus  Kosmopoliten  bestehen. 


Mikroskopische  Süßwassertiere  aus  Kleinasien.  167 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel  I. 

Fig.  1.      Ccralium  macroccros  Schrank.  Reich.  Oc.  5,  Obj.  5. 

Fig.  2.      Tiniinnopsis  ovalis  Dad.  Reich.  Oc.  3,  Obj.  7. 

Fig.  3.      Cothumiopsis  imbcrbis  (Ehrb.).  Reich.  Oc.  3,  Obj.  9. 

Fig.  4.      Mastigocerca  heterostyla  n.  sp.  Reich.  Oc.  3,  Obj.  7. 

Fig.  5.      Notops  macrourus  Barr.-Dad.  Taster.  Reich.  Oc.  3,  Obj.  5. 

Fig.  6.  >  »  »         »       Fußende.  Reich.  Oc.  3,  Obj.  7. 

Fig.  7.  »  >  »         >       von  oben.  Reich.  Oc.  3,  Obj.  5. 

Fig.  8.      Brachionus  forficula  Wierz.  Schale  von  oben.  Reich.  Oc.  3,  Obj.  4. 

Fig.  9.      Brachionus  budapcstinensis  Dad.  Schale  von  oben.  Reich. Oc. 3, Obj. 5. 

Fig.  10.    Brachionus  forficula  Wierz.  Schale  von  oben.  Reich.  Oc.  3,  Obj.  4. 

Fig.  11.  »  >  von  oben.  Reich.  Oc.  3f  Obj.  7. 

Fig.  12.    Brachionus  rubens  var.  Werneri  n.  v.  Von  oben.  Reich.  Oc.  5,  Obj.  4. 

Fig.  13  bis  16.  Schizocerca  divcrsicornis  Dad.  Hinterende  der  Schale.  Reich. 

Oc.  3,  Obj.  5. 
Fig.  17.    Canthocamptus  sp.  Cuticulargerüst  der  weiblichen  Geschlechtsöffnung. 

Reich.  Oc.  3,  Obj.  7. 
Fig.  18.    Onychocamptus  heteropus  n.  gen.  n.  sp.  9 »  von  oben.  Reich.  Oc.  5, 

Obj.  3. 
Fig.  19.  »  »9»  erste  Antenne.  Reich.  Oc.  5,  Obj.  5. 

Fig.  20.  »  »  (j\  erste  Antenne.  Reich.  Oc.  5,  Obj.  7. 

Fig.  21.  »  »  $,  erster  Fuß.  Reich.  Oc.  5,  Obj.  7. 

Fig.  22.  »  »9,  fünfter  Fuß.  Reich.  Oc.  5,  Obj.  7. 

Fig.  23.  »  »  cf »  fünfter  Fuß.  Reich.  Oc.  5,  Obj.  7. 

Fig.  24.  »  cf »  dritter  Fuß-  Reich-  0c-  5»  0bJ-  7- 

Fig.  25.    Limnicythcrc  dubiosa  n.  sp.  tf,  Schale   von  der  Seite.  Reich.  Oc.  5, 

Obj.  3. 
Fig.  26.  »  »        tf ,  Schale  von  oben.  Reich.  Oc.  5,  Obj.  3. 

Fig.  27.  »  >         9 »  Schale  von  oben.  Reich.  Oc.  5,  Obj.  3. 


169 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine 

(II.  Teil) 

von 

C.  Doelter. 

(Mit  2  Tafeln,  1  Kartenskizze  und  1  Textfigur.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  8.  Jänner  1903.) 

Der  erste  Teil  dieser  Untersuchung  beschäftigte  sich  mit 
den  Gesteinen  des  Monzoni,  in  dem  vorliegenden  zweiten 
Teile  sollen  die  topographischen  Verhältnisse  desselben,  dann 
die  Zusammensetzung  der  einzelnen  Gebirgsteile,  ferner  das 
gegenseitige  Verhältnis,  das  Alter  der  Gesteine  und  die  Genesis 
des  Monzoni  behandelt  werden. 

Eine  eingehende  Würdigung  der  Arbeiten  der  Vorgänger 
habe  ich  unterlassen,  teils  weil  ich  mich  hierin  der  von  v.  Moj- 
sisovics1  geäußerten  Ansicht,  dieselben  seien  unnützer 
Ballast,  der  nur  dazu  diene,  die  eigenen  Verdienste  hervor- 
zuheben, anschließe,  teils  weil  ohnedies  in  älteren  und  neueren 
Arbeiten  die  Literatur  sattsam  behandelt  wurde. 

Der  Monzoni  erhebt  sich  zwischen  Val  Pellegrin  und 
Val  Pozza,  sein  Steilabhang  ist  gegen  N,  während  er  im 
allgemeinen  gegen  S  sanfter  abfallt.  Die  höchsten  Erhebun- 
gen sind  Ricoletta,*  Rizzoni  und  Mal  Inverno.  Längere,  tief 
eingeschnittene  Schluchten,  sogenannte  Toals,  sind  am  Süd- 
abhange  zu  beobachten.  Die  wichtigsten  sind  von  E  nach  W 
aufgezählt:  Val  Allochet,  Toal  Rizzoni,  Toal  del  Mason,  das 
kurze  Toal  della  Foja  und  Val  Pesmeda  oder  Pizmeda. 


J  v.  Mojsisovics,  Dolomitriffe  von  Südtirol.  Wien,  1881.  Vorrede. 
2  Vcrgl.  bezüglich  dieser  Namen    meinen    Aufsatz.   Tsch.   Min.   Mitt, 
XXI,  Heft  1. 


170  C.  Doeiter, 

Am  Nordabhang  stürzen  von  allen  Seiten  steile  Schrunden 
gegen  den  Zirkus  des  Piano  Monzoni.  Im  E  vereinigen  sich 
die  zwei  Ketten  Allochet-Le  Seile  und  die  nördliche  Kette  des 
Camorzaio-Costa  bella  zu  dem  hochgelegenen  Zirkus  von 
Le  Seile.  Ein  Paß,  2531  m  hoch,  führt  von  S.  Pellegrin  und 
der  Campagnazza-Ebene  westwärts  zum  Piano. 

Bezüglich  der  topographischen  Verhältnisse  verweise  ich 
auf  meine  erste  Arbeit  (1875)  sowie  auf  den  geologischen 
Führer  (1903). 

Ich  habe  seinerzeit  ausgeführt,  daß  der  Name  Monzoni 
sich  nur  auf  eine  unbedeutende  Spitze  am  Ausgange  des 
Monzonitales  sowie  auf  die  Monzonialpe  bezieht,  aber  später 
in  der  geologischen  Literatur  auf  das  südlich  gelegene  Gebirge 
übertragen  wurde.  Im  S  wird  dieses  von  dem  Val  Pellegrino 
begrenzt,  im  W  durch  das  Kalkgebirge  der  Valaccia,  im 
E  durch  das  Plateau  von  Campagnazza,  im  N  durch  den 
Kalkzug  Costa  bella,  Col  di  Lares  und  durch  den  Piano 
di  Monzoni.  Der  Kamm  des  Gebirges  geht  in  der  Richtung 
EW,  die  wichtigsten  Spitzen  sind  Pa.  Allochet1  (an  welche 
sich  der  Paß  Allochet  anschließt),  hierauf  kommt  die  auf  allen 
Seiten  fast  senkrecht  abfallende  Rizzonispitze,  aufweiche  die 
Ricolettaspitze,  die  höchste  des  Gebirges,  folgt;  durch  eine 
tiefe  Schlucht,  die  Ricolettascharte,  getrennt,  liegt  im  W 
der  Mal  Inverno,  an  welchen  sich  eine  Einsenkung,  die 
Palla  verde,  schließt,  hierauf  kommen  wir  zu  dem  westlichen 
Teile:  der  Costella,  welcher  sich  an  die  Kalkspitze  der 
Valaccia  anreiht. 

Charakteristisch  für  den  Monzoni  ist  das  Vorkommen 
von  Kesseltälern  mit  steilen  Wänden,  die  zirkusartig  aus- 
gebildet sind. 

So  schließt  sich  an  das  östlich  von  P.  Allochet  gegen  den 
Le  Seile-Paß  von  SW  gegen  NE  gerichtete  Kalkgebirge,  das 
parallel  mit  dem  Hauptkamm  verlaufende,  an,  welches  im  E  von 
der  Fucchiada,  die  Cima  Costa  bella,  dann  den    Camorzaio 


*  Die  eigentliche  P.  Allochet  der  Karte  Hegt  östlich  vom  Paß,  doch  geben 
manche  diesen  Namen  auch  der  westlichen  Spitze;  es  herrscht  hier  wie  im 
ganzen  Fassatal  große  Verwirrung  bezüglich  der  Bergnamen. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  171 

und  den  Col  di  Lares  bildet  und  dann  gegen  N  umbiegt. 
Hier  liegt  zwischen  dem  Zuge  Allochet-Le  Seile-Paß  und 
dem,  Costa  bella-Col  di  Lares  (Larice)  der  zirka  2400  m  hoch 
gelegene  Zirkus  von  Le  Seile;  gegen  den  Piano  zu  sind 
von  da  an  mehrere  terrassenförmige  Hochplateaus  zu  beob- 
achten, so  jenes,  welches  den  kleinen  Le  Seile-See  bildet,  und 
ein  zweites  unbedeutendes.  Südlich  von  dem  aus  dem  See 
entspringenden  Bach,  der  von  E  nach  W  fließt,  erheben 
sich  gegen  den  Hauptkamm  mehrere  Terrassen,  untereinander 
durch  steile  Abhänge  getrennt.  Im  W  fällt  der  schmale 
Kamm  steil  ab  und  bildet  gewaltige  Schutthalden.  An  dem 
mittleren  Teil  zwischen  der  Ricolettaschlucht  und  der  Rizzoni- 
spitze  ist  der  Monzonistock  viel  breiter,  zuerst  fällt  auch  hier 
das  Gebirge  sehr  steil  gegen  N  ab,  zwischen  diesem  Steil- 
abfall und  dem  Monzonital,  respektive  dem  Le  Seile-Bach 
findet  sich  ein  von  vielen  tief  eingeschnittenen  Schluchten 
zerrissenes  Vorland;  alle  diese  Schluchten1  konvergieren 
ebenso  wie  die  aus  dem  W  kommenden  und  an  ihrem  End- 
punkte liegt  ein  fast  ebenes,  zirkusartig  umschlossenes  Hoch- 
plateau von  mächtigen  Geröllmassen  bedeckt,  der  Piano 
di  Monzoni,  welcher  die  verschiedensten  Gesteinsvarietäten 
aus  allen  Gegenden  des  Monzoni  zeigt;  der  fast  ebene  Tal- 
boden ist  gegen  N  sanft  geneigt. 

Im  S  ist  das  Gehänge  etwas  weniger  steil  als  gegen 
N.  Nur  die  Rizzoni-  und  Ricolettaspitze  zeigen  zuerst  200  m 
hohe,  fast  senkrechte  Abhänge,  welche  aber  weiter  südwärts 
sanfter  verlaufen.  Im  westlichen  Teil  haben  wir  überhaupt  auf 
der  Südseite  sanftere  Abhänge. 

Eine  Anzahl  Gräben  verläuft  von  N  nach  S,  zuerst 
das  Val  d'Allochet,  welches  südlich  der  Punta  Allochet  beginnt 
und  im  weiteren  Verlauf  ein  breites  Tal  bildet,  welches  den 
Monzoni  von  dem  Col  Lifon  und  der  Campagnazza  trennt. 
Es  folgen  dann  einige  tiefer  eingeschnittene,  steile  Schluchten 


1  Diese  Schluchten  haben  keine  Namen,  werden  aber  von  den  Mineral- 
suchern nach  den  wichtigsten  Mineralfundstätten  genannt.  Eine  der  längsten 
ist  das  nach  dem  Traversellit  genannte  Tal,  das  westlichste  ist  das  Fassait- 
tal, dazwischen  liegt  das  Chabasittal. 


172  C.  Doelter, 

und  wir  kommen  dann  in  ein  längeres  Tal,  welches  aus  zwei 
Runsen  gebildet  ist,  von  welchen  die  eine  vom  Mal  Inverno,  die 
andere  von  der  Ricolettaschlucht  zieht;  nach  ihrer  Vereinigung 
bilden  sie  eine  tiefe  Schlucht,  das  Toal  dei  Rizzoni,  wie  es  seit 
langer  Zeit  genannt  wird  (obgleich  manche  Bewohner  es  Toal 
Mal  Inverno  nennen),  hierauf  folgt  das  breitere  Toal  del  Mason 
und  dann  das  kurze  Tal  Toal  della  Foja  (Foglia).  Im  W 
wird  der  Monzoni  begrenzt  von  dem  Val  Pesmeda  (auch  Piz- 
meda  genannt),  dasselbe  endigt  nach  oben  (N)  in  einen  breiten 
Zirkus  mit  flachem  Boden,  welcher  Cadin  brut  genannt  wird, 
ein  westliches  Seitental  ist  Cadin  bei.  Der  schmale  Grat 
zwischen  dem  Kessel  von  Cadin  brut  und  Toal  del  Mason  führt 
den  Namen  Palle  rabbiose,  die  Fortsetzung  desselben  gegen 
S  wird  Pizmedakamm  genannt,  doch  führt  auch  der  nicht 
mehr  in  unser  Gebiet  gehörige  Kalkberg  jenseits  westlich  des 
Pizmedatales  denselben  Namen. 

Der  Palle  rabbiose  reicht  bis  zum  Mal  Inverno,  er  fällt  dort 
sehr  steil  gegen  Cadin  brut;  auch  der  Südabhang  zwischen 
Mal  Inverno  und  Valaccia  ist  ein  sehr  steiler,  während  der 
östlichere  Teil  des  Südabhanges  im  allgemeinen  sanfter  ist. 
Am  Südende  des  Palle  rabbiose  erhebt  sich,  2484  m  hoch, 
ein  kleiner  Kopf,  von  wo  aus  der  Grat  sich  gabelt;  nach  SW 
zieht  der  Pizmedakamm,  der  mit  einer  kleinen  Erhebung, 
1966  m  hoch,  endigt,  gegen  SE  erhebt  sich  ein  breiterer 
Kamm,  der  im  E  nicht  zu  schroff  gegen  Toal  del  Mason 
fällt.  Zwischen  den  genannten  Gebirgskämmen  liegt  das  kurze, 
von  N  nach  S  gerichtete  Toal  della  Foja.  Der  Kamm  zwischen 
Pizmedatal  und  diesem  ist  seit  alters  her  durch  seine  Kontakt- 
mineralien bekannt. 

Die  wichtigsten  Höhen  sind  in  Metern: 

Punta  Valaccia 2641 

Cima  di  Mal  Inverno 2632 

Ricolettascharte 2481 

Ricolettaspitze  .    2644 

Rizzonispitze 2624 

P.  d'Allochet 2608 

Le  Seile-Paß   2531 

Cima  di  Costa  bella 2701 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  173 

Piano  di  Monzoni zirka  1900 

Cadin  brut  (Boden) >      24 11 

Palla  verde-Paß 2530 

Südende  des  Palle  rabbiose 2484 

Die  Zahl  der  sonstigen  Höhenmessungen  ist  leider  keine 
große,  was  bei  der  Orientierung  sehr  mißlich  ist.  Man  kann 
allerdings  durch  eigene  barometrische  Bestimmungen  dies 
verbessern,  aber  solche  Messungen  mit  unvollkommenen 
Instrumenten  und  ohne  Kontrollstation  sind  sehr  mangelhaft, 
namentlich  bei  Höhen  über  2000  m.  Ich  habe  mit  einem  Visier- 
instrument, welches  ein  Mechaniker  in  Graz  nach  Angaben 
von  Frischauf  hergestellt,  von  bekannten  Punkten  ausgehend 
approximative  Messungen  durchgeführt,  aber  sie  können  auch 
keinen  hohen  Grad  von  Genauigkeit  beanspruchen. 

Die  durchbrochenen  Schichten  des  Monzoni. 

Wir  haben  im  ersten  Teil  gesehen,  welcher  Natur  die 
durchbrechenden  Gesteine  waren.  Viel  weniger  interessant  sind 
die  durchbrochenen  Gesteine  und  einige  Worte  werden  zu  ihrer 
Charakterisierung  genügen.  Im  S  wird  der  Monzonit  durch 
Quarzporphyr  von  grüner  und  roter  Farbe  begrenzt,  letzterer 
tritt  namentlich  zwischen  Toal  Rizzoni  und  Allochet  auf, 
im  E  liegen  über  dem  Quarzporphyr  die  Grödner  Sandsteine, 
im  Westen  Quarzite  und  Tuffe. 

Ein  sehr  merkwürdiges  Gestein  ist  im  unteren  Allochet- 
tal  unter  dem  grünen,  oft  ausgeblaßten  Quarzporphyr  zu 
finden,  es  zieht  sich  in  nicht  unbeträchtlicher  Ausdehnung 
gegen  W  an  dem  Gehänge  ins  Pellegrintal.  Das  Gestein 
ist  kein  Quarzporphyrit,  mit  welchem  es  äußerlich  viel  Ähn- 
lichkeit hat,  da  es  keinen  Quarz  enthält.  Solche  Quarzpor- 
phyrite  kommen  im  Pellegrintal  vor.1  Die  Farbe  des  fraglichen 
Gesteines  ist  eine  graugrüne,  es  ist  dicht,  oft  sogar  felsitisch 
und  besteht  hauptsächlich  aus  Feldspat;  große  Plagioklase 
sieht  man  öfters  darin. 


1  G.  Tschermak,  Porphyrgesteine  Österreichs.  Wien,  1869. 


174  C.  Doelter, 

Eine  Analyse,  welche  Herr  Dr.  Ippen  unternahm,  ergab 
einen  Si02-Gehalt  von  fast  60%.  Es  gehört  das  Gestein  daher 
nicht  zu  der  Quarzporphyrgruppe,  aber  auch  nicht  zu  den 
eigentlichen  Plagioklasporphyriten,  mit  denen  es  im  Schliff 
einige  Ähnlichkeit  hat.  Auch  über  das  Alter  dieses  Gesteines 
fehlt  jeder  Anhaltspunkt,  wahrscheinlich  ist  es,  daß  es  mit  der 
Monzoniteruption  nichts  zu  tun  hat  Eine  nähere  Unter- 
suchung dieses  Gesteines  wird  Herr  Dr.  Ippen  ausführen,  ich 
nenne  es  vorläufig  »dioritischen  Porphyr«. 

An  der  Ost-  wie  an  der  Westgrenze  des  Monzonit- 
massivs  treten  die  unteren  Triasschichten  auf:  Werfener, 
Wengener  Schichten,  Buchensteiner  Kalke. 

Die  Stellung  und  das  Alter  der  eingeschlossenen  Kalke 
läßt  sich  schwer  bestimmen,  es  ist  wahrscheinlich,  daß  die 
Kalkscholle  am  Toal  del  Mason  wohl  nicht  einer  Etage  ange- 
hören kann,  sondern  aus  der  Serie  der  unteren  Trias-  und 
Permschichten  zusammengesetzt  ist.  Es  kommen  auch  Quar- 
zite  vor. 

Am  Nordabhang  unter  der  Ricoletta  findet  man  bei  etwa 
2250  m  eine  kleine,  merkwürdigerweise  fast  ganz  wenig  ver- 
änderte Kalkscholle,  deren  Gestein  rötlich  ist,  was  auf  Werfener 
Schichten  hindeuten  würde. 

In  der  Ebene  von  Campagnazza,  welche  aus  permischen 
und  unteren  Triasschichten  aufgebaut  ist,  findet  man  auch 
porphyritische  Gänge.  Im  N  und  O  des  Monzonitmassivs 
haben  wir  die  Serie  der  Triasschichten. 

Der  Zug  Fucchiada-Costa  bella  ist  von  vielen  Melaphyr- 
gängen  durchzogen. 

Das  Auftreten  der  Eruptivgesteine. 

Das  Auftreten  der  Gesteine  ist  entweder  ein  stock-  oder 
gangförmiges.  Das  ganze  Eruptivgebiet  des  Monzoni  ist  ein 
Paralleltrapez,  welches  jedoch  durch  etwas  gekrümmte  Linien 
begrenzt  wird.  Die  Längsachse  erstreckt  sich  von  WSW  nach 
ENE.  Dies  ist  die  Richtung  der  Eruptivspalte.  Innerhalb  des 
Massivs  treten  zahlreiche  Gänge  auf;  nicht  nur  die  eigentlichen 
Ganggesteine,  auch  die  gangförmig  auftretenden  Tiefen- 
gesteine treten  zumeist  in  zwei  Richtungen  auf,  von  denen  die 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  175 

eine  der  ohen  erwähnten  Achse  parallel,  die  andere  senkrecht 
steht,  mit  kleineren  Abweichungen. 

Schon  1875  hatte  ich  das  so  häufige  Auftreten  der  Mon- 
zonite,  Pyroxenite  in  Gängen  erkannt,  es  ist  seitdem  zum 
Beispiel  von  Huber  das  gangförmige  Vorkommen  geleugnet 
worden,  es  ist  aber  an  vielen  Punkten  deutlich  zu  sehen, 
insbesondere  im  Ricolettagebiet;  allerdings  sind  es  zum  Teil 
Differentiationsgänge,  welche  ein  mehr  schollenförmiges  Aus- 
sehen haben,  aber  man  hat  immer  scharfe  Grenzen  zwischen 
den  einzelnen  Gesteinen;  die  Gänge  entsenden  oft  kleine  Apo- 
physen  m  das  Nebengestein.  Stockförmige  Massen  scheint 
der  Monzonit  der  Westseite  zu  bilden  und  auch  wohl  teilweise 
der  Gabbro  im  E  des  Eruptivgebietes. 

Der  Labradorfels  wie  der  Anorthosit  kommen  nur  in 
kleinen  Partien  im  Gabbro  vor,  Hauptgebiet  ist  das  Traversel- 
littal  und  das  davon  westlich  gelegene,  der  Nordostabhang 
des  Mal  Inverno,  aber  auch  am  Kamm  der  Ricoletta  kommt 
er  vor.  Augitdiorit  kommt  wie  Pyroxenit  in  Gangmassen, 
teilweise  in  Schollen  vor,  wobei  auch  vielfach  scharfe  Grenzen 
beobachtet  werden.  Größere  gangartige  Apophysen  entsendet 
an  einzelnen  Stellen  der  Pyroxenit,  der  in  großen  Gangmassen 
vorkommt,  die  oft  sehr  bedeutend  sind.  Die  wichtigsten  Gänge 
sind  am  Allochet  S  gegen  Col  Lifon,  im  Toal  dei  Rizzoni, 
nordöstlich  vom  Mal  Inverno,  unter  der  Ricolettaschlucht,  im 
Chabasittal  und  im  Traversellittal,  auch  in  dem  Massiv  zwi- 
schen beiden.  Der  Gabbro  und  Olivingabbro  bilden  Gänge  und 
größere  stockförmige  Massive,  ihr  Hauptverbreitungsgebiet  ist 
südlich  von  Le  Seile  gegen  Rizzoni,  dann  das  Traversellittal, 
der  Nord-  und  Südabhang  der  Ricoletta.  Die  Diorite  und  Gabbro- 
diorite  sind  hauptsächlich  im" W  der  Ricoletta  gegen  Mal  Inverno 
verbreitet. 

Sowohl  der  Gabbro  wie  der  Monzonit  scheinen  bereits 
in  größeren  Tiefen  sich  getrennt  und  dann  im  Eruptivstock 
sich  weiter  gesondert  zu  haben  (siehe  darüber  Genesis  des 
Monzoni).  Innerhalb  des  Monzonimassivs  treten  dann  noch 
schmale  Gänge  auf,  welche  außerhalb  desselben  nicht  vor- 
kommen, es  sind  die  sauren  leukokraten  granitischen  und 
syenitischen  Gesteine   sowie  die  camptonitischen  und   mela- 


176  C.  Doelter. 

phyrähnlichen.  Vor  allem  sei  konstatiert,  daß  ein  Zusammen- 
vorkommen dieser  Gesteine,  nämlich  saurer  und  basischer, 
nicht  vorkommt  und  daß  keine  diaschisten  Gänge  zu  sehen 
sind,  während  bei  Predazzo  Liebenerit-undCamptonit-,respektive 
Melaphyrgänge  zusammen  vorkommen.  Im  Gegenteil,  es 
treten  zum  Beispiel  am  Palle  rabbiose  die  basischen  Gänge 
mehr  nördlich  auf,  die  sauren  im  südlichen  Teile.  Auch  am 
Allochet  und  Rizzoni  sind  beide  getrennt,  ebenso  am  Mal 
Inverno,  nur  einschlußartig  treten  basische  Gesteine  in  sauren 
auf  (respektive  als  basische  Ausscheidungen). 

Die  Richtung  der  Gänge  ist  vorherrschend  den  beiden 
vordem  angegebenen  Linien  parallel,  aber  da  die  in  schmalen 
Gängen  auftretenden  Gesteine  Spaltenausfüllungen  sind,  so 
sieht  man  sowohl  in  der  Mächtigkeit  als  auch  im  Streichen 
und  Fallen  an  einem  nud  demselben  Gange  bedeutende  Unter- 
schiede. 

Was  nun  die  Verteilung  der  Tiefengesteine  innerhalb  des 
Gangstockes  anbelangt,  so  ist  dieselbe  keine  regelmäßige, 
im  W  herrscht  unbedingt  der  Monzonit  vor,  der  auch  im 
E  vereinzelt  auftritt,  die  basischen  Gesteine  sind  mehr  im 
E  und  namentlich  im  Zentrum  an  der  Ricoletta  verbreitet. 
Mehr  Symmetrie  in  der  Verteilung  herrscht  zwischen  Nord- 
und  Südabhang  als  zwischen  Ost-  und  Westhälfte.  Die  basi- 
schen Gesteine  bilden  aber  kein  zusammenhängendes  Massiv, 
sie  werden  durch  kleinere  und  größere  Massen  von  Monzonit 
unterbrochen. 

Die  Melaphyrformation. 

Westlich  vom  Monzonitmassiv  erhebt  sich  aus  den  Kalken 
unter  der  Valaccia  eine  große  Melaphyrgangmasse.  Auch  am 
Col  di  Lares  im  N  des  Monzonis  von  Le  Seile  haben 
wir  ein  größeres  Melaphyrmassiv,  ebenso  am  Camorzaio; 
außerdem  treten  bekanntlich  eine  Unmasse  von  kleinen  Gängen 
allenthalben  in  der  Umgebung  des  Monzoni  in  den  Triaskalken 
auf.  Hängen  nun  diese  Gesteine  mit  der  Eruption  des  Mon- 
zonits  zusammen  oder  sind  sie  unabhängig  von  derselben? 
Bekanntlich  setzen  die  Melaphyre  im  N  fort  und  ihr  ver- 
breitestes Gebiet  ist  die  Gegend  zwischen  Pozzatal  und 
oberstem  Fassa. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  177 

Ehe  wir  diese  Frage  entscheiden,  wäre  noch  eine  weitere 
aufzuwerfen.  Sind  die  zahlreichen  kleinen  Gänge  im  Zusam- 
menhange mit  den  größeren  Gang-  und  Strommassen?  Die 
beiden  Fragen  sind  heute  schwer  zu  beantworten,  da  noch  nicht 
genug  Studien  namentlich  bezüglich  der  nördlicheren  Mela- 
phyre  vorliegen  und  auch  keine  chemischen  Untersuchungen 
der  verschiedenen  Gruppen  ausgeführt  wurden. 

Was  nun  die  erste  Frage  anbelangt,  so  ist  zu  konstatieren, 
daß  die  Gesteine  des  Pizmedatales  petrographisch  von  ande- 
sitischem  Habitus  sind,  sie  stimmen  aber  mit  jenen  des  Mulatto, 
welche  ebenfalls  teilweise  andesitischen  Typus  haben,  nicht 
überein,  letztere  scheinen  diesen  vielleicht  durch  Kontakt- 
umwandlung erhalten  zu  haben. 

Die  kleinen  Ganggesteine  von  Le  Seile  haben  mit  den  Piz- 
medagesteinen  keine  große  Ähnlichkeit,  denn  erstere  sind  teils 
echte  Melaphyre,  häufiger  aber  noch  Plagioklasporphyrite,  die 
aber  keinen  andesitischen  Habitus  besitzen;  es  könnten  also 
beide  voneinander  unabhängig  sein,  wenn  man  nur  die  petro- 
graphische  Ähnlichkeit  berücksichtigt;  bei  den  großen  Mela- 
phyrgängen  von  Pizmeda,  Col  di  Lares,  Camorzaio  ist  jedoch 
eine  gewisse  petrographische  Ähnlichkeit  vorhanden. 

Es  ist  indessen  doch  zu  bemerken,  daß  in  der  Richtung 
sowohl  der  kleineren  Melaphyr-  (Porphyrit-)  Gänge  als  auch 
der  großen  Gangmassive  vom  Pizmedatal  eine  gewisse  Über- 
einstimmung mit  der  Richtung  der  Eruptivspalte  des  Monzoni 
herrscht.  Die  Gänge  sind  entweder  parallel  oder  senkrecht  zu 
dieser,  es  dürfte  demnach  ein  genetischer  Zusammenhang 
zwischen  der  Eruption  des  Monzonits  und  der  Melaphyre 
bestehen. 

Das  Melaphyrmassiv  von  Pizmeda. 

Von  großem  Interesse  ist  die  Beschaffenheit  des  Melaphyr- 
massivs,  wie  wir  es  an  dem  Wege  nach  Ronchi  oder  besser 
noch  in  dem  Bette  des  Baches,  welcher  westlich  davon  mündet, 
beobachten  können.  Man  sieht  deutlich,  daß  das  Gestein  in 
Lavabänke  abgesondert  ist,  oft  schieben  sich  Tuffe  mit  Lapüli 
ein  und  wirkliche  Blocklaven,  bei  denen  einzelne  runde  Blöcke 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  1 2 


178  C.  Doelter, 

herausragen,  wie  es  auf  der  Photographie  sichtbar  ist.1  Nirgends 
habe  ich  diese  Erscheinung,  welche  ja  im  oberen  Fassatal, 
dann  am  Col  di  Lares  und  auch  an  einigen  Punkten  bei  Pre- 
dazzo  in  ähnlicher  Weise,  aber  doch  mehr  im  kleinen  auftritt, 
so  beobachten  können.  Allerdings  treten  solche  breccienartige 
Bildungen  auch  bei  Gängen  auf,  zum  Beispiel  am  Kontakt, 
sie  sind  von  Richthofe n  dort  als  Reibungsbreccien  bezeichnet 
worden.  Hier  aber  sind  die  Dinge  etwas  anders,  es  treten 
große  runde  Blöcke  in  tuffartigem  oder  aber  auch  in  dichtem 
Gestein  auf;  offenbar  sind  es  wie  bei  der  Blocklava  rasch 
erstarrte  Ströme,  zum  Teil  größere  und  kleinere  Auswürflinge, 
welche  von  Asche  zementiert  wurden,  es  sind  aber  keine 
nachträglich  gebildeten,  geschichteten  Breccien,  denn  auch 
die  Bankung,  das  Einfallen  gegen  das  Pellegrintal  unter 
sanftem  Winkel,  die  Auswürflinge  und  Bomben  sprechen  für 
einen  Lavaerguß,  der  von  der  Valaccia  sich  in  das  zwischen 
Korallenriffen  bestehende  Tal  ergoß  vielleicht  auch  in  ein 
vulkanisches  Spaltental,  eine  Art  Barranco,  ergoß. 

M.  Ogilvie  Gordon  will  alle  von  Mojsisovics  als 
Augitporphyrlaven  bezeichneten  Ströme  für  Lagergänge  an- 
sehen und  erklärt  die  Breccienstruktur  für  Verwitterungs- 
erscheinungen: eine  ganz  unrichtige  Erklärungsweise.  (Zu 
unterscheiden  ist  übrigens  die  breccienartige  Struktur  in 
Gängen,  welche  nur  eine  scheinbare  ist,  da  die  Bestandteile 
der  Breccien  oft  nur  wenig  voneinander  differieren  und  in  den 
eigentlichen,  eben  beschriebenen  Blocklaven.) 

Es  ist  allerdings  richtig,  daß  manches  Lagergänge  sind, 
was  früher  für  Lavaströme  gehalten  wurde,  zum  Beispiel  das 
Melaphyr-  (Porphyrit-)  Massiv  unter  Pordoi-Joch,  wo  ich  im 
Melaphyr  einige  Meter  von  der  Kalkgrenze  (untere  Trias- 
schichten) einen  Kephalopodenrest  fand,2  anderseits  scheint 
es  mir  unrichtig,  die  Breccien  auch  für  Gangbildungen  zu 
halten,  und  für  die  lavaähnlichen,  Bänke  bildenden  Melaphyre 
des  Cornons  und  andere  Punkte  in  Ober-Fassa  kann  ich  mich 
nicht  entschließen,  sie  für  Lagergänge  zu  halten,  ich  finde 
auch  nirgends  einen  Beweis  dafür. 

i  Siehe  Tafel  II,  D. 

2  Siehe  Anzeiger  der  kais.  Akademie.  Sitz,  vom  23.  Okt.  1902. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  1 79 

Schon  Richthofen1  sagt  1859  bei  Besprechung  der 
Melaphyre: 

»Durch  jene  drängen  stets  Augitporphyrmassen  aufwärts, 
sie  durchsetzten  alle  vorher  gebildeten  Schichten  in  Gängen. 
Dort  aber,  wo  der  Gang  die  einstige  Oberfläche  erreichte, 
breitete  sich  seine  feurig  flüssige  Masse  stromartig  aus;  verfolgt 
man  sie  weiter,  so  verliert  sie  mehr  und  mehr  den  Charakter 
eines  massigen  Eruptivgesteines,  sie  wird  konglomeratisch, 
dickbankig  geschichtet  und  verliert  sich  in  Eruptivtuffen. 
Diesen  Erscheinungen  begegnet  man  in  großer  Zahl  am  Bufaure- 
gebirge.  So  kommt  es,  daß  der  ganze  reiche  Wechsel  der 
Eruptivtuffe  mit  ihrem  Muttergestein,  wie  wir  ihn  bereits  mehr- 
fach beschrieben,  hier  in  verwirrender  Mannigfaltigkeit  auftritt.« 

Diese  Worte  lassen  sich  auch  auf  die  Melaphyrlaven  des 
Pizmedatales  anwenden,  es  ist  ein  überraschender  Wechsel 
von  massigem  Gestein,  Konglomerat  oder  Tuff  zu  konstatieren. 

Die  Ansicht  von  M.  Ogilvie,  daß  die  Breccienstruktur 
durch  Verwitterung  hervorgerufen  und  daß  man  es  nur  mit 
intrusiven  Lagergängen  zu  tun  habe,  scheint  mir  ganz 
unhaltbar;  wohl  mag  die  Verwitterung  zu  der  Herausbröcke- 
lung  der  Einschlüsse  beitragen,  aber  u.  d.  M.  erkennt  man  oft 
ganz  unverwitterte  Gesteine. 

In  manchen  Fällen  handelt  es  sich  um  Einschlüsse  ähn- 
licher Gesteine  oder  um  basische  Ausscheidungen,  dies  scheint 
namentlich  in  Gängen  der  Fall  zu  sein,  denn  dort  waren  die 
Einschlüsse  zum  Teil  porphyritähnliche  Gesteine,  zum  kleineren 
Teil  Melaphyre;  am  Col  di  Lares  trifft  man  derartige  Ein- 
schlüsse und  auch  am  Pordoi,  dies  kann  aber  nicht  mit  jenen 
Breccien  verwechselt  werden,  welche  ganz  den  Eindruck 
eines  rasch  erstarrten  Lavastromes  machen  und  bei  welchen 
auch  das  Gestein  durch  seine  Ähnlichkeit  mit  andesitischen 
Gesteinen  auffällt.  Hier  handelt  es  sich  um  blocklavaartige 
Gebilde. 

Das  Melaphyrmassiv,  welches  wir  bei  Ronchi  treffen, 
zieht  sich  weithin  im  Pizmedatal  aufwärts  bis  zu  einer  Höhe 
von  zirka  1850  m,  dann  sehen  wir  aufwärts  steigend  nur  Kalk 


1  v.  Richthofen,  Geognostische  Beschreibung  v.  Predazzo  etc.,  S.  248. 

12* 


180  C.  Doelter, 

und  erst  oben  finden  wir  westlich  von  Cadin  brut  wieder  Mela- 
phyr  gegen  die  Valaccia.  Auf  der  Mojsisovics'schen  Karte  ist 
ein  Zusammenhang  zwischen  dem  unteren  und  oberen  Massiv 
verzeichnet,  welchen  ich  nicht  auffand. 

Das  Melaphyrmassiv  läßt  sich  von  der  Kammhöhe  östlich 
der  Valaccia  verfolgen,  die  Gesteine  sind  teils  Melaphyre  (mit 
Olivin),  teils  Augit-  und  Plagioklasporphyre  mit  andesitischem 
Habitus. 

Die  Mächtigkeit  des  Massivs  beträgt  am  Kamm  mindestens 
100  m.  Wenn  wir  von  Cadin  brut  das  Pizmedatal  herabsteigen, 
verqueren  wir  den  Melaphyr,  welcher  von  dem  Monzonit 
durch  eine  Kalkzone  getrennt  ist.  Nach  Traversierung  des 
Melaphyrs  kommen  wir  in  das  Kalkgebirge  und  erst  bei  zirka 
1900  m  Höhe  gelangen  wir  zu  dem  zweiten  unteren  Melaphyr- 
massiv, welches  gewiß  mit  dem  oberen  ursprünglich  in 
Zusammenhang  war,  der  durch  Erosion  zerstört  wurde.  Einen 
direkten  Zusammenhang  zwischen  oberem  und  unterem  Teile 
konnte  ich   nicht  finden,  er  war  aber  zweifellos  vorhanden. 

Die  Breite  des  unteren  Teiles  ist  bedeutend  größer  als 
die  des  oberen,  man  hat  den  Eindruck,  als  wenn  der  Melaphyr 
am  Kamm  durchgebrochen  und  sich  nach  S  stromartig 
ergossen  h$tte;  diesen  Eindruck  hat  man  namentlich  dort,  wo 
durch  den  Bach  das  Melaphyrmassiv  aufgeschlossen  ist  und 
man  die  durch  Blocklava  und  tuffartige  Massive  getrennten 
festen  Gesteine  sieht;  die  Neigung  der  scheinbaren  Ströme 
ist  gegen  S,  es  beträgt  ihr  Einfallen  zwischen  20  bis  35°.  Wenn 
aber  hier  Ströme  vorliegen,  so  müßte  das  Tal  schon  zur  Zeit 
der  Eruption  existiert  oder  vielmehr  wie  ein  Barranco  durch  die 
Eruption  sich  gebildet  haben  oder  das  Ganze  verworfen  sein. 

Daß  die  Melaphyre  jünger  sind  wie  die  Triaskalke,  ist 
sicher,  es  existieren  auch  Melaphyrgänge  im  Monte  Pizmeda 
(westliche  Seite  des  Tales).  Eine  zweite  Hypothese  wäre  die, 
daß  der  Monte  Pizmeda  ein  Korallenriff  war  und  daß  die  Lava 
sich  zwischen  zwei  Riffe  ergoß.  Endlich  könnte  aber  auch 
das  ganze  untere  Melaphyrmassiv  verworfen  sein  und  ursprüng- 
lich die  Höhe  des  oberen  Pizmedatales  (Cadin  bei)  einge- 
nommen haben.  Diese  EW-Verwerfung  müßte  in  posttriasischer 
Zeit  stattgefunden  haben.  Eine  solche  dürfte  vorliegen. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  181 

Die  Melaphyrmassive  dehnen  sich  auch  westlich  weit 
gegen  die  Straße,  die  nach  Someda  führt. 

Im  E  wird  sie  durch  Kalkstein  und  weiter  unten  durch 
Monzonit  begrenzt;  das  kleine  Tal,  welches  in  der  Richtung 
SN  von  Ronchi  führt,  bezeichnet  ungefähr  die  Grenze;  jenseits 
des  Pellegrinbaches  haben  wir  ebenfalls  Melaphyr,  welcher  viel- 
leicht mit  dem  oben  geschilderten  nördlichen  im  Zusammen- 
hange steht;  wir  sehen  es  an  der  Straße  Lusia  Moena  und 
oberhalb  der  Finanzerhütte  an  der  Pellegriner  Straße. 


Der  südliehe  Abhang  des  Monzoni. 
Der  Pizmedakamm. 

Die  Grenze  zwischen  Monzonit  und  Melaphyr  im  E 
des  letzteren  ist  in  dem  angegebenen  kleinen  Graben  von 
Ronchi  aus  zu  sehen,  sie  ist  aber  schlecht  aufgeschlossen, 
ebenso  wie  die  Kalkmelaphyrgrenze;  der  unter  dem  Melaphyr 
liegende  Quarzporphyr  ist  an  manchen  entblößten  Stellen  zu 
beobachten;  Schutt,  der  hoch  hinaufzieht,  erschwert  die  Beob- 
achtung, aber  in  den  Schluchten  ist  der  Melaphyr  gut  zu 
sehen. 

Ein  sehr  merkwürdiges  Gestein  fand  ich  an  der  Monzonit- 
melaphyrgrenze  im  genannten  Graben;  es  hat  äußerlich  ganz 
den  Anschein  eines  Hornblendeporphyrits,  u.  d.  M.  sieht  es 
aber  ganz  anders  aus.  Makroskopisch  zeigt  es  schwarzgraue 
Färbung  mit  vielen  winzigen  Glimmerblättchen  und  größeren 
schwarzen  Hornblendekrystallen.  U.  d.  M.  zeigt  es  einzelne 
porphyrartig  auftretende  Plagioklase,  dann  größere  braune  und 
grüne  Hornblendekrystalle  und  eine  Grundmasse,  aus  viel  hell- 
gelbem Glimmer  und  grüner  Hornblende,  Plagioklasleisten  und 
Orthoklas  bestehend. 

Das  Gestein  ist  eine  Art  Dioritporphyr,  erinnert  manchmal 
an  die  kersantitähnlichen  Gesteine  vom  Pizmedakamm,  nur 
daß  es  statt  Augit  Hornblende  enthält. 

Wenn  wir  den  kleinen  Graben,  welcher  die  Melaphyr- 
monzonitgrenze  bildet,  verlassen  und  aufwärts  steigen,  kommen 
wir  gleich  zu  der  Eisenmine,    deren   Erze   wir   schon   unten 


182  C.  Doelter, 

fanden.  Es  ist  Magneteisen,  mit  Eisenkies  und  mit  Baryt 
gemengt.  Die  sogenannte  Eisenmine  ist  nur  eine  Art  Versuchs- 
bau und  scheint  der  Abbau  bald  wieder  eingestellt  worden 
zu  sein. 

Ein  bemerkenswerter  Quarzporphyr  findet  sich  noch  unter 
der  Eisenmine,  er  zeigt  große  Quarzkörner  in  einer  aplitischen 
Grundmasse  (siehe  I.  Teil,  S.  967).  Solche  Gesteine  haben  äußer- 
lich ein  etwas  gneisartiges  Aussehen. 

Das  Gestein  von  der  Eisenmine  selbst  ist  ein  graues  zer- 
setztes Gestein,  durch  größere  Plagioklase  porphyrartig,  es 
ist  fast  gar  kein  Magnetit  in  demselben  vorhanden,  die  Augite 
sind  gebleicht,  der  Plagioklas  zersetzt.  Manchmal  erinnert  das 
Gestein  an  Plagioklasporphyrit,  doch  ist  es  tuff-  bis  breccienartig. 

Von  der  Mine  führt  eine  Art  Steig  zum  Monzonit  aufwärts 
und  man  kommt  auf  einen  breiteren  Weg;  die  Kalkgrenze 
liegt  20  bis  35  m  entfernt  von  diesem,  man  sieht  kein  eigent- 
liches Feinkörnigerwerden  des  Monzonites  am  Kontakt,  das 
Gestein  ist  mittelkörnig,  weiter  oben  erscheinen  porphyrartige 
Varietäten. 

Nun  gelangen  wir  immer  im  Monzonit  auf  den  Kamm, 
der  nicht  ganz  2000  m  hoch  ist,  um  von  dort  gegen  N  den 
Pizmedakamm  emporzusteigen.  Die  Grenze  des  Kalkes  und 
des  Monzonites  befindet  sich  nicht  am  Kamm,  sondern  an 
der  Westseite  unterhalb  desselben.  Man  kann  auch  einen 
anderen  Weg  als  den  eingeschlagenen  verfolgen,  indem  man 
den  Steig  von  Ronchi  aus  wählt,  welcher  in  Windungen  ins 
Pizmedatal  führt;  man  begegnet  zuerst  Schutt,  dann  Quarz- 
porphyr, der  jedoch  nur  an  wenigen  Stellen  unter  dem  Mela- 
phyr  sichtbar  ist;  hierauf  kommt  man  in  das  Melaphyrgebiet 
und  wieder  nach  Passierung  von  Gerolle  in  den  Kalk,  in 
welchem  zwei  Melaphyrgänge  zu  sehen  sind,  einer  davon 
scheint  sich  in  den  benachbarten  Monzonit  fortzusetzen;  hier 
sind  wir  auch  schon  an  der  Monzonitgrenze  angelangt  und 
kommen  bald  auf  den  vorhin  beschriebenen  Weg,  man  kann 
aber  auch  nördlich  davon  in  der  Nähe  der  Kalkgrenze  aufsteigen, 
ohne  jedoch  Bemerkenswertes  zu  beobachten.  Von  diesem 
Abhang  mehr  nördlich  stammt  übrigens  ein  von  mir  1875 
beschriebener  Melaphyrgang   im   Kalk,   welcher  am   Kontakt 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  183 

Magnetit  zeigt,  es  ist  kein  Camptonit.  Dagegen  finden  sich 
Camptonitgänge  im  Monzonit  bei  der  Krümmung  des  Weges 
zirka  1800  m  hoch. 

Das  Gestein  dieses  Teiles  des  Monzoni  gegen  die  Kalk- 
grenze ist  viel  mehr  syenitisch  als  monzonitisch,  da  es  sehr 
orthoklasreich  ist,  auch  Hornblende  und  Glimmer  kommt  darin 
neben  Augit  reichlich  vor.  Dazwischen  kommen  auch  quarz- 
reiche Syenitmonzonite  vor  und  scheinen  also  gerade  hier  an 
der  Südwestecke  die  saureren  Glieder  des  Monzonits  vorzu- 
herrschen.  Sie  sind  oft  porphyrartig  ausgebildet  durch  Feld- 
spateinsprenglinge   und    zeigen   granitporphyrische    Struktur. 

Wir  kehren  nun  an  unseren  vorhin  erwähnten  Punkt  bei 
1960  m  Höhe  zurück  und  setzen  unseren  Weg  am  Kamm  fort. 
Schon  zirka  100  m  höher  treffen  wir  auf  eine  Kontaktstelle, 
welche  namentlich  Fassait  zeigt. 

Das  Gestein  ist  hier  Biotitmonzonit,  oft  wird  das  Gestein 
orthoklasreich  und  enthält  auch  Quarz;  weiter  ist  viel  Syenit 
zu  sehen. 

Nun  steigen  wir  weiter,  die  Gesteinsgrenze  bleibt  westlich 
zirka  100  m  tiefer  als  der  Kamm,  die  bisher  mehr  geradlinige 
Kalkgrenze  wird  nun  sehr  unregelmäßig;  während  die  Haupt- 
grenze noch  tiefer  heruntersinkt,  kommen  im  Monzonit  mehrere 
zungenartig  in  diesen  eingreifende  Schollen  vor;  an  der  ersten 
zirka  2150  bis  2200  m  hinaufragenden  Kalkzunge  finden  wir 
ein  serpentinähnliches  Kontaktgebilde,  während  der  Monzonit 
zirka  150  m  tiefer  gegen  das  Pizmedatal  sich  erstreckt. 

An  jener  Zunge  ist  ein  wichtiger  Mineralfundort.  Wir 
finden  hier  einen  Gang  jenes  im  ersten  Teil  beschriebenen 
kersantitähnlichen  Biotitmonzonits.  Zirka  50  bis  90  m  höher  ist 
eine  zweite  Kalkzunge  zu  verzeichnen,  die  aber  nicht  ganz  an 
den  Kamm  heranreicht  (siehe  die  photogr.  Taf.  II).  Auch  hier 
finden  wir  einen  größeren  Gang  jenes  eben  erwähnten  Gesteines, 
über  demselben  herrscht  mittelkörniger  Biotitmonzonit.  Hier 
findet  sich  einer  der  bekanntesten  und  ergiebigsten  Mineral- 
fundorte. 

Bezüglich  der  Mineralfundstätten  habe  ich  keine  neuen 
Studien  gemacht  und  verweise  auf  frühere  Untersuchungen. 


184  C.  Doelter, 

Die  Ursache  der  Mineralbildung  liegt  in  dem  Vorkommen 
von  Kalkschollen,  diese  erstrecken  sich  am  Pizmedakamm 
in  den  Monzonit;  es  scheint,  daß  auch  kleinere  Schollen  im 
Toal  della  Foja  vorhanden  sind,  welche  auf  einen  Zusammen- 
hang zwischen  den  Kalken  des  Pizmedakammes  und  der 
Kalkscholle  von  Toal  del  Mason  deuten.  Die  Mineralfundorte 
scheinen  übrigens  nicht  mehr  so  ergiebiges  Material  zu  liefern 
wie  ehedem;  Fassait,  Spinell,  Anorthit  dürften  noch  am  meisten 
gefunden  werden;  die  von  G.  v.  Rath  beschriebenen  Pseudo- 
morphosen  scheinen  selten  geworden  zu  sein.1 

Oben  ist  der  feinkörnige,  dunkle,  kersantitähnliche Monzonit 
am  Kontakt  spinellisiert  und  es  tritt  dafür  der  Augit  ganz 
zurück;  man  sieht  bei  Stücken,  die  nicht  weit  voneinander 
gesammelt  sind,  große  Strukturunterschiede,  bald  zeigen  sich 
porphyrartige,  bald  feinkörnige,  bald  ophitische  Ausbildungs- 
weisen; zu  erwähnen  wäre  noch  von  derselben  Stelle  ein 
Gestein,  welches  dem  früheren,  im  ersten  Teil  beschriebenen 
sehr  ähnlich  ist,  allmählich  augitreich  und  biotitarm  wird  und 
sich  dann  zu  einem  Aggregat  von  hell  graugrünem  Augit 
sondert,  eine  Art  Mikropyroxenit.  Es  kommt  auch  ein  gabbroides 
Gestein  vor. 

Der  in  der  Nähe  dieser  Gänge  auftretende  Monzonit  ist 
ein  mittelkörniger  Biotitmonzonit. 

Bald  sind  wir  auf  der  Höhe  angelangt,  von  welcher  der 
Kamm  gegen  das  Toal  del  Mason  abzweigt  (2484  m  nach  der 
Karte),  hier  tritt  ein  gabbroartiges  Gestein  im  Monzonit  auf  und 
dann  ein  rotes  granitisches  Gestein.  Von  hier  erstreckt  sich 
gegen  N  der  Palle  rabbiose,  gegen  SE  der  das  Toal  del 
Mason  vom  Toal  della  Foja  trennende  Kamm. 

Palle  rabbiose.  Es  ist  dies  die  Fortsetzung  des  Pizmeda- 
kammes nach  N  und  trennt  das  Toal  del  Mason  von  Cadin 
brut.  Die  Monzonit-Kalkgrenze  liegt  auch  hier  westlich  unter- 
halb des  Kammes.  Das  Gestein  ist  Monzonit;  bei  zirka  2500  m 
finden  wir  einen  roten  Granitgang,  dann  ein  gabbroartiges 
Gestein,  im  ganzen  sind  es  vier  kleine  rote  Gänge  von  Quarz- 
syenit oder  Granit.  Tief  unten  kommt  Liebeneritporphyr  vor. 

i   G.  v.  Rath,  1.  c,  S.  37. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  185 

Weiter  nördlich  senkt  sich  der  Kamm;  dort,  wo  der  leichteste 
Übergang  zwischen  Cadin  brut  und  Toal  del  Mason  ist,  finden 
wir  am  Westabhange  ein  grobkörniges,  etwas  porphyrartiges, 
rotes,  syenitisches  Gestein. 

Geht  man  zirka  100  m  am  Kamm  aufwärts,  so  findet  man 
kleine,  schmale,  zirka  NNW  bis  SSE  streichende  Gänge  in 
Abständen  von  zirka  30  bis  40  m,  es  sind  vier  solche,  sie  sind 
ziemlich  versteckt  und  reichen  nicht  alle  bis  zum  Kamm. 

Das  eine  davon  ist  ein  melaphyrähnliches,1  ein  anderes  ist 
Monchiquit,  ein  weiteres  ist  hornblendefrei  und  kommt  dem 
Rizzonit  nahe,  es  besteht  hauptsächlich  aus  Olivin,  Augit, 
Magnetit  Jedes  dieser  Gesteine  ist  also  anders;  das  melaphyr- 
ähnliche  ist  das  von  mir  analysierte. 

Das  herrschende  Gestein  am  Palle  rabbiose  ist  Monzonit,2 
doch  sind  am  Kamm  einzelne  gangförmige  Syenitvorkommen 
zu  beobachten,  diese  sind  namentlich  durch  starken  Titanit- 
gehalt  ausgezeichnet  und  enthalten  einen  grünen  fassaitähn- 
lichen  Pyroxen.  Auch  Syenitporphyre  mit  rötlichem,  großen 
Orthoklas  von  sehr  grobkörniger  Textur  sind  hier  namentlich 
an  der  Grenze  gegen  den  Kalk  zu  beobachten.  Ich  vermute, 
daß  eine  Analyse  von  Lemberg  sich  auf  ein  derartiges 
Gestein  bezieht,  es  besteht  nach  ihm  hauptsächlich  aus 
großkrystallinem  Orthoklas;  dem  CaO-Gehalt  nach  muß  aber 
auch  etwas  Plagioklas  vorhanden  gewesen  sein,  also  ein 
Orthoklasit  mit  sehr  wenig  Plagioklas  und  Augit.3 

1  Siehe  auch  J.  Ippen,  Ganggesteine  von  Predazzo.  Sitzungsberichte 
1902,  Märzheft.  Ippen  spricht  von  »Melaphyrgängen«,  aber  seine  Stücke 
stammen  alle  von  einem  einzigen  Gange,  dem  hier  erwähnten. 

2  v.  Huber  erwähnt  Monzonit  von  hier  mit  59%  Si02f  es  handelt  sich 
offenbar  um  einen  der  erwähnten  Syenite. 

J  Die  Analyse  ergab  (Zeitschr.  der  geol.  Ges.  1877,  S.  465): 

H20    0-59 

Si02    63-10 

A1203      15*34 

Fe203     2-24 

MgO 0-35 

CaO    4-09 

Na20 1-06 

K20    13*41 


186  C.  Doelter, 

Palla  verde  und  Cadin  brut.  Das  Pizmedatal  teilt  sich 
in  seinem  oberen  Ende  in  zwei  Teile,  der  eine  Graben  zieht 
gegen  die  Valaccia  —  Cadin  bei  —  der  andere  endigt  gegen  NE 
in  einen  prachtvollen  Zirkus,  welcher  von  dem  Palle  rabbiose 
im  E,  von  Palla  verde  im  N  begrenzt  wird ;  es  ist  der  Zirkus 
von  Cadin  brut.  Sein  Boden  ist  ziemlich  eben,  gegen  E  schließt 
sich  eine  30  m  höhere  Terrasse  an,  während  im  W  und 
namentlich  im  N  die  Wände  schroff  abfallen.  Gegen  SW  ist  der 
Zirkus  offen.  Der  Kontakt  zwischen  Triaskalk  und  Monzonit 
zieht  von  Palle  rabbiose-Kamm  (hier  ziemlich  weit  vom  Kamm 
entfernt)  gegen  N  und  macht  bei  der  Südostwand  des  Zirkus 
eine  schwache  Biegung  gegen  W,  an  der  Westseite  desselben 
kann  man  die  Apophyse  des  Monzonites  beobachten,  welche 
von  der  äußersten  Spitze  aus  gegen  W  sich  erstreckt.1  Die 
Gesteine,  welche  den  Zirkus  einschließen,  gehören  zum  Mon- 
zonit, an  einer  Stelle  der  Nordwand  traf  ich  einen  Gang  von 
basischem,  pyroxenreichen  Gabbro  und  an  zwei  anderen  Stellen 
des  westlichen  Monzonitmassivs  Gänge  von  Gabbrodiorit. 

Von  Interesse  sind  ferner  an  dem  Südgehänge  zwei  rote 
Gänge  von  Syenitporphyr,  respektive  Monzonitporphyr,  welche 
auch  am  Nordabhange  des  Monzoni  in  der  Nähe  der  Kalk- 
grenze auftauchen  und  früher  beschrieben  wurden;  auch 
bezüglich  des  bei  Palla  verde  vorkommenden  Ganges  eines 
camptonitischen  Gesteins  verweise  ich  auf  die  Beschreibung 
des  Nordabhanges. 

Zwischen  Melaphyr-  und  Monzonitmassiv  ist  eine  Kalk- 
wand von  zirka  200  m  zu  beobachten,  das  Gestein  ist  ein 
ungemein  grobkörniger  Marmor,  ein  ähnliches  Gestein  ist  das 
auf  dem  Wege  von  Malga  Gardone  zur  Hochebene  der  Tresca 
am  Fuße  des  Cornons  anstehende. 

Im  W  gelangen  wir  zu  der  Apophyse  des  Monzonites, 
welche  ich  bereits  1875  aufgefunden  hatte;  dieselbe  ist  schwer 
zu  besichtigen,  so  daß  ich  selbst  im  vorigen  Jahre  an  eine  Ver- 
wechslung mit  dem  Melaphyrgang,  welchen  ich  eben  erwähnt 
habe,  glaubte.  In  diesem  Jahre  konnte  ich  aber  die  Apophyse 
von  beiden  Seiten  und  auch  am  Kamm  genau  besichtigen.   Die 


i  Siehe  Tafel  I.  A. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  187 

Apophyse,  welche  eine  Mächtigkeit  von  20  bis  30  m  hat,  ist 
am  Kamme  vollkommen  vom  Hauptmassiv  getrennt  durch  eine 
Kalkscholle  von  zirka  40  fw,  der  Apophysengang  steigt  schräg 
gegen  W  und  verästelt  sich  in  zwei  Gänge,  einen  breiteren 
und  einen  schmalen  im  W;  man  sieht  oben,  daß  die  Apo- 
physe mit  dem  Hauptmassiv  verbunden  ist.  Das  Gestein  ist 
Monzonit,  an  der  Grenze  des  Hauptmassivs  tritt  ein  dunkles 
Übergangsgestein  zwischen  Monzonit  und  Diorit  auf,  das  aber 
nur  einige  Meter  mächtig  ist;  von  hier  gegen  E  steht  bis  zur 
Palla  verde  Monzonit  an. 

Toal  dellaFoja.  Dieser  Teil  des  Monzoni  besteht  aus 
Syenit  und  zumeist  orthoklasreicherem  Monzonit,  nur  im  E 
gegen  Toal  del  Mason  treten  die  am  Monzoni  gewöhnlich  vor- 
kommenden plagioklasreichen  Monzonite  auf.  Am  Kontakt  mit 
dem  Kalk  des  Pizmedatales  trafen  wir  die  bekannten  Kontakt- 
lagerstätten, die  zumeist  eingeklemmten  Kalkschollen  ihrDasein 
verdanken.  Ein  weiterer  derartiger  Fundort  liegt  auf  der  linken 
Talseite.  Wir  lernen  dieses  Toal  kennen,  wenn  wir  es  von 
dem  früher  bezeichneten  Ausgangspunkte  bei  2000  m  nach  E 
verqueren.  Die  Gesteine  sind  hier  zumeist  saurer,  da  sie  Quarz 
enthalten.  In  den  kleineren  Rinnen  des  Westabhanges  finden 
wir  Kontaktmineralien. 

Toal  del  Mason.  Dieses  sehr  breite  Kesseltal  ist  besonders 
durch  die  am  linken  Abhänge  auftretende  große  Kalkscholle 
charakterisiert,  welche  von  zirka  2200  m  im  Toal  bis  2550  m 
Höhe  sich  erstreckt  und  eine  Breite  von  150  bis  200  m  besitzt. 

Das  Toal  del  Mason  ist  in  seinem  untersten  Teile  gegen 
Pellegrintal  sehr  tief  eingeschnitten.  Ein  Weg  führt  aus  diesem 
am  rechten  Gehänge  aufwärts  im  Quarzporphyr.  Hier  treffen 
wir  am  Wege  noch  an  dem  Abhänge  gegen  S  -  Pellegrintal 
ein  gangähnliches  Vorkommen  von  kugelförmig  abge- 
sondertem Quarzporphyr.  Die  Grenze  des  Monzonites 
gegen  den  Quarzporphyr  ist  verschüttet. 

Es  kommen  verschiedene  Monzonitvarietäten  vor;  die  eine 
sehr  verbreitete  ist  die  von  mir  analysierte  (I.  Teil,  S.  892),  aber 
auch  andere,  mehr  orthoklasreiche  treten  auf,  namentlich  am 
Kamm  zwischen  Toal  della  Foja  und  Toal  del  Mason,  ein 
Übergang  zum  Syenit  mit  Spuren  von  Quarz. 


188  C.  Doelter, 

Wenn  man,  von  Cadin  brut  kommend,  das  Toal  in  einer 
Höhe  von  zirka  2400  bis  2460  m  verquert,  so  findet  man  am 
Kontakt  mit  der  Kalkscholle  ein  gabbroartiges,  dunkles  Gestein. 
Dort  ist  auch  eine  Mineralkontaktstätte,  während  man  in  den 
unteren  Teilen  nichts  findet.  Von  Mineralien,  welche  an  dem 
erwähnten  Punkte  zu  finden  sind,  erwähne  ich:  Pyroxen  (der 
sogenannte  Pyrgom),  Spinell,  Glimmer,  Granat. 

Wenn  man  von  der  Hütte  im  Toal  aufwärts  in  nordöst- 
licher Richtung  hinaufsteigt,  so  kommt  man  bald  zu  der  im 
Monzonit  eingeschlossenen  großen  Kalkscholle;  die  Schichten 
derselben  sind  zum  Teil  noch  erhalten,  sie  sind  ziemlich  steil 
aufgerichtet  und  fallen  gegen  SW  oder  WSW. 

Bei  der  Höhe  von  zirka  2350  m  ist  die  größte  Breite  der 
Scholle,  nach  oben  und  unten  wird  sie  geringer,  sie  erstreckt 
sich,  durch  Quarzit  getrennt,  bis  fast  zum  Quarzporphyr;  ein 
schmaler  Kalkstreifen  geht  bis  zum  Kamm  des  Mal  Inverno 
und  kommt  auf  der  Südseite,  wo  die  Fundorte  des  Vesuvian  und 
des  Fassait  sich  finden,  wieder  zum  Vorschein.  Es  wird  der 
Monzonit  durch  diese  Sedimente  in  zwei  Teile  getrennt. 

In  der  Kalkscholle  finden  sich  sowohl  im  Toal  del  Mason 
als  auch  im  nächsten  Toal  Mal  Inverno  einige  Gänge,  ein  roter 
Granit-  oder  Quarzsyenitgang  und  drei  melaphyrähnliche  (im 
letzteren,  aber  auch  im  ersteren  Toal  fand  ich  einen  Gang).  Die 
melaphyrähnlichen  Gänge  sind  olivinreich  und  plagioklasarm, 
eines  davon  erinnert  an  den  Rizzonit,  enthält  aber  Plagioklas. 

Ein  eigentümliches  Ganggestein  erinnert  äußerlich  an  das 
früher  von  der  Eisenmine  beschriebene,  es  ist  durch  größere 
Augite  und  .Plagioklase  porphyrartig,  enthält  biotitreiche 
Schlieren  und  einschlußähnliche  Partien,  aus  einem  Aggregat 
körnigen,  grünen  Augits  bestehend.  Es  scheint  dieses  Kontakt- 
gestein eine  Monzonitapophyse,  kein  eigentlicher  Gang  zu  sein. 

Sehr  merkwürdig  ist  das  Auftreten  an  der  Ostseite  eines 
mittelkörnigen,  quarzreichen  Biotitsyenits,  den  man  fast  schon 
als  Granit  bezeichnen  könnte,  er  findet  sich  zirka  lOOw  unter- 
halb des  Mal  Inverno-Kammes,  seine  Ausdehnung  konnte  aber 
nicht  festgestellt  werden.  Auch  auf  der  Rizzoniseite  treten 
kleine  Gänge  sowohl  basischer  als  auch  syenitischer  roter 
Gesteine  auf.    Schon  im  Toal  dei  Rizzoni  liegt  an  der  Kalk- 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  189 

grenze  ein  bekannter  Mineralfundort,  es  ist  der  sogenannte 
Batrachitfundort  (siehe  meine  Arbeit  1875,  S.  240,  und  G.  v. 
Rath,  I.e.,  S.  30). 

Kommt  man  vom  Toal  della  Foja  in  das  Toal  del  Mason, 
so  findet  man  verschiedene  Monzonitvarietäten,  von  welchen  die 
unten  herrschende  die  von  mir  analysierte  ist,  oben  findet  man 
orthoklasreiche,  syenitische  Gesteine. 

Toal  dei  Rizzoni.  Den  Namen  Rizzoni  führen  mehrere 
Schluchten  am  Südabhang  des  Monzoni,  der  Name  ist  in  der 
Literatur  immer  für  das  längere,  an  seinem  unteren  Ende  tief 
eingeschnittene  Tal  angewendet  worden,  welches  aus  zwei 
Schluchten  besteht,  von  denen  die  eine,  vom  Mal  Inverno  hin- 
ziehend, auch  Toal  Mal  Inverno  heißt,  während  die  andere  von 
der  Ricolettaschlucht  ihren  Ursprung  nimmt  (Toal  Ricoletta). 

An  der  Vereinigung  beider  ist  ungefähr  die  Grenze 
zwischen  Quarzporphyr  und  Konglomerat  und  Monzonit.  Wir 
lernen  sie  kennen,  wenn  wir  aus  dem  Pellegrintal  die  Schlucht 
des  Rizzoni-Toals  aufwärts  steigen,  die  Monzonitgrenze  liegt 
bei  zirka  2060  w,  sie  ist  nicht  direkt  aufgeschlossen. 

Bald,  nachdem  man  in  das  Monzonitgebiet  eingedrungen 
ist,  findet  man  Blöcke  von  Pyroxenit,  einer  derselben  von 
bedeutender  Größe  enthält  Einschlüsse  von  Monzonit.  Wir 
verqueren  eine  wegen  der  Bewachsung  nur  schlecht  aufge- 
schlossene Pyroxenitmasse  und  kommen  wieder  in  Monzonit. 

Nun  kommen  wir  an  Felswände,  welche  zur  Ricoletta 
gehören,  und  passieren  von  E  nach  NW  folgende  Gesteine: 
Gabbro,  Pyroxenit,  einen  diabasartigen  Gabbro,  Pyroxenit.  Süd- 
südöstlich von  der  Ricolettaschlucht,  etwa  100  bis  150w  tiefer, 
findet  man  groben  Pyroxenit,  Dioritgabbro  und  Monzonit. 
Der  Pyroxenit  enthält  Einschlüsse  des  Dioritgabbros,  dieser 
scheint  von  einem  feinkörnigen  Monzonit  durchbrochen. 

Von  dem  Kamme  bis  zur  Spitze  der  Ricoletta  wechselt 
das  Gestein  sehr  häufig:  Monzonit,  dann  ein  Gang  eines  fein- 
körnigen aplitischen  Gesteines,  ferner  Gabbro,  Labradorfels- 
Gabbro,  Monzonit,  ein  Camptonitgang,  wieder  Monzonit  und  ein 
Gabbrodiorit. 

Wenn  man  von  Toal  dei  Rizzoni  gegen  0  das 
Gehänge   verfolgt,   so   haben    wir   zuerst   ein    pegmatitisches 


190  C.  Doelter, 

Gestein  zu  erwähnen,  welches  große  Biotite,  Augite  sowie 
auch  Plagiokiase  enthält.  Geht  man  von  der  Ricolettaschlucht 
im  Toal  abwärts,  so  hat  man  zuerst  Pyroxenit.  dann  fein- 
körnigen Monzonit,  dann  wieder  Pyroxenit,  dann  wieder  Mon- 
zonit  und  wieder  Pyroxenit.  An  der  Grenze  des  Monzonits 
gegen  den  Quarzporphyr  zu,  aber  noch  zirka  100  tn  Luftlinie 
von  ihm  entfernt  findet  sich  eine  kleine  Kalkscholle,  welche 
am  Kontakt  durch  das  Vorkommen  von  krystallisiertem 
Glimmer  charakterisiert  wird. 

Der  Südabhang  zwischen  Ricoletta  und  Rizzoni 
ist  noch  steiler  als  der  Nordabhang,  es  sind  senkrechte  Fels- 
wände von  zirka  300  m  Tiefe,  welche  schon  infolge  der  Mürb- 
heit des  Gesteins  ein  Begehen  unmöglich  machen.  Doch  war  es 
mir  möglich,  einige  Schluchten  zu  untersuchen. 

Die  Begehung  des  Kammes,  welche  bis  zur  Ricoletta- 
spitze  leicht  ist,  gestaltet  sich  weiter  gegen  E  zur  Rizzonispitze 
recht  schwierig  wegen  der  vielen  senkrecht  zum  Kamme  ge- 
richteten Schluchten.  Ich  bemerkte  folgende  Gesteine:  Monzonit, 
Labradorfels, Gabbro,einen  schmalen  Camptonitgang,  Pyroxenit, 
Monzonit,  Gabbrodiorit. 

Hier  mußte  die  Kammbegehung  abgebrochen  werden,  da 
eine  tiefe  Schlucht  einsetzt,  es  wurde  nun  an  dieser  gegen  S 
abgestiegen;  folgende  Gesteine  wurden  getroffen:  Gabbro,  sehr 
grobkörnig,  dann  Olivingabbro,  ein  Camptonitgang  (Rizzonit), 
ein  aplitisches  graues  Gestein,  Gabbro  und  wieder  ein  camp- 
tonitischer  schmaler  Gang  (Rizzonit,  siehe  I.  Teil,  S.  978);  dieser 
Gang  ist  in  der  ganzen  Erstreckung  der  Schlucht  zu  verfolgen, 
dann  folgt  ein  eigentümlicher  erzführender  Gang,  feinkörniger 
grauer  Aplit,  ein  große  Feldspate  führender  Pegmatit,  Diorit- 
gabbro.  Gegen  Westen  tritt  ein  Bostonit  auf. 

Gegend  zwischen  Rizzoni  und  Allochet. 

Diesen  östlichsten  Teil  des  Monzonitmassivs  können  wir 
in  den  zwei  breiten  Schrunden  des  Südabhanges,  sowie  durch 
eine  Kammwanderung  kennen  lernen.  Wenn  man  vom  Allochet- 
paß  nach  W  wandert,  so  trifft  man  zuerst  Monzonit,  dann  Pyro- 
xenit, Gabbro,  wieder  Monzonit  mit  roten  Syenitgängen,  hierauf 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  191 

Gabbro  mit  einem  Gang  von  hellem  augitarmen  Monzonit,  einen 
Peridotitgang  (siehe  I.  Teil,  S.  963),  Gabbro  und  einen  mächtigen 
Gang  von  Pyroxenit.  In  der  Nähe  des  Peridotits  findet  man  einen 
Pegmatit.  Weiter  gegen  W  trifft  man  Gabbro,  Augitdiorit,  Pyro- 
xenit, Gabbro. 

Am  Abhänge  des  Rizzoni  selbst  finden  sich  abwechselnd 
Monzonit,  Pyroxenit,  Gabbro,  man  sieht  in  dem  dunklen  Gestein 
an  der  senkrechten  Felswand  schmale,  graurötliche  Gänge, 
wahrscheinlich  syenitische.  Einige  300  m  unter  der  Spitze  bei 
zirka  2200  m  schiebt  sich  zwischen  den  roten  Quarzporphyr 
und  den  Pyroxenit  umgewandelter  Marmor  ähnlich  dem  Pre- 
dazzitmarmor  von  Canzoccoli,  mehr  westlich  Quarzit  ein. 

In  der  nächsten  Schlucht  gegen  W  ist  Gabbro  mit  Monzonit 
abwechselnd  zu  beobachten,  man  sieht  mehrere  schmale  Gänge 
eines  feinkörnigen  Monzonits. 

Die  große  breite  Schlucht  westlich  von  Allochet  zeigt  uns 
vorherrschend  Pyroxenit,  sowohl  an  dem  rechten  wie  an  dem 
linken  Abhang,  dazwischen  groben  Gabbro  und  Diorit;  dann 
folgt  gegen  E  vorherrschend  Pyroxenit,  welcher  die  Apophysen 
gegen  Col  Lifon  aussendet;  in  diesem  Pyroxenit  findet  man 
Gänge  von  grobkörnigem  hellen  Syenit. 

Der  Südabhang  zwischen  Rizzoni  und  Allochet  besteht  in 
seinem  unteren,  felsigen,  steil  abfallenden  Teile  aus  rotem  und 
grauem  Quarzporphyr  und  Quarzit,  der  unmittelbar  an  den 
Monzonit  stoßt;  weiter  westlich  schiebt  sich  dazwischen  um- 
gewandelter Predazzitmarmor.  Am  Kontakt  ist  das  Eruptiv- 
gestein meistens  Pyroxenit  oder  Gabbro. 

Im  unteren  Teile  von  Allochet  an  dem  Südgehänge  gegen 
W  finden  wir  jenes  graue  porphyritähnliche  Gestein,  welches 
früher,  S.  173,  erwähnt  wurde,  in  ziemlicher  Ausdehnung,  auf 
beiden  Seiten  von  Quarzporphyr  umgeben. 

Das  Allochettal. 

Über  dem  Quarzporphyr  liegt  im  Allochettal  die  Serie  der 
sedimentären  Schichten,  vom  Grödener  Sandstein  bis  zu  den 
Wengener  Schichten.  Die  Grenze  zwischen  dem  Eruptivgesteine 
und  dem  Kalk  verläuft  im  E  nicht  gradlinig,  sondern  zeigt  zahl- 
reiche Einbuchtungen  und  Apophysen,  man  hat  namentlich  drei 


192  C.  Doelter, 

größere  Apophysen  zu  unterscheiden.  Wenn  man  von  unten 
kommend  den  Quarzporphyr  und  einen  Teil  der  unteren  Trias- 
schichten passiert  hat,  so  kommt  man  zur  ersten  Apophyse,  die 
sich  sehr  weit  nach  E  ausdehnt  und  schräg  in  dieser  Richtung 
gegen  Col  Lifon  aufsteigt;  ihr  äußerster  Punkt  ist  zirka  2300  m 
hoch.  Die  Mächtigkeit  dieser  Apophyse  beträgt  35  bis  50  m.  Das 
Gestein  ist  bläulichbrauner,  mittelkörniger  bis  grobkörniger 
Pyroxenit 

Zirka  30  m  über  dieser  Apophyse  finden  wir  eine  zweite 
aber  weit  kleinere  und  weniger  nach  E  ausgedehnte,  welche 
im  Bett  eines  kleinen,  steil  abfallenden  Baches  aufgeschlossen 
ist.  Am  oberen  Kontakt  des  Eruptivgesteines  hat  sich  ein  Kies- 
lager, welches  sogar  abzubauen  versucht  wurde,  gebildet1  Es 
ist  ein  Gemenge  von  Brauneisen  mit  Eisen-  und  Magnetkies. 

In  der  Nähe  fand  ich  auch  einen  kleinen  Gang  von  spinel- 
lisiertem,  kersantitähnlichen  Biotitmonzonit. 

Nun  steigt  man  am  rechten  Gehänge  der  steilen  Schrunde 
weiter  und  hat  fast  stets  Monzonit;  zirka  150  m  höher  sehen 
wir  eine  Apophyse  wieder  gegen  E  verlaufen,  es  ist  Monzonit 
von  wechselnder  Beschaffenheit.  Weber  beschreibt  von  hier 
einen  Hornblendemonzonit,  etwas  unter  dieser  Apophyse. 
Wenn  wir  aufsteigen,  so  kommen  wir  zu  den  bekannten  Fund- 
orten von  Granat  und  Epidot  Es  finden  sich  in  der  Nähe  ver- 
schiedene interessante  schmale  Gänge,  von  diesen  ist  namentlich 
ein  rotes  Gestein  mit  vielen  schwarzen  Butzen  bemerkbar. 

Das  Gestein  ist,  wie  schon  Weber  bemerkt,  ein  granitisches, 
ich  glaube  jedoch  kaum,  daß  sein  Ursprungsort  die  Granitzone 
von  Predazzo  ist;  solche  quarzsyenitische  oder  granitische 
Gänge  sind,  wie  wir  gesehen  haben,  sehr  häufig,  es  sind  die 
sauren  Differentiationsprodukte  des  Monzonits;  es  läßt  sich 
nicht  entscheiden,  ob  die  dunklen  Butzen  Einschlüsse  oder 
basische  Ausscheidungen  sind,  jedenfalls  liegt  etwas  Ähnliches 
vor,  wie  bei  den  früher  erwähnten  Gesteinen  der  Costella.  Der 
Gehalt  an  Spinell  und  Korund,  welchen  Weber  hervorhebt, 
dürfte  ähnlich  wie  am  Pizmedakamme  eine  Kontakterschei- 
nung sein. 

i  Vergl.  Weber,  1.  c.,  S.  47. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  1 93 

Wenn  man  vom  Mineralfundort  aufwärts  schreitet,  so 
gelangt  man  bald  in  die  Kalkschichten,  der  Kontakt  ist  mehr 
rechts  in  einer  schmalen  steilen  Schrunde. 

Das  Nordgehänge  des  Monzoni. 

Wir  wollen,  wie  bei  der  Beschreibung  des  Südabhanges, 
von  W  nach  E  schreiten.  Dicht  unter  den  Kalkwänden  der 
Valaccia  zeigt  sich  die  Fortsetzung  des  Melaphyrmassivs, 
welches  wir  am  Südgehänge  wahrnahmen;  auch  hier  ist  in  den 
obersten  Teilen  das  Gestein  vollkommen  massig,  während  es  in 
seinen  unteren  wieder  breccienartig,  blocklavaähnlich  wird.  Die 
Mächtigkeit  dieses  Melaphyrs,  welcher  in  Hohlräumen  auch 
Zeolithe  zeigt,  beträgt  zirka  120  bis  140  m.  Zwischen  diesem 
Melaphyr  und  dem  östlich  gelegenen  Monzonit  liegt  grob- 
körniger Marmor  in  einer  Breite  von  zirka  200  *w,  und  dann 
folgt  die  erwähnte  Monzonitapophyse,  zwischen  dieser  und 
dem  Hauptstock  liegt  eine  eingeklemmte  Marmorscholle,  etwa 
30  m  breit. 

Die  Monzonite  des  westlichen  Massivs  an  dem  Co  Stella 
genannten  Nordabhange  sind  zumeist  orthoklasarm,  enthalten 
aber  nicht  sehr  viel  Augit ;  als  Typus  diene  der  von  mir  be- 
schriebene und  analysierte.1  Sie  zeigen  das  normale  Bild  eines 
Monzonits,  Spuren  von  Quarz  kommen  vor,  ferner  treten  einige- 
male  gegen  die  Kalkgrenze  kleine  Mengen  eines  Augits  auf, 
welcher  eine  kleine  Auslöschung  hat,  Pleochroismus  zeigt  und 
vielleicht  dem  Ägyrin  nahe  steht,  worüber  allerdings  erst  an 
genügendem  Material  auszuführende  Untersuchung  zu  ent- 
scheiden hat. 

Der  Monzonit  dicht  an  der  Kalkgrenze  hat  graubraune 
Färbung  und  ist  mittelkörnig,  er  zeigt  schon  dem  unbewaffneten 
Auge  viele  schwarzbraune  Biotittafeln.  U.  d.  M.  sieht  man,  daß 
das  Gestein  sehr  biotitreich  ist.  Der  Augit  ist  hier  viel  dunkler 
als  in  den  benachbarten  Gesteinen. 

Orthoklas  ist  verhältnismäßig  nicht  viel  vorhanden,  kleine 
Mengen  von  Quarz  kommen  vor.  Es  kommt  hier  jener  als 
ägyrinähnlich  bezeichnete  Augit  vor. 


*  Tscherm.  Min.  Mitt.,  1902,  Heft  I. 
Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  1 3 


194  C.  Doelter, 

Daß  die  Monzonile  an  der  Kalkgrenze  einen  größeren 
Kalkgehalt  zeigen,  ist  durch  den  Einfluß  der  Kalksteine  leicht 
erklärlich. 

An  der  Costella  treten  an  zirka  drei  Stellen  mehrere  8  bis 
10  m  mächtige  dunklere  Gänge  auf,  welche  indessen  qualitativ 
in  Bezug  auf  ihren  Mineralgehalt  sich  nicht  vom  Monzonit 
unterscheiden,  jedoch  reicher  an  Augit  und  an  Biotit,  ärmer  an 
Orthoklas  sind;  es  sind  daher  jedenfalls  basischere  Gesteine,  die 
sich  dem  Diorit  nähern. 

Bemerkenswert  sind  zwei  mächtige  Gänge  eines  rötlichen 
Syenitporphyrs  (siehe  I.  Teil,  S.  975),  welcher  an  der  Nordseite 
viel  mächtiger  als  an  der  Südseite  zu  sein  scheint,  allerdings  ist 
dies  teilweise  dem  besseren  Aufschluß  an  der  Nordseite,  welche 
vollkommen  felsig  ist,  zuzuschreiben.  Es  wurde  bereits  bemerkt, 
daß  dieses  Gestein  zahlreiche  Bruchstücke  eines  dunklen 
dichten  Gesteines  enthält  (siehe  S.  40),  welches  ein  biotitreicher, 
aplitisch  ausgebildeter,  kersantitähnlicher  Monzonit  ist,  aber  vom 
chemischen  Standpunkte  aus  kein  Monzonit  mehr  ist. 

An  der  Schrunde  zur  Palla  verde  kommt  im  hellen  Mon- 
zonit gangbildend,  zirka  50  bis  80  m  unter  dem  Kamme,  ein 
dunkles  Gestein  vor,  welches  einen  Übergang  des  Monzonits 
zum  Dioritgabbro  bildet,  aber  sich  schon  dem  letzteren  nähert. 
Orthoklas  ist  vorhanden.  Augit  und  Biotit  bilden  eine  Meso- 
stasis,  in  der  Plagioklase  liegen.  Die  Mineralien  Augit,  Biotit, 
Magnetit  herrschen  gegen  Plagioklas  vor. 

Am  Westgehänge  der  Schrunde,  nicht  sehr  weit  von  dem 
Kamme,  tritt  ein  mittelkörniger  roter  Quarz-Syenitgang  auf  mit 
einzelnen  größeren  Feldspaten;  der  Quarz  findet  sich  in 
kleineren,  recht  häufigen  Körnern.  Biotit  und  Augit  sind  selten. 
Auch  links  von  der  Palla  verde  finden  sich  ähnliche  Gänge. 

An  der  Palla  verde  tritt  ein  camptonitisches  Gestein  auf, 
es  ist  ein  von  Stunde  2  nach  9  streichender,  sehr  schmaler 
Gang. 

Nun  kommen  wir  zum  Nordabhang  des  Mal  Inverno. 
Ich  lernte  diesen  durch  mehrere  Verquerungen  teilweise  an  der 
Basis  der  Felswände,  teilweise  durch  die  Begehung  des  Kammes 
(nur  ein  kleines  Stück  westlich  des  Gipfels  ist  nicht  passierbar) 
und  durch  eine  Verquerung  der  Nordwand  auf  einer  Höhe 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  1 95 

gegen  2500  m   kennen.   Ferner  wurden   mehrere  Schrunden 
besichtigt. 

Der  westliche  Teil  des  Mal  Inverno  bis  zum  östlichen 
Gipfel  (es  gibt  zwei  Gipfel,  die  sich  nur  wenig  in  der  Höhe 
unterscheiden)  besteht  fast  ganz  aus  Monzonit,  während  in  dem 
östlichen  Teile  ein  kontinuierlicher  Wechsel  sowohl  in  verti- 
kaler wie  in  horizontaler  Reihenfolge  besteht.  Es  kommen 
Olivingabbro,  Dioritgabbro,  Augitdiorit,  Anorthosit,  Pyroxenit 
und  Monzonit  vor. 

Pyroxenit  und  Augitdiorit  habe  ich  bereits  früher  be- 
schrieben und  analysiert.1 

Ein  typischer  Olivingabbro  gleicht  jenem  des  Traversellit- 
tales,  der  reichliche  Augit  ist  bräunlichgelb  bis  violett,  Olivin 
ist  ziemlich  viel  vorhanden,  auch  Biotit  fehlt  nicht  ganz,  der 
Plagioklas  gehört  der  Bytownitreihe  an.  Das  Gestein  wurde  in 
der  westlichen  Parallelschlucht  zur  Ricolettaschlucht  bei  zirka 
2450  m  Höhe  geschlagen. 

Die  unteren  Abhänge  des  Mal  Inverno  sind  von  unge- 
heuren Schutthalden  und  Felsenmeeren,  die  sich  bis  zum  Piano 
hinziehen,  bedeckt,  aus  ihnen  ragen  bei  einer  Höhe  von  zirka 
2300  m  zwei  kleine  Kalkfelsen  hervor,  die  wahrscheinlich  die 
Grenze  des  Eruptivgesteines  bezeichnen,  möglicherweise  aber 
nur  eingeschlossen  sind.  Wenn  man  von  der  Monzonialpe  in 
südwestlicher  Richtung  hinaufsteigt,  so  hat  man  zuerst 
Werfener  Schichten,  welche  fast  senkrecht  stehen,  es  dürfte 
hier  eine  größere  EW- Verwerfungslinie  vorhanden  sein. 

Die  Schutthalden,  die  zumeist  Monzonit,  oft  mit  größeren 
Einschlüssen  eines  dichten,  schwarzen  Gesteines  (siehe  I.  Teil 
S.968)  aufweisen,  und  die  erwähnten  Kalkfelsen  durchquerend, 
kommen  wir  bei  zirka  2300  m  an  die  Felswände,  welche  wir  in 
der  Richtung  nach  W  passieren.  Wir  bemerken  einen  Gang 
von  Pyroxenit,  zirka  80  m  westlich  der  Mal  Inverno-Spitze, 
westlich  nur  Monzonit  mit  2  bis  3  Gängen  von  rotem  Syenit, 
die  Schrunde  zur  Palla  verde  zeigt  uns  Monzonit. 

Geht  man  vom  Fassaitfundort  nach  W,  so  passiert 
man  anfangs  nur  riesige  Schutthalden,  in  denen  man  unter 
anderen  Bruchstücke  von  grünem  Idokras,  Fassait  etc.  findet. 

i  Tscherm.  Min.  Mitt,  Bd.  XXI. 

13* 


198  C.  Doelter, 

findet  sich  der  Fundort  der  bekannten  Fassaite  und  grünen 
Idokrase.  Unter  diesem  Fundort  sieht  man  Monzonite,  welche 
bankförmige  Absonderung  zeigen,  was  man  vom  Piano  sehr 
gut  beobachten  kann;  sie  fallen  unter  30°  nach  E. 

Wir  können  aber  zu  dieser  Stelle  nicht  gelangen  und 
wenden  uns  gegen  W  zur  Traversierung  der  Nordwand  des 
Mal  Inverno;  dieselbe  besteht  hauptsächlich  aus  Monzonit, 
doch  kommen  Gänge  eines  gabbrodioritähnlichen  Gesteines 
ebenfalls  vor.  Sehr  häufig  sind  Gänge  von  rotem  Granit  oder 
Syenit,  welche  zumeist  sehr  schmal  sind,  oft  von  50  bis  80  cm 
Mächtigkeit,  sie  sind  nicht  senkrecht,  sondern  schräg  auf- 
steigend, aber  ganz  unregelmäßig,  oft  wieder  horizontal 
gelagert,  manche  senden  kleine  Apophysen  in  das  Neben- 
gestein. Den  Kamm  erreichen  wir  westlich  des  höchsten 
Gipfels  wieder  und  verfolgen  ihn  bis  Palla  verde;  hier  herrscht 
überall  Monzonit,  westlich  des  Gipfels  treten  zwei  kleine  rote 
Gänge  auf. 

Der  Abhang  zwischen  Ricolettaschlucht  und  Piano. 

Zwischen  dem  Piano  und  dem  Steilabhang  der  Ricoletta 
erhebt  sich  ein  Vorland,  welches  durch  eine  Anzahl  tiefer 
Gräben  durchschnitten  wird. 

Das  Fassaittal  und  seine  Gesteine  wurden  bereits  erwähnt. 
Westlich  von  diesem  haben  wir  eine, kleine  Schlucht,  welche 
namentlich  im  oberen  Teil  durch  Serpentingänge  im  Monzonit 
interessant  ist,  diese  finden  sich  am  Übergange  gegen  das 
'  Chabasittal;  wenn  man  von  dort  gegen  das  Fassaittal  schreitet, 
So  hat  man  wieder  einen  Serpentingang  im  Augitdiorit,  dann 
feinkörnigen  Monzonit;  im  Fassaittal  selbst  trifft  man  eine 
Marmorscholle  mit  Serpentin  und  dann  wieder  Monzonit, 
Gabbrq,  Pyroxenit,  Monzonit,  Orthoklasgabbro,  Marmor  und 
Serpentin,  dann  kommt  man  zu  dem  Fundorte  des  Fassaites, 
einer  kleinen  Kalkscholle. 

Wenn  man  dagegen  von  der  Monzonialpe  zum  Chabasit- 
(Melanit-)  Tal *  geht,  so  trifft  man  zuerst  groben  Augitdiorit, 


i  Der  Chabasit    kommt    im  Gabbro    an    vielen  Stellen  in  Klüften    vor, 
Melanit  findet  sich  in  Gerollen. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  1 99 

zersetzt,  dann  ein  feinkörniges,  zwischen  Gabbro  und  Pyroxenit 
stehendes,  dunkelgraues  Gestein,  dann  Augitdiorit,  welcher  bald 
einem  dunklen  Gabbro  weicht,  der  das  Hauptgestein  in  diesem 
Tale  und  auch  ostwärts  ist.  Am  Talschlusse  erscheint  ein 
großes  mächtiges  Pyroxenitmassiv,  das  sich  gegen  S  und 
gegen  E  verfolgen  läßt. 

An  der  Grenze  der  Täler  haben  wir  ein  Serpentinvor- 
kommen, welches  im  ersten  Teile  dieser  Arbeit  beschrieben 
wurde,  im  Pyroxenit  steckt  eine  Scholle  von  weißem  Anorthosit. 
Der  Serpentin  setzt  in  einem  Gabbro  auf  mit  diallagartigen 
größeren  Augiten,  daneben  findet  sich  aber  auch  zersetzter 
Monzonit,  der  sehr  grobkörnig  ist.  Die  Gegend  zwischen 
Melanittal  und  Fassaitfundort  zeigt  einen  überaus  reichen 
Gesteinswechsel.  Am  Abhang  im  Fassaittal  gegen  das  kleine 
genannte  Tälchen  ist  zu  erwähnen  in  der  Nähe  der  Marmor- 
scholle ein  braunumrindetes  Gestein,  welches  zwischen  Ortho- 
klasgabbro  und  Syenit  steht.  Der  Augit  kommt  wie  in  den 
Gabbros  vor  in  größeren  Tafeln  und  in  Körnern,  er  ist  gelb  mit 
leisem  Stich  ins  Violette,  Plagioklas  und  Biotit  sind  selten,  der 
Orthoklas  bildet  für  alle  Bestandteile  eine  Grundmasse;  sehr 
reich  ist  das  Gestein  an  Kiesen  (Magnetkies),  auch  an  Magnetit. 
Bemerkenswert  ist  das  Vorkommen  an  einer  Stelle  von  zoisit- 
ähnlichen  Durchschnitten  und  von  Granat,  beide  Kontakt- 
produkte, wie  sie  auch  bei  Le  Seile  am  Kontakt  mit  dem  Kalk- 
stein auftreten.1 

Der  Nordabhang  der  Ricoletta. 

Große  Verschiedenheiten  in  petrographischer  Hinsicht  und 
sehr  interessante  Verhältnisse  bietet  der  Abhang  zwischen  der 
Ricolettaschlucht  und  dem  Traversellittal,  welches  wir  zuerst 
betrachten  wollen.  Am  Piano  treffen  zahlreiche  Schluchten 
zusammen,  welche  keine  Namen  haben,  die  aber  zum  Teil  von 
den  Mineraliensuchern  nach  den  Mineralien  die  sich  dort  finden, 
benannt  wurden.  Das  östlichste  (abgesehen  von  der  später  zu 
betrachtenden  Gegend  von  Le  Seile)  ist  das  Traversellittal  nach 
dem   dort  vorkommenden,   fälschlich  Traversellit    genannten 


Vergl.  Weber  Inaugural-Dissertation. 


200  C.  Doelter, 

Pyroxen,  das  westlichste  ist  das  Fassaittal,  und  zunächst,  durch 
einen  kleinen  Zwischengraben  getrennt,  das  Chabasit-  oder 
Melanittal,  etwas  mehr  östlich  das  Monzonital  und  zwei  kleinere 
Gräben. 

Zwischen  Traversellittal  und  Chabasittal  hat  man  vor- 
herrschend Gabbro,  oben  Pyroxenit,  auch  stellenweise  dunklen 
Labradorfels.  Wenn  wir  das  kleine,  westlich  vom  Traversellittal 
gelegene  Tal  aufwärts  steigen,  so  haben  wir  Olivingabbro,  der 
dann  allmählich  in  olivinfreien  übergeht.  Gänge  von  fein- 
körnigem, rotem  Syenit  treten  in  ihm  auf,  im  oberen  Teile  tritt 
Pyroxenit  auf.  Der  Olivingabbro  scheint  in  dem  olivinfreien 
gangartig  aufzutreten.  Im  obersten  Teile  der  Schlucht  treten 
Pyroxenit  und  Labradorfels  auf.  Auch  mittelkörniger  Syenit 
und  Monzonit  kommt  zwischen  dem  Gabbro  vor.  Die  einzelnen 
Gesteine  scheinen  bankförmig  vorzukommen  und  alternieren. 
Das  Einfallen  jener  Bänke  ist  zirka  30°  gegen  W. 

Eines  der  interessantesten  Täler  ist  das  Traversellittal. 
Schon  am  Eingange  sehen  wir  Blöcke  mit  Gängen  eines  fein- 
körnigen Gesteins  eines  Monzonits,  dann  gelangen  wir  zu  dem 
von  mir  analysierten  Labradorfeis,  welcher  gleich  an  der  Fels- 
wand rechts  ansteht,  in  diesem  und  dem  Gabbro  nebenan 
sehen  wir  kleine  schmale  Gangadern  von  grünem  Augitfels,1 
weiter  aufwärts  ist  Gabbro  mit  kleinen  Partien  von  Labrador- 
fels zu  sehen.  Weiter  oben  macht  das  dunkle  Gestein  einem 
helleren  Platz,  ein  Gabbro  mit  ophitischer  Textur,  welcher 
manchmal  in  Anorthosit  übergeht.  Die  linke  Seite  des  Abhanges 
besteht  in  ihrem  unteren  Teil  auch  aus  Gabbro,  in  welchem 
man  einen  Serpentingang  bemerkt;  an  der  Biegung  des  Tales 
gegen  E  tritt  Gabbro,  dann  ein  Gang  dioritischen  Gesteines, 
welcher  aber  von  Pyroxenit  überlagert  wird,  auf.  Man  sieht, 
daß  es  mehr  Schollen  als  wirkliche  Gänge  sind,  jedenfalls 
Differentiationsprodukte.  Es  folgt  dann  Pyroxenit,  an  dessen 
Grenze  tritt  ein  Peridotitgang  auf. 

Dann  haben  wir,  die  Schlucht  aufsteigend,  Olivingabbro 
(siehe  Beschreibung  und  Analyse  in  Tscherm.  Min.  Mitt., 
Bd.   XXI,  2.  Heft,    1902)   mit   Pyroxenit   An   der   erwähnten 


1  Ein  fassaitartiger  grüner  Augit. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  201 

Biegung  des  Tales  nach  E,  gabelt  sich  dieses  in  drei,  ver- 
folgt man  das  mittlere  bis  zu  seinem  Ursprünge,  so  findet  man 
der  Reihe  nach:  Gabbro,  Anorthosit,  Pyroxenit  (mit  größeren 
Plagioklasen),  Gabbro,  dazwischen  auch  Monzonit. 

Der  Abhang  zwischen  dieser  Schlucht  und  der  Ricoletta- 
schlucht,  der  nördliche  Steilabhang  des  Ricolettaberges,  zeigt 
einen  starken  Gesteinswechsel,  sowohl  wenn  man  den  Abhang 
von  ostwestlicher  Richtung  verquert  als  auch  beim  Aufstiege 
selbst  Monzonit,  Gabbro,  Diorit  wechseln  fortwährend.  In 
einer  kleinen  Schrunde,  welche  von  S  nach  N  zieht  und  bei  der 
Gabelung  des  Tales  einmündet,  findet  man  einen  bankförmigen 
Wechsel  zwischen  Gabbro  und  Monzonit.  Bei  der  Verquerung 
des  Abhanges  zwischen  2300  bis  2400  m  sieht  man  Augit- 
diorit  und  Monzonit,  Gabbro  alternierend.  Der  Gabbro  hat  oft 
Diabasstruktur,  weiter  gegen  E  dominiert  Gabbro  und 
plagioklasreicherer  Pyroxenit.  Zu  erwähnen  sind  die  nicht 
seltenen  camptonitischen  Gänge,  von  weichen  man  schon  im 
Traversellittal  Blöcke  findet,  an  zwei  Stellen  des  Abhanges  in 
NNE-Richtung  von  der  Ricolettaspitze  fand  ich  schmale  Gänge. 

Ein  Gestein,  welches  aber  leider  nicht  anstehend  gefunden 
wurde,  ist  von  großer  Wichtigkeit:  ein  Labradorporphyrit.  Der 
Fund  in  einer  kleinen  Seitenschrunde  gegen  S  des  Traversellit- 
tales  deutet  darauf  hin,  daß  hier  Porphyrit  vorkommt.  Ein  mela- 
phyrähnliches  Gestein,  aus  Olivin,  Augit,  Plagioklas  bestehend, 
bildet  einen  Gang  am  Abhänge  der  Ricoletta  gegen  das  Traver- 
sellittal. 

Wenn  man  von  der  früher  erwähnten  Teilung  des  Tales 
gegen  SE  zur  Rizzonispitze  steigt,  so  hat  man  folgende  Ge- 
steine: Gabbro,  Anorthosit,  Pyroxenit  mit  vielen  Plagioklas- 
krystallen,  Gabbro. 

In  der  Traversellitschlucht  sieht  man,  soweit  sie  begehbar, 
Augitdiorit,  Gabbro,  Pyroxenit;  es  treten  im  Pyroxenit  und 
Gabbro  zahlreiche  rote,  schmale  Syenitgänge  auf,  die  ich  in 
meiner  ersten  Arbeit  1875  abgebildet  habe. 

Die  Besteigung  der  Ricoletta  von  S  zeigt  zuerst  Gabbro, 
Pyroxenit,  Labradorfels,  dann  findet  man  Monzonit  und  Diorit- 
gabbro  alternierend,  dazwischen  Olivingabbro  und  Labrador- 
fels. Der  ganze  Nordabhang  zwischen  Traversellittal  und  der 


202  C.  Doelter, 

Fortsetzung  des  Monzonitales,  welcher  ja  kaum  mehr  als  1000  m 
Breite  mißt,  zeigt  einen  kaum  glaublichen  Wechsel  der  Gesteine, 
sowohl  in  vertikaler  Richtung  als  in  horizontaler,  wie  ich  bei 
mehreren  Begehungen  konstatierte.  Vorherrschend  ist  Gabbro, 
Augitdiorit,  Gabbrodiorit,  auch  diabasartige  Varietäten. 

Wenn  man  von  dem  Kamme  bei  Allochet,  dort  wo  die 
Traversellitschrunde  entsteht,  gegen  WSW  herabgeht,  so  sieht 
man  noch  auf  der  Höhe  einen  eigentümlichen  Turm,  aus 
dunklem  Gabbro  und  Pyroxenit  gebildet,  mit  hellem,  anscheinend 
syenitischen  Gang;  wir  verfolgen  den  steilen  Abhang  links  von 
diesem,  es  wechselt  Pyroxenit  mit  Augitdiorit  und  Olivingabbro. 
Weitere  200  m  tiefer  tritt  ein  eigentümlicher  Plagioklaspyro- 
xenit  auf,  ein  Mittelding  zwischen  Pyroxenit  und  Gabbro;  im 
dunkelgrünen  Augit  liegen  Plagioklase,  die  u.  d.  M.  oft  parallele 
Anordnung  zeigen;  dann  kommt  wieder  Gabbro  mit  einzelnen 
Partien  von  Plagioklasit  und  Gabbro  mit  Diabasstruktur. 

Es  ist  kaum  möglich,  diesen  Wechsel  auf  einer  Karte  ein- 
zuzeichnen, dazwischen  -kommt  auch  untergeordnet  Mon- 
zonit  vor. 

Wenn  man  von  dem  westlich  vom  Traversellittale  gele- 
genen Tale  in  südlicher  Richtung  aufsteigt,  so  sieht  man 
zwischen  2300  bis  2500  m  meistens  Gabbro,  Diorit  und  auch 
Monzonit.  Hier  begegnen  wir  auch  dem  früher  (I.  Teil,  S.  959) 
beschriebenen  Ganggestein  mit  aplitischer  Textur  und  brauner 
Rinde,  welches  sehr  kiesreich  ist;  feinkörniger  Monzonit  durch- 
bricht den  Gabbro  in  kleinen,  50  cm  mächtigen  Gängen,  dann 
treffen  wir  einen  Monchiquitgang  (bei  zirka  2500  bis  2550  m 
Höhe),  später  Gabbro  und  Diorit  mit  einem  sehr  feinkörnigen, 
monzonitähnlichen  Gang;  dann  gelangen  wir  zum  Kamme. 

Der  Kamm  zwischen  Ricolettaschlucht  und  Rizzoni. 

Um  das  Bild  zu  vervollständigen,  will  ich  die  Gesteine 
aufzählen,  welche  man  bei  der  Kammwanderung  von  der  Rico- 
lettaschlucht gegen  E  findet.  Wir  haben  hier  einen  sehr  grob- 
körnigen Augitdiorit,  dann  großblättrigen  Gabbro,  Olivingabbro 
mit  Ophitstruktur,  also  eine  Art  Olivingabbrodiabas,  dann  ein 
monzonitähnliches  Gestein,  einen  sehr  feinkörnigen  Monzonit, 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine. 


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204  C.  Doelter, 

feinkörnigen  Gabbro,  Labradorfelseinlagerungen,  wieder  Mon- 
zonit  und  etwas  vor  der  Spitze  einen  schmalen  Gang  von 
Hornblendecamptonit.  An  der  Spitze  findet  man  Monzonit, 
dann  dunkles,  gabbroähniiches  Gestein.  Weiter  östlich  gegen 
die  Rizzonispitze  zu  finden  wir  Monzonit,  Gabbro,  Labradorfels 
mit  Pyroxenit,  Monzonit,  ein  anorthositähnliches  helles  Gestein. 
Es  folgt  eine  zweite,  fast  ebenso  hohe  Spitze  wie  die  Ricoletta, 
östlich  davon  treffen  wir  wieder  Labradorfels  und  Gabbro,  einen 
weiteren  Camptonitgang,  dann  Gabbrodiorit,  Pyroxenit,  Mon- 
zonit und  Gabbro.  Es  stellt  sich  eine  tiefe  Schlucht  ein;  am 
Südabhange  folgen  Monzonit  und  Olivingabbro  und  ein  weiterer 
Gang  eines  camptonitischen  Gesteines,  ein  Rizzonit.  Eine 
weitere  Verfolgung  war  unmöglich.  An  der  Nordseite  hat  man 
von  der  Rizzonispitze  aus  Olivingabbro,  Augitdiorit  ab- 
wechselnd. 

Man  sieht  also  auch  hier  einen  fortwährenden  Gesteins- 
wechsel. 

Der  nordöstliche  Teil  des  Monzoni 

ist  das  Gebiet  von  Le  Selie-Allochet.  Es  besteht  teils  aus  durch 
Melaphyre  durchbrochenen  Triasschichten,  teils  aus  Eruptiv- 
gestein. Wir  unterscheiden  den  eigentlichen  oberen  Le  Seile- 
Kessel  und  den  unteren  von  Le  Seile-See.  Die  Abhänge  von 
hier  in  das  Monzonital  zeigen  eine  Anzahl  von  Terrassen. 

Wir  wollen  zuerst  den  aus  Eruptivgesteinen  bestehenden, 
zwischen  Traversellittal,  Le  Seile-See  und  Allochetpaß  liegenden 
Teil  betrachten. 

Das  Gebiet  zwischen  Traversellittal  und  Le  Seile-Bach  lernt 
man  gut  kennen,  wenn  man  die  früher  erwähnte  Schlucht, 
welche  vom  Fuggeritfundort  gegen  ESE  verläuft,  hinaufsteigt. 
Beim  Verlassen  des  Weges,  welcher  dort  eine  Biegung  macht, 
trifft  man  Pyroxenit  und  Gabbro;  der  Pyroxenit,  welcher  oft  als 
Mikropyroxenit  ausgebildet  ist,  durchzieht  in  Bändern  den 
Gabbro.  Das  Pyroxenitgestein  besteht  oft  aus  gelbem  diallag- 
ähnlichen  Augit  mit  parallel  angeordneten  Einschlüssen  und 
Absonderungsrichtung,  welches  sonst  in  Pyroxeniten  selten 
vorzukommen  scheint.  Biotit  ist  fast  gar  nicht  vorhanden  und 
Magnetit  fehlt  ganz!  Dagegen  ist  der Plagioklas  recht  häufig, 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  205 

stets  in  kleinen  Individuen.  An  der  Grenze  gegen  den  Gabbro 
wird  das  Gestein  sehr  feinkörnig  und  geht  in  Mikropyro- 
xenit  über. 

Wenn  wir  die  Schlucht  aufwärts  steigen,  haben  wir  ab- 
wechselnd Gabbro  (mit  im  Schliff  violett  erscheinendem  Pyroxen, 
oft  olivinhaltig)  und  Monzonit  oder  Diorit.  In  diesen  Gesteinen 
treten  drei  Gänge  von  rotem  Syenit  auf,  die  stets  mit  einem 
grauen  Gange  von  Monzonitporphyr  verbunden  sind;  da  das 
rote  Gestein  in  den  Monzonitporphyr  eindringt,  so  ist  es  das 
jüngere.  Die  Richtung  dieser  Gänge  ist  ungefähr  parallel  der 
Monzoniachse,  ihre  Mächtigkeit  ist  sehr  gering,  zirka  ll2  m.  Am 
Ende  der  Schlucht  findet  man  wieder  Gabbro,  welcher  am 
Plateau  das  herrschende  Gestein  ist;  dagegen  ist  an  der  Kalk- 
grenze Monzonit  zu  finden.  Gegen  S  tritt  wieder  Gabbro  auf, 
welcher  sich  auch  am  Le  Seile-See  findet. 

Wenn  man  vom  oberen  Traversellittale  den  nördlicheren 
Steilabhang  aufsteigt,  so  gelangt  man  auf  ein  kleines  Plateau. 
Das  herrschende  Gestein  ist  Gabbro  und  man  hat  auch  ein 
ähnliches  Gestein  vor  sich,  wenn  man  zum  zweiten  Plateau 
aufsteigt;  das  Gestein  ist  hier  dunkler,  enthält  oft  viel  Olivin  und 
größere  spiegelnde  Biotite.  Dieses  Gestein  ist  das  herrschende 
Gestein  bis  zum  Allochetkamme.  An  dem  Abhang  zum  Allochet 
findet  man  häufige  kleine  rote  Gänge  von  Quarzsyenit  und 
Syenit,  welche  nur  0*50  bis  Im  mächtig  sind.  Oft  tritt  der 
Augit  ganz  zurück  und  man  hat  einen  Feldspatit  mit  etwas 
Quarz. 

Von  dem  Eingange  der  Schlucht  nördlich  gegen  die  Kalk- 
grenze haben  wir  zumeist  Monzonit,  aber  auch  an  einzelnen 
Punkten  Pyroxenit,  so  an  der  Grenze,  welche  an  dem  kleinen 
Wasserfalle,  der  von  Le  Seile-See  herunterfällt,  gegen  den  Kalk. 
Hier  bildet  der  Pyroxenit  eine  Apophyse  in  den  Kalk;  er  wird 
durchbrochen  von  zwei  schmalen,  roten  Syenitgängen.  Der 
Pyroxenit  wird  in  dieser  Apophyse  feinkörnig;  später  verläuft 
die  Grenze  mehr  geradlinig,  wird  aber  durch  Schutt  verdeckt. 

Der  unterste  Teil  vom  Piano  gegen  E  besteht  zum  größten 
Teile  aus  Monzonit,  welcher  sich  auch  an  der  Grenze  gegen  den 
Kalk  im  N  findet.  Die  Grenze  verläuft  nicht  geradlinig,  sondern 
es  treten  viele  Apophysen  auf,  deren  auch  Weber  gedenkt. 


206  C.  Doelter, 

Die  Nordgrenze  ist  zuerst  der  Bach,  der  aus  dem  Le  Seile- 
See  gegen  das  Monzonital  fließt,  dann  überschreitet  sie  den 
Bach. 

Fast  ganz  unten  an  dem  ersten  kleinen  Plateau  findet  sich 
am  Abhänge  ein  camptonitähnliches  Gestein,  welches  größere 
Olivine  zeigt,  doch  ist  es  kein  normaler  Camptonit,  da  es  Horn- 
blende nur  in  einzelnen  Schlieren  zeigt. 

Bei  der  zweiten  Kreuzung  vom  Weg  und  Bach  finden  wir 
ein  lichtes  titanitreiches  Gestein,  welches  früher  beschrieben 
wurde;  unmittelbar  daneben  ist  eine  unbedeutende  Mineral- 
kontaktlagerstätte mit  Granat,  Idokras,  Fuggerit. 

Von  da  geht  die  Monzonitgrenze  nördlicher  und  über- 
schreitet auch  etwas  den  Bach.  Eine  größere  Apophyse  dringt 
von  jener  Kontaktstelle  in  den  Kalk  ein. 

Hier  fand  ich  einen  pegmatitisch  ausgebildeten,  weißen 
Syenit,  der  fast  ganz  frei  ist  von  färbigen  Bestandteilen  und 
welcher  ein  pyroxenitisches  Gestein,  welches  aber  durch 
Plagioklasaufnahme  in  Gabbro  übergeht,  durchbricht.  Die  Augite 
des  letzteren  sind  tiefgrün  und  entsprechen  jenen,  welche 
Weber  auf  Grund  einer  Analyse  als  Fassait  bezeichnet. 

Die  weitere  Grenze  verläuft  mehr  geradlinig,  ist  aber  durch 
Schutt  oft  versteckt.  So  gelangen  wir  zu  dem  bekannten  Granat 
und  Gehlenitfundort  am  Le  Seile-See. 

Weber  hat  eine  Anzahl  von  Kontaktgesteinen  genauer 
beschrieben,  ohne  jedoch  dieselben  zu  klassifizieren;  bedauer- 
licherweise fehlt  eine  Karte,  so  daß  bei  dem  Fehlen  von  Orts- 
namen am  Monzoni  die  Identifizierung  naturgemäß  schwer  wird, 
wie  übrigens  bei  allen  Monzoniarbeiten. 

Am  Ostende  des  Le  Seile-See  wendet  sich  die  Eruptiv- 
gesteinsgrenze gegen  S,  aber  es  scheint,  daß  auch  in  der 
früheren  Richtung  sich  im  Kalk  steckende  Apophysen  aus- 
dehnen. 

Wir  gelangen  nun  an  einen  hohen  abschüssigen  Kalk- 
felsen, einen  Predazzitmarmor,  welcher  ein  ähnliches  Gestein 
zeigt  wie  der  Canzoccoli  bei  Predazzo  und  an  welchem  sich 
auch  mehrere  Kontaktmineralien  finden,  so  z.  B.  Granat, 
Vesuvian,  Fassait.  In  demselben  findet  man  auch  gangartige 
Serpentine. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  207 

Nun  wollen  wir  noch  das  Grenzgebiet  des  Eruptivmassivs 
zwischen  Le  Seile-See  und  Allochetpaß  besichtigen. 

Am  Le  Seile-See  haben  wir  Olivingabbro,  oft  auch  mit 
Ophitstruktur.  Wir  steigen  in  südlicher  Richtung  in  der  Nähe 
der  Grenze  des  Predazzitbruches  aufwärts.  Das  Gestein  ist 
Monzonit,  doch  kommen  stellenweise  auch  andere  Gesteine, 
gabbro-  und  dioritähnliche,  vor;  an  der  Grenze  selbst  scheint 
aber  meistMonzonit.  Südlich  des  großen  Kalkfelsens,  in  welchem 
der  Predazzitbruch  sich  findet,  sendet  der  Monzonit  noch  eine 
kleine  Apophyse  gegen  E.  Der  Kalk  erscheint  hornfelsartig, 
dann  verläuft  die  Grenze  mehr  geradlinig,  soweit  sich  dies  unter 
der  häufigen  Schuttbedeckung  ersehen  läßt.  Unter  dem  Allochet- 
paß erscheint  eine  größere  Apophyse. 

Hier  will  ich  noch  ein  Gestein  beschreiben,  welches  un- 
mittelbar über  Le  Seile-See  in  der  Richtung  gegen  Allochet 
unter  dem  großen  Kalkfelsen  am  Kontakt  sich  findet;  es  ist  von 
schwarzgrauer  Farbe  und  gleicht  einem  feinkörnigen  Pyroxenit. 
U.  d.  M.  ergibt  sich  aber  ein  anderes  Bild.  Der  sehr  häufige 
Augit  ist  tiefgrün,  zeigt  starke  Dispersion,  also  derselbe,  der 
sich  so  häufig  an  der  Kontaktgrenze  einstellt  und  den  Weber 
zum  Fassait  stellt. 

Plagioklas  ist  verhältnismäßig  wenig  vorhanden,  dagegen 
ist  der  als  Grundmasse  auftretende  Orthoklas  der  häufigste 
Bestandteil.  Auffallend  ist  der  Reichtum  an  Titanit  in  kleineren, 
selten  großen  Krystallen  von  schmutzigbrauner  Farbe. 

Die  früher  genannte  größere  Apophyse  dürfte  aller  Wahr 
scheinlichkeit  nach  zusammenhängen  mit  dem  am  Kamme  des 
Allochet  vorkommenden,  von  mir  schon  1875  beschriebenen 
Durchbruch.  Zwischen  diesem  Kamme  und  der  früher  er- 
wähnten Apophyse  findet  man  noch  einen  kleinen  Durchbruch 
des  Eruptivgesteines,  um  welchen  herum  Hornsteine  von  grün- 
licher Farbe  liegen,  und  in  der  Fortsetzung  der  durch  diese 
beiden  unteren  Apophysengänge  gebildeten  Linie  findet  sich 
am  Kamme  jenes  gangförmige  Eruptivgestein,  das  dem  der 
Apophyse  ähnlich  ist,  aber  mehr  Porphyrstruktur  angenommen 
hat  (siehe  I.  Teil,  S.  960),  entsprechend  seinem  wenig  mächtigen 
Auftreten,  denn  der  Gang  hat  oben  nur  einige  Meter  Mächtig- 
keit. Erwähnt  sei  noch  sein  bedeutender  Kiesgehalt. 


208  C.  Doclter, 

Das  Gestein  dieser  Apophyse,  welche  gegen  SE  streicht, 
ist  nicht  unähnlich  dem,  welches  wir  am  Kamm  östlich  von 
dem  Aliochetpaß  finden  (vergl.  die  Karte)  und  dürfte  daher  ein 
Zusammenhang  zwischen  beiden  vorhanden  sein,  dies  umso- 
mehr,  als  zwischen  den  beiden  sich  jene  Hornfelsmasse  gang- 
artig erstreckt  und  auch  über  der  großen  Apophyse  zirka 
20  bis  30  m  darüber  an  einer  Stelle  Eruptivgestein  aus  den 
umgebenden  Hornfelsen  herauslugt. 

Das  Gestein  ist  schwer  zu  klassifizieren,  da  es  zwischen 
Monzonit  und  Gabbro  steht,  am  besten  einem  Orthoklasgabbro 
oder  shonkinitähnlichem  Gestein  entspricht.  Am  Kamm  ist  es  ent- 
sprechend seiner  geringen  Ausdehnung,  respektive  Mächtigkeit 
mehr  porphyrartig  durch  Auftreten  großer  Augite  und  erinnert 
äußerlich  sehr  an  Augitporphyr,  respektive  Gabbroporphyr, 
ähnlich  ist  z.  B.  das  am  Plateau  der  Malgöla  vorkommende 
Gestein. 

An  der  Grenze  des  Kalkes  und  Monzonits  finden  sich 
auch  die  Gänge  jenes  von  Dr.  Ippen  analysierten  und 
näher  beschriebenen  nephelinhaltigen  Labradorporphyrits,  des 
Allochetit.  Das  eine  Gestein,  welches  von  Ippen  analysiert 
wurde,  bildet  einen  schmalen  Gang  in  der  Nähe  des  Predazzit- 
bruches  südöstlich  vom  See,  es  ist  durch  große  Labradortafeln 
ausgezeichnet;  ein  zweites  stammt  von  dem  Plateau  über  dem 
Predazzitbruch  und  setzt  an  der  Grenze  zwischen  Monzonit 
und  Kalkstein  ein;  nach  Dr.  Ippen  ist  das  Gestein  reich  an 
etwas  zersetztem  spreusteinbildenden  Nephelin;  ähnlich  ist  ein 
Gestein  auf  dem  Plateau  im  Kalk.  Das  den  Monzonit  durch- 
brechende Gestein  zeigt  breittafelige  Plagioklase,  ist  in  der 
Grundmasse  hornblendenreich,  aber  weit  weniger  nephelin- 
haltig;  es  enthält  jedoch  nach  Ippen  Analcim.  Dieses  von  mir 
analysierte  Gestein  ist  schon  etwas  zersetzt  und  neigt  mehr  zu 
den  normalen  Plagioklasporphyriten.  Ganz  in  der  Nähe  treffen 
wir  auch  einen  Gang  eines  spinellisierten  Plagioklasporphyrites 
im  Monzonit.  Er  geht  in  Monzonitporphyr  über. 

Der  Zirkus  von  Le  Seile. 

Zirka  150  m  über  dem  Le  Seile-See  erhebt  sich  ein  Kessel, 
der  von  den  Kalkbergen  des  Allochet,  Costa  bella,  Camorzaio 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  209 

umschlossen  wird;  der  Boden  desselben  liegt  2400  bis  2450 m 
hoch.  Hier  finden  wir  nur  Triasschichten  mit  einzelnen  Durch- 
brüchen von  Metaphyr  und  vereinzelten  Apophysen  des  Mon- 
zonites.  Die  den  Kessel  umgebenden  Berge,  welche  sehr  schroff 
gegen  denselben  einfallen,  bestehen  aus  der  Serie  der  unteren 
Triasschichten.  An  der  Nordwand  sehen  wir  mehrere  kleinere 
Gänge,  deren  Streichen  parallel  dem  des  Kalkes  ist.  Es  ist 
Melaphyr;  eine  größere  Gangmasse  desselben  über  dem  Le 
Seile-See  folgt  jedoch  einer  anderen  Richtung. 

Im  NE  haben  wir  am  Camorzaio  einen  größeren,  von  mir 
seinerzeit  beschriebenen  Melaphyrdurchbruch,1  an  den  Kon- 
takten gegen  den  Kalk  ist  er  breccienartig  ausgebildet;  ein 
weiterer  bedeutender  Gang  findet  sich  nördlich  links  vom  Le 
Seile-Paß  gegen  die  Costa  bella.  Mehrere  Plagioklasporphyrit- 
gänge  sind  auf  beiden  Seiten  des  Passes  zu  beobachten.  Von 
da  zur  Allochetspitze  finden  wir  drei  solche.  Im  Kessel  selbst 
trifft  man  eine  große  Zahl  solcher  Porphyritgänge,  2  bis  7  m 
mächtig;  eine  genauere  Beschreibung  dieser  Gänge  wird  mein 
Begleiter  Herr  K.  Went  liefern. 

Ganz  sonderbar  sind  die  am  Werneritfundorte  (der 
sogenannte  Wernerit  ist,  wie  ich  1876  zeigte,  nur  ein  grüner 
Amphibol,  daneben  kommt  Kupferkies,  Gehlenit,  Eisenglanz 
vor)  auftretenden  Gesteine,  welche  mehrere  Meter  mächtige 
Gänge  bilden;  neben  echten  Plagioklasphorphyriten  tritt  ein 
Gang  auf,  welcher  vielleicht  eine  schmale  Apophyse  des 
Monzonitmassivs  darstellt,  obgleich  ein  Zusammenhang  sich 
nicht  konstatieren  läßt.  Das  zersetzte  Gestein  ist  ein  Mittelding 
zwischen  Monzonitporphyr  und  Plagioklasporphyrit.  Ähnlich 
ist  ein  Gestein,  welches  ich  für  eine  Apophyse  des  Monzonites 
halte  und  welches  auf  der  Höhe  des  Predazzitfelsens  auftritt, 
südlich  vom  Kalk. 

Was  nun  die  Richtung  der  größeren  Gangmassen  anbe- 
langt, so  ist  sie  zumeist  die  Richtung  der  Monzoniachse,  also 
von  WSW  nach  ENE,  das  sehen  wir  an  der  Costa  bella,  am 
Camorzaio.  Andere  stehen  ungefähr  senkrecht  dazu.  Die 
kleineren  sind  Spaltenausfüllungen  und  folgen  dem  Streichen; 


i  Jahrb.  der  geol.  R.  A.  1875,  S.  231. 
Sitzh.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  14 


210  C.  Doelter, 

da  dasselbe  wechselt,  so  gilt  dies  auch  für  die  Gänge.  Dies  ist 
namentlich  an  der  Le  Selle-Allochetkette  zu  beobachten,  wo  die 
Schichten  gestört  sind,  wenn  auch  durchaus  nicht  so  stark 
gefaltet,  wie  dies  M.  Ogilvie  Gordon  abbildet.1 

Der  Absturz  des  Kalkgebirges,  welches  von  Costa  beiia 
bis  Allochet  sich  hinzieht,  ist  gegen  die  Ebene  von  Campag- 
nazza  steil,  das  Terrain  ist  in  diesem  Wieseniand  schlecht  auf- 
geschlossen, doch  kommen  auch  hier  porphyritartige  Gänge 
vor.  Die  Kalkschichten  sind  oft  stark  metamorphosiert,  aber  an 
manchen  Stellen  wieder  gar  nicht,  wenn  man  auch  an  anderen, 
sogar  am  Campagnazzabhang  noch  Kontaktmineralien  findet; 
es  ist  schwer  zu  sagen,  ob  die  Melaphyrgänge  oder  ob  unter- 
irdische Monzonitapophysen  diese  Umwandlungen  erzeugten. 

Bei  der  Bestimmung  des  Gesteinsmaterials,  welches  hier 
geschildert  wurde,  war  mir  Herr  Privatdozent  Dr.  Ippen  viel- 
fach behilflich  und  danke  ich  ihm  für  diesen  Beistand,  ebenso 
Herrn  Trappmann  in  Vigo. 

Das  Alter  der  Monzonigesteine. 

Über  das  Alter  der  südosttiroler  Eruptivgesteine  sind  die 
verschiedensten  Ansichten  ausgesprochen  worden,  sowohl  in 
Bezug  auf  ihr  Alter  gegenüber  den  durchbrochenen  Schichten 
als  auch  ihre  gegenseitigen  Aitersverhältnisse.  Da  am  Monzoni 
ein  Zusammenvorkommen  der  verschiedenen  eruptiven  Feis- 
arten  weit  weniger  gut  zu  beobachten  ist  wie  etwa  bei 
Predazzo,  so  wird  wohl  an  letzterem  Orte  eher  die  Lösung  des 
Rätsels  gefunden  werden. 

Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  am  Monzoni  alle  Gesteine2 
derselben  geologischen  Epoche  angehören,  was  für  dieFassaner 
Eruptivgesteine  nicht  feststeht;  weitere  Studien  an  letzteren 
würden  behufs  Lösung  der  Altersfrage  notwendig  sein.  Am 
Monzoni  fehlen  die  oberen  Triasschichten,  wir  können  daher 
nur  mit  Sicherheit  sagen,  daß  die  fraglichen  eruptiven  Bildungen 
jünger  sind  als  die  vorhandenen  unteren  Triasschichten. 


1  Upper  Fassa  and  Monzoni. 

*  Selbstverständlich  abgesehen  von  dem  Quarzporphyr. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  211 

Bezüglich  des  Alters  der  Melaphyre  gehen  die  Ansichten 
ja  auch  weit  auseinander;  während  Mojsisovics  die  großen 
Melaphyr-  (seine  Augitporphyre),  respektive  Porphyritmassen  als 
Lavaströme  auffaßt,  die  dann  als  Äquivalente  der  Wengener 
Schichten  aufzufassen  wären,  vertritt  namentlich  M.  Ogilvie  die 
Ansicht,  es  seien  dies  jüngere  (tertiäre)  Intrusivgänge.  Für 
einzelne  dürfte  die  Gangnatur,  respektive  die  Lagergangnatur 
richtig  sein,  namentlich  dort,  wo  keine  Erscheinungen  für  eine 
Lava  sprechen.  Bestätigt  wird  dies  am  Pordoi-Joch  durch  den 
Fund  eines  Kephalopoden  im  Melaphyr,  welcher  die  unteren 
Triasschichten  durchbrechen  mußte  und  nicht  mehr  als  Lava 
aufgefaßt  werden  kann.  Aber  es  ist  doch  anderseits  auf- 
fallend, daß  man  in  den  oberen  Triasschichten  keine  solche 
Lagergänge  findet,  was  wohl  zu  erwarten  wäre,  wenn  die 
Melaphyre  jünger  als  die  gesamte  Trias  wären.  Also  selbst, 
wenn  die  sogenannten  Laven  der  Cima  Rossi  oder  des  Sasso 
di  Capell  Intrusivmassen  wären,  so  würde  dadurch  nur  be- 
wiesen, daß  sie  jünger  als  die  Wengener  Schichten  sind,  sie 
könnten  aber  immer  noch  älter  sein  als  die  oberen  Trias- 
schichten. Was  nun  die  Melaphyre  vom  Pizmedatal  anbelangt, 
so  kann  man  nur  sagen,  daß  sie  wohl  jünger  sind  als  die 
dortigen  Triasschichten,  welche  auch  kein  Detritusmaterial  aus 
ihnen  aufgenommen,  aber  die  Grenze  nach  oben  ist  unsicher. 
Hier  handelt  es  sich  wie  auch  wahrscheinlich  am  Cornon,  am 
Sasso  di  Dam  und  anderen  Punkten  um  wirkliche  Lavaströme. 

Man  sieht,  daß  bisher  die  Ansichten  noch  wenig  geklärt 
sind  und  daß  neue  Untersuchungen  im  oberen  Fassatal  not- 
wendig sind,  um  eine  Entscheidung  herbeizuführen;  ein 
zwingender  Grund,  das  triadische  Alter  der  südtiroler  Eruptiv- 
gesteine aufzugeben,  liegt  bisher  nicht  vor  und  es  müssen 
erst  neue  Funde  und  neue  Tatsachen  eine  gegenteilige  Ent- 
scheidung herbeiführen. 

Relatives  Alter  der  saureren  und  basischen 
Tiefengesteine.  Monzonit  einerseits,  Gabbro,  Pyroxenit 
anderseits  kommen  nur  in  Verbindung  miteinander  vor  und 
dürften  daher,  wie  ich  schon  1875  aussprach,  genetisch  mit- 
einander  zusammenhängen.    Brögger1   vermutete,    daß    die 

*  Die  Eruptionsfolge  der  triadischen  Gesteine  von  Predazzo  1896. 

14* 


212  C.  Doelter, 

basischen  Gesteine  eine  Randfacies  seien,  diese  Ansicht  war 
nur  auf  die  Analogie  mit  anderen  Gebieten,  nicht  auf  eigene 
Beobachtung  gestützt;  ich  habe  gezeigt,1  daß  dieselbe  nicht 
haltbar  ist.  Allerdings  kommen  an  der  Kalkgrenze  stellenweise, 
z.  B.  unterhalb  Le  Seile-See,  bei  Allochet,  Pyroxenite  vor,  aber 
selbst,  wenn  man  zugibt,  daß  dies  die  Randfacies  wäre,  was  in 
Anbetracht  ihres  gangförmigen  Verhaltens  nicht  einmal  wahr- 
scheinlich ist,  so  wären  die  zahlreichen  Gabbro-  und  Pyroxenit- 
massen,  die  allenthalben  in  den  Monzonitmassiven  an  den  ver- 
schiedensten Stellen  stecken,  nicht  auf  diese  Weise  zu  erklären. 
Diametral  der  Brögger'schen  Ansicht  entgegengesetzt  ist  die 
Rombergs,2  nach  welcher  der  Pyroxenit  durchwegs  jünger 
ist  als  der  Monzonit;  er  stützt  seine  Ansicht  besonders  auf  die 
nicht  gerade  sehr  häufigen  Vorkommnisse  bei  Predazzo,  wo  er 
ein  Feinkörnigerwerden  des  Pyroxenits  und  kleine  schmale 
Apophysen  beobachtete.  Ich  hatte  selbst  an  manchen  Punkten 
solche  gesehen,  z.  B.  an  der  Malgola,3  dann  am  Le  Seile-See, 
wo  sie  aber  im  Gabbro  stecken.4 

Anderseits  erwähnt  Brögger5  Einschlüsse  von  Pyroxenit 
im  Monzonit.  Meiner  Ansicht  sind  Monzonit,  Syenit  einerseits, 
Gabbro,  Pyroxenit  anderseits  Differentiationsprodukte  eines 
Stammagmas  und  nicht  wesentlich  altersverschieden;  ich 
habe  aber  bereits  1875  darauf  hingewiesen,  daß  letztere  gang- 
förmig im  Monzonit  auftreten,  daher  als  jünger  erscheinen,  es 
gibt  aber  auch  im  Pyroxenit  Gänge  von  Monzonit,  wenn  das 
auch  selten  ist.  So  z.  B.  kommt,  wie  erwähnt,  ein  monzonit- 
ähnlicher,  feinkörniger  Gang  im  Pyroxenit  der  Ricolettaschlucht 
vor,  das  Gestein  ist  aber  sehr  orthoklasarm  und  daher  mehr 
dioritisch.  Syenit  kommt  unzweifelhaft  als  Gang  im  Pyroxenit 
und  im  Gabbro  vor.  Pyroxenit  scheint  gegenüber  dem  Gabbro 
eher  der  jüngere  zu  sein,  aber  bei  den  vielen  Übergängen  wäre 
es   nicht   ausgeschlossen,    wenn    ausnahmsweise    plagioklas- 


1  Chemische  Zusammensetzung  und  Genesis  der  Monzonigesteine,  Tsch. 
Min.  Mitt  1902. 

2  Sitzungsb.  d.  Berl.  Akademie,  26.  Juni  1902. 

3  Vergl.  Reyer,  Predazzo,  S.  19. 

*  Tscherm.  Min.  Mitt.  Bd.  XXI,  Heft  2. 
^  L.  c,  S.  70. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  2 1 3 

reichere  Pyroxenite  auch  älter  als  mancher  Gabbro  wären,  wie 
es  an  manchen  Punkten,  z.  B.  am  Nordabhang  der  Ricoletta, 
den  Anschein  hat. 

Da  nun  die  basischen  Gesteine  einerseits,  die  sauren 
anderseits  aus  einem  gemeinsamen  Stammagma  entstanden 
sind,  so  muß  dieses,  dort,  wo  es  noch  erhalten  ist,  ja  das  ältere 
sein.  Ich  schließe  nun  aus  dem  Analysenmaterial,  daß  die 
Monzonite  des  Toal  del  Mason  und  ein  Teil  der  vom  Nord- 
abhang des  westlichen  Mal  Invemo  dieses  Stammagma 
repräsentieren;  solche  nicht  differenzierte  Monzonite  wären  also 
die  ältesten  Gesteine;  aus  diesen  scheint  nun  eine  erste 
Sonderung  in  mehr  saure  Monzonite,  etwa  von  der  Zusammen- 
setzung des  Monzonites  der  Analyse  Schmelck  (Nr.  I  meiner 
Analysentabelle)  einerseits,  in  basischere  Gesteine  von  der 
Zusammensetzung  des  Augitdiorits  (Nr.  V  der  Tabelle)  ander- 
seits erfolgt  zu  sein  oder  es  entsteht  ein  Olivingabbro,  aus 
welchem  Pyroxenit,  Anorthosit  (Labradorfels)  sich  abspalten. 
Das  saurere  Monzonitmagma  zerfällt  in  Quarzsyenite  und 
basische  kersantitähnliche  Magmen. 

Die  Pyroxenite,  Peridotite,  Plagioklasite  müssen  im  allge- 
meinen jünger  sein  als  jene  Monzonite  und  Gabbro,  aus  denen 
sie  sich  allmählich  durch  Sonderung  der  Bestandteile  bildeten, 
ebenso  die  Syenite,  Syenitporphyre  etc. 

Daß  die  Reihenfolge  der  Mineralien  im  allgemeinen  die 
Altersfolge  der  differenzierten  Gesteine  ist,  ist  für  mich  umso 
wahrscheinlicher,  als  ich  die  Differentiation  als  den  nahezu 
ganz  durchgeführten  Prozeß  der  Mineralsonderung  betrachte; 
da  nun  Orthoklas,  Quarz  die  jüngsten  Bestandteile  sind,  so 
müssen  die  aus  diesen  Mineralien  bestehenden  Gesteine  die 
jüngsten  sein,  jünger  als  die  Pyroxenite,  Gabbro,  da  die 
Pyroxene  älter  sind;  tatsächlich  findet  man  bei  Allochet  körnigen 
Syenit  den  Pyroxenit  durchbrechend,  ebenso  am  Fuße  des 
Nordabhanges. 

Die  Reihenfolge  der  Mineralbildung  muß  daher  auch  dem 
Alter  entsprechen.  Nun  ist  in  unseren  Gesteinen  der  Plagioklas 
zumeist  der  ältere  Bestandteil,  älter  als  der  Pyroxen,  daher 
auch  die  Pyroxenite  zumeist  jünger  sind;  die  Orthoklasite, 
welche  wir  aber  nur  als  Syenit,  also  nicht  in  rein  differenziertem 


214  C.  Docltcr, 

Zustande  kennen,  sind  die  jüngsten  Gesteine,  entsprechend 
dem  jüngeren  Alter  des  Orthoklases. 

Auch  mußten  die  weniger  differenzierten  Gesteine  die 
älteren  sein,  daher  auch  die  Monzonite  zumeist  älter  sind  als 
die  Pyroxenite,  aber  nicht  unbedingt  älter  sein  müssen  wie 
der  Gabbro;  das  bestätigt  die  Beobachtung  des  so  häufigen 
Zusammenvorkommens  von  Gabbro  und  Monzonit. 

Der  Gabbro  ist  älter  als  der  Pyroxenit,  einerseits  weil 
Pyroxen  zumeist  jünger  ist  als  Plagioklas  und  dann  weil  im 
Gabbro  der  Prozeß  noch  nicht  vollendet  war,  erst  aus  Augit- 
diorit  und  Gabbro  sondert  sich  Pyroxenit,  daher  dieser  die 
ersteren  häufig  durchbricht. 

Als  ältere  Bildungen  erscheinen  daher  Monzonite,  die  noch 
das  Stammagma  repräsentieren,  dann  die  noch  nicht  völlig 
abgespaltenen  Gabbros.  Dann  folgen  die  Differentiationspro- 
dukte: Pyroxenit,  Peridotit,  Plagioklasit,  Orthoklasit  (letzterer 
fast  immer  quarzführend).  Untereinander  werden  sich  die  letzt- 
genannten zumeist  wie  die  Reihenfolge  der  betreffenden  Mine- 
ralien verhalten;  hierbei  ist  zu  beachten,  daß  in  den  Monzoni- 
gesteinen  meist  der  Plagioklas  der  ältere  Bestandteil  ist,  manch- 
mal aber  das  umgekehrte  stattfindet. 

Spätere  Nachschübe  von  Monzonitmagma  können  Ver- 
anlassung geben,  daß  jüngere  Monzonitgänge  (oft  porphyrisch, 
oft  aplitisch  ausgebildet),  die  sicher  existieren,  entstehen. 

Was  nun  speziell  die  eigentlichen  Ganggesteine  anbelangt, 
so  kommen  sie  nur  in  Verbindung  mit  Monzonit  vor,  nicht  als 
Durchbruchsgesteine  des  Kalkes  (abgesehen  von  der  Kalkscholle 
am  T.  d.  Mason);  ebenso  wenig  fand  ich  Camptonite,  Rizzonite 
und  Monchiquite  außerhalb  des  Monzonites.  Es  sind  dies  also 
Gesteine  aus  der  Ganggefolgschaft  des  Monzonites.  Bei 
Predazzo  kommen  Quarzsyenite  und  Granitgänge  auch  Im 
Kalke  vor. 

Welche  von  den  Ganggesteinen,  die  basischen  melano- 
kraten  oder  die  sauren  leukokraten,  jünger  sind,  kann  ich  nicht 
sicher  entscheiden,  da  Beweise  fehlen;  gemischte  Gänge  habe 
ich  nicht  beobachtet  und  kommen  die  beiden  Klassen  von  Ge- 
steinen durchaus  getrennt  vor.  Da  jedoch  die  syenitisch-grani- 
tischen Ganggesteine  an  einigen  Punkten  Einschlüsse  enthalten. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  215 

welche  dem  Monzonitporphyrit  entsprechen  (siehe  unten  S.  208), 
so  waren  sie  wahrscheinlich  jünger  als  letztere. 

Bezüglich  der  Camptonite  gegenüber  Syeniten  fehlt  ein 
sicherer  Anhaltspunkt.  Zu  bemerken  ist,  daß  allerdings  dort, 
wo  Camptonite  zu  beobachten  sind,  in  der  Nähe  auch  saure 
granitische  oder  quarz-syenitische  Gesteine  zu  beobachten  sind, 
wenn  auch  niemals  unmittelbar  nebeneinander  (siehe  Verbreitung 
der  Gesteine).  Es  könnten  also  die  beiden  Klassen  von  Gesteinen 
als  Sonderungsprodukte  eines  monzonitischen  Magmas  be- 
trachtet werden  und  sie  wären  daher  wohl  ziemlich  gleichalterig. 

Im  allgemeinen  wird  man  daher  sagen  können:  Als  ältestes 
Magma  erscheint  an  einigen  Stellen  noch  das  ungesonderte 
monzonitische  Magma,  als  jüngstes  das  vollständig  gesonderte, 
wobei  die  Reihenfolge  der  Mineralausscheidung  dem  Alter  der 
differenzierten  Gesteine  entspricht.  Zum  Schluß  kommen  die 
Gesteine  der  Ganggefolgschaft,  wobei  wohl  die  Camptonite  die 
jüngsten  sein  dürften. 

Geologisches  Alter  der  Eruptivgesteine.  Was  nun 
die  von  Salomon  und  Ogilvie  vertretene  Ansicht  anbelangt, 
es  seien  die  Monzonite  tertiären  Alters,  so  liegt  für  dieselbe 
kein  Beweis  vor,  sie  ist  nicht  einmal  wahrscheinlich.  Die  angeb- 
liche Analogie  mit  anderen  Eruptivgesteinen,  deren  Alter 
ebensowenig  bestimmt  ist,  kann  doch  nicht  als  Beweis  ange- 
sehen werden.  Für  eines  dieser  Tiroler  Eruptivgebilde  ist  nach 
einer  vor  kurzem  veröffentlichten  Beobachtung  von  H.  v.  Wolff 1 
ein  jüngeres  Alter  ausgeschlossen,  da  der  Quarzporphyr  Bruch- 
stücke des  Granits  enthält.  Speziell  für  das  Bachergebirge, 
welches  Salomon  zu  seinen  tertiären  peri-adriatischen  Graniten 
rechnet,  habe  ich  bei  einer  Besichtigung  in  diesem  Jahre  wieder 
die  Unwahrscheinlichkeit  des  jüngeren  Alters  des  Granits  er- 
kannt; die  Tertiärgesteine  liegen  gewiß  darüber.  Auch  für  die 
Cima  d\Asta  dürfte  eher  ein  früheres  Alter  vorliegen.  Auch  aus  der 
neuesten  Publikation  von  M.  Ogilvie  Gordon2  kann  ich  keinen 
Beweis  für  ihre  Behauptung  des  tertiären  Alters  herausfinden.3 


i  Sitzungsber.  Berl.  Akad.,  November  1902. 

2  Monzoni  and  Upper  Fassa,  Journ.  of  Geology,  1902,  July. 

3  M.  Ogilvie-Gordon  deduziert  das  tertiäre  Alter  der  Monzonite  aus 
der  Richtung  der  Faltungslinien,  welcher  dasMonzonitmassiv  folgt;  da  nun  diese 


216  C.  Doelter, 

Was  die  lamprophyrischen  Ganggesteine  im  E  des  Mon- 
zoni  anbelangt,  so  wird  für  sie  in  deren  Schrift  ein  miozänes 
Alter  deduziert  auf  Grund  von  Faltungserscheinungen  und  Ver- 
werfungen an  der  Campagnazza  und  dem  Allochet-Le  Seilezug. 
Einen  zwingenden  Beweis  für  jene  Annahme  konnte  ich  nicht 
finden,  man  wird  sie  allerdings  für  jünger  als  die  dortigen  Trias- 
schichten halten  müssen. 

Wenn  es  jedoch  richtig  wäre,  daß  im  Schierndolomit  und 
den  oberen  Triasschichten  solche  Gänge  auftreten,  so  würde 
daraus  allerdings  folgen,  daß  sie  noch  jünger  wären,  was  ich 
nicht  für  unmöglich  halte;  ob  man  nun  daraufhin  einen  Rück- 
schluß auf  das  Alter  des  Monzonils  zu  machen  haben  wird  und 
denselben  für  jünger  als  die  Trias  halten  soll,  läßt  sich  schwer 
sagen,  wäre  aber  unter  der  Voraussetzung  der  Richtigkeit  jener 
Behauptung  nicht  unwahrscheinlich,  da  ein  Zusammenhang 
mit  den  basischen  Gängen  leicht  denkbar  ist. 

Sehr  wichtig  ist  für  uns  die  Frage,  ob  Monzonit  oder 
Melaphyr  jünger  ist.  Gerade  am  Monzoni  ist  die  Frage  nicht 
leicht  zu  entscheiden;  die  großen  Durchbrüche  von  Melaphyren 
und  Breccien  stehen  nicht  im  Zusammenhang  mit  dem  Monzonit. 
Wahrscheinlich  ist  nun,  daß  die  von  mir  für  Ströme  gehaltenen 
Pizmcdamelaphyre  erst  nach  der  Bildung  der  dortigen  Triaskalke 
geflossen.  Was  nun  die  vielen  basischen  Gänge  anbelangt,  so 
halte  ich  sie  für  jünger  als  die  Monzonite.  Bei  Allochet  sehen 
wir  einen  analcimhaltigen  Labradorporphyrit,  einen  Allochetit, 
den  Monzonit  und  die  Kalksteine  durchbrechen;  da  diese  Ge- 
steine Übergänge  in  Labradorporphyrite,  die  auch  den  Kalk 
durchbrechen,  zeigen,  so  ist  Wahrscheinlichkeit  vorhanden, 
daß  der  Labradorporphyrit  jünger  ist  als  der  Monzonit.  An 
der  Westseite  des  Pizmedaabhanges  hatte  ich  1874  einen  Por- 
phyrie (Melaphyr-)  Gang  gefunden,  welcher  sowohl  den  Mon- 
zonit als  auch  die  Kalksteine  durchbricht;  es  war  dies  auf  einer 
Exkursion  mit  Prof.  Hoernes  und  rührt  die  Zeichnung  des 
Vorkommens  von  ihm  her  (Taf.  V,  Jahrb.  d.  g.  R.  A.,   1875). 


Falten  sich  erst  in  der  Tertiärzeit,  wie  alle  Störungen  dort,  gebildet  haben 
sollen,  so  muß  auch  die  durch  diese  Bewegungen  der  Erdrinde  hervorgetretene 
Eruption  des  Monzonits  dieser  Periode  angehören. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  217 

Dies  Gestein  habe  ich  wieder  untersucht,  es  ist  kein  Camptonit. 
Ich  erwähnte  dann  noch  zwei  Beispiele  am  Toal  de  Mason  und 
am  Ricoletta-Nordabhang  von  melaphyräholichem  Gestein,  ab- 
gesehen von  dem  als  Findling  vorkommenden,  im  Traversellit- 
tale  gefundenen  Plagioklasporphyrit. 

Dagegen  ist  das  am  Mal  Inverno  in  der  Parallelschlucht 
zur  Ricolettaschlucht  gefundene,  den  Monzonit  durchbrechende 
Gestein  ein  zur  Melaphyrgruppe  gehöriger  Diabasporphyrit. 

Es  ist  also  in  einigen  Fällen  sicher,  daß  Gesteine  dieser 
Gruppen,  die  übrigens  den  Monzonitporphyren  verwandt  sind, 
den  Monzonit  durchbrechen. 

Sehr  reich  an  eruptiven  basischen  Gängen  ist  die  Fort- 
setzung der  Costa  bella  gegen  Fucchiada  und  das  nordöstliche 
Kalkgebirge.  Es  ist  zwar  unsicher,  ob  auch  diese  Gänge  mit 
der  Intrusion  am  Monzoni  zeitlich  in  Verbindung  stehen,  ob  sie 
jünger  oder  älter  sind  als  der  Monzonit,  aber  das  Vorkommen 
einiger  allerdings  seltener  solcher  Gänge  im  Monzonit  würde 
eher  für  ein  jüngeres  Alter  sprechen.  Die  Richtung  der  Gänge, 
welche  mit  der  Richtung  der  Monzonispalte  im  Einklänge  steht, 
spricht  für  einen  genetischen  Zusammenhang. 

Bei  Predazzo  sind  nach  Becke,  Brögger,  Romberg  die 
Granite  jünger  als  die  Porphyrite.  Für  einen  Teil  derselben 
dürfte  dies  ziemlich  sicher  sein,  ob  für  alle  Porphyrite,  wird 
noch  strenger  zu  beweisen  sein. 

Die  am  Kontakt  zwischen  Monzonit  und  Melaphyr  (Por- 
phyrit)zutage  tretenden  Erscheinungen :  porphyrartige  Struktur, 
respektive  Kleinkörnigwerden  des  Monzonits  machen  es  wahr- 
scheinlich, daß  die  Melaphyre  des  Mulatto,  des  Feodale,  der 
Forcella  älter  sind  als  die  Monzonite,  doch  sprechen  gerade 
manche  Erscheinungen  für  Übergänge  dieser  Gesteine. 

Anderseits  dürfte  es  auch  dort  Melaphyre  geben,  welche 
in  kleinen  Gängen  den  Monzonit  durchbrechen  und  keine 
Camptonite  sind,  z.  B.  an  der  Malgola. 

Unwahrscheinlich  erscheint  mir  die  zuerst  von  Salomon 
ausgesprochene  Ansicht,  daß  zwischen  Melaphyren  und  Mon- 
zonit bei  Predazzo  kein  Zusammenhang  bestehe  und  daß  die 
Melaphyre,  einer  älteren  Epoche  angehörend,  nur  zufällig  von 
dem  Monzonit  und  Granit  durchbrochen  wurden;  da  scheint  es 


218  C.  Doclter, 

mir  dann  noch  weniger  wahrscheinlich,  zwischen  Granit  und 
Monzonit  einen  Zusammenhang  anzunehmen. 

Freilich,  kann  niemand  den  Zusammenhang  nachweisen 
(auch  das  Gegenteil  nicht),  aber  das  Zusammenvorkommen  der 
drei  Gesteine  einem  Zufalle  zuzuschreiben,  ist  doch  untunlich. 

Die  Frage,  ob  der  Monzoni  ein  Lakkolith  (oder  Batholith) 
sei,  hatte  ich  schon  früher1  besprochen  und  zwar  im  verneinenden 
Sinne  beantwortet.  Die  Zusammensetzung  des  Monzoni  aus 
vielen  Gängen,  von  denen  ja  manche  ganz  deutlich  sind,  zeigt, 
daß  keine  Bildung  aus  einem  Guß  vorliegt.  Die  Grenzen  gegen 
die  durchbrochenen  Schichten  stimmen  nicht  mit  den  für  die 
Lakkolithen  geforderten,  der  Monzonit  entspricht  nicht  einem 
bestimmten  Niveau. 

Selbst  Salomon  ist  nicht  überzeugt,  daß  die  Monzonite 
Lakkolithe  seien.  Diese  Bezeichnung  würde  nur  dann  anwend- 
bar sein,  wenn  man  sie  mit  der  eines  intrusiven,  in  größerer 
Tiefe  erstarrten  Gesteins  identifiziert. 

Die  Entstehung  der  Monzonigesteine. 

Ich  habe  bereits  früher  auseinandergesetzt,  daß  die  Mon- 
zonigesteine durch  Differentiation  aus  einem  Stammagma 
entstanden  sind,  da  sich  die  Variationen  der  Zusammensetzung 
nicht  anders  erklären  lassen;  eine  wenn  auch  nicht  sehr  bedeu- 
tende Beeinflussung  durch  das  Nebengestein  mag  aber  stellen- 
weise stattgefunden  haben  und  der  höhere  Kalkgehalt  dürfte 
mit  den  vielen  kleinen  im  Monzonit  versunkenen  Kalkschollen, 
die  sowohl  am  Süd-  wie  am  Nordabhange  beobachtet  wurden, 
zusammenhängen. 

Dem  Einfluß  des  Nebengesteines  müssen  wir  den  bei  den 
Monzoniten  des  Monzoni  konstatierten  höheren  Kalkgehalt  zu- 
schreiben, welcher  an  der  Kalkgrenze  natürlich  wächst,  wie 
dies  die  Analyse  des  Gesteines  von  Costella  gegen  Valaccia 
zeigt.  Selbstverständlich  können  wir  aber  nicht  annehmen,  daß 
die  Verschiedenheiten  in  den  Analysen  nur  durch  den  Einfluß  des 
Nebengesteines  zu  erklären  wären.  Da  aber  sämtliche  Gesteine 

i  L.  c,  1902. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  219 

Verwandtschaften  aufweisen  und  örtlich  aneinander  gebunden 
sind,  so  werden  sie  wohl  aus  einem  gemeinsamen  Herd  durch 
Differentiation  entstanden  sein.  Daß  dieselben  teilweise  in  scharf 
abgegrenzten  Gängen  auftreten  und  sich  gegenseitig  durch- 
setzen, kann  daran  nichts  ändern.  Solche  scharfe  Abtrennung 
kann  auch  bei  Differentiationsgängen  auftreten.1  Die  Gänge 
sind  am  Monzoni  nicht  immer  von  großer  Ausdehnung,  sie  sind 
oft  mehr  schollen-,  ja  sogar  mehr  linsenartige  Einlagerungen. 
Aber  auch  dort,  wo  deutliche  Gänge  zu  beobachten  sind,  sind 
diese  als  Differentiationsgänge  aufzufassen. 

Die  Ansicht,  daß  Pyroxenite  und  Monzonite  nicht  zu- 
sammenhängen, ist  schon  deshalb  unhaltbar,  weil  niemals 
Pyroxenit-  oder  Gabbrogänge  etwa  im  Kalk  vorkommen  oder 
überhaupt  außerhalb  des  Monzonimassivs.  Sie  können  auch  im 
Alter  nicht  bedeutend  verschieden  sein  und  selbst,  wenn  am 
Kontakt  von  Pyroxenit  und  Monzonit  Erscheinungen  wie:  kleine 
Apophysen,  feineres  Korn  etc.  auftreten  sollten,  so  würde  dies 
nicht  beweisen,  daß  der  Pyroxenit  erst  nach  völligem  Festwerden 
des  Monzonits  entstanden  wäre,  denn  es  ist  hiebei  zu  bemerken, 
daß  auch  bei  durch  Differentiation  entstandenen  Gesteinen  eine 
feinkörnige  Struktur  am  Kontakt  denkbar  ist;  es  kommt  dies 
auch  vor,  z.  B.  an  dem  Traversellitfundort  findet  man  das  grüne 
Pyroxengestein  in  Verbindung  mit  Labradorfels  und  einem 
Mittelgestein  zwischen  Gabbro  und  letzterem,  wobei  das 
Pyroxengestein  jedenfalls  zu  dem  Labradorfels  in  dem  Verhältnis 
steht,  daß  beide  aus  Gabbro  durch  Differentiation  hervor- 
gegangen sind  (auch  an  anderen  Stellen  wird  Pyroxenit  mit 
Labradorit  zusammen  gefunden).  An  jener  Stelle  nun  entsendet 
der  grüne  Augitfels  Gangschnüre  in  das  Nebengestein  und  ist 
sogar  am  Kontakt  etwas  feinkörniger.  Trotzdem  glaube  ich,  daß 
die  beiden  Gesteine  einem  Sonderungsprozeß  ihre  Entstehung 
verdanken. 

Ebenso  bei  kleinen  apophysenartigen  Eindringlingen  von 
Pyroxenit  und  Gabbro.  Nehmen  wir  an,  eine  solche  Sonderung 
finde  statt  (aus  welchen  Gründen  wollen  wir  hier  nicht  erörtern), 


i  Vergleiche  auch  meine  Versuche,  Tscherm.  Min.  Mitt.,  1902,  Bd.  XXI, 
Heft  III. 


220  C.  Doelter, 

so  werden  die  Sonderungsprodukte,  z.  B.  Labradorit  und  Pyro- 
xenit,  nicht  gleichzeitig  zu  erstarren  brauchen,  da  die  Erstar- 
rungspunkte (ob  es  nun  die  Schmelzpunkte  oder  die  soge- 
nannten eutektischen  Punkte  sind,  ist  gleichgütig)  verschieden 
sein  können;  erstarrt  das  eine  früher,  so  befindet  sich  das 
zweite  noch  teilweise  flüssige  im  Kontakt  mit  dem  bereits  festen, 
und  kann  es  an  der  Kontaktfläche  rascher  erstarren  und  auch 
Hohlräume  im  ersteren  ausfüllen;  bei  Labradorfels  und  Augitfels 
scheint  dies  durchaus  nicht  unmöglich. 

Aber  auch  in  anderen  Fällen  können  Differentiations- 
produkte infolge  solcher  Vorgänge  bei  der  Erstarrung  den  Ein- 
druck hervorbringen,  als  sei  das  eine  später  in  das  andere 
eingedrungen,  ohne  daß  solches  tatsächlich  stattgefunden 
zu  haben  braucht.  Überhaupt  sind  unsere  Beobachtungen  be- 
züglich der  Genesis  verschiedener  Strukturen  noch  sehr  unvoll- 
kommen; Experimente,  die  maßgebend  wären,  fehlen  ganz  und 
trotzdem  werden  Schlüsse  gezogen,  die  an  einem  Punkt  viel- 
leicht richtig,  an  anderen  Orten  sich  nicht  bewähren.  So  erwies 
sich  auch  die  frühere  Annahme,  daß  die  basischen  Ausschei- 
dungen die  älteren  sein  müssen  und  daher  an  der  Außenfläche 
erstarren,  wie  Brögger  für  den  Monzoni  annahm,  als  durch- 
wegs unrichtig.  Die  Pyroxenite  sind  weder  Grenzbil- 
dungen noch  sind  sie  die  ältesten  Ausscheidungen, 
das  Gegenteil  ist  eher  richtiger.  Ebenso  wenig  bewiesen  wie 
jene  Annahme  ist  die  neuerdings  so  häufig  auftauchende,  daß 
die  basischen  Gesteine  die  ältesten  sein  müssen,  während  man 
früher  genau  das  Gegenteil  annahm.  Es  gibt  für  beide  Reihen- 
folgen genügend  Beispiele,  welche  eben  beweisen,  daß  eine  der- 
artige gesetzmäßige  Reihenfolge  weder  in  dem  einen  noch  in 
dem  anderen  Sinne  existiert. 

Als  Endresultate  derDifferentiation  des  Magmas  erscheinen 
die  gesteinsbildenden  Mineralien:  Olivin  (als  Peridotit),  Pyroxen 
(als  Pyroxenit),  Labrador  (als  Labradorit  und  Anorthosit), 
Orthoklas  (als  Orthoklasit,  aber  zumeist  mit  Plagioklas  gemengt, 
daher  Feldspatit).  Wir  sehen  hier  wie  anderwärts  die  über- 
einstimmende Wirkung  der  Differentiation  in  der  Sonderung 
der  Mineralien,  welche  die  eigentlichen  Kerne  sind,  wie 
Brögger  überzeugend  nachgewiesen  hat.  Da  aber  die  völlige 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  221 

Sonderung  nur  selten  eintrifft,  weil  der  Prozeß  eben  nur  selten 
vollständig  beendet  werden  konnte,  weil  die  hemmenden 
Gegenreaktionen  eintrafen,  so  entstehen  Gemenge  verschiedener 
Mineralien:  Pyroxen  und  Olivin,  Labrador  und  Augit,  Augit 
und  Orthoklas  etc.  Als  solche  der  Differentiation  entgegen- 
wirkende Ursachen  können  geringerer  Druck,  Entweichen  des 
Wassers  und  der  Gase,  welche  die  Sonderung  durch  Fluidität 
(geringere  innere  Reibung)  ermöglichen, Umkrustung,  in  Betracht 
kommen,  natürlich  auch  kürzere  Dauer  des  Prozesses  durch 
raschere  Abkühlung,  doch  dürfte  letztere  nicht  so  wichtig  sein. 
Die  vollständige  Differentiation  kann  daher  nur  ausnahms- 
weise auftreten. 

Die  Frage,  wo  hat  sich  die  Differentiation  des  Magmas 
vollzogen,  ließ  ich  in  meinem  vorjährigen  Aufsatze  noch  offen,1 
es  ist  mir  jedoch  wahrscheinlich,  daß  die  Differentiation  der 
zwei  Hauptgesteine  Gabbro  und  Monzonit  aus  ihrem  Stamm- 
magma vielleicht  schon  in  größerer  Tiefe  begann,2  jedenfalls 
aber  hat  sich  die  Sonderung  im  Gangstocke  fortgesetzt  und 
der  größte  Anteil  derselben  ist  an  Ort  und  Stelle  gebildet. 
Bestimmte  Anhaltspunkte  darüber  fehlen  gänzlich. 

Welches  ist  nun  das  ursprüngliche  Magma  gewesen, 
dessen  Sonderung  die  jetzt  vor  uns  liegenden  Gesteine  ergab? 
Man  nimmt  gewöhnlich  einen  Monzonit  als  das  zerfallende 
Magma  an,  ich  habe  aber  bereits  früher  gezeigt,  daß  am  Mon- 
zoni das  Stammagma  nicht  etwa  dem  Mittel  der  Monzonite 
entsprach,  da  den  Mengen  basischen  Magmas  des  Monzoni  zu 
wenig  saures  entgegensteht;  auch  Gesteine  von  der  erwähnten 
Zusammensetzung  werden  noch  imstande  sein,  sich  wieder 
zu  sondern,  wie  das  Beispiel  des  Syenitporphyrs  von  der 
Costella  zeigt,  aber  ein  ursprüngliches  Magma  von  54  bis  55% 
Si02  kann  nicht  Gesteine  von  41%  Si02  geben,  ohne  ander- 
seits auch  ebensoviel  saure  Gesteine  zu  liefern,  und  solche 
sind  am  Monzoni  nur  in  geringer  Menge  vorhanden. 

Das  Mittel  der  basischen  Tiefengesteine  habe  ich  unter 
Berücksichtigung  des  Gesteines  vom  Mal  Inverno  (Anal.  VII 


i  L.  c,  s.  213. 

2  Also  eventuell  vor  der  Ausfüllung  der  Gangspalte. 


222  C.  Doelter, 

der    Tabelle,    siehe    I.  Teil)    neu    (unter   A)    berechnet;   die 
Zahlen  weichen  von  den  früher1  angegebenen  nur  wenig  ab  (B). 

A  B 

Si02 42-76  43-05 

A1203 20-35  19-18 

Fe208 5-05  5-27 

FeO 8-55  8-7 

MgO 5-22  527 

CaO 14-40  14-36 

NajO 2-45  2*54 

K20 0-92  0*96 

H20 0-82  0-95 

Nun  erinnere  ich  daran,  daß  der  Monzonit  vom  Toal  del 
Mason,  den  ich  analysierte,  ein  im  Westteile  des  Monzoni 
vielfach  verbreiteter  Typus  ist  und  daß  seine  Zusammen- 
setzung in  der  Mitte  der  basischeren  Gesteine  und  der  mehr 
sauren  Monzonite  steht,  er  nähert  sich  chemisch  dem  früher 
berechneten  Mittel.  Ich  habe  nun  unter  Berücksichtigung  der 
neueren  Analysen  das  Mittel  der  Gesteine  nochmals  berechnet 
und  dabei  auch  die  am  Pizmedakamm  und  anderen  Orten  vor- 
kommenden mehr  sauren  Syenite  berücksichtigt  und  als  Typus 
das  Gestein  derCostella  mit  63%  Si02  genommen.  Die  Massen 
des  Monzonites  und  die  basischen  Gesteine2  verhalten  sich 
ungefähr  wie  2:1-1.  Für  die  Syenite  kann  man  nur  das  Ver- 
hältnis 2  :01 1  ungefähr  zum  Monzonit  nehmen.  Die  Proportion 
der  drei  Gesteine  wäre  demnach  2:1-1:0-11  für  Monzonit, 
basische  Gesteine  und  Syenite.  (Von  den  jüngeren  Gang- 
gesteinen wurde  abgesehen.) 

Diese  Zahlen  sind  allerdings  keine  sicheren,  ich  habe 
aber  das  Verhältnis  der  sauren  und  basischen  Gesteine  eher 
etwas  zu  Gunsten  ersterer  verschoben,  da  das  Verhältnis  2  : 1 
oder  selbst  2 :  1-1  nicht  ganz  richtig  ist,  eher  dürfte  die  Zahl 
2:12  entsprechen.  Da  aber  doch  unter  den  Monzoniten,  wie 


i  Tscherm.  Min.  Mitth.,  XXI,  Heft  3,  S.  154. 
2  Vergl.  Tscherm.  Min.  Mitt.,  XXI,  S.  212. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  223 

auch    die   Kieselsäurebestimmungen   Huber's   zeigen,    auch 

solche  mit  54  bis  55%  existieren,  so  habe  ich  obiges  Verhältnis 

angenommen. 

Ich  stelle  nun  folgende  Daten  zusammen: 
I.    Monzonit  vom  Toai  del  Mason. 

IIa.  Früher  berechnetes  Mittel  der  basischen  und  sauren  Ge- 
steine unter  Annahme  des  Massenverhältnisses  1  : 2  der 
basischen  Gesteine  zum  Monzonit  (Mittelwerte  Brögger's). 

IIb.  Mittel  unter  Annahme  des  Massenverhältnisses  1  :  2,  wobei 
für  die  Monzonite  das  Mittel  sämtlicher  Fleimser  Mon- 
zonite  zugrunde  liegt.1 

III.  Neu  berechnetes  Mittel  unter  der  Annahme  eines  Massen- 
verhältnisses 2  :  1*1  :  0"11 "  für  Monzonite,  basische  Ge- 
steine und  saure  syenitische. 

I  IIa  II*  III 

Si02  50-07         50-68         49-19         49*30 

AI208 19-40         18-07         18-11  19*  1 

l*2®* [ll-14    10-18    10-69    10-93 

FeO ) 

MgO 4-01  3-68  4-01  3*8 

CaO 9-99  10-65  11-53  10*94 

NajO 3-60  3-01  3-02  2-9 

KgO 2-19  2-65  2-46  23 

H20 0-55  1-00  1-05  1-0 

Wie  ich  schon  früher  bemerkte,  haben  diese  Zahlen  Ähn- 
lichkeit mit  Analysen,  die  Lemberg  an  Monzoniten  vom  Can- 
zoccoli  ausführte. 

Der  Gang  der  Differentiation:  Als  intermediäre  Mag- 
men zwischen  den  Endmagmen  Pyroxenit,  Anorthosit  (Plagio- 
klasit),  Quarz-Feldspatit  treten  verschiedene  Gesteine  auf,  die 
mehr  sauren  Monzonite,  wie  der  von  Brögger  analysierte, 
der  Augitdiorit,  Gabbro;  der  Monzonit  teilt  sich  wieder  in 
Syenitporphyr  und  den  kersantitähnlichen  basischeren  Mon- 
zonit. Der  Augitdiorit  und  der  Gabbro  teilen  sich  in  Pyro- 
xenit und  Plagioklasit.  Der  Monzonit  kann  sich  auch  in  den 


*  Tscherm.  Min.  Mitt.,  XXI,  S.  212. 


224  C.  Doelter, 

Granit,  Quarz-Feldspatit  und  ein  camptonitisches Magma  sondern 
oder  in  ein  melaphyrisches  trennen. 

Der  Gang  der  Differentiation  ist  jedenfalls  kein  einfacher, 
daher  eine  genaue  Angabe,  wie  dieselbe  erfolgte,  sich  in  Zahlen 
schwer  ausdrücken  läßt.  Doch  möchte  ich  darauf  hinweisen, 
daß,  wenn  man  das  anorthositähnliche  Gestein  von  Mal 
Inverno  (Anal.  VII  der  Tabelle)  und  den  Pyroxenit  (Anal.  VI) 
zusammen  betrachtet  und  das  Mittel  der  Zahlen  berechnet, 
unter  der  Annahme,  daß  man  zweimal  soviel  von  ersterem  nimmt 
als  von  letzterem  (dem  häufigen  Massenverhältnisse  Labrador- 
Augit  entsprechend),  die  erhaltenen  Zahlen  nicht  sehr  viel 
abweichen  (mit  Ausnahme  derjenigen  für  Magnesia  und  auch 
etwas  für  Natron)  von  den  Zahlen  des  Olivingabbro  (Anal.  VIII). 
Die  Abweichungen  in  den  Zahlen  der  Magnesia  erklären  sich 
durch  den  Olivingehalt  dieses,  es  ist  also  nicht  ein  olivinhaltiges 
Gestein  als  Muttergestein  der  beiden  Sonderungsprodukte  zu 
betrachten,  sondern  ein  olivinfreies. 

Differentiation  derGanggesteine  aus  dem  Stamm- 
magma. Wir  können  nur  die  Camptonite,  Rizzonite,  melaphyr- 
artigen  Gänge  einerseits,  die  granitischen  oder  die  Quarz- 
syenite anderseits  betrachten;  hiebei  zeigt  sich  aber,  daß  das 
Mittel  der  letzteren  und  der  ersteren  ein  Magma  gibt,  welches 
zwar  auch  ungefähr  einem  Monzonit  entspricht,  aber  doch 
einen  viel  geringeren  Tonerdegehalt  und  einen  zu  großen 
Magnesiagehalt  aufweist,  so  daß  eine  direkte  Sonderung  des 
Monzonites  andere  Gesteine  ergeben  müßte.  Zu  bemerken  ist, 
daß  das  Magma  der  Rizzonite  so  ziemlich  dem  der  Pyroxenite 
entspricht,  sehr  hohen  Magnesiagehalt  und  geringen  Ton- 
erdegehalt aufweist  und  ebenso  geringe  Mengen  Alkali. 

Wir  haben  vor  allem  Gesteine  aus  der  Ganggefolgschaft, 
welche  so  ziemlich  derMonzonitzusammensetzung  entsprechen, 
dies  wären  die  allerdings  nicht  sehr  häufigen  Monzonit- 
porphyre,  die  sich  ja  nur  durch  die  Struktur  von  den  eigentlichen 
Monzoniten  unterscheiden.  Dann  haben  wir  Gesteine,  welche 
mit  den  Monzoniten  chemisch  und  ihrem  Mineralbestande  nach 
verwandt  sind  und  zwar  sowohl  in  der  basischen  melanokraten 
Gruppe  als  auch  in  der  leukokraten.  Das  beste  Beispiel  sind 
für  die  ersteren  die  kersantitähnlichen,  biotitführenden  Gang- 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  225 

gesteine  vom  Pizmedakamm  und  anderen  Orten  (siehe  I.  Teil, 
S.  968)  und  die  eigentümlichen,  zwischen  Syenit-  und  Monzonit- 
porphyr  stehenden  Gesteine  der  Costella  (ibid.  S.  975).  Allerdings 
ist  dieses  monzonitische  Magma  schon  nicht  mehr  das  ursprüng- 
liche Stammagma. 

Ich  habe  schon  darauf  hingewiesen,  daß  das  Mittel  der 
beiden  Gesteine  von  der  Costella  (zwischen  Mal  Inverno  und 
Valaccia,  das  saure,  porphyrartige,  syenitische  Gestein  und 
die  darin  enthaltenen  Einschlüsse)  Zahlen  ergibt,  welche  den 
Zahlen  eines  Monzonites  sehr  angenähert  sind. 

Die  Zahlen  sind: 

Si02 55*65 

Al2Os 16*95 

Fe208 2-99 

FeO 385 

MgO 3-33 

CaO 7-26 

NagO 3*77 

K20 4-04 

Es  verbleiben  jetzt  noch  die  Quarzsyenite,  Granite  einer- 
seits, Camptonite,  Rizzonite,  melaphyrische  Gesteine  ander- 
seits. Beide  Gesteinsgruppen  haben  verhältnismäßig  wenig 
Tonerde,  während  die  anderen  Bestandteile  ziemlich  komple- 
mentär sind;  so  ist  das  Mittel  von  Si02  für  Rizzonit  und  den 
quarzführenden  Feldspatit  53*5,  also  einem  Monzonit  ent- 
sprechend; auch  CaO,  NagO,  Fe203  entsprechen  den  Zahlen 
für  Monzonit,  während  der  Magnesiagehalt  etwas  zu  hoch 
ausfällt.  Es  ist  infolgedessen  nicht  gestattet,  die  beiden  Typen 
als  direkte  Diflferentiationsprodukte  eines  monzonitischen  Mag- 
mas zu  betrachten,  die  hier  vorkommenden  Camptonite  sind 
durchwegs  feldspatarm,  die  Rizzonite  sogar  ganz  feldspatfrei, 
sie  haben  große  Ähnlichkeit  in  ihrem  Mineralbestand  mit  olivin- 
führenden  Pyroxeniten.  Nephelin  kommt  in  Camptoniten  in 
kleinen  Mengen  vor,  dieser  konnte  in  Pyroxeniten  nicht  ge- 
funden werden,  doch  wäre  es  nicht  unmöglich,  daß  sie  aus- 
nahmsweise einen  kleinen  Nephelingehalt  führten.  Die  Spaltung 
hat  also  nach  mehr  als  zwei  Richtungen  stattgefunden. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  1 5 


226  C.  Doelter, 

Bei  den  melanokraten  Ganggesteinen  müssen  noch  die 
Allochetit-  und  die  Plagioklasporphyrite  berücksichtigt  werden, 
welche  neben  den  Camptoniten  und  Rizzoniten  dieser  Gruppe 
angehören.  Berücksichtigt  man  diese,  so  erhält  man  dann  ein 
Mittel  der  basischen  Gesteine,  welches  zusammen  dem  Stamm- 
magma entsprechen  würde.  Jedenfalls  sind  diese  Ganggesteine 
aber  nicht  durch  einfache  Subtraktion  oder  Addition 
aus  dem  Stammagma  ableitbar,  sondern  durch  kompliziertere, 
nicht  ganz  durchsichtige  Prozesse.  Es  handelt  sich  eben  um 
eine  Differenzierung,  wobei  nicht  zwei,  sondern  mindestens 
drei  Faktoren  eine  Rolle  spielen,  indem  eine  gleichzeitige 
Spaltung  in  drei  oder  mehr  Richtungen  zu  vermuten  ist. 

Vergleich  der  Eruptivgesteine  des  Monzoni  mit 
jenen  von  Predazzo.  Zwischen  diesen  beiden  Eruptions- 
stellen sind  wichtige  Unterschiede  hervorzuheben.  Die  Mon- 
zonite  beider  sind  zwar  vielfach  ähnlich  und  viele  sehr  über- 
einstimmend, doch  sind  Quarzmonzonite  bei  Predazzo  viel 
häufiger  und  zeigen  sich  zwischen  den  Monzoniten  beider 
Lokalitäten  auch  kleinere  chemische  Unterschiede  im  Kalk- 
gehalt. Insbesondere  aber  in  dem  Verhältnisse  der  basischen 
Tiefengesteine  zu  den  Monzoniten  liegt  ein  großer  Unterschied; 
während  am  Monzoni  zirka  ein  Drittel  oder  eher  drei  Achtel 
des  Massivs  den  basischen  Gesteinen  angehört,  sind  solche 
bei  Predazzo  selten  und  immer  nur  in  kleinen  Massen  auf- 
tretend. Ferner  fehlen  am  Monzoni  die  Granite,  welche  bei 
Predazzo  ein  gewaltiges  Massiv  bilden,  während  am  Monzoni 
nur  einige  kleine  Gänge  vorkommen. 

Ein  weiterer  Unterschied,  welcher  aber  wegen  der  Gering- 
fügigkeit der  Masse  nicht  so  sehr  ins  Gewicht  fallt,  bezieht 
sich  auf  die  Nephelingesteine;  abgesehen  von  den  Liebenerit- 
und  Tinguait-Porphyrgängen,  die  jedenfalls,  da  nur  in  schmalen 
Gängen  vorkommend,  eine  ganz  geringe  Masse  bilden  (da  sie 
überdies  selten  sind),  haben  wir  an  der  Ostseite  des  Mulatto 
eine  Anzahl  auch  nicht  sehr  mächtiger  Nephelin-Syenitporphyre 
und  ein  etwas  größeres  Massiv  von  teralithischem  Nephelin- 
syenit,  die  am  Monzoni  fehlen;  diese  sind  jünger  als  der 
Monzonit,  den  sie  durchbrechen,  dürften  aber  doch  zu  dem- 
selben in  einem  genetischen  Verhältnisse  stehen.  Nun   ist  es 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  227 

allerdings  nicht  ausgeschlossen,  daß  in  einigen  Pyroxeniten, 
wie  Weber  meint,  Nephelin  vorhanden  war,  aber  dieses 
Mineral  ist  in  den  Tiefengesteinen  des  Monzoni  äußerst  selten, 
die  einzigen  Nephelingesteine  am  Monzoni  sind  einzelne  Gang- 
gesteine, Camptonite  und  Allochetite,  in  welchen  aber  der 
Nephelin  auch  nicht  stark  verbreitet  ist. 

Die  Melaphyr-  und  Porphyritmassive  sind  am  Monzoni 
ebenfalls  selten,  während  sie  dagegen  bei  Predazzo  häufig 
sind;  es  sind  also  hier  die  basischen  Tiefengesteine  durch 
solche  Ergußgesteine  ersetzt,  wenngleich  die  letzteren  keinen 
so  basischen  Charakter  haben  wie  die  Tiefengesteine  des  Mon- 
zoni. Die  Masse  der  Ergußgesteine  von  Predazzo,  wie  sie  am 
Mulat,  Viezzena,  Feodale,  Dosso  Capello  auftreten,  ist  viel 
bedeutender  als  die  der  Monzonite;  meiner  Ansicht  sind 
Monzonite  und  Melaphyre  chemisch  ident  und  nur  durch 
die  Struktur  verschieden.  Geschmolzener  Monzonit  erstarrt 
als  Porphyrit,  respektive  Augitandesit. 

Das  Mittel  der  Melaphyre  und  Porphyrite  von  Predazzo 
wurde  von  Brögger  berechnet  aus  7  Analysen  (II),  K.  Fabian 
hat  aus  15  Analysen  ein  von  jenem  nicht  sehr  abweichendes 
Mittel  berechnet. 

Vergleichen  wir  die  Zahlen  Brögger's  mit  den  von  K. 
Fab  i  an  *  als  Mittel  für  die  Melaphyre  und  Porphyrite  erhaltenen, 
so  ist  der  Unterschied  kein  sehr  großer  (I);  unter  II  ist  das  von 
Brögger  für  Melaphyranalysen  berechnete. 

I  II 

Si08 50-37  49-14 

A1208....  18-04  17-06 

^••'j   9-14  9-68 

FeO ( 

MgO 4-50  5-51 

CaO 9-08  10-81 

Na^O 2-56  247 

K20 309  2-86 

H20 2-38  2-04 

1  Ober  einige  Porphyrite  und  Melaphyre  des  Fassa-  und  Fleimsertales. 
Graz,  1902. 

15* 


228  C.  Doelter, 

Indessen  muß  betont  werden,  daß  gerade  von  den  etwas 
mehr  sauren  Plagioklasporphyriten  nur  wenig  Analysen  exi- 
stieren, daß  dagegen  die  herangezogenen  Lemberg'schen  sich 
zumeist  auf  Gänge  beziehen,  die  also  nicht  maßgebend  sind. 

Brögger  hat  die  nicht  unwahrscheinliche  Hypothese  auf- 
gestellt, daß  die  Porphyrite  (Melaphyre)  das  effusive  Äquivalent 
der  Monzonite  seien. 

Gerade  das  Fehlen  der  größeren  Massen  von  basischen 
Tiefengesteinen  bei  Predazzo  im  Gegensatz  zu  Monzoni  weist 
darauf  hin,  daß  ein  basisches  Äquivalent  in  den  Melaphyren 
(Porphyriten)  zu  suchen  ist,  umsomehr  als  hier  größere,  am 
Monzoni  fehlende  Massen  sauren  Magmas  (Granite)  auftreten. 
Ein  strikter  Beweis  liegt  allerdings  bisher  nicht  vor,  da  ein 
direkter  Übergang  bisher  nicht  mit  Sicherheit  konstatiert 
wurde. 

Schwerer  verständlich  ist  bei  dieser  Hypothese,  wie  sich 
einerseits  Gesteine  vom  Typus  der  Tiefengesteine,  anderseits 
effusive  bilden  konnten;  die  einen  müßten  unter  großem  Druck, 
die  anderen  bei  geringem  erstarrt  sein;  das  würde  aber  vielleicht 
voraussetzen,  daß  sie  zu  verschiedenen  Epochen  entstanden 
sind.  Allerdings  sind  unsere  Erfahrungen  in  petrogenetischer 
Hinsicht  bezüglich  unter  hohem  Druck  erstarrter  Gesteine  sehr 
gering. 

Diese  Beziehungen  zwischen  Struktur  und  Druck  sind  noch 
zu  wenig  aufgeklärt.  Sehr  merkwürdig  ist  bei  den  Monzoniten 
das  wiederholt  konstatierte  Wechseln  der  Struktur,1  welches 
man  nicht  nur  bei  räumlich  voneinander  getrennten  Gesteinen, 
sondern  an  einem  und  demselben  Gang  beobachtet,  die  normale 
granitisch  körnige  Struktur  wird  bald  porphyrartig,  bald 
ophitisch.  Ähnliches  konstatiert  man  auch  bei  den  basischen 
Dioriten,  Gabbro  etc.  des  Monzoni. 

Man  müßte  annehmen,  daß  der  Druck  gewechselt  hat 
während  der  Eruption.  Unmittelbar  ist  es  aber  nicht  nur  der 
Druck  noch  die  Temperatur  gewesen,  welche  den  steten 
Wechsel  erzeugten,  sondern  ein  dritter  Faktor,  die  Anwesenheit 
der  Mineralisatoren  und  des  Wassers;  deren  Einfluß   auf  die 


i  Weber,  Zentralblatt,  1901. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  229 

Struktur  ist  noch  nicht  im  Detail  studiert,  aber  er  dürfte  sicher 
kein  geringer  sein.  Am  Monzoni  findet  auch  bezüglich  der 
Größe  des  Kornes  ein  steter  Wechsel  statt,  auch  bei  Predazzo; 
zum  kleinsten  Teil  ist  dies  auf  Veränderungen  durch  Erstarren 
in  der  Nähe  bereits  erkalteter  Massen  zurückzuführen,  da  z.  B. 
oft  gerade  am  Kalk  recht  grobkörnige  Gesteine  vorkommen 
und  größere  Gänge  feinkörnig  erscheinen. 

Nun  hängen  aber  die  Mengen  von  Wasser  und  der 
Mineralisatoren  ja  von  Druck  und  Temperatur  ab  und  daher 
sind  wir  gewohnt,  nur  diese  zu  berücksichtigen,  es  könnte 
jedoch  das  Verhältnis  obgenannter  Faktoren  auch  noch  von 
anderen  Ursachen  z.  B.  von  chemischen  Prozessen  und  der 
Temperatur  abhängen  und  daher,  ohne  daß  der  Druck  sich  zu 
verändern  brauchte,  Strukturunterschiede  eintreten.1 

Das  Stammagma  der  Predazzaner  Gesteine.  Es  ist 
immerhin  wahrscheinlich,  daß  das  Mittel  der  Predazzogesteine 
etwas  saurer  war  als  das  vom  Monzoni;  unter  den  Tiefen- 
gesteinen gibt  es  (abgesehen  vom  Granit)  saurere  als  am  Mon- 
zoni, es  kommen  bei  Predazzo  viel  mehr  Quarzmonzonite  mit 
57  bis  59%  Si02  vor,  dann  Augitsyenite,8  auch  die  typischen 
Monzonite  haben  einen  Si02 -Gehalt  von  54  bis  57%  nac^ 
v.  Huber  (Jahrb.  d.  geol.  R.  A.,  1900).  Ferner  fehlen  die  großen 
Massen  von  Pyroxenit  und  Gabbro,  die  nur  wenig  verbreitet 
sind.   (Man   könnte   noch   anführen,   daß  die  Porphyrite  vom 


i  Reyer  hatte  die  Hypothese  aufgestellt,  daß  die  Granite  sich  unter  dem 
Druck  des  Meerwassers  submarin  bildeten.  Nun  wissen  wir  heute,  daß  dies 
nicht  der  allgemeine  Fall,  sondern  daß  der  häufigere  der  der  lakkolithischen  oder 
batholithischen  Erstarrung  unter  dem  Druck  der  höheren  Schichten  sich  voll- 
ziehende. Es  wäre  von  Interesse  zu  erfahren,  welches  der  Minimaldruck  ist,  der 
notwendig  wäre,  um  die  Struktur  der  Granite  zu  erzeugen.  Nebenbei  möchte 
ich  die  Bemerkung  machen,  daß  der  Granit  bei  Predazzo  am  Südabhang  des 
Mulatto  schon  bei  1300  m,  also  auch  in  tieferen  Schichten  bereits  feinkörnig  ist, 
also  nicht  nur  am  Kontakt.  Ich  vermute,  daß  der  Granit  von  Mulatto  keinem 
sehr  hohen  Druck  unterworfen  war,  sonst  könnte  er  auch  wohl  nicht  Glasein- 
schlüsse fuhren.  Bei  diesem  Vorkommen  wäre  daher  Reyer*s  Ansicht  nicht 
ungerechtfertigt,  wenngleich  sie  jetzt  weniger  wahrscheinlich  erscheint. 

8  Der  Augitsyenit  südlich  der  Gardonealpe  hat  nach  einer  unveröffent- 
lichten Analyse  von  Dr.  Ippen  zirka  60  °/0  Si09.  (Dieses  Gestein  darf  nicht 
mit  dem  in  der  Nähe  befindlichen  Monzonit  von  52  %  Si02  verwechselt 
werden,  was  Romberg  1.  c,  S.  30  tat.) 


230  C.  Doelter, 

Mulatto  saurer  sind  als  die  vom  Monzoni.)  Freilich  liegen  von 
den  Predazzotiefengesteinen  noch  zu  wenig  Analysen  vor,  um 
sicheres  sagen  zu  können,  aber  die  Wahrscheinlichkeit,  daß 
das  Magma,  welches  die  Predazzogesteine  lieferte,  etwas 
saurer  war,  ist  vorhanden. 

Ein  Mittel  für  Predazzo  läßt  sich  viel  schwerer  berechnen, 
weil  es  viel  schwerer  ist,  die  Massen  der  einzelnen  Gesteine  zu 
schätzen,  und  auch  deshalb,  weil  die  chemische  Zusammen- 
setzung der  Melaphyrmassive  nicht  genügend  bekannt  ist,  da 
die  meisten  Analysen  sich  auf  kleinere  Gänge  beziehen.  Es  ist 
auch  schwer  zu  sagen,  ob  alle  Melaphyre  zeitlich  mit  den 
Eruptionen  der  Tiefengesteine  zusammenhängen,  ob  nicht 
einzelne  ersterer  viel  älter,  manche  gar  jünger  sind,  z.  B.  die 
Cornongesteine. 

All  dieses  erschwert  eine  Berechnung.  Der  von  mir 
gemachte  Versuch  kann  also  nur  ganz  annähernde  Resul- 
tate liefern.  Ich  habe  nun  nach  der  Karte  die  von  den  einzelnen 
Gesteinen  eingenommenen  Areale  geschätzt  und  unter  Berück- 
sichtigung der  Höhen  würde  man  ungefähr  für  Granit,  Mon- 
zonit  und  Melaphyr  das  Verhältnis  1:2*5:8  erhalten,  dabei 
sind  die  Cornongesteine  in  die  Rechnung  nicht  einbezogen 
worden. 

Berechnet  man  nun  nach  dem  oben  angegebenen  Verhält- 
nisse die  Mittelzahien  für  Granit,  Monzonit,  Porphyrit,  Mela- 
phyr, so  erhält  man  nachstehende  Zahlen.  Das  Mittel  der  Mela- 
phyre ist  nach  K.  Fabian  angenommen,  das  der  Granite  aus 
den  vorhandenen  fünf  Analysen  berechnet  und  für  die  Mon- 
zonite  die  Brögger'schen  Werte  eingesetzt  worden. 

Mittel  der        Mittel  der  Mittel  der 

Melaphyre  Granite  Monzonite 

SiOt 50-37  70-94  55*88 

A1208....  18-04  14-60  18-77 


Fe203< 
FeO 


9-14  3-25  8-20 


MgO  ....   4-50  0-51  2-01 

CaO 9-08  0-76  7-  — 

NagO  ....  2-56  2-98  3-17 

K20 3-09  6-39  3-67 

H20 2  38  0-87  1-25 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  231 

Unter  Berücksichtigung  der  angegebenen  Zahlen  für  diese 
Massen,  die  allerdings,  wie  ich  ausdrücklich  betone,  sehr 
dehnbar  sind,  erhielt  ich  nun  nachstehendes  Mittel  für  das 
Magma. 

Si02 53-44 

A1208 17-9 

£<?:::{•■« 

MgO 3-51 

CaO 7*94 

Na20 2-76 

K20 3-48 

H20 1-88 

Wie  man  sieht,  entsprechen  diese  Zahlen  auch  der 
Zusammensetzung  eines  Monzonites,  und  wenn  sie  auch 
im  Detail  anfechtbar  sind,  so  ist  das  Interessante  dabei  doch 
das,  daß  das  Magma  bei  Predazzo  wie  am  Monzoni  ein  mon- 
zonitisches  ist,  an  ersterem  Orte  ein  saureres  als  an  letzterem. 

Stammen  nun  die  Monzonigesteine  einerseits,  die  von 
Predazzo  anderseits  aus  demselben  Magma?  Bei  der  großen 
Ähnlichkeit  des  Hauptgesteins  sowohl  wie  auch  aller  Typen 
(die  Nephelingesteine  etwa  abgesehen)  ist  dies  zu  vermuten; 
man  ist  allerdings  früher  in  der  Schätzung  dieser  Ähnlichkeit  zu 
weit  gegangen  und  hat  ohneweiters  die  Gesteine  völlig  identi- 
fiziert, z.  B.  auch  die  in  kleinen  Gängen  vorkommenden  grani- 
tischen Gesteine  des  Monzoni  als  aus  dem  Predazzoherde 
stammend  dargestellt,  dieMonzonite  beider  Lokalitäten  alsident 
betrachtet,  trotzdem  z.  B.  der  Kalkgehalt  und  Alkaliengehalt 
beider  doch  verschieden  zu  sein  scheint,  wie  sich  denn  alle 
Monzonigesteine,  sogar  der  saure  Syenitporphyr  der  Costella 
durch  höheren  Kalkgehalt  auszeichnen.  Immerhin  wird  man  zu 
dem  Resultate  gelangen,  daß  die  Stamm agmen  ähnlich  sind  und 
beide  einen  gemeinschaftlichen  Ursprung  haben. 

Bezüglich  des  Kalkgehaltes,  welcher  in  allen  Monzoni- 
gesteine n  ein  sehr  hoher  ist,  habe  ich  bereits  früher  ausge- 
sprochen, daß  das  Einsinken  vieler  Kalkschollen  in  das  Magma 
nicht  ohne  Einfluß  geblieben  sein  kann. 


232  C.  Doelter, 

Man  könnte  auch  auf  die  Idee  kommen,  daß  ein  Magma 
wie  das  von  Predazzo  sich  in  ein  basisches  Monzonimagma 
und  in  saures  Astamagma  gespalten  habe.  Solche  Berechnungen 
sind  aber  sehr  hypothetisch,  um  so  mehr,  als  die  Cima  d'Asta- 
gesteine  chemisch  wenig  bekannt  sind  und  Berechnungen  der 
Massen  äußerst  unsicher  sind.  Noch  weiter  zu  gehen  und  die 
übrigen  südtiroler  eruptiven  Bildungen  ebenfalls  ihrer  Zu- 
sammensetzung und  Masse  nach  in  Rechnung  zu  ziehen,  wie 
es  Brögger  getan  hat,1  scheint  mir  denn  doch  vorläufig  von 
äußerst  problematischem  Nutzen. 

Die  Kontakt  Wirkungen.  —  Eine  gewisse  Beziehung 
zwischen  Differentiation  und  Kontaktwirkung  ist  schon  von 
Brögger  wahrscheinlich  gemacht  worden.  Die  Mineralien,  die 
im  Kontakt  erscheinen,  sind  zumeist  die  Mineralbestandteile: 
Olivin,  Fassait,  Augit,  Magnetit,  Anorthit,  Labrador,  Biotit,  teil- 
weise aber  sind  sie  aus  der  Einwirkung  auf  das  Nebengestein 
und  durch  den  Einfluß  des  Kalkes  entstanden:  Idokras,  Brucit 
(aus  Periklas),  Granat,  Spinell. 

Was  nun  die  an  den  Fundstätten  auftretenden  Gesteine 
anbelangt,  so  ist  daran  sowohl  der  Monzonit  als  der  Syenit, 
Gabbro  und  Pyroxenit  beteiligt. 

Bezüglich  der  Kontaktverhältnisse  der  Eruptivgesteine  hat 
Lemberg  zahlreiche  chemische  Untersuchungen  ausgeführt, 
die,  trotzdem  aus  seinen  Beschreibungen  nicht  immer  sicher  zu 
erkennen  ist,  um  welches  Gestein  es  sich  handelt,  respektive 
wie  diese  jetzt  zu  benennen  wären,  durch  die  vielen  Analysen 
immer  noch  als  sehr  wertvoll  gelten  müssen.  Weber*  hat 
anderseits  viele  Schliffe  von  Kontaktgesteinen  an  der  Ostseite 
des  Monzoni  untersucht,  leider  ohne  chemische  Analysen. 

Eine  Untersuchung  der  Kontakte  mit  Zuhilfenahme  von 
Analysen,  namentlich  auch  von  Mineralien,  wird  noch  manches 
Neue  zutage  fördern. 

Zu  den  früher  bekannten  Kontaktmineralien  ist  noch  hin- 
zuzufügen der  Perowskit,  auf  welchen  Weber  aufmerksam 
machte,  der  wohl  nur  in  kleinen,  mit  freiem  Auge  gerade  noch 

i  L.  c,  s.  158. 

*  Die  Kontaktverhältnisse  vom  Monzonital  nach  Allochet.  Würz- 
burg, 1899. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  233 

sichtbar,  selten  in  etwas  größeren  auftritt.  Weber  erwähnt  noch 
ein  dem  Dysanalyt  ähnliches  Mineral. 

Ein  Mineral,  welches  am  Kontakt  häufig  auftritt,  ist  der 
Titanit,  welcher  sonst  in  Monzonigesteinen  nicht  gerade  häufig 
auftritt;  nur  in  einzelnen  Kontaktgesteinen  tritt  er  in  größeren 
Mengen  auf,  so  südlich  vom  Le  Seile- See,  am  Fuggeritfundort, 
in  den  syenitischen  Gesteinen  des  Palle  rabbiose. 

Auch  das  von  mir  erwähnte,1  sehr  titanitreiche  monzoni- 
tische  Gestein  zwischen  Palle  rabbiose  liegt  zwar  nicht  un- 
mittelbar am  Kontakt,  aber  in  der  Nähe  des  Kalkes. 

Über  das  Verhalten  des  Augits  hat  Weber  berichtet. 
Spinell  erscheint  sehr  häufig  in  den  Kalken,  vollkommene 
Spinellisierung  der  Gesteine  scheint  hauptsächlich  bei  kleineren 
Gängen  aufzutreten.  Hämatit  scheint  nur  sehr  vereinzelt  in  den 
Kontaktgesteinen  aufzutreten. 

Korund  erscheint  äußerst  selten,  ebenso  ist  der  Zirkon 
nicht  häufig;  beide  finden  sich,  wie  früher  (I.  Teil,  S.  971)  ange- 
geben, am  Pizmedakamm.  Weber  erwähnt  ihn  von  Allochet 
mit  Sillimanit. 

Zur  Karte  des  Monzoni. 

Eine  petrographische  Karte  des  Monzoni,  auf  welcher  alle 
Varietäten  zur  Ausscheidung  gelangen  würden,  ist  derzeit 
schon  mit  Rücksicht  auf  die  mangelhafte  topographische  Unter- 
lage unmöglich;  der  Maßstab  von  1 :  25.000  wäre  dazu  auch 
ungenügend,  aber  selbst  bei  dem  von  mir  früher  1875  ange- 
wandten Maßstabe  von  1:  12.500  müßte  vor  allem  eine  genaue 
Karte  des  Gebirges  vorhanden  sein;  außerdem  ist  aber  ein 
Teil  des  felsigen  Gebirges  überhaupt  nicht  zugänglich.  Es  ist 
also  nur  möglich,  die  Haupttypen  auszuscheiden,  aber  immer 
nur  die  vorherrschenden,  da  in  einer  Distanz  von  100  m  oft  ein 
acht-  bis  zehnfacher  Gesteinswechsel  eintritt. 

Von  einer  Ausscheidung  der  verschiedenen  Gesteinsarten 
habe  ich  aus  diesen  Gründen  abgesehen;  die  mangelnde  topo- 
graphische Unterlage  ist  auch  die  Ursache,  welche  mich  bewog, 


i  Tscherm.  Min.  Mitt.,  XXI. 


234  C.  Doelter, 

eine  Reproduktion  im  Maßstabe  1:12.500  zu  unterlassen,  da  auf 
meiner  alten  Karte  infolge  von  unrichtigen  Höhenangaben  (ins- 
besondere am  Mal  Inverno)  die  Höhenkoten  nicht  ganz  richtig  sind 
und  eine  Korrektur  eben  nicht  möglich  war;  es  wäre  allerdings 
noch  der  Ausweg  geblieben,  die  jetzige  Generalstabskarte  zu 
vergrößern,  aber  es  wären  dann  die  Fehler  ebenfalls  vergrößert 
worden.  Zu  einer  solchen  Karte  im  großen  Maßstabe  fehlt  noch 
das  topographische  Material  und  kann  erst  nach  Vollendung 
der  neuen  Karte  mit  den  nötigen  Höhenmessungen  erhalten 
werden. 

So  blieb  nichts  übrig,  als,  abgesehen  von  den  Gang- 
gesteinen, nur  die  sauren  und  basischen  Tiefengesteine  zu 
sondern,  wobei  aber  weder  die  im  Gebiete  der  letzteren  vor- 
kommenden sehr  häufigen  Monzonite  noch  die  innerhalb  der 
Monzonite  allerdings  weit  seltener  erscheinenden  kleineren 
Gänge  von  Gabbro  und  Pyroxenit  besonders  verzeichnet  werden 
konnten.  Es  wurden  daher  auf  der  Karte  ausgeschieden  vor- 
wiegend Monzonit,  d.  h.  hauptsächlich  Monzonit  mit  unter- 
geordnetem Diorit,  Gabbro,  Pyroxenit,  und  vorwiegend 
basischeGesteine,  also  Gabbro,  Diorit,  Gabbrodiorit  (Gabbro- 
diabas),  Pyroxenit  mit  untergeordneten  Einlagerungen  von 
Monzonit. 

Die  im  Verbände  des  Monzonits  auftretenden  Syenite  und 
sauren  Quarzmonzonite  konnten  nicht  speziell  ausgeschieden 
werden.  Sie  sind  namentlich  an  der  Südwestecke  und  im  Toal 
della  Foya  vorherrschend,  auch  am  Palle  rabbiose.  Es  wurden 
Monzonite  und  diese  Syenite  zusammengezogen. 

Unter  Melaphyr  sind  zu  verzeichnen  eigentliche  Mela- 
phyre  und  Plagioklasporphyrite  sowie  Augitporphyrite. 
Die  mit  den  Plagioklasporphyriten  verwandten  Allochetite 
werden  mit  der  Farbe  des  Melaphyrs  bezeichnet,  aber  durch  ein 
A  hervorgehoben. 

Die  ganz  seltenen  Liebeneritgänge  konnten  nicht  besonders 
getrennt  werden. 

Die  Serpentingänge,  die  am  Predazzitbruch  bei  Le  Seile 
vorkommen,  wurden  mit  derselben  Farbe  wie  die  Peridotite 
bezeichnet,  obgleich  sie  wohl  eine  andere  Entstehungsart  haben 
dürften. 


Der  Monzoni  und  seine  Gesteine.  235 

Camptonite  Monchiquite  und  Rizzonite  wurden  zusammen- 
gezogen, auch  wurden  die  jüngeren  Granite,  Quarzsyenite, 
Syenite,  Feldspatite  vereinigt,  ebenso  wurden  Monzonitporphyre 
und  die  kersantitähnlichen  Monzonite  zusammengezogen. 

Den  graugrünen,  S.  173,  erwähnten  Dioritporphyr  von 
Allochet  habe  ich  aus  dem  Quarzporphyr  besonders  ausge- 
schieden und  als  dioritischen  Porphyr  bezeichnet.  Die  an  der 
Porphyrgrenze  auftretenden  Quarzite  und  Porphyrtuffe  wurden 
nicht  vom  Porphyr  und  Quarzporphyrit  getrennt. 


236  C.  Do  elter,  Der  Monzoni  und  seine  Gesteine. 


Tafelerklärung. 


A. 
Das  Melaphyrgangmassiv  bei  Cadin  bei. 

B. 
Das  oberste  Pizmedatal  mit  den  Durchbrüchen  von  Melaphyr  und  dem 
Kalkmonzonitkontakt :   1  Kalk,  2  Melaphyr,  3  Monzonit. 


Der  Kontakt  zwischen  Kalkstein    und  Monzonit  am  Westabhang  des 
Pizmedatales. 

X  X  Eingeklemmte  Kalkschollen  mit  den  Mineralfundstätten. 

D. 

Melaphyrstrom,  blocklavaähnlich,  in  der  untersten  Pizmedaschlucht. 


C.  Doelter:  Der  Monzoni  und  seine  Gesteine. 

A 


Tafel  I. 


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Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXII,  Abt.  I,  1903. 


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237 


Über  einige  melanokrate  Gesteine  des  Monzoni 

von 

K.  Went. 

(Mit  1  Tafel  und  6  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  10.  Februar  1903.) 

Einleitung. 

In  den  Jahren  1901  und  1902  begleitete  ich  Herrn  Prof. 
Dr.  Cornelio  Do  elter  auf  einem  Teile  seiner  Exkursionen  im 
Fassaner  und  Fleimser  Eruptivgebiet.  Namentlich  war  es  der 
Monzonistock,  der  im  Sommer  1902  eifrig  begangen  wurde, 
und  von  den  dort  gesammelten  Gesteinen  wurden  von  Herrn 
Prof.  Doelter  diejenigen  zur  Bearbeitung  mir  übergeben,  die 
dem  melanokraten  Typus  angehören. 

Doch  wurden  auch  Gesteine  anderer  örtlichkeiten,  vom 
Pordoi,  von  Forno  und  der  Predazzaner  Gegend  zum  Vergleiche 
herangezogen. 

Die  von  mir  untersuchten  Gesteine  gehören 
A  zur  Melaphyrgruppe  und 
B  zur  Camptonitgruppe. 

Zur  Gruppe  A.  wurden 

1.  die  eigentlichen  Melaphyre  als  Strom-  und  Gang- 
gesteine, 

2.  die  Plagioklasporphyrite  und 

3.  die  Diabas porphy rite 
gerechnet. 

An  diese  Gruppe  sind  Plagioklasporphyrite  anzureihen, 
die  einen  Übergang  zu  den  Kersantiten  einerseits  und  zu  den 
Monzonitporphyren  anderseits  darstellen. 


238  K.  Went, 

In  die  Gruppe  B  wurden  eingereiht: 

1.  Camptonite, 

2.  Monchiquite, 

3.  Rizzonite  und  deren  Übergänge. 

Daß  nicht  behauptet  werden  kann,  es  seien  sämtliche 
existierende  Gänge  des  Monzonistockes  aufgefunden  worden, 
ist  bei  der  Zerklüftung  des  Terrains  und  der  Schwierigkeit,  es  zu 
begehen,  selbstverständlich.  Es  kann  somit  diese  Arbeit  auf 
Vollzähligkeit  der  Gänge,  namentlich  jener,  die  der  Gruppe  B 
angehören,  keinen  Anspruch  erheben. 

Es  seien  nun  einige  Bemerkungen  zur  Charakterisierung 
der  Einteilung  angereiht  und  jene  Gesichtspunkte  besonders 
betont,  von  welchen  aus  obige  Einteilung  getroffen  wurde. 

Bei  der  Erwägung,  ob  ein  Gestein  den  eigentlichen  Mela- 
phyren  beigezählt  werden  oder  den  Plagioklasporphyriten 
zugesellt  werden  sollte,  mußte  zuerst  die  Überlegung  voran- 
gehen, ob  wirklich  die  An-  oder  Abwesenheit  des  Olivins  das 
entscheidende  Kriterium  bilden  sollte. 

In  den  Bemerkungen  über  die  Trennung  von  Melaphyr 
und  Augitporphyr  führt  v.  Richthofen1  als  bestimmende 
Gemengteile  des  Melaphyrs  den  Feldspat,  den  Augit  und  die 
Hornblende  auf,  tat  jedoch  des  Olivins  als  wesentlichen  Gemeng- 
teiles keine  Erwähnung.  Ebensowenig  nannte  Tschermak* 
unter  den  wesentlichen  Gemengteilen  des  Melaphyrs  den 
Olivin.  Auch  von  Doelter3  wurde  dieses  Mineral  nur  zu  den 
untergeordneten  Bestandteilen  des  Melaphyrs  gezählt,  ihm  also 
keine  besondere  Wichtigkeit  beigemessen. 

Erst  Rosenbusch4  war  es,  der,  gestützt  auf  die  Arbeit 
Haarmann's  und  anderer,  seine  bekannte  Definition,  der 
Melaphyr  sei  die  porphyrartige  Ausbildung  der  Olivindiabase, 
er  sei  ein  älteres  Gestein,  das  wesentlich  aus  Plagioklas,  Augit 
und   Olivin    und    einer    irgendwie    gearteten   Basis   bestehe, 


1  Erschienen  in  den  Sitzungsber.  der  königl.  Akademie  der  Wissensch., 
XXXIV,  1859. 

2  Die  Porphyrgesteine  Österreichs.  Wien  1863. 

3  Über  die  mineralogische  Zusammensetzung  der  Melaphyr-  und  Augit- 
porphyre  Südtirols,  1875. 

4  Rosenbusch,  Massige  Gesteine,  1877. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  239 

aufstellte.  Er  führte  also  zuerst  den  Olivin  als  wesentlichen 
Bestandteil  des  Melaphyrs  ein.  Diese  Definition  wurde  denn 
auch,  wie  Rosenbusch1  selber  bemerkt,  ziemlich  allgemein 
angenommen.  Doch  zog  er  den  Vorschlag,  daß  der  Schwerpunkt 
des  Melaphyrbegriffes  im  Olivin  gelegen  sei,  wieder  zurück 
und  meinte,  es  sei  gut,  bei  Erkennung  des  Melaphyrs  sich  von 
der  mineralogischen  und  chemischen  Zusammensetzung  des 
Gesteines  leiten  zu  lassen.  Es  gibt  also  nach  obigem  Verfasser 
olivinfreie  und  solchen  führende  Melaphyre. 

Doch  hat  K.  Fabian a  den  Vorschlag  Rosenbusch'  1877 
in  seiner  Arbeit  beibehalten  und  den  Olivin  bei  genügendem 
Augitreichtum  des  Gesteins  als  Kriterium  zwischen  Melaphyr 
und  Plagioklasporphyrit  beibehalten;  dasselbe  tat  Ippen.8  Er 
rechnete  Gesteine  mit  vorherrschendem  Plagioklas  deshalb  nicht 
zu  den  Melaphyren,  weil  diesen  der  Olivin  fehlte,  und  nannte 
die  olivinfreien Gesteine Plagioklasporphyrite.  Auch  Romberg4 
scheint  nach  dem  Olivingehalt  beide  Typen  getrennt  zu  haben, 
wenn  er  sich  auch  nicht  klar  darüber  ausspricht.  Denn  er  sagt  im 
Abschnitt  über  Plagioklasaugitporphyrite  und  Melaphyre:  »es 
lassen  sich  nach  dem  Olivingehalte  zwei  Hauptgruppen  auf- 
stellen« und  weiter  unten  im  selben  Abschnitte:  »die  Zusammen- 
setzung der  Plagioklasaugitporphyrite  ist,  abgesehen  vom 
Olivingehalte,  die  gleiche  der  Melaphyre«. 

Ich  kann  mich  nunmehr  diesem  letzteren  Teilungsprinzipe 
nicht  voll  anschließen,  da  es  doch  bei  der  innigen  Verwandt- 
schaft zwischen  beiden  Gesteinen  ein  mehr  künstliches  ist  und 
daher  wenig  klassifikatorischen  Wert  besitzt,  wenn  es  auch 
eine  gute  Trennung  beider  Typen  zuließe,  und  glaube  annehmen 
zu  dürfen,  daß  es  ebensogut  olivinfreie  wie  olivinführende 
Melaphyre  gibt,  gleichviel  ob  letztere  Melaphyre  olivinarm  oder 
oiivinreich  seien. 

Es  ist  nun  natürlich,  daß  Porphyrite,  in  welchen  lediglich 
der   den    anderen    Konstituenten    gegenüber    ausgesprochen 


1  Rosenbusch,  Massige  Gesteine,  1896. 

2  Konrad  Fabian,  Über  einige  Porphyre  und  Melaphyre  des  Fassa-  und 
Fleimsertales,  1902. 

8  Über  einige  Ganggesteine  von  Predazzo,  1902. 

4  Geol.-petrographische  Studien  im  Gebiete  von  Predazzo,  I  und  II,  p.  6. 


240  K.  Went, 

porphyrische  Plagioklas  der  Hauptgemengteil  ist,  in  denen  der 
Augit  gegen  den  Feldspat  zurücktritt  und  —  jedoch  in  geringster 
Menge  —  Olivin  vertreten  ist,  doch  noch  als  Plagioklasporphyrite 
zu  bezeichnen  sind.  Unterscheidende  Merkmale  zwischen 
beiden  Gesteinsarten  sind  jedenfalls  das  Verhältnis  des  Olivins 
zu  den  anderen  Konstituenten  und  dieser  zueinander,  sicher 
die  Struktur  und  im  Zusammenhalte  mit  den  übrigen  Gemeng- 
teilen die  chemische  Zusammensetzung. 

Die  Lagerungsformen  der  Melaphyre  sind  Ströme  von 
ziemlicher  Dimension,  z.  B.  der  von  der  Punta  Valaccia, 
westlich  Cadin  brut  in  das  Pellegrintal,  und  Gänge.  Auf  erstere 
wie  letztere  wird  bei  der  besonderen  Beschreibung  unten  näher 
eingegangen. 

Interessant  ist  die  Tatsache,  daß  den  Strommelaphyren 
weit  mehr  glasige  Grundmasse  zukommt  als  den  Gang- 
melaphyren. 

Daß  der  Melaphyrgruppe  die  Diabasporphyrite  eingereiht 
wurden,  erscheint  wohl  selbstverständlich. 

In  Betreff  jener  Plagioklasporphyrite,  die  Übergänge  zu 
den  Kersantiten  einerseits  und  anderseits  zu  den  Monzonit- 
porphyren  darstellen,  bestand  ursprünglich  die  Absicht,  sie 
der  Melaphyrgruppe  einzureihen;  diese  Absicht  wurde  jedoch 
fallen  gelassen,  da  es  das  weiter  unten  gegebene  mikro- 
skopische Bild  nicht  zuließ.  Eine  eigentliche  Grundmasse  fehlt 
diesen  Plagioklasporphyriten  beinahe  stets,  die  Zwischenräume 
zwischen  den  Plagioklasen  sind  ganz  von  Biotit  erfüllt:  diese 
Gesteine  vermitteln  den  Übergang  zu  den  Kersantiten.  Jene 
Plagioklasporphyrite,  die  außer  Biotit  auch  noch  Orthoklas 
als  Nebengemengteil  führen,  stellen  den  Übergang  zu  den 
Monzonitporphyren  dar.  Durch  sie  würde,  was  sehr  interessant 
ist,  eine  allmähliche  Übergangsreihe  von  den  Mela- 
phyren  zu  den  Monzoniten  hergestellt  sein.  Schon 
Ippen1  erwähnte  bei  der  Beschreibung  des  Monzonitporphyrs 
vom  Mulattogipfel,  daß  dieses  Gestein  durch  die  vorherrschen- 
den Plagioklase  und  den  grundmasseartigen  Charakter  des 
Orthoklases   eine  Annäherung   zu  den  Plagioklasporphyriten 

1  L.  c.  p.  51. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  24 1 

eintrete.  Ich  habe  dieses  Gestein  mit  meinen  Plagioklas- 
porphyriten  verglichen  und  in  der  Tat  eine  makroskopisch 
wie  mikroskopisch  überraschende  Ähnlichkeit  gefunden. 

Gruppe  B. 

Von  Hawes1  wurden  gangbildende  Gesteine  beschrieben, 
die,  aus  Plagioklas  und  einer  sehr  stark  pleochroitischen  basal- 
tischen Hornblende  nebst  einer  braunen  Hornblende  bestehend, 
nach  ihrem  Vorkommen  Camptonite  genannt  wurden.  Rosen- 
busch2 nannte  unter  den  Hauptgemengteilen  seiner  Camptonite 
die  barkevikitische  Hornblende,  Augit,  Feldspat  nebst  akzessori- 
schem Olivin.  Er  stellte  die  Forderung  auf,  daß  die  barkevikitische 
Hornblende  ein  Hauptgemengteil  sein  müsse.  Bei  der  Unter- 
suchung der  mir  zugewiesenen  Gesteine  ergab  sich  nun  die 
Notwendigkeit,  den  Camptonitbegriff  im  ursprünglichen  Sinne 
zu  gebrauchen  und  ein  Gestein  auch  dann  noch  als  Camptonit 
zu  bezeichnen,  wenn  es  auch  nur  basaltische  Hornblende 
enthält.  Romberg8  beobachtete  ebenfalls  Camptonite,  die 
außer  der  barkevikitischen  Hornblende  noch  eine  zweite 
grünlichbraune,  in  schlierenartigen  Gebilden  auftretende  Horn- 
blende enthielten. 

Nach  Rosenbusch*  sind  nun  jene  Camptonite,  die  eine 
glasige  Basis  besitzen,  als  Monchiquite  zu  bezeichnen,  er  gibt 
aber  zu,  daß  Camptonite  und  Monchiquite  durch  viele  Über- 
gänge miteinander  verbunden  sind.  Schon  aus  diesem  Grunde, 
dann  auch  deshalb,  weil  beide  Gesteine  strukturell  nur  wenig 
verschieden  sind,  glaube  ich,  daß  diese  Einteilung  keinen 
besonderen  Wert  besitzt,  daß  sie  eine  mehr  gekünstelte  ist.  Ich 
behalte  sie  aber  doch  der  Übereinstimmung  halber  bei. 

Letztgenannter  Autor  unterschied  Amphibolcamptonite, 
Biotitcamptonite  und  Amphibolbiotitcamptonite,  weiters  eben- 
solche Monchiquite.  Zu  diesen  Arten  kamen  durch  Romberg5 

1  Hawes,  Mine  ralogy  and  lithotogyofNew-Hampshire.Concord  1878,160. 

2  Massige  Gesteine,  1896. 

3  L.  c.  II,  p.  53. 

*  Massige  Gesteine,  1896. 

&  Romberg,  Geologisch-petrographische  Studien  im  Gebiete  von 
Predazzo,  II,  53.  Königl.  preußische  Akademie  der  Wissenschaften,  Sitzungs- 
bericht XXXII. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  1 6 


242  K.  Wcnt, 

Augitcamptonite,  Augitamphibolcamptonite,  endlich  ebensolche 
Monchiquite.  Was  nun  Romberg  unter  diesen  neuen  Typen 
versteht,  ist  sehr  unklar,  da  selbst  eine  kurze  Beschreibung 
seinerseits  unterblieb,  eine  Beschreibung,  die  doch  unbedingt 
notwendig  gewesen  wäre.  In  meiner  Arbeit  werden  jene 
Camptonite  (Monchiquite)  als  Augitcamptonite,  beziehungsweise 
Monchiquite  bezeichnet,  bei  welchen  der  Augit  die  Hornblende 
an  Menge  übertrifft,  mindestens  aber  ihr  gleichkommt.  Unter 
den  aufgesammelten  Gesteinen  fanden  sich  auch  solche,  die 
zwar  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  den  Monchiquiten  auf- 
weisen, die  aber  infolge  der  Abwesenheit  des  Feldspates  und 
infolge  des  Umstandes,  daß  nur  Augit  nebst  Olivin  als  Haupt- 
gemengteile auftreten,  nicht  als  Monchiquite  anzusprechen 
sind.  Für  diesen  Typus  wurde  von  Herrn  Prof.  Dr.  C.  Do  elter 
der  NameRizzonit  vorgeschlagen.  Die  ausführliche  Beschreibung 
folgt  unten. 

Bemerkenswert  ist  die  unter  dem  Mikroskope  evident  zu- 
tage tretende  strukturelle  Ähnlichkeit  mit  dem  Weiselbergit. 
Von  diesem  Gestein  unterscheidet  sich  der  Rizzonit  durch  das 
Fehlen  des  Feldspates  und  durch  eine  bedeutende  Divergenz 
bezüglich  der  chemischen  Zusammensetzung,  wie  später  zu 
zeigen  sein  wird.  Derselbe  Unterschied  liegt  den  Augit- 
porphyriten  gegenüber  vor.  Dagegen  ist  die  Ähnlichkeit  der 
Rizzonite  mit  den  feldspatarmen,  zugleich  augitreichen  Mela- 
phyren  eine  nicht  zu  leugnende. 

Nach  Rosenbusch *  würden  alle  Gesteine  vomCamptonit- 
typus  als  Ganggefolge  zu  den  foyaitischen  und  theralitischen 
Tiefengesteinen  gehören;  diese  Ansicht  scheint  für  die  Camp- 
tonite des  Monzonistockes  nicht  zu  passen,  da  sie  niemals  in 
Begleitung  obiger  Gesteine  auftreten  und  ihnen,  wenn  nicht 
stets,  so  doch  beinahe  immer  jeglicher  Nephelingehalt  zu  fehlen 
scheint.  Es  ist  endlich  auch  auffallend,  daß  im  Gegensatze  zur 
Predazzaner  Gegend  im  Monzonigebiete  die  Zahl  der  eigent- 
lichen Camptonite  im  Vergleiche  zu  den  Monchiquiten  und 
den  übergangen  zwischen  beiden  sehr  gering  ist. 

i  1896,  1.  c.  p.  536. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  243 

Bei  der  Untersuchung  eines  Gesteines  von  Palla  verde, 
das  schon  Ippen1  als  Camptonit  beschrieb,  stellte  sich  beim 
Vergleich  mit  dem  Schliff,  den  Ippen  untersuchte,  eine 
ziemliche  Verschiedenheit  heraus,  die  nur  so  erklärt  werden 
kann,  daß  man  annimmt,  beide  Proben  rühren  zwar  vom  selben 
Fundorte  her,  stammen  aber  von  verschiedenen  Zonen  des 
Ganges.  Auch  Romberg2  erwähnt  diese  Tatsache,  daß  der 
Bau  eines  Ganges  durchaus  nicht  gleichartig  sei,  » ...  je  nach 
der  Entnahme  des  Schliffsplitters  aus  der  feinkörnigen  Gang- 
mitte oder  dem  dichten  Saalbande  würde  die  Nomenklatur 
verschieden  ausfallen,  da  in  der  Randfacies  die  Basis  und  die 
älteren  Ausscheidungsprodukte  vertreten  sind«.  Das  ist  eine 
Tatsache,  die  auch  durch  die  gesteinssynthetischen  Versuche 
bestätigt  wird,  wo  ja  auch  das  Bild  der  Randzone  und  des 
Zentrums  der  Schmelze  wesentlich  verschieden  ist,  wo  an 
verschiedenen  Stellen  eines  Schliffes  große  mineralogische 
Verschiedenheiten  sich  ergeben.3 

Zur  Physiographie  der  Bestandteile. 

In  den  zu  behandelnden  Gesteinen  sind  trikliner  Feldspat, 
Augit,  Hornblende,  Magnetit,  Olivin  und  teilweise  Biotit  die 
Hauptgemengteile;  untergeordnet  beteiligen  sich  Chlorit,  Ortho- 
klas, Apatit  am  Aufbaue.  Sekundäre  Produkte  sind  Calcit, 
Delessit,  Seladonit,  Serpentinsubstanz  und  teilweise  Chlorit. 

Der  Feldspat  ist  meist  ein  Labrador,  seltener  ein  Oligoklas, 
Bytownit  oder  Anortit.  Sehr  häufig  lassen  sich  in  ein  und 
demselben  Gesteine  Feldspate  zweier  Bildungsperioden  nach- 
weisen, Einsprengunge  und  Grundmassefeldspate.  Die  Form  der 
Durchschnitte  ist  namentlich  in  den  Plagioklasporphyriten  eine 
breitleistenförmige,  doch  kommen  bei  Melaphyren,  Camptoniten 
und  Diabasporphyriten  auch  äußerst  schmale  Leisten  vor. 
Zonarer  Bau  der  Feldspatindividuen,  eine  oft  mit  diesem  Baue 
Hand  in  Hand  gehende  undulöse  Auslöschung,  sowie  eine 
zonare  oder  zentrale  Anordnung  von  Einschlüssen  sind  eine 


i  L.  c.  p.  u. 
2  L.  c.  II,  p.  52. 

8  Siehe  C.  Do  elter,  Löslichkeit   der  Mineralien  im   Magma.  Tscherm. 
Min.  Mitteil.,  XXI.  1901,  p.  312. 

16* 


244  K.  Went, 

häufige  Erscheinung.  Chlorit,  Magnetit,  Apatit,  Glas  und 
Grundmasse  sind  die  Einschlußmineralien  des  Feldspates. 
Durch  massenhafte  Anhäufung  von  Einschlüssen  oder  von 
Verwitterungsprodukten  bilden  die  Feldspate  häufig  ein  ver- 
worren filziges  oder  faserig  struiertes  Bild.  Eine  nähere  Be- 
stimmung ist  dann  unmöglich.  Die  polysynthetische  Zwillings- 
bildung ist  eigentlich  nirgends  gut  ausgebildet,  die  Lamellen 
sind  ungleich  breit,  sie  keilen  sich  häufig  aus.  Beinahe  in  allen 
untersuchten  Gesteinsarten  konnte  magmatische  Korrosion  des 
Plagioklas  beobachtet  werden. 

Orthoklas  wurde  nur  in  manchen  Plagioklasporphyriten 
gefunden.  Er  ist  wie  der  Plagioklas  zwar  nicht  häufig  zu  förm- 
lichen Nestern  gruppiert,  doch  kann  man,  wenn  auch  oft  schwer, 
die  Grenzen  der  einzelnen  Individuen  auch  noch  ohne  Nicols 
constatieren. 

Die  Farbe  des  Augites,  es  handelt  sich  beinahe  stets  um 
den  gemeinen,  ist  entweder  grünlich,  gelblich  oder  rötlich; 
durch  eingelagerten  Magnetitstaub  ist  er  auch  schwärzlich 
gefärbt.  Die  Auslöschungsschiefe  wurde  nur  nach  c :  c  gemessen, 
sie  schwankt  innerhalb  weiter  Grenzen,  von  39°  an  erreicht  sie 
in  den  Augiten  der  Rizzonite  den  größten  Wert:  46  bis  48°. 
Die  Augite  sind  häufig  schwach  pleochroitisch,  oft  zonar  gebaut, 
während  Sektorenbildung  und  Sanduhrstruktur  sehr  selten 
beobachtet  wurde.  Ebenso  tritt  polysynthetische  Zwillings- 
bildung auf.  Einschlüsse  sind  Magnetit,  Apatit,  Biotit,  auch 
Grundmasse.  Wiederholt  wurde  die  Umwandlung  in  Chlorit 
oder  Delessit  konstatiert,  wobei  sich  Kalk  bildete.  Auch  Serpen- 
tinisierung  kommt  vor.  Ebenso  wie  der  Feldspat  ist  auch  der 
Augit  in  zwei  Generationen  vertreten  und  es  ist  merkwürdig, 
daß  die  Einsprengunge,  die  mitunter  eine  Größe  von  4  bis  7  mm 
erreichen,  in  den  Gesteinen,  in  welchen  sie  mit  Feldspat  ver- 
gesellschaftet sind,  demselben  zwar  an  Menge,  nicht  aber  an 
Größe  nachstehen.  Meist  sind  die  Grundmasseaugite  Säulchen 
oder  auch  Körner.  Die  größeren  Augite  erscheinen  oft  durch  die 
Grundmasse  randlich  angegriffen. 

Die  Trennung  der  Hornblende,  der  basaltischen  wie  der 
barkevikitischen,  von  Biotit  und  Augit  ließ  sich  ziemlich  leicht 
durch  den  Brechungsquotienten,  durch  Farbe  undAuslöschungs- 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  245 

schiefe  durchführen.  Weniger  leicht  war  die  Trennung  von 
Biotit  in  einigen  Fällen,  wo  die  Auslöschungsschiefe  der  Horn- 
blende sehr  gering  war,  hier  wurde  die  Untersuchung  der  pleo- 
chroitischen  Erscheinungen  zu  Hilfe  genommen.  Die  Horn- 
blende ist  häufig  in  Chlorit  umgewandelt  und  merkwürdig 
ist  in  den  Camptoniten  und  Monchiquiten  ihre  mitunter 
schlierenartige  Anordnung.  Größere  Hornblendeindividuen 
wurden  nie  beobachtet,  stets  hatte  dieses  Mineral  die  Form  von 
Stengeln,  schmalen  Leistchen  oder  unregelmäßigen  Blättchen. 

Der  Magnetit  tritt  in  beinahe  allen  Konstituenten  als  Ein- 
schluß auf,  selten  erscheint  er  in  größeren  Körnern,  noch 
seltener  waren  gut  ausgebildete  Krystalle  zu  beobachten.  Sein 
Anteil  am  Aufbaue  der  Gesteine  wechselt  sehr;  mitunter  fehlt 
er  überhaupt,  zu  anderenmalen  tritt  er  so  massenhaft  auf,  daß 
dadurch  die  Grundmasse,  in  der  er  sich  befindet,  wie  schwarz 
gefärbt  erscheint. 

Der  Olivin  ist  selten  unverändert,  in  den  meisten  Fällen  ist 
er  serpentinisiert  und  hat  Magnetit-  oder,  wenn  auch  seltener, 
schöne  kleine  Picotitoktaeder  als  Einschlüsse.  Er  ist  durch  die 
für  ihn  so  charakteristische  spitzdomatische  Durchschnittsform, 
in  nicht  zersetztem  Zustande  durch  sein  außerordentlich  frisches 
Weiß  leicht  von  Augit  auseinanderzuhalten. 

Der  Biotit  ist  stets  akzessorisch,  er  tritt  aber,  wie  schon 
erwähnt,  in  manchen  Plagioklasporphyriten  als  Hauptgemeng- 
teil auf,  ist  sehr  stark  pleochroitisch  und  lebhaft  rötlich  braun 
gefärbt. 

Der  Apatit  war  sonderbarerweise  nur  selten  zu  beobachten, 
häufig  dagegen  konnt.e  sekundär  entstandener  Kalk  schon  mit 
Salzsäure  nachgewiesen  werden. 

Was  die  Struktur  der  Gesteine  und  die  Altersfolge  der 
Ausscheidungen  betrifft,  so  verweise  ich  auf  die  Einzelbeschrei- 
bungen. 

Spezieller  Teil. 

Bevor  ich  mit  der  Einzelbeschreibung  der  Gesteine  beginne, 
will  ich  einige  Bemerkungen  bezüglich  der  Fundorte  hier  ein- 
fügen. 

Es  ist  besonders  im  Monzonistock  sehr  schwer,  richtige 
Fundortsangaben  zu  geben,  da  für  nur  wenige  Punkte  genaue 


246  K.  Went, 

Bezeichnungen  existieren,  da  die  meisten  kleinen  Täler,  Gräben 
und  Schrunden  gar  keine  Namen  haben  und  für  dieselben  leider 
noch  keine  konventionellen  Bezeichnungen  geschaffen  sind. 
Die  Bezeichnung  nach  Höhen  verliert  deshalb  an  Wert,  weil 
solche  mit  Taschenaneroiden  ausgeführte  Bestimmungen  in  der 
Regel  ungenau  sind,  weil  Irrtümer  bis  zu  lOOw  leicht  denkbar 
sind  und  es  eine  bekannte  Tatsache  ist,  daß  Höhenbestim- 
mungen über  2000*w  selbst  mit  guten  Aneroiden  durchaus 
unverläßlich  sind.  Es  ist  daher  unbegreiflich,  daß  Romberg 
solche  Messungen  bis  auf  Im  als  genaue  angibt,  dagegen 
anderen,  die  solche  ungenaue  Messungen  überhaupt  nicht 
anführen,  diese  Unterlassung  vorwirft.  Was  soll  man  dazu 
sagen,  wenn  er  eine  Fundortangabe  Ipp  en's  deswegen  kritisiert, 
weil  sie  nach  Romberg's  Angabe  und  Messung  um  17  Schritte 
differiert,  wo  dazu  noch  der  Schritt  ein  nicht  zulässiges  Maß 
ist.  Romberg's  Fundortsangaben  sind  zumeist  nur  scheinbar 
genau.  Er  gibt  z.  B.  an  (III,  S.  8)  einen  Gang  bei  etwa  2180w 
im  Monzonit  des  Palle  rabbiose!  Diesen  Gang  dürfte  man  wahr- 
scheinlich erst  nach  längerem  Suchen,  wenn  überhaupt,  finden. 
Oder  Westseite  des  Ostarmes  des  Val  Ricoletta  (III,  S.  6),  bei 
2400w  zwischen  Rizzoni  und  Allochet  (III,  S.  7)  oder  Val  sorda 
bei  1900w  oder  (II,  S.  16)  mächtige  Schrunde  zwischen  Allo- 
chet und  Ricoletta,  man  weiß  nicht,  ob  Nord-  oder  Südabhang. 

Wenn  schon  Romberg  mit  Unrecht  Ippen  den  Vorwurf 
macht,  daß  seine  Fundortsangaben  ungenau  sind,  so  sollte  man 
von  ihm  umsoweniger  Ungenauigkeiten  zu  erwarten  haben. 

Ich  gebe  nun  im  folgenden  die  Beschreibung  der  Gesteine 
nach  der  in  der  Einleitung  gegebenen  Einteilung  und  bemerke, 
daß  die  Beschreibung  der  Melaphyre  von  Forno  und  Pordoi,  von 
den  Melaphyren  des  Monzoni  getrennt,  unmittelbar  an  die 
Diabasporphyrite  angereiht  wurde. 

A.  Melaphyrgruppe. 
Vom  Melaphyrstrom  im  Pizmedatale. 

Von  dem  Strome,  der  sich  von  der  Punta  Valaccia  in  das 
Pellegrintal  erstreckt.  Sämtliche  Gesteine  zeichnen  sich  durch 
schwarze  oder  auch  etwas  grünliche  Farbe  aus  und  enthalten 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  247 

durchgehends  sehr  scharf  ausgebildete  und  scheinbar  unver- 
ändert erhaltene  Augite,  deren  Größe  bis  zu  5  mm  betragen 
kann.  Die  porphyrische  Struktur  tritt  namentlich  bei  einem 
Handstücke,  das  ziemlich  tief  unten  aufgesammelt  wurde, 
deutlich  zutage. 

Diese  Melaphyre  zeichnen  sich  ferner  durch  eine  mehr 
oder  weniger-  reiche  Glasbasis,  durch  ihren  andesitischen 
Habitus  und  ihre  hypokrystallinporphyrische  Struktur  aus. 

Pizmedatal  südlich  von  der  Punta  Valaccia  bei  zirka  2100  m. 

Dieses  Gestein  enthält  außer  den  Augiten  auch  schon  mit 
freiem  Auge  erkennbare  Feldspatindividuen  und  größere  Kalk- 
mandeln. Die  Grundmasse  ist  schwarz  bis  schmutziggrün, 
glasig,  in  ihr  sind  äußerst  kleine  Feldspatleistchen  ausgeschieden. 
Die  Einsprenglingsfeldspate  gehören  der  Labradorreihe  an. 
Häufig  sind  Plagioklasnester  zu  beobachten.  Jedenfalls  waren 
die  Feldspate  dieser  Nester  ursprünglich  selbständig  und  haben 
sich  erst  im  Laufe  des  Wachstums  aneinander  gelagert.  Durch 
dünne  Grundmassefaden,  die  sich  zwischen  den  Individuen 
befinden,  sind  sie  auch  jetzt  leicht  voneinander  zu  halten. 
Schalig  gebaute  Individuen  sind  ebenso  häufig  wie  Individuen 
mit  zonar  gelagerten  Einschlüssen.  Die  Augite  sind  grünlich 
gefärbt  und  teilweise  in  Chloritsubstanz  umgewandelt.  Selten 
sind  exzentrisch  gebaute  Kalkmandeln. 

Pizmedatal  südwestlich  von  Cadin  brut  2200  m. 

Die  Gesteinsfarbe  ist  schwarz.  Die  Augite  messen  bis  4mm 
und  sind  wohl  ausgebildet,  die  Feldspate  klein,  kaum  erkennbar. 
In  der  wesentlich  schwarzgrünen,  teilweise  glasigen  Grundmasse 
befinden  sich  in  abnehmendem  Mengenverhältnis  Feldspat  und 
Augit.  Die  Grundmasse  enthält  massenhaft  Magnetitkörner,  die 
häufig  den  Feldspat  und  Augit  mit  einem  dünnen  Saume  um- 
geben; sie  enthält  quadratische,  rektanguläre  bis  längliche,  sehr 
helle  Durchschnitte,  die  teils  Plagioklasleistchen  sind,  teils 
Orthoklas  sein  mögen,  und  ist  von  kleinsten,  divergentstrahlig 
angeordneten  Nädelchen  einer  grünlichen  Substanz  ziemlich 
erfüllt.  Die  Einsprenglingsfeldspate  sind  Anorthite  und  häufig 
zonar  gebaut,  ihre  Durchschnitte  breit,  leistenförmig  bis  rundlich, 


248  K.  Went, 

oft  auch  infolge  magmatischer  Korrosion  von  unregelmäßiger 
Gestalt.  Chloritische  Einschlüsse,  jedenfalls  sekundäre  Produkte, 
sind  ebenso  wie  Magnetiteinschlüsse  zentral  oder  zonar  ange- 
ordnet und  eine  häufige  Erscheinung  bilden  Plagioklasdurch- 
kreuzungen. 

Die  Augite  sind  schwach  rosa  gefärbt,  etwas  pleochroitisch, 
teilweise  im  Innern  chloritisiert,  haben  außerdem-  Grundmasse- 
einschlüsse. Die  Auslöschungsschiefe  beträgt  40°.  Der  Olivin  ist 
stets  serpentinisiert,  er  zeigt  Magnetit-  und  spärliche  Glas- 
einschlüsse. 

Nordseite  des  Monzoni  250  m  östlich   der  Punta  Valaccia, 

2450  m  hoch. 

Man  erkennt  schon  mit  unbewaffnetem  Auge  die  Plagioklase, 
doch  ist  ihre  Größe  unbedeutend.  Auffällig  ist  im  Schliff  der 
Wechsel  zweier  eigentlich  verschiedener  Grundmassen,  als  ob 
man  es  mit  einem  Kontakte  zu  tun  hätte,  ein  Wechsel,  der 
makroskopisch  am  Gestein  ganz  und  gar  nicht  zutage  tritt. 
Während  die  eine  Grundmasse  vorwiegend  grün  ist,  ist  die 
andere  schwärzlich  bis  braunschwarz.  Die  Farbe  ist  zum  Teil 
auch  durch  das  Auftreten  von  Magnetit  bedingt.  Die  Einspreng- 
unge sind  dieselben  wie  beim  vorigen  Gestein,  die  Grenze 
zwischen  beiden  Grundmassen  scharf  ausgeprägt.  Die  grüne 
Grundmasse  ist  stellenweise  entschieden  glasig.  Es  lassen  sich 
viele  streng  umgrenzte  Stellen  erkennen,  zweifellos  Durch- 
schnitte nach  Augit,  die,  wie  die  Grundmasse  gefärbt,  Magnetit- 
körner wie  noch  unversehrte  Augitreste  als  Einschlüsse 
enthalten.  Die  Magnetitkörnchen  sind  stets  von  einem  grünen 
Hof  umgeben,  es  scheint  sich  hier  auch  dieses  Mineral  umzu- 
wandeln. 

In  der  Grundmasse  und  zur  selben  gehörig  sind  kleinste 
Plagioklase  und  rektanguläre  bis  quadratische  farblose,  schwach 
doppelbrechende  Durchschnitte,  die  bei  -+-  Nicols  dunkel 
blieben  oder  gerade  auslöschten,  die  also  auf  Nephelin  deuten. 
Für  diese  Annahme  spricht  das  beobachtete  Auftreten  von 
Kochsalzwürfeln  beim  Versetzen  mit  Salzsäure,  wenn  auch 
dies  als  Beweis  eigentlich  noch  nicht  stichhältig  ist,  da  das  Na 
auch  von  anderen  Mineralien  stammen  kann.  Der  Feldspat  ist 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  249 

ein  Labrador  ohne  typische  Zwillingsbildung,  stets  ist  er  korro- 
diert, viele  Individuen  sind  zonar  gebaut,  Einschlüsse  sind 
Chlorit. 

Der  Augit  ist  grünlich  und  schwach  pleochroitisch. 

Die  andere  durch  großen  Magnetitgehalt  schwarze  Grund- 
masse ist  ebenfalls  glasig.  Eingelagerte  Konstituenten  wie  farb- 
lose  glasige   Stellen   sind    häufig 
grün    umsäumt,    stellenweise    ist 
die  Grundmasse  vollkommen  opak. 
Die  Augite  sind  korrodiert,  haben 
Magnetit      und     Grundmasseein- 
schlüsse, ihre  Auslöschung  beträgt      Jfagnetil 
40°.  Olivin  ist  serpentinisiert.  Der  Magnetit 

Plagioklas  zeigt  dasselbe  Verhalten  Fig  , 

wie  in  der  grünen  Grundmasse,  der 

Schalenbau  wird  nicht  selten  durch  Einlagerung  von  Magnetit 
noch  deutlicher  zum  Ausdruck  gebracht.  Nebenstehende  Figur 
zeigt  ein  Augit-  und  Feldspatindividuum  von  Magnetit  ganz 
umschlossen. 

Oberes  Pizmedatal  westlich  von  Cadin  brut.  2300  m. 

Dieses  Gestein  ist  etwas  grünlich,  es  enthält  Kalk,  wie 
das  Brausen  mit  Salzsäure  zeigt.  In  der  lauchgrünen  Grund- 
masse sind  Augit  und  Feldspat  die  einzigen  Einsprengunge. 
Die  Grundmasse  ist  glasig,  sie  enthält  kleine  Feldspate  und 
nebst  frischen  auch  chloritisierte  Augitkörner.  Sehr  gering  ist 
die  Menge  des  serpentinisierten  Olivins.  Die  Plagioklase  sind 
durch  massenhafte  Interpositionen  getrübt,  es  scheinen  Oligo- 
klase  zu  sein.  Nicht  gerade  häufig  sind  krystallographisch 
begrenzte  Augit-Individuen  mit  44°  Auslöschung.  Magnetit  ist 
in  diesem  Gestein  selten,  es  sind  stets  größere  Körner.  Augit 
wie  Feldspat  sind  von  der  Grundmasse  korrodiert. 

Nunmehr  sei  noch  ein  Gestein  beschrieben,  das  ein  aus- 
gesprochenes Ergußgestein  und  ausgezeichnet  hyalopilitisch 
struiert  ist.  Es  stammt  von  den  großen  Massen  der  Punta 
Valaccia,  westlich  Cadin  brut,  2300  m,  und  enthält  außer 
den  kleinen  Augiten  keine  makroskopisch  erkennbaren  Gemeng- 
teile. Die  Einsprengunge  Feldspat  und  Augit,  die  Akzessorien 


250  K.  Went, 

Magnetit  und  Olivin  schwimmen  gewissermaßen  in  einer  Glas- 
basis, die  sicher  20%  des  Schliffes  einnimmt. 

Das  Glas  ist  zum  Teil  farblos  oder  auch  grünlich  gefärbt, 
es  ist  namentlich  das  weiße  granuliert,  die  Körnchen  sind  manch- 
mal sphäroidisch  angeordnet.  Auch  hier  bildeten  sich  beim 
Ätzen  Chlornatriumwürfel,  doch  ist  trotzdem  die  Anwesenheit 
von  Nephelin  aus  dem  schon  oben  erwähnten  Grunde  mehr  als 
zweifelhaft.  Es  könnte  sich  eher  um  Analcim  handeln.  Augite 
wie  Feldspate  sind  beinahe  stets  von  einem  grünlichen  Saume 
umgeben.  Ungefähr  die  Hälfte  der  Augite  ist  chloritisiert,  doch 
sind  beinahe  alle  frischen  Augite  von  der  Glasbasis  abgerundet 
oder  anders  korrodiert.  Einschlüsse  sind  Magnetitkörner. 

Am  meisten  hat  wohl  der  Oligoklas  durch  die  Glasbasis 
gelitten,  er  ist  immer  korrodiert,  meist  reich  an  Glaseinschlüssen 
und  vorzüglich  reich  an  Chloritblättchen.  Letztere  sind  auch 
ausnahmsweise  zonar  gelagert.  Olivin  ist  nur  in  wenigen 
serpentinisierten  Individuen  vertreten.  DerGehalt  dieses  Gesteins 
an  Magnetit  ist  nicht  eben  groß. 

Auf  der  linken  Seite  des  Pellegrinbaches,  ungefähr  gegen- 
über dem  Pizmedatale  an  der  Straße  zum  Lusiapasse  oberhalb 
der  Finanzerhütte,  ist  der  Melaphyr  wieder  anstehend.  Das 
Gestein  ist  grauschwarz  und  enthält  sehr  viele  Augite,  die 
größtenteils  zersetzt  sind.  Einsprengunge  sind  daneben  trikliner 
Feldspat  und  Olivin.  Der  Feldspat  ist  ein  Anorthit,  mit  recht- 
eckigen bis  rundlichen  Durchschnitten,  häufig  mit  zonarem  Bau. 
Magnetit  und  Limonitblättchen  sind  seine  Einschlüsse.  Ebenso 
wurden  Individuen  beobachtet,  bei  welchen  einschlußfreie 
Zonen  mit  solchen  wechseln,  die  Einschlüsse  führen.  Endlich 
sind  meist  zentral  gelagerte  Chloritblättchen  zu  erwähnen.  Der 
Olivin  ist  serpentinisiert  mit  Limoniträndern  und  -ädern  ver- 
sehen. Der  Augit  ist  schwach  grün  gefärbt,  zeigt  40°  Aus- 
löschung; er  ist  zersetzt,  dann  rotbraun  gefärbt  von  Limonit. 
Auch  Delessitmandeln  wurden  beobachtet.  Die  Grundmasse  ist 
ohne  glasige  Ausscheidung,  sie  besteht  aus  Feldspat  und  ent- 
hält sehr  viel  Magnetit,  daneben  auch  Chlorit  und  Limonit- 
blättchen. 

Dieses  porphyrisch  struierte  Gestein  zeigt  daher  ein  ganz 
anderes  Bild  als  der  Melaphyr  von  der  Punta  Valaccia;   es  geht 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  251 

daher  schwer  anzunehmen,  daß  das  Melaphyrvorkommen  an 
der  Straße  zum  Lusiapasse  nichts  anderes  als  eine  Fortsetzung 
des  Melaphyrstromes  von  der  Punta  Valaccia  darstelle. 

1.  Gangmelaphyre. 

Ich  will  vorher  einige  Bemerkungen  zur  Bezeichnung  Toal 
Rizzoni  geben. 

Es  ist  eine  in  der  alpinen  Literatur  bekannte  Tatsache, 
daß  im  Fassanergebiete  die  Bergnamen  schwer  eruierbar  sind, 
da  sie  immer  mehrfache  Bezeichnungen  tragen.  Ein  Vergleich 
der  Generalstabskarte  von  1875  mit  der  jetzigen  zeigt  dies  und 
es  hat  Doelter  dies  in  seiner  Abhandlung  (Tschermak,  Min. 
Mitteil.  XXI.,  Heft  3)  wieder  betont.  Nur  Romberg  gibt  mit 
apodiktischer  Sicherheit  neue  Namen  ohne  nähere  Begründung 
derselben;  das,  was  früher  Rizzoni  hieß,  nennt  er  Allochet- 
spitze,  während  auf  der  Karte  die  Kalkspitze  östlich  vom  Paß 
diesen  Namen  trägt.  Dagegen  wäre  allenfalls  nichts  einzu- 
wenden, wenn  nicht  Romberg  die  von  ihm  —  auf  welche 
Weise  sagt  er  nicht  —  ermittelten  Namen,  die  sich  auch  auf 
keiner  Karte  finden,  als  unanfechtbar  betrachten  würde  und 
anderen,  die  seine  Angaben  nicht  benützen,  dies  vorwirft.  Hier 
wäre  doch  die  Kritik  durch  irgend  einen  Beweis  zu  stützen, 
nicht  durch  einfache  Gegenbehauptung.  So  wird  das  Tal 
zwiischen  Mal  Inverno  und  Ricoletta  von  den  einen  Toal  Rizzoni, 
von  anderen  Toal  Mal  Inverno,  von  anderen  wieder  Toal  Rico- 
letta genannt,  welche  letztere  Namen  in  der  älteren  Literatur 
nirgends  vorkommen.  Dagegen  wird  die  Bezeichnung  »Toal 
Rizzoni«  für  den  Mineralfundort  schon  von  Lie bener  gebraucht 
und  später  von  G.  v.  Rath  (Der  Monzoni,  Bonn  1875),  bei 
Doelter  1875  u.  a.  Trotzdem  sagt  Romberg  (111,4)  ohne- 
weiters,  das  bei  Doelter  genannte  Toal  Rizzoni  heiße  Toal 
Ricoletta. 

Von  der   Kalkscholle  im  Toal  Rizzoni  am   Kamme,   zirka 
2450  bis  2500  m. 

Es  ist  ein  Gang  im  Monzonit.  Der  Melaphyr  ist  schwarz- 
grün mit  grünlicher  bis  bräunlicher  Verwitterungsrinde.  Ein- 


252  K.  Went, 

geschlossen  im  Melaphyr  sind  kleinere,  auch  größere,  bis  3'5  cm 
im  Durchmesser  messende  Monzonitknauern.  Interessant  ist 
es,  daß  die  größeren  Monzonitknauern  deutlich  wieder  kleinere 
Melaphyrpartien  enthalten,  jedenfalls  ein  Beweis  der  innigen 
Durchdringung  der  beiden  Gesteine.  Mit  freiem  Auge  lassen 
sich  deutlich  Augit  und  spärlicher  Olivin  erkennen. 

Die  Grundmasse  enthält  wesentlich  Augit  und  in  geringerer 
Menge  Olivin.  In  dieser  teilweise  auch  feldspatigen  Grund- 
masse sind  Plagioklas,  hauptsächlich  aber  Augit  und  Olivin  die 
Einsprengunge.  Der  Olivin  ist  teilweise  serpentinisiert  und 
ebenso  wie  der  Augit  korrodiert.  Doch  kommen  auch  idio- 
morphe  Augite  vor,  sie  besitzen  häufig  einen  grünen  Kern, 
dessen  Auslöschungsschiefe  von  der  des  Randes  abweicht 
Doch  ist  der  Unterschied  eben  nicht  groß.  Die  Auslöschungs- 
schiefe beträgt  40  bis  43°.  Einschlüsse  sind  Magnetit  und 
Apatit.  Der  Feldspat  tritt  an  Menge  sehr  zurück,  er  ist  immer 
sehr  stark  angegriffen,  zeigt  (siehe  Tafel,  Fig.  1)  gut  polysyn- 
thetische Zwillingsbildung  und  ist  ein  Labrador.  Der  Biotit  hat 
nicht  den  Charakter  eines  Hauptgemengteiles,  er  ist  zwischen 
die  anderen  Konstituenten  eingelagert,  rötlichbraun,  er  hat 
unregelmäßige  Umrisse  und  ist  stark  pleochroitisch,  Glas 
scheint  nur  spurenweise  vorhanden  zu  sein. 

Am  Kontakt  mit  dem  Monzonit  zeigt  er  keinerlei  besondere 
Veränderungen.  Dagegen  sind  die  Monzonitkonstituenten  be- 
deutend am  Kontakte  korrodiert.  Kleinste  mikroskopische 
Melaphyradern  haben  Teile  des  Monzonites  abgegrenzt,  wie 
dies  ja  auch  makroskopisch  auffällt.  Sehr  bemerkenswert  sind 
im  Monzonite  scheinbar  ganz  vom  Melaphyr  abgesonderte  Ein- 
schlüsse, bestehend  aus  stets  idiomorphem  Augit,  ganz  abge- 
rundetem Biotit  mit  Magnetiträndern  und  großen  Apatit- 
einschlüssen. Dieser  Augit  ist  vollkommen  chloritisiert 

Der  Melaphyr  ist  hypokristallin  porphyrisch  struiert. 

Kalkscholle  Toal  da  Mason  2350  m. 

Die  Verwitterungsrinde  dieses  sonst  schwarzen  Gesteins 
ist  grau.  Auffällig  sind  bis  5  mm  messende  Olivine  und  bis  zu 
10  mm  messende  gelbliche  Augite.  Das  Gestein  zeigt  unter  dem 
Mikroskope  eine  überraschende  Ähnlichkeit  mit  dem  vorigen,  es 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  253 

ist  ebenfalls  ein  Melaphyr.  Das  gegenseitige  Verhältnis  der  drei 
Konstituenten:  Feldspat,  Augit  und  Olivin  ist  dasselbe  wie 
beim  vorigen  Gestein.  Hoch  ist  die  Auslöschungsschiefe  des 
Augits,  sie  beträgt  48°.  Der  Feldspat  ist,  soweit  eine  exakte 
Messung  möglich  war,  ein  Anorthit.  Kalk  sieht  man  nur  wenig, 
er  ist  jedenfalls  beim  Serpentinisierungsvorgang  des  Olivins 
entstanden. 

Abhang  zwischen  Ricoletta  und  Rizzoni  (Nordseite),  Gang  in 
einem  kleinen  Seitenbache  südlich  des  Traversellittales,  zirka 

2300  m. 

Auch  bei  diesem  Gesteine  ist  die  Übereinstimmung  mit 
den  vorigen  zwei  Gesteinen  eine  außerordentliche.  Der  Magnetit- 
gehalt ist  beträchtlich  und  etwas  größer  als  bei  den  zwei 
vorigen  Gesteinen.  Die  Grundmasse  enthält  außer  Augit  und 
Olivinkörnchen  entschieden  auch  Glas.  Daneben  kommen  noch 
trikline  Feldspatleistchen  vor,  eine  nähere  Bestimmung  der- 
selben war  jedoch  nicht  möglich.  Augit  vor  allem  und  auch 
Olivin  sind  die  Einsprengunge.  Der  Augit  ist  schwach  rötlich 
oder  auch  grünlich  gefärbt,  namentlich  sind  grüne  Kerne  in 
Augitindividuen  häufig  zu  beobachten.  Er  ist  wie  der  Olivin 
häufig  zersetzt  und  korrodiert.  Auch  hier  hat  sich  bei  der  Ser- 
pentinisierung  des  Olivins  Kalk  gebildet.  Der  Olivin  war  also 
ein  Monticellit.  Mit  Salzsäure  bildeten  sich  Kochsalzwürfel;  es 
mag  daher  wohl  sein,  daß  Nephelin  in  Spuren  vorkommt,  doch 
ist  die  Anwesenheit  dieses  Minerals  immerhin  wie  in  früheren 
Fällen  fraglich,  da  es  im  Schliffe  nicht  aufgefunden  werden 
konnte. 

Es  wurde  mir  endlich  vergleichshalber  noch  ein  im  Jahre 
1901  (Sommer)  gesammeltes  Gestein  von  jenem  Melaphyr  von 
Palle  rabbiose  übergeben,  der  von  Ippen1  in  den  »Gang- 
gesteinen von  Predazzo«  beschrieben  wurde. 

Ich  kann  die  Beschreibung  Ippen's  nur  bestätigen,  be- 
merke aber,  daß  der  Feldspat  in  meinem  Schliffe  nicht  so  reich- 
lich vorkommt,  wie  Ippen  ihn  schildert  und  ich  denselben  auch 
in   seinem  Schliffe  gesehen  habe.    Es  ist  dies  jedenfalls  ein 


p.  20. 


254 


K.  Went, 


Beleg  für  die  von  mir  in  der  Einleitung  gemachte,  schon  von 
Romberg  (siehe  Einleitung)  erwähnte  Bemerkung,  daß  ein 
Gang  durchaus  nicht  an  allen  Stellen  denselben  Schliff  zu 
liefern  braucht. 

Prof.  Doelter1  hat  den  Melaphyr  von  Palle  rabbiose 
analysiert  und  ich  wiederhole  nunmehr  das  Analysenergebnis. 

Vergleicht  man  nun  diesen  Melaphyr  mit  dem  Mittel 
Brögger's,2  so  ergibt  sich  folgendes:  Die  schon  mineralogisch 
erkannte  Tatsache,  daß  dieses  Gestein,  somit  auch  die  ihm  sehr 
ähnlichen  vom  Toal  Rizzoni,  Toal  da  Mason  und  vom  Gang  im 
Bachbette  ein  End-,  beziehungsweise  Übergangsglied  in  der 
Melaphyrreihe  ist,  erscheint  erhärtet. 


1 

■ 

II 

,„ 

IV 

SiO* 

43-41 

13-20 

7-00 

5-66 

13*  12 

12-88 

1-84 

0-99 

3-02 

44-25 

13-46 

7-14 

5-77 

13-37 

13-13 

1-87 

1-01 

73-75 

13-19 

4-46 

8-01 

33-44 

23-44 

3-03 

1-07 

45-98 
8-22 
2-78 
5-00 
20-85 
14-61 
1-89 
0-67 

3 

AIO3 

FeoO, '. 

1      dS     3 

FcO 

MgO 

CaO 

Na20 

K20 

HoO 

Summe . . . 

101-12 

100-00 

160-39 

100-00 

II.  Analysenergebnis  (1)  nach  Abzug  von  H20  auf  100  berechnet. 

III  wurde  erhalten  durch  Division  der  Zahlenreihe  II  durch  die  Molekular- 
gewichte der  einzelnen  Verbindung  und  Multiplikation  der  Quotienten  mit  100 
und  in 

IV  auf  100  berechnet. 

Das  Verhältnis  CaO  :  K80-hNaäO  =  14*61  :  2-56. 

Wesentlich  verschieden  von  den  eben  beschriebenen 
Gesteinen  ist  ein  Melaphyr  vom 


1  Akad.  Anzeiger,  1902,  Nr.  XVII. 

2  Brögger,  Eruptionsfolge,  p.  101. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  255 

Eingang  ins  Pizmedatal,  über  Ronchi.  1500  m. 

Das  Gestein  ist  schwarzgrün  und  enthält  kleine  Plagio 
klase.  Die  Grundmasse  ist  braunschwarz  bis  schwarz.  In  ihr 
befinden  sich  äußerst  schmale  Feldspatnädelchen  divergent- 
strahlig  angeordnet,  sehr  viele  Magnetitkörnchen  und  Limonit. 
Die  Einsprengiingsfeldspate,  es  sind  Oligoklase,  heben  sich 
eigentümlich  stark  ab,  eine  Erscheinung,  die  durch  die  dunkle 
Grundmasse  bedingt  ist.  Die  Feldspate  sind  breitleistenförmig 
bis  rundlich  im  Durchschnitte,  aber  immer  korrodiert  und  haben 
Grundmasse  —  Limonit  —  und  Magnetiteinschlüsse.  Delessit 
wie  Seladonit  wurde  häufig  beobachtet.  Augit  kommt  auch 
verzwillingt  vor,  doch  ist  er  wie  der  serpentinisierte  Olivin 
mehr  oder  weniger  spärlich. 

Die  Anwesenheit  von  Nephelin  ist  zweifelhaft,  wenn  auch 
die  NaCl-Reaktion  gelang. 

Aufstieg  vom  Pizmedatale  auf  Palle  rabbiose,  zirka  1850  m. 

Das  Gestein  ist  ein  Gang  im  Kalk,  die  Verwitterungsrinde 
ist  braun.  An  frischen  grauschwarzen  Flächen  erkennt  man 
deutlich  kleine  Plagioklase  und  ebensolche  Augite.  Die  Grund- 
masse ist  graugrün  bis  schwarzgrün  und  enthält  neben 
Magnetitkörnchen  kleinste  Feldspatleistchen. 

Die  Einsprengunge  sind  Feldspat  und  Augit,  beide  in 
ungefähr  derselben  Größe.  Olivin  fehlt  im  Schliffe.  Beide  Ein- 
sprengunge sind  weniger  idiomorph, 
die  Grundmasse  hat  sie  abgerundet. 
Namentlich  trifft  dies  beim  Feldspat 
zu,  der  der  Bytownitreihe  angehört. 
Die  Individuen  sind  häufig  schalig 
gebaut,  man  sieht  in  gut  ausgeprägter 
zonarer  Anordnung  chloritische  Inter- 

positionen.   Ebenso   trifft  man   auch        mn  ma^r 
r\  *ig.  2. 

Durchkreuzungen.      Die     Zwillings- 

lamellen   sind   ungleich.    Der    Augit 

enthält  Magnetit  und  Grundmasse.  Letztere  ist  jedoch  (Fig.  2)  erst 

nachträglich  in  den  Augit  eingedrungen  und  tritt  nun  infolge 

der  zufalligen  Schliffrichtung  im  Augit  scheinbar  als  Einschluß 


256  K.  Went, 

auf.  Der  Augit,  der  eine  Auslöschungsschiefe  von  ungefähr  45° 
besitzt,  ist  teilweise  chloritisiert  und  kommt  auch  in  Körner- 
form zu  kleinen  Nestern  angeordnet  vor.  Dieser  Melaphyr 
scheint  dem  Schliffe  nach  olivinfrei  zu  sein  und  nähert  sich 
infolge  des  hohen  Augitgehaltes  ziemlich  dem  Augitporphyrit- 
typus. 

2.  Plagioklasporphyrite. 

Ich  beginne  mit  der  Beschreibung  jener  Plagioklaspor- 
phyrite, die  durch  ihren,  wenn  auch  spärlichen  Olivingehalt 
äußerst  lebhaft  an  die  Melaphyre  erinnern  —  man  könnte  sie 
treffend  melaphyroide  Plagioklasporphyrite  nennen  —  doch 
aber  deshalb,  wie  in  der  Einleitung  schon  dargetan  wurde, 
nicht  zu  den  Melaphyren  gerechnet  werden,  weil  der  Feldspat 
alle  anderen  Gemengteile  an  Größe  und  Menge  weitaus 
übertrifft. 

Eine  scharfe  Abtrennung  der  Plagioklasporphyrite  von 
den  Melaphyren  gehört,  glaube  ich,  zu  den  größten  Schwierig- 
keiten. 

Die  nun  folgenden  Gesteine  haben  das  Gemeinsame,  daß 
die  Grundmasse  diabasisch  struiert  ist  und  reich  an  grasgrüner 
Hornblende,  beziehungsweise  Chlorit  sind. 

Es  sind  dies  kleine  Gänge. 

Le  Seile-Paß  am  Weg,  zirka  50  m  vor  dem  Paß  westlich. 

Man  sieht  schon  makroskopisch  in  diesem  grauschwarzen 
Gestein  kleine  Plagioklasleistchen,  Augite  und  spärlich  Kalk- 
mandeln. 

In  der  beinahe  phaneromeren  holokrystallinen  Grund- 
masse befindet  sich  der  Labrador,  der  in  regelloser,  auch 
zonarer  oder  zentraler  Anordnung  Chloritblättchen  enthält;  er  ist 
vergesellschaftet  mit  Augit,  der  39  bis  45°  Auslöschungsschiefe 
besitzt,  mit  Magnetiteinschlüssen  versehen  ist  Die  Grundmasse 
besteht  aus  regellos  gelagerten  Feldspatleistchen,  dazwischen 
gelagerten  Chloritblättchen,  die  jedenfalls  sekundär  nach  Augit 
entstanden  sind,  einigen  Hornblendelblättchen  und  Magnetit- 
körnern.  Der    sehr    spärliche   Olivin    ist   serpentinisiert,    mit 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  257 

Magnetiträndern  versehen.  Kalk  wurde  ebenfalls  konstatiert. 
Ziemlich  häufig  trifft  man  auch  Kalkmandeln  mit  Delessitum- 
randung. 

Le  Seile.  Gang  unter  Costabella,  Westabhang.  2500  m. 

Die  Gesteinsfarbe  ist  schwarzgrün.  Es  fällt  sofort  auf, 
daß  die  Plagioklasleisten  unregelmäßig  angeordnet  sind.  Die 
Feldspate  sind  Bytownite,  ihre  Durchschnitte  sind  breitleisten- 
förmig,  sie  sind  meist  frisch,  selten  angegriffen.  Die  Zwillings- 
lamellen sind  ungleich,  sie  keilen  sich  aus.  Die  Feldspate  sind 
auch  mit  zonar  oder  zentral  gelagerten  Chloritblättchen  ver- 
sehen. Zurücktretend  an  Menge  sind  die  schwach  rosa  ge- 
färbten Augite  mit  44°  Auslöschung  und  mit  Magnetit-  wie 
Chloriteinschlüssen.  Manche  haben  einen  Magnetitsaum. 

Spärlich  ist  der  Olivin,  serpentinisiert,  mit  Magnetit- 
rändern. 

Die  Grundmasse  besteht  aus  Plagioklasleistchen,  da- 
zwischen liegen  grüne  unregelmäßige  chloritische  Blättchen. 

Oberes  Traversellittal  zwischen  2200  und  2250  m. 

Das  Gestein  ist  ziemlich  reich  an  Augiten,  deren  Durch- 
messer bis  zu  4  mm  beträgt.  Einsprengunge  sind  vor  allem 
Plagioklas,  dann  Augit  und  auch  spärlicher  serpentinisierter 
Olivin.  Die  Grundmasse  besteht  aus  kleinen  Feldspatleistchen, 
ferner  beteiligen  sich  am  Aufbaue  derselben  Augitkörner  und 
Augitsäulchen,  sehr  stark  ist  sie  durch  Magnetitkörner  ange- 
reichert, selten  sind  Ilmenite  mit  Leukoxenhof.  Die  Grundmasse 
ist  durch  chloritische  Substanzen  grünlich  gefärbt.  Der  Ein- 
sprenglingsfeldspat  ist  durchgehends  unfrisch,  zersetzt  und, 
soweit  das  Umwandlungsstadium  des  Feldspates  eine  Messung 
zuließ,  ein  Oligoklas.  Er  hat  dieselben  Einschlüsse  wie  die 
vorigen  Gesteine.  Auch  der  Augit  ist  unfrisch  und  zugleich 
etwas  pleochroitisch.  Als  Einschluß  enthält  er  Magnetit. 

Ein  Gestein  von  Le  Seile,  zirka 2450 m  hoch,  230m 
westlich  vom  Paß  unterscheidet  sich  kaum  vom  vorigen,  es 
gleicht  schon  äußerlich  sehr  dem  vorigen.  Der  Feldspat  ist  ein 
Labrador,  der  Augit  hat  46°  Auslöschung. 

Sitib.  der  raathcm.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  L  17 


258  K.  Went, 

Von  diesem  Gestein  ist  das  folgende  auch  mehr  wenig 
geschieden;  es  ist  ein 

Gang  beim  Aufstieg  im  Pizmedatale  gegen  Toal  della  Foja; 
im  Kalk.  1750  m  hoch. 

Das  Gestein  ist  graugrün,  es  enthält  kleine  Augite  und 
wenig  Erz  als  makroskopische  Gemengteile.  Das  Gestein  ist 
dicht.  Unter  dem  Mikroskop  treten  Feldspat  und  Augit  als 
Hauptgemengteile  hervor.  Der  Augit  zeigt  wie  der  Feldspat  keine 
krystallographischen  Durchschnitte,  sondern  ist  wie  dieser 
zersetzt.  Auch  in  Körnern  kommt  er  vor.  Meist  ist  er  in  Chlorit 
umgewandelt.  Die  Individuen  erreichen  einen  Durchmesser  bis 
4  mm.  Die  Augite  der  Grundmasse  zeigen  dasselbe  Verhalten 
wie  die  Einsprenglingsaugite.  Einschlüsse  sind  Magnetite. 
Ebenso  reich  an  Einschlüssen  sind  die  Feldspate,  namentlich 
an  Chlorit,  sie  sehen  bei  4-Nicols  faserig  filzig  aus,  eine  genaue 
Bestimmung  war  schwierig,  sie  dürften  aber  der  Oligoklasreihe 
angehören. 

Die  Grundmasse  ist  stark  durch  chloritische  Mineralien 
angereichert,  besteht  wesentlich  aus  kleinen,  aber  ebenfalls  sehr 
angegriffenen  Feldspaten. 

Eigentliche  olivin  freie  Plagioklasporphyrite. 

Campagnazza  am  Abhänge  des  westlichen  Allochetzuges  gegen  Le  Seile-Paß. 

Das  Gestein  ist  grauschwarz,  stellenweise  durch  Eisen 
rötlich  gefärbt.  Es  ist  nur  der  Labrador  ausgeschieden;  er  ist 
stark  zersetzt  und  hat  nur  Chloriteinschlüsse.  Die  Länge  der 
Feldspatleisten  beträgt  bis  8  mm.  Die  Grundmasse  enthält  sehr 
viele  lichtbräunliche  Augitkörner,  lebhaft  pleochroitischen 
Chlorit,  letzterer  in  vielen  Fällen  sekundär  nach  Augit  Seltener 
konnte  in  der  Mitte  des  Chloritblättchens  ein  noch  intakt 
gebliebener  Augitkern  beobachtet  werden. 

Die  Grundmasse,  vorwiegend  feldspatig,  ist  ebenso  wie 
der  Feldspat  durch  Eisen  rötlich  gefärbt.  In  der  annähernd 
diabasisch  struierten  Grundmasse  befinden  sich  außerdem  noch 
Magnetitkörner. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  259 

östlich  vom  Le  Seile-See,  Gang  über  der  Quelle. 

Das  schwarzgraue  Gestein  enthält  Feldspatleistchen  und 
kleine  Augite.  Die  Verwitterungsrinde  ist  braun.  Es  ist  holo- 
krystallinporphyrisch  struiert.  Die  Grundmasse  besteht  aus 
kleinen  Feldspatindividuen,  vereinzelt  sind  Apatite.  Nur  Feld- 
spat und  zurücktretender  Augit  sind  ausgeschieden.  Die  Feld- 
spate haben  breitleistenförmige  Durchschnitte,  viele  sind  schön 
polysynthetisch  verzwillingt. 

Sie  gehören  der  Labradorreihe  an.  Zonar  gebaute  Indi- 
viduen sowie  Einschlüsse  von  Magnetit  und  kleinsten  braunen 
Biotitblättchen  sind  nicht  besonders  häufig.  Der  beinahe  stets 
idiomorphe  Augit  mit  41°  bis  45°  Auslöschung  hat  nicht  die 
Rolle  eines  Hauptgemengteiles.  Er  ist  auch  in  Chlorit  umge- 
wandelt, wobei  der  Umwandlungsprozeß  auch  im  Zentrum  zu 
beginnen  scheint;  er  ist  mitunter  randlich  korrodiert  und  enthält 
Magnetitkörner. 

Der  Umstand,  daß  der  Feldspat  teilweise  von  Augit 
umrandet  wird,  spricht  für  das  höhere  Alter  des  Feldspates. 
In  der  Grundmasse  finden  sich  neben  Magnetit,  Chlorit,  Apatit 
und  Augitmikrolithen  auch  noch  vereinzelte  Biotitblättchen. 

Gang  im  Kalk  neben  den  Monzonitapophysen  südlich  der 
Predazzitbrüche,  2350  tn. 

Das  Gestein  ist  graugrün,  die  Zahl  der  Augite  bedeutend, 
ebenso  ihre  Größe.  Die  Länge  mancher  Individuen  beträgt  7  ntm. 
Das  mikroskopische  Bild  ist  merkwürdig.  Die  Grundmasse  ist 
erfüllt  von  kleinsten,  äußerst  dicht  gelagerten,  stark  licht- 
brechenden Augitmikrolithen,  sie  ist  feldspatig,  ihr  Charakter 
kann  nur  bei  stärkerer  Vergrößerung  erkannt  werden.  Glas 
fehlt.  Der  Einsprenglingsfeldspat  ist  ein  Labrador.  Er  ist  stark 
zersetzt  und  enthält  Magnetitinterpositionen,  auch  schwach 
grünliche  Körner,  die  mit  den  Augitmikrolithen  der  Grundmasse 
zu  identifizieren  sind.  Der  Feldspat  überwiegt  den  Augit. 
Letzter,  etwas  grünlich  bis  schwärzlich  gefärbt,  ist  ein  Diallag 
mit  42°  bis  44°  Ausiöschung.  Man  findet  auch  zonar  gebaute 
Individuen,  ebenso  Zwillinge. 

17* 


260  K.  Wcnt, 

Bei  einem  Augitindividuum  wurde  ein  Plagioklasein- 
schluß  (Fig.  3)  beobachtet,  eine  Erscheinung,  die  das  höhere 
Alter  des  Feldspates  zu  beweisen  scheint. 

Zersetzte  Augite  erscheinen  von  einem  Kranze  brauner 
kurzer  Biotitleistchen  umgeben. 

Mit  folgendem  Gesteine  erscheinen  die  Plagioklasporphy- 
rite  beendet. 

östlich  vom  Le  Seile-See,  Gang  im  Kalk. 

Dieses   Gestein  enthält   zwar  Olivin,  ist  aber  von  den 

melaphyrähnlichen  Plagioklasporphyriten  gut  geschieden.    Es 

steht  den  biotitführenden  Plagioklasporphyriten 

ungleich  näher,  die  unten  näher  beschrieben 

werden. 

Die  Farbe  ist  grauschwarz  und  nur  der 
Feldspat  ist  mit  freiem  Auge  erkennbar.  Die 
Grundmasse  ist  feldspatig,  sie  führt  sehr  viele 
bis  rotbraune   Biotitblättchen,  ferner  stellen- 
Fig.  3.  weise  stark  angehäufte  winzige,  mit  schwacher 

Augit  mit  Feldspat-  Vergrößerung  kaum  wahrnehmbare  Augit  - 
einschluß  (a).  mikrolithen,  endlich  reichlich  Magnetit  und 
Chlorit.  Die  Grundmasse  stellt  somit  ein 
schwärzliches  Gefüge  dar,  in  welcher  nur  Feldspat  und  akzesso- 
risch Augit  ausgeschieden  sind.  Der  Feldspat  ist  ein  unfrischer 
Labrador,  der  von  Biotit-  und  Chioritblättchen,  dann  von 
Magnetit  ganz  erfüllt  ist.  Es  finden  sich  im  Schliff  zwei  Olivine, 
die  serpentinisiert  sind,  einen  breiten  Magnetitsaum  besitzen 
und  von  einem  förmlichen  Kranz  von  Biotitblättchen  umgeben 
sind.  Vom  Augit  fehlen  größere  Individuen. 

Nepheiin  wurde  nicht  beobachtet,  wiewohl  sich  beim 
Versetzen  mit  Salzsäure  Kochsalzwürfel  bildeten.  Die  Struktur 
ist  porphyrisch. 

Kersantitähnliche,  beziehungsweise  monzonit- 

porphyrähn liehe  P lag ioklasporphy rite. 

Plateau  südlich  von  den  Predazzitbrüchen,  2350  tn. 

Das  dichte  Gestein  ist  grauschwarz  gefärbt  und  enthält 
kleine   Augite.   Selten   sind   solche,    die   2  mm  messen.    Die 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  261 

Verwitterungsrinde  ist  rotbraun.  Von  einer  eigentlichen  Grund- 
masse kann  kaum  gesprochen  werden,  denn  der  ganze  Schliff 
ist  förmlich  erfüllt  von  Feldspaten,  ziemlich  großen  Leisten,  die 
wirr  durcheinander  liegen  und  meist  zersetzt  sind.  Sie  scheinen 
der  Oligoklasreihe  anzugehören.  Die  Trübung  der  Plagioklase 
ist  durch  kleinste,  nicht  erkennbare  Körnchen  und  durch  braune 
kleine  Biotitblättchen  verursacht.  Die  Augitindividuen  sind  öfters 
verzwillingt,  auch  zonar  gebaut,  ihre  Auslöschungsschiefe  be- 
trägt 45°.  Sie  sind  ganz  eingezwängt  zwischen  die  Feldspat- 
individuen. 

Die  übrigen  Zwischenräume  füllen  braune  Biotitblättchen 
aus  und  Magnetitkörner. 

Die  Struktur  dieses  Gesteins  ist  holokrystallinporphyrisch, 
es  ähnelt  strukturell  ziemlich  den  Kersantiten. 

Toal  da  Mason  bei  der  Hütte  in  der  Kalkschrunde. 

Das  Gestein  ist  ebenfalls  dicht  grauschwarz.  Das  Ver- 
hältnis des  Feldspates  zu  den  anderen  Gemengteilen  ist  dasselbe 
wie  vorhin.  Der  Feldspat  gehört  jedoch  der  Anorthitreihe  an. 
Namentlich  enthält  er  viele  Biotitblättchen  und  Magnetit- 
körnchen. Eine  eigentliche  Grundmasse  fehlt  auch  hier. 
Zwischen  den  Feldspaten  befinden  sich  Biotitblättchen,  sehr 
lebhaft  pleochroitisch,  Magnetit,  ziemlich  viele  Augitkörner 
und  endlich  kleinere  Feldspatindividuen.  Größere  Augite  fehlen. 

Auf  dem  Plateau  über  dem  Predazzitbruch  von  Le  Seile. 

Ziemlich  große  bis  bmm  messende  schwarze  Augite 
fallen  auf  in  einem  grauschwarzen  Gestein,  das  eine  rotbraune 
Verwitterungsrinde  besitzt.  Nur  schwer  erkennt  man  mit 
unbewaffnetem  Auge  kleinste  Feldspatindividuen. 

Die  Plagioklase  gehören  der  Labradorreihe  an,  ihre 
Durchschnitte  sind  durchgehends  breitleistenförmig;  sie  zeigen 
sich  häufig  erfüllt  von  Biotitblättchen  und  sind  teilweise  zonar 
gebaut  Der  Augit  übertrifft  den  Plagioklas  zwar  an  Größe, 
nicht  aber  an  Häufigkeit,  er  besitzt  eine  Auslöschungsschiefe 
von  44°  bis  47°;  er  ist  etwas  rosa  gefärbt,  birgt  Magnetit- 
einschlüsse in  sich,  die  Sprünge  sind  durch  Eisen  rot  gefärbt. 


262  K.  Went; 

Plagioklas  wie  Augit  liegen  in  einer  Grundmasse,  die  aus 

kleinen  Orthoklasen  und  Plagioklasen  nebst  Magnetit  sowie 

massenhaften  Biotitblättchen  besteht,  welche  rotbraun  gefärbt 

sind. 

Gang  zirka  150  m  über  Le  Seile-See. 

Äußerlich  könnte  man  dieses  und  das  vorige  Gestein  ver- 
wechseln. Es  besteht  wesentlich  aus  drei  Konstituenten:  aus 
Feldspat,  Biotit  und  Augit,  wobei  eine  eigentliche  Grund- 
masse fehlt  (Tafel,  Fig.  5).  Der  Feldspat  ist  breitleistenförmig, 
ein  Labrador  mit  typischer  polysynthetischer  Zwillingsbildung. 
Er  ist  ziemlich  reich  an  Biotitinterpositionen.  Manche  Indi- 
viduen zeigen  undulöse  Auslöschung. 

Zwischen  den  Feldspaten  eingezwängt  finden  sich  streng 
idiomorphe  schwärzliche  Augite  mit  40  bis  42°  Auslöschung. 
Sie   sind    schwärzliche    Diailage    und    man 
merkt   bei   stärkerer  Vergrößerung,    daß   sie 
(Fig.   4)    von    einem    System     von    kurzen, 
^  »   -   ■        schwarzen,  parallelen  Rissen  durchzogen  sind, 

welche    0*3 |x    durchschnittlich    voneinander 
entfernt  sind. 

,,.     t  Die  schwarze  Farbe  dürfte  aller  Wahr- 

Fig.  4. 

scheinlichkeit  nach  durch  Magnetitstaub  be- 

Augitzwilhng.  ° 

a  Magnetit,  dingt  sein.    Häufig  sind  die  Individuen   ver- 

b  Biotit.  zwillingt  und  zeigen  prächtigen  Schalenbau. 

Die  Zahl  der  Individuen  ist  geringer,  als  man 

nach   dem  Äußeren  erwarten  sollte.  Die   Biotite  sind  lebhaft 

pleochroitisch;  sie  vereinigen  sich  mit  Augitkörnern  zu  Nestern. 

Dieses   wie  das  vorige  Gestein   ist  den  Kersantiten  sehr 

ähnlich. 

Le  Seile-See — Allochet,  Gang  am  Kamme  des  Zuges,  2600  w. 

Der  Unterschied  zwischen  diesem  Typus  und  den  voran- 
gegangenen ist  sehr  gering.  Der  Labrador  zeigt  außer  Biotit 
auch  noch  spärliche  unregelmäßige  Chloritschuppen  als  Ein- 
schlüsse. Große  Augitindividuen  fehlen,  dagegen  ist  er  nicht 
selten  in  Delessit  umgewandelt,  wobei  Kalk  gebildet  wurde.  Die 
Biotitblättchen  verleihen  dem  Schliff  durch  ihre  Menge  eine 
bräunliche  Färbung.  Dieses  holokrystallinporphyrische  Gestein 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  263 

ist  also  ebenfalls  ein  biotitführender  Plagioklasporphyrit  mit 
Kersantithabitus. 

Die  folgenden  Gesteine  sind  deshalb  wichtig,  weil  durch 
ihre  Ähnlichkeit  mit  den  Monozonitporphyren  ein  Übergang 
von  den  Melaphyren  zu  den  Monzoniten  hergestellt  wäre. 

Plateau  über  dem  Predazzitbruch  südlich  vom  Bruch,  2350  tn. 

Schwarzgraues  Gestein  mit  winzigen  Augiten;  porphyrische 
Struktur  ist  nicht  ausgeprägt.  In  einer  teilweise  orthoklastischen 
Grundmasse  sind  Augit  und  Feldspat  die  Einsprengunge. 
Letztere  sind  Plagioklase  der  Labradorreihe,  daneben  kommen 
zu  Nestern  vereint  in  kleinen  Individuen  auch  Orthoklase  vor. 
Biotit  und  Magnetit  sind  die  Interpositionen  des  Augites.  Der 
Biotitgehalt  ist  mehr  oder  weniger  gering,  es  sind  meist  Blätt- 
chen, auch  Lamellen  von  geringen  Dimensionen,  aber  starkem 
Pleochroismus.  Die  Grundmasse  ist  reich  an  Augitmikrolithen. 

Den   Monzonit  durchbrechend.    Plateau   unter   Allochetpaß 
gegen  Predazzitbruch.  2400  m. 

Das  Gestein  ist  grau;  man  bemerkt  in  demselben  größere 
Plagioklasindividuen. 

Die  Grundmasse  ist  feldspatig;  sie  wird  gebildet  von 
kleinen,  regellos  gelagerten  Blättchen  ohne  Zwillingsstreifung, 
mit  niederen  Interferenzfarben,  jedenfalls  Orthoklase.  Dazwischen 
befinden  sich  rötiichbraune  Biotitblättchen  mit  starkem  Pleo- 
chroismus, weiter  Magnetitkkörnchen  und  sehr  dicht  gelagerte, 
stark  lichtbrechende,  grüne  Körnchen,  schwach  pleochroitisch, 
die  Augitkörnchen  sind.  Endlich  finden  sich  noch  unregel- 
mäßig begrenzte,  längs  einer  Linie  angeordnete  zusammen- 
hängende Granaten  als  Kontaktprodukte.  Als  Einsprengung 
finden  sich  nur  größere  Labradore. 

Endlich  seien  noch  drei  Gesteine  hier  angeführt,  die  von- 
einander wenig  oder  gar  nicht  verschieden  sind.  Sie  stammen  vom 

Werneritfundort 

und  sind  sehr  zersetzte  Plagioklasporphyrite,  die  einige  Ähn- 
lichkeit mit  den  Monzonitporphyren  besitzen.  Auch  Weber1 


i  Dr.  Max  Weber,  Inauguraldissertation.  Würzburg  1899. 


264  K.  Went, 

beschrieb  von  diesem  Fundort  ein  Ganggestein,  das  er  als 
Porphyrit  mit  lamprophyrischer  Grundmasse  bezeichnet.  Doch 
ist  dieses  Gestein  mit  dem  hier  beschriebenen  nicht  identisch, 
soviel  aus  Weber's  Beschreibung  hervorging.  Alle  drei  sind 
rötlich  gefärbt,  jedenfalls  durch  Eisen,  brausen  mit  Salzsäure 
und  haben  außer  kleinen  undeutlichen  Feldspaten  keinen 
sonstigen  größeren  Gemengteil  ausgeschieden. 

Die  Grundmasse  ist  stark  verwittert,  feldspatig,  in  der  die 
Einsprengiingsfeldspate  erst  bei  -fNicols  deutlich  sichtbar 
werden.  Ihre  Grenzen  sind  der  Grundmasse  gegenüber 
nicht  scharf  ausgeprägt.  Ihre  nähere  Bestimmung  ist  un- 
möglich, doch  scheint  auch  Orthoklas  vorzukommen.  Die 
Augite  sind  ebenfalls  stark  zersetzt,  teils  farblos,  teils  gelblich- 
grün.  Magnetit  kommt  nur  selten  vor. 

3.  Diabasporphyrite. 

Cathrein1  bemerkt  in  seiner  Abhandlung:  »Diabas- 
porphyrite bezeichne  ich  analog  den  Dioritporphyriten  por- 
phyrische Gemenge  von  Plagioklas,  Augit,  Uralit  und  oft  etwas 
Hornblende«;  dann  fügt  er  hinzu:  »Sie  führen  oft  etwas 
Olivin«.  Sie  sind  also  nach  Cathrein  meist  olivinfrei  und 
Rosenbusch,2  der  im  allgemeinen  auch  in  Bezug  auf  den 
Olivin  derselben  Ansicht  betreffs  der  Diabasporphyrite  ist,  setzt 
hinzu,  daß  die  Grundmasse  ausgezeichnet  hoiokrystallin  und 
deutlich  phaneromer  sein  müsse.  Die  olivinfübrenden  Diabas- 
porphyrite wurden  von  Cathrein1  auch  Meiaphyre  genannt. 

Gang  im  Monzonit  beim  Aufstieg  von  Ronchi  zum  Toal  della 
Foja,  zirka  1830  m. 

Das  Gestein  gleicht  äußerlich  sehr  einem  Camptonit,  es  ist 
schwarz  und  besitzt  keine  schon  makroskopisch  erkennbaren 
Gemengteiie.  Es  findet  sich  unweit  des  Camptonites  p.  34. 

Die  Struktur  ist  diabasisch.  Von  einer  Grundmasse  kann 
kaum  gesprochen  werden.  Hauptkonstituenten  sind  Feldspat 


i  Zur  Dünnschliffsammlung  des  Tiroler  Eruptivgebietes.  N.  J.  f.  M.  1S90. 
2  Rosenbusch  Elemente   1896. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  265 

und  Augit,  daneben  kommen  in  abnehmender  Reihenfolge 
Chlorit,  Hornblende  und  Biotit  vor.  Die  Feldspate  sind  schmal 
leistenförmig,  sie  liegen  auf  kurze  Strecken  parallel;  sie 
gehören  der  Labradorreihe  an.  Es  befinden  sich  in  ihnen  häufig 
äußerst  dünne  Nädelchen,  die  Apatit  sein  dürften.  Der  Augit 
ist  rötiichbraun,  fast  etwas  bräunlich,  selten  sind  breite  Indi- 
viduen, meist  hat  man  es  mit  Säulchen  und  Körnern  zu  tun. 
Seine  Auslöschungsschiefe  beträgt  44°.  Die  Mesostasis  bilden 
die  anderen  Gemengteile.  Die  Hornblende  wie  der  Biotit  ist 
kräftig  pleochroitisch. 

Den  größten  Teil  der  Grundmasse  bildet  Chlorft  mit  ein- 
gestreuten Magnetitkörnern.  Auch  vereinzelte  Kalklamellen 
wurden  beobachtet. 


Gang  im  Augitdiorit  (Mal  Inverno),  Nordabhang. 

Schrunde  westlich  von  der  Ricolettaschlucht,  Westabhang    100  m  unter  dem 

Kamme. 

Dieses  Gestein  ist  dem  vorigen  sehr  ähnlich.  Es  ist  ein 
vollkommen  dichtes  schwarzes  Gestein  ohne  einen  makro- 
skopisch erkennbaren  Gemengteil  (Tafel,  Fig.  2).  Es  ist  aus- 
geprägt intersertai  struiert.  Die  schmalleistenförmigen  dünnen 
Feldspate  gehören  der  Bytownitreihe  an.  Dazwischen  befinden 
sich  als  Mesostasis  schwach  rötliche  Augitkörner,  sehr  reich- 
lich chlorotisierte  Augitkörner,  Chloritblättchen,  Magnetitkörner 
und  endlich  spitzdomatische  Durchschnitte,  die  größtenteils 
Kalk  enthalten  und  ein  Umwandlungsprodukt  des  Olivin  sind. 


Die  im  Jahre  1901  bei  Forno  gesammelten  Gesteine  wur- 
den schon  durch  Ippen1  und  Fabian2  beschrieben. 

Ich  habe^  nunmehr  noch  ein  paar  Gesteine  beschreibend 
hinzuzufügen,  die  während  der  Exkursion  1902  aufgesammelt 
wurden,  die  aber  nur  das  in  den  erwähnten  Arbeiten  Gefundene 


i  L.  c. 
2  L.  c. 


266  K.  Went, 

bestätigen.  Die  Gesteine  stammen  von  den  Gängen  am  rechten 
Avisio-Ufer  in  der  Nähe  von  Forno.  Allen  diesen  Gesteinen  ist 
eigentümlich,  daß  sie  mehr  oder  weniger  ausgeprägt  dia- 
basisch struiert  sind,  daß  sie  sich  durch  einen  wenn  auch 
manchmal  geringen  Gehalt  an  Chlorit,  beziehungsweise  Horn- 
blende auszeichnen. 

Melaphyre. 

An  der  Straße.  Vor  Forno  (von  Predazzo  aus). 

Es  sind  serpentinfarbige  Gesteine,  die  mit  Salzsäure 
brausen,  die  kleine,  sehr  scharf  begrenzte,  zum  Teil  auch 
größere,  bis  6  mm  messende,  grünliche  Augite  enthalten.  Doch 
sind  sie  nicht  besonders  augitreich. 

Zwischen  den  Einsprengungen  Feldspat  und  Augit  sind 
intersertal  eingelagert  zur  Grundmasse  gehörig  kleine  Feld- 
spatleistchen,  Chloritblättchen,  wahrscheinlich  nach  Augit  und 
dann  auch  Magnetit. 

Der  Feldspat  ist  breitleistenförmig,  enthält  Chlorit  und 
Magnetit  und  gehört  der  Labradorreihe  an.  Er  ist  zersetzt  und 
korrodiert.  Die  Augitgröße  wechselt  sehr,  der  Augit  ist  gelblich 
gefärbt,  seine  Auslöschungsschiefe  beträgt  43°.  Der  Olivin  ist 
serpentinisiert,  daneben  kommt  Kalk  vor. 

Ein  anderes  Gestein 

hinter  Forno  an  der  Straße 

unterscheidet  sich  dadurch,  daß  die  porphyrische  Struktur  be- 
deutend besser  zum  Ausdruck  kommt.  Die  Grundmasse  besteht 
aus  einem  Gewirr  kleinster  Plagioklasleistchen 
mit  Magnetit,  Hornblende  und  größtenteils 
Chlorit.  Einsprengunge  sind  rundliche  oder 
breitleistenförmige  Bytownite,  meist  frisch, 
doch  auch  mit  zonar  gelagertem  Chlorit, 
ferner  zurücktretend  Augit  mit  42  bis  46° 
Auslöschung  —  auch  Sektorenbildung  (Fig.  5) 
wurde  beobachtet  —  und  endlich  spärlich 
serpentinisierter  Olivin. 

Beide  Gesteine  ähneln  sehr  den  oben 
beschriebenen  Plagioklasporphyriten,  die  auch 
Olivin  haben. 


&? 

b 

Fig.  5. 

Augit  mit  Sektoren 

bildung. 

a  Feldspat, 

b  Magnetit. 

Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  267 


Diabasporphyrite. 

Sie  sind  wenig  verschieden  von  den  Melaphyren  von 
Forno  und  den  Monzoni-Diabasporphyriten  ziemlich  ähnlich. 
Ausgezeichnet  kommt  hier  die  divergentstrahlige  Struktur  zum 
Ausdruck. 

Zwischen  Forno  und  Moena  Gang  im  Kalke  an 
der  Straße,  vor  Bisola. 

Außer  den  Feldspatleisten  sind  Augitkörner,  Magnetit, 
Limonit  zum  Teil  und  Chlorit  die  Konstituenten  der  Grund- 
masse. Einsprengunge  sind  ganz  zersetzter,  zentral  vollkommen 
chloritisierter  Feldspat  —  Messungen  waren  nicht  möglich  — 
und  teilweise  frischer,  meist  zersetzter  Augit. 

Vor  Forno. 

Zum  Schlüsse  beschreibe  ich  noch  einen  Diabasporphyrit 
von  Forno,  der  infolge  des  Augitgehaltes  eher  eigentlich  ein 
Augitporphyrit  genannt  werden  sollte.  Das  Gestein  ist  schwarz, 
es  enthält  zahlreiche  braune  Augite;  es  erschien  durch  den 
Plagioklas  wie  weißgesprenkelt  und  braust  mit  Salzsäure.  Grund- 
masse sind  Plagioklasleistchen,  die  ungefähr  ein  Drittel  des 
Schliffes  einnehmen.  Zwischen  denselben  befinden  sich  unregel- 
mäßige Chloritblättchen,  so  daß  die  Grundmasse  etwas  grün- 
lich ist.  Augitsäulchen  sieht  man  in  derselben  Größe  wie  die 
Feldspatleisten,  wirr  gelagert,  von  derselben  Farbe  und  dem- 
selben Aussehen  wie  die  Augite  des  Augitporphyrs  von  Bufaure. 
Auch  der  Magnetit  beteiligt  sich  an  der  Grundmasse,  die  hoio 
krystailinporphyrisch  ist.  Einsprengunge  sind  Anorthite,  breit 
leistenförmig  bis  rundlich,  öfters  mit  undulöser  Auslöschung 
und  zu  Nestern  vereint  mit  spärlichen  Chloriteinschiüssen. 
Korrosionen  sind  sehr  häufig  am  Augit;  er  besitzt  eine  Aus- 
löschungsschiefe von  45°. 

Man  könnte  dieses  Gestein  eigentlich  einen  Diabasaugit- 
porphyrit  nennen. 


268  K.  Went, 

Melaphyr  von  Col  de  Lares. 

Schon  K.  Fabian1  hat  über  dieses  Gestein  von  breccien- 
und  tuffartigem  Habitus  berichtet.  Ich  kann  auf  Grund  der 
Beobachtungen  an  drei  anderen  Handstücken  von  Col  de  Lares 
seinen  Befund  nur  bestätigen.  Alle  drei  Handstücke  sind  des- 
halb merkwürdig,  weil  sie  durchaus  kein  gleichartiges  Gestein 
darstellen,  sondern  fremde  Gesteinsteile  enthalten,  die  ungefähr 
eine  kugelige  Form  besitzen.  Die  Farbe  des  Melaphyrs  ist 
schwarzgrün,  die  der  Schlieren  rötlichschwarzbraun.  Der 
Melaphyr  ist  dicht,  die  Schliere  grobkörniger.  Mit  Salzsäure 
brausen  beide  Teile. 

Die  Grundmasse  des  Melaphyrs  enthält  zersetzten  trüben 
Plagioklas,  ferner  zersetzten  Augit  als  Einsprengunge.  Sie  ist  je 
nach  dem  Magnetit-,  beziehungsweise  Limonitgehalt  schwarz, 
rötlich  auch  gelblich  gefärbt.  Stellenweise  gleicht  das  Gestein 
strukturell  einem  Andesit.  In  der  Grundmasse  befinden  sich 
kleinste  Feldspatnädelchen,  auch  breitere.  Die  Plagioklase  ent- 
halten Magnetitkörner,  sind  auch  nicht  selten  zu  mehreren 
vereint  ganz  von  Magnetitkörnern  eingehüllt.  Augit  wie  Olivin 
sind  umgewandelt,  es  hat  sich  dabei  Kalk  gebildet.  Delessit 
beteiligt  sich  ebenfalls  an  der  Zusammensetzung  dieses 
Gesteins.  Die  Schlieren  weichen  in  ihrer  Beschaffenheit  etwas 
ab.  Ihre  Grundmasse  ist  wohl  durch  Eisen  rötlich  gefärbt;  sie 
ist  ebenso  wie  die  des  Melaphyrs  teilweise  glasig  und  enthält 
kleine  Feldspate.  Die  Einsprengunge  sind,  soweit  ihre  Zersetzt- 
heit  eine  Messung  zuließ,  Oligoklase,  ihr  Verhalten,  ist  dasselbe 
wie  im  Melaphyr.  Augit  wie  Olivin  sind  überhaupt  gänzlich 
zersetzt. 

In  der  Schliere  bemerkt  man  mehr  Kalkmandeln,  Delessit, 
auch  Seladonit. 

Es  liegt  jedenfalls  eine  Schliere  vor,  die  infolge  einer  etwas 
von  der  Melaphyrzusammensetzung  abweichenden  chemischen 
Beschaffenheit  leichter  zersetzbar  war. 


1  K.  Fabian,  Über  einige  Porphyrite  und  Melaphyre.  Mitt.  des  naturw. 
Vereines  für  Steiermark,  1902. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  269 

Das  Gestein  von  der 

neuen  Pordoistrafie 

ist  äußerlich  und  mikroskopisch  sehr  dem  von  Col  de  Lares 
ähnlich.  Die  Grundmasse  ist  glasig,  schwarz,  enthält  Feldspat- 
leistchen  und  ist  magnetitreich.  Breite  Oligoklasleisten  mit 
Grundmasse-  und  Magnetiteinschlüssen  sind  weit  häufiger 
als  die  beiden  stets  zersetzten  anderen  Einsprengunge  Olivin 
und  Augit.  Es  ist  dieses  Gestein  wohl  ein  sehr  verwitterbarer 
Melaphyr  mit  annähernd  andesitischem  Habitus. 

B.  Camptonitgprappe. 

Der  Begriff  Camptonit  wird  bei  den  verschiedenen  Autoren 
sehr  wechselnd  aufgefaßt.  Es  wäre  besser,  um  denselben 
schließlich  nicht  als  Sammelname  gelten  zu  lassen,  darunter  nur 
die  Hornblendegesteine  als  solche  zu  bezeichnen,  von  jenen 
Gesteinen  aber,  die  noch  einen  anderen  Gemengteil  führen,  die 
besondere  Natur  hervorzuheben.  Demnach  würde  die  Ein- 
teilung der  Camptonite  sich,  wie  folgt,  ergeben: 

1.  Eigentliche  Camptonite  mit  Hornblende,  Plagioklas  und 
Olivin. 

2.  Biotitcamptonite  mit  Hornblende,  Biotit,  Plagioklas  und 
Olivin; 

3.  Augitcamptonite  mit  Hornblende,  daneben  Augit,  Plagio- 
klas und  Olivin. 

Nur  dann  ist  die  Bezeichnung  Augitcamptonit  richtig,  wenn 
es  sich  um  ein  Gestein  handelt,  welches  neben  Hornblende  in 
größerer  Menge  Augit  enthält.  Ein  hornblendefreies  Gestein 
kann  nie  ein  Camptonit  sein,  da,  wie  sich  namentlich  in 
unseren  Gesteinen  zeigt,  solche  Gesteine  mit  den  Augit- 
porphyren  und  Melaphyren  ident  sind,  weiche  ja  auch  gang- 
förmig auftreten.  Es  wäre  unzulässig,  jüngere  Gesteine  Camp- 
tonite zu  nennen,  die  eine  ganz  andere  Zusammensetzung 
besitzen.  Daß  Augit  bei  den  eigentlichen  Camptoniten  und 
Biotitcamptoniten  als  akzessorischer  Gemengteil  auftreten  kann, 
wird   vorausgesetzt;   ebenso   ist   wohl   selbstverständlich,  daß 


270  K.  Went, 

Zwischenglieder    zwischen     den     angeführten     Camptoniten 
existieren. 

Die  Monchiquite  zerfallen  in 

1.  eigentliche  mit  Hornblende,  Plagioklas  und  Olivin; 

2.  Biotitmonchiquite  mit  Hornblende,  Biotit,  Plagioklas  und 
Olivin; 

3.Augitmonchiquite  mit  Hornblende,  dann  Augit,  Plagioklas 
und  Olivin. 

Die  bei  den  Augitcamptoniten  gemachten  Bemerkungen 
treffen  analog  auch  hier  zu.  Es  reihen  sich  außerdem  an : 

4.  Fourchite,  das  sind  olivinfreie  Augitmonchiquite, 

5.  Ouachitite,  das  sind  olivinfreie  Biotitmonchiquite,  und 

6.  Rizzonite  mit  Augit,  Olivin  und  Glasbasis. 

Auf  Grund  dieser  Einteilung  ist  folgende  Beschreibung 
zusammengefaßt  worden. 

1.  Camptonite. 
Ippen's1  Camptonit  hinter  der  Brauerei   von   Predazzo 
stimmt,  abgesehen  von  dem  geringeren  Barkevikitgehalt,  ganz 
mit  vorliegendem  Gesteine  überein.  Es  stammt  vom 

Aufstiege  von  Pizmeda  zum  Toal  della  Foja,  am  Wege,  bei 

zirka  1800  m. 

Das  Gestein  ist  grünlichschwarz,  enthält  große  bis  &mm 
messende  Hornblenden  und  ist  ein  Gang  im  Monzonite.  Es  ist 
in  Bezug  auf  die  feldspatige  Grundmasse  annähernd  ophitisch 
struiert.  Der  Magnetitgehalt  ist  gering.  Hornblende  wie  Augit 
sind  idiomorph.  Die  barkevikitische  Hornblende  kommt  in 
schönen  Durchschnitten  vor,  die  häufig  einen  dunkleren  Kern, 
wie  ihn  Ippen1  beschrieb,  besitzen,  sie  ist  tiefbraun  gefärbt,  hat 
einen  kräftigen  Pleochroismus  und  man  kann  in  ausgezeichneter 
Weise  an  den  meisten  Individuen  den  charakteristischen 
Spaltungswinkel  von  124°  messen. 

Bei  einem  Barkevikit  war  nur  der  Rand  unzersetzt,  im 
Innern  befand  sich  ein  eigentümliches  Gebilde,  Dendriten  ver- 


1  L.  c.  p.  12;  dieses  vom  rechten  Avisioufer  stammende  Gestein  durch- 
bricht den  Monzonit  und  nicht,  wie  Romberg  (III  p.  3)  fälschlich  behauptet, 
den  Granit. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  27 1 

gleichbar,  bestehend  aus  Magnetitkörnern,  zwischen  welchen  sich 
eine  lauchgrüne  Substanz  (Chlorit?)  und  daneben  eine  stärker 
brechende  weiße,  vielleicht  Epidot,  befand.  Der  Augit  tritt  gegen 
den  Barkevikit  zurück,  er  ist  auch  in  Chlorit  umgewandelt. 
Olivin  wenig,  immer  aber  serpentinisiert.  Magnetit  ist  Einschluß 
im  Augit  und  in  der  Hornblende.  Ebenso  wurde  Apatit  in  einem 
größeren  Labradorindividuum  beobachtet.  Spärlich  sind  Kalk- 
blättchen. 

Traversellittal  an  der  Gabelung  (nicht  anstehend). 

Gesteinsfarbe  schwarz,  Kalkmandeln  häufig  ohne  schon 
makroskopische  Gemengteile. 

Als  Hauptgemengteil  ist  der  Augit  aufzufassen,  seine  Größe 
ist  unbedeutend,  die  Durchschnitte  sind  rundlich  bis  rechteckig, 
Säulchen  sieht  man  häufig.  Die  Auslöschungsschiefe  steigt  bis 
48°,  er  ist  idiomorph,  beinahe  einschlußfrei,  selten  sind  Mag- 
netiteinschlüsse. Die  Hornblende  steht  dem  Augit  an  Menge 
nach,  es  sind  stets  nur  kurze  Stengel,  die  meist  dem  Barkevikit, 
selten  der  basaltischen  Hornblende  angehören.  Auch  in  der 
Hornblende  wurden  Magnetitkörnchen  beobachtet,  ein  Umstand, 
der  wohl  für  die  gleichzeitige  Bildung  des  Augites  und  der 
Hornblende  spricht.  Zwischen  beiden  eingelagert,  findet  man 
Labradorleistchen,  die  nie  über  die  Größe  des  Augites  hinaus- 
gehen. An  Größe  steht  obenan  der  Olivin,  größtenteils  in  Kalk 
umgewandelt,  mit  einem  dünnen  Saume  von  Augitkörnchen  und 
Hornblendeleistchen.  Die  kleinen  Kalklamellen  haben  öfters 
einen  dünnen  chloritischen  Saum.  Ganz  vereinzelte  Stellen 
schienen  Glas  zu  sein,  doch  ist  diese  Beobachtung  zweifelhaft. 
Die  Bildung  von  Kochsalzwürfeln  unterblieb  beim  Versetzen 
mit  Salzsäure.  Das  Gestein,  holokrystallinporphyrisch  struiert, 
ist  ein  Augitcamptonit. 

Endlich  sei  noch  ein  Gestein  von  der 

Ricolettaspitze 

beschrieben,  das  neuerlich  von  Romberg  als  Monchiquit  an- 
gesprochen wurde,  in  der  Tat  aber  ein  Camptonit  ist,  da  es  keine 
Glasbasis  enthält.  Hierin  hat  Romberg1  Unrecht. 

*  Romberg,  TU,  S.  10. 


272  K.  Went, 

Das  dichte  Gestein  ist  schwarz  gefärbt,  mit  kleinen 
höchstens  \mm  messenden  Augiten.  Diese  und  die  Hornblende 
halten  sich  in  Bezug  auf  Menge  das  Gleichgewicht.  Augit  hat 
auch  stengelige  Durchschnitte,  ist  idiomorph  wie  auch  die 
Hornblende.  Sein  Pleochroismus  ist  schwach,  er  ist  etwas 
rötlich  gefärbt,  beinahe  stets  einschlußfrei  und  besitzt  eine 
Auslöschungsschiefe  von  48°.  Größere  Augite  sind  selten.  Der 
immer  serpentinisierte  Olivin  erreicht  bedeutendere  Größe;  er 
erscheint  ganz  umsäumt  von  sehr  dicht  gelagerten  Magnetit- 
körnchen, die  sich  auch  auf  Sprünge  im  Innern  ansammeln.  Die 
Hornblende  —  es  handelt  sich  nur  um  Barkevikit  —  ist  in 
kurzen  Säulchen  vertreten,  der  Pleochroismus  kräftig.  Die 
Zwischenräume  zwischen  Augit  und  Hornblende  füllen  sehr 
dünne,  wohl  aber  streng  begrenzte,  auch  breitere  Plagioklas- 
leistchen  aus. 

Jene  Partien,  die  scheinbar  zwischen  -4-  Nicols  dunkel 
blieben,  erwiesen  sich  bei  Anwendung  des  Gipsblättchens  doch 
nicht  als  isotrop.  Glas  fehlt  also.  Es  liegt  wieder  ein  Augit- 
camptonit  vor. 

•  2.  Monehiquite. 

Zu  betonen  ist,  daß  die  hier  angeführten  Monehiquite  nur 
wenig  von  den  Camptoniten  verschieden  sind. 

Gang   im   Monzonit.    Nordabhang    zwischen   Ricoletta    und 

Rizzoni. 

NNO  der  Spitze,  2300  m. 

Das  tiefschwarze  Gestein  braust  mit  Salzsäure,  enthält 
barkevikitische  Hornblende  als  Hauptgemengteil,  ferner  reichlich 
Augit  und  Olivin.  Die  Hornblende  hat  die  Form  langer  Nadeln, 
sinkt  zu  kleinsten  Individuen  herab.  In  beinahe  porphyrischer 
Ausbildung  ist  Olivin  vertreten,  stets  serpentinisiert  und  fast 
stets  korrodiert.  Grundmasse  mit  Hornblende  dringt  häufig  in 
den  Olivin  ein  (Fig.  6).  Bisweilen  enthält  er  im  Innern  noch 
frische  Kerne  und  häufig  Picotit. 

In  größerer  Zahl,  jedoch  kleineren  Körnern  oder  Stengeln 
sieht  man  den  Augit  zwischen  der  Hornblende  eingelagert  mit 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzom.  273 

39  bis  45°  Auslöschung.  Der  Feldspat  ist  ein  Anorthit,  es  sind 
kleine  schmale  Lamellen,  er  ist  sehr  spärlich.  Glas  ist  vor- 
handen, doch  nur  wenig. 

Sicher  ist,  was  die  Reihenfolge  der  Ausscheidungen  betrifft, 
daß  sich  zuerst  Olivin  und  Augit,  dann  erst,  wie  ja  das  Ein- 
dringen von  Grundmasse  mit  Hornblende  in  den  Olivin  beweist, 
Hornblende  und  später  Feldspat  sich  bildeten.  Magnetit  kommt 
sowohl  im  Augit  wie  im  Olivin  als  Einschluß  vor. 

Das  Gestein  ist  ein  Augitmonchiquit. 

III.  Gang  auf  Palle  rabbiose  gegen  Mal  Inverno,  zirka  2550  m. 

Das  Gestein  braust  mit  Salzsäure.  Äußerlich  sehen  sich 
dieses  und  das  vorige  Gestein  vollkommen  gleich.  Als  Ein- 
sprengunge erscheinen  schwach  rötlicher, 
idiomorpher  Augit  in  Körnern  und  6-  bis 
8-eckigen  Durchschnitten  mit  45°  Aus- 
löschung, daneben  in  gleicher  Menge 
bräunliche  Hornblende  —  Barkevikit  — 
ebenfalls  idiomorph  in  Nadeln,  Stengeln, 
mit  nicht  besonders  lebhaftem  Pleochro- 
ismus  und  einer  Auslöschungsschiefe 
von  ungefähr  14°.  Größere  Augite  sind  Fi    6 

in  Chlorit  umgewandelt,  dabei  hat  sich       .,.  .  ... 

°  a  Ohvin  serpentinisiert. 

Kalk  gebildet.    Einige   spitzdomatische       b  Barkevikitnadein. 
Schnitte  einer  gelblichgrünen  Substanz 

sind  serpentinisierter  Olivin;  auch  hier  wurde  Kalk  gebildet,  es 
handelte  sich  also  um  einen  Monticellit. 

Endlich  nehmen  teil  am  Aufbaue  des  Gesteins  regellos 
zwischen  Augit  und  Hornblende  in  der  grünlichen,  teilweise 
glasigen  Grundmasse  liegende,  unzersetzte  Labradorleistchen. 

Dieses  Gestein  ähnelt  strukturell  sehr  den  Rizzoniten,  es 
ist  ein  Augitmonchiquit. 

Aufstieg  zur  Ricolettaspitze. 

200  m  Horizontaldistanz  NNW  von  dieser,  2400  bis  2500  m. 

Das  Gestein  ist  vollkommen  dicht,  schwarz  gefärbt,  braust 
mit  Salzsäure  und  zeigt  keine  makroskopischen  Gemengteile. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  1 8 


274  K.  Went, 

Bei  schwacher  Vergrößerung  scheinen  in  einer  ungleich 
schmutzig  grünbraunen  Grundmasse  nur  Augit  und  Olivin  sich 
ausgeschieden  zu  haben.  Bei  starker  Vergrößerung  löst  sich 
diese  Grundmasse  auf;  sie  besteht  aus  äußerst  dicht  aneinander 
gelagerten  bräunlichen  Hornblendenadeln,  nebst  kleinsten  Augit- 
körnern  und  -leisten.  Die  Barkevikitnadeln  sind  nur  schwach 
pleochroitisch,  haben  eine  Auslöschungsschiefe  von  12°. 
Zwischen  diesen  erwähnten  Nadeln  und  Körnern  lagern  sich 
kleine  Oligoklas-  (?)  Leistchen.  Alles  befindet  sich  in  einerteilweise 
glasigen  Grundmasse. 

Augit  wie  Olivin  sind  idiomorph,  ebenso  die  Hornblende- 
nädelchen.  Den  Augit  sieht  man  in  deutlichen  kristallo- 
graphischen  Durchschnitten,  er  ist  blaß  rosa,  zeigt  mitunter 
Sanduhrstruktur  und  eine  Auslöschungsschiefe  von  49°.  Olivin 
stets  serpentinisiert  mit  Magnetit-  und  Picotiteinschlüssen.  Kalk- 
blättchen  sind  nicht  selten.  Dieses  Gestein,  auch  ein  Augit- 
monchiquit,  stellt  mehr  oder  weniger  nur  ein  Übergangsgestein 
zu  den  Camptoniten  dar. 

3.  Rizzonite. 

Es  ist  dies  ein  Gesteinstypus,  der,  wie  Herr  Prof. 
Doelter1  bereits  berichtete,  sich  eng  an  die  Camptoni tgruppe 
und  zwar  infolge  seiner  teilweise  glasigen  Basis  an  die  Monchi- 
quite  anschließt.  Das  Gestein  braust  mit  Salzsäure  nur  an 
Verwitterungsflächen,  an  frischen  jedoch  nicht 

Die  Rizzonite  sind  feldspatfreie  Augitolivingesteine  mit 
glasiger  Basis,  deren  Menge  gegenüber  den  Einsprengungen 
verschwindend  gering  ist,  mit  unbedeutendem  Magnetitgehalt 
und  spärlicher  Hornblende,  die  nur  in  kleinen  Schlieren  zu 
treffen  ist. 

Durch  Zunahme  dieses  Übergemengteiles  und  das  Auf- 
treten von  geringsten  Feldspatmengen  erscheint  schon  minera- 
logisch die  Annahme  begründet,  daß  man  es  hier  mit  einer 
Gesteinsart  zu  tun  hat,  die  sich  an  die  Augitmonchiquite  anlehnt 
und  aber  auch  durch  große  Verwandtschaft  mit  gewissen  feld- 


i  Akad.  Anzeiger  Nr.  II,  1903. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  275 

spatarmen  augitreichen  Melaphyren  besitzt.  Von  den  Mond- 
haldeiten  sind  sie  strukturell  und  mineralogisch  vollkommen 
abweichend. 

Südseite  der  Ricoletta,  2400  m. 

In  der  Schrunde  zwischen  Ricoletta  und  Rizzoni-Spitze,  zirka  300  m  östlich 

von  ersterer. 

Die  Farbe  des  Gesteins  ist  vollkommen  schwarz;  es  sieht 
äußerlich  sehr  den  hier  vorkommenden  Camptoniten,  be- 
ziehungsweise Monchiquiten  ähnlich.  Außer  ein  paar  kleinen 
höchstens  2  mm  messenden  Augiten  sind  keine  Gemengteile  mit 
unbewaffnetem  Auge  erkennbar.  An  Verwitterungsflächen  ist  es 
grünlichschwarz  bis  schmutzigbraun  gefärbt.  Unter  dem  Mikro- 
skope sieht  man  folgendes:  Hauptgemengteile  sind  Augit,  dann 
Olivin  (siehe  Tafel,  Fig.  3).  Der  Augit  ist  vollkommen  idiomorph. 
Er  kommt  vor  in  kleinen  Säulchen,  die  bisweilen  strahlig 
angeordnet  sind,  doch  hält  diese  Form  ungefähr  das  Gleich- 
gewicht mit  der  Körnerform.  Die  Länge  dieser  Säulchen  beträgt 
durchschnittlich  im  Maximum  0*2  mm,  sehr  selten  sind  Augite 
mit0#6ww.  Die  Größe  der  Körner  schwankt  zwischen  O'Ol 
bis  0*  1  mm.  Körner  mit  0*1  mm  im  Durchmesser  sind  schon 
sehr  spärlich.  Die  Säulchen  und  Körnchen  erfüllen  gewisser- 
maßen den  ganzen  Schliff;  sie  sind  gelb,  auch  äußerst  schwach 
rosa  gefärbt.  Pleochroitische  Augite  konnten  nicht  beobachtet 
werden.  Die  Auslöschungsschiefe  beträgt  bis  47°.  Selten  sind 
Augite  mit  Einschlüssen  von  kleinsten  Magnetitkörnchen. 

Der  Olivin  tritt  an  Menge  zurück,  zeichnet  sich  aber,  was 
auch  sonst  häufig  beobachtet  wurde,  dadurch  aus,  daß  er 
durchschnittlich  in  größeren  Individuen  vorhanden  ist,  als  der 
Augit.  Auch  spitzdomatische  Schnitte  wurden  gefunden.  Stets 
ist  er  ganz  oder  teilweise  serpentinisiert  und  beinahe  immer 
von  der  Grundmasse  angegriffen.  Kleinste  Magnetitkörnchen 
bilden  seine  Einschlüsse.  Er  wird  meist  von  Magnetit,  auch 
von  Augit  umsäumt;  letztere  Erscheinung  spricht  für  die 
frühere  Bildung  des  Olivin. 

Bei  schwacher  Vergrößerung  hat  es  den  Anschein,  als  ob 
das  Gestein  reich  an  kleinsten  Hornblendenädelchen  wäre, 
denn  die  Grundmasse  zwischen  den  Augiten  und  Olivinen  ist 

18* 


276 


K.  Wont, 


grün.  Bei  starker  Vergrößerung  sieht  man  aber,  daß  die  Horn- 
blende mit  Ausnahme  einiger  seltener  Schlieren,  die  kaum  die 
Größe  der  bedeutendsten  Augitkörner  erreichen,  mit  basalti- 
schen Hornblendenädelchen,  überhaupt  fehlt.  Diese  grüne, 
eben  erwähnte  Grundmasse  erwies  sich  bei  -h-  Nicols  isotrop, 
ist  also  Glas.  Feldspat  fehlt  gänzlich.  Beim  Versetzen  mit  Salz- 
säure bildeten  sich  Kochsalzwürfel.  Doch  dürfte  das  Natron 
aus  dem  Glas  stammen,  da  Nephelindurchschnitte  bei  sorg- 
faltiger Durchsuchung  des  Schliffes  nicht  aufgefunden  wurden. 
Das  Gestein  ist  hypokrystallinporphyrisch  struiert. 

Herr  Prof.  Doelter  analysierte  diesen  Rizzonit;  das 
Ergebnis  wurde  im  Akad.  Anzeiger  Nr.  II,  1903,  veröffentlicht 
Es  ist  folgendes: 


in 


IV 


Ti02 

Si02 

Al2Os 

Fe2Os 

FeO 

MgO 

CaO 

N^O 

K20 

H^O 

Summe 


0-41 

42-35 

16-25 

5-33 

6*28 

8-97 

12-46 

2-37 

2-01 

2-87 


0*43 

43-92 

16*84 

5-53 

6*51 

9-30 

12-92 

2-46 

2-09 


0-53 

73-20 

16-51 

3-45 

9-04 

23-26 

23-08 

3-96 

2-22 


0-34 

47-15 

10-64 

2-22 

5-82 

14-98 

14-87 

265 

1-43 


99-29 


100-00 


155-25 


100-00 


IL  Analysenergebnis  (I)  nach  Abzug  von  H20  auf  100  berechnet. 

III  wurde  erhalten  durch  Division  der  Zahlenreihe  II  durch  die  Molekular- 
gewichte der  einzelnen  Verbindungen  und  Multiplikation  der  Quotienten  mit 
100  und  in 

IV  auf  100  berechnet. 

Das  Verhältnis  CaO  :  K20-hNa20  =  14-87  :  3 '98. 


Welchen  Gesteinen  und  wie  sehr  der  Rizzonit  denselben 
chemisch  gleicht,  wird  weiter  unten  dargelegt. 


Mclanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  277 

Ein  Gang  unmittelbar  unter  dem  Kamme,  2550w 
hoch,  am  Ausgange  der  oben  erwähnten  Schrunde  sieht  äußer* 
lieh  vollkommen  dem  vorigen  Typus  gleich.  Das  mikroskopische 
Bild  ist  aber  etwas  abweichend. 

Zu  den  Hauptgemengteilen  Augit  und  Olivin  tritt  akzes- 
sorisch hinzu  die  Hornblende.  Das  Verhältnis  des  Augits  zum 
Olivin  ist  dasselbe,  seine  Durchschnittsgröße  mag  etwas  die  des 
vorigen  Gesteins  überwiegen,  sein  sonstiges  Verhalten,  abge- 
sehen von  dem  hier  deutlichen  Pleochroismus,  ist  dasselbe.  Der 
Olivin  ist  etwas  größer,  er  birgt  außer  Magnetit  auch  noch 
Picotitoktaederchen  als  Einschluß;  letzteres  Mineral  wurde 
auch  —  aber  ganz  vereinzelt  —  im  Augit  beobachtet.  Das 
Altersverhältnis  zwischen  Augit  und  Olivin  ist  dasselbe  wie 
vorhin. 

Der  Olivin  ist  nur  teilweise  serpentinisiert.  Magnetit  ist  in 
der  glasigen  Grundmasse  häufig,  die  Körnchen  sind  von  einem 
grünlichen  Saume  umgeben.  Spärlich  durch  den  Schliff  ver- 
teilt, ausgezeichnet  durch  starken  Pleochroismus,  mit  einer 
geringen  Auslöschungsschiefe,  trifft  man  die  grüne  Hornblende. 
Es  ist  wohl  eine  natronreiche,  die  auch  hier  schlierenartig 
angehäuft  vorkommt. 

Schließlich  seien  noch  ein  paar  unregelmäßige  mikrosko- 
pische Stellen  erwähnt,  die  eventuell  Feldspat  sein  mögen.  Die 
früher  über  Nephelin  gemachte  Bemerkung  gilt  auch  für  dieses 
Gestein. 

Zweiter   Gang  von  Norden  auf  Palle  rabbiose  gegen  Mal 
Inverno  am  Kamme.  2530  m  hoch. 

Das  Gestein  ist  schwarz,  vollkommen  dicht,  makroskopisch 
erkennbar  sind  nur  kleinste  spärliche  Augite.  Augit  und  Olivin 
im  selben  Mengenverhältnis  sind  die  Hauptgemengteile.  Der 
Schliff  ist  bedeutend  heller,  wohl  infolge  der  nicht  so  sehr  grün- 
lichen als  weißlichen  glasigen  Grundmasse.  Der  Augit  ist  stets 
idiomorph,  seine  Ausbildungsform  und  Größe  stimmt  mit  den 
schon  oben  erwähnten  Verhältnissen  überein.  Er  ist  etwas 
rötlich  gefärbt,  seine  Auslöschungsschiefe  ist  hoch,  sie  beträgt 
46  bis  48°.  Der  Augit  ist  einschlußfrei. 


278  K.  Went, 

Der  Olivin  tritt  auch  im  selben  Verhältnis  auf,  er  ist  kor- 
rodiert, mit  schwachen  Limonitsäumen,  mit  Picotit-  und 
Magnetiteinschlüssen  versehen,  vielfach  ganz  oder  teilweise 
serpentinisiert.  Hier  wie  im  vorigen  Gestein  trifft  man  grüne 
Hornblendenadeln.  Bemerkenswert  ist  auch,  daß  sie  öfters 
schlierenartig  angehäuft  und  dann  in  der  Regel  mit  kleinsten 
Kalkblättchen  vergesellschaftet  sind.  Auch  hier  mag  erwähnt 
sein,  daß  die  Anwesenheit  von  Nephelin  ja  möglich  ist,  die 
Probe  mit  Salzsäure  deutete  darauf  hin,  mit  Sicherheit  konnte 
dieses  Mineral  nicht  nachgewiesen  werden.  Die  im  vorigen 
Gestein  über  Feldspat  gemachten  Bemerkungen  gelten  auch  hier. 

Ippen1  beschrieb  von  Palla  verde  ein  Ganggestein  als 
Camptonit,  es  enthält  Kalkmandeln  und  geht,  wie  der  Autor 
bemerkt,  zum  Teile  durch  die  Abnahme  brauner  barkevikitischer 
Hornblende  in  Augitporphyrit  über.  Dieses  Gestein  besitzt  eine 
gewisse  Ähnlichkeit  mit  dem  Rizzonit. 

Anschließend  sei  noch  ein 

Gestein  vom  Traversellittal  2250  m 

beschrieben;  es  ist  dicht,  schwarz  und  enthält  größere  Augite. 
Zwischen  den  Hauptgemengteilen  Augit  und  Olivin  befinden 
sich  als  unregelmäßige  Blättchen  verteilt  Biotit.  Die  Grund- 
masse tritt  sehr  zurück  und  ist  glasig.  Das  Verhalten  der 
Augite  ist  dasselbe  wie  in  den  soeben  beschriebenen  Gesteinen ; 
größere  Augite  haben  häufig  einen  grünen  Kern,  dessen  Aus- 
löschungstiefe wenig  von  der  Randzone  verschieden  ist.  Der 
Olivin  ist  korrodiert  und  stets  serpentinisiert.  Einschlüsse  sind 
Augitsäulchen,  doch  wurden  auch  Augite  beobachtet,  die  den 
Olivin  umschlossen;  jedenfalls  gehören  beide  Mineralien  der- 
selben Bildungszeit  an. 

Endlich  wurden  meist  äußerst  kleine,  mitunter  auch 
größere  Feldspate  gefunden,  deren  Auslöschungsschiefe  nicht 
mit  Sicherheit  festgestellt  werden  konnte.  Magnetit  ist  sehr 
häufig.  Die  Anwesenheit  des  Nephelin  schien  auch  hier  die 
Probe  zu  beweisen,  doch  konnte  das  Mineral  im  Schliffe  nicht 
entdeckt  werden.  Es  ist  somit  dieses  Gestein  ein  Biotitmonchi- 
quit,  der  dem  Rizzonite  äußerst  ähnelt  und  in  dieses  übergeht. 

i  L.  c.  p.  11. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  279 


Rückblick  und  chemische  Betrachtung. 

Es  erübrigt  nunmehr,  die  Ergebnisse  meiner  Arbeit  über- 
sichtlich zusammenzustellen  und  die  Vergleiche,  die  sich  bei 
der  Beobachtung  der  Gesteine  in  mineralogischer,  struktureller 
und  chemischer  Hinsicht  ergaben,  zusammenzufassen. 

Die  Einteilung  der  von  mir  untersuchten  Gesteine  und  die 
Gründe,  welche  diese  Einteilung  zur  Folge  hatten,  finden  sich 
schon  in  der  Einleitung.  Diesbezüglich  ist  nichts  hinzuzufügen. 

In  mineralogischer  Beziehung  ergaben  sich  folgende 
Resultate:  Der  Feldspatgehalt  ist  in  den  Plagioklasporphyriten 
am  größten,  er  geht  zurück  in  den  Melaphyren  und  Diabas- 
porphyriten,  noch  mehr  in  den  Camptoniten  und  Monchiquiten; 
das  Ende  der  Reihe  bildet  der  Rizzonit,  dieser  ist  feldspatfrei. 
Der  Augitreichtum  ist  am  größten  in  den  Rizzoniten,  dann  in 
den  Augitcamptoniten  und  Augitmonchiquiten,  er  wird  geringer 
in  den  Melaphyren  und  Diabasporphyriten,  am  geringsten  ist  er 
wohl  in  den  Plagioklasporphyriten. 

Den  Olivin  trifft  man  am  häufigsten  in  den  Rizzoniten,  er 
tritt  zurück  in  den  Monchiquiten  und  Camptoniten,  noch  mehr 
in  den  Melaphyren  und  in  den  Plagioklasporphyriten,  endlich 
sind  die  Diabasporphyrite,  manche  Melaphyre  und  die  eigent- 
lichen Plagiosklasporphyrite  olivinfrei.  Der  Hornblendegehalt 
ist  wohl  in  den  Camptoniten  und  Monchiquiten  am  bedeutendsten, 
in  den  anderen  Gesteinen  wechselnd.  Sehr  viel  Biotit  führen  die 
kersantitähnlichen  beziehungsweise  monzonitporphyrähnlichen 
Plagioklasporphyrite,  auch  in  den  Melaphyren  wurde  er 
beobachtet.  Am  meisten  Glas  führen  die  Melaphyre  der  Punta 
Valaccia,  glasärmer  sind  die  Monchiquite,  Rizzonite  und  Gang- 
melaphyre. 

Auf  das  Verhältnis  der  anderen  Mineralien  gehe  ich  hier 
—  da  es  unwesentlich  ist  —  nicht  mehr  ein,  ich  verweise  auf 
die  einzelnen  Gesteinsbeschreibungen. 

In  struktureller  Hinsicht  läßt  sich  folgendes  bemerken: 
Allein  stehen  da  die  Strommelaphyre  der  Punta  Valaccia  mit 
ihrer  annähernd  oder  auch  ausgesprochen  hyalopilitischen 
Struktur.  Sehr  ähnlich  sind  einander  manche  Gangmelaphyre 


280  K.  Went, 

und  Plagioklasporphyrite  einerseits  und  anderseits  die  feldspat- 
armen, zugleich  augitreichen  Meiaphyre  den  Rizzoniten,  diese 
den  Monchiquiten.  Man  kann  von  ersteren  wie  von  letzteren 
ganz  gut  sagen,  daß  sie  ineinander  übergehen. 

Am  besten  charakterisiert  sind  außer  den  obgenannten 
Strommelaphyren  die  typischen  Plagioklasporphyrite,  eben- 
solche Diabasporphyrite,  die  Camptonite  und  Rizzonite,  letztere 
schon  durch  ihren  Feldspatmangel.  Schwerer  zu  trennen  waren 
einzelne  Meiaphyre  von  den  Diabasporphyriten. 

Andere  Angaben  über  Struktur  wären  nur  Wiederholungen, 
sie  finden  sich  im  Texte,  soweit  als  notwendig,  genügend 
hervorgehoben. 

Chemisch  verwandt  erscheinen  die  auch  strukturell  ver- 
wandten Rizzonite,  Camptonite  und  der  Melaphyr  von  Palle 
rabbiose,  doch  ist  hier  immerhin  für  die  Aufstellung  einer 
chemischen  Verwandtschaft  Vorsicht  geboten  und  vorerst  nötig, 
Analysen,  soweit  sie  von  den  hier  behandelten  Gesteinen 
bekannt  sind,  heranzuziehen. 

Von  Melaphyren  wie  Augitporphyriten  hat  K.  Fabian1 
mehrere  Analysen  zusammengestellt,  sie  sind  allerdings  ebenso 
wie  die  jüngst  von  Ippen*  veröffentlichten  Cornonmelaphyr- 
analysen  nicht  völlig  vergleichend  auf  meine  Gesteine  anzu- 
wenden, da  sich  darunter  keine  von  Monzonimelaphyren 
befinden. 

Doelter3  hat  nun  in  letzter  Zeit  eine  Analyse  eines 
Melaphyrs  von  Palle  rabbiose  und  die  eines  kersantitähnlichen 
Monzonitporphyrs  vom  Pizmedakamm  veröffentlicht. 

Vergleicht  man  nunmehr  mit  diesen  beiden  Analysen  das 
Melaphyrmittel,  das  ich  aus  Analysen  von  Fornogängen  (Zahlen- 
reihe I)  berechnete,  einerseits  sowie  anderseits  mit  den  Cornon- 
analysen  Ippen's,  mit  der  Plagioklasporphyritanalyse 
Petersen's  und  der  Augitporphyranalyse  Streng's,  so  ergibt 
sich  folgendes: 


i  K.  Fabian,  Über  einige  Porphyrite  und  Meiaphyre. 

2  Ippen,  Über  Meiaphyre  von  Cornon.  Centralblatt,  1903,  S.  6  bis  13. 

»  Akad.  Anzeiger,  1902,  XVII,  XXIII. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni. 


281 


I 

n 

III 

IV 

V 

VI 

SiO, 

49-29 

48-16 

47-59 

55  02 

45-05 

48-71 

Al3Os 

17-63 

16-17 

16-84 

21-72 

18-55 

18-66 

P«A 

(    9-16 

6*94 

633 

(    7*53 

— 

2-89 

FeO 

) 

4-64 

662 

) 

9-64 

5-50 

MgO 

5-81 

5-62 

5-48 

1-83 

3-22 

6-04 

CaO 

10-75 

5-66 

5-99 

6*77 

12-89 

12-44 

N14O 

2-12 

2-60 

2-23 

2-72 

2-99 

3-21 

K20 

1-63 

4-87 

4-43 

341 

1-61 

2-07 

HjO 

3-26 

375 

3-30 

0-40 

3- 14 

0-93 

TiOa 

— 

— 

— 

0*40 

— 

— 

CO, 

0-17 

1-26 

2-10 

— 

3-81 

— 

Summe . . . 

99-82 

99-67 

100*91 

99-80 

100*90 

100-45 

I.  Melaphyrmittel  aus  K.  Fabian,  »Ober  einige  Porphyrite  und  Mela- 
phyre«,  S.  151,  152.  Analysen  IV,  XI,  XII,  XV  bis  XVIII. 

II.  J.  A.  Ippen,  Ȇber  Melaphyre  von  Cornon  und  theralitische  Gesteine 
vom  Viezzenatal  bei  Predazzo«,  S.  10,  Analyse  C. 

III.  Ebenda,  Analyse  D. 

IV.  Analyse  Petersen  Plagioklasporphyrit :  aus  K.  Fabian,  Analyse  I. 

V.  Augitporphyr  vom    Fassatal.   Analyse  Streng:    aus  K.  Fabian, 
Analyse  XX. 

VI.  Kersantitähnlicher  Monzonitporphyr.  Analyse  Do  elter,  Akad.  An- 
zeiger Nr.  XXin.  1902. 


282 


K.  Went, 


Si02. 
Al2Og 
Fe208 
FeO. 
MgO 
CaO. 
NajO 
K20  . 
H20. 
Ti02 
C02. 


Summe . . 


VII 

43-41 

13-20 

7-00 

5-66 

13-12 

12-88 

1-84 

0-99 

3-02 


101-12 


VIII 

42-35 
16-24 
5.33 
6-28 
8-97 
12*46 
2-37 
2-01 
2-87 
0-41 


99-29 


IX 

40-57 
13-94 
7-29 
6-65 
7-06 
10-16 
3-82 
1-37 
2*84 
3-78 
2-31 


99-79 


38-46 
17-75 
5-09 
12-66 
7-50 
7-86 
4-56 
1-73 
2-97 
1-12 
0*56 


100-26 


XI 

43-93 
15-66 
5-91 
6-99 
5-22 
11-70 
5-94 
206 
2-38 
2-39 
0-48 


102-66 


XII 

59-37 
17-74 
4-17 
2-97 
2-49 
5-57 
3-23 
2-47 
2-19 
0-82 


101-02 


XIII 

42-31 
13*76 
6-56 
6-95 
9-19 
19-94 
3-98 
1-62 
2-79 
1-05 


99-15 


VII.  Melaphyr  von  Palle  rabbiose.  Analyse  Doelter,  Akad.  Anzeiger 
Nr.  XVII.   1902. 

VIII.  Rizzonit  vom   Rizzoni   W.    Analyse    Doelter,    Akad.    Anzeiger 
Nr.  II,  1903. 

IX.  Rosenbusch,  Elemente;  aus  den  Analysen  1  bis  5,  das  Camptonit- 
mittel,  S.  235. 

X.  Camptonit.  I  p  p  e  n  J.  A.,  Ȇber  einige  Ganggesteine  von  Predazzo,  S.  1 6. 

XL  Rosenbusch,  Elemente;  aus  den  Analysen  60, 7  bis  9  das  Monchiquit- 
mittel,  S.  235. 

XII.  Ebenda;  aus  den  Analysen  20  bis  24  das  Weiselbergitmittel,  S.  297. 

XIII.  Ebenda;  aus  den  Analysen  1  bis  4  das  Limburgitmittel,  S.  363. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  283 

Die  Ganggesteine  von  Forno  sind  mit  dem  Melaphyr  von 
Palle  rabbiose  nicht  zu  identifizieren,  besonders  infolge  des 
bedeutend  höheren  Si02-  und  A^Og -Gehaltes  sowie  des 
geringeren  Eisen-  und  Magnesiumoxydgehaltes.  Auch  mit  dem 
kersantitähnlichen  Monzonitporphyr  stimmen  sie  trotz  des 
ungefähr  gleichen  Si02+Al2Os-Gehaltes  nicht  überein.  Ich 
verweise  auf  die  Differenzen  bezüglich  der  Alkalien  und 
bezüglich  Fe208+FeO. 

Vergleicht  man  die  Cornonmelaphyranalysen  Ippen's  mit 
dem  Melaphyr  von  Palle  rabbiose  und  dem  Rizzonit,  so  sieht 
man,  daß  sie  von  ersteren  bezüglich  Si02,  MgO+CaO  und 
durch  die  Alkalien  geschieden  sind.  Vom  Rizzonit  sind  sie 
bezüglich  Si02,  namentlich  durch  den  Alkaliengehalt  und  den 
MgO-Gehalt  geschieden.  Mit  dem  kersantitähnlichen  Monzonit- 
porphyr lassen  sie  sich  überhaupt  nicht  identifizieren. 

Der  Plagioklasporphyrit  Peters en's  ist  viel  saurer  als  die 
Melaphyre.  Ein  Vergleich  ist  daher  nicht  möglich. 

Vergleicht  man  nunmehr  die  Analyse  des  Rizzonites  mit 
denen  der  Camptonite,  Monchiquite,  mit  den  Analysen  des 
Melaphyrs  von  Palle  rabbiose,  endlich  mit  den  Weiselbergiten, 
Limburgiten  und  dem  Augitporphyr  Strengt,  so  erhellt 
folgendes  : 

Die  Camptonite  sind  basischer  als  der  Rizzonit,  namentlich 
ist  dadurch  der  Campton it  ausgezeichnet,  den  Ippen  analysierte; 
dieser  differiert  auch  bezüglich  FeO-t-CaO  und  der  Alkalien. 
Das  Camptonitmittel  stimmt  sonst  etwas  mehr  überein. 

Der  Rizzonit  ist  daher  sicher  mit  den  Camptoniten 
verwandt.  Eine  noch  größere  Verwandtschaft  ergibt  sich  mit 
den  Monchiquiten,  wenn  auch  der  MgO-Gehalt  bei  letzteren 
kleiner,  die  Alkalienzahl  größer  ist  und  sie  wie  die  Camptonite 
auch  titansäureärmer  sind.  C02  fehlt  den  Rizzoniten. 
Interessant  ist  die  nahe  Beziehung  der  Rizzonite  mit  dem 
Melaphyr  von  Palle  rabbiose.  Dagegen  ist  letzterer  von  den 
Camptoniten  zu  sehr  verschieden,  als  daß  er  noch  als  Camptonit 
aufgefaßt  werden  könnte. 

Das  Ergebnis  dieser  Analyse  stimmt  noch  mehr  mit 
der  Rizzonitanalyse  überein  als  diese  mit  dem  Monchiquit- 
mittel. 


284  K.  Went. 

Die  schon  früher  erwähnte  Tatsache,  daß  die  Ähnlichkeit 
der  Rizzonite  mit  dem  Weiselbergit  nur  eine  strukturelle  sei, 
wird  deutlich  durch  die  Analysen  bestätigt. 

In  dem  Berichte,  den  Herr  Prof.  Do  elter  über  den 
Rizzonit  gab,  wurde  der  Rizzonit  als  ein  gangförmiges  Äqui- 
valent mancher  Limburgite  dargestellt.  Es  stimmt  nun  in  der 
Tat  die  Analyse  des  Rizzonits  überraschend  mit  dem  Limburgit- 
mittel  ^Zahlenreihe  XIII)  überein. 

Vergleicht  man  schließlich  den  Rizzonit  mit  dem  Augit- 
porphyr  Streng's,  so  ergibt  sich,  daß  dieses  Gestein  saurer  ist 
als  der  Rizzonit,  reicher  an  Tonerde,  besonders  auch  reicher  an 
MgO.  Immerhin  herrschen  doch  einige  Beziehungen  zwischen 
beiden  Gesteinen. 

Es  erscheint  somit  besonders  die  nahe  Beziehung  des 
Rizzonites  zur  Camptonitgruppe  bestätigt  und  so  ist  der  Rizzonit 
ein  Gestein,  das  mit  den  Camptoniten  und  Monchiquiten  in  eine 
Gauverwandtschaft  gehört. 

Das  Alter  der  Gesteine. 

Was  die  Altersbeziehungen  der  behandelten  Gesteine  an- 
belangt, so  ergeben  sich  für  die  großen  Melaphyrgänge  und 
Strommassen  des  Pizmedatales  keine  Anhaltspunkte,  um 
bestimmen  zu  können,  welches  Gestein  das  ältere  oder  jüngere 
ist  Dagegen  steht  es  fest,  daß  jüngere  Melaphyrgänge  im 
Monzonit  vorkommen.  Wenn  es  sich  nunmehr  bestätigen  sollte, 
daß  bei  Predazzo  die  großen  Melaphyr-  und  Plagioklasporphyrit- 
massen  älter  als  der  Monzonit  sind,  so  würde  eine  Wiederkehr 
desselben  Magmas  nach  der  Monzoniteruption  als  feststehend 
zu  betrachten  sein. 

Jüngere  Melaphyrgänge  sind  bereits  von  älteren  Autoren 
vielfach  hervorgehoben  worden,  in  jüngster  Zeit  auch  von 
Cathrein1  und  Weber.2  Nur  Romberg8  bestreitet  kategorisch 
jedes  derartige  Vorkommen. 


i   L.  c. 

2  L.  c.  p.  46. 

*  Romberg,  III.  p.  2. 


Mclanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  285 

Ich  will  hier  Gänge,1  welche  den  Monzonit  durchbrechen 
und  Melaphyre  sind,  nochmals  anführen. 

1.  Der  schon  von  Doelter  und  Hoernes  erwähnte 
Melaphyrgang  am  Westabhange  des  Palle  rabbiose. 

2.  Der  Diabasporphyrit  vom  Mal  Inverno. 

3.  Der  Plagioklasporphyrit  vom  Plateau  zwischen  Allochet 
und  Predazzitbruch. 

4.  Das  von  Cathrein,  Weber,  Ippen  und  Doelter 
beschriebene  Melaphyrvorkommen  von  Toal  della  Foja. 

5.  Endlich  fand  ich  am  Nordabhange  der  Malgola,  dort,  wo 
der  von  Predazzo  am  linken  Travignoloufer  gegen  die 
Boscampobrücke  führende  Steig  aufhört  und  der  Bach  sich 
zum  felsigen  Ufer  drängt,  so  daß  ein  weiteres  Passieren  un- 
möglich ist,  ungefähr  einen  halben  Kilometer  westlich  der 
Boscampobrücke,  einen  schmalen  Melaphyrgang,  den  ich  nun- 
mehr beschreiben  will. 

Das  Gestein  ist  dicht,  schwarz,  braust  mit  Salzsäure  an 
der  Kontaktzone.  Die  Verwitterungsrinde  ist  schwarzbraun. 

Die  Grundmasse  beträgt  ungefähr  25  bis  30%  des  Schliffes 
(siehe  Tafel,  Fig.  4),  ist  teilweise  glasig  und  durch  Körnchen, 
die  kaum  l|t  betragen,  beinahe  undurchsichtig  grau.  Sie  enthält 
Feldspatnadeln,  deren  Breite  kaum  0*5  (x  beträgt.  Ausgeschieden 
sind  Feldspat,  Augit  und  Olivin. 

Die  Feldspatleisten  sind  durchgehends  schmalleistenförmig, 
frisch.  Sie  gehören  zur  Anorthitreihe.  Die  Augite  sind  größer, 
doch  nicht  so  groß,  daß  man  sie  mit  freiem  Auge  wahrnehmen 
könnte.  Sie  sind  rötlich,  auch  grünlich,  sind  korrodiert,  auch  in 
Chlorit  umgewandelt  und  enthalten  Grundmasseeinschlüsse. 

Der  Olivin  kommt  in  schönen  Durchschnitten  vor,  ist  jedoch 
serpentinisiert  und  der  dabei  gebildete  Kalk  läßt  schließen,  daß 
ein  Monticellit  vorlag.  An  der  Kontaktzone  hat  sich  Kalk 
gebildet,  der  Biotit  des  Monzonites  ist  etwas  verändert,  der 
Melaphyr  an  der  Grenze  etwas  rötlich  gefärbt.  Es  ist  dies  kein 
Camptonit 

6.  Gang  im  Bachbett,  Nordabhang  zwischen  Ricoletta  und 
Rizzoni  in  einem  nördlichen  Seitenarm  des  Traversellittales. 


1  Ippen,  L.  c,  p.  25,  Ganggestein  von   der  Sforzella   den   Monzonit 
durchbrechend. 


286  K.  Went, 

Es  folgt  daher,  daß  es  jüngere  und  ältere  Melaphyre  gibt, 
wie  es  auch  jüngere  und  ältere  Granite  gibt. 

Während  man  früher  den  Granit  als  unbedingt  älter  als  den 
Melaphyr  annahm,  haben  ihn  neuere  Autoren  als  jünger  dar- 
gestellt; auch  Brögger1  gibt  zu,  daß  möglicherweise  ein  Teil 
des  Granits  älter  sein  dürfte. 

Ippen8  sagt  S.  44:  »Es  wird  noch  weiter  zu  untersuchen 
sein,  ob  dieses  Verhältnis  für  das  ganze  Melaphyr-,  respektive 
Granitmassiv  zu  gelten  haben  wird  oder  nicht.« 

Romberg8  wirft  Ippen  vor,  daß  er  dieses  Verhältnis  noch 
für  strittig  hält.  Er  selbst  behauptete  in  seiner  ersten  Publikation, 
daß  der  ganze  Granit  jünger  sei,  und  nun  ist  er  doch  gezwungen, 
die  Existenz  eines  älteren  zuzugeben.  Jedenfalls  sollte  in  einer  so 
wichtigen  Frage,  die  so  schwer  zu  entscheiden  ist,  demjenigen, 
der  ausdrücklich  betont,  daß  er  an  dieser  Stelle  in  das  Für  und 
Wider  nicht  eingreifen  will,  daraus  kein  Vorwurf  gemacht 
werden. 

Daß  Camptonite  und  Rizzonite  jünger  als  der  Monzonit 
sind,  bedarf  keinen  weiteren  Beweises. 


Ich  erlaube  mir  noch,  am  Schlüsse  meiner  Arbeit  für  die 
bei  der  Ausführung  derselben  erteilten  Ratschläge  meinem  hoch- 
geehrten Lehrer,  Herrn  Prof.  Dr.  C.  Doelter,  meinen  besten 
Dank  auszusprechen.  Ebenso  bin  ich  dessen  Assistenten,  Herrn 
Privatdozenten  Dr.  J.  A.  Ippen,  zu  vielem  Danke  verbunden. 


1  Brögger,    Die   Eruptionsfolge    der    triadischen   Eruptivgesteine    bei 
Predazzo,  S.  94. 
8  L.  c. 
»  Romberg,  III,  S.  24. 


Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  287 


Tafelerklärung. 


Fig.  1.  Melaphyr  von  Toal  Rizzoni  S.  16. 

Fig.  2.  Diabasporphyrit  vom  Mal  Inverno.  Vergr.  X  150. 

Fig.  3.  Rizzonit.  Sehr  starke  Vergrößerung.  X  500. 

Fig.  4.  Melaphyr.  Nordabhang  der  Malgola.  X  150. 

Fig.  5.  Kersantitähnlicher  Plagioklasporphyrit  Die  dunklen  Partien  sind  Biotit. 

Etwas  exzentrisch  gelagert  ein  Augit  mit  Schalenbau.  Vergrößerung 

X  150. 


K.  Went:  Melanokrate  Gesteine  des  Monzoni. 


<#T- 


Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturvv.  Klasse,  Bd.  CXII,  Abt.  I,  1903. 

Lirhtlniek  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdmckerei. 


289 


Phytoplankton  aus  Kleinasien 

bearbeitet  von 
Josef  Brunnthaler. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  19.  Februar  1903.) 

Im  Sommer  1900  unternahm  Herr  Dr.  Franz  Werner  mit 
Unterstützung  der  kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften  in 
Wien  eine  Reise  nach  Kleinasien  und  besuchte  auch  die  beiden 
Seen  Abullonia-Göl  und  Isnik-Göl.  Dieselben  liegen  im  Vilajet 
Khodawendikjar,  besitzen  eine  bedeutende  Größe,  aber  nur 
geringe  Tiefe. 

Herr  Prof.  Dr.  Daday  bearbeitete  den  zoologischen  Teil 
der  Ausbeute  (einschließlich  der  Peridineen),  während  Herr 
Dr.  Werner  die  Bearbeitung  des  Phytoplankton  mir  übertrug. 
Da  das  zur  Verwendung  gelangende  Gazenetz  verhältnismäßig 
große  Maschenöffnung  besaß,  fehlen  in  den  Aufsammlungen 
eine  ganze  Anzahl  von  zu  erwartenden  kleineren  Formen  der 
Algen,  was  auch  durch  vereinzelte  Vorkommnisse  von  solchen 
bestätigt  wird. 

Isnik-Göl. 

Es  liegen  folgende  Planktonproben  vor:  Ufer-Oberflächen- 
fang vom  8.  August  1900  und  Mitte-Oberflächenfang  vom 
selben  Tag. 

Das  Material  ist,  soweit  es  pflanzlicher  Natur,  sehr 
unbefriedigend.  Detritus  und  einzelne  Grundbewohner  sind 
dominierend.  Nach  Mitteilung  des  Herrn  Dr.  Werner  war  das 
Wasser  des  Sees  außerordentlich  klar  und  durchsichtig  und 
erst  mehrmaliges  Fischen  mit  dem  Netz  ergab  etwas  Plankton. 

Von  eigentlichem  Phytoplankton  kann  keine  Rede  sein. 
An  Organismen,  welche  wir  den  Planktonten  zuzählen,  wären 
zu  nennen: 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  19 


290  J.  Brunnthaler, 

Anabaena  flos-aquae  Breb.,  selten. 
Polycystis  flos-aquae  Wittr., 
P.  elabens  (Breb.)  Kg., 

P.  elabens  var.  ichthyobläbe  (Kg.)  Hausg.,  alle  drei  etwas 
häufiger  als  die  Andbaena, 

Fragilaria  capucina  Desm.,  selten. 

Abullonia-Göl. 

Von  hier  liegen  an  Planktonproben  vor:  drei  vom  2.  August 
1900  und  zwar  bei  Abullonia  und  gegenüber  von  Abullonia 
gesammelt,  sowie  eine  Probe  von  der  Seemitte. 

Die  Proben  zeigen,  wie  zu  erwarten,  große  Überein- 
stimmung untereinander.  Die  reichste  ist  jene  gegenüber 
Abullonia  entnommene.  Herr  Dr.  Werner  teilte  mir  mit,  daß 
der  See  sehr  reich  an  Organismen  sei  und  nach  jedem  Netzzug 
eine*  große  Menge  Plankton  sich  in  demselben  fand. 

Nachfolgend  die  beobachteten  Arten: 

Diatomaceae. 

Cymbella  cymbiformis  Ehr.  var.  ß  parva  (Sm.),  selten; 
kommt  auch  im  Plankton  des  Garda-Sees  (Kirchner)  vor. 

Pleurosigma  attenuatum  W.  Sm.,  vereinzelt;  scheint  die 
einzige  Pleurosigma- Art  des  Planktons  zu  sein. 

Synedra  Ulna  (Ehr.)  var.  splendens  (Kg.),  sehr  selten. 

Cymatopleura  Solea,  sehr  selten. 

Surirella  biseriata  Breb.,  selten. 

Surirella  robusta  Ehr.  var.  splendida  (Ehr.),  ziemlich 
häufig.  Mit  den  Abbildungen  bei  Van  H eure k  nicht  sehr  über- 
einstimmend; die  vorliegenden  Exemplare  sind  breiter,  die 
Rippen  zarter.  120  bis  144  [t  lang,  50  bis  65  |&  breit. 

Melosira  crenulata  Kütz.  var.  Binderiana  (Kg.),  die 
häufigste  Form  der  Proben,  meist  4*8  (t  breit  und  zirka 
27  (jl  lang. 

Melosira  crenulata  Kütz.  var.  tenuis  (Kg.),  ziemlich  häufig, 
12  (jl  breit,  19-2  (x  lang. 

Melosira  granulata  (Ehr.)  Ralfs,  12  jx  breit,  24  p  lang. 


Phytoplankton  aus  Kleinasien.  291 

Mclosira  granulata  (Ehr.)  Ralfs  vax.procera,7-2  ji.  breit, 
33*6  (t  lang.  Beide  ziemlich  häufig. 


Chlorophyceae. 

Botryococcus  Braunii  Kütz,  selten. 

Actinastrum  Hantzsckii,  sehr  selten. 

Pediastrum  simplex  Meyen. 

Pediastrum  simplex  var.  ß  annulatum. 

Pediastrum  duplex  Meyen  var.  ß  clathratum  (A.  Br.). 

Pediastrum  duplex  Meyen  var.  ?  reticulatum  (A.  Br.). 

Von  P.  duplex  var.  clathratum  finden  sich  ziemlich  häufig 
Exemplare,  welche  den  von  Lemmermann  als  P.  clathratum 
var.  Baileyanum  Lemm.  beschriebenen  und  in  den  Plöner 
Ber.,  Bd.  VII,  Taf.  II,  Fig.  26  bis  28,  abgebildeten  entsprechen. 
Ich  ziehe  jedoch  wie  Chodat  (Algues  vertes  de  la  Suisse, 
p.  228)  P.  clathratum  als  Varietät  zu  duplex  und  halte  die 
vorliegenden  Formen  nur  für  Abweichungen.  Mit  Ausnahme 
von  P.  duplex  var.  clathratum,  welches  ziemlich  häufig  in  den 
Proben  ist,  besonders  gegenüber  Abullonia,  wurden  die  an- 
geführten Formen  vereinzelt  gefunden. 

Cyanophyceae. 

Polycystis  flos-aquae  W  i  1 1  r., 

Polycystis  eldbens  (Breb.)  Kg., 

Polycystis  eldbens  (Breb.)  Kg.  var.  ichthyoblabe  (Kg.) 
Hansg.,  alle  drei  vereinzelt. 

Merismopedium  Marssonii  Lemmermann  (in  Ber.  d. 
Bot  Ges.,  1900,  S.  31),  sehr  selten,  Kolonien  meist  64  zellig. 

Merismopedium  glaucum  A.  Br.,  selten. 

Aphanizomenon  flos-aquae  Ralfs.  Die  Fäden  sind  in  den 
Proben  meist  einzeln,  doch  dürfte  an  Ort  und  Stelle  die  Species 
wohl  in  den  charakteristischen  Bündeln  vorkommen.  Sporen 
selten. 

Anabaena  flos-aquae  Breb.  Die  dominierende  Schizo- 
phyceae.  Fäden  kurz,  eingerollt  und  meist  ohne  Heterocysten. 
Sporen  wurden  nicht  beobachtet.  Jüngeres  Stadium. 

19* 


292  J.  Brunnthaler, 

Anabaena  macrospora  Klebahn  var.  gracilis  Lemmer- 
mann  (Bot.  Zentralbl.,  76,  1898,  S.  155),  ziemlich  häufig; 
vegetative  Zellen  etwas  kleiner  (4*8  |t :  7  •  2  (jl). 

Anabaena  planctonica  n.  sp.  Fäden  einzeln  lebend, 
gerade,  mit  Gallerthülle.  Vegetative  Zellen  rundlich  oder  kurz 
elliptisch,  9  bis  15  (i  breit,  bis  10  fi  lang,  Heterocysten  kugelig, 
12  bis  14[t  dick,  Sporen  elliptisch,  12*5  bis  20  p  breit,  15  bis 
29  ft  lang,  von  den  Heterocysten  entfernt  liegend;  Gasvakuolen 
vorhanden.  Breite  der  Fäden  mit  Gallerthülle  23  bis  30  ft. 

Vereinzelt  in  den  Proben.  Die  Art  steht  der  Anabaena 
macrospora  var.  robusta  Lemmermann  am  nächsten,  besitzt 
aber  etwas  geringere  Masse  und  eine  rein  elliptische  Spore, 
während  die  Sporen  von  Anabaena  macrospora  und  ihrer 
Varietäten  in  der  Mitte  fast  zylindrisch  sind,  mit  kegeligen 
Enden,  so  daß  ein  niedriges  Sechseck  im  Längsschnitt  resultiert 

Anabaena  Werneri  n.  sp.  Fäden  einzeln  lebend,  gerade, 
mit  sehr  schwacher  Gallerthülle;  vegetative  Zellen  rundlich, 
7-2  [t  breit,  4*8  \l  lang,  Heterocysten  kugelig,  7  2  |t  dick, 
von  den  Sporen  entfernt  liegend.  Spore  kugelig,  12  [i  dick; 
Gasvakuolen  vorhanden.  Breite  der  Fäden  mit  Gallerthülle 
zirka  12  (jl. 

Ich  benenne  die  vorliegende  Art,  welche  sich  vereinzelt  im 
Materiale  findet,  zu  Ehren  des  Herrn  Dr.  Werner. 

Lyngbya  limnetica  Lemmermann  (Bot.  Zentralbl.,  76.  Bd., 
1898,  S.  154),  nicht  selten;  mit  der  Beschreibung  Lemmer- 
mann's  gut  stimmend. 

Lyngbya  contorta  Lemmermann  (Plöner  Ber.,  Teil  VI, 
Abt.  II,  S.  202,  Taf.  5,  Fig.  10  bis  13),  ziemlich  häufig;  meist 
ist  nur  ein  Schraubenumgang  vorhanden,  selten  zwei  oder 
mehr.  Windungsweite  zirica  20  ft. 


Wenn  wir  die  Menge  der  einzelnen  Arten  betrachten,  so 
finden  wir,  daß  die  Melosiren  und  Cyanophyceen  in  den  Proben 
dominierend  sind;  in  zweiter  Linie  kommen  Surirella  und 
Pediastrunt,  während  alle  anderen  Formen  ganz  vereinzelte 
Erscheinungen  sind.  Die  ganze  Zusammensetzung  des  Plank- 
tons deutet  auf  einen  Flachsee  und  beträgt  ja  auch  die  Tiefe 
des  Sees  an  den  Fangstellen  nur  zirka  2  m. 


Phytoplankton  aus  Kleinasien.  293 

Aus  Kleinasien  war  bisher  an  Algen  nur  sehr  wenig 
bekannt.  Die  erste  Aufzählung  findet  sich  in:  Spratt  and 
Forbes,  Travels  in  Lycia,  Mylias  and  the  Cibyratis,  with  the 
late  Rev.  E.  T.  Daniell,  2  vols.t  4°,  London  1847.  In  derselben 
sind  13  marine  Algen  genannt.  Bruno  Schröder  hat  in  der 
Nuova  Notarisia,  Serie  VI,  1895,  p.  99  bis  106,  einen  Aufsatz 
unter  dem  Titel  »Kleinasiatische  Algen«  publiziert.  Das  Material 
wurde  von  Prof.  Dr.  J.  Schröter  im  Sommer  1894  gesammelt 
und  ergab  inklusive  der  von  Forbes  gefundenen  für  Kleinasien 
60  Arten.  Die  vorliegenden  Proben  lieferten  nun  29  Arten,  von 
welchen  nur  zwei  für  Kleinasien  schon  bekannt  waren,  nämlich 
Cymbella  parva  und  Pleurosigma  attenuatutn.  Der  Zuwachs 
beträgt  daher  27  Arten,  darunter  zwei  neue:  Anabaena  plancto- 
nica  und  Anabaena  Werneri.  Von  Cyanophyceen  war  bisher 
aus  Kleinasien  überhaupt  keine  Art  angegeben.  Die  Gesamtzahl 
der  Arten  aus  Kleinasien  beträgt  nunmehr  87  Spezies. 


295 


VIII.  SITZUNG  VOM  12.  MÄRZ  1903. 


Erschienen:  Sitzungsberichte,  Bd.  111,  Abt.  IIa,  Heft  VII  (Juli  1902). 

Der  Vorsitzende,  Präsident  Prof.  E.  Sueß,  macht  Mit- 
teilung von  dem  am  5.  März  1.  J.  in  Hof  erfolgten  Ableben  des 
inländischen  korrespondierenden  Mitgliedes  dieser  Klasse,  k.  k. 
Hof-  und  Ministerialrates  i.  R.  Dr.  Hermann  Militzer. 

Ferner  gibt  derselbe  Kenntnis  von  dem  Hinscheiden  des 
auswärtigen  korrespondierenden  Mitgliedes  der  Klasse,  Prof. 
Dr.  Julius  Viktor  Carus  in  Leipzig. 

Die  anwesenden  Mitglieder  geben  ihrem  Beileide  durch 
Erheben  von  den  Sitzen  Ausdruck 

Die  Ungarische  Akademie  der  Wissenschaften  in 
Budapest  übersendet  die  Mitteilung  von  der  Stiftung  eines 
Bolyai- Preises,  welcher  von  fünf  zu  fünf  Jahren  für  die  beste 
mathematische  Arbeit  verliehen  werden  wird,  und  gibt  zugleich 
die  näheren  Modalitäten  bei  der  Verleihung  dieses  Preises 
bekannt. 

Dankschreiben  sind  eingelangt: 

1.  von  Prof.  Dr.  R.  v.  Zeynek  in  Wien  für  die  Bewilligung 
einer  Subvention  zur  Ausführung  physiologisch-chemischer 
Studien  an  Seetieren; 

2.  von  Prof.  Franz  v.  Hemmelmayr  in  Graz  für  die 
Bewilligung  einer  Subvention  zur  Fortsetzung  seiner  Unter- 
suchungen über  das  Ononin. 

Das  k.  M.  Prof.  Hans  Molisch  in  Prag  übersendet  eine 
Abhandlung  unter  dem  Titel:  »Bakterienlicht  und  photo- 
graphische Platte«. 

Versiegelte  Schreiben  zur  Wahrung  der  Priorität  haben 
eingesendet: 


296 

1.  Assistent  Anton  Skrabal  in  Wien  mit  der  Aufschrift : 
Über  eine  fragliche  Allotropie«; 

2.  k.  k.  Polizeiagent  Andreas  Grassmugg  in  Wien  mit  der 
Aufschrift:  »Natur-  und  Eierkonservierungsverfahren 
mit  einem  Zählapparate  vereint«. 

Das  w.  M.  Prof.  Franz  Exner  legt  zwei  Abhandlungen 
von  Dr.  J.  Billitzer  vor: 

I.  »Theorie  der  Suspensionen  und  der  elektrischen 
Doppelschichte.« 

IL  »Über  die  Elektrizitätserregung  durch  die  Bewe- 
gung fester  Körper  in  Flüssigkeiten.« 

Das  w.  M.  Prof.  F.  Exner  überreicht  einen  vorläufigen 
Bericht  über  die  im  Auftrag  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  durchgeführte  Aufstellung  zweier  Wiechert'scher 
astatischer  Pendelseismographen  im  Pfibramer  Bergwerk, 
erstattet  von  Dr.  Hans  Benndorf. 

Das  w.  M.  Hofrat  G.  Ritter  v.  Escherich  legt  eine  Ab- 
handlung von  Dr.  J.  Plemelj  in  Wien  vor,  welche  den  Titel 
führt:  »Über  die  Anwendung  der  Fredholm'schen 
Funktionalgleichung  in  der  Potentialtheorie«. 

Derselbe  legt  ferner  Heft  1  von  Band  III2  der  von  den 
kartellierten  Akademien  der  Wissenschaften  zu  München,  Wien 
und  der  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen  heraus- 
gegebenen »Encyklopädie  der  mathematischen  Wissen- 
schaften mit  Einschluß  ihrer  Anwendungen«  vor. 

Dr.  Felix  M.  Exner  legt  eine  Abhandlung  mit  dem  Titel 
vor:  »Zur  Theorie  der  vertikalen  Luftströmungen«. 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Universität   in   Buenos   Aires:    Anales,   tomo   XV,    1901. 
Buenos  Aires,  1902;  8°. 


297 


Bakterienlicht  und  photographische  Platte 


Hans  Molisch, 
k.  M.  k.  Akad. 

Aus  dem  pflanzenphysiologischen  Institute  der  k.  k.  deutschen  Universität  in 
Prag.  Nr.  57  der  2.  Folge. 

(Mit  3  Tafeln.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  12.  MIrz  1003.) 

Versuche,  im  Bakterienlichte  zu  photographieren,  wurden 
bereits  von  verschiedener  Seite  unternommen  und  zwar  mit 
positivem  Resultate. 

Zunächst  ist  es  nach  einer  Mitteilung  von  J.  Forster1 
van  Haren-Noman  gelungen,  von  Platten  und  Strichkulturen 
der  Leuchtbakterien  nach  mehrstündiger  Exposition  sehr 
deutliche  Bilder  zu  bekommen. 

B.  Fischer8  konnte  ebenfalls  mit  Kulturen  von  drei 
verschiedenen  Leuchtbakterien  gute  Bilder  erhalten,  doch 
waren  hiezu  recht  intensiv  leuchtende  Kulturen,  sehr  empfind- 
liche Trockenplatten  und  eine  lange  Belichtung  (12  bis  36 
Stunden)  erforderlich.  Die  Photographien  ließen  nicht  bloß  die 
Kulturen,  sondern  auch  die  Umrisse  der  Reagensröhrchen  und 
der  Doppelschalen  erkennen.  An  der  Photographie  eines 
leuchtenden  Härings  konnten  die  einzelnen  Schuppen  des 
Körpers  deutlich  gesehen  werden.  Eine  Taschenuhr,  mit  zwei 
Strichkulturen  beleuchtet,  gab  eine  Photographie,  auf  welcher 
man  die  Stellung  der  Zeiger  gut  ablesen  konnte. 


1  Forst  er  J.,  Ober  einige  Eigenschaften  leuchtender  Bakterien.  Zentralbl. 
für  Bakteriologie  u.  s.  w.,  Bd.  11,  S.  337. 

2  Fischer  B.f  ebenda,  II.  Jahrg.,  1888,  III.  Bd.,  S.  140  und  IV.  Bd.,  S.  89. 


298  H.  Molisch, 

Ganz  vorzügliche  Resultate  erzielte  R.  Dubois  bei  seinen 
Experimenten  über  das  Photographieren  im  Bakterienlichte. 
Nachdem  er  schon  im  Jahre  1886  mit  Hilfe  leuchtender  Insekten * 
Photographien  von  den  Büsten  Claude  Bernard's  und  P.  Pert's 
hergestellt  hatte,  gelang  es  ihm  auch  scharfe  Bilder  im  Bakterien- 
lichte zu  erhalten.2  Er  umgab  die  Büste  Claude  Bernard's 
mit  13  leuchtenden  Kolben,  exponierte  durch  einige  Stunden 
die  photographische  Platte  und  erhielt  ein  gelungenes  Bild, 
welches  die  Leuchtgefäße  und  die  Büste  scharf  hervor- 
treten ließ. 

Er  konstruierte  auch  eine  sogenannte  lebende  Lampe, 
bestehend  aus  einem  metallischen  Träger  für  ein  großes  flaches 
Glasgefäß,  das  oben  und  seitlich  je  ein  Ansatzrohr  mit  Öffnung 
hatte.  Die  Öffnungen  waren  mit  einem  Baumwollpfropf  ver- 
schlossen, so  daß  die  Luft  beim  Durchzug  filtrieren  konnte. 
Eine  mit  der  seitlichen  Rohröffnung  durch  einen  Schlauch  in 
Verbindung  stehende  Kautschukbirne  gestattete  das  Einblasen 
von  Luft,  wodurch  die  Kulturbouillon  reichlich  mit  Sauerstoff 
versehen  und  zu  hellerem  Aufleuchten  gebracht  wurde.  Die 
obere  Glaswand  der  Lampe  war  mit  Zinnfolie  bedeckt,  die  als 
Reflektor  diente.  Im  Lichte  einer  solchen  Lampe  konnte  Dubois 
groben  Druck  gut  photographieren. 

Hübsche  Photographien  von  leuchtenden  Strich-  und 
Plattenkulturen  sowie  von  einem  mit  leuchtender  Bouillon 
erfüllten  Glaskolben  verdanken  wir  Barnard.8 

Im  folgenden  seien  einige  Erfahrungen  wiedergegeben, 
die  ich  selbst  über  das  Photographieren  im  Bakterienlicht 
gemacht  habe. 

Bei  meinen  zahlreichen  Versuchen,  von  denen  ich  nur 
einige  wenige  hier  namhaft  machen  will,  leistete  mir  ein 
Zeiss'sches  Objektiv  und  zwar  das  Unar  mit  relativer  Öffnung 
1:5  und  210  mm  äqu.  Brennweite  ausgezeichnete  Dienste. 
Wegen  der  relativ  geringen  Lichtintensität  des  Bakterienlichtes 
mußte  ein  sehr  lichtstarkes  Objektiv  verwendet  werden,  das 


1  Dubois  R.,  Les  elaterides  lumineux.  Paris  1886. 

2  Dubois  R.,  Das  kalte  Licht.  Umschau  1901,  S.  221  bis  224. 
8  Barnard  J.  E.,  Luminous  Bacteria.  Nature,  1902,  p.  536. 


Bakterienlicht  und  photographische  Platte.  299 

gleichzeitig  eine  starke  Annäherung  an  den  Gegenstand 
gestattete.  Beiden  Forderungen  entsprach  das  Unar  von  Zeiss 
in  vortrefflicher  Weise. 

Es  sei  noch  bemerkt,  daß  alle  photographischen  Versuche 
in  einer  nach  jeder  Richtung  hin  exakt  eingerichteten  Dunkel- 
kammer durchgeführt  wurden.  Sie  war  absolut  lichtdicht  und 
an  der  ganzen  inneren  Oberfläche  matt  geschwärzt.  Zur 
Verwendung  gelangten  Schleussner's  Gelatine-Emulsions- 
platten 9  X  12.  Als  Lichtquelle  diente  das  Licht  von  Micrococcus 
phosphoreus1  Cohn,  rein  gezüchtet  auf  Salzpeptongelatine. 

1.  Photographien  von  Bakterien  in  ihrem  eigenen  Lichte. 

Fig.  1  stellt  eine  Photographie  einer  Petrischale  mit 
6  Tage  alten,  prachtvoll  leuchtenden  Kolonien  des  Micrococcus 
phosphoreus  dar.  Der  Deckel  der  Petrischale  war  ersetzt  durch 
eine  plane  Glasscheibe.  Die  Kolonien  waren  auf  der  Visierscheibe 
der  Kamera  bei  scharfer  Einstellung  deutlich  zu  sehen.  Die 
Expositionszeit  betrug  15  Stunden.  Wie  die  Photographie  zeigt, 
erscheinen  nicht  bloß  die  Kolonien  mit  aller  nur  wünschens- 
werten Schärfe,  sondern  auch  die  Umrisse  der  Petrischale. 
Wenn  diese  sichtbar  werden  soll,  muß  man  für  einen  hellen 
Hintergrund  der  Schale  sorgen.  Zu  diesem  Zwecke  stellte  ich 
die  Petrischale  in  ein  kleines,  aufrecht  stehendes  Kästchen, 
dessen  offene  innere  Oberfläche  ganz  mit  weißem  Papier 
ausgeklebt  war.  Hiedurch  wird,  weil  das  Bakterienlicht  nicht 
frei  in  den  finsteren  Raum  der  Dunkelkammer  ausstrahlen  kann 
und  von  den  weißen  Wänden  des  Kästchens  auf  das  Kultur- 
gefaß  reflektiert  wird,  in  der  Umgebung  der  Schale  eine  große 
Helligkeit  erzielt,  es  entstehen  Spiegelungen  und  Reflexe  und 
so  werden  die  Umrisse  der  Petrischale  markiert. 

Bei  genauer  Betrachtung  der  Kolonien  wird  man  Lichthöfe 
um  dieselben  bemerken.  Diese  letzteren  könnten  vielleicht  den 
Gedanken  erwecken,  daß  nicht  bloß  die  Kolonien  leuchten, 
sondern   daß   diese    durch    Ausscheidung    einer    bestimmten 


1  Über  die  Biologie  dieser  Bakterie  und  über  die  Art  und  Weise,  wie  man 
sich  dieselbe  jederzeit  leicht  verschaffen  kann,  vergleiche  man  meine  Abhand- 
lung: »Ober  das  Leuchten  des  Fleisches,  insbesondere  toter  Schlachttiere«, 
Botan.  Zeitung,  1903,  Heft  I. 


300  H.  Molisch, 

Substanz  auch  ihre  nächste  Umgebung  leuchtend  machen. 
Eine  derartige  Vermutung  ist  jedoch  abzuweisen,  denn  man 
kann  sich  leicht  überzeugen,  daß  die  Lichthöfe  durch  den 
Reflex  des  weißen  Papiers  hervorgerufen  werden.  Stellt  man  im 
Finstern  eine  Petrischale  mit  leuchtenden  Kolonien  zur  Hälfte 
auf  weißes,  zur  Hälfte  auf  schwarzes  Papier  und  betrachtet 
man  sie  mit  wohl  ausgeruhtem  Auge,  so  sieht  man  bei  den  über 
dem  weißen  Papier  befindlichen  Kolonien  deutliche  Lichthöfe, 
bei  den  anderen  aber  nicht.  Die  Lichthöfe  kommen  also  durch 
Lichtreflex  zustande. 

Fig.  2  stellt  dieselbe  Photographie  dar,  aber  nach  nur 
dreistündiger  Expositionszeit.  Die  Lichthöfe  sind  hier  viel 
schwächer,  fast  kaum  zu  sehen,  aber  die  Kolonien  lassen  an 
Schärfe  nichts  zu  wünschen  übrig. 

Ich  bemerke  übrigens,  daß  schon  eine  Expositionszeit  von 
5  Minuten  genügt,  damit  sich  die  Kolonien  photographieren. 
Bei  solchen  Bildern  mit  relativ  kurzen  Exposilionszeiten 
erscheinen  die  Kolonien  nicht  als  gleichmäßig  helle  Scheiben, 
sondern  gewissermaßen  als  Ringe  oder,  genauer  gesagt,  als 
Scheiben,  deren  Umfang  viel  heller  ist  als  das  Innere.  Dies 
kommt  daher,  weil  die  Kolonien  an  ihrer  Peripherie,  wo  die 
Vermehrung  und  das  Wachstum  der  Bakterien  vorwiegend 
stattfindet,  und  die  Lebensenergie  der  jungen  Bakterien  eine 
viel  größere  ist  als  im  Inneren,  stärker  leuchten.  Bei  alten,  groß 
gewordenen  Kolonien  sieht  man  dies  mit  freiem  Auge  direkt, 
junge  Kolonien  hingegen  erscheinen  dem  Auge  längs  ihrer 
ganzen  Ausbreitung  gleich  hell;  daß  hier  der  Rand  auch  stärker 
leuchtet,  das  zeigt  uns  erst  die  Photographie,  z.  B.  die  in  Fig.  3, 
welche  eine  10  Tage  alte  Kolonie  von  Micrococcus  pkospkor&is 
im  vergrößerten  Maßstabe  darstellt. 

Sehr  leicht  ist  es,  Strichkulturen  im  Eigenlichte  zu  photo- 
graphieren, schon  nach  */4  Stunde  erhält  man  davon  ein 
deutliches  Bild.  Soll  aber  im  Bilde  auch  die  Eprouvette  mit  dem 
Baumwollpfropf  erscheinen,  so  muß  für  einen  weißen  Hinter- 
grund gesorgt  werden  und  der  Pfropf  muß  mit  Leuchtbakterien 
getränkt  werden.  Um  die  Lichthöfe  um  die  Eprouvette  zu 
vermeiden,  empfiehlt  es  sich,  die  Rückseite  der  Platten  mit 
Solarin  zu  bestreichen. 


Bakterienlicht  und  photographische  Platte.  301 

Die  Fig.  4  zeigt  eine  gelungene  Photographie  einer  Strich- 
kultur nach  sechsstündiger  Belichtung. 

2.  Eine  neue  Bakterienlampe. 

(Fig.  5.) 

Die  im  Vorhergehenden  gewonnenen  Photographien  lassen 
an  Schärfe  und  Deutlichkeit  für  unsere  Zwecke  nichts  zu 
wünschen  übrig.  Will  man  jedoch  mittelst  leuchtender  Bakterien 
andere  Gegenstände  photographieren,  so  genügen  einzelne 
Strich-  und  Plattenkulturen  nicht,  da  die  Intensität  ihres  Lichtes 
eine  zu  geringe  ist.  Zwar  könnte  man  durch  Aufstellung  einer 
sehr  großen  Zahl  von  Strichkulturen  auch  zum  Ziele  gelangen, 
allein  dies  wäre  doch  zu  umständlich.  Es  hat  daher  schon 
Dubois  diesem  Übelstande  durch  Konstruktion  einer  so- 
genannten lebenden  Lampe  abzuhelfen  gesucht,  wie  ich  bereits 
früher  hervorgehoben  habe.  Diese  Lampe  erstrahlte  aber  ihrer 
Einrichtung  nach  nur  kurze  Zeit  in  stärkerem  Lichte,  nämlich 
wenn  in  die  Kulturflüssigkeit  Luft  eingeblasen  wurde.  Da  nun 
in  einer  Flüssigkeit  der  zugeführte  Sauerstoff  nach  kurzer 
Zeit  wieder  aufgebraucht  wird,  so  erlischt  das  Licht  alsbald, 
nur  die  oberste  Schichte  bleibt  in  Berührung  mit  der  atmosphä- 
rischen Luft  leuchtend.  Für  photographische  Zwecke  mit  langer 
Expositionsdauer  muß  es  aber  wünschenswert  sein,  eine 
Lampe  mit  andauernd  intensivem  Lichte  zu  besitzen.1  Das 
starke,  von  Micrococcus  phosphoreus  ausstrahlende  Licht, 
welches  stärker  und  anhaltender  ist  als  das  aller  von  mir 
untersuchten  Meeresbakterien,  ermunterte  mich,  eine  Bakterien- 
lampe zu  gewinnen,  und  nach  mehrfachem  Herumprobieren 
gelang  es  mir,  eine  Lampe  zu  erzielen,  die  meinen  Ansprüchen 
vollkommen  entsprach.  Um  eine  solche  Lampe  zu  machen, 
verfuhr  ich  in  folgender  Weise. 

Ein  1  bis  2  Liter-Erlenmeyerkolben  aus  Glas  wird  mit 
etwa  200  bis  400  cm3  Salzpeptongelatine  beschickt,  mit  einem 


i  Während  der  Druckkorrektur  hatte  Herr  Prof.  Dubois  die  Güte,  mich 
darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  er  neben  seiner  oben  geschilderten  Lampe 
zur  Beleuchtung  auch  schon  Glasgefäße  verwendete,  die  an  der  Innenseite  mit 
Gelatine  und  Leuchtbakterien  ausgekleidet  waren,  die  also  auch  eine  andauernde 
Beleuchtung  gestatteten.  La  Nature,  1901,  p.  293. 


302  H.  Molisch, 

Baumwollpfropf  verschlossen  und  dann  sterilisiert.  Nach  Ab- 
kühlung, und  bevor  die  Gelatine  wieder  erstarrt,  wird  mit  einer 
jungen,  gut  leuchtenden  Kultur  von  Micrococcus  phosphoreus 
mittelst  einer  Platinnadel  geimpft  und  der  Kolben  dann  in 
horizontaler  Lage  und  unter  langsamer  Drehung  im  Strahle 
eines  Wasserleitungshahnes  gekühlt,  wobei  die  Gelatine  an  der 
ganzen  inneren  Oberfläche  nach  wenigen  Minuten  erstarrt 
Der  ganze  Kolben  ist  dann  mit  einer  mehr  minder  dicken 
Gelatineschichte  allseits  ausgekleidet,  auch  der  Pfropf  kann  mit 
Gelatine  getränkt  werden,  da  er  ganz  besonders  schön  leuchtet. 
Nun  stellt  man  den  Kolben  in  ein  kühles  Zimmer.  Schon  nach 
1  bis  2  Tagen  entwickeln  sich  längs  der  ganzen  Ausdehnung 
der  Innenwand  die  Kolonien,  der  Kolben  leuchtet  dann  in 
wunderschönem  bläulichgrünen  Lichte  und  bietet  mit  seinem 
ruhigen  matten  Glänze  einen  herrlichen  Anblick. 

Die  Fig.  5  stellt  eine  Photographie  meiner  Bakterienlampe 
in  ihrem  eigenem  Lichte  dar.  Der  Kolbenhals  erscheint  mit 
Ausnahme  seines  Randes  dunkel,  weil  der  vorhandene  Baum- 
wollpfropf nicht  leuchtete.  Die  ganze  Innenwand  zeigt  die 
leuchtenden  Kolonien  bei  genauer  Betrachtung  als  kleine 
Ringe,  weil  der  Rand  der  Kolonien  stärker  leuchtet  als  ihr 
Inneres.  Die  Exposition  betrug  in  diesem  Falle  12  Stunden,  es 
sei  jedoch  bemerkt,  daß  schon  nach  */4  Stunde  Exposition  die 
Umrisse  der  Lampe  samt  den  Kolonien  deutlich  auf  dem 
Negativ  zum  Vorschein  kommen. 

Meine  Lampe  hat,  wenn  sie  in  kühlem  Räume  bei  etwa 
10°  C.  aufbewahrt  wird,  die  ausgezeichnete  Eigenschaft,  durch 
etwa  14  Tage  relativ  intensiv  und  später  mit  abnehmender 
Helligkeit  zu  leuchten.  Ihr  Licht  gestattet,  die  Taschenuhr, 
das  Thermometer  abzulesen,  groben  Druck  zu  entziffern,  das 
Gesicht  einer  Person  auf  1  bis  2  m  zu  erkennen.  Als  ich  in 
finsterer  Nacht  die  Lampe  auf  ihre  Helligkeit  in  einem  Garten 
prüfte,  konnte  ich  ihr  Licht  noch  auf  64  Schritte  deutlich 
wahrnehmen.  Man  kann  die  Lampe  als  Nachtlampe  benützen, 
um  Gegenstände  im  finsteren  Zimmer  zu  finden,  wie  denn 
überhaupt  die  große  Billigkeit,  die  lange  ununterbrochene 
Leuchtdauer,  die  Geruchlosigkeit  und  die  Gefahrlosigkeit  dieses 
kalten  Lichtes  den  Gedanken  näher  rücken,  daß  das  Bakterien- 


Bakterienlicht  und  photographische  Platte.  303 

licht  einmal  auch  eine  praktische  Bedeutung  gewinnen  dürfte, 
ähnlich  wie  dies  ja  bei  manchen  tropischen  leuchtenden 
Käfern  schon  lange  der  Fall  ist. 

Gewisse  Elateriden,  die  A.  v.  Humboldt  bei  Trinidad  auf 
Cuba  traf  und  die  die  Spanier  Cucujos  nennen,  dienen  in  den 
Hütten  armer  Landleute  als  Leuchte.  »Zirka  ein  Dutzend 
Cucujos  in  einer  durchlöcherten  Kürbisflasche  dienen  in  Hütten 
armer  Landleute  als  Nachtlampen,  und  wird  das  Licht  schwächer, 
so  darf  man  nur  rütteln,  wo  durch  das  Irritieren  der  Tiere  das 
Licht  wieder  weit  stärker  wird.«  A.  v.  Humboldt  erzählt,  daß 
die  Mütter  dieses  Licht  benützen,  um  den  Kindern  zur  Nacht- 
zeit die  Brust  zu  reichen;  ferner  verbieten  oft  die  Kapitäne  der 
Schiffe,  ein  anderes  Licht  außer  der  Elaterbeleuchtung  des 
Nachts  zu  gebrauchen,  um  von  den  gefürchteten  Corsaren  nicht 
beobachtet  zu  werden.  Humboldt  selbst  benützte  auch  diese 
Beleuchtung  bei  seinem  Besuche  der  Luftvulkane  von  Turbaco, 
um  eine  Entzündung  der  brennbaren  Gase  zu  vermeiden. 1 

Schon  auf  Grund  seiner  Versuche  mit  leuchtendem  Holz 
und  leuchtenden  Fischen  kam  Heller  zu  der  Überzeugung, 
daß  das  Licht  von  Lebewesen  auch  für  das  praktische  Leben 
von  Wichtigkeit  werden  könnte,  z.  B.  zur  Beleuchtung  von 
solchen  Räumen,  wo  eine  sehr  mäßige,  aber  ununterbrochene 
Beleuchtung  erforderlich  ist  oder  wo  eine  mit  Wärmeentwick- 
lung verbundene  Beleuchtung  auszuschließen  wäre,  wie  in 
Pulvermühlen,  Pulvermagazinen,  in  Kohlenbergwerken  wegen 
der  schlagenden  Wetter  und  auf  Schiffen.  An  den  Seeküsten 
machen  die  Fischer  von  leuchtenden  Seefischen  schon  lange 
Gebrauch  zum  Fangen  von  Seekrebsen,  Hummern  und  Krabben. 
Sie  legen  frisch  getötete,  abgezogene  Seefische  etwa  24  Stunden 
an  die  Luft,  gewöhnlich  in  den  Schiffsraum,  und  bringen  dann 
in  jeden  Korb  einen  leuchtenden  Seefisch,  um  ihn  dann  als 
leuchtenden  Köder  ins  Meer  zu  versenken. 

Jetzt,  wo  wir  das  Bakterienlicht  in  Form  einer  viel  intensiver 
leuchtenden    Lampe  verwenden  können,   hat   eine   praktische 


1  Zitiert  nach  J.  F.  Heller,  Über  das  Leuchten  im  Pflanzen-  und  Tier- 
reiche. Archiv  für  physiolog.  und  pathologische  Chemie  und  Mikroskopie  etc. 
Neue  Folge.  Jahrg.  1853  und  1854,  S.  204,  Wien. 


304  H.  Molisch, 

Verwertung  des  »lebenden«  Lichtes  noch  mehr  Aussicht  auf 
Erfolg  und  ich  zweifle  nicht,  daß  beim  Fischfang  im  Meere 
meine  Bakterienlampe  mit  Erfolg  wird  benützt  werden  können. 

3.  Photographien  von  Gegenständen  im  Bakterienlichte. 

Mit  der  Schaffung  einer  guten  und  andauernden  Bakterien- 
lampe war  auch  die  Möglichkeit  gegeben,  in  bequemer  Weise 
andere  Gegenstände  als  die  leuchtenden  Bakterien  selbst  zu 
photographieren.  Ich  verfuhr  dabei  in  folgender  Weise: 

Eine  60  cm  hohe  und  60  cm  breite  Holzkiste  ohne  Deckel 
wurde  in  der  Dunkelkammer  aufrecht  auf  den  Tisch  aufgestellt, 
nachdem  ihre  Innenwand  mit  weißem  Papier  vollständig  aus- 
gekleidet worden  war.  In  dieser  Kiste  wurden  neun  gut 
leuchtende  Bakterienlampen  (zu  je  1  l  Volum)  untergebracht 
und  zwar  wurden  sechs  an  dem  oberen  Kistendeckel  aufgehängt 
und  drei  seitlich  horizontal  gelegt,  um  das  Objekt  namentlich 
von  oben  und  von  einer  Seite  zu  beleuchten.  An  die  Rückwand 
kam  der  zu  photographierende  Gegenstand  zu  stehen.  In  dieser 
Kiste  herrschte  für  das  ausgeruhte  Auge  ein  Licht,  das  mit 
seinem  weichen  und  milden  Ton  am  besten  mit  dem  einer 
hellen  Vollmondnacht  zu  vergleichen  war. 

Mit  Hilfe  des  eben  beschriebenen  Arrangements  wurden 
folgende  Gegenstände  im  Bakterienlichte  photographiert: 

Die  Fig.  6  stellt  eine  Photographie  einer  aus  weißem 
Porzellan  bestehenden  Schiller-Büste  dar  nach  15  stündiger 
Expositionszeit; 

Fig.  7  eine  Thermometerphotographie  nach  14  stündiger 
Belichtung.  Das  Bild  erscheint  so  scharf,  daß  man  bequem  die 
Ziffern  und  Buchstaben,  ja  sogar  den  Quecksilberstand  an  der 
Millimeterskala  ablesen  kann. 

Fig.  8  zeigt  die  Photographie  einer  Buchdruckprobe  nach 
1 2  stündiger  Belichtung. 


Bei  den  eben  beschriebenen  Photographien  wirkte,  um 
möglichst  scharfe  Bilder  zu  erzielen,  eine  sehr  lange  Belichtung 
ein,  doch  muß  hinzugefügt  werden,  daß  unscharfe  Bilder 
schon  nach  l  4  bis  1  Stunde  gewonnen  werden  können.  Daß 


Bakterienlicht  und  photographische  Platte.  305 

das  Bakterienlicht  aber  unter  bestimmten  Verhältnissen  die 
photographische  Platte  schon  nach  sehr  kurzer  Zeit  beein- 
flussen kann,  davon  kann  man  sich  leicht  überzeugen,  wenn 
man  eine  gut  leuchtende  Strichkultur  auf  einen  undurch- 
sichtigen, mit  kreisförmigen  Ausschnitten  versehenen  Karton, 
der  eine  lichtempfindliche  Platte  bedeckt,  direckt  auflegt. 
In  der  Fig.  9  ist  die  Wirkung  des  Bakterienlichtes  nach 
einer  Belichtung  von  60,  30,  10,  5,  3  und  1  Sekunde  an  den 
kreisförmigen  Ausschnitten  zu  sehen.  Dieses  Bild  liefert  den 
Beweis,  daß  das  Bakterienlicht  schon  nach  einer  Sekunde  eine 
deutliche  Schwärzung  hervorrufen  kann.  Auf  diese  Weise  wäre 
es  möglich,  die  Intensität  der  photographisch  wirksamen 
Strahlen  des  Bakterienlichtes  bei  verschiedenen  Arten  von 
Photobakterien  messend  zu  vergleichen. 

4.   Über   die    angebliche  Durchlässigkeit    undurchsichtiger 

Körper   für   Bakterienlicht    nebst    Bemerkungen   über  das 

Johanniskäferlicht. 

In  einer  Zeit,  da  die  Röntgen-  und  Becquerelstrahlen  und 
eine  Reihe  von  radioaktiven  Elementen  entdeckt  worden  sind, 
die  durch  undurchsichtige  Körper  hindurch  auf  die  photo- 
graphische Platte  einwirken,  hat  man  sich  begreiflicherweise 
auch  gefragt,  ob  nicht  auch  von  Lebewesen  ausstrahlendes 
Licht  analoge  Wirkungen  auszuüben  imstande  wäre.  Mit  einer 
gewissen  Leidenschaftlichkeit  wurde  förmlich  Jagd  gemacht 
auf  geheimnisvolle  Strahlen;  sogar  im  gewöhnlichen  Sonnen- 
licht oder  dem  einer  Petroleumflamme  wollte  Le  Bon1  gewisse 
Strahlen,  das  »schwarze  Licht«,  entdeckt  haben,  welches  durch 
opake  Körper  hindurch  auf  die  photographische  Platte  wirkt. 
Allein  durch  die  Untersuchungen  verschiedener  Forscher  und 
insbesondere  von  d'Arsonval2  wurde  gezeigt,  daß  es  sich  in 
den  Versuchen  von  Le  Bon  nicht  um  »schwarzes  Licht« 
handle,    sondern   um   eine   Art   Nachleuchten,    und   daß   die 


i  Gustave  Le  Bon,  La  lumiere  noire.  Comptes  rendus,  CXXH.  T.  1896, 
p.  188,  233,  386,  462,  522  et  1054. 

2  A.  d'Arsonval,  Observations  au  sujet  de  la  Photographie  a  travers 
les  corps  opaques.  Ebenda,  S.  500. 

Suzd.  d.  matnem.-naturw.  KL;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  20 


306  H.  Molisch, 

fluoreszierenden  Körper,  namentlich  die  gelbgrün  leuchtenden 
Gläser,  Strahlen  auszusenden  vermögen,  die  dunkle  Körper 
ähnlich  wie  die  Röntgenstrahlen  zu  durchdringen  vermögen. 

Für  uns  von  ganz  besonderem  Interesse  ist  die  Behaup- 
tung Dubois' vom  Bakterienlichte:  »Seine  Durchdringungskraft 
ist  dagegen  ähnlich  den  Röntgenstrahlen  sehr  erheblich,  indem 
undurchsichtige  Körper,  wie  z.  B.  Holz,  Karton  etc.,  kein  Hindernis 
für  die  Erzeugung  eines  Bildes  sind;  dagegen  vermag  es  auch 
das  dünnste  Aluminiumblättchen  nicht  zu  durchdringen«.1  Auf 
Grund  welcher  Versuche  der  genannte  französische  Forscher 
zu  diesem  höchst  auffallenden  Resultate  gekommen  ist  und  wo 
dieselben  veröffentlicht  worden  sind,  vermochte  ich  nicht  aus- 
findig zu  machen. 

Die  angeführte  Behauptung  Dubois*  schien  mir  um  so 
mehr  einer  Nachprüfung  wert,  weil  Suchsland2  schon  früher 
das  Gegenteil  behauptet  hatte,  nämlich  daß  das  Licht  von 
Bacterium  phosphorescens  für  undurchsichtige  Körper  undurch- 
dringlich sei  und  weil  auch  bezüglich  des  Johanniskäferlichtes 
in  seiner  Beziehung  zur  photographischen  Platte  ganz  merk- 
würdige und  völlig  rätselhafte  Angaben  gemacht  worden  sind. 

Der  japanische  Physiker  Muraoka3  legte  Kupfer-,  Alumi- 
nium-, Zink-  und  Messingplatten  von  gleicher  Größe  auf  eine 
photographische  Platte  nebeneinander  und  zwischen  die  Platte 
und  Metallplatten,  um  eine  direkte  Berührung  der  empfindlichen 
Schichte  mit  den  Metallplatten  zu  verhindern,  je  eine  Karton- 
unterlage, welche  in  der  Mitte  einen  kreisförmigen  Ausschnitt 
hatte.  Sodann  wurde  das  Ganze  mit  schwarzem  Papier  drei- 
bis  viermal  umwickelt  und  auf  den  Boden  eines  flachen 
Kistchens  gelegt.  In  das  Kistchen  brachte  er  schließlich  etwa 
300  Johanniskäfer,  deren  Wegfliegen  durch  ein  Hanfnetz  ver- 
hindert wurde. 


i  Dubois  R.,  Das  kalte  Licht.  »Die  Umschau«,  1901,  S.  223. 

2  Suchsland  E.,  Physikalische  Studien  über  Leuchtbakterien.  Sonder- 
abdruck aus  der  Festschrift  der  Latina  zur  200jährigen  Jubelfeier  der  Franke- 
schen Stiftungen  und  der  lateinischen  Hauptschule.  Halle  1898.  Ein  Referat 
darüber  im  Zentralblatt  für  Bakteriologie  etc.,  2.  Abt,  IV,  S.  715. 

*  Muraoka  H.,  Das  Johanniskäferlicht.  Wiedemann's  Annalen  der  Physik 
und  Chemie,  Bd.  59  der  neuen  Folge  (1896),  S.  773. 


Bakterienlicht  und  photographische  Platte.  307 

Die  Versuche  liefen  in  einem  guten  photographischen 
Zimmer  ab  und  währten  zwei  Nächte,  wobei  jedoch  zu  be- 
merken ist,  daß  die  Käfer  nur  von  etwa  6  Uhr  abends  bis 
11  Uhr  nachts  leuchten.  Er  wollte  mit  diesem  Versuche 
eruieren,  ob  die  Käferstrahlen  durch  schwarzes  Papier  und  die 
Metallplatten  überhaupt  hindurchgehen  und  auf  die  photo- 
graphische Platte  wirken  und,  wenn  dies  zutreffen  sollte,  ob 
sich  die  verschiedenen  Metalle  nicht  als  in  verschiedenem 
Grade  durchlässig  erweisen  würden. 

Zu  seiner  großen  Überraschung  fand  nun  Muraoka,  daß 
nicht  die  ausgeschnittenen  Stellen  des  Kartons  geschwärzt 
waren,  sondern  ganz  gegen  alle  Erwartung  die  von  dem 
Karton  unmittelbar  berührten  Stellen  der  photographischen 
Platte.  Die  den  Ausschnitten  entsprechenden  Stellen  blieben 
im  Negativ  hell!  Muraoka  nennt  diesen  Versuch  das  »Saug- 
phänomen«. Wurde  derselbe  Versuch  aber  ohne  Metall  aus- 
geführt, so  daß  eine  Kartonscheibe  mit  Ausschnitt  allein  auf 
die  photographische  Platte  zu  liegen  kam,  so  zeigte  sich  die 
Ausschnittstelle  ganz  schwarz  und  die  vom  Karton  berührte 
Fläche  nur  wenig  angegriffen.  »Es  scheint  also«,  so  meint  der 
Verfasser  nach  Ausführung  dieser  und  einiger  anderer  Experi- 
mente, »für  den  Eintritt  des  Saugphänomens  notwendig  zu 
sein,  daß  die  Kartonscheibe  mit  Ausschnitt  direkt  auf  die 
photographische  Platte  zu  liegen  kommt  und  darauf  eine 
Metall-  oder  Kartonplatte  gelegt  wird,  welche  die  durch  mehrere 
Schichten  von  schwarzem  Papier  filtrierten  Käferstrahlen  noch 
einmal  filtriert.«  Nach  diesen  ebenso  merkwürdigen  wie  rätsel- 
haften Befunden  mußte  es  gewiß  verlockend  erscheinen,  nach- 
zusehen, ob,  wie  Dubois  angibt,  Bakterienlicht  durch  undurch- 
sichtige Körper  hindurch  auf  die  photographische  Platte  wirkt 
und  ob,  wie  Muraoka  für  das  Käferlicht  gefunden  haben  will, 
das  Bakterienlicht  nach  der  Filtration  mittels  schwarzem  Papier, 
Metallen  oder  Karton  nicht  analoge  Erscheinungen  darbietet. 

Daß  das  Bakterienlicht  bei  direkter  Einwirkung  auf  die 
photographische  Platte  wie  Tageslicht  einwirkt,  darüber  kann 
kein  Zweifel  sein;  dies  lehren,  wie  wir  gesehen  haben,  die 
einschlägigen  Versuche.  Wie  aber  verhält  es  sich  mit  der 
Durchdringung  opaker  Körper? 

20* 


308  H.  Molisch, 

Um  diese  Frage  zu  lösen,  wurden  empfindliche  photo- 
graphische Trockenplatten  (Schleussner's  Gelatine-Emulsions- 
platten) zunächst  mit  schwarzem  Papier  mindestens  zweimal 
umwickelt,  in  ein  schwarzes,  nach  oben  offenes  Schächtelchen 
gelegt  und  darauf  eine  stark  leuchtende  Bakterienlampe  von 
1  l  Volum  gestellt.  Das  Ganze  wurde  in  der  Dunkelkammer 
noch  mit  einem  schwarzen  Pappsturz  bedeckt.  Bei  einer 
Expositionszeit  von  mehreren  Tagen  erwies  sich  das  schwarze 
Papier  als  undurchlässig.  Wurde  hierauf  in  das  Papier  ein 
kreisförmiger  Ausschnitt  gemacht,  so  daß  das  Bakterienlicht 
innerhalb  des  ausgeschnittenen  Feldes  direkt  auf  die  Platte 
wirkte,  so  wurde  der  Ausschnitt  bei  der  Entwicklung  voll- 
ständig geschwärzt,  und  hiezu  genügten  Bruchteile  einer 
Minute. 

In  ganz  derselben  Weise  wurden  Versuche  mit  anderen 
undurchsichtigen  Körpern  gemacht.  Ich  verwendete  zunächst 
einen  grauen  Karton  (Pappendeckel)  von  1  bis  2  mm  Dicke. 
Um  seitliches  Licht  abzuhalten,  gab  ich  die  empfindliche  Platte 
in  eine  der  gewöhnlichen  Blechschablonen,  wie  sie  bei  photo- 
graphischen Aufnahmen  verwendet  werden,  legte  auf  die 
empfindliche  Schichte  den  Karton  und  darauf  kam  die  Bakterien- 
lampe. Anstatt  dieser  benützte  ich,  um  dem  Einwand  zu 
begegnen,  daß  möglicherweise  das  von  den  Bakterien  aus- 
strahlende ultraviolette  Licht  von  der  Glaswand  der  Lampe 
absorbiert  werden  könnte,  auch  mit  Strichkulturen  versehene, 
unbedeckte  Petrischalen,  die  mit  der  offenen  Seite  auf  den 
undurchsichtigen  Körper  so  aufgelegt  wurden,  daß  das  Licht, 
ohne  Glas  und  Gelatine  passieren  zu  müssen,  direkt  in  den 
Karton  eindringen  konnte. 

Auch  in  diesen  Versuchen  blieb  die  Schwärzung  aus,  der 
verwendete  Karton  erwies  sich  also  für  das  Bakterienlicht 
ebenfalls  impermeabel. 

Platten  von  Zinn  0'8mm,  Aluminium  Q'bmm  und  Kupfer 
0  •  7  mm  Dicke  verhielten  sich  ebenso. 

Diese  Befunde  stehen  in  Gegensatz  zu  den  vorhin  zitierten 
Angaben  von  Dubois.  Es  blieb  also  noch  übrig,  diesen  Wider- 
spruch zu  erklären.  Aus  diesem  Grunde  machte  ich,  um  nicht 
etwa  dem  um  die  Lehre  von  der  Lichtentwicklung  der  Lebe- 


Bakterienlicht  und  photographische  Platte.  309 

wesen  verdienten  französischen  Forscher  unberechtigterweise 
zu  widersprechen,  unter  peinlicher  Beachtung  verschiedener 
Vorsichtsmaßregeln  weitere  Versuche.  Zunächst  arbeitete  ich 
mit  noch  intensiveren  Lichtquellen.  Ich  verwendete  2  bis  9 
meiner  großen  Bakterienlampen,  ohne  aber  ein  anderes  Resultat 
zu  erzielen.  Sodann  arbeitete  ich  mit  verschiedenen  Arten  von 
undurchsichtigen  Kartons  und  bekam  dabei  sehr  ungleiche 
und  verwirrende  Resultate.  Schließlich  stellte  sich  heraus,  daß 
bei  Verwendung  gewisser  Kartons,  besonders  bei  Benützung 
eines  gelbbraunen  Pappdeckels,  regelmäßig  eine  Schwärzung 
eintrat  und  schon  glaubte  ich,  Dubois  recht  geben  zu  müssen, 
als  ich  durch  Kontrollversuche  fand,  daß  diese  Schwärzung 
mit  dem  Bakterienlichte  gar  nichts  zu  tun  hat,  sondern  auch 
ohne  dieses  eintritt,  einfach  durch  Auflegen  des  gelben  Kartons 
auf  die  empfindliche  Schichte.  Im  weiteren  Verfolg  dieser 
Tatsache  zeigte  sich,  daß  mäßige  Feuchtigkeit  und  Wärme 
die  Einwirkung  des  Kartons  in  hohem  Grade  zu  verstärken 
vermögen.  Wenn  man  einen  derartigen  Karton  auf  mehrere 
Stunden  in  einen  feuchten  Raum  bringt,  dann  auf  die  empfind- 
liche Schichte  einer  photographische  Platte  legt,  das  Ganze 
mehrmals  mit  schwarzem  Papier  umwickelt  und  bei  25  bis  30° 
etwa  15  Stunden  im  finsteren  Thermostaten  liegen  läßt,  so 
wird  die  Platte,  soweit  sie  mit  dem  Karton  in  unmittelbarer 
Berührung  war,  bei  der  Entwicklung  intensiv  geschwärzt.1 

Unter  diesen  Verhältnissen  verhalten  sich  verschiedene 
Kartons  graduell  verschieden,  manche  wirken  auf  das  Brom- 
silber ausgezeichnet  ein,  manche  wenig,  manche  wieder  fast 
gar  nicht.  Im  allgemeinen  wirken  nach  meinen  Beobachtungen 
die  grauen  Kartons  schwach,  die  gelbbraunen  stark.  Analoges 
gilt  von  verschiedenen  Papieren  und  von  Metallen,  die  durch 
die  Atmosphärilien  angegriffen  worden  waren. 


1  Bei  den  im  Handel  vorkommenden  Platten  ist  es,  um  eine  Berührung 
der  übereinander  geschichteten  Platten  zu  verhindern,  vielfach  üblich,  kleine 
Kartonstückchen  dazwischen  zu  legen.  Bei  der  Entwicklung  derartiger  Platten 
stellt  sich  an  den  Stellen,  wo  das  Kartonstückchen  lag,  gleichfalls  eine  seiner 
Gestalt  genau  entsprechende  Schwärzung  ein,  welche  das  Negativ  verunstaltet. 
Von  der  Verwendung  solcher  Kartons  als  Zwischenlage  muß  daher  nachdrück- 
lichst abgeraten  werden. 


310  H.  Molisch, 

Eine  zweite  Ursache  der  Täuschung  kann  in  der  allzu 
langen  Entwicklung  der  Negative  liegen,  bei  welcher  bekannt- 
lich je  nach  der  Natur  des  verwendeten  Entwicklers  eine  mehr 
minder  starke  Schleierung  oder  Schwärzung  eintritt  —  ebenfalls 
ganz  unabhängig  von  der  Beleuchtung.  Bei  Nichtbeachtung 
dieser  Erfahrung  und  bei  Mangel  von  Kontrollversuchen  könnte 
man  geneigt  sein,  die  auftretende  Schwärzung  auf  eine  Licht- 
wirkung zurückzuführen. 

Halte  ich  mir  diese  möglichen  Fehlerquellen  sowie  noch 
eine  Reihe  anderer  Umstände,  die  beim  Photographieren 
irreführen  können,1  vor  Augen,  so  komme  ich  mit  Rücksicht 
auf  die  Resultate  meiner  Versuche  zu  dem  Schlüsse,  daß 
das  Bakterienlicht  die  photographische  Platte  wie 
gewöhnliches  Tageslicht  beeinflußt  und  daß  jenes 
ebensowenig  wie  dieses  undurchsichtige  Körper  zu 
durchdringen  vermag.  Meine  an  Kartons  gemachten  Er- 
fahrungen werfen  aber  gleichzeitig  ein  helles  Streiflicht  auf 
Muraoka's  »Saugphänomen«.  Denn,  wenn  es  Kartons  gibt,  die 
direkt  auf  die  Platte  einwirken  und  hier  bei  einiger  Berührung 
Schwärzung  hervorrufen,  so  liegt  der  Verdacht  nahe,  daß  bei 
den  Versuchen  Muraoka's,  insbesondere  bei  seinem  Saug- 
phänomen, der  jeweilig  verwendete  Karton  direkt  und  unab- 
hängig vom  Käferlicht  eine  bedeutungsvolle  Rolle  gespielt 
haben  dürfte.  Es  darf  nicht  außer  acht  gelassen  werden,  daß 
eben  verschiedene  Kartone  sich  verschieden  verhalten,  daß  die 
wirksamen  Kartone  verschieden  reagieren,  je  nachdem  die 
Temperatur  hoch  oder  niedrig  ist  und  je  nachdem  die  Luft,  in 
der  die  Kartons  liegen,  feucht  oder  trocken  ist.  Bei  regnerischem 
Wetter  und  günstiger  Temperatur  werden  sie  daher  die  Platte 
stark  angreifen,  bei  trockenem  Wetter  und  niedriger  Temperatur 
aber  viel  weniger. 

Wie  schön  Muraoka's  »Saugphänomen«  ohne  Käfer- 
licht, überhaupt  ohne  jedes  Licht  gelingt,  einfach  durch 
Auflegen    des   Kartons   auf  die   empfindliche  Schichte   einer 


i  Vergl.  darüber  Colson  R.,  Rdle  de  differentes  formes  de  l'energie 
dans  la  Photographie  au  travers  des  corps  opaques.  Comptes  rendus,  T.  122, 
1896,  p.  598. 


Bakterienlicht  und  photographische  Platte.  31t 

photographischen  Platte,  lehrt  das  Positiv  in  Fig.  10.  Die  Aus- 
schnitte erscheinen  im  Negativ  hell,  der  übrige  Theil  der 
Platte,  soweit  sie  vom  Karton  bedeckt  war,  schwarz.  Die  zahl- 
reichen unregelmäßigen,  hellen  Flecke  bedeuten  Stellen,  wo 
der  Karton  nicht  unmittelbar  auflag.  In  Fig.  10,  welche  das  Positiv 
darstellt,  ist  selbstverständlich  Hell  und  Dunkel  verkehrt. 

Nach  Muraoka  ist  auch  Holz  für  Käferlicht  durchlässig. 
Er  sagt:  »Auffallend  ist  die  Photographie  von  der  Holzplatte; 
die  Stellen  der  Fasern  sind  mehr  angegriffen  als  die  weicheren 
Stellen,  also  gerade  umgekehrt  wie  bei  den  Filtrationen  durch 
Papierschichten  oder  durch  Karton«.1 

Nachdem  ich  mich  überzeugt,  daß  gewisse  Kartons  und 
Papiere  das  Saugphänomen  allein  ohne  Licht  erzeugen  und,  da 
ich  gefunden,  daß  in  meinem  wirksamen  Karton  laut  mikro- 
skopischer Untersuchung  viel  Holzfasern  enthalten  waren,  so 
kam  ich  auf  den  Gedanken,  daß  Hölzer  die  Platte  gleichfalls 
angreifen  könnten.  Der  Erfolg  war  über  jede  Erwartung  über- 
raschend. Als  ich  auf  die  empfindliche  Schichte  einer  photo- 
graphischen Platte  eine  etwa  1  cm  dicke  Stammscheibe  von 
Eichenholz  und  Buchenholz  (Fagus  silvatica),  die  an  ihrem 
Querschnitt  sorgfältig  geglättet  waren  und  jahrelang  in  der 
Sammlung  gelegen  hatten,  legte,  dann  das  Ganze  mit  schwarzem 
Papier  umwickelte  und  im  finsteren  Thermostaten  bei  25  bis 
33°  C.  15  Stunden  liegen  ließ,  ergab  sich  folgendes  höchst 
auffallende  Bild  (Fig.  11):  Die  Stammscheiben  kamen  bei  der 
Entwicklung  mit  allen  makroskopisch  sichtbaren  Einzelheiten 
heraus:  Markstrahlen,  Jahresringe,  Porenringe,  die  Grenze 
zwischen  Holz  und  Rinde,  all  das  ist  im  Bilde  genau  zu 
erkennen.  Wie  bei  Kartons  und  Papier  begünstigen  Feuchtigkeit 
und  höhere  Temperatur  (30°)  das  Phänomen  in  hohem  Grade. 

Daß  es  sich  hier  nicht  um  ein  Nachleuchten,  nicht  um  eine 
Kontaktwirkung,  sondern  um  eine  chemische  Wirkung  handelt, 
davon  kann  man  sich  leicht  überzeugen,  wenn  man  den  eben 
geschilderten  Versuch  genau  in  der  beschriebenen  Weise,  nur 
mit  dem  Unterschiede  macht,  daß  man  zwischen  das  Holz  und 
die  empfindliche  Schichte  eine  wohlgereinigte  Glasplatte  (einen 


i  Muraoka  H.,  1.  c,  S.  777. 


312  ,  H.  Molisch, 

Objektträger)  legt.  Es  unterbleibt  dann,  soweit  der  Objektträger 
reicht,  jegliche  Schwärzung,  das  über  den  Objektträger  vor- 
springende Holz  wirkt  aber  dennoch  (allerdings  schwächer)  auf 
das  Bromsilber  ein,  obwohl  das  Holz  die  empfindliche  Schichte 
nicht  berührt.  Meiner  Meinung  nach  ist  es  ein  aus  dem  Holz 
abdunstender  flüchtiger  Körper,  der  den  Angriff  auf  das  Brom- 
silber bedingt.  Wenn  man  zu  dem  Holze,  welches  längere  Zeit 
bei  einer  Temperatur  von  etwa  30°  lag,  riecht,  so  läßt  es  einen 
eigentümlichen,  ziemlich  starken  Duft  erkennen,  ein  Beweis 
dafür,  daß  das  Holz  flüchtige  Körper  aussendet.  Wirken  also 
nicht  bloß  Kartons  und  Papiere,  sondern  auch  verschiedene 
Hölzer  direkt  in  so  auffallender  Weise  auf  die  photographische 
Platte,  so  wird  man  sich  den  Versuchen  Muraoka's  gegenüber 
sehr  skeptisch  verhalten  müssen,  und  ich  neige  zur  Ansicht, 
daß  das  Käferlicht  bei  dem  Saugphänomen  gar  nicht  beteiligt 
war,  sondern  daß  dieses  ohne  Licht  durch  direkte  chemische 
Einwirkung  der  auf  der  Platte  liegenden  Gegenstände  hervor- 
gerufen wird,  wodurch  die  so  überaus  merkwürdigen  und  den 
Physikern  so  ganz  unverständlichen  Befunde  des  japanischen 
Autors  eine  einfache  Erklärung  finden.  Muraoka's  Versuche 
müßten  von  neuem  unter  Ausschluß  der  von  mir  aufgedekten 
Karton-  und  Holzwirkung  ausgeführt  werden  und,  wenn  sie 
dann  auch  die  ursprünglichen  Resultate  geben  sollten,  was  ich 
aber  bezweifeln  möchte,  dann  erst  könnte  man  sich  zu  seiner 
Ansicht  bekehren,  daß  filtriertes  Käferlicht  besondere  Eigen- 
schaft aufweise. 

Vielleicht  war  Muraoka  seiner  Sache  selbst  nicht  ganz 
sicher,  da  er  mit  Rücksicht  auf  die  relativ  kurze  Johanniskäfer- 
zeit gleich  am  Beginne  seiner  Abhandlung  die  Bemerkung 
macht:  »Die  Versuche  konnten  daher  nicht  systematisch  genug 
ausgeführt  und  nicht  oft  genug  wiederholt  werden,  um  Schlüsse 
mit  Sicherheit  daraus  zu  ziehen«. 

Hinzufügen  möchte  ich  noch,  daß  er  bei  seinen  Ex- 
perimenten 300  bis  1000  Käfer  verwendete,  die  zwischen  den 
Versuchen,  also  wenn  sie  nicht  gebraucht  werden,  um  sie 
frisch  zu  erhalten,  mit  Wasser  bespritzt  werden.  So  viele  Käfer 
werden  dann  während  des  Experimentes  durch  Transpiration 
in  einem  kleinen  Kistchen  gewiß  einen  sehr  feuchten  Raum 


Bakterienlicht  und  photographische  Platte.  313 

erzeugt  haben.  Erwägt  man  ferner,  daß  die  Versuche  zur 
Johanniskäferzeit  in  Japan  gemacht  worden  sind,  so  waren  jene 
beiden  Faktoren,  Wärme  und  Feuchtigkeit,  von  welchen  wir 
nachwiesen,  daß  sie  die  chemische  Wirkung  des  Kartons  auf 
die  photographische  Platte  in  hohem  Grade  begünstigen, 
gegeben  und  damit  auch  die  Bedingungen  für  das  Saug- 
phänomen (ohne  Licht!)  realisiert.  Kontrollversuche  ohne  Käfer- 
licht scheint  Muraoka  überhaupt  nicht  ausgeführt  zu  haben, 
wenigstens  findet  sich  in  der  ganzen  Abhandlung  keine  Be- 
merkung darüber. 

5.  Zusammenfassung  der  wichtigsten  Resultate. 

1.  Mit  Hilfe  eines  Unars  aus  der  Werkstätte  von  C.  Zeiss 
gelang  es,  leuchtende  Kolonien  von  Micrococcus  phosphoreus  in 
relativ  kurzer  Zeit,  schon  nach  5  Minuten,  in  ihrem  Eigenlichte 
zu  photographieren.  Exponiert  man  mehrere  Stunden,  so 
erhält  man  sehr  scharfe  Bilder,  wobei  nicht  bloß  die  Kolonien, 
sondern  auch  die  Begrenzungslinien  der  Kulturgefäße  im  Bilde 
auftreten. 

Die  junge  Kolonie  erscheint  im  natürlichen  Zustande 
dem  Auge  längs  ihrer  ganzen  Fläche  gleichmäßig  leuchtend. 
Bei  relativ  kurzer  Expositionszeit  sehen  die  Kolonien  im  photo- 
graphischen Bilde  aber  wie  leuchtende  Ringe  aus,  ein  Beweis, 
daß  die  Kolonie  an  ihrer  Peripherie,  wo  das  Wachstum  und  die 
Vermehrung  der  Bakterien  sich  ungemein  intensiv  vollziehen, 
stärker  leuchtet  als  im  Zentrum. 

Hervorgehoben  sei,  daß  bei  direktem  Auflegen  einer 
leuchtenden  Strichkultur  schon  eine  Sekunde  Belichtung 
genügt,  um  eine  Schwärzung  der  Platte  hervorzurufen. 

2.  Um  Gegenstände  im  Bakterienlichte  zu  photographieren, 
wurde  als  Lichtquelle  eine  einfache  »Bakterienlampe«  ver- 
wendet. Dieselbe  besteht  aus  einem  großen  Erlenmeyerkolben 
von  1  bis  2  /  Volum,  dessen  ganze  Innenwand  bis  zum  Baum- 
wollpfropf hinauf  mit  sterilisierter,  erstarrter  Salzpeptongelatine 
ausgekleidet  ist,  die  aber  vor  dem  Erstarren  mit  Micrococcus 
phosphoreus  geimpft  wurde.  Schon  2  Tage  nach  der  Impfung 
leuchtet  der  Kolben  infolge  der  zahllösen,  sich  entwickelnden 


314  H.  Molisch. 

Kolonien  längs  seiner  ganzen  Innenwand  in  wunderschönem 
bläulichgrünem  Lichte  und  bietet  mit  seinem  ruhigen,  matten 
Schimmer  einen  geradezu  magischen  Anblick. 

Diese  lebende  Lampe  hat  die  ausgezeichnete 
Eigenschaft,  bei  etwa  10°  C.  durch  14  Tage  andauernd, 
relativ  intensiv  und  später  mit  abnehmender  Helligkeit  zu 
leuchten.  Ihr  Licht  gestattet,  die  Taschenuhr,  das  Thermo- 
meter abzulesen,  groben  Druck  zu  entziffern,  das  Gesicht  einer 
Person  auf  1  bis  2  m  zu  erkennen.  Als  die  Lampe  in  finsterer 
Nacht  in  einem  Garten  auf  ihre  Helligkeit  geprüft  wurde, 
konnte  ihr  Licht  noch  auf  64  Schritte  deutlich  wahr- 
genommen werden.  Die  große  Billigkeit  einer  solchen  Lampe, 
ihre  lange,  ununterbrochene  Leuchtdauer,  ihre  Geruchlosigkeit 
und  die  Gefahrlosigkeit  dieses  kalten  Lichtes  führen  auf  den 
Gedanken,  daß  das  Bakterienlicht  einmal  auch  eine  praktische 
Bedeutung  gewinnen  wird.  Die  Helligkeit  der  beschriebenen 
Lampe  dürfte  jetzt  schon  genügen,  um  sie  als  Wegweiser  in 
Bergwerken,  Pulvermagazinen  und  als  Lockmittel  beim  Fisch- 
fang zu  benützen. 

3.  Mit  der  Schaffung  dieser  Lampe  als  Lichtquelle  war 
die  Möglichkeit  gegeben,  in  bequemer  Weise  verschiedene 
Gegenstände  darin  zu  photographieren.  Als  Beweis  hiefür 
enthält  die  Arbeit  die  Photographie  einer  Schiller-Büste,  eines 
Thermometers  und  eines  Buchdruckes. 

4.  Von  R.  Dubois  wurde  behauptet,  daß  das  Bakterien- 
licht undurchsichtige  Körper  wie  z.  B.  Holz,  Karton  etc.  zu 
durchdringen  und  durch  diese  hindurch  auf  die  photographische 
Platte  zu  wirken  vermöge.  Genaue,  unter  verschiedenen  Vor- 
sichtsmaßregeln mit  Micrococcus  phosphoreus  durchgeführte 
Versuche  haben  die  Unrichtigkeit  dieser  Behauptung  dar- 
getan. Es  hat  sich  nämlich  herausgestellt,  daß  gewisse  Kartons, 
Papiere,  Hölzer  etc.  ganz  unabhängig  vom  Lichte,  einfach  durch 
direktes  Auflegen  auf  die  photographische  Platte,  die  empfind- 
liche Schichte  in  hohem  Grade  chemisch  beeinflussen  können, 
zumal  bei  günstiger  Temperatur  und  Gegenwart  von  Feuch- 
tigkeit. 

Auf  diese  Weise  lassen  sich  beispielsweise  von 
Hölzern  ohne  Licht  so  scharfe  Bilder  herstellen,  daß 


Bakterienlicht  und  photographische  Platte.  315 

man  am  entwickelten  Negativ  die  Jahresringe,  Poren- 
ringe, Markstrahlen  und  die  Grenze  zwischen  Holz 
und  Rinde  deutlich  wahrnehmen  kann. 

5.  Nach  Muraoka  sollen  die  Lichtstrahlen  des  natürlichen 
Johanniskäferlichtes,  wenn  sie  durch  Karton,  Papier  und  Kupfer- 
platten filtriert  werden,  ähnliche  Eigenschaften  wie  die  Röntgen- 
oder  wie  die  Becquerelstrahlen  erhalten.  Die  Versuche  des 
Verfassers  machen  es  jedoch  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich, 
daß  sich  der  japanische  Physiker  durch  die  ihm  unbekannte 
Eigenschaft  der  Kartons,  Hölzer  etc.,  direkt  auf  die  photo- 
graphische Platte  zu  wirken,  täuschen  ließ.  Das  von  Muraoka 
beobachtete  »Saugphänomen«  konnte  mit  aller  nur  wünschens- 
werten Deutlichkeit  ohne  jede  Spur  von  Licht  erhalten 
werden  durch  die  direkte  chemische  Einwirkung  des  Kartons 
und  anderer  Körper  auf  die  photographische  Platte. 

Bakterienlicht  wirkt  also  wie  gewöhnliches  Licht  auf  die 
empfindliche  Schichte  und  enthält,  soweit  wir  dies  heute 
beurteilen  können,  keine  besonderen,  durch  undurchsichtige 
Körper  gehenden,  photographisch  wirksamen  Strahlen.  Dasselbe 
dürfte  vom  Johanniskäferlicht  gelten. 


316  H.  Molisch,  Bakterienlicht  und  photographische  Platte. 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Fig.  1.  Photographie  leuchtender  Kolonien  von  Micrococcus  phosphoreus'  in 
ihrem  eigenen  Lichte.  Die  Kolonien  waren  sechs  Tage  alt,  befanden 
sich  in  einer  Petrischale,  die  mit  einer  planen  Glasscheibe  bedeckt  war. 
Expositionszeit  15  Stunden. 

Fig.    2.  Dieselbe  Photographie  nach  dreistündiger  Expositionszeit 

Fig.  3.  Mikrophotographie  von  einer  leuchtenden,  zehn  Tage  alten  Kolonie 
von  Micrococcus  phosphoreus.  Expositionszeit  vier  Stunden.  Der  Rand 
leuchtet  stärker  als  das  Innere. 

Fig.  4.  Photographie  einer  Strichkultur  von  Micrococcus  phosphoreus  im  Eigen- 
lichte. 

Fig.    5.  Bakterienlampe,  in  ihrem  eigenen  Lichte  photographiert. 

Fig.    6.  Photographie  einer  Schillerbüste  im  Bakterienlichte. 

Fig.    7.  Photographie  eines  Thermometers  im  Bakterienlichte. 

Fig.    8.  Photographie  einer  Buchdruckprobe  im  Bakterienlichte. 

Fig.  9.  Sechs  photographische  Bilder,  hervorgerufen  durch  Bakterienlicht  nach 
60,  30,  10,  5,  3  und  i  Sekunde  Belichtung. 

Fig.  10.  Positivbild,  einfach  erhalten  durch  Auflegen  eines  gelbbraunen  Kartons 
mit  drei  kreisförmigen  Ausschnitten  auf  eine  photographische  Platte 
und  nachheriger  Entwickelung. 

Fig.  1 1 .  Positivbilder,  einfach  erhalten  durch  Auflegen  von  Querscheiben  von 
Hölzern  (Eiche  und  Buche)  auf  eine  photographische  Platte  und  nach- 
heriger Entwickelung. 


H.  Molisch:  Bakterienlicht  und  photographische  Platte. 


Tafel  I. 


f. 


Sitzungsberichte  der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CXII,  Abt.  I,  1903. 

LirhtdracV  der  k.  k.  Hof-  uod  Staatsdrurbm. 


H.  Molisch:  Bakterienlicht  und  photographische  Platte. 


Tafel  11. 


Sitzungsberichte    der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CX1I.  Abt.  I,  HKW. 

Lichtdruck  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdrnekerei. 


H.  Molisch:  Bakterienlicht  und  photographische  Platte. 


Tafel  III. 


11 


Sitzungsberichte   der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CX1I,  Abt.  I,  1903. 

Lichtdruck  der  k.  k.  Hof-  und  Staatsdrnckerei. 


317 


IX.  SITZUNG  VOM  19.  MÄRZ  1903. 


Erschienen:  Monatshefte  für  Chemie,  Bd.  XXIV,  Heft  II  (Februar  1003). 

Dankschreiben  sind  eingelangt: 

1.  Von  Dr.  E.  v.  Halacsy  in  Wien  für  die  Bewilligung 
einer  Subvention  zur  Fortsetzung  seiner  Bearbeitung  der 
griechischen  Fauna; 

2.  von  Prof.  Günther  Beck  v.  Managetta  in  Prag  zur 
Fortsetzung  seiner  pflanzengeographischen  Studien  in  den 
österreichischen  Karstländern  und  den  Julischen  Alpen. 

Prof.  Dr.  Gustav  Kohn  in  Wien  übersendet  eine  Ab- 
handlung mit  dem  Titel:   »Über  kubische  Raumkurven«. 

Das  w.  M.  Hofrat  Zd.  H.  Skraup  in  Graz  legt  vier  im 
chemischen  Institute  der  Universität  in  Graz  ausgeführte  Unter- 
suchungen vor: 

1.  »Über   das  Cholesterin«  (erste  Mitteilung)  von  Hugo 
Schrötter. 

2.  »Über  die  Glykolisierung  von  Biosen«  von  R.Foerg. 

3.  »Über  die  Pasteur'schen  Umlagerungen«    von  Zd. 
H.  Skraup. 

4.  »Über  sterische  Behinderungen«  von  Zd.  H.  Skraup. 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  übersendet  eine  aus  Straß- 
burg eingelangte,  mit  Unterstützung  der  kaiserlichen  Akademie 
ausgeführte  Arbeit  von  Dr.  Sigmund  Fränkel,  betitelt:  »Dar- 
stellung und  Konstitution  des  Histidin«. 

Ferner  übersendet  Hofrat  Ad.  Lieben  eine  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeit  von  Dr.  A.  Wogrinz:  »Über 
a-Isopropyl-  und  a-Dimethyl-ß-Oxybuttersäure«. 


318 

K.  k.  Bergrat  Leopold  Schneider  in  Wien  übersendet 
eine  Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Ein  Beitrag  zur  Kenntnis 
der  Löslichkeit  einiger  Salze  und  Salzgemische  in 
Wasser«. 

Das  w.  M.  Hofrat  E.  Weiß  überreicht  eine  Abhandlung 
von  Hofrat  G.  v.  Niessl  unter  dem  Titel:  »Bahnbestimmung 
des  Meteors  vom  27.  Februar  1901«. 

Prof.  Dr.  Gustav  Jäger  legt  eine  Arbeit  mit  dem  Titel: 
»Zwei  Wege  zum  MaxwelTschen  Verteilungsgesetze 
der  Geschwindigkeiten  der  Gasmolekeln«  vor. 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Albert  Ier,  Prince  souverain  de  Monaco:  Resultats  des 
campagnes  scientifiques  accomplies  sur  son  yacht.  Fase. 
XXII.  Monaco,  1902.  4°. 

Hampl,  Vaclav:  Mathematicky  zemepis  s  nävodem,  jak  uziti 
lze  globu.  Prag,  1903.  8°. 

Universität  in  Montana:  University  Bulletin,  No  4,5,8,9.  8°. 


Seite 
Went  K.t  Ober  einige  melanokrate  Gesteine  des  Monzoni.  (Mit 

*1  Tafel  und  6  Textfiguren.)  [Preis :  1  K  30  h  =  1  Mk.  30  Pfg.]    237 
Brunufhahr  /.,    Phytoplankton   aus   Kleinasien.   [Preis:  20  h  = 

20  Pfg.] .    .    .    ,    289 

Vm.  Sitzung  vom  12.  März  1903:  Übersicht 295 

Molisch    H.<    Bakterieniichi    und    photographischc    PlaUe.    (Mit 

^  Tafeln .)  [Preis:   l  K  20  h  =  1  Mk.  20  Pfg-1 207 

IX,  Sitzung  vom  19.  Märe  1903:  Übersicht 317 

Preis  des  ganzen  Heftes:  8  K  50  h  =  8  Mk.  50  Pfg. 


Die  Sitzung* 
erscheinen  vom  Jah  . 
gesonderten     Abtei 
werden  können: 

Abteilung  I.  Entt 
Mineralogie} 
logie  der  Pf 
logie,  Physi. 

Abteilung  11  a.  ) 
Mathematik, 
und  Mechan: 

Abteilung    II  b. 
Chemie. 

Abteilung  III.  1 
Anatomie  ur 
Tiere,  sowie 

Dem  Berichte 
in  derselben  vorgel 

Von  jenen  in 
lungen,  zu  deren  ' 
gesetzt  ist,  komme 
können  durch  die 
Sohn  (Wien,  I.,  Ba 
bezogen  werden. 

Die  dem  Gebie 
Wissenschaften  ar 
besonderen  Heften  * 
und  verwandte  1 
gegeben.  Der  Präi 
Monatshefte  betrag 

Der  akademis 
oder,  wo  diese  fehl 
enthält,  wird,  wie 
gegeben.  Der  Preis 


1 


.?   . 


r  LL 


SITZUNGSBERICHTE 


DER  KAISERLICHEN 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 

CXIL  BAND..  IV,  BIS  VII.  HEFT. 
JAHRGANG  1903.         APRIL  bis  JULI. 

ABTEILUNG  L 

ENTHÄLT    DIE    ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEblETE  DER   MINERALOGIE, 

KRYSTALLOGRAPHIE,   BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 

PALÄONTOLOGIE,   GEOLOGIE,  PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  UND  REISEN. 

(MIT  17  TAFEL«  UND  11    FEXTFIGURBN.) 


^ 


^ 


WIEN,  1903, 

TIS  DER  KA!SEKl-lCH-KÜNKrLh'ni:\  iiuF-  UND  STAATS DHUCKKftKL 
IK  KOMMISSION  BEI  KARL  GEROLD'S  SOHN, 

»#JCHHAJ'PI-,IH   DA*  feAlSK-KtlCltltM   AK/tUKlMtfl    U&K,   »ih^^.j; 


INHALT 

des  4.  bis  7.  Heftes  April  bis  Juli  1903  des  CXII.  Bandes,  Abteilung- 1 
der  Sitzungsberichte  der  mathem.-natur*r.  Klasse. 

Seite 

X.  Sitzung  vom  2.  April  1903:  Übersicht 321 

XI.  Sitzung  vom  7.  Mai  1903:  Obersicht- „    .    .    .    .    327 

Siebenrock    F.,    Schildkröten    des    östlichen    Hinterindien.     (Mit 

2  Tafeln.)  [Preis:  80  h  =  80  Pfg.] 333 

XII.  Sitzung  vom  14.  Mai  1903:  Übersicht 353 

Tschermak  G.t   Über  die  chemische  Konstitution   der  Feldspate. 

(Mit  1  Textfigur.)  [Preis:  40  h  =  40  Pfg. | 355 

Busson  B.,  Über  einige  Landplanarien.  (Mit  1  Tafel  und  5  Text- 
figuren.) [Preis:  1  K  40  h  =  1  Mk.  40  Pfg.] 375 

Xm.  Sitzung  vom  22.  Mai  1903:  Übersicht 430 

XIV.  Sitzung  vom  4.  Juni  1903:  Übersicht 433 

XV.  Sitzung  vom  12.  Juni  1903:  Übersicht 435 

XVI.  Sitzung  vom  18.  Juni  1903:  Übersicht 437 

Siebenrock  F.,  Über  zwei  seltene  und  eine  neue  Schildkröte  des 

Berliner  Museums.  (Mit  1  Tafel.)  [Preis:  50  h  =50  Pfg.]   .    439 

Zeäerbauer  E.,  Myxobacteriaceae,  eine  Symbiose  zwischen  Pilzen 
und  Bakterien.  (Mit  2  Tafeln.)  [Preis:  1  K  —  h  =  1  Mk. 
—  Pfg.] 447 

Michniewicz  A.  R.t  Die  Lösungsweise  der  Reservestoffe  in  den 
Zellwänden  der  Samen  bei  ihrer  Keimung.  (Mit  2  Tafeln.) 
[Preis:  1  K  10  h  =  1  Mk.  10  Pfg.] 483 

Peter  A.t  Beiträge  zur  Anatomie  der  Vegetationsorgane  von 
Boswellia  Giriert  Bird  w.  (Mit  3  Tafeln  und  3  Textfiguren.) 
[Preis:  1  K  —  h=  1  Mk.  —  Pfg.] 511 

XVII.  Sitzung  vom  2.  Juli  1903:  Übersicht 537 

Pintner  Th.,  Studien  über  Tetrarhynchen  nebst  Beobachtungen  an 
anderen  Bandwürmern.  (III.  Mitteilung.)  Zwei  eigentüm- 
liche Drüsensysteme  bei  Rhynchobothrius  adcnoplusius  n. 


SITZUNGSBERICHTE 

DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXII.  BAND.  IV.  HEFT. 


ABTEILUNG  I. 


ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MINERALOGIE, 
KRYSTALLOGRAPHIE,  BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 
PALÄONTOLOGIE,  GEOLOGIE,  PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  UND  REISEN. 


21 


321 


X.  SITZUNG  VOM  2.  APRIL  1903. 


Die  Geschäftsführung  der  Gesellschaft  deutscher 
Naturforscher  und  Ärzte  übersendet  eine  Einladung  zu 
der  in  der  Zeit  vom  20.  bis  26.  September  d.  J.  in  Cassel 
stattfindenden  75.  Versammlung. 

Das  w.  M.  Prof.  G.  Goldschmiedt  übersendet  eine  im 
chemischen  Laboratorium  der  k.  k.  deutschen  Universität  in 
Prag  ausgeführte  Arbeit  von  Dr.  Alfred  Kirpal  »Bestimmung 
der  Struktur  der  Apophyllensäure«. 

Hofrat  J.  M.  Eder  in  Wien  übersendet  folgende  zwei 
Arbeiten: 

I.  »Das  Flammen- und  Funkenspektrum  des  Magne- 
siums.« 
IL   »Photometrische  Untersuchung   der   chemischen 
Helligkeit  von   brennendem   Magnesium,    Alumi- 
nium und  Phosphor.« 

Prof.  Dr.  Anton  Schell  in  Wien  übersendet  eine  Abhand- 
lung mit  dem  Titel:  »Das  Universalstereoskop«. 

Dr.  V.  v.  Cordier  übersendet  eine  vorläufige  Mit- 
teilung über  eine  wahrscheinliche  Stereoisomerie 
beim  Guanidin  aus  dem  Laboratorium  für  aligemeine  Chemie 
der  k.  k.  technischen  Hochschule  in  Graz. 

Versiegelte  Schreiben  zur  Wahrung  der  Priorität 
smd  eingelangt: 
1.  von   Sekundararzt   Dr.  Klemens   Freiherr  v.  Pirquet   in 
Wien  mit  der  Aufschrift:  »Zur  Theorie  der  Infektions- 
krankheiten«; 

21* 


322 

2.  von  k.  und  k.  Leutnant  i.  d.  R.  Franz  Edlen  v.  Hoefft 
in  Wien  mit  der  Aufschrift:  »Erfindung  eines  kombi- 
nierten Drachen -Schraubenfliegers«. 

Das  w.  M.  Hofrat  J.  Hann  überreicht  eine  Abhandlung 
unter  dem  Titel:  »Die  Luftströmungen  auf  dem  Gipfel 
des  Säntis,  2504  w,  und  ihre  jährliche  Periode«. 

Derselbe  überreicht  ferner  eine  Abhandlung  von  Dr.  Fritz 
v.  Kerner:  »Untersuchungen  über  die  Abnahme  der 
Quellentemperatur  mit  der  Höhe  im  Gebiete  der 
mittleren  Donau  und  im  Gebiete  des  Inn«. 

Das  w.  M.  Prof.  V.  Uhlig  legt  eine  Abhandlung  von 
Ingenieur  J.  Knett  in  Karlsbad  vor,  betitelt:  »Vorläufiger 
Bericht  über  das  erzgebirgische  Schwarmbeben  vom 
13.  Februar  bis  24.  März  1903«. 

Das  w.  M.  Hofrat  F.  Mertens  überreicht  folgende  zwei 
Arbeiten  von  Privatdozent  Dr.  Edmund  Landau  in  Berlin: 

I.  Ȇber   die  Primzahlen   einer  arithmetischen  Pro- 
gression.« 
II.  »Über  die  zahlentheoretische  Funktion  nfc.« 

Das  w.  M.  Prof.  Franz  Exner  legt  eine  Abhandlung  von 
Dr. V.Conrad  und  Dr.  F.  M.  Exner  vor:  »Registrierungen 
des  luftelektrischen  Potentiales  auf  dem  Sonnblick». 

Das  w.  M.  Hof  rat  Friedrich  Brauer  legt  eine  Arbeit  von 
Dr.  Rudolf  Sturany  vor,  betitelt:  »Gastropoden  des  Roten 
Meeres«. 

K.  k.  Bergrat  Leopold  Schneider  in  Wien  übersendet 
eine  Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Eine  chemisch-analyti- 
sche Untersuchung  über  die  Salze  des  Meeres«. 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  eine  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeit  des  Herrn  Friedrich 
Schubert:  »Darstellung  des  Glykols  aus  Isobutyr- 
aldehyd  und  Cuminol  und  sein  Verhalten  gegen  ver- 
dünnte Schwefelsäure«. 


323 


Dr.  J.  Valentin  überreicht  einen  vorläufigen  Bericht: 
-Über  die  stehenden  Seespiegelschwankungen 
(Seiches)  in  Riva  am  Gardasee«. 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Fouque,    F.:   Les   analyses   en    bloc   et   leur  interpretation. 

(Extrait  du  Bulletin  de  la  Societe  Fran9aise  de  Mineralogie, 

decembre  1902.) 
Greim,  G.,  Dr.:  Studien  aus  dem  Paznaun.  (Sonderabdruck 

aus  Gerland's  Beiträgen  zur  Geophysik,  Bd.  V,  Heft  4.) 


SITZUNGSBERICHTE 

DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTER 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXII.  BAND.  V.  HEFT. 


ABTEILUNG  I. 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MINERALOGIE, 

KRYSTALLOGRAPHIE,  BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 

PALÄONTOLOGIE,  GEOLOGIE,  PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  UND  REISEN. 


327 


XI.  SITZUNG  VOM  7.  MAI  1903. 


Erschienen:  Denkschriften,  Band  LXXII  (1902).  —  Sitzungsberichte, 
BcLCXII,  Abt  I,  Heft  VIII  und  IX  (Oktober  und  November  1902);  Abt.  IIb, 
Heft  VIII  bis  X  (Oktober  bis  Dezember  1902);  Abt.  III,  Heft  VII  bis  X 
(Juli  bis  Dezember  1902). 

Das  k.  M.  Prof.  R.  Wegsc heider  spricht  seinen  Dank  für 
die  ihm  bewilligte  Subvention  zur  Ausführung  wissenschaftlicher 
Arbeiten  mit  Diazomethan  aus. 

Von  dem  Leiter  der  zoologischen  Expedition  nach  Brasilien, 
w.  M.  Hofrat  F.  Steindachner,  ist  ein  vorläufiger  Bericht 
über  die  bisherigen  Ergebnisse  der  Expedition  eingelangt. 

Dr.  Richard  Fanto  übersendet  eine  Arbeit:  »Über  Silber- 
jodidnitrat  und  Silberjodid«. 

Das  k.  M.  Hofrat  L.  v.  Graff  übersendet  eine  im  zoologisch- 
zootomischen  Institute  der  Universität  Graz  ausgeführte  Arbeit: 
»Ober  einige  Landplanarien«,  von  Dr.  Bruno  Busson. 

Prof.  Dr.  Lujo  Adamovic  in  Belgrad  übersendet  eine 
Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Beiträge  zur  Flora  von 
Makedonien  und  Altserbien«. 

Prof.  Dr.  L.  Weinek  in  Prag  übersendet  eine  Arbeit  mit 
dem  Titel:  »Graphische  Darstellung  der  Sternkoordi- 
natenänderung zufolge  Präzession  nebst  Ableitung 
der  bezüglichen  Grundgleichungen«. 

Prof.  Rud.  Andreasch  an  der  k.  k.  technischen  Hoch- 
schule in  Graz  übersendet  eine  in  Gemeinschaft  mit  dem 
Assistenten  Dr.  Arth.  Zipser  ausgeführte  Arbeit:  »Über 
substituierte  Rhodaninsäuren  und  ihre  Aldehyd- 
kon densationsprodukte«. 


328 

Dr.  J.  Klimont  in  Wien  übersendet  eine  Abhandlung  mit 
dem  Titel:  Ȇber  die  Zusammensetzung  von  Oleum 
stillingiae«. 

Prof.  Max  Grog  er  in  Wien  übersendet  eine  Abhandlung 
mit  dem  Titel:  »Über  Kupferchromat«. 

Prof.  Dr.  V.  Hilber  und  Privatdozent  Dr.  J.  A.  Ippen  in 
Graz  übersenden  eine  von  ihnen  gemeinsam  verfaßte  Abhand- 
lung: »Gesteine  aus  Nordgriechenland  und  dessen 
türkischen  Grenzländern«. 

Prof.  Emil  Waelsch  in  Brunn  übersendet  eine  Abhandlung 
mit  dem  Titel:  »Über  Binäranalyse«. 

Prof.  Dr.  Anton  Wassmuth  in  Graz  übersendet  eine 
Arbeit  mit  dem  Titel:  Ȇber  die  bei  der  Biegung  von 
Stahlstäben  beobachtete  Abkühlung«. 

Prof.  Dr.  Anton  Schell  in  Wien  übersendet  eine  Ab- 
handlung mit  dem  Titel:  »Die  Bestimmung  der  optischen 
Konstanten  eines  zentrierten  sphärischen  Systems 
mit  dem  Präzisionsfokometer«. 

Versiegelte  Schreiben  zur  Wahrung  der  Priorität 
sind  eingelangt: 

1.  Von  k.  k.  Rechnungsoffizial  i.  P.  Franz  K.  Lukas  in  Mauer 
bei  Wien  mit  der  Aufschrift:  Ȇber  eine  neue  Art  von 
Kettenbrüchen«; 

2.  von  Prof.  Dr.  Viktor  Grünberg  in  Znaim  mit  der  Aufschrift: 
»Farbengleichung«; 

3.  von  Karl  Grail,  Photograph  in  Wien,  mit  der  Aufschrift: 
»Autographischer  Kompositeur«. 

Der  Sekretär  legt  Heft  2  von  Band  IVa  und  Heft  1  von 
Band  Vt  der  im  Auftrage  der  Akademien  der  Wissenschaften 
zu  München  und  Wien  und  der  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften zu  Göttingen  herausgegebenen  »Enzyklopädie  der 
mathematischen  Wissenschaften  mit  Einschluß  ihrer 
Anwendungen«  vor. 


329 

Dr.  Franz  Baron  Nopsca  jun.  übersendet  eine  Abhandlung 
mit  dem  Titel:  »Dinosaurierreste  aus  Siebenbürgen.  III 
(Weitere  Schädelreste  von  Mochlodon.)« 

Das  w.  M.  k.  k.  Hofrat  Direktor  F.  Brauer  überreicht  eine 
Abhandlung  von  Kustos  Friedrich  Siebenrock,  betitelt: 
»Schildkröten  des  östlichen  Hinterindien«. 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  zwei  Arbeiten 
aus  seinem  Laboratorium: 

L  Ȇber  das  Chlorhydrin  und  Oxyd  des  Pentan- 
1,4-diols«,  von  B.  Possanner  v.  Ehrenthal. 

II.  »Über  die  Einwirkung  von  salpetriger  Säure  auf 
das  1,8-Octomethylendiamin«,  von  Emmo  Loebl. 

Ferner  legt  derselbe  eine  Abhandlung  von  Dr.  Leo  Lang- 
stein, derzeit  in  Berlin,  vor,  welche  den  Titel  führt:  »Die 
Kohlehydrate  des  Serumglobulins«. 

Das  k.  M.  Hofrat  Prof.  L.  Boltzmann  legt  eine  Abhand- 
lung von  Ing.  Johann  Hermanek  vor,  welche  den  Titel  hat: 
»Theorie  des  freien  Ausflusses  von  Flüssigkeiten 
aus  Mündungen  und  an  Überfällen«. 

Das  w.  M.  Prof.  F.  Beck e  legt  den  ersten  Teil  des  Berichtes 
über  die  durch  die  Kommission  zur  petrographischen 
Erforschung  der  Zentralkette  der  Ostalpen  veran- 
laßten  Untersuchungen  vor. 

Derselbe  überreicht  ferner  eine  Abhandlung  von  Ingenieur 
Josef  Knett  in  Karlsbad  mit  dem  Titel:  »Das  Erdbeben  am 
Böhmischen  Pfahl  26.  November  1902*. 

Das  k.M.  Prof. R.  Wegscheider  überreicht  vier  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeiten: 

I.  »Über  Diazomethan«,  vorläufige  Mitteilung  von  Rud. 
Wegscheider  und  Heinr.  Gehringer. 

II.  »Untersuchungen  über  die  Veresterung  unsymme- 
trischer zwei-  und  mehrbasischer  Säuren.  X.  Ab- 
handlung: Über  Phenylbernsteinsäure  und  ihre 
Veresterung«,  von  Rud.  Wegscheid  er  und  Josef  Hecht. 


330 

III.  »Zur  Kenntnis  der  Phenylitakonsäure«,  von  Josef 
Hecht. 

IV.  »Untersuchungen  über  die  Veresterung  unsymme- 
trischer zwei-  und  mehrbasischer  Säuren.  XI.  Ab- 
handlung: Verhalten  derHemipinestersäuren  gegen 
Hydrazinhydrat  und  gegen  Thionylchlorid«,  von 
Rud.  Wegscheider  und  Peter  v.  Rusnov. 

Dr.  Adolf  Jolles   überreicht   eine  Abhandlung,   betitelt: 
-Beiträge  zur  Kenntnis  der  Frauenmilch*. 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Agamemnone,  G.:  Sulla  convenienza  d'un  alta  velocitä  nelle 
registrazioni  sismiche.  Modena,  1902;  8°. 

Astrophysikalisches  Observatorium  in  Königstuhl- 
Heidelberg:  Publikationen.  Herausgegeben  von  Dr.  Max 
Wolf.  Band  I.  Karlsruhe,  1902;  4°. 

Forster,  Richard:  Die  dritte  Bewegung  unserer  Erde.  Wien, 
1903;  8°. 

Hesseigren,  Frederic:  Etüde  sur  les  intervalles  harmoniques 
dans  la  gamme  musicale  vraie  et  naturelle.  Turin,  1903;  4°. 

Hildebrand  Hildebrandsson,  H.:  Rapport  sur  les  observa- 
tions  internationales  des  nuages  au  Comite  international 
meteorologique.  I.  Historique,  circulation  generale  de 
l'atmosphere.  Upsala,  1903;  8°. 

Lendenfeld,  Robert  v.,  Dr.:  An  Account  of  the  Indian  Tri- 
axonia  collected  by  the  Royal  Indian  Marine  Survey  Ship 
Investigator,  by  Franz  Eilhard  Schulze.  The  German 
Original  translated  into  Inglish  by  Robert  v.  Lendenfeld. 
Calcutta,  1902;  4°. 

Ministerio  de  Fomento  in  Lima:  Boletin  del  Cuerpo  de 
Ingenieros  de  Minas  del  Peru,  Nr.  1.  Documentos  oficiales. 
Lima,  1902;  8°. 


331 

Montessus  de  Bailore,  F.  de:  Essai  sur  le  röle  sismogenique 
des  principaux  accidents  geologiques.  (Sonderabdruck  aus 
Gerland's  Beiträgen  zur  Geophysik,  Band  VI,  Heft  1.) 
—  Non-existence  et  inutilite  des  courbes  isophygmiques,  ou 
d' egale  frequence  des  tremblements  de  terre.  (Sonder- 
abdruck aus  Gerland's  Beiträgen  zur  Geophysik,  Band  V, 
Heft  3.) 

Museum  oftheBrooklyn  Institute  ofArts  and  Sciences: 
Science  Bulletin,  vol.  I,  No.  2,  3;  8°. 

University  of  Missouri:  Studies,  vol.  I,  number  4;  8°. 

War  Department,  Bureau  of  Insular  Affaires  in 
Washington:  Report  of  Government  Laboratories  of  the 
Philippine  Islands  for  the  year  ended  August  31,  1902. 
Washington;  8°. 

Wilson  Ornithological  Club:  The  Wilson  Bulletin,  Nr.  42 
(new  series,  vol.  X,  No.  1).  Oberlin,  Ohio,  1903;  8°. 


333 


Schildkröten  des  östlichen  Hinterindien 

von 
Kustos  Friedrich  Siebenrock. 

(Mit  2  Tafeln.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  7.  Mai  1903.) 

In  vorliegender  Arbeit  werden  die  Schildkröten  besprochen, 
die  Herr  Hans  Fruhstorfer  aus  Berlin  in  den  Küstenstrichen 
von  Annam,  Cochinchina,  Siam  und  Tonkin  auf  seiner  Reise  in 
den  Jahren  1899  bis  1901  gesammelt  hat. 

Unsere  Kenntnis  über  die  Fauna  dieser  Reptilienordnung 
von  den  genannten  Ländern  ist  noch  sehr  lückenhaft.  Speziell 
von  Annam  und  Tonkin  dürften  wir  darüber  in  der  Literatur 
fast  nichts  verzeichnet  finden.  Schon  Boettger  (Ber.  Senck. 
Ges.  1901)  konnte  bei  den  Froschlurchen  Annams  eine  große 
Übereinstimmung  mit  der  Fauna  Südchinas  konstatieren.  Das- 
selbe scheint  auch  bei  den  Schildkröten  der  Fall  zu  sein,  denn 
von  sechs  Arten,  welche  die  Kollektion  aus  Annam  enthält, 
sind  drei  davon  hauptsächlich  in  China  vertreten,  während 
zwei  Arten  mehr  den  westlichen  Ländern  angehören  und  eine 
Art  von  der  Gattung  Cyclemys  Bell  ist  überhaupt  neu.  Unter 
den  ersteren  befindet  sich  eine  neue  Varietät  der  sehr  seltenen 
Clemmys  bealii  Gray,  welch  letztere  bisher  nur  in  zwei  Exem- 
plaren bekannt  geworden  ist. 

In  Tonkin  sammelte  H.  Fruhstorfer  bloß  drei  Arten, 
unter  denen  merkwürdigerweise  keine  einzige  Vertreterin  der 
chinesischen  Fauna  zu  finden  ist,  sondern  alle  drei  Arten 
gehören  dem  südlichen  Teile  Hinterindiens  an,  von  wo  sich 
ihre  Verbreitung  gegen  den  Westen  hin  erstreckt.  Unter  diesen 


334  F.  Siebenrock, 

befindet  sich  auch  die  von  Boulenger  (Cat.  p.  132)  zur 
Gattung  Cyclemys  Bell  gestellte  Art  mouhotii  Gray.  Eine 
genaue  Prüfung  sowohl  ihrer  habituellen  als  auch  der  morpho- 
logischen Verhältnisse  ergab  aber,  daß  sie  die  Charaktere  einer 
eigenen  Gattung  besitzt,  für  welche  ich  den  von  Gray  (Proc. 
Zool.  Soc.  1863)  gegebenen  Namen  »Pyxidea«  beibehalten 
habe.  Aus  ähnlichen  Gründen  sah  ich  mich  veranlaßt,  Cyclemys 
platynota  Gray  zur  selbständigen  der  schon  von  Gray  c.  1. 
aufgestellten  Gattung  »Notochelys«  zu  erheben. 

Die  ganze  Kollektion  enthält  zwölf  Arten,  die  sich  auf 
neun  Gattungen  verteilen.  Sie  gehören  fast  ausschließlich 
jungen  Tieren  an,  weshalb  ihre  Bestimmung  oftmals  mit 
einigen  Schwierigkeiten  verbunden  war. 


Familie   Testudinidae. 

Gattung  Ocadla  Gray. 
1.    Ocadia  sinensis   Gray. 

Boulenger,  Cat.  p.  85. 

Schalenlänge  des  größten  Exemplares  90  mm,  deren  Breite 
72  mm  und  die  Höhe  43  mm. 

Beim  kleinsten  Exemplare  verhalten  sich  diese  Maße  wie 
51  :48:26. 

Der  Rückenschild  ist  bei  den  zwei  kleinsten  Exemplaren 
oval  und  der  Hinterrand  horizontal  ausgedehnt,  bei  den  größten 
ellipsoid  mit  schief  abfallendem  Hinterrande.  Vertebralkiel 
stark,  an  der  Hinterkante  des  zweiten  bis  vierten  Vertebrale 
etwas  vorspringend;  Seitenkiele  auch  bei  den  kleinsten  Exem- 
plaren nur  angedeutet.  Nuchale  bei  den  kleineren  Tieren 
breiter  als  lang,  bei  den  größeren  ebenso  lang  als  breit.  Verte- 
bralia  breiter  als  lang,  nur  beim  größten  Exemplare  gleicht  die 
Länge  des  ersten  Vertebrale  seiner  vorderen  Breite.  Areolen 
der  Diskoidalschilder  fein  granuliert,  die  der  Marginalia  bei 
größeren  Exemplaren  glatt;  alle  Rückenschilder  konzentrisch 
gefurcht.   Beim  kleinsten  Exemplare  übertrifft  die  Länge  des 


Schildkröten  des  östlichen  Hinterindien. 

Hinterlappens  vom  Plastron  die  Breite  der  Brücke  und  dU 
pectorale  Mittelnaht  gleicht  der  humeralen  -+•  der  gularen.  Die 
Länge  des  Schwanzes  ist  beim  kleinsten  Exemplare  I^orai, 
beim  größten  etwas  mehr  wie  zweimal  in  der  Län^e  der 
Rückenschale  enthalten. 

Schilder  der  Rückenschale  kastanienbraun  mit  dunkleren 
Rändern  und  bei  einigen  Individuen  zieht  sich  um  den  Schalen- 
rand  ein  schmaler,  gelber  Saum.  Nur  bei  zwei  kleineren  Exem- 
plaren besitzt  jeder  Diskoidalschild  einen  gelben  Fleck,  der 
sich  auf  den  Vertebralen  über  die  ganze  Länge  des  Mittelkieles 
erstreckt,  weshalb  dieser  eine  gelbe  Linie  bildet.  Kopf  schwarz, 
an  den  Seiten  5  bis  7  hellblaue  oder  weiße  Linien,  dkj  längs 
des  Halses  bis  zum  Auge  ziehen,  von  denen  sich  aber  nur 
2  bis  3  vor  diesem  bis  zur  Nase  fortsetzen.  Die  Oberfläche  des 
Kopfes  wird  von  einer  ebensolchen  Linie  umsäumt,  die  über 
der  Nase  einen  spitzen  Winkel  bildet  und  längs  des  Canthus 
rostralis,  sowie  der  Supraorbitalleiste  sich  gegen  den  Hals  hin 
erstreckt.  Mit  dieser  Linie  läuft  eine  zweite  parallel,  die  abir 
bei  manchen  Individuen  nicht  mehr  so  deutlich  als  die  erstere 
ist.  Unterseite  des  Halses  mit  zahlreichen  Längslinien,  die  sieh 
am  Kinn  zu  konzentrischen  Ringen  formieren  und  hinter  dem 
Mundwinkel  beiderseits  einen  längsovalen,  weißen  Fleck  um- 
schließen. 

Sieben  Exemplare  aus  Annam.  Diese  Art  wurde  bisher  vnn 
China,  Formosa  und  Manila  angeführt. 

Gattung  Damonia  Gray. 
2.  Damonia  subtrijuga  Schi,  et  Müll. 

Boulenger,  Cat.  p.  94. 

Schalenlänge  des  größten  Exemplares  131  mmf  deren 
Breite  97  mm  und  die  Höhe  57  mm. 

Beim  kleinsten  Exemplare  verhalten  sich  diese  Maße  wie 
92  :  69  :  37. 

Bei  einem  kleineren  Exemplare  aus  Siam  erstrecken  sieb 
die  seitlichen  Kiele  auch  noch  auf  das  vierte  Costalpaar,  was 
an  einem  Individuum  aus  Sumatra  besonders  auffällt,  während 
bei  den  anderen  Exemplaren  dasselbe  glatt  ist. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  KI. ;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  22 


338  F.  Siebenrock, 

each  side  of  the  occiput« ;  da  aber  derselbe  Autor  in  seinem 
später  erschienenen  »Catalogue  of  Shield-Reptiles  1855«  so- 
wohl in  der  Beschreibung  der  genannten  Art  auf  p.  21  aus- 
drücklich sagt:  »Occiput  with  two  large  eyed  Spots«,  als  auch 
in  der  Abbildung  der  Type  nur  zwei  Ocellen  auf  dem  Hinter- 
haupte dargestellt  sind,  so  dürfte  wohl  der  Passus  in  der 
Originalbeschreibung  entweder  auf  einen  Schreibfehler  oder 
auf  eine  unklare  Stilisierung  zurückzuführen  sein.  Noch  deut- 
licher geht  die  Zweizahl  aus  der  Beschreibung  von  Boulenger 
im  »Cat.«,  p.  107,  hervor:  »Head  yellowish  brown,  speckled 
with  a  black;  a  black,  yellow-edged  ocellus  on  each  side  of 
the  occiput.«  Diese  Beschreibung  hat  Boulenger  jedenfalls 
nach  der  Type  gemacht. 

Ein  einziges  Exemplar  von  Annam.  C.  bealii  Gray  ist 
bis  jetzt  nur  in  zwei  Exemplaren  aus  China  bekannt,  die  sich 
im  Besitze  des  British  Museum  befinden. 


Gattung  CyClemys,  sensu  latissimo  —  Blgr. 

Boulenger,  Cat.  p.  128. 

Von  den  sechs  Arten,  die  bisher  zu  dieser  Gattung  gestellt 
wurden,  sind  zwei,  nämlich  C.  platynota  Gray  und  C  mouhotii 
Gray  zu  eliminieren,  da  sie  die  Repräsentanten  selbständiger 
Gattungen  bilden. 

Boulenger,  c.  1.,  führt  als  Gattungsmerkmal  u.a.  auch 
an:  »Upper  surface  of  head  covered  with  undivided  skin.« 
Die  beiden  obgenannten  Arten  erfüllen  aber  diese  Bedingung 
nicht,  weil  bei  ihnen  die  Haut  am  Hinterhaupte  in  kleine 
Schilder  geteilt  ist.  Zieht  man  ferner  in  Betracht,  daß  C.  platy- 
nota Gray  konstant  mindestens  sechs  Vertebralschilder  be- 
sitzt, so  kann  wohl  kein  Zweifel  bestehen,  daß  diese  Art  mit 
demselben  Rechte  von  Cyclemys  Gray  abgetrennt  werden 
muß,  wie  Thalassochelys  Fitz,  von  der  Gattung  Chelone  Linne. 
Erstere  Gattung  unterscheidet  sich  doch  vornehmlich  von 
Chelone  Linne,  womit  sie  ursprünglich  vereinigt  war,  durch 
den  Besitz  von  sechs  oder  mehr  Paaren  Costalschilder,  während 
bei  Chelone  Linne  stets  nur  vier  anwesend  sind. 


Schildkröten  des  östlichen  Hinterindien.  339 

Noch  viel  gravierender  sind  die  Gründe  bei  C  mouhotli 
Gray  für  eine  Abtrennung  von  der  Gattung  Cyclemys  Gray. 
Das  Foramen  palatinum  posterius  am  Schädel  stellt  bei  den 
Cyclemys- Arten  ein  großes,  längsovales  Loch  dar,  das  vom 
Palatinum,  Maxillare  und  Pterygoideum  begrenzt  wird.1  Da- 
gegen ist  dasselbe  bei  C.  motihotii  Gray  sehr  klein  und  im 
Palatinum  selbst  gelegen  (Taf.  I,  Fig.  3).  Der  Postorbitalbogen 
bildet  bei  der  letzteren  Art  eine  schmale  Knochenspange  (Taf.  I, 
Fig.  4),  bei  den  übrigen  Cyclemys- Arten  aber  ein  breites 
Knochenblatt.  Die  Hinterfüße  sind  bei  C.  motihotii  Gray 
schmal  und  haben  Ähnlichkeit  mit  dem  Klumpfuße  der  Land- 
schildkröten, weil  die  fünfte  oder  Kleinzehe  so  wie  bei  diesen 
nur  eine  Phalange  besitzt  und  daher  äußerlich  nicht  wahr- 
nehmbar ist.  Hingegen  haben  die  anderen  Cyclemys- Arten  an 
den  hinteren  Gliedmaßen  ausgesprochene  Schwimmfüße  mit 
zwei  Phalangen  an  der  fünften  Zehe,  die  zum  Spannen  der 
Schwimmhaut  verwendet  wird. 

Aus  den  soeben  angeführten  Tatsachen  ergibt  sich  die 
Notwendigkeit,  die  beiden  Arten  platynota  und  motihotii  von 
der  Gattung  Cyclemys  abzutrennen  und  sie  zu  selbständigen 
Gattungen  zu  erheben.  Zur  Bezeichnung  derselben  wähle  ich 
die  schon  einmal  von  Gray  dafür  aufgestellten  Namen,  und 
zwar  für  die  erstere  Art  den  Gattungsnamen  *Notochelys* 
(Gray,  Proc.  Zool.  Soc.  1863,  p.  177)  und  für  die  letztere 
den  Gattungsnamen  *Pyxidea«  (Gray,  c.  1.,  p.  175). 

Somit  ist  die  Synopsis  der  Gattungen,  die  im  Kataloge 
von  Boul enger,  p.  49,  die  Gruppe  B  der  Familie  Tesiudinidae 
bilden,  in  folgender  Weise  zu  erweitern: 

Plastron  mit  der  Rückenschale  durch  Naht  verbunden;  ein 
knöcherner  Schläfenbogen  anwesend  Nicoria. 

Plastron  mit  der  Rückenschale  durch  Bandmasse  ver- 
bunden, beweglich;  ein  knöcherner  Schläfenbogen  anwesend; 
Kopfhaut  glatt;  fünf  Vertebralschilder;  Postorbitalbogen  breit. 

Cyclemys. 

Plastron  mit  der  Rückenschale  durch  Bandmasse  ver- 
bunden, beweglich;  ein  knöcherner  Schläfenbogen  anwesend; 

1  Konfr.  F.  Sieben  rock,  Das  Kopfskelett  der  Schildkröten.  Diese 
Sitzungsber.,  Bd.  106,  Abt.  I,  1897,  S.  310. 


340  F.  Siebenrock, 

Kopfhaut  hinten  in  kleine  Schilder  geteilt;  sechs  oder  mehr 
Vertebralschilder;  Postorbitalbogen  breit  Notochelys. 

Plastron  mit  der  Rückenschale  durch  Bandmasse  ver- 
bunden, beweglich;  ein  knöcherner  Schläfenbogen  anwesend; 
Kopfhaut  hinten  in  kleine  Schilder  geteilt;  fünf  Vertebral- 
schilder; Postorbitalbogen  schmal  Pyxidea. 

Plastron  mit  der  Rückenschale  durch  Naht  verbunden; 
kein  knöcherner  Schläfenbogen  anwesend  Geoemyda. 

Gattung  Cyclemys,  sensu  strictiori  —  Siebenr. 

Plastron  mit  der  Rückenschale  durch  Bandmasse  ver- 
bunden, beweglich;  ein  knöcherner  Schläfenbogen  anwesend; 
Postorbitalbogen  breit,  plattenförmig;  Foramen  palatinum 
posterius  groß,  längsoval,  vom  Palatinum,  Maxillare  und  Ptery- 
goideum  eingeschlossen.  Oberfläche  des  Kopfes  mit  glatter 
Haut  bedeckt.  An  den  Hintergliedmaßen  deutliche  Schwimm- 
füße, zweite  Zehe  kürzer  oder  nicht  länger  als  die  dritte; 
fünfte  Zehe  mit  zwei  Phalangen. 

Diese  Gattung  enthält  nach  Ausscheidung  der  beiden 
Arten  platynota  und  mouhotii  also  bloß  vier  Arten,  und  zwar 
C.  dkor  Gray,  C.  trifasciata  Bell,  C.  amboinensis  Daud. 
und  C  flavomarginata  Gray.  Außerdem  kommt  noch  eine 
neue  Art  hinzu,  deren  Beschreibung  an  der  entsprechenden 
Stelle  gegeben  wird.  Dieselbe  bildet  insoferne  großes  Inter- 
esse, weil  sie  nach  ihren  habituellen  Merkmalen  als  Binde- 
glied zwischen  den  von  Boulenger,  c.  1.,  p.  129,  aufgestellten 
Gruppen  gelten  kann,  wie  sich  aus  der  nachfolgenden  Synopsis 
der  Arten  ergibt. 

I.  Plastron  schließt  nicht  vollkommen  die  Schale  ab: 

Rückenschild  mit  einem  Kiel,  Hinterrand  gesägt         dhor. 
Rückenschild  mit  drei  Kielen,  Hinterrand  nicht  gesägt 

annamensis  n.  sp. 
II.  Plastron  schließt  bei  erwachsenen  Tieren  die  Schale  nahezu 
vollkommen  ab: 

Piastron  hinten  winkelig  ausgeschnitten  trifasciata. 

Plastron  hinten  nicht  ausgeschnitten;  Finger  mit  deutlicher 

Schwimmhaut  amboinensis. 


Schildkröten  des  östlichen  Hinterindien.  341 

Plastron  hinten  nicht  ausgeschnitten;  Finger  keine  deut- 
liche Schwimmhaut  flavomarginata. 

4.  Cyclemys  dhor  Gray. 

Boulenger,  Cat.  p.  131. 

Rückenschild  des  größten  Exemplares  66mm  lang,  64  mm 
breit,  Höhe  der  Schale  25  mm. 

Beim  kleinsten  Exemplare  verhalten  sich  diese  Maße  wie 
58  :  55 :  20. 

Nuchale  groß,  breiter  als  lang.  Axillarschilder  anwesend, 
die  Iniguinalia  fehlen  bei  einem  Exemplare.  Naht  zwischen  den 
Pectoralschildern  und  den  Marginalen  ebenso  lang  als  zwischen 
den  Abdominalschildern  und  den  Marginalen.  Die  Mittelnaht 
der  analen  Schilder  gleicht  jener  der  pectoralen. 

Schilder  der  Rückenschale  bei  den  zwei  größeren  Exem- 
plaren mit  schwarzen,  radienförmigen  Strichen  am  Rande. 
Unterseite  bei  drei  Exemplaren  grünlichweiß  gefärbt  mit 
dunklen  Flecken  und  Punkten,  beim  größten  Exemplar  aber 
lehmgelb  mit  schwarzen  Strichen  auf  den  Rändern  der  Schilder. 

Vier  Exemplare  aus  Annam  (Phuc-Son).  Diese  Art  war 
bisher  von  Indien,  Birma,  Cambodja,  Siam,  der  malayischen 
Halbinsel  und  vom  malayischen  Archipel  bekannt. 


5.  Cyclemys  annamensis  nov.  spec. 

Länge  des  Rückenschildes  6\mm,  dessen  Breite  54mm, 
Höhe  der  Schale  27  mm. 

Rückenschild  schwach  gewölbt,  vorne  abgestutzt,  hinten 
ganzrandig,  zwischen  den  Supracaudalia  ein  kleiner  Aus- 
schnitt; Seitenrand  der  Schale  aufwärts  gebogen.  Drei  Kiele 
anwesend,  Mittelkiel  am  stärksten.  Vertebralia  breiter  als  lang 
und  breiter  als  die  entsprechenden  Costalia.  Nuchale  deutlich, 
hinten  breiter  als  vorne.  Areolen  der  Schilder  grobgekörnt, 
die  Ränder  konzentrisch  gefurcht.  Plastron  schmäler  als  die 
Schalenöffnung,  Vorderlappen  abgestutzt,  Hinterlappen  winkelig 
ausgeschnitten.  Breite  der  Brücke  nahezu  gleich  der  Länge  des 
Hinterlappens.   Axillarschilder  viel  größer   als  die  inguinalen. 


342  F.  Siebenrock, 

Mittelnaht  zwischen  den  Abdominalschildern  so  lang  als  zwi- 
schen den  pectoralen  und  länger  als  die  der  übrigen  Plastral- 
schilder;  kürzeste  Mittelnaht  zwischen  den  Analschildern, 
kürzer  als  jene  der  humeralen.  Naht  zwischen  den  Pectoral- 
schildern  und  den  Marginalen  so  lang  als  zwischen  den  ab- 
dominalen und  den  Marginalen. 

Kopf  klein,  Oberkiefer  mitten  ausgeschnitten,  Alveolar- 
fläche  schmal  ohne  einer  medianen  Kante,  Choanae  zwischen 
den  Augenhöhlen  gelegen.  Ich  hebe  die  beiden  letzteren  Merk- 
male ausdrücklich  hervor,  um  nicht  den  Verdacht  zu  er- 
wecken, daß  hier  eine  Verwechslung  mit  der  Gattung  Damonia 
Gray  stattgefunden  habe.  Schwanz  nicht  ganz  halb  so  lang 
als  die  Rückenschale.  Vorderfläche  des  Armes  mit  breiten, 
quergestellten  Schuppen  bedeckt;  Finger  und  Zehen  bis  zu 
den  Krallen  mit  einer  Schwimmhaut  verbunden. 

Rückenschild  leberbraun,  die  Ränder  der  einzelnen  Schilder 
dunkler  gefärbt;  Marginalia  außen  mit  einem  schmalen,  gelben 
Saum.  Plastron  gelb,  jeder  Schild  mit  einem  dunkelbraunen 
Fleck.  Diese  Flecken  sind  größtenteils  mit  einander  vereinigt 
und  bilden  eine  symmetrische  Figur,  die  nur  auf  den  Femoral- 
schildern  eine  Unterbrechung  erleidet.  Die  Flecken  stoßen  auf 
den  gularen,  femoralen  hinten  und  den  analen  Schildern 
mitten  zusammen,  während  sie  auf  den  übrigen  getrennt 
bleiben. 

Brücke  dunkelbraun,  Marginalia  unten  gelb  mit  einem 
dunkelbraunen  Streifen  am  Hinterrande,  neben  welchem  bei 
den  seitlichen  Marginalen  noch  ein  Fleck  von  etwas  lichterer 
Farbe  sichtbar  ist.  Kopf  und  Hals  oben  dunkelbraun,  unten 
gelb.  Am  Kopfe  zieht  ein  gelber  Streifen  von  der  Schnauzen- 
spitze längs  des  Canthus  rostralis  und  der  Supraorbitalkante 
bis  zur  Schläfe.  Ein  zweiter  Streifen  geht  von  der  Nase  durch 
das  Auge  an  der  Seite  des  Kopfes  dem  Halse  entlang.  Ein 
dritter  ist  mit  dem  vorhergehenden  Streifen  parallel,  endet 
aber  unter  dem  Auge  und  setzt  sich  nach  kurzer  Unterbrechung 
wieder  fort,  bis  er  am  Beginne  des  Halses  in  der  gelben  Farbe 
desselben  verschwindet.  Der  gelbe  Unterkiefer  ist  gegen  die 
Kehle  von  einer  dunkelbraunen  Einfassung  begrenzt  Kopf  und 
Hals  unten  schwarzgefleckt.  Gliedmaßen  und  Schwanz  schwarz, 


Schildkröten  des  östlichen  Hinterindien.  343 

erstere  mit  gelben  Flecken,  letzterer  oben  und  unten  mit  einem 
gelben  Längsstreifen  versehen. 

Ein  einziges  Exemplar  von  Annam  (Phuc-Son). 

6.  Cyclemys  amboinensis  Daud. 

Boulenger,  Cat.  p.  133. 

Länge  des  Rückenschildes  120  mm,  dessen  Breite  89  mm, 
Höhe  der  Schale  59  mm. 

Rückenschale  stark  gewölbt  mit  einem  deutlichen  Verte- 
bralkiel.  Die  zwei  ersten  Vertebralia  länger  als  breit,  die  übrigen 
breiter  als  lang.  Mittelnaht  der  Pectoralschilder  kürzer  als  jene 
der  abdominalen  und  ebenso  lang  als  die  der  gularen;  kürzeste 
Mittelnaht  zwischen  den  Humeralschildern.  Axillarschilder  viel 
größer  als  die  inguinalen.  Oberkiefer  mitten  abgerundet. 

Schilder  der  Rückenschale  bläulichschwarz  mit  kastanien- 
braunen, breiten  Rändern.  Plastron  gelb,  jeder  Schild  mit  einem 
schwarzen,  runden  Fleck  am  äußeren  Rande;  diese  Flecken 
rücken  auf  den  Gularen  und  Analen  so  nahe  zusammen,  daß 
sie  sich  vereinigen.  Auf  der  Brücke  nur  vorne  ein  schwarzer 
Fleck;  Marginalia  unten  gelb,  bloß  die  fünf  hinteren  Paare 
besitzen  einen  schwarzen,  runden  Fleck. 

Ein  Exemplar  von  Cochinchina.  Diese  Art  wurde  bisher 
in  Birma,  Siam,  auf  der  malayischen  Halbinsel  und  dem 
Archipel  bis  östlich  zu  den  Molukken  gefunden. 

Gattung  NotOChelyS  Gray. 
Gray,  Proc.  Zool.  Soc.  1863,  p.  177. 

Plastron  mit  der  Rückenschale  durch  Bandmasse  ver- 
bunden, beweglich;  ein  knöcherner  Schläfenbogen  anwesend; 
Postorbitalbogen  breit,  plattenförmig;  Foramen  palatinum 
posterius  groß,  längsoval,  vom  Palatinum,  Maxillare  und  Ptery- 
goideum  eingeschlossen.  Kopfhaut  hinten  in  kleine  Schilder 
geteilt.  An  den  Hintergliedmaßen  deutliche  Schwimmfüße, 
zweite  Zehe  kürzer  oder  nicht  länger  als  die  dritte;  fünfte  Zehe 
mit  zwei  Phalangen.  Sechs  oder  mehr  Vertebralschilder  an- 
wesend. 


344  F.  Siebenrock, 

7.  Notochelys  platynota  Gray. 

Boulenger,  Cat.  p.  130. 


t 
i 
J  Höhe  der  Schale  37  mm. 


Länge  des  Rückenschildes  94  mm,  dessen  Breite  84  mm; 


Rückenschale  schwach  gewölbt  mit  einem  deutlichen 
Vertebralkiel.  Sechs  Vertebralschilder  anwesend;  das  acces- 
sorische  Vertebrale  vollkommen  symmetrisch  und  ebenso  wie 
die  anderen  mit  einem  konzentrisch  gefurchten  Rande  um- 
geben. 

Nuchale  breit,  vorne  schmäler  als  hinten.  Plastron  vorne 
eingekerbt,  hinten  stumpfwinkelig  ausgeschnitten.  Breite  der 
Brücke  2V8rnal  in  der  Länge  des  Plastrons  enthalten.  Axillar- 
schilder anwesend,  aber  kleiner  als  die  Inguinalia.  Die  Naht 
zwischen  den  Pectoralia  und  Marginalen  kürzer  als  zwischen 
den  Abdominalia  und  den  Marginalen.  Mittelnaht  der  abdomi- 
nalen Schilder  länger  als  die  der  pectoralen  und  ebenso  lang 
als  die  der  humeralen  +  der  gularen;  kürzeste  Mittelnaht 
zwischen  den  Humeralschildern. 

Rückenschild  licht  holzbraun  gefärbt.  Erstes  bis  viertes 
Vertebrale  mit  einem  Paar  großer,  schwarzer  Punkte;  ein 
solcher  Punkt  auf  jedem  der  drei  ersten  Costalschilder;  außer- 
dem liegen  noch  kleinere  Punkte  auf  allen  Schildern  zerstreut. 
Plastron  gelb  mit  braunen,  wolkigen  Flecken  an  den  Rändern 
der  einzelnen  Schilder,  die  mitten  ein  breites  Längsband  for- 
mieren. Kopf  oben  braun  mit  schwarzen  Punkten,  auf  dem 
Scheitel  ein  schwarzer  Ring.  Hinter  dem  Auge  ein  großer, 
gelber  Fleck,  der  sich  gegen  den  Hals  in  einen  ungleichmäßigen 
Streifen  fortsetzt;  ein  zweiter,  schmaler  Streifen  zieht  vom 
Mundwinkel  ebenfalls  gegen  den  Hals.  An  der  Unterseite  des 
Halses  sind  die  gelben  Streifen  so  breit,  daß  sie  nur  von 
schwarzen  Linien  getrennt  werden.  Gliedmaßen  oben  dunkel- 
braun, unten  gelb;  der  kurze  Schwanz  mit  gelben  Längs- 
streifen. 

Ein  Exemplar  von  Cochinchina  (Saigon).  Diese  Art  war 
bisher  nur  von  der  malayischen  Halbinsel,  von  Mergui,  Sumatra 
und  Borneo  bekannt. 


Schildkröten  des  östlichen  Hinterindien.  345 

Gattung  Pyxidea  Gray. 

Gray,  Proc.  Zool.  Soc.   1863,  p.  175. 

Plastron  mit  der  Rückenschale  durch  Bandmasse  ver- 
bunden, beweglich;  ein  knöcherner  Schläfenbogen  anwesend; 
Postorbitalbogen    schmal,    spangenförmig    (Taf.    I,    Fig.    4); 

Foramen  palatinum  posterius  klein,  rund,  nur  vom  Palatinum  1 

selbst  begrenzt   (Taf.  I,   Fig.  3);   Kopfhaut   hinten    in    kleine  ] 

Schilder  geteilt.   An  den  Hintergliedmaßen   die  Füße  schmal,  ] 

Schwimmhaut  rudimentär;  zweite  Zehe  länger  als  die  dritte,  } 

die  fünfte  Zehe  besitzt  nur  eine  Phalange  und  ist  äußerlich  j 

nicht  erkennbar.  f 

Die  Hinterfüße  dieser  Gattung  sind  insoferne  von  beson-  * 
derem  Interesse,  weil  sie  durch  ihre  Form,  die  Art  der  : 
Beschuppung  und  den  Besitz  nur  einer  Phalange  an  der  Klein-  1 
zehe  den  Übergang  vom  Schwimmfuß  der  Flußschildkröten  | 
zum  Klumpfuß  der  Landschildkröten  bilden.  Der  Schwimmfuß,  ] 
wie  man  ihn  beispielsweise  bei  der  Gattung  Chrysemys  Gray,  \ 
Sternothaerus  Bell  oder  bei  den  Trionychidae  findet,  ist  durch  ! 
die  Länge  der  Kleinzehe  ausgezeichnet.  Sie  besitzt  immer  drei  i 
Phalangen  und  dient  zum  Spannen  der  Schwimmhaut.  Die  ! 
Unterfläche  des  Fußes  wird  nur  von  kleinen  Schuppen  oder  • 
Körnern  bedeckt,  um  die  Dehnbarkeit  der  Schwimmhaut  nicht  j 
zu  hemmen.  Beim  Klumpfuß  von  Homopus  D.  et  B.  oder  \ 
Testudo  Linne  ist  die  Kleinzehe  rudimentär,  höchstens  mit 
einer  Phalange  versehen  und  äußerlich  nicht  sichtbar.  Die  \ 
Sohle  bedecken  meistens  große,  spitze  Schuppen,  die  beim  \ 
Hinschreiten  auf  dem  trockenen  Boden  mehr  Sicherheit  ge- 
währen als  die  kleinen,  glatten  Schüppchen.  ^ 

8.  Pyxidea  mouhotii  Gray. 

Boulenger,  Cat.  p.  132. 

Länge  des  Rückenschildes  78mwt  dessen  Breite  66  mm; 
Höhe  der  Schale  36  mm. 

Rückenschale  oblong,  vorne  mit  einem  Ausschnitt,  in  dem 
das  Nuchale  vorspringt.  Vertebralschilder  breiter  als  lang,  aber 
schmäler  als  die  entsprechenden  Costalia;   die  Schilder  kon-  ; 

zentrisch  gefurcht.  Plastron  schmäler  als  die  Öffnung  der  Schale, 


346  F.  Siebenrock, 

J  vorne  abgerundet,  hinten  winkelig  ausgeschnitten.   Die  Naht 

|  zwischen  den  Pectoralschildern  und  den  Marginalia  erheblich 

j  kürzer  als  zwischen   den   abdominalen    und  den  Marginalia. 

I  Axillaria  und  Inguinalia  fehlen.   Längste  Mittelnaht  zwischen 

|  den   Abdominalschildern,    kürzeste   zwischen   den   humeralen 

i  oder  den  pectoralen. 

j  Kopf  groß,    die    Stirn    zwischen    den    Augen    mit   einer 

|  großen,  erhabenen  Schuppe  bedeckt;  die  Haut  am  Hinterhaupte 

;  und   an  der  Schläfe  in  einzelne  Schilder  geteilt.  Kiefer  sehr 

i  stark,   Oberkiefer  mitten    hackenförmig,   Unterkiefersymphyse 

!  gleicht  dem  Augendurchmesser.  Vordergliedmaßen  mit  großen, 

imbrikaten  Schuppen  bedeckt;  ebensolche  Schuppen  auf  der 
Sohle  der  Hinterfüße,  von  denen  an  der  Ferse  zwei  spornartig 
vorspringen.  Schwanz  beim  cT  bedeutend  länger  als  beim  9 ,  an 
der  Basis  oben  und  seitlich  mit  langen,  spitzen  Papillen  besetzt, 
die  sich  auch  über  die  Hinterfläche  des  Oberschenkels  aus- 
dehnen. 

Rückenschale  zwischen  den  Seitenkielen  vom  zweiten  bis 
fünften  Vertebrale  gelbbraun  gefärbt,  der  übrige  Teil  dunkel- 
braun. Plastron  gelb  mit  braunen  Flecken.  Kopf  oben  gelb  mit 
braunem  Netzwerk,  hinter  dem  Auge  und  über  dem  Trommel- 
fell ein  gelber  Fleck  braun  eingefaßt.  Gliedmaßen  und  Schwanz 
gleichmäßig  braun  gefärbt,  die  Krallen  an  den  Füßen  mit  gelben 
Spitzen. 

Drei  Exemplare  von  Tonkin  (Than-Moi).  Diese  Art  war 
bisher  nur  von  Cachar,  Siam  und  Cochinchina  bekannt. 

Gattung  TestudO  L  i  n  n  e. 
9.   Testudo  elongata  Blyth. 

!  Boulenger,  Cat.  p.  173. 

Rückenschild    des   größeren    Exemplares    150  mm    lang, 
j  99  mm  breit,  Höhe  der  Schale  64  mm.   Beim  kleineren  Exem- 

\  plare  verhalten  sich  diese  Maße  wie  81  :  63  :  43. 

!  An  beiden  Exemplaren   nur   der  Hinterrand  der  Schale 

!  gesägt,  Vorderrand  bloß  beim  kleinen  Exemplar  ausgeschnitten. 

j  Erstes  Vertebrale  am  schmälsten,  so  lang  als  breit;  Vertebralia 


Schildkröten  des  östlichen  Hinterindien.                          347  t 

f 

1  bis  3  schmäler  als  die  entsprechenden  Costalia.   Die  Anal-  j 

schilder  bilden    eine    kurze   Naht.    Axillaria   kleiner   als   die  [ 

Inguinalia.  j 

Rückenschild   grünlichgelb   mit   nur   wenigen,   sehr  zer-  { 

streuten,  kleinen,  schwarzen  Flecken,  die  so  unansehnlich  sind,  ' 

daß  das  Exemplar  fast  gelb  aussieht.    Das  kleinere  Exemplar  ; 

besitzt  dagegen  auf  den  Diskoidalschildern  große,  schwarze,  i 

wolkige  Flecken,  die  auf  den  Marginalia  sehr  klein  und  in  so  < 

geringer  Anzahl  vertreten   sind,  daß  die  genannten  Schilder  ! 

mehr  gelb  als  schwarz  erscheinen.   Plastron  gelb,  nur  auf  der  i 
medialen  Hälfte  der  Abdominalschilder  mehrere  kleine,  schwarze 
Flecken,  die  sich  beim  kleinen  Exemplare  vereinigen,  und  zwar 

rechts   zu  einem  großen  Fleck,  der  links  in  zwei  ungleiche  • 

Hälften  geteilt  bleibt.  Kopf  zeisiggrün,  die  Gliedmaßen  und  der  ; 

Schwanz  dunkler  gefärbt.  | 

Das   größere   Exemplar   von   Cochinchina   (Saigon),   das  ; 

kleinere  von  Tonkin.  Diese  Art  war  bisher  von  Bengalen,  Birma,  ! 

Cambodja  und  Cochinchina  angeführt.  ! 


Familie  Trionychidae. 

Gattung   Trionyx   Geoffr. 
10.   Trionyx  cartilagineus  Bodd. 

Bou  1  eng  er,  Cat.  p.  253. 

Die  jungen  Exemplare  dieser  Art  bereiten  oftmals  große 
Schwierigkeiten  bei  der  Bestimmung,  weil  die  Färbung,  ins- 
besondere die  des  Kopfes,  nicht  unerheblich  variieren  kann. 
Das  sicherste  Merkmal  für  die  richtige  Erkennung  dieser  Art 
bildet  unstreitig  die  Form  und  der  Bau  des  Plastrons.  Die  An- 
ordnung der  einzelnen  Knochen  desselben  ist  für  die  Art  so 
charakteristisch,  und  zwar  nicht  allein  bei  den  erwachsenen 
Tieren,  sondern  auch  bei  ganz  jungen  Individuen,  so  daß  die 
Verwechslung  mit  einer  anderen  Art,  speziell  aber  mit  Trionyx 
sinensis  Wiegm.,  vollkommen  ausgeschlossen  erscheint.  Ich 
verweise  diesbezüglich  auf  meine  Arbeit:    »Zur  Systematik  der 


348 


F.  Siebenrock, 


Schildkrötenfamilie  Trionychidae  Bell«  etc.  (diese  Sitzungsbei 
Bd.  CXI,  Abt.  I,  1902). 

Länge  des  Rückenschildes  102  mm,  dessen  Breite  87  w;. 
Diskuslänge  65  mm. 

Rückenschild  flach  mit  einem  Vertebralkiel  und  mit  zah 
reichen  Längsreihen  enggesetzter  Tuberkeln.  Vorderrand  a 
Nacken  mit  größeren  Tuberkeln  eingefaßt,  die  seitwärts  i 
einen  vielfach  eingekerbten  Saum  verschmelzen.  Am  Plastrc 
die  Callositäten  noch  nicht  sichtbar. 

Rückenschild  dunkelgrüngrau,  am  Lederrand  zahlreicr 
weiße  Punkte  und  vornehmlich  am  Diskus  einige  groß 
schwarze,  runde  Flecken,  die  teilweise  weiß  eingefaßt  sin 
Kopf  oben  und  unten  von  derselben  Grundfarbe  wie  d« 
Rückenschild,  mit  verschieden  großen,  weißen  Flecken  un 
einigen  schwarzen  Punkten  auf  Stirn  und  Scheitel.  Am  Nacke 
bilden  sich  drei  bis  fünf  schwarze  Linien,  die  vorne  auf  dei 
Scheitel  winkelig  zusammenstoßen. 

Bei  einem  Exemplar  von  71  mm  Schildlänge  aus  Tonkin  i: 
der  Kopf  oben  olivenfarben  ohne  Spur  weißer  Flecken.  Dagege 
besitzt  derselbe  schwarze  Streifen,  von  denen  einer  vor  dei 
Auge  zur  Nase  und  rückwärts  ein  zweiter  zum  Ohre  hinfuhr 
Vom  Nacken  gehen  zwei  schräge,  schwarze  Streifen  gege 
den  Scheitel,  wo  sie  sich  winkelig  treffen.  Lateral  von  diesei 
Winkel  liegt  beiderseits  ein  größerer,  gelber,  dreieckiger  Fleci 
der  sich  am  Halse  in  ein  Längsband  fortsetzt.  Zwei  jung 
Exemplare  der  herpetologischen  Sammlung  des  Museums  ai: 
Nanga  Badang,  Borneo,  besitzen  gleichfalls  die  beiden  dre 
eckigen  Flecken  am  Scheitel,  die  lateral  von  dem  vorht 
beschriebenen  Winkel  liegen,  der  übrige  Teil  des  Kopfes  zei| 
aber  die  für  diese  Art  charakteristischen  gelben  Punkte  un 
Flecken.  Auch  die  Färbung  des  Plastrons  ist  bei  dem  Exempk 
aus  Tonkin  etwas  verschieden  von  den  anderen  Exemplarei 
denn  es  ist  nicht  gleichförmig  schmutzigweiß,  sondern  e 
besitzt  zahlreiche  kleine,  schwarze  Flecken.  Ebenso  fehlen  ai 
den  Vorderflächen  der  Gliedmaßen  die  sonst  häufig  anwesende 
weißen  Punkte.  Die  morphologischen  Befunde  des  Plastron 
und  die  Maße  am  Kopfe  dieses  Tieres  stimmen  genau  mit  jene 
der  typischen  Exemplare  überein,  weshalb  kein  Grund  vorliet 


Schildkröten  des  östlichen  Hinterindien. 


;uu 


ur  Aufstellung  einer  neuen  Art.  Vielleicht  hat  man  es  liier  mit 
ner  neuen  Varietät  zu  tun;  nur  müßte  nachgewiesen  werden, 
aß  sich  die  Färbung,  speziell  die  des  Kopfes,  als  konstant 
hält. 

Zwei  Exemplare  von  Siam,  ein  kleineres  Exemplar  von 
onkin.  Der  letztere  Fundort  ist  von  Interesse,  weil  bisher 
cht  bekannt  war,  daß  diese  Art  auf  dem  Festlande  so  weit  in 
^rdöstlicher  Richtung  vordringt.  Ihr  Vorkommen  wurde  bis 
tzt  von  Pegu,  Tenasserim,  Siam,  Cambodja,  der  malayischen 
albinsel  und  den  Sundainseln  angegeben. 

11.  Trionyx  sinensis  Wiegm. 
Bou lenger,  Cat.  p.  256. 

Länge  des  Rückenschildes  vom  größten  Exemplare  6Öfiiw, 
?ssen  Breite  59  mm;  Diskuslänge  43  mm. 

Rückenschild  tectiform  mit  zahlreichen  Längskanten  eng 
?setzter  Tuberkeln;  Vertebralkiel  sehr  stark.    Vorderrnml  mit 
nem  Saum  besetzt,  der  mitten  nicht  aus  einzelnen  größeren 
uberkein  wie  bei    T.  cartilagineus  Bodd.  besteht,   sondern 
oß  eingekerbt  und  seitlich  fast  glatt  erscheint. 

Rückenschild   und  Kopf  samt  Hals  olivengrün;  bei  den 
eisten  Exemplaren  ist  der  Lederrand  oder  der  ganze  Rücker 
:hild   schwarz  gegittert  in  sehr  weiten  Maschen.    Schwarze, 
mde  Flecken  bis  zur  Zahl  zwölf  bedecken  den  letzteren; 
nd  bei  einigen  Individuen  ziemlich  symmetrisch  verteilt  und 
der  dieser  Flecken  liegt  in  einer  Masche.    Kopf  am  Scheite! 
it  schwarzen   Punkten;    der   rostrale,   temporale   und   inre 
•bitale  Augenstreifen   scharf  gekennzeichnet.  Am   Etppf  uru 
als  unten  große,  gelbe  Flecken,  die  an  den  Seiten  des  letztere 
i    einem    breiten,    schwarz    gesäumten    Längsstreifen    yer- 
ihmelzen  können. 

Bauch  rosenfarben  mit  scharf  abgegrenzten,  runden  Flecken 
Dn  intensiv  schwarzer  Farbe,  die  vollkommen   symmetrisch 
^geordnet   sind,   was    schon    Boulenger,    c.  1.,   hervorhebt, 
orne    mitten   liegt   ein    unpaariger,    gularer   Fleck,    der 
leinsten  ist  oder  auch  ganz  fehlen  kann.    Der  gulare  Rand  h 
ufierdem  eine  schwarze  Einfassung.  Zwei  Flecken  sind  I 
n  hyo-hypoplastralen  Zwischenraum,  die  gewöhnlich 


350 


F.  Siebenrock, 


kurzes  Querband  verschmelzen  und  hinter  diesem  ist  vvied 
ein  großer,  unpaariger  Fleck  zwischen  den  Xiphiplastra  ei 
gebettet.  Lateral  liegt  beiderseits  ein  Fleck  in  der  Axillar-  ur 
in  der  Inguinalgegend,  einer  vor  dem  Hyoplastron  und  e 
weiterer  hinter  dem  axillaren;  endlich  befindet  sich  an  d 
Basis  des  Schwanzes  auf  beiden  Seiten  ein  schwarzer  Flec 
Außerdem  besitzt  der  Hinterrand  des  Rückenschildes  unt< 
ein  breites,  schwarzes  Band,  das  aber  den  äußeren  und  innen 
Saum  freiläßt.  Vordergliedmaßen  oben  oliven  mit  gelben  Flecke 
unten  und  innen  mit  einer  breiten  Binde;  Hintergliedmaß« 
oben  dunkeloliven,  unten  gelb  und  die  Sohle  dunkel  gefaxt 
Schwanz  am  Rücken  schwarz,  unten  gelb  und  beim  klein st< 
Exemplare  mit  einem  schwarzen  Punkt  an  der  Spitze. 

Obwohl  diese  Flecken  mit  großer  Regelmäßigkeit  verte 
sind,  bilden  sie  dennoch  nur  eine  Jugendfärbung,  die  mit  zi 
nehmendem  Alter  des  Tieres  gänzlich  verschwinden  kann,  ; 
daß  die  Unterseite  bei  erwachsenen  Exemplaren  vollkomm* 
gelb  erscheint.  Es  wird  dies  dadurch  bedingt,  weil  mit  de 
Wachstum  des  Tieres  nicht  auch  eine  Vermehrung  des  Pi, 
mentes  stattfindet.  Die  Folge  davon  ist,  daß  bei  der  Größe: 
zunähme  des  Tieres  die  Chromatophoren  der  Flecken  imm 
mehr  auseinanderrücken,  weshalb  die  Flecken  zwar  groß* 
aber  auch  undeutlicher  werden,  bis  sie  gänzlich  verschwinde 
Dies  geschieht  zuerst  bei  den  Inguinal-  und  Schwanzflecke 
die  sich  auf  der  weichen  Körperhaut  befinden.  Am  längst« 
bleiben  die  Plastralflecken  erhalten,  aber  auch  sie  sind  oftma 
schon  bei  noch  jungen  Individuen  ganz  undeutlich  geworde 

Sechs  Exemplare  von  Annam.  Diese  Schildkröte  ist  üb 
China  und  Japan  verbreitet  und  wird  außerdem  auch  von  d 
Insel  Formosa  sowie  von  den  Batanesinseln  angeführt.  Neu  i 
daher  ihr  Vorkommen  in  Annam,  denn  ihr  Vordringen  so  \\t 
nach  dem  Süden  wurde  bisher  noch  niemals  beobachtet. 


Gattung  PelOChelys  Gray. 
12.    Pelochelys   cantoris   Gray. 

Boulenger,  Cat.  p.  263. 

Länge  des  Rückenschildes  74  mm,  dessen  Breite  74  mi 
Diskuslänge  46  mm. 


Schildkröten  des  östlichen  Hinterindien. 


351 


Rückenschild  flach  mit  einem  sehr  schmalen  Vertebral- 
riel;  Längskanten  nur  auf  dem  Diskus  anwesend,  der  breite 
-ederrand  ist  vollkommen  glatt.  Die  Form  und  Anordnung  der 
<nochen  des  Plastrons  stimmt  genau  mit  der  von  mir  c.  1. 
gegebenen  Abbildung  überein. 

Rückenschild  graubraun  mit  großen,  ovalen  Flecken  von 
ichterer  Farbe,  die  auf  dem  Diskus  fast  weiß  sind.  Außerdem 
iegen  auf  dem  Lederrand  kleine,  braune  Punkte  zerstreut  Den 
tend  des  Rückenschildes  umgibt  ein  schmaler,  gelber  Saum, 
ler  aber  erst  hinter  den  vorderen  Gliedmaßen  beginnt,  somit 
im  Vorderrande  fehlt.  Unterseite  weißlich,  HinterTand  des 
ftickenschildes  unten  lichtbraun  gesprenkelt.  Kopf  und  Glied- 
naßen  oben  oliven,  gesprenkelt  mit  schwarz. 

Ein  Exemplar  von  Annam  (Phuc-Son).  Diese  Art  war  bis- 
ler  vom  Ganges,  von  Birma,  der  malayischen  Halbinsel,  von 
Dhina,  Borneo,  den  Philippinen  und  den  Balabac-Inseln  be- 
sannt. 


Die  hier  aufgezählten  Arten  verteilen  sich   auf  folgende 
Verbreitungsgebiete : 

A.  Annam. 

1.  Ocadia  sinensis  Gray. 

2.  Clemmys  bealii  Gray,  nov.  var.  quadriocellata. 

3.  Cycletnys  dhor  Gray. 

4.  Cyclemys  annamensis  nov.  spec. 

5.  Trionyx  sinensis  W  i  e  g  m. 

6.  Pelochelys  cantoris  Gray. 

B.  Cochinchina. 

7.  Damonia  subtrijuga  Schi,  et  Müll. 

8.  Cyclemys  amboinensis  Daud. 

9.  Notochelys plafynota  Gray. 

10.  Testudo  elongata  Blyth. 

C.  Siam. 

7.  Damonia  subtrijuga  Schi,  et  Müll. 

1 1 .  Trionyx  cartilagineus  B  o  d  d. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  23 


352  F.  Siebenrock,  Schildkröten  des  östlichen  Hinterindien. 


D.  Tonkin. 


|  12.  Pyxidea  mouhotii  Gray. 

|  10.  Testudo  elongata  Blyth. 

J  11.  Triony x  cartilagineus  Bodd. 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel  I. 


Fig.  1.  Clemmys  bealii  Gray,  nov.  var.  qnadrioccllata\  von  oben. 

>     2.  Dieselbe;  von  unten. 

»     3.  Pyxidea  monhotii  Gray,  knöcherner  Kopf  von  unten. 

»    4.  Dieselbe;  knöcherner  Kopf  im  Profil. 

Tafel  IL 

Fig.  5.  Cyclemys  annamensis  nov.  spec;  von  oben. 
»     6.  »  >  *         »       von  unten. 

»     7.         »  »  »         >       Kopf  und  Hals  im  Profil. 

Sämtliche  Figuren  sind  Originalzeichnungen  in  natürlicher  Größe. 


F.Siebenrock:  Schildkröten  desöstl.Hinterindien. 


Taf.I. 


Ges.u.lith.v.E.  Konopicky .  Li  UlAtuj  t  v  ThJaunvmrth.WKn 

>\  t  zung-sberichte  d.kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Classe,  Bd.  CXI1.  Ab th .1111903. 


F.Siebenrock:  Schildkröten  desösti.Rinterindieu. 


TatIL 


Vi 


Gez.u.lith.v.E.Konopickv.  lüthAnst  v.Th_Bann*nirih;Wien 

S  i  t  zun^sberichte  d.kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Classe,  B<L  CXH.  Ab th. III .190 3- 


353 


XII.  SITZUNG  VOM  14.  MAI  1903. 


Erschienen:  Sitzungsberichte,  Bd.  111,  Abt.  II  a,  Heft  VIII  und  IX  (Oktober 
und    November  1902). 

Das  k.  M.  Prof.  J.  Seegen  übersendet  eine  unter  Mitarbeit 
von  W.  Heimann  in  Berlin  verfaßte  Abhandlung,  welche  den 
Titel  führt:  »Über  ein  in  der  Leber  gebildetes  stick- 
stoffhaltiges Kohlehydrat,  welches  durch  Säure  in* 
Zucker  umgewandelt  wird«. 

Dr.    Franz   Kossmat   übersendet  einen  Bericht     über 

die    im   Mai    1903    vorgenommene  Untersuchung    der 

im    Wocheiner   Tunnel     erzielten  geologischen   Auf- 
schlüsse. 

Das  w.  M.  Prof.  0.  Stolz  in  Innsbruck  übersendet  eine 
Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Ein  Satz  der  Integral- 
geome  trie«. 

Fried.  Aug.  Otto  in  Düsseldorf  übersendet  eine  Abhand- 
lung mit  dem  Titel:  »Die  Auflösung  des  irreduziblen 
Falles  der  cardanischen  Formel«. 

Prof.  Dr.  K.  Brunn  er  übersendet  eine  im  chemischen 
Institute  der  k.  k.  Universität  Innsbruck  von  stud.  phil.  Hugo 
Schwarz  ausgeführte  Abhandlung:  »Über  Indolinone«. 

Das  w.  M.  Prof.  F.  Becke  berichtet  über  den  Fortgang 
der  geologischen  Beobachtungen  an  der  Nordseite  des 
Tauerntunnels. 

Das  w.  M.  Hofrat  G.  Tschermak  legt  eine  Abhandlung 
»Ober  die  chemische  Konstitution  der  Feldspate«  vor. 


23* 


I 


354 

Selbständige  Werke  oder  neue,   der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Agamemnon e,  G.:  Contro  alcune  obiezioni  alla  registrazione 

sismica  a  due  velocitä.  Modena,  1902.  8°. 
Allegheny  Observatory:  Miscellaneous   scientific  papers, 

new  series,  No  10.  By  F.  L.  O.  Wadsworth.  Chicago.  8°. 
Borredon,  Giuseppe:  Dell*  attrazione  planetaria  forza  centri- 

peta  o  gravitazione  universale.  Neapel,  1903.  8°. 

—  La  luna  e  la  sorgente  fisica  del  freddo.  Neapel,  1902.  8°. 

—  La  legge  del  sistema  planetario  o  Y  armonia  del  moto  dei 
suoi  corpi.  Neapel,  1903.  8°. 

D'Ocagne,  Maurice:  Expose  synthetique  des  principes  fonda- 
mentaux  de  la  nomographie.  Paris,  1903.  4°. 


355 


Ober  die  chemische  Konstitution  der  Feldspate 

von 

G.  Tschermak, 

w.M.  k.Akad. 

(Mit  1  Textfigur.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  14.  Mai  1903.) 

Die  chemische  Struktur  der  natürlichen  Silikate  ist  bisher 
nur  insoweit  bekannt,  als  dieselbe  sich  bei  den  einfachsten 
Verbindungen,  wie  Olivin,  Wiliemit,  von  selbst  ergibt.  Sobald 
aber  mehrere  Stoffe  in  dem  Silikat  enthalten  sind,  wie  im 
Diopsid,  Tremolit,  wird  die  chemische  Konstitution  mehrdeutig 
und  es  hat  bis  jetzt  jedes  Mittel  gefehlt,  hier  eine  Entscheidung 
zu  treffen.  Die  größten  Schwierigkeiten  bieten  aber  die  alumi- 
niumhaltigen  Silikate,  weil  das  Aluminium  bald  für  sich  drei- 
wertig, bald  als  einwertige  Gruppe  AlO  in  die  Verbindung  tritt. 
Dadurch  wird  die  Struktur  derselben  vieldeutig  und  es  ist  ein 
vergebliches  Bemühen,  den  Bau  dieser  Verbindungen  auf  Grund 
von  Analogien  erraten  zu  wollen.  Ein  Einblick  in  die  Struktur 
chemischer  Verbindungen  läßt  sich  nur  auf  dem  Wege  des 
Experimentes  gewinnen.  Es  hat  auch  nicht  an  Versuchen  in 
dieser  Richtung  gefehlt,  von  denen  manche,  die  in  neuerer 
Zeit  unternommen  wurden,  viel  versprechend  sind.  Die  syn- 
thetischen Versuche  bei  hohen  Temperaturen  wurden  in  der 
Regel  nicht  zu  dem  hier  angegebenen  Zwecke  angestellt.  Die 
Werke  von  C.  W.  C.  Fuchs,1  von  Fouque  und  Michel  Levya 


1  Die  künstlich  dargestellten  Mineralien.  Leipzig,  1864. 
*  Synthese  des  mineraux  et  des  roches,  Paris,  1882;  auch  Me unier,  Les 
methodes  de  synthese  en  Mineralogie,  Paris,  1891. 


^  ii- 


356 


G.  Tschermak, 


enthalten  ungemein  zahlreiche  Nachweise  bezüglich  der  Nach 
ahmung  natürlicher  Silikate  und  zeigen,  mit  welchem  Eife 
und  Erfolge  die  Mineralsynthese  in  Frankreich  gepflegt  wurd< 
Die  Versuche  von  Lagorio1  und  von  Morozewicz8  streife 
schon  das  hier  angedeutete  Gebiet,  indem  sie  die  Entstehung« 
bedingungen  von  Silikaten  im  Magma  verfolgen;  auch  einig 
von  Do  elter8  ausgeführte  Versuche  berühren  dasselbe.  Ei 
analytisches  Verfahren,  das  die  Einwirkung  von  Salzsäure 
dämpfen  bei  hohen  Temperaturen  benutzt,  lieferte  bei  de 
Anwendung  durch  Clarke  und  Schneider4  keine  einfache 
Resultate  und  gegen  die  Methode  wurde  begründete  Eir 
spräche  erhoben.5  Ein  anderes,  von  Zulkowski  befolgte 
Verfahren,6  das  auf  die  Bestimmung  des  Glühverlustes  beir 
Schmelzen  mit  Kaliumcarbonat  beschränkt  ist,  begegnet  der 
gleichen  Einwände.  Durch  die  Anwendung  hoher  Tempere 
turen  wird  die  chemische  Struktur  vieler  Silikate  veränder 
andere  werden  gänzlich  zerstört,  insbesondere  die  wasserstof 
haltigen,  daher  die  auf  solche  Art  erhaltenen  Resultate  keine 
sicheren  Schluß  auf  die  ursprüngliche  Beschaffenheit  des  Mine 
rales  gestatten  und  ganz  unbrauchbar  sind,  wenn  die  erhaltene 
Produkte  nicht  vollständig  untersucht  werden. 

Ungemein  zahlreiche  Versuche,  darunter  solche  bei  minde 
hohen  Temperaturen  und  bei  Anwendung  wässeriger  Lösungei 
wurden  von  dem  kürzlich  dahingeschiedenen  Lemberg  aus 
geführt  und  in  den  Jahren  1876  bis  1888  publiziert.7  Dieselbe! 
sind  vorzugsweise  auf  die  Umwandlung  von  Silikaten  durci 
Austausch  der  Alkalien  und  zweiwertiger  Metalle,  wie  Calciun 
und  Magnesium,  gerichtet. 


i  Ober  die  Natur  der  Glasbasis.  Tschermak's  Min.  und  petr.  Mitteil 
8,  S.  421  (1881). 

*  Experim.  Untersuchungen  über  die  Bildung  der  Mineralien  im  Magmi 
Ebenda,  18,  S.  1  und  S.  250  (1889). 

3  Jahrbuch  für  Min.,  1890,  I,  S.  118. 

*  Zeitschr.  für  Krystallographie  und  Min.,  18,  S.  390  (1891). 

5  Brauns  in  der  Zeitschr.  für  unorgan.  Chemie,  8,  S.  348  (1895). 

6  Diese  Sitzungsberichte,  109,  IIb,  S.  851  (1900). 

7  Zeitschr.  der  deutschen  geol.  Gesellsch.,  28,  S.  519;  35,  S.  557;  37 
S.  959;  39,  S.  559;  40,  S.  357. 


Konstitution  der  Feldspate. 


357 


Die  Methode  wäre  geeignet  gewesen,  abgesehen  von  den 
Jmwandlungen,  auch  überdie  chemische  Konstitution  wichtiger 
ülikate  Licht  zu  verbreiten,  wenn  die  Untersuchung  vollständig 
lurchge führt  und  alle  erhaltenen  Produkte,  die  unlöslichen 
Rückstände  bezüglich  ihrer  Homogeneitat,  die  gelösten  Sub- 
tanzen  hinsichtlich  der  Quantität  und  chemischen  Zusammen- 
etzung  geprüft  worden  wären.  In  der  Form,  wie  sie  vorliegen, 
eben  sie  nur  über  die  Möglichkeit  bestimmter  Umwandlungen 
inen  Aufschluß;  einzelne  Resultate  werden  erst  einen  Werl 
rhalten,  wenn  die  chemische  Struktur  der  behandelten  Mine- 
ale bekannt  sein  wird.  Einige  Untersuchungen  von  Thugutt1 
ewegen  sich  auf  ungefähr  gleicher  Bahn. 

Der  erste  Schritt  in  das  noch  dunkle  Gebiet  begegnet  der 
rage,  von  welchen  Säuren  die  einzelnen  Sütkate  abzuleiten 
eien.  Eine  Zeit  lang  schien  es,  als  ob  mit  dem  zuerst  von 
Vurtz  angegebenen  Schema  der  Polysiliciumsäuren*  ein  Aus- 
ingen gefunden  werden  könnte.  Nach  diesem  lassen  sich  von 

Molekeln  Siliciumhydroxyd  SiÖ4H4  durch  Austritt  von  « —  l 
is  2n  —  1  Molekeln  H30  unzählige  Polykieselsauren  ableiten, 
ds  Beispiele  mögen  die  Formeln  der  Säuren  dieser  Reihe  von 

=  1  bis  n  =  4  aufgezählt  werden.  Die  mit  *  bezeichneten 
ind  polymer*  ebenso  die  mit  f  bezeichneten. 

ü  04  H4  *  Si  08  HB 

li207  H6  *  Sig06  H4  f  Sia05  H8 

;i8O10Ha  *Si3Op  Hd  SisO,  H4         Si307  H, 

;iA3H10  *Si4OiaHö  Si4OuHf       tSi,O10H4       Si^H, 


Dieses  Schema  hat  sich  jedoch  als  zu  dürftig  erwiesen, 
veil  von  den  höheren  Säuren,  mit  Ausnahme  jener  der  ersten 
Columne,  mehrere,  endlich  viele  Isomere  denkbar  sind.  Mit 
lern  Schema  war  aber  auch  bloß  die  Möglichkeit  solcher  Ver- 
bindungen  angedeutet.   Welche  dieser  Sauren   im   gegebenen 


1  Zeitschr.  für  unorgari.  Chemie,  2,  5.  65  (1892);  Jahrbuch  für  Min*, 
•  BeilagebiiaJ.  S,  554  (1895),  Siehe  die  Bemerkungen  von  Weinschenk  in 
ler  Zeitschr.  für  Krystallogniphie,  23,  S.  298,  und  von  Traube  daselbst.  28. 
).  620. 

2  Le^ons  de  Philosophie  chimique.  Paris,  1864,  p.  ISO. 


358 


G.  Tschermak, 


Falle  anzunehmen  sei,  kann  nur  durch  den  Versuch  entschiede 
werden. 

Ich  glaube  nun  einen  Weg  angeben  zu  können,  desse 
Ziel  die  Lösung  dieser  ersten  Aufgabe  ist  und  der  zur  Isc 
lierung  jener  Säuren  leitet,  welche  den  einzelnen  Silikate 
zugrunde  liegen.  Werden  diese  Säuren  dargestellt  und  wir 
deren  Zusammensetzung  bestimmt,  so  ist  damit  die  Grundlag 
für  die  weiteren  Untersuchungen  gegeben,  die  zu  entscheide 
haben,  welche  der  Säuren  gleicher  prozentischer  Zusammer 
setzung  vorliegt. 

Das  Unternehmen  erscheint  von  vornherein  durchführbai 
weil  die  aus  verschiedenartigen  Verbindungen  abgeschiedene 
Kieselsäuren  auch  physikalisch  verschieden  erscheinen.  Olivii 
liefert  eine  Gallerte,  Analcim  eine  schleimige  Kieselsäure 
Leucit  ein  Pulver.  Aber  die  bisherigen  Erfahrungen  könntei 
abschreckend  wirken,  denn  sie  ergeben  eine  solche  Unbestän 
digkeit  der  untersuchten  Säuren,  daß  es  bis  jetzt  vergeblicl 
schien,  hier  zu  einem  brauchbaren  Resultat  zu  gelangen. 

Die  bisher  dargestellten  Kieselsäuren  sind  zumeist  solche 
die  im  ursprünglichen  Zustande  als  gallertartige  oder  flockig 
Massen  erscheinen.  Einzelne  Beobachtungen  an  solchen  Ge 
bilden  sprechen  für  die  Existenz  einer  Kieselsäure  von  de 
Zusammensetzung  Si08H2,  welche  beim  Glühen  23%  Wasse 
abgeben  würde.  Graham  erhielt  durch  Dialyse  eine  Kiesel 
säure,  die,  im  Vakuum  und  nachher  zwei  Tage  über  Schwefel 
säure  getrocknet,  21  99%  Wasser  lieferte.  Ebelmen  gibt  fü 
jene  Kieselsäure,  die  aus  kieselsaurem  Äthyl  erhalten  wurde 
einen  Glühverlust  von  19*8  an.  Bei  Versuchen,  die  Fremj 
anstellte,  wurde  Kieselsäure  abgeschieden,  die  der  Forme 
Si308H4  entspricht,  welche  16-59%  Wasser  fordert.  Bei  de 
Zersetzung  von  Schwefelsilicium  ergab  sich  eine  Säure  mi 
16'7%»  aus  Alkalisilikat  eine  solche  mit  16*2%,  aus  Fluor 
silicium  eine  mit  16*8%  Wasser.  In  den  beiden  letzteren  Fäller 
war  die  Säure  im  Vakuum  getrocknet.  Alle  diese  Resultate  sine 
aber  als  zufällige  zu  bezeichnen,  weil  diese  Säuren  fortwährenc 
ihre  Zusammensetzung  ändern  und  in  keinem  der  angeführter 
Fälle  zu  erkennen  ist,  in  welchem  Stadium  der  Veränderung 
die  Bestimmung  ausgeführt  wurde.  Gottlieb,  der  eine  größere 


Konstitution  der  Feldspate. 


359 


leihe  von  Beobachtungen  anstellte,1  ging  so  vor,  daß  er  die 
ius  Fluorsilicium  erhaltene  Kieselsäure  nach  dem  Auspressen 
;uerst  in  gelinder  Wärme,  nachher  im  Exsikkator  über  Schwefel- 
äure  trocknete.  Nach  1 17  bis  172  Tagen  ergab  sich  ein  Wasser- 
;ehalt  von  6*13%»  nach  folgendem  Erwärmen  auf  130  bis  140° 
in  solcher  von  4 -47  und  nach  dem  Trocknen  bei  180  bis  200° 
in  solcher  von  4*19%- 

Ähnliche  Beobachtungen  wurden  auch  von  Masche  zur 
elben  Zeit  angestellt.2  Rammeisberg  erhielt  auch  ähnliche 
Resultate,3  darunter  ein  solches,  das  die  aus  einem  natürlichen 
>ilikat  erhaltene  Kieselsäure  betrifft.  Er  untersuchte  die  aus 
Vollastonit  abgeschiedene  Säure  und  fand  nach  längerem 
[Yocknen  über  Schwefelsäure  bloß  4*5  bis  7%  Wasser.  Der 
Vollastonit  hat  eine  der  Formel  Si08Ca  entsprechende  Zu- 
ammensetzung,  demnach  wäre  zu  erwarten,  daß  bei  der  Zer- 
etzung  desselben  eine  Kieselsäure  von  der  Formel  Si03H2 
bgeschieden  wird,  welcher  23%  Wasser  entsprechen.  Statt 
lessen  wurden  4*5  bis  7%  gefunden.  Nach  solchen  Ergeb- 
lissen  hielt  sich  Gottlieb  für  berechtigt,  die  Existenz  der 
Jäuren  Si04H4  und  Si08H2  zu  leugnen,  und  Rammeisberg 
^ar  der  gleichen  Ansicht.  Beide  waren  von  der  vorgefaßten 
'leinung  ausgegangen,  daß  die  vorgenannten  Kieselsäuren 
Verbindungen  sein  müßten,  die  das  scharfe  oder  langwierige 
[Yocknen  gut  vertragen,  aber  diese  Meinung  war  unberechtigt. 
)ie  Substanzen,  welche  sie  der  Beobachtung  unterzogen,  waren 
angst  umgestanden  und  verändert  und  konnten  daher  kein 
[Utes  Resultat  liefern. 

Wenn  man  die  Stellung  des  Siliciums  in  der  vierwertigen 
teihe  zwischen  Kohlenstoff  und  Titan  berücksichtigt,  so  wird 
nan  erwarten,  daß  der  Kieselsäure  ein  Verhalten  zukomme, 
las  zwischen  dem  der  Kohlensäure  und  jenem  der  Titansäure 
iegt.  Was  die  Kohlensäure  betrifft,  so  kennt  man  die  Ver- 
»indung  C04H4   gar    nicht   und   die  Kohlensäure  C03H2   ist, 

1  Journal  für  prakt.  Chemie,  6,  S.  185  (1873).  Daselbst  ist  auch  die 
iteratur  bis  zu  dieser  Zeit  angegeben. 

2  Poggendorffs  Ann.  der  Physik,  26,  S.  90  (1872). 

3  Berichte  der  deutschen  ehem.  Gesellsch.,  1872,  S.  1006.  Siehe  auch 
)ammer's  Handbuch  der  unorgan.  Chemie,  2,  I,  S.  504. 


' 


360 


G.  Tschermak, 


wofern  diese  Verbindung  existiert,  sehr  unbeständig,  Polymei 
derselben  sind  unbekannt.  Hingegen  ist  die  Titansäure  Ti04I- 
eine  wohl  definierte,  bei  gewöhnlicher  Temperatur  längere  Ze 
beständige  Verbindung,  aus  der  bei  100°  oder  nach  längerei 
Trocknen  eine  Verbindung  Ti03Hg  hervorgeht.  Außerdem  kenr 
man  mehrere  höher  zusammengesetzte  Titansäuren.  Demnac 
ist  man  zu  der  Vermutung  berechtigt,  daß  die  Kieselsäure 
Si04H4  und  SiOsH2,  wenn  sie  darstellbar  sind,  die  Eiger 
Schäften  labiler  Verbindungen  besitzen  werden,  während  di 
höher  zusammengesetzten  Säuren  schon  beständiger  sei 
dürften. 

Die  letztere  Vermutung  hat  sich  bei  meinen  Versuche 
vollkommen  bestätigt.  Die  höher  zusammengesetzten  Kiese 
säuren  sind  luftbeständig  und  ergeben  auch  nach  längerer  Ze 
denselben  Wasserstoffgehalt,  für  den  Nachweis  der  niedrige 
zusammengesetzten  Säuren  aber  eignet  sich  eine  Methode,  di 
ich  mit  Erfolg  angewendet  habe. 

Die  aus  Siliciumchlorid,  Anorthit,  Wollastonit  etc.  dai 
gestellte  und  gereinigte  Säure  wird  anfänglich  in  Berührun 
mit  Wasser  erhalten.  Sobald  beim  Eintrocknen,  das  bei  kor 
stanter  Temperatur  und  ungefähr  gleichbleibendem  Damp 
druck  erfolgt,  der  Wasserspiegel  verschwunden  ist,  beginr 
man  mit  der  Wägung  und  setzt  dieselbe  Tag  für  Tag  um  di 
gleiche  Stunde  fort,  wobei  in  der  ersten  Zeit  eine  fortlaufend 
Gewichtsverminderung  beobachtet  wird,  die  dem  Entweiche 
des  mechanisch  gebundenen  Wassers  entspricht.  Die  tägliche 
Wägungsdifferenzen  sind  jetzt  sehr  große.  Eines  Tages  ergib 
sich  plötzlich  eine  kleine  Differenz  und  man  ist  an  einer 
Wendepunkt  angelangt. 

Wird  horizontal  die  Zeit,  in  Tageseinheiten  gemesser 
aufgetragen  und  bedeuten  die  zugehörigen  Ordinaten  die  eni 
sprechenden  Gewichte  der  untersuchten  Kieselsäure,  so  ergib 
sich  für  den  ersten  Teil  der  Zeit  eine  Kurve,  die  Entwässe 
rungskurve,  die  bis  zu  dem  Gefällsbruche  oder  Wendepunkte  W 
reicht,  in  dem  die  Säure  jene  Zusammensetzung  hat,  welch 
ihr  bei  der  Entstehung  zukommt.  Von  Wx  angefangen  beginr 
die  Umwandlungskurve,  denn  die  Substanz  verliert  währen 
der   folgenden    Zeit   wiederum   an    Gewicht,    indem    sie    siel 


Konstitution  der  Feldspate. 


361 


Imählich  in  eine  höher  zusammengesetzte  Säure  verwandelt, 
id  es  ergibt  sich  bei  den  anfänglich  niedrig  zusammen- 
setzten Säuren  ein  zweiter  Wendepunkt  W2,  der  wiederum 
ner  bestimmten  Zusammensetzung  entspricht.  Ein  allenfalls 
iftretender  dritter  Wendepunkt  ist  wegen  des  flachen  Ver- 
ufes  der  Kurve  schwer  zu  konstatieren.  Es  zeigt  sich  nun, 
iß  die  aus  Siliciumchlorid  SiCl4  erhaltene  Säure  eine  Gewichts- 
lrve  liefert,  die  am  ersten  Wendepunkte  Wx  einem  Wasser- 
jhalte  von  37%  entspricht,  wonach  dieser  Säure  die  Zusammen- 


ur. 


itzung  Si04H4  zukommt.  Die  aus  Olivin  abgeschiedene  Säure 
erhält  sich  ebenso,  während  die  aus  Anorthit,  Woliastonit 
•haltene  Säure  den  Wendepunkt  Wx  bei  einem  Gehalte  von 
3%  Wasser  angibt,  was  der  Formel  Si03H2  entspricht  etc. 

Die  hier  angeführte  Methode,  nach  weicher  bei  höher 
Lisammengesetzten  Kieselsäuren  die  Bestimmung  der  Zu- 
immensetzung  im  lufttrockenen  Zustande  ausgeführt,  bei  den 
iedrig  zusammengesetzten  aber  der  erste  Wendepunkt  der 
ewichtskurve  wahrgenommen  wird,  eignet  sich  sonach  zur 
Ermittelung  der  aus  den  Silikaten  abgeschiedenen  Kiesel- 
äuren.  Bisher  wurden  aus  verschiedenen  Silikaten  Säuren  von 


362 


G.  Tschermak, 


den  Zusammensetzungen  Si04H4,  Si08H2,  Si207H6,  Si2061 
Si308H4,  Si307H2  erhalten.  Näheres  darüber  soll  in  eii 
späteren  Publikation  mitgeteilt  werden.  Ais  geeignetes  Mit 
zur  Zerlegung  der  Silikate  ohne  Zerstörung  der  enthalten 
Säuregruppe  erschien  mir  die  konzentrierte  oder  verdüni 
Salzsäure,  weil  diese  kräftig  wirkt,  die  gewöhnlich  v< 
kommenden  Metalle  in  Lösung  überführt  und  keinen  erh( 
liehen  wasserentziehenden  Einfluß  auf  das  ungelöste  Prodi 
ausübt.  Bei  den  leicht  aufschließbaren  Mineralen  geschah  < 
Zerlegung  bei  gewöhnlicher  Temperatur,  bei  den  schwierig 
zersetzbaren  wurde  eine  Einrichtung  des  Wasserbades  | 
troffen,  gemäß  welcher  die  Temperatur  niemals  über  76° 
stieg.  Die  abgeschiedene  Kieselsäure  wurde  durch  Dekantier 
ausgewaschen,  bis  keine  Spur  von  Chlor  mehr  nachzuweis 
war.  Hierauf  wurde  die  Menge  des  in  die  salzsaure  Lösu 
übergegangenen  Siliciums  bestimmt  und  bei  den  später  anz 
führenden  Untersuchungen  immer  nur  ein  geringer  Betr 
gefunden.  Die  erhaltene  Kieselsäure  wurde  sodann  in  eine 
kühlen  Räume  von  ziemlich  konstanter  Temperatur  dem  E 
trocknen  überlassen  und  bis  zum  konstanten  Gewichte  oc 
über  den  ersten  Wendepunkt  hinaus  getrocknet.  Endlich  wur 
die  Menge  des  Wasserstoffes  durch  den  Glühverlust  bestim; 
und  das  zurückbleibende  Siliciumdioxj'd  jedesmal  mit  Flu 
säure  auf  seine  Reinheit  geprüft.  Um  die  dargestellten  Säur 
zu  charakterisieren,  wurde  die  Dichte  derselben  im  lufttrocken 
Zustande  oder  beim  Eintritte  der  Wendepunkte  der  Gewicht 
kurve  pyknometrisch  ermittelt.  Die  Anwendung  von  schwer 
Flüssigkeiten  hat  sich  nicht  als  praktikabel  erwiesen,  w< 
diese  den  Zustand  des  Produktes  ändern.  Manche  Verschiede 
heiten  ergeben  sich  bei  der  Behandlung  der  Säuren  mit  Natro 
lauge  und  mit  warmer  Sodalösung,  daher  das  Verhalten  gegi 
dieselben  bestimmt  wurde. 

Die  Verwandlung  des  geprüften  Silikates  in  die  er 
sprechende  Säure  läßt  sich  öfters  an  dünnen  Blättchen  ve 
folgen,  die  für  längere  Zeit  bis  zur  völligen  Umwandlung 
Salzsäure  gelegt  werden.  Rinne  hat  am  Heulandit  die  hi 
auftretenden  Erscheinungen  verfolgt.  An  solchen  Blättche 
wurden  von  Herrn  Prof.  Becke  die  Brechungsquotienten  nac 


I 


Konstitution  der  Feldspate. 


363 


srschwinden  der  Konturen  in  gleichbrechenden  Medien  er- 
ittelt. 

Von  den  Versuchen,  die  ich  bisher  anstellte,  sollen  hier 
lige  die  Feldspate  betreffende  mitgeteilt  werden,  weil  die- 
Iben  ein  allgemeineres  Interesse  darbieten.  Für  die  freund- 
he  Unterstützung  bei  meiner  Arbeit  bin  ich  Herrn  Prof. 
;cke  und  Herrn  Dr.  Focke  zu  vielem  Danke  verpflichtet. 


Beobachtungen. 

Anorthit.  Das  gepulverte  Mineral  wird  durch  Salzsäure 
cht  zersetzt.  Die  dabei  auftretenden  Erscheinungen  sind  nach 
n  Umständen  verschieden.  Wird  sehr  viel  Säure  mit  einem- 
ile  zugesetzt,  so  löst  sich  reiner  Anorthit  voltständig  auf,  bei 
ringerer  Menge  bildet  sich  eine  Gallerte.  Letztere  zeigt  aber 
ter  dem  Mikroskop  viele  Teilchen,  die  als  abgerundete  iso- 
pe  Splitter  erkannt  werden.  Damus  ist  zu  schließen,  daß  das 
nste  Pulver  des  Anorthits  in  eine  gallertige  Kieselsäure  über- 
führt wird,  die  sich  in  der  Säure  teilweise  auflöst,  während 
:  gröberen  Teilchen  eine  Kieselsaure  bilden,  die  noch  die 
rm  des  angewandten  Pulvers  zeigt.  Bei  Anwendung  einer 
chen  Menge  konzentrierter  Säure,  welche  etwas  mehr  als 
ireichend  ist,  um  die  Zersetzung  zu  vollenden,  bildet  sich 
srhalb  etwas  Gallerte,  unterhalb  aber  bleibt  ein  Pulver,  das 
:h  völliger  Zersetzung  nicht  mehr  unter  dem  Glasstabe 
rscht  und  unter  dem  Mikroskop  aus  Splittern  von  der  Form 
;  ursprünglichen  Pulvers  besteht.  Diese  Splitter  sind  isotrop, 
rd  hierauf  reichlich  Wasser  zugesetzt,  so  trennt  sich  die 
ire  Gallertschicht  in  Flocken  und  feines  Pulver,  die  zu  Boden 
ken  und  sich  mit  dem  gröberen  Pulver  vereinigen,  ferner 
lösliche  Kieselsäure,  die  von  der  verdünnten  Säure  auf- 
lommen  wird. 

Zur  Untersuchung  wurde  Anorthit  vom  Vesuv  angewandt. 
5  Material  bestand  aus  wasserhellen,  von  Einschlüssen  ganz 
en  Krystalien,  deren  Dichte  zu  2  '745  bestimmt  wurde.  Die 
aiyse  ergab,  verglichen  mit  der  Berechnung  für  die  Formel 
08Al2Ca: 


364 


G.  Tschermak, 

Berechnet 

Siliciumdioxyd 43*65 

43-30     l 

Aluminiumoxyd 35*80 

36  63 

Calciumoxyd 20  *  45 

20-07 

Natriumoxyd 0*31 

100 


21 


100 


Das  Pulver  des  Minerales  wurde  in  der  zuletzt  angeführ 
Weise  mit  konzentrierter  Salzsäure  behandelt,  wobei  in  ein 
Falle  von  dem  in  dem  Anorthit  enthaltenen  Silicium  3*47% 
Lösung  übergingen.  Der  durch  vielmaliges  Dekantieren  v< 
kommen  ausgewaschene  Bodensatz  erschien  pulverig  u 
zeigte  unter  dem  Mikroskop  dieselben  Formen  und  Gröf 
der  Splitter  wie  das  ursprüngliche  Pulver,  außerdem  ai 
wenige  flockige  Teilchen.  Nachdem  derselbe  im  kühlen  Rau 
trocken  geworden,  ergab  er  nur  für  kurze  Zeit,  höchste 
einen  Tag,  ungefähr  konstantes  Gewicht,  um  sodann  wie* 
an  Gewicht  abzunehmen.  Die  weiter  angegebene  Zusamm* 
Setzung  bezieht  sich  auf  den  Wendepunkt,  wo  die  Umwai 
lungskurve  beginnt.  In  diesem  Zustande  repräsentiert  er  n* 
meinem  Dafürhalten  die  Säure  des  Anorthits.  Der  Glühverl 
ergibt  jetzt  das  Verhältnis  Si :  H2. 


Berechnet 
Siliciumdioxyd  ...   77-02 
Wasser 22-98 


Beobachtet 


23-12 


23/ 


Die  kleinste  Formel  der  Säure  ist  demnach  SiOgH^ 
Die  Dichte  der  Säure  wurde  zu  1*813  bei  17°  C.  bestim 
Wenn  aus  den  vorstehenden  Daten  die  Volumänderung  bei  < 
Entstehung  der  letzteren  berechnet  wird,  so  ergibt  sich,  c 
aus  100  Volumen  Anorthit  85*8  Volumen  der  Säure  gebil 
werden,  also  eine  Verminderung  des  Volums  um  14*2%  einti 
Durch  heiße  Sodalösung  wird  die  Säure  in  kürzester  2 
vollständig  aufgelöst.  Wird  die  frisch  bereitete  Säure  bei  j 
wohnlicher  Temperatur  einen  Tag  hindurch  mit  so  viel  Natn 
lauge  behandelt,  daß  die  Verbindung  Si03NaH  entstehen  u 


i  Si  =  28-4,  AI  =  27*1,  Ca  =  40,    K  =  3915,    Na  =  23*05,   0  = 
H  =  l-01. 


Konstitution  der  Feldspate. 


365 


n  Rest  der  Säure  bleiben  kann,  so  hat  der  letztere  nach  dem 
iiswaschen  nicht  mehr  die  ursprüngliche  Zusammensetzung, 
andern  gibt  einen  Glühverlust  von  17-04%»  was  der  Formel 
308H4  entsprechen  würde,  welche  16*59%  Wasser  fordert. 
Nach  diesem  Befunde  wird  man  die  aus  dem  Anorthit 
haltene  Säure,  die  den  Charakter  der  niedrig  zusammen- 
setzten Säuren  an  sich  trägt,  für  Metakieselsäure  zu  halten 
iben.  Die  Beobachtungen  an  den  zunächst  stehenden  Säuren 
srden  dies  bestätigen.  Die  Formel  der  Säure  des  Anorthits 

äre  demnach 

Si03Ha, 

ährend  die  Verbindung  Anorthit  bisher  meistens  von  der 
•thokieselsäure  Si04H4  abgeleitet  wurde. 

Um  den  Fortgang  der  Zersetzung  des  Anorthits  zu  ver- 
igen, wurden  dünne  Blättchen  desselben  in  ziemlich  kon- 
ntrierte  Salzsäure  gelegt  und  bei  gewöhnlicher  Temperatur 
vei  bis  drei  Wochen  belassen,  worauf  die  Umwandlung  unter 
libehaltung  der  Umrisse  vollendet  war.  Anfangs  erschienen 
i  der  Oberfläche  viele  Ätzfiguren,  später  aber  schritt  die 
Ersetzung  an  manchen  Stellen  schlauchförmig  in  das  Innere 
rt  und  der  Rand  der  Blättchen  verwandelte  sich  in  eine  iso- 
)pe  Masse.  Der  unzersetzte  Teil  des  Blättchens  wurde  immer 
inner  und  erschien  beiderseits  mit  einer  isotropen,  von  vielen 
inen,  zum  Blättchen  senkrechten  Sprüngen  durchzogenen 
ihichte  bedeckt.  Der  isotrope  Rand  wurde  nun  breiter,  war 
gen  den  unzersetzten  Teil  durch  ebene  Flächen  abgegrenzt, 
»enso  zeigten  sich  die  früheren  schlauchförmigen  Vertiefungen 
s  ebenflächig  begrenzte  Löcher  im  unzersetzten  Anorthit.  Die 
rvillingslamellen  des  letzteren  verschwanden  spurlos  und 
hließlich  war  das  ganze  Blättchen  in  eine  isotrope  Lamelle 
wandelt,  deren  Brechungsquotient  von  Prof.  Beeke  zu  1*44 
stimmt  wurde.  Das  Auftreten  der  vielen  feinen  Sprünge  in 
im  umgewandelten  Blättchen  erklärt  sich  aus  der  Abnahme 
's  Volumens,  die  vorher  berechnet  wurde. 

Albit.  Die  Zersetzung  durch  Säuren  schreitet  nur  sehr 
lmähiich  vorwärts,  daher  der  Versuch  mit  einer  geringen 
enge,  ungefähr  0'5g,  ausgeführt  wurde.  Diese  war  in  Form 
äs  feinsten  Pulvers  durch   sorgfältiges  Schlämmen   erhalten 


366 


C.  Tschermak, 


worden.  Nach  drei  Monaten  war  die  Zersetzung  durch  konze 
trierte  Salzsäure  bei  gewöhnlicher  Temperatur  eine  unmer 
liehe,  in  die  Lösung  war  bloß  eine  sehr  geringe  Menge  d 
Substanz  übergegangen.  Darauf  wurde  eine  etwas  höhe 
Temperatur  angewandt,  indem  der  locker  gedeckte  Platinties 
in  ein  kleines  Wasserbad  gestellt  wurde,  das  in  ein  größer 
Wasserbad  eintauchte.  Bei  dieser  Einrichtung  erreichte  c 
Zersetzungsflüssigkeit  im  höchsten  Falle  eine  Temperatur  vi 
73  bis  76°.  Tagsüber  war  das  Wasserbad  geheizt,  bei  Nac 
blieb  es  kühl,  da  in  meinem  Laboratorium  für  kontinuierlicl 
Prozesse  keine  Vorkehrungen  getroffen  sind.  So  dauerte  d 
Einwirkung  der  Salzsäure  drei  Monate,  doch  schätze  ich  c 
Zeit,  während  welcher  die  oben  genannte  Temperatur  herrsch 
doch  nur  auf  etwa  500  Stunden.  Die  Zersetzung  schritt  allmä 
lieh  vorwärts,  indem  die  feinen  Splitter,  aus  dem  das  Pulv 
bestand,  weicher  wurden,  unter  dem  Glasstabe  kein  deutlich 
Knirschen  mehr  wahrnehmen  ließen  und  unter  dem  Mikrosk« 
die  Abnahme  der  Doppelbrechung  zeigten.  Endlich  war  d 
Verwandlung  bis  auf  einen  kleinen  Rest  vollendet,  der  Rüc 
stand  ließ  zum  größten  Teile  noch  die  Form  des  angewandt! 
Pulvers  bei  einfacher  Lichtbrechung  erkennen  und  bestand  i 
übrigen  aus  kleinen  Klümpchen  von  feinkörniger  Textur  ui 
schwacher  Aggregatpolarisation  und  aus  wenigen  dopp< 
brechenden  abgerundeten  Splittern  als  Resten  des  ursprün 
liehen  Minerales.  Dieser  Rückstand  wurde  im  kühlen  Raun 
zur  Trockene  gebracht  und  dabei  täglich  bis  zum  Eintret« 
konstanten  Gewichtes  gewogen.  Nach  dem  Glühen  wurde  d. 
Pulver  mit  Flußsäure  behandelt  und  in  dem  sehr  gering« 
Reste  die  Tonerde  und  das  Natron  bestimmt,  die,  auf  Alt 
zurückgerechnet,  in  Abzug  gebracht  wurden.  Die  nach  d 
Zersetzung  erhaltene  Lösung  wurde  eingedampft  und  zur  Koi 
trolle  der  Analyse  sowie  zur  Bestimmung  der  gelösten  Kiese 
säure  verwendet. 

Zu  dem  Versuche  dienten  klare  Krystalle  des  Albits  vc 
Morro  Velho  in  Brasilien,  welche  die  Dichte  2*627  ergäbe 
und  die  Zusammensetzung  gegenüber  der  Berechnung  nac 
der  Formel  Si808AlNa: 


Konstitution  der  Feldspate.  367 

Berechnet 

Siliciumdioxyd 68  •  4 1  68  *  8 1 

Aluminiumoxyd  ...    1 9  •  80  1 9  -  40 

Calciumoxyd 0*08 

Natriumoxyd 11-17  11*79 

Kaliumoxyd 0*21  

99-67  100 

Der  durch  Zersetzen  mit  Salzsäure  gewonnene  Rückstand 
enthielt  den  größten  Teil  des  im  Albit  enthaltenen  Siliciums, 
lur  3#4°/o  desselben  waren  in  die  Lösung  übergegangen, 
3iese  Zahl  ist  aber  mit  jener,  die  für  andere  Silikate  sich  ergab, 
licht  zu  vergleichen,  weil  für  Albit  eine  Viel  größere  Menge 
Salzsäure  angewandt  und  die  Zerlegung  bei  etwas  erhöhter 
remperatur  vorgenommen  und  lange  Zeit  fortgesetzt  wurde. 
3as  erhaltene  Produkt  ist  nach  meinem  Dafürhalten  als  die 
lern  Albit  zugrunde  liegende  Säure  anzusehen,  deren  Zu- 
sammensetzung zu  Si807  H2  bestimmt  wurde. 

Gefunden  Ober  CaCI2 

Berechnet  lufttrocken  getrocknet 

Si02 90-96 

H80 9-04  9-98  8-89 

Diese  höher  zusammengesetzte  Kieselsäure  ist  demnach 
schon  sehr  beständig.  Die  Dichte  der  Albitsäure  wurde  wegen 
Jnzureichender  Quantität  nicht  direkt  bestimmt,  sondern  aus 
ier  für  Labradorit  erhaltenen  Zahl  zu  2-043  berechnet  Aus 
ien  angeführten  Daten  ergibt  sich,  daß  bei  der  Zersetzung  aus 
100  Volumen  Albit  97*4  Volumen  Albitsäure  entstehen. 

Nach  dem  vorstehenden  Ergebnisse  des  Versuches  ist  die 
Formel  der  Albitsäure 

Si307H2, 

während  bisher  angenommen  wurde,  daß  der  Albit  sich  von 
der  Säure  Si308H4  ableite.  Dünne  Blättchen  von  Albit  werden 
von  kalter  und  von  warmer  Salzsäure  nicht  merklich  ange- 
griffen. Es  würde  einer  lange  dauernden  Einwirkung  bei  er- 
höhter Temperatur  bedürfen,  um  die  Verwandlung  herbei- 
zuführen. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  Bd.  CXII,  Abt.  1 .  24 


\ 


368 


G.  Tschermak, 


Labradorit.  Von  dem  durch  Schlämmen  erhaltenen  feine 
Pulver  wurden  für  die  Versuche  0*5  bis  V6g  verwendet  un 
durch  konzentrierte  Salzsäure  zersetzt.  Bei  gewöhnlicher  Ten 
peratur  dauerte  die  Einwirkung  ungefähr  drei  Monate,  bis  di 
Zersetzung  eine  vollständige  war,  bei  Anwendung  der  beii 
Albit  beschriebenen  Methode  war  die  Zerlegung  in  einei 
Monate  vollendet,  jedoch  dauerte  die  Einwirkung  der  höhere 
Temperatur  von  73  bis  76°  nach  meiner  Schätzung  nur  be 
läufig  240  Stunden.  Das  Resultat  war  in  beiden  Fällen  dasselb 
d.  h.  die  erhaltene  Kieselsäure  hatte  dieselbe  Zusammensetzunj 
woraus  zu  schließen  ist,  daß  die  etwas  erhöhte  Temperatur  ai 
die  Beschaffenheit  der  ausgeschiedenen  Säure  keinen  merl 
liehen  Einfluß  hat.  Der  nach  der  Zersetzung  bleibende  pulverig 
Rückstand  zeigte  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  fart 
lose,  vollkommen  durchsichtige  isotrope  Splitter  von  den  ui 
sprünglichen  Formen  des  angewandten  Pulvers,  die  größte 
davon  waren  durchscheinend  und  mit  einem  etwas  flockige 
Überzuge  versehen. 

Zu  den  Versuchen  diente  eine  Probe  des  farbenspielende 
Labradorits  von  Labrador.  Die  Dichte  bestimmte  sich  zu  2*68 
und  für  die  Zusammensetzung  wurden  Zahlen  erhalten,  die  ai 
die  Formel  Ab  An  führen. 


Siliciumdioxyd  . . . .  55*70 

Aluminiumoxyd  ...  27*87 

Eisenoxyd 0  •  38 

Calciumoxyd 9  *  94 

Natriumoxyd 6*15 

Kaliumoxyd 0*  35 

100-39 


Berechnet 
55-68 
28-27 

10-32 
573 

100 


Bei  der  Zerlegung  durch  Salzsäure  bei  gewöhnliche 
Temperatur  gingen  von  dem  enthaltenen  Silicium  0-97%  l 
die  Lösung  über,  während  für  jene  Probe,  die  bei  etwas  höhere 
Temperatur  zersetzt  wurde,  die  Menge  zu  3-25%  SIC^  ergat 
Die  letztere  Zahl  dürfte  aber  etwas  zu  hoch  sein,  weil  beir 
Dekantieren  ein  wenig  von  der  suspendierten  Kieselsäure  ii 
die  Lösung  überging. 


Konstitution  der  Feldspate. 


369 


Für  die  erhaltene  Kieselsäure  wurde  bei  lufttrockenem 
Zustande  eine  Zusammensetzung  gefunden,  die  zwischen  jener 
der  Albitsäure  und  der  der  Metakieselsäure  liegt.  Faßt  man  das 
untersuchte  Mineral  als  eine  isomorphe  Mischung  Ab  An  auf,  so 
sollte  mit  Rücksicht  darauf,  daß  der  Albitsäure  die  Zusammen- 
setzung Si807  H2  und  aus  dem  Anorthit  sich  Metakieselsäure 
SiOsH2  abscheidet,  die  aus  dem  untersuchten  Labradorit  er- 
haltene Kieselsäure  der  Mischung  Si807H2-f-2SiOsH2  ent- 
sprechen, also  das  Verhältnis  Si5  H4  ergeben,  was  mit  der  Beob- 
achtung recht  gut  übereinstimmt. 


Beobachtet 


SiOa. 
H20. 


84-82 
15-08 


14-77 


15-53 


Die  Dichte  des  Rückstandes  ergab  sich  zu  1-933.  Aus  den 
vorigen  Daten  berechnet  sich  das  Volumverhältnis  dahin,  daß 
bei  der  Zersetzung  aus  100  Volumen  Labradorit  91-1  Volumen 
des  Rückstandes  gebildet  werden. 

Dünn  geschliffene  Blättchen  des  Labradorits  wurden  durch 
Salzsäure  bei  gewöhnlicher  Temperatur  erst  nach  längerer  Zeit 
merklich  angegriffen.  Nach  zwei  Wochen  zeigten  sich  Ätz- 
grübchen und  unterhalb  der  Oberfläche  waren  einige  negative 
Krystalle  entstanden.  Nach  vier  Wochen  waren  die  Ätzgrübchen 
stark  vertieft  und  größere  Gruben  gebildet,  weiche  in  einem 
unregelmäßig  verlaufenden  Streifen  angeordnet  erschienen.  Als 
nun  das  Blättchen  durch  drei  Wochen  bei  70°  mit  Säure 
behandelt  worden  war,  erschien  es  völlig  umgewandelt  und 
größtenteils  isotrop.  Die  Oberfläche  war  der  ersten  Ätzung  ent- 
sprechend voll  paralleler  langgestreckter  Grübchen,  das  Blätt- 
chen von  ziemlich  vielen,  etwas  weiter  auseinanderliegenden 
Sprüngen  durchzogen.  Die  früheren  schmalen  eingeschalteten 
Zwillingslamellen  erschienen  sehr  schwach  doppelbrechend, 
stellenweise  auch  der  Rand  des  Blättchens.  Der  Brechungs- 
quotient war  von  dem  der  Anorthitsäure  wenig  verschieden. 

Wurde  das  Pulver  mit  Natronlauge  behandelt,  so  ergaben 
sich  Resultate,  die  wider  Erwarten  eine  merklich  leichtere 
Auflöslichkeit  der  Albitsäure  andeuten.  In  warmer  Sodalösung 

24* 


370 


G.  Tschermak, 


erfolgte  die  Auflösung  langsam  und  die  Einwirkung  mußt 
mehrere  Stunden  fortgesetzt  werden,  bis  das  Pulver  vei 
schwand. 

Leucit.  Die  vorigen  Versuche  könnten  den  Schein  erregei 
als  ob  die  von  mir  angewandte  Methode  durchwegs  auf  Säure 
leite,  welche  den  vorher  üblichen  Annahmen  gegenüber  wasse 
stoffarmer  sind,  daher  will  ich  von  meinen  Versuchen  hier  auc 
jene  anführen,  die  an  diesem  Silikat  angestellt  wurden,  das  m 
den  Feldspaten  in  Beziehung  steht. 

Dazu  dienten  größere  Krystalle  aus  Vesuvlava,  die  ze 
kleinert  und  deren  Splitter  sorgfältig  ausgelesen  wurden,  so  da 
nur  vollkommen  durchsichtiges  und  einschlußfreies  Matern 
zur  Verwendung  kam.  Die  Dichte  wurde  zu  2*469  bestimn 
und  die  Zusammensetzung  wie  folgt  gegenüber  der  Berect 
nung  nach  Si206AlK: 


Berechnet 

Siliciumdioxyd  . . . 

.   55-25 

55- 15 

Aluminiumoxyd  . . 

.   22-84 

23-33 

Calciumoxyd 

.     0-11 

Kaliumoxyd 

.   2034 

21-51 

Natriumoxyd 

.      1-31 

99-85 


100 


Das  feine  Pulver  wurde  durch  konzentrierte  Salzsäut 
bei  gewöhnlicher  Temperatur  nach  zwei  Wochen  vollkomme 
zersetzt,  wobei  sich  keine  merkliche  Menge  von  Gallerte  bildet 
Der  Bodensatz  war  pulverig  und  zeigte  bei  der  mikroskopische 
Prüfung  bloß  isotrope  Splitter  von  den  Größen  und  Formen  de 
angewandten  Mineralpulvers.  In  die  Lösung  waren  in  einer 
Falle  bei  der  Zersetzung  von  dem  enthaltenen  Silicium  kaut 
2%  übergegangen,  wahrscheinlich  aber  weniger,  weil  beir 
Dekantieren  etwas  von  der  suspendierten  Säure  mitgenomme 
wurde.  Der  lufttrockene  Rückstand  hatte  durch  vier  Tage  hir 
durch  dasselbe  Gewicht,  er  wird  als  die  Säure  des  Leucit 
betrachtet.  Beim  Glühen  erfuhr  er  den  gleichen  Gewichts 
verlust  wie  die  Säure  des  Anorthits,  die  als  Metakieselsäur 
anzusehen  ist,  wonach  sich  die  kleinste  Formel  SiO,H2  ergib 


Konstitution  der  Feldspate. 

Beobachtet 


371 


Si02.. 
H,0.. 


77-02 
22-98 


23-55 


22*17 


Die  Dichte  wurde  gleich  1*834  gefunden.  Die  Berechnung 
der  Volumverhältnisse  führt  darauf,  daß  aus  100  Volumen 
Leucit  96-3  Volumen  Säure  gebildet  werden,  die  eintretende 
Volumverminderung  also  gering  ist. 

Als  die  erhaltene  pulverige  Säure  mit  kochender  Soda- 
lösung behandelt  wurde,  löste  sich  dieselbe  nicht  sogleich, 
sondern  erst  nach  mehreren  Stunden  vollständig  auf.  Wurde 
die  Säure  mit  halb  soviel  Natronlauge  versetzt,  als  nötig  war, 
um  die  Verbindung  SiOsNa2  zu  bilden,  so  ging  die  Hälfte  der 
Säure  in  Lösung  und  der  ungelöste  Rückstand  hatte  wiederum 
die  Zusammensetzung  SiOsH2. 

Aus  dem  Angeführten  ist  zu  ersehen,  daß  die  aus  dem 
Leucit  erhaltene  Säure  nicht  dieselben  Eigenschaften  besitzt, 
welche  vorher  für  die  Metakieselsäure  bestimmt  wurden.  Sowohl 
die  Dichte  als  auch  das  Verhalten  gegen  Natronlauge  und  Soda- 
lösung sprechen  für  die  Annahme  einer  höher  zusammen- 
gesetzten Säure  und  ebenso  der  Brechungsquotient  Ich  glaube 
daher  annehmen  zu  dürfen,  daß  der  Leucit  von  dem  nächst 
höheren  Gliede  der  polymeren  Reihe  Si»0»ÄKfeÄ  abzuleiten  sei, 
demnach  von  der  Säure: 

Si206H4. 

Bisher  wurde  der  Leucit  gewöhnlich  von  der  Metakiesel- 
säure abgeleitet.  Dünne  Blättchen  von  Leucit  in  konzentrierte 
Salzsäure  gelegt,  erscheinen  nach  wenigen  Tagen  unverändert. 
Allmählich  werden  sie  rauh,  bedecken  sich  beiderseits  mit  einer 
isotropen  Schichte,  zeigen  isotrope  Ränder  und  bekommen  feine 
Sprünge.  Nach  zwei  Monaten  ist  die  Verwandlung  in  eine  fast 
isotrope  Masse  vollendet.  Die  Doppelbrechung  ist  meist  ver- 
schwunden, doch  in  manchen  Streifen,  die  früheren  Zwillings- 
lamellen entsprechen,  noch  etwas  merklich,  hingegen  erscheinen 
die  früheren  Zuwachsschichten  ganz  deutlich.  Das  Blättchen 
ist  jetzt  außerordentlich  morsch  und  zerbrechlich,  von  zarten 
Sprüngen,  die  zur  Oberfläche  senkrecht  gerichtet  sind,  durch- 


u 


372 


G.  Tschermak, 


zogen  und  durch  diese  in  kleine  Schildchen  geteilt  Dies  ent- 
spricht der  geringen  Volumverminderung.  In  Glycerin  von  derr 
Brechungsquotienten  1*465  verschwinden  nach  Prof.  B ecke's 
Beobachtung  die  Grenzen  des  Blättchens  vollständig. 


Wahrscheinliche  Konstitution. 

Nach  den  vorher  angeführten  Resultaten  der  Versuche 
wäre  der  Anorthit  von  der  Metakieselsäure  abzuleiten  und 
bei  Annahme  der  einfachsten  Formel  dessen  Zusammensetzung 

dUrch  2Si08.Al,02Ca 

auszudrücken.  Die  Siliciumgruppe  ist  bezüglich  der  Struktur 
eindeutig,  weil  es  nur  eine  einzige  Metakieselsäure  geben  kann, 
keine  isomere  denkbar  ist.  Hingegen  bestehen  für  das  Gefüge 
der  Aluminium-Calciumgruppe  zwei  Möglichkeiten,  indem  ent- 
weder eine  Sauerstoffbindung  zwischen  Aluminium  und  Calcium 
angenommen  wird  oder  nicht.  Im  ersten  Falle  würde  für  diese 
Gruppe  die  Konstitution  =A1  —  O— Ca — 0—A\-=z  gelten,  im 
zweiten  wären  die  Metalle  nicht  durch  Sauerstoff  aneinander 
gebunden,  sondern  als  zwei  einwertige  Gruppen  — A1=0  und 
als  zweiwertiges  Calcium  =iCa  an  die  Siliciumgruppe  angefügt 
Ks  taucht  also  wie  in  ähnlichen  Fällen  die  Frage  auf,  ob  hier 
der  Tonerde  die  Rolle  einer  Säure  zuzuschreiben  sei.  Im 
bejahenden  Falle  würde  sich  der  Anorthit  von  einer  ein- 
basischen Alumokieselsäure  SiA104H  ableiten,  in  dem  anderen 
von  der  zweibasischen  Metakieselsäure  Si08H2,  deren  Wasser- 
stoff durch  Ca  und  A10  ersetzt  sind.  Hier,  wo  sozusagen  der 
erste  Schritt  in  der  Deutung  des  Baues  aluminiumhaltiger  Sili- 
kate zu  tun  ist,  gebietet  die  Vorsicht,  einzuräumen,  daß  jetzt 
noch  die  Tatsachen  fehlen,  die  zu  einer  Entscheidung  führen 
könnten. 

Um  die  Konstitutionsformeln  kürzer  und  übersichtlicher 
ZU  gestalten,  werde  ich  statt  des  Zeichens  für  das  Sauerstoff- 
atom einen  Strich  anwenden,  also  statt  — O—  bloß  —  schreihen 
und  für  das  einseitig  gebundene  Sauerstoffatom  den  Strich  über 
oder  unter  das  bezügliche  Atomzeichen  setzen.  Demnach  wird 
üir  Metakieselsäure  Si=:H2  oder  Si=H2  geschrieben.  Für  die 


Konsti  tu tion  d  e  r  Fe  Idspate .  373 

beiden  im  Anorthit  möglichen  Arten  der  Struktur  wären  dem- 
nach die  entsprechenden  Bilder: 

Si=Al— Ca— Al=Si     und     AI— Si— Ca— Si— AI. 

Der  Albit  ist  schwieriger  zu  deuten.  Derselbe  wäre  nach 
dem  Vorigen  von  der  Albitsaure  Si307Ha  abzuleiten  und  seine 
einfachste  Formel  wäre 

Si8O7A10Na, 

Da  jedoch  acht  Isomere  von  der  Zusammensetzung  der 
Albitsaure  denkbar  sind,  so  läßt  sich  das  Gefüge  der  Ver- 
bindung Albit  nicht  leicht  erraten.  Dazu  kommt  noch  die  Zwei- 
deutigkeit der  Aluminium-Natrium-Gruppe,  die  entweder  in  die 
beiden  einwertigen  Stoffe  AI  und  Na  aufgelöst  oder  als  zu- 
sammenhängende zweiwertige  Gruppe  AI— Na  in  der  Ver- 
bindung gedacht  werden  kann.  Dadurch  entsteht  eine  große 
Anzahl  von  Möglichkeiten.  Werden  bloß  die  einfachsten  Fälle 
der  Struktur  zugelassen,  so  hat  man  deren  drei: 

H-Si-Si-Si— H  a) 

H^acSisSbsSt  ß) 

H-St-Si-Si 

-  i  -  « 

Davon  eignet  sich  die  zuerst  angegebene  Struktur  am 
besten  für  den  Eintritt  der  einwertigen  Stoffe  AI  und  Na  statt 
des  basischen  Wasserstoffes,  zugleich  ergibt  sich  die  größte 
Ähnlichkeit  mit  dem  Bau  des  Anorthits  bezüglich  der  früher 
angegebenen  zweiten  Möglichkeit.  Da  nun  auf  die  Ähnlichkeit 
der  Struktur  der  beiden  isomorphen  Verbindungen  Albit  und 
Anorthit  das  größte  Gewicht  gelegt  werden  muß,  so  wird  man 
diesen  Deutungen  den  Vorzug  vor  allen  anderen  einräumen. 
Sie  lassen  sich,  so  gut  dies  bei  der  Darstellung  in  der  Ebene 
möglich  ist,  durch  folgende  Bilder  veranschaulichen; 

Si  — Na  Si  —  AI 

Albit:         pSi  Anorthit:        ^)Ca 

Si  — Äl  Si  — AI 


374 


G.  Tschermak,  Konstitution  der  Feldspate. 


Die  Versuche  mit  Labradorit  stimmen  mit  den  für  Albi 
und  Anorthit  erhaltenen  Ergebnissen  überein.  Danach  zu  ui 
teilen,  liefert  jeder  Plagioklas  von  der  Mischung  AbrAn,  nacl 
der  Zersetzung  mit  Salzsäure  ein  Gemisch,  dessen  Zusammen 
Setzung  durch  rSiÄ07Ha.25Si08H2  ausgedrückt  werden  kanr 
Ich  muß  es  der  Zukunft  überlassen,  dieses  Gesetz  durch  ferner 
Versuche  zu  bestätigen. 

Am  Orthoklas  habe  ich  bisher  noch  keine  Versuch 
angestellt.  Bei  der  Ähnlichkeit  mit  Albit  steht  es  wohl  auße 
Zweifel,  daß  auch  erstere  Verbindung  von  einer  Säure  Si807  H 
abzuleiten  ist,  doch  erscheint  es  möglich,  daß  derselben  ein 
Struktur  zukommt,  die  von  jener  der  Albitsäure,  wenn  aucl 
nur  wenig,  verschieden  ist. 

Der  Leucit  wäre  nach  meinem  Dafürhalten  von  eine 
Säure  Si206H4  abzuleiten.  Dieser  Formel  entsprechen  abe 
zwei  Isomere: 

H2zzSi=:Si=Ha     und     H— Sa— Si=H8, 

welche  zur  Wahl  stehen.  Die  Entscheidung  wird  sich  ergeben 
sobald  neue  Tatsachen  bekannt  sein  werden.  Einstweilen  halt 
ich  die  zweite  Art  der  Struktur  für  wahrscheinlicher  un< 
betrachte  den  Leucit  als  eine  Verbindung,  die  nach  dem  Bild< 

K-Si-Si=Al 

zusammengesetzt  ist.  Die  Beziehung  zum  Analcim  dürfte  z\ 
einem  sicheren  Ergebnisse  leiten. 


375 


Ober  einige  Landplanarien 

von 
Dr.  Bruno  Busson. 


H 


(Mit  1  Tafel  und  5  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  7.  Mai  1903.) 

Im  folgenden  sollen  einige  tropische  Landplanarien  aus 
der  Sammlung  des  zoologischen  Institutes  zu  Graz  systematisch 
und  anatomisch  beschrieben  werden,  und  ich  benütze  diesen 
Anlaß,  um  den  Herren  Professoren  L.  v.  Graff  und  L.  Böhmig 
meinen  herzlichsten  Dank  für  den  Anteil,  welchen  sie  an 
dem  Zustandekommen  dieser  Arbeit  genommen  haben,  aus- 
zusprechen. 

Im  ersten  Abschnitte  wird  eine  neue  polynesische  Form 
beschrieben  werden,  die  wegen  ihrer  äußeren  Ähnlichkeit  mit  Pel- 
matoplana  sondaica  (Loman)1  eine  neuerliche  Untersuchung 
dieser  letzteren  veranlaßte;  der  zweite  Abschnitt  ist  einigen 
südamerikanischen  Geoplana-Arten  gewidmet. 

I. 

Pelmatoplana  wlUeyl  n.  sp. 

(Taf.  I,  Fig.  1  bis  7;  Textfig.  1). 

Es  liegen  zahlreiche,  von  Dr.  A.  Willey  im  Jahre  1896 
auf  Lifu  (Loyalty  Islands)  gesammelte  Exemplare  vor. 


1   L.  v.  Graff,  Monographie   der  Turbellarien;  II.   Tricladida  ttrricola 
(Undplanarien).  Leipzig  1899,  S.  389. 


376 


B.  Busson, 


Der  langgestreckte  Körper  ist  gegen  beide  Enden  ganz 
allmählich  verjüngt,  so  daß  er  seine  größte  Breite  etwa  in  dei 
Körpermitte  oder  in  der  Pharyngealregion  besitzt.  Er  ver- 
schmälert sich  ganz  allmählich  gegen  das  abgerundete  Vorder« 
ende,  rasch  zu  dem  stumpf  zugespitzten  Hinterende.  Im  Quer- 
schnitt ist  die  Rückenfläche  konvex,  die  Bauchfläche  konka\ 
und  im  Leben  dürfte  dieses  Tier  dorsoventral  abgeplattet  sein 

Das  größte  Exemplar  erreicht  eine  Länge  von  30  mm  bei 
einer  Breite  von  2  mm,  das  kleinste  ist  IS  mm  lang  und  bis 
2  mm  breit.  Die  Mundöffnung  liegt  bei  dem  30  mm  langer 
Exemplare  18- 5  mm,  die  Geschlechtsöffnung  22mm;  bei  einem 
anderen,  28  mm  langen,  1 9  mm  und  23  mm  vom  Vorderendc 
entfernt.  Während  also  die  Geschlechtsöffnung  stets  im  letzter 
Körperdrittel  liegt,  findet  sich  die  Mundöffnung  entweder  eben- 
falls im  letzten  oder  am  Ende  des  zweiten  Drittels. 

Was  die  Färbung  anlangt,  so  zeigt  sich  insofern  ein  Unter- 
schied, als  die  Grundfarbe  des  Rückens  bald  schmutziggelb- 
braun, bald  braunrot  ist.  Auch  in  der  Zeichnung  des  Rücken« 
ergeben  sich  Verschiedenheiten.  Doch  ergab  sich  für  die  beider 
in  Taf.  I,  Fig.  1  und  2,  abgebildeten  Farbenvarietäten  eine  völlige 
Übereinstimmung  in  den  anatomischen  Verhältnissen.  Dorsal 
findet  sich,  von  einem  Ende  zum  anderen  reichend,  eir 
Medianstreifen  und  zwei  laterale,  welche  jedoch  bis  an  da« 
Ende  getrennt  verlaufen.  Diese  Streifen  weisen  eine  schwärz 
liehe  Farbe  auf,  die  bei  den  rötlichen  Tieren  einen  Stich  im 
Violette  erhält.  Auch  sind  bei  letzteren  alle  drei  Längsstreifer 
gegen  die  Grundfarbe  schärfer  abgesetzt  und  von  ziemlich 
gleicher  Breite  (Fig.  2),  während  bei  den  gelbbraunen  Exem 
piaren  der  Medianstreif  im  Verhältnisse  zu  den  lateralen  sehi 
schmal,  aber  schärfer  konturiert  erscheint,  die  letzteren  hingeger 
öfter  in  die  Grundfarbe  diffus  übergehen  (Fig.  1).  Da  sich  die 
Rückenfarbe  auf  die  ventrale  Seite  überschlägt,  kann  mar 
umso  deutlicher  die  hellgraue  Kriechieiste  erkennen;  dieselbe 
nimmt  die  Hälfte  der  Bauchfläche  ein  und  verjüngt  sich  all 
mählich  gegen  die  Körperspitzen  hin.  Die  ansehnliche  Breite 
der  Kriechleiste  ist  umso  auffallender  und  verdient  hervor 
gehoben  zu  werden,  da  bei  allen  bis  jetzt  untersuchten  Pel 
matoplana- Arten  die  Breite  der  Kriechleiste  höchstens  1/b  bu 


Ober  einige  Landplanarien. 


377 


fA  der  Bauchfläche  beträgt  Die  dorsale  Seite  zeigt  häufig 
iber  der  Geschlechtsöffnung  eine  heller  gefärbte  Auftreibung 
Fig.  2,  x). 

An  dem  meist  heller  gefärbten  Vorderende  erkennt  man 
chon  mit  Hilfe  einer  Lupe  als  deutlich  wahrnehmbare, 
chwarze  Pünktchen  die  einreihig  und  dicht  stehenden  Augen 
Mg.  1,  au);  sie  sind  jedoch  nicht  auf  das  Vorderende  be- 
chränkt,  sondern  lassen  sich  an  in  Xylol  aufgehellten  Exem- 
laren  bis  zur  hinteren  Körperspitze  verfolgen.  Auch  sind  die 
.bstände  zwischen  den  einzelnen  Augen  in  den  übrigen 
[örperpartien  größer  und  unregelmäßiger,  als  dies  am  Kopf- 
jile  der  Fall  ist.  Über  diese  Größenunterschiede  als  solche 
rerde  ich  weiter  unten  Näheres  mitteilen.  Die  Zahl  der  Augen 
ürfte  jederseits  etwa  70  betragen,  doch  machen  sich  Unter- 
:hiede  je  nach  der  Länge  des  Tieres  bemerklich.  Vier  kleinere 
ugen  stellen  am  äußersten  Vorderende,  etwas  dorsal  gerückt, 
ne  Art  Verbindung  zwischen  den  seitlichen  Reihen  dar. 

Im  Vergleiche  zu  Pelm.  willeyi  ist  Pelm.  sondaica  weniger 
:hlank,  die  Enden  sind  mehr  abgerundet.  Der  Querschnitt  ist 
rehrund  mit  vorspringender  Kriechleiste,  die  aber  nur  1/5  der 
auchfläche  einnimmt.  Leider  habe  ich  nur  in  Sublimat  kon- 
srvierte  Exemplare  zum  Vergleiche,  bei  welchen  die  Färbung 
:hon  gelitten  hat  Die  graubraune  Rückenfarbe  scheint  nicht 
iif  die  ventrale  Seite  überzugreifen,  wenigstens  nicht  in  dem 
laße  wie  bei  Pelm.  wüleyi,  und  der  Medianstreifen  ist  im  Ver- 
ältnisse  zu  den  lateralen  breiter. 


V 

V 


1.  Epithel  und  seine  Einlagerungen. 

Nach  Graffs  Angaben  besteht  das  einschichtige  Epithel 
er  Landplanarien  aus  nur  einer  Zellenart,  Bergen  dal1  be- 
treibt dagegen  bei  Plac.  ketvensis  noch  schmälere,  stäbchen- 
>rmige  Zellen,  die  möglicherweise  Sinnesorgane  sein  könnten, 
leine  Befunde  weichen  von  denen  Graffs  insofern  ab,  als 
h  außer  den  gewöhnlichen  zylindrischen,  cilientragenden 
eilen  noch  birnförmige,  der  Cilien  entbehrende  auffinde. 


1   D.  Bergen  dal,  Zur  Kenntnis  der  Landplanarien.   Zoolog.  Anzeiger, 
.  Jahrg.,  Leipzig  1887,  p.  233. 


il 


I 


378 


B.  Busson, 


Die  schlanken  Zellen  der  Kriechleiste  (Taf.  I,  Fig.  3, 
erreichen  eine  Höhe  von  16  ft  mit  bis  5  fi  langen  und  der 
Cilien,   deren   dunkelgefärbte  Wurzelstücke   einen  deutlic 
Saum  bilden.   Bezüglich  des  Baues  der  letzteren  verweise 
auf  die  Darstellung,  die  Graff  (1.  c,  p.  44)  gegeben  hat. 

Eine  Cuticula,  wie  sie  Lehnert1  für  Bipalium  ketve 
ebenso  Vejdovsky2  für  Mikroplana  beschrieben  haben,  c 
einen  verdichteten  Plasmasaum  im  Sinne  von  Woodwor 
oder  Chichkoff4  habe  ich  nirgends  wahrnehmen  können, 
ovalen,  4  bis  5  jjl  großen,  scharf  konturierten  Kerne  liegen 
basalen  Teile  der  Zellen  der  Basalmembran  dicht  an.  Sie  s 
ähnlich  wie  Graff  es  für  G.  rufiventris  angibt,  meist  von  ei 
kompakten  zentralen  Plasmaschicht  umgeben,  die  in  der  Hai 
achse  gegen  das  freie  Ende  der  Zelle  ausgezogen  ersehe 
Dorsal  ist  das  Epithel  etwa  um  1  y.  höher  als  ventral  und  tr 
kurze,  feine  Cilien,  die  jedoch  nur  stellenweise  gut  erhal 
sind.  Seitlich  und  an  den  Grenzen  der  Kriechleiste  ist 
Epithel  niedriger,  doch  ist  der  Unterschied  und  der  Übergi 
der  einzelnen  Zonen  ineinander  niemals  unvermittelt  oder 
besonders  auffallender.  Am  Kopfe  beträgt  die  Höhe  des  Epitt 
nur  mehr  durchschnittlich  10  pi,  aber  mit  fast  halb  so  hol 
Kernen.  Eingesenkte  Zellen  fand  ich,  die  Sinneskante  a 
genommen,  nicht  vor.  Was  die  Verbindung  der  einzelnen  Zel 
anlangt,  so  schreibt  Graff  (1.  c,  p.  41):  »  . .  .und  nur  in  ein 
einzigen  Falle  —  bei  Pelm,  sondaica  —  finde  ich  die  dorsa 
Epithelzellen  untereinander  durch  seitliche,  feine  Plasmaf 
sätze  (statt  durch  Kittsubstanz)  verbunden«  und  dann  weil 
hin:  »Auf  mit  Boraxkarmin  tingierten  Flächenschnitten  du 
das  dorsale  Epithel  fällt  auf,  daß  jede  Zelle  mit  einer  membr 


i  G.  H.  Lehnert,  Beobachtungen  an  Landplanarien.  Archiv  für  Na 
geschichte,  57.  Jahrg.,  Berlin  1891,  p.  332. 

2  Fr.  Vejdovsky,  Note  sur  une  nouvelle  Planaire  terrestre  (Micropl 
humicola  nov.  gen.-  nov.  spec).  Revue  biologique  du  Nord  de  la  France.  T 
No  4.  Lille,  Jan  vier  1890  (Extrait). 

B  W.  M.  Woodworth,  Contributions  to  the  Morphology  of  the  Tur 
laria  I.  On  the  strueture  of  Phagocata  gracilis  Leidy.  Cambridge  1891,  p.  8. 

*  G.  Chichkoff,  Recherches  sur  les  Dendrocoeles  d'eau  douce  ( 
clades).  Archives  de  Biologie,  T.  XII.  Liege  1892,  p.  456. 


Ober  einige  Landplanarkn.  379 

artigen  Verdickung  ihres  peripheren  Endes  umkleidet  ist  Von 
derselben  gehen  ringsum  feine,  unregelmäßige  Fortsätze  ausr 
die  mit  denen  der  benachbarten  Zellen  anastomosieren«.  Auch 
bei  Pelm.  willeyi  finde  ich  die  Zellen  der  dorsalen  Seite,  wo 
solche  frei  von  Einlagerungen  sind,  mit  einer  membranartigen 
Verdickung  am  peripheren  Ende  umgeben  und  sah  auch  öfters 
von  dieser  zur  benachbarten  Zelle  feine,  unregelmäßige  Fort- 
sätze übertreten. 

Die  zwischen  den  gewöhnlichen  Epithelzellen  da  und  dort, 
namentlich  in  den  seitlichen  und  dorsalen  Partien  befindlichen, 
bedeutend  breiteren,  birnförmigen  Zellen  besitzen  beträchtlich 
größere,  stets  runde  Kerne,  welche  von  einem  feinen  Gerüste 
durchzogen  werden,  dem  Chromatinbrocken  aufliegen. 

In  auffallendem  Gegensatze  zu  dem  fibrillär  gestreiften 
Plasma  der  umgebenden  Zellen  findet  sich  hier  eine  sehr  fein- 
maschige, aber  deutlich  zu  erkennende  Struktur.  Diese  so  gänz- 
lich von  den  übrigen  verschiedenen  Zellen,  in  denen  steh 
häufig  körnige  Einlagerungen  vorfinden,  halte  ich  ihrer  ganzen 
Form  und  Bauart  nach  für  einzeilige  Drüsen.  Auch  Moseley1 
beschreibt  für  Rhynchodemus  und  Bipalium  einzellige  Drüsen 
im  Epithel. 

Wenn  ich  auch  die  von  Bergendal  beschriebene  Sinnes- 
zellen  an  meinem  Objekte  nicht  auffinden  konnte,  so  zweifle 
ich  an  der  Richtigkeit  dieser  Angaben  umsoweniger,  als  ich 
stärkere  Züge  von  Nervenfibrillen  von  dem  Hautnervenplexus 
bis  zur  Basalmembrane  verlaufen  sah. 

Als  Einlagerungen  in  den  Epithelzellen  finden  sich  zu- 
nächst Stäbchen  und  weiterhin  Sekrete  erythrophiler  und 
cyanophiler  Drüsen.  Das  grobkörnige  Drüsensekret  liegt  in  und 
zwischen  den  Epithelzellen.  Die  Stäbchen  sind  dorsal  und  seit- 
lich so  massenhaft  im  Epithel  vorhanden,  daß  sie  einen  kon- 
tinuierlichen Stäbchenwall  bilden,  der  bis  in  die  Nahe  der 
Kriechleiste  reicht  und  nur  auf  kurze  Strecken  die  Zellen  frei- 
läßt. Nur  im  Vorderende  finden  sie  sich  seitlich  spärlicher,  frei 
von  Stäbchen  bleibt  nur  die  Sinneskante, 


1  H.  N.  Moseley,  On  the  Anatomy  und  Histology  of  the  Landplanarians 
of  Ceylon.  Phil.  Trans,  of  the  Royal  Society  1874.  London  1875,  pT  15. 


, 


380 


B.  Busson, 


Während  die  von  Graff  untersuchten  Peltnatoplai 
Arten  teils  in  größerer  (Pelm.  moluccana),  teils  in  geringe 
Menge  {Pelm.  trimeni)  Chondrocysten  im  Epithel  enthielt 
vermisse  ich  dieselben  bei  Pelm.  willeyi.  An  den  Grenzzor 
der  Kriechleiste  und  manchmal  dorsal  fand  ich  hinter  d 
Kopulationsapparat  allerdings  vereinzelte,  größere,  spinc 
förmige  Stäbchen,  an  denen  ich  jedoch  niemals  die  sonst  c 
Chondrocysten  eigene,  aus  getrennten  Kügelchen  besteher 
Marksubstanz  nachzuweisen  vermochte.  Alle  übrigen  Stäbct 
sind  zum  größeren  Teile  Rhabditen,  zum  kleineren  Rhammite 
Die  Gestalt  der  ersteren  ist  zumeist  keulenförmig,  seltei 
spindel-  oder  keilförmig;  das  abgerundete  Ende  ist  d 
distalen,  das  spitze  dem  basalen  Teile  der  Epithelzellen  : 
gekehrt.  Häufig  sind  sie  wellig  gebogen  oder  auch  das  e 
Ende  eingerollt.  Die  Mehrzahl  überragt  die  Epithelzellen  i 
um  ein  Weniges  an  Höhe,  selten  erreichen  sie  eine  Lär 
von  20  |jl.  Sehr  kleine  Rhabditen,  die  nur  1  bis  3  pi  lang  si 
treten  vorwiegend  am  äußersten  Kopfende  und  in  der  Krie 
leiste  auf;  an  dem  ersteren  sind  sie  meist  so  klein  und  stel 
so  dicht,  daß  sie  eine  Art  Saum  bilden.  Die  Rhammiten  sind 
keine  bestimmte  Zone  gebunden,  sie  fehlen  nur  auf  der  Bau 
seite,  was  auch  Graff  für  die  übrigen  Pelmatoplana-Spez 
angibt. 

Nach  Woodworth  (1.  c,  p.  16)  liegen  die  Stäbchen  int 
cellulär,  während  Jijima,2  Chichkoff  (I.e.,  p.  2)  i 
Krsmanovic3  ihnen  eine  intracelluläre  Lage  zuschreiben.  ! 
Pelm.  willeyi  finde  ich  die  Stäbchen  sowohl  intercellulär 
auch  intracellulär.  Die  Stäbchenbildungszellen  liegen  zieml 
tief  im  Mesenchym  unter  dem  Hautmuskelschlauche. 

2.  Drüsen  der  Haut. 

Graff   unterscheidet    zweierlei    Hauptdrüsenformen, 
cyanophilen  oder  Schleimdrüsen  und  die  erythrophilen  o 


i  L.  v.  Graff,  1.  c.  p.  55. 

2  J.  Jijima,  Untersuchungen  über  den  Bau  und  Entwicklungsgeschi 
der  Süßwasserdendrocoelen  (Tricladen).  Zeitschr.  für  wiss.  Zool.  Bd.  XL,  p 
Leipzig  1884. 

3  K.  Krsmanovic,  Beiträge  zur  Anatomie  der  Landplanarien.  Zeits 
für  wiss.  Zool.  Bd.  LXV,  p.  181.  Leipzig  1898. 


Über  einige  Landplanarien.  38 1 

Eiweißdrüsen.  Diesen  Angaben  kann  ich  insoferne  Neues 
hinzufügen,  als  ich  für  Pelm.  tvilleyi  das  Vorkommen  einer 
dritten  Drüsenform  festzustellen  vermag,  die  ich  in  der  Literatur 
nirgends  erwähnt  finde  und  die  von  den  bisher  bekannten  nicht 
unwesentlich  abweicht. 

Während  bei  den  meisten  Pelmatoplana- Arten  die  cyano- 
philen  Drüsen  vorwiegend  auf  der  Kriechleiste  münden,  ist 
dies  bei  Pelm.  tvilleyi  nicht  der  Fall,  wenigstens  nicht  in  so 
ausgesprochenem  Maße.  In  der  hinteren  Körperhälfte  mündet 
allerdings  der  größere  Teil  dieser  Drüsen  auf  der  Kriechleiste 
aus,  doch  ist  in  der  vorderen  eine  schärfere  Scheidung  über- 
haupt nicht  vorzunehmen.  Die  birnförmigen  oder  klumpigen 
Zelleiber  liegen  dorsal,  seitlich  und  ventral  vom  Darme.  Ihre 
Ausführungsgänge  sind  nicht  selten  verästelt  und  schwellen 
meist  dort,  wo  ein  feiner  Zweig  abgeht,  knopfartig  an,  oft 
erscheinen  sie  nur  als  ganz  feine,  aus  aneinandergereihten 
Sekretkügelchen  bestehende  Fädchen.  Sie  nehmen  ihren  Weg 
zwischen  den  Längsbündelchen  des  Hautmuskelschlauch <.:< 
hindurch  oder  dringen  in  diese  selbst  ein  und  durchsetzen  ver- 
einzelt die  Längsnervenstämme  und  den  als  Gehirn  bezeich- 
neten Abschnitt  der  letzteren.  Selbst  in  der  Sinneskante  trifft 
man  sie  an. 

Die  vorwiegend  auf  der  dorsalen  Seite  mündenden  erythro- 
philen  Drüsen  konnte  ich  nur  in  der  Pharyngeaigegend  sicher 
bis  in  das  Epithel  verfolgen,  wogegen  man  sonst  nur  ihr  auf- 
gestautes Sekret  in  den  Zellen  findet,  die  Ausführungsgäru 
selbst  jedoch  nicht  mehr  kenntlich  sind.  Sie  wurden  bisher  nur 
bei  Pelm.  trimeni  nachgewiesen. 

Die  Zelleiber  der  erwähnten  dritten  Form  von  Drüsen 
finden  sich  gemeinschaftlich  mit  den  früher  genannten  oberhalb 
des  Darmes.  Sie  sind  von  unregelmäßiger,  meist  klumpiger 
Gestalt  und  man  kann  an  ihnen  einen  breiteren  peripheren 
Kontur,  der  sich  mit  Hämatoxylin  sehr  dunkel  tingiert,  unter- 
scheiden. Das  Innere  der  Zelle  ist  von  einem  feingranulierten 
Sekret  erfüllt  und  manchmal  vermochte  ich  an  der  Zelle  selbst 
em  engmaschiges,  wabiges  Gerüst  zu  erkennen.  Von  diesen 
Drüsen  ziehen  stets  breite,  unverästelte  Ausführgänge  zum 
dorsalen  und  seitlichen  Epithel,  welches  sie  meist  intercellulür 


382 


B.  Busson, 


! 


't 


direkt  durchsetzen.  Das  Sekret  nimmt  mit  den  die  cyanophile 
und  erythrophilen  Drüsen  so  charakteristisch  färbenden  Me 
thoden  in  den  Zellen  selbst  einen  schwachen  rotvioletten  To 
an,  meist  jedoch  bleibt  es  wie  in  den  Ausführungsgängen  fas 
vollständig  ungefärbt. 

3.  Basalmembran. 

Die  Basalmembran  (Taf.  I,  Fig.  6,  bm)  stellt  eine  außen 
dünne,  homogene  Membran  dar,  die  stellenweise  unterbroche 
ist.  Ein  granuliertes  Aussehen,  wie  dies  Chichkoff  (1.  c,  p.  \ 
angibt,  habe  ich  nicht  wahrgenommen,  eher  scheint  sie  m 
doppelt  konturiert  zu  sein.  Ein  gezähneltes  Aussehen,  wi 
dies  Woodworth  (1.  c,  p.  16)  für  Phagocata  beschreibt,  od< 
zapfenartige  Erhebungen  im  Sinne  Jijima's  (I.e.,  p.  376)  hat 
ich  nicht  bemerkt.  Am  besten  sichtbar  ist  sie  auf  der  dorsale 
und  lateralen  Seite,  nur  undeutlich  erkennbar  im  Bereiche  d< 
Sinneskante  und  der  Kriechleiste,  doch  scheint  sie  überall  vc 
gleicher  Dicke  zu  sein,  wobei  diese  niemals  1  |i  überschreite 

Obgleich  das  Epithel  dorsal  von  Stäbchen  vollgepfrop 
ist,  ist  die  Basalmembran  gerade  an  diesen  Stellen  am  deu 
lichsten,  was  auf  ihre  außerordentlich  weiche  und  nachgiebig 
Beschaffenheit  hindeutet,  auf  welche  schon  Jijima  (p.  37< 
und  Graff  (p.  53)  hinweisen. 


. 


4.  Mesenchym  und  Pigment. 

Nach  Kennel1  besteht  das  Mesenchym  bei  Rh.  terrestr 
aus  einer  feinkörnigen  Grundsubstanz,  in  welcher  zahlreicl 
Kerne  und  Fasern  liegen,  während  es  nach  Jijima  bei  dt 
Süßwasserformen  aus  verästelten  und  untereinander  anastom 
sierenden  Zellen  gebildet  wird;  dieser  letzteren  Ansicht  pflichte 
die  meisten  späteren  Autoren  bei.  Mir  erscheint  als  die  bes 
und  klarste  Darstellung  über  den  Bau  und  die  Entstehung  d< 


1  J.  v.  Kennel,  Die  in  Deutschland  gefundenen  Landplanarien  Rkynck 
demus  terrestris  O.  F.  Müller  und  Geodesmus  bilineatus  Meczniko 
Arbeiten  aus  dem  zool.-zoot.  Institut  in  Würzburg.  Bd.  V.  Würzburg  1882,  p. 


Über  einige  Landplanarien. 


383 


Bindegewebes  jene  zu  sein,  welche  von  Böhmig1  für  Rhabdo- 
coelen  vertreten  wird;  sie  ist  am  besten  für  Pelm.  tvilleyi  an- 
wendbar. Hier  stellt  das  Bindegewebe  ein  Netzwerk  aus  feinen, 
sich  kreuzenden  und  verästelnden  Bälkchen  dar,  welche  bald 
größere,  bald  kleinere  Lückenräume  umschließen.  Am  engsten 
und  zartesten  finde  ich  dieses  Reticulum  zwischen  Längs- 
muskelbündeln  und  Basalmembran,  weitmaschiger  im  all- 
gemeinen auf  der  dorsalen  Seite.  Übrigens  wechselt  seine 
Struktur  in  den  verschiedenen  Körperpartien  oft  sehr,  was 
jedenfalls  mit  den  verschieden  starken  Kontraktionen  der  ein- 
zelnen Partien  zusammenhängt.  Im  allgemeinen  jedoch  erscheint 
mir  das  Mesenchym  in  den  zentralen  Partien  regelmäßiger, 
aber  etwas  weitmaschiger  als  in  den  peripheren. 

Die  feinen  Bälkchen,  die  oft  granuliert  erscheinen,  um- 
hüllen sämtliche  Organe,  insbesondere  dringen  sie  in  den  Haut- 
muskelschlauch mit  äußerst  zarten  Fortsätzen  ein,  doch  konnte 
ich  sie  darin  niemals  so  weit  verfolgen,  um  zu  entscheiden,  ob 
sie  die  Bündel  bloß  in  Abteilungen  zerlegen  oder  auch  die  ein- 
zelnen Fasern  umhüllen,  wie  dies  von  mehreren  Autoren 
angegeben  wird.  Häufig  lagen  Kerne  zwischen  und  an  den 
Bälkchen,  die  nur  selten  einen  zugehörigen  Zellkörper  auf- 
wiesen. Freie  Bindegewebszellen,  wie  sie  Graff  für  G.  ruß- 
ventris  nachweist,  scheinen  Pelm.  tvilleyi  zu  fehlen.  Dieses  von 
Bälkchen  gebildete  Maschenwerk  enthält  häufig  in  seinem 
Innern  eine  vollständig  farblose  oder  sehr  blaß  und  unbestimmt 
gefärbte  Masse,  an  der  ich  in  einigen  Fällen  eine  äußerst  feine, 
wabige  Struktur  zu  erkennen  glaube. 

Auf  einige  Besonderheiten  des  Mesenchyms,  insbesondere 
auf  eine  eigentümliche  Differenzierung  desselben  beim  weib- 
lichen Kopulationsapparate,  werde  ich  an  Ort  und  Stelle 
zurückkommen. 

Ein  braunes,  grobkörniges  Pigment  findet  sich  in  der 
medianen  und  in  den  beiden  lateralen  Zonen.  Es  erscheint  den 
Bindegewebsbälkchen  aufgelagert,  und  zwar  sowohl  jenem 
feineren   Reticulum,    welches    zwischen    Basalmembran    und 

1  L.  Böhmig,  Untersuchungen  über  rhabdocoele  Turbellarien  II.  Plagio- 
siomina  und  Cylindrostomina  Graff.  Zeitschr.  für  wiss.  Zool.  Bd.  LI.  Leipzig 
1891,  p.  203. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  25 


384  B.  Busson, 

Längsmuskeln  liegt,  als  auch  dem  zwischen  letzteren  durch 
ziehenden  Gerüstwerke.  Besondere  Pigmentzellen  als  solche 
vermisse  ich. 

5.  Muskulatur. 

Die  Körpermuskulatur  wird  wie  bei  allen  Landplanarien  aucl: 
bei  Peltn.  willeyi  durch  den  subcutanen  Nervenplexus  deutlich 
in  den  Hautmuskelschlauch  und  die  Parenchymmuskulatui 
geschieden.  Woodworth  behauptet,  daß  die  der  Basalmembrar 
dicht  anliegenden  Ringmuskeln  Eindrücke  auf  derselben  hervor 
rufen  sollen,  was  Graff  bestreitet,  dessen  Ansicht  ich  für  Pelni 
willeyi  nur  bestätigen  kann.  Die  Ringmuskelschichte  besteh 
dorsal  wie  ventral  nur  aus  einer  Lage  von  Fasern,  ebenso  wie 
die  sich  kreuzenden  Fasern  der  Diagonalschichte,  welche 
zwischen  diesen  und  den  Längsbündeln  liegen.  Die  einzelner 
Muskeln  beider  Lagen  sind  von  ungefähr  gleicher  Stärke  unc 
beide  etwas  schwächer  als  die  in  Bündeln  geordneten  Längs 
muskeln.  Die  Längsmuskelbündel  sind  außerordentlich  gut  ent 
wickelt  (Taf.  I,  Fig.  3  und  6,  hml  und  htnlj  im  Gegensatze  zi 
allen  übrigen  darauf  untersuchten  Pelmatoplana- Arten,  be 
welchen  der  Hautmuskelschlauch  stets  nur  schwach  aus- 
gebildet ist  (Graff,  1.  c,  p.  75  und  83). 

In  manchen  Bündeln  finde  ich  25  bis  50  Fasern  vereint 
also  fast  das  Zehnfache  als  beispielsweise  bei  Pelm.  moluccana 
Die  einzelnen  Bündel  sind  stets  scharf  gesondert,  häufig  lang- 
gestreckt und  verschmälert,  also  senkrecht  zur  Längsachse  des 
Körpers,  um  den  gebotenen  Raum  möglichst  auszunützen.  Nur 
in  der  Gegend  des  Pharynx  und  des  Kopulationsapparates 
werden  die  Bündel  gezwungen,  sich  kompakter  und  ovaler  zu 
gestalten.  Kurz  vor  Beginn  des  Pharynx  zähle  ich  gegen  240 
solcher  Längsmuskelbündel  auf  einem  Querschnitte.  Dorsal 
sind  die  einzelnen  Bündel  mächtiger  und  größer  als  im  Bereiche 
der  Kriechleiste,  oft  zwei-  bis  dreimal  so  mächtig,  aber  der 
Zwischenraum  zwischen  den  einzelnen  Bündeln  ist  größer  als 
auf  der  ventralen  Seite,  wo  die  lang  ausgezogenen  Bündel 
äußerst  dicht  stehen.  Sie  erreichen  hier  eine  Höhe  von  65  pi  bei 
einer  Breite  von  25  (i.  In  den  Seitenkanten  nehmen  dieselben 
bedeutend  an  Stärke  ab  und  sind  unter  der  Sinneskante  meist 
gar  nicht  mehr  nachweisbar. 


Ober  einige  Landplanarien.  385 

Kerne  an  oder  in  diesen  Muskelfasern,  wie  sie  von  Weis- 
mann,1 Jander,8  Chichkoff  (l.  c.)  und  Krsmanovic  (1.  c.) 
beschrieben  wurden,  habe  ich  nirgends  gefunden. 

Die  einzelnen  Fasern  zeigen  einen  dreieckigen  oder 
oblongen  Querschnitt.  Die  nach  der  van  Gieson'schen  Methode 
gefärbten  Präparate  lassen  an  den  Längsmuskeln  eine  zentrale 
Sarkoplasmamasse  erkennen,  die  von  einer  kontraktilen  Rinde 
umgeben  wird,  an  der  ich  aber  einzelne  Fibrillen  nicht  zu 
unterscheiden  vermag.  Die  feineren  Ringmuskeln  erscheinen 
mir  nach  jenem  Typus  gebaut,  den  Graf  f  für  G.  rufiventris  an- 
gibt Jedenfalls  ist  der  Bau  der  einzelnen  Fasern  kein  vollkommen 
einheitlicher,  was  auch  schon  von  Jander  (1.  c,  p.  7),  Lang,8 
Jijima  (1.  c,  p.  6),  Woodworth  (1.  c.,p.  16)  hervorgehoben  wird. 

Graff  unterscheidet  an  der  Parenchymmuskulatur  drei 
Hauptzüge,  longitudinale,  transversale  und  dorsoventrale.  Im 
besonderen  schreibt  genannter  Autor:  »In  dem  Genus  Pelmato- 
plana  ist  die  Verstärkung  der  Parenchymmuskulatur  noch 
weiter  gediehen  und  erreicht  ihren  Höhepunkt  bei  den  Arten 
Pelm.  moluccana  (tab.  XXVIII,  flg.  4  und  5),  sondaica  (Fig.  1 
und  2)  und  ijitnai.  Bei  diesen  sind  die  longitudinalen  Paren- 
chymmuskeln  nicht  bloß  durch  die  Dicke  ihrer  Fasern  vor  allen 
übrigen  Muskeln  des  Körpers  ausgezeichnet,  sondern  sie  ordnen 
sich  auch  zu  kräftigen  Bündeln,  die  den  ganzen  Leibesraum 
zwischen  Darm  und  Nervensystem  einerseits  und  der  Zone  der 
Stäbchenbildungszellen  anderseits  erfüllen«;  und  dann  weiter: 
>Im  Gegensatze  zu  der  letzterwähnten  Gruppe  der  Geoplana- 
Arten  ist  bei  Pelmatoplana  diese  hohe  Ausbildung  der  Paren- 
chymmuskulatur durch  einen  schwachen  Hautmuskelschlauch 
kompensiert«. 

An  den  mir  zur  Verfügung  stehenden  Präparaten  von 
Pelm.  sondaica    ist    dieses   Verhalten    der    Muskulatur    sehr 


1  A.  Weismann,  Über  die  zwei  Typen  kontraktilen  Gewebes  etc. 
Hcnlc  und  Pfeufers  Zeitschr.  für  rationelle  Medizin,  3.  Reihe,  Bd.  XV,  S.  94. 
Leipzig  und  Heidelberg  1862. 

2  R.  Jander,  Die  Epithelverhältnisse  des  Tricladenpharynx.  Zool.  Jahrb. 
Abt.  für  Anatomie  und  Ontogenie  der  Tiere,  Bd.  X,  S.  7,  Jena  1897. 

3  A.  Lang,  Der  Bau  von  Gunda  segmentata.  Separatabdruck  aus  den 
Mitteilungen  der  zoolog.  Station  zu  Neapel.  Bd.  III,  Leipzig  1882,  p.  194. 

25* 


i" 


I 


386 


B.  Busson, 


deutlich  zu  sehen.  Besonders  werden  die  schwach  entwickelte 
Längsfasern  des  Hautmuskelschlauches  durch  die  mächtige 
Longitudinalfasern  des  Parenchyms  kompensiert 

Bei  Pelm.  tvilleyi  ist  es  aber  gerade  umgekehrt,  indem  de 
sehr  kräftigen  Hautmuskelschlauche  eine  bedeutend  schwächei 
wenngleich  gut  ausgebildete  Parenchymmuskulatur  gegenübe 
steht.  Am  besten  entwickelt  erscheinen  die  transversalen  ui 
dorsoventralen  Fasern,  am  schwächsten  wieder  die  longitut 
nalen,  die  fast  ausschließlich  auf  die  ventrale  Seite  beschrän 
sind.  Die  Fasern  sind  oft  sehr  fein  und  nicht  selten  schwierig  v< 
Bindegewebselementen  zu  unterscheiden.  Die  longitudinal 
finde  ich  am  stärksten  ventral  und  seitlich  vom  Kopulation 
apparate  ausgebildet,  wo  sie  sich  manchmal  zu  kleinere 
lockeren  Bündeln  vereinigen,  sowie  fernerhin  unter  de 
Zentralnervensystem.  An  den  transversalen  kann  man  di 
Hauptzüge  unterscheiden:  einen  dorsalen,  einen  mittleren  ui 
einen  ventralen.  Die  beiden  letzteren  scheiden,  indem  si< 
besonders  zu  den  ventralen  noch  longitudinale  Fasern  geselle 
das  zentrale  Nervensystem  ein,  während  die  ersteren  don 
über  dem  Darme  liegen  und  mit  den  sie  kreuzenden  dors 
ventralen  Muskelfasern  ein  Geflecht  bilden,  welches  über  de 
Kopulationsapparate  und  Pharynx,  sowie  auch  seitlich  dav< 
eine  ziemliche  Mächtigkeit  erreichen  kann.  Das  periphe 
Bindegewebe  ist  viel  weniger  von  Parenchymmuskeln  durc 
zogen  als  das  zentrale.  Besondere  Retraktoren  für  das  Vord( 
ende  bildet  die  Parenchymmuskulatur  nicht,  da  ja  bis  an  d 
äußerste  Ende  sich  der  kräftige  Hautmuskelschlauch  fortset 
Ebensowenig  kann  man  von  einer  besonderen  Kriechleiste 
muskulatur  sprechen,  umsomehr  als  ja  schon  im  Hautmusk 
schlauche  in  dieser  Beziehung  eine  teilweise  Differenzierui 
eingetreten  ist.  Über  das  Verhalten  der  Parenchymmuske 
zum  Nervensystem,  Darm,  Basalmembran  etc.  verweise  ich  a 
die  einschlägigen  Kapitel  von  Graff's  Monographie,  da  ich  d 
diesbezüglichen  Angaben  nichts  hinzuzufügen  vermag. 

6.  Verdauungsapparat. 

Die  Mundöffnung  liegt,  wie  schon  erwähnt,  im  letzten  od 
zu  Ende  des  zweiten  Körperdrittels  und  auf  sie  schlägt  si 


Ober  einige  Landplanarien. 


387 


das  Kriechleistenepithel  über.  In  diesem  münden  cyanophile 
Drüsen  aus,  ferner  finden  sich  auch  vereinzelte  Rhabditen 
darin.  Ein  besonderer  Sphincter  ist  nicht  vorhanden. 

Die  Pharyngealtasche,  in  deren  viertem  Fünftel  die  Mund- 
öflhung  liegt,  stellt  ein  weites  Rohr  dar,  dessen  Längsachse  mit 
der  des  Tieres  zusammenfallt  und  dessen  Längsdurchmesser 
das  Dreifache  des  Querdurchmessers  beträgt.  Das  die  Pharyn- 
gealtasche auskleidende  Epithel  wird  durch  verschiedene  Zell- 
formen repräsentiert.  Einmal  der  Insertionsstelle  gerade  gegen- 
über, also  im  hinteren  blinden  Taschenende,  stehen  14  |jl  hohe, 
schlanke  Zellen,  deren  Plasma  fibrilläre  Struktur  aufweist. 
Dieses  Epithel  erscheint  wie  mit  Zotten  besetzt,  die  Zellen  des- 
selben sind  distal  mit  einem  dunkeltingierten  Saume  versehen. 
Häufig  kleben  den  Zellen  Sekretkügelchen  an,  die  jedoch  nicht 
den  Zellen  selbst  entstammen,  sondern  von  dem  Sekrete  der 
Pharynxdrüsen  herrühren. 

Dasselbe  Epithel  kleidet  auch  die  seitlichen  Partien  der 
Tasche  aus. 

Auf  der  dorsalen  Seite  findet  sich  ein  äußerst  niedriges 
Plattenepithel  mit  stark  abgeplatteten  Kernen.  Dieses  wird  oft 
so  niedrig,  daß  man  auf  den  ersten  Blick  an  ein  stellenweises 
Fehlen  der  Zellen,  wie  dies  Chichkoff  für  einige  Süßwasser- 
tricladen  beschreibt,  glauben  könnte.  Ventral  geht  das  Kriech- 
leistenepithel zunächst  in  ein  ähnliches  Plattenepithel  über,  wie 
es  sich  dorsal  findet.  Seine  Höhe  steigt  jedoch  bald  bis  auf  9  |x, 
wobei  die  Zellen  zylindrisch  werden,  sinkt  dann  abermals  und 
geht  ebenso  wie  das  dorsale  und  seitliche  etwas  vor  der  Inser- 
tion des  Pharynx  in  ein  Epithel  über,  das  vollkommen  jenem 
gleicht,  welches  die  äußerste  Schichte  des  Pharynx  bildet.  Da 
sich  unter  dieses  Epithel  auch  die  äußerste  Muskelschichte  des 
Pharynx  fortsetzt,  so  scheint  mir  Jander  im  Rechte  zu  sein, 
wenn  er  diesen  Teil  der  Pharyngealtasche  dem  Pharynx  selbst 
zurechnet  und  als  einen  Reserveabschnitt,  der  bei  der  Aus- 
stülpung mit  in  Verwendung  kommt,  auffaßt. 

Die  dünne  Muscularis  der  Tasche  erscheint  als  eine  direkte 
Fortsetzung  des  Hautmuskelschlauches.  Sie  ist  an  der  hinteren 
Wand  etwas  stärker  als  in  den  übrigen  Partien. 


388 


B.  Busson, 


Der  typisch  zylindrische  Pharynx,  welcher  genau  in  di 
Längsachse  des  Körpers  fällt,  besitzt  eine  Länge  von  l'&mt 
bei  einem  Querdurchmesser  von  0*62  mm. 

Die  äußere  Epithelschichte  besteht  aus  cilientragender 
eingesenkten  Zellen.  Eine  daruntergelegene  Basalmembra 
vermochte  ich  zwar  nicht  zu  erkennen,  wenn  ich  auc 
nicht  daran  zweifle,  daß  sie  vorhanden  und  mir  vielleicli 
nur  ihrer  Zartheit  halber  entgangen  ist.  Die  darauffolgend 
äußere  Muscularis  setzt  sich  aus  einer  drei-  bis  vierschichtigei 
Längs-  und  Ringmuskulatur  zusammen,  die  dem  Lumei 
zugekehrte  ist  kräftig  und  wird  von  unregelmäßig  vei 
flochtenen  Ring-  und  Längsfasern  gebildet  In  der  zwischei 
äußerer  und  innerer  Muscularis  gelegenen  Zone  verlaufe 
Längs-  und  Radiärmuskeln,  von  denen  erstere  den  Musculu 
retractor  pharyngis  darstellen.  Zum  größten  Teil  aber  is 
sie  erfüllt  von  den  Ausführgängen  erythrophiler  und  cyano 
philer  Drüsen.  Diese  sind  im  allgemeinen  derart  gruppiert,  dal 
außen  und  innen  die  cyanophilen,  zwischen  diesen  aber  di 
erythrophilen  Drüsengänge  liegen,  doch  ist  die  Scheidung  nich 
immer  streng  durchgeführt.  Die  Zelleiber  der  Drüsen  selbs 
finden  sich  außerhalb  des  Pharynx  im  umgebenden  Mesen 
chym,  besonders  ventral  vor  und  hinter  der  Rüsseltasche.  Di 
cyanophilen  münden  am  distalen  Ende  des  Pharynx  und  seit 
lieh  allenthalben  im  Epithel  aus,  während  die  erythrophilei 
ihrer  Hauptmasse  nach  nur  distal  münden.  Das  Epithel  de 
Lumens  ist  äußerst  niedrig  und  erscheint  vollständig  homoger 
ohne  daß  man  daran  Zellgrenzen  oder  -Kerne  wahrnehmei 
könnte.  Erst  kurz  vor  dem  eigentlichen  Darmmunde  werden  di< 
einzelnen  Zellen,  die  bedeutend  an  Höhe  zugenommen  haben 
deutlicher  und  lassen  große  Kerne  erkennen. 

Der  Darm  ist  nach  dem  bekannten  Triciadentypus  gebaul 
Der  unpaare  Ast  erstreckt  sich  bis  in  den  Kopfteil  und  ent 
sendet  zahlreiche  seitliche  Divertikel,  die  sich  ihrerseits  wiede 
verästeln.  Die  beiden  hinteren  verlaufen  getrennt  bis  zu 
Körperspitze.  Ihre  seitlichen  und  medianen  Divertikel  ver 
zweigen  sich  ebenfalls;  doch  kommt  es  zu  keiner  Anastomosen 
bildung  seitens  der  letzteren.  Die  Abzweigungen  selbst  sin< 
unregelmäßig  und  nicht  alternierend. 


Über  einige  Landplanarien,  389 

In  histologischer  Beziehung  verweise  ich  auf  die  ein- 
schlägigen Kapitel  der  Arbeiten  von  Graff  (1.  cM  p.  114), 
Minot,1  Kennel  (1.  c,  p.  134),  und  Dendy.* 

7.  Nervensystem  und  Sinnesorgane. 

Das  Nervensystem  von  Palm,  willeyi  ist  ganz  ähnlich 
gebaut  wie  jenes  von  Rh.  scharffi  und  besteht  zunächst  aus 
zwei  Längsnervenstämmen,  die  im  Vorderende  zu  einer  kom- 
pakten, von  dem  umgebenden  Mesenchym  nicht  immer  scharf 
abgegrenzten  Masse  verschmelzen.  Dieselbe  ist  ungefähr  1  mm 
lang,  liegt  zentral,  zum  größeren  Teile  jedoch  vom  vorderen 
Hauptdarme  bedeckt  und  besitzt  eine  dem  Querschnitte  des 
Vorderendes  entsprechende  plankonvexe  Gestalt;  jenes  Stück, 
dem  der  Darm  nicht  mehr  aufgelagert  istr  zeigt  eine  wenn  auch 
nicht  sehr  erhebliche  Anschwellung,  Kaudad  lockert  sich  diese 
Masse  mehr  und  mehr  und  es  treten  die  beiden  Längsnerven 
als  scharf  unterscheidbare  Stämme  hervor  Als  Gehirnabschnitt 
fasse  ich  nach  dem  Vorgange  Grafts  sowohl  diese  kom- 
pakte Masse  als  auch  die  beiden  Längsstämme  auf,  soweit 
diese  die  Sinnesgrübchen  innervieren,  deren  letztes  ungefähr 
l'Stnm  von  dem  Vorderende  entfernt  ist.  Von  ihm  strahlen 
zahlreiche  Sinnesnerven  nach  allen  Richtungen  aus,  besonders 
gegen  die  äußerste  Spitze,  welche  von  der  breiten  Sinneskante 
umsäumt  wird. 

Die  im  Querschnitte  rundlichen  oder  ovalen,  zirka  120[i 
dicken  Längsnervenstämme  nehmen  gegen  das  Hinlerende 
allmählich  an  Stärke  ab  und  gehen  getrennt  von  einander  in 
den  Hautnervenplexus  über.  Sie  werden  häufig  von  Paren- 
chymmuskeln,  vorwiegend  dorsoventralen,  durchzogen,  die 
sich  bald  hüllenartig  um  den  Stamm  legen,  bald  diesen  in 
drei  bis  vier  ziemlich  gleich  große  Partien  spalten. 

Die  Kommissuren  folgen  sehr  dicht  aufeinander,  doch 
keineswegs  in  genau  regelmäßigen  Abständen.    Die  vorderen 

1  S.  Minot,  Studien  an  Turbellarien.  Beiträge  zur  Kenntnis  der  FlfthnV 
Mathen.  Arbeiten  aus  dem  zool.-zoot.  Institute  in  Würzburg,  1876  bis  1377, 
ßd.  3,  p.  420. 

*  A.  Dendy,  The  Anatomy  of  an  Australian  Land-Plan&rian.  Trans- 
»ctionsof  the  Royal  Society  of  Victoria,  LS89,  Melbourne  1890,  p.  68. 


390 


B.  Busson, 


Kommissuren  kann  man  mit  Rücksicht  auf  ihre  Lage  all 
ventral,  die  hinteren  als  dorsal  bezeichnen.  Zwei  Kommissurei 
auf  einem  Querschnitt,  eine  dorsale  und  ventrale,  finden  siel 
in  geringer  Anzahl  kurz  vor  jener  Stelle,  wo  die  beidei 
Längsnerven  im  Vorderende  zu  jener  kompakten  Masse  ver 
schmelzen. 

Die  Seitennerven,  welche  durchaus  nicht  immer,  wie  e 
bei  den  Trikladen  sonst  häufig  der  Fall  ist,  an  jenen  Stelle 
entspringen,  wo  Kommissuren  auftreten,  sind  sehr  kräftig  un 
steigen  meist  anfangs  etwas  schräg  nach  oben,  wenigsten 
dort,  wo  Hoden  liegen.  Sie  gehen  in  die  Bildung  des  Haul 
nervenplexus  ein,  entsenden  aber  auch  feine  Äste  zum  Darm< 
Außer  ihnen  begeben  sich  auch  noch  von  den  Längsstämme 
feinere  dorsale  und  ventrale  Faserzüge  zum  Hautnervenplexu 
Dieser  letztere  (Taf.  I,  Fig.  6,  np)  ist  überall  deutlich  nach 
zuweisen  und  entsendet  breite  Ausläufer,  die  sich  oft  bis  a 
die  Basalmembran  verfolgen  lassen. 

Die  Sinneskante  umsäumt  das  Vorderende  vollständi 
und  setzt  sich  auf  beiden  Seiten,  wie  früher  erwähnt,  etw 
1  *  8  mm  weit  nach  hinten  fort.  Frontal,  wo  sie  gewellt  e 
scheint,  erreicht  sie  eine  Breite  von  1 16  (x,  verschmälert  sie 
zuerst  rasch,  dann  allmählich,  um  schließlich  zu  verlaufe) 
Die  Höhe  der  Epithelialplattenschichte  beträgt  7  jju  In  di 
Sinneskante  sind  spärlich  bis  an  ihr  Ende  einreihig  gestellt 
Grübchen  eingesenkt,  die  eine  Tiefe  von  20  |x  aufweisen  un 
deren  blindes  Ende  kugelig  erweitert  ist.  Sie  sind  21/2mi 
so  breit  als  die  Epithelialplattenschichte  hoch  ist.  Histologisc 
läßt  sich  an  ihnen  gar  nichts  erkennen,  auch  sind  sie  stai 
kontrahiert  und  nur  ihre  äußere  Kontur  sichtbar;  doch  dürfte 
sie  ebenso  wie  die  Sinneskante  nicht  wesentlich  von  dt 
bekannten  Bauart  abweichen. 

Die  Augen  stellen  invertierte  Kolbenaugen  dar,  wie  s: 
Graff  für  Geoplana-Arten  eingehend  beschrieben  hat.  S 
wechseln  etwas  in  Größe  und  Form,  je  nachdem  der  Pigmen 
becher  sich  mehr  der  Kugelgestalt  nähert  oder  schüsselarti 
verflacht,  ohne  daß  hiebei  auffallende  Unterschiede  im  Bat 
selbst  zu  erkennen  wären.  Die  Augen  liegen  im  Vorderenc 
seitlich   oder   etwas   dorsal   gerückt,   meist   dicht   unter  dei 


Ober  einige  Landplanarien. 


391 


Epithel  im  Hautmuskelschlauche,  während  sie  in  den  weiter 
nach  hinten  gelegenen  Partien  meist  unter  den  Hautmuskel- 
schlauch und  subventral  verlagert  sind.  Der  Pigmentbecher 
öffnet  sich  stets  gegen  das  Epithel.  Als  Maßzahl  für  die 
Größenunterschiede  zwischen  beispielsweise  einem  Auge  mit 
kugeligem  Pigmentbecher  am  Hinterende  und  einem  schüssel- 
artig verflachten  am  Vorderende  dienen  folgende  Durchmesser: 
25  |t  und  75  |x  zu  47  jjl 

8.  Geschlechtsorgane. 

Sowohl  in  der  Lagerung  der  Geschlechtsdrüsen  als  ins- 
besondere im  Baue  des  Kopulationsapparates  ergeben  sich 
einige  nicht  unwesentliche  Unterschiede  gegenüber  den  bis- 
her untersuchten  Pelmatoplana-Arten.  Der  Kopulationsapparat 
ist  bei  Pelm.  willeyi  bei  sämtlichen  geschnittenen  Individuen 
vollständig  ausgebildet,  wogegen  eine  gewisse  Protandrie  nicht 
zu  leugnen  ist,  indem  die  männlichen  Geschlechtsdrüsen  und 
deren  Ausführungswege  stets  vollkommener  entwickelt  waren 
als  die  weiblichen. 

Weibliche  Geschlechtsdrüsen  und  deren  Aus- 
führgänge. Die  beiden  weiblichen  Geschlechtsdrüsen  liegen 
ungefähr  5*2ff**r,1  also  ziemlich  weit  entfernt  vom  Vorderende, 
seitlich  und  ventral  vom  vorderen  Hauptdarm  in  einer  Vertiefung 
den  Längsnervenstämmen  dorsal  auf,  Pelm.  willeyi  weicht  also 
schon  in  dieser  Beziehung  von  den  übrigen  Pelmaioplana- 
Spezies  ab.  Jeder  Keimstock  wird  von  einer  dünnen  Tunica 
propria  umhüllt,  der  sich  außen  eine  Bindegewebsschichte 
anlegt.  Das  Innere  wird  von  einem  Maschenwerk,  einem 
Stroma  durchzogen,  in  welchem  Kerne  und  größere  und 
kleinere,  meist  rundliche  Zellen  liegen.  Doch  ist  der  Erhal- 
tungszustand ein  derartiger,  daß  sich  sowohl  über  diese 
Zellen  als  auch  über  die  der  Wandschichte  anliegenden  nichts 
näheres  aussagen  läßt.  Die  Ovidukte  entspringen1  ventral  an 
der  hinteren  Wand  des  Keimstockes  mit  einer  trichterartigen 
Erweiterung.   Ihr  Querdurchmesser  ändert  sich  während  des 


!> 


:I 


w 


1  Bei  Pelm.  sondaica  beträgt  ihr  Abstand  vom  Vorderende  nur  2'4f«w, 
die  Ovidukte  gehen  dorsal  ab. 


^1 


392 


B.  Busson, 


ganzen  Verlaufes  nicht  und  nur  in  einem  Falle  bemerkte  ich  eir 
auffällige  Anschwellung  des  linken  dicht  hinter  dem  Kein 
stocke.  Sie  sind  in  ganzer  Länge  von  Bindegewebe  umhüli 
das  sich  als  eine  direkte  Fortsetzung  jenes  der  Keimstöcl 
darstellt  und  dessen  Kerne  den  Eileiter  kranzförmig  umgebe 
Eine  Muscularis  fehlt  vollständig,  mit  Ausnahme  des  letzte 
Stückes,  wo  sich  eine  feine  Ringmuskellage  findet. 

Da  der  Durchmesser  der  Ovidukte  ein  sehr  geringer  i 
(er  beträgt  bloß  12  ji),  so  kann  man  wohl  noch  die  prismi 
tischen  Epithelzellen  und  ihre  ovalen  und  parallel  aufgereihte 
Kerne  erkennen,  aber  weder  das  Lumen  noch  die  jedenfal 
vorhandenen  Cilien. 

Die  Ovidukte  liegen  zunächst  den  Längsnervenstämme 
dicht  auf,  senken  sich  jedoch  später  in  diese  selbst  ein.  Zirk 
0*84  mm  hinter  der  Geschlechtsöffnung  biegen  sie  nach  inne 
ein  und  vereinigen  sich  zu  einem  Eiergange,  mit  Peh 
moluccana  in  dieser  Beziehung  übereinstimmend. 

Die  in  regelmäßigen  Abständen  von  zirka  0*1  m\ 
stehenden  trichterförmigen  Dottertrichter  beginnen  dicht  hint< 
den  Keimstöcken  und  reichen  nahe  bis  an  die  Vereinigung: 
stelle  der  Ovidukte  zum  Eiergange.  Der  dem  Ovidukte  dorsi 
aufsitzende  stielartige  Abschnitt  ist  ungefähr  doppelt  so  hoc 
und  breit  als  der  Ovidukt  selbst  und  weist  den  gleichen  Ba 
wie  dieser  auf;  die  ihn  bildenden  Zellen  tragen,  wie  m 
scheint,  Cilien.  Der  distale,  schalenförmige  Teil  hingegen  set; 
sich  aus  cilienlosen  Zellen  zusammen,  die  mit  der  Zeit  einei 
Zerfalle  unterliegen  und  das  Dottermaterial  in  den  Stiel,  r< 
spektive  in  den  Ovidukt  gelangen  lassen.  Ich  habe  stets  vol 
ständig  erhaltene  Dotterzellen  in  den  Trichtern  gefunde; 
meine  Beobachtungen  stimmen  mithin  mit  denen  Graff 
überein. 

Der  Eiergang,  dessen  Verlauf  aus  Textfig.  1  (eig)  erhell 
besitzt  eine  wohlentwickelte,  zwei-  bis  dreischichtige  Läng! 
und  eine  drei-  bis  vierschichtige  Ringmuskulatur.  Sein  Epithc 
welches  deutliche  Cilien  trägt,  gleicht  dem  der  Ovidukte,  ni 
sind  die  Zellen  bedeutend  höher.  An  ihn  schließt  sich  der  a 
Drüsengang  (drg)  zu  bezeichnende  Abschnitt  an,  welch« 
die    Verbindung    mit    der    Vagina    (vä)    vermittelt;    die    ih 


Über  einige  Landplanarien. 


393 


auskleidenden  Zellen  sind  sehr  schlank,  aber  auch  mit  Cilien 
versehen.  Zwischen  ihnen  münden  die  Ausführungsgänge  der 
Schalendrüsen  (dr).  Die  Muskulatur  ist  schwächer  entwickelt 
als  die  des  Eierganges,  besonders  gilt  dies  für  die  Ring- 
muskeln,  dagegen  verstärkt  sich  die  Bindegewebshülle  be- 
deutend, wobei  die  bisher  regelmäßige  Anordnung  ihrer  Kerne 
verloren  geht 

Die  Schalendrüsen  (dr)  selbst  liegen  dorsal  und  ventral 
vom  Darme  hinter  dem  Kopulationsapparate.  Sie  reichen  ziem- 
lich weit  nach  hinten,  von  wo  sie  ansehnliche  Ausführungs- 
gänge zum  Drüsengange  entsenden.  Meist  sind  sie  von  birn- 
förmiger  oder  rundlicher  Gestalt  und  enthalten  ein  feingranu- 
liertes, fast  homogen  erscheinendes  Sekret  und  einen  ovalen 
Kern.  Mit  Hämatoxylin-Eosin  tingieren  sie  sich  rot,  nach  der 
van  Gieson'schen  Methode  gelb,  doch  ist  die  Tinktion  deut- 
lich verschieden  von  jener  der  erythrophilen  Drüsen. 

Über  die  Vagina  werde  ich  bei  Besprechung  des  Kopula- 
tionsapparates berichten. 

Dotterstöcke.  Diese  beginnen  schon  ein  gutes  Stück 
vor  den  Keimstöcken  und  reichen  fast  bis  an  das  Hinterende. 
Sie  liegen  dorsal,  ventral  und  seitlich  zwischen  und  außer 
den  Darmästen  ziemlich  gleichmäßig  verteilt.  Die  einzelnen 
Follikel  scheinen  ihre  volle  Entwicklung  noch  nicht  erreicht 
zu  haben.  Sie  stellen  auch  hier  größere  Zellkomplexe  oder 
Stränge  dar,  die  in  den  Lücken  des  Bindegewebes  liegen  und 
von  variabler  Gestalt  sind.  Manchmal  treten  auch  einzelne 
Gruppen  durch  Stränge  miteinander  in  Verbindung.  Im  Vorder- 
ende finde  ich  noch  einzelne  durch  das  Mesenchym  zerstreute, 
rundliche  Zellen,  die  die  erste  Anlage  eines  Dotterfollikels 
darstellen,  ähnlich  wie  dies  Graff  für  G.  micholitzi  (1.  c, 
tab.  XXVII,  fig.  2)  darstellt.  Sie  stimmen  im  allgemeinen  voll- 
ständig überein  mit  den  von  eben  genanntem  Autor  gemachten 
Angaben  und  möchte  ich  nur  erwähnen,  daß  ich  den  Zellkern 
in  den  überwiegenden  Fällen  mit  einer  dicken  Membran  um- 
hüllt fand. 

Männliche  Geschlechtsdrüsen  und  deren  Aus- 
führungsgänge. Die  meisten  bisher  untersuchten  Peltnato- 
plana-Arten   (Pelm.  sondßica,  sarasinorunt,   ijimai)   besitzen 


i' 


394 


B.  Busson, 


I. 


die  Hoden  im  Querschnitte  zu  zwei  bis  vier  übereinander 
gelagert  oberhalb  des  zentralen  Nervensystems.  Dagegen  zeig 
Pelm.  tnoluccana  ein  abweichendes  Verhalten.  Graff  schreib 
auf  diese  Form  bezugnehmend  (1.  c,  p.  160):  »Durch  Vei 
minderung  der  Hodenzahl  geht  aus  der  gehäuften  Anordnun 
die  unregelmäßig  einreihige  hervor,  wo  im  wesentliche 
jederseits  eine  einfache  Reihe  vorhanden  ist,  die  aufeinandei 
folgenden  Hoden  jedoch  sowohl  nach  der  Quere  wie  nac 
der  Höhe  aus  der  geraden  Linie  herauszutreten  pflegen,  s 
daß  ausnahmsweise  wohl  auch  zwei  Hoden  in  einen  Quei 
schnitt  fallen.«  Dies  gilt  auch  für  Pelm.  willeyi.  Die  Hode 
liegen  im  allgemeinen  »unregelmäßig  einreihig«  den  Längs 
nervenstämmen  außen  an,  wobei  ein  »Heraustreten  sowol 
nach  der  Quere,  wie  nach  der  Höhe«  zu  beobachten  ist.  S 
fand  ich  z.  B.  bei  dem  einen  Exemplare  kurz  vor  dem  Pharyn 
im  Querschnitt  auf  der  linken  Seite  zwei  Hoden  nebeneir 
ander.  Sie  beginnen  schon  vor  den  Keimstöcken  etwa  in  d< 
Zahl  drei  jederseits  und  reichen  bis  hinter  den  Pharynx,  w 
sie  kurz  vor  dem  Kopulationsapparat1  aufhören.  Ihre  Zal 
dürfte  jederseits  etwa  70  betragen.  Die  Hoden  haben  durcl 
schnittlich  die  Größe  der  Keimstöcke,  nur  die  vordersten  sin 
kleiner.  Sie  sind,  wie  sagittale  Schnitte  zeigen,  sehr  dich 
gereiht,  indem  sie  nur  ganz  geringe  Zwischenräume  zwische 
sich  lassen,-  die  von  Bindegewebe  und  Parenchymmuskel 
erfüllt  werden.  Ihre  Gestalt  ist  kugelig  oder  oval,  seltene 
infolge  der  dichteren  Lage  oder  Kontraktion  unregelmäßig. 

Über  ihren  histologischen  Bau  habe  ich  den  Angabe 
Graff's  (1.  c,  p.  160)  nur  hinzuzufügen,  daß  auch  mir  ebens 
wie  Jjima  (1.  c,  p.  6)  und  Krsmanovic  (1.  c,  p.  106)  eir 
äußerst  feine,  kernlose  Tunica  den  platten  Zellen,  die  d 
Wandbekleidung  bilden,  von  außen  anzuliegen  scheint  Di 
Innere  der  Hoden  wird  zum  größten  Teil  erfüllt  von  fädige 
Spermatozoen,  die  einen  sich  stärker  färbenden  Kopf  ur 
langen  Schwanzteil  erkennen  lassen,  doch  gestatten  es  d 
Präparate  nicht,  näher  auf  dieselben  einzugehen. 

1  Bei  Pelm.  tnoluccana*  sarasinorum,  trimeni  reichen  sie  bis  zur  G 
schlechtsöffnung  und  werden  bei  Pelm.  sondaica  sogar  noch  in  der  Schwan 
region  angetroffen. 


Über  einige  Landplanarien. 


395 


Ein  sehr  interessantes  und  von  allen  Pelmatoplana-Arten 
abweichendes  Verhalten  zeigen  die  Samenausführgänge.  Die- 
selben zerfallen  in  Vasa  deferentia  (Taf.  I,  Fig.  7,  vd\  inter- 
media (vi)  und  efferentia  (ve).  Die  ersteren  sind  äußerst  schwer 
sichtbar,  da  sie  in  ihren  Anfangsteilen  ebenso  wie  die  Vasa 
intermedia  nicht  mit  Sperma  erfüllt  sind,  und  nur  ein  kurzes 
Stück  vor  dem  Pharynx  treten  sie  dann  bis  zu  ihrer  Ver- 
einigung (Textfig.  1,  vdp)  deutlicher  auf.  Wo  man  ihrer  an- 
sichtig wird,  liegen  sie  stets  innen  und  seitlich  oben  von  den 
Längsnervenstämmen,  so  daß  diese  letzteren  also  zwischen 
ihnen  und  den  Hoden  zu  liegen  kommen. 

Die  Vasa  deferentia1  bilden  eine  bis  nahe  an  die  Ge- 
schlechtsöffnung heranreichende  Schleife,  die  sich  wiederum 
mehrmals  schlängelt,  wobei  sie  jederseits  erheblich  anschwellen 
und  eine  große,  »falsche«  Samenblase  bilden.3  Dann  biegen 
dieselben  zurück,  verjüngen  sich  und  münden,  nachdem  sie  in 
den  Penisbulbus  eingedrungen  sind,  in  die  Samenblase  (vs). 

Die  Wandung  der  V.  efferentia  und  intermedia  wird  von 
einem  Plattenepithel  gebildet;  ein  solches  findet  sich  auch  in 
der  hinteren  Partie  der  durch  Spermamassen  stark  ausgedehnten 
V.  deferentia,  während  in  den  vorderen  Abschnitten  dieser 
letzteren  kubische  Zellen  vorhanden  sind.  Eine  Muscularis, 
und  zwar  Ringfasern,  konnte  ich  nur  an  den  V.  deferentia  er- 
kennen. 

Das  merkwürdigste  aber  ist,  daß  die  Vasa  intermedia 
jederseits  unter  den  Längsnervenstämmen  anastomosieren  und 
ein  Geflecht  bilden,  wie  es  in  Taf.  I,  Fig.  7,  schematisch  dar- 
gestellt ist  Von  diesem  Geflecht  treten  einerseits  kürzere  Röhr- 
chen an  die  innere  untere  Wand  der  Testes  heran  und  öffnen 
sich  etwas  trichterartig  erweitert  in  dieselben,  andere  steigen 
von  unten  nach  innen  und  oben  auf,  um  in  das  Vas  deferens 
zu  münden.  Nur  die  ersteren,  kürzeren  bezeichne  ich  als  Vasa 
efferentia,  die  anderen  aber  und  das  Geflecht  selbst  als  Vasa 


1  Bei  Pclnt.  sondaica  entsenden  sie  Ausläufer  zu  den  im  Hinterende 
Hegenden  Hoden. 

*  Bei  Pelm.  trimeni  bilden  sie  zwei,  bei  sarasinorum  eine  »echte« 
Samenblase. 


396  B.  Busson, 

intermedia,  obwohl  ein  histologischer  Unterschied  nicht  vo 
handen  ist.  Man  sieht  oft  bis  zu  drei  Stämmchen  im  Que 
schnitt  unter  den  Längsnervenstämmen  getroffen.  Sie  sir 
drehrund  oder  etwas  oval  und  erreichen  einen  Durchmesse 
bis  10  (t,  wobei  die  Höhe  des  Epithels  meist  bis  2  |x  beträgt. 

Von  einem  Anastomosieren  der  V.  efferentia,  bevor  sie  i 
die  Samenleiter  münden,  spricht  zuerst  Wendt1  für  Gutta 
ulvae  und  vermutlich  könnte  nach  der  Zeichnung,  die  Gra 
von  G.  munda  (1.  c,  tab.  XXIV,  fig.  3)  gibt,  auch  hier  ei 
ähnliches  Verhalten  der  V.  intermedia  vorliegen.  Jedenfal 
aber  weicht  Peltn.  tvilleyi  dadurch  von  allen  übrigen  Pelmati 
planen  ab,  für  die  nichts  ähnliches  bekannt  ist.  Dieses  Geflecl 
endet  blind  mit  einem  kurzen  Stämmchen,  nachdem  es  vorh 
noch  mit  dem  V.  deferens  in  Verbindung  getreten  ist.  Mögliche 
weise  vertreten  die  Vasa  intermedia  in  den  vorderen  Partie 
das  Vas  deferens  vollständig.  Das  Schema  (Taf.  I,  Fig.  7)  zeij 
die  Verhältnisse  dicht  hinter  dem  Pharynx. 

Der  Kopulationsapparat.  Der  bei  den  meisten  Exen 
plaren  schon  mit  freiem  Auge  erkennbare  Genitalporus  lieg 
wie  erwähnt,  stets  im  letzten  Drittel  zwischen  Mundöffnur 
und  Hinterende,  ersterer  etwas  genähert.  Er  stellt  eine  relat 
weite  Öffnung  (Textfig.  1,  gö)  dar,  die  direkt  in  das  Atriu 
genitale  commune  (ag)  führt.  Ausgekleidet  wird  er  von  eine 
hohen  Drüsenepithel,  das  völlig  jenem  des  Atriums  gleicht  ur 
sich  ziemlich  unvermittelt  an  das  Kriechleistenepithel  ai 
schließt. 

Das  geräumige  Atrium  commune  setzt  sich  nach  vorne 
ein  enges  Atrium  masculinum  (am)  fort,  in  welchem  der  klein 
etwas  schräg  gestellte  und  von  platten,  cilienfreien  Zellen  übe 
kleidete  Penis  i.  e.  S.  liegt,  dessen  Länge  140  \l  bei  einer  Brei 
von  68  (j.  beträgt.  Die  Abtrennung  eines  besonderen  Atriu 
femininum  (af)  ist  nur  willkürlich  vorzunehmen,  da  ein  do 
saler  Muskelwulst  fehlt  und  die  Epithelverhältnisse  d 
gleichen  sind  wie  im  Atrium  genitale  commune,  das  an  d< 
vorderen  Wand  eine  kleine  Ausbuchtung   (agx)    bildet.    D* 


1  A.  Wendt,  Über  den  Bau  von  Gunäa  ulvae  (Planaria  ulvae  Oersted 
Archiv  für  Naturgeschichte,  54.  Jahrg.,  I.  Bd.  Berlin  1888,  p.  264. 


Über  einige  Landplanarien. 


39; 


Atrium  commune  wird  ebenso  wie  das  Atrium  feminin  um 
(Taf.  I,  Fig.  4,  af)  von  einem  einschichtigen  Drüsen  epithel 
ausgekleidet,  welches  fast  die  doppelte  Höhe  jenes  der  Kriech - 
leiste  erreicht.    Die  Zellen  selbst  sind  an  ihrem  distalen  Ende 


Fig.  1.    Der  Kopulationsapparat. 

Schema  des  Kopulationsapparates    von  Peltn.   tvilleyi  bei    l~maliger 

Vergrößerung. 
af    Atrium  fetnininum. 
ag    Atrium  genitale  commune. 
agx  Ausbuchtung  desselben. 
am  Atrium  masculinum. 
c      Penis. 
es     Penisscheide. 

ddt  Drüsiger  Teil  des  Ductus  ejaculatorius. 
de    Nichtdrüsiger  Teil  desselben. 
dr    Schalendrüsen. 
drg  Drüsengang. 

dt     Drüsentaschen  der  linken  Seite,  die  der  rechten  sind  nicht  eingezeichnet. 
tig    Eiergang. 
go     Geschlechtsöffnung. 
mk   Gemeinsame  äußere  Muskelhülle. 
ö      Ausmündungsstelle  der  Drüsentasche  {dt), 
p      Penisbulbus. 
va     Vagina. 
vd     Vas  deferens. 
vdp  Vereinigungsstelle  des  linken  und  rechten  Vas  deferens,  letzteres  nicht 

eingezeichnet 
vs    Samenblase. 


etwas  keulenförmig  angeschwollen  oder  lang  ausgezogen,  sie 
tragen  Cilien,  die  häufig  verklebt  sind.  Gegen  das  Atrium  mas- 
culinum hin  wird  das  Epithel  niedriger  und  in  diesem  selbst 
sind  die  Zellen  von  kubischer  Gestalt,  auch   büßt  es  seinen 


398 


B.  Busson, 


drüsigen  Charakter  ein,  entbehrt  aber  nicht  der  Cilien.1  Dafi 
münden  hier  zwischen  den  Epithelzellen  erythrophile  Drüse 
aus,  deren  Zelleiber  außerhalb  des  Kopulationsapparates  i 
Mesenchym  liegen  und  ferner  jene,  auf  welche  ich  bei  B 
sprechung  des  Ductus  ejaculatorius  noch  zurückkomm< 
werde. 

Eine  Penisscheide  (Textfig.  1,  es)  ist  wohlausgebildet  D 
mächtig  entwickelte  Penisbulbus  (p)2  wird  über  1  mm  lan 
Die  beiden  Vasa  deferentia  dringen  in  die  Muskulatur  d 
Bulbus  ein  und  vereinigen  sich  zu  einer  unpaaren  Same 
blase  (vs),  die  am  Grunde  desselben  liegt  und  sich  in  d 
Ductus  ejaculatorius  (dde)  fortsetzt,  der  seinerseits  wieder  d 
Penis  i.  e.  S.  durchbohrt  und  an  dessen  freier  Spitze  münd 
Ich  werde  auf  die  Samenausführungsgänge  später  noch  ai 
führlicher  zurückkommen. 

Von  der  hinteren  Atriumwand  geht  etwas  schräg  na 
hinten  und  oben  eine  weite  Vagina8  (va)  ab,  die  die  V 
bindung  mit  dem  Drüsengange  (arg)  herstellt. 

Ein  Blick  auf  das  Schema  zeigt  schon  die  enorme  Ai 
bildung  der  Muskulatur  des  Kopulationsapparates,  die  d 
ganze  Atrium  umgibt.  Es  liegen  hier  recht  komplizierte  Musk 
Verhältnisse  vor,  auf  die  ich  mit  Zugrundelegung  der  GrafFsch 
Darstellung  näher  eingehen  will.  Im  Schema  sind  sie  dur 
einfache  Schraffierung  ausgedrückt. 

Unter  dem  Atriumepithel  findet  sich  eine  Musculai 
bestehend  aus  einer  Ring-  und  einer  Längsfaserschichte,  ersti 
dem  Epithel  zunächst.  Sie  erscheint  als  eine  direkte  Fe 
Setzung  des  Hautmuskelschlauches  und  setzt  sich  sowohl  '< 
den  Penis  und  die  Penisscheide  als  auch  auf  die  Vagina  f( 
Ihr  liegt  dicht  die  Atrien- Eigenmuskulatur  (Taf.  I,  Fig.  3,  m 
an,  die  nach  außen,  ebenso  wie  jene  des  Penisbulbus,  von  < 
gemeinsamen  Muskelhülle  gegen  das  umgebende  Mesench] 
abgegrenzt  wird.  Erstere  bildet  ein  äußerst  dichtes  Geflei 

1  Pelm.  moluccana  besitzt  beispielsweise  Cilien  nur  im  Atrium  raas 
linum. 

2  Fehlt  bei  Pelm.  sarasinorum,    bei    trimeni   besteht    er    nur   aus 
gemeinsamen  Muskelhülle,  dagegen  ist  er  bei  moluccana  wohlausgebildet 

8  Eine  solche  besitzen  nur  Pelm.  sarasinorum  und  trimeni. 


Ober  einige  Landplanarien. 


399 


us  Ring-  und  Längsfasern,  die  wiederum  von  radiären  durch- 
ogen  werden,  so  daß  daraus  eine  verfilzte  Muskelmasse 
esultiert  Was  die  Zahl  und  Stärke  aller  dieser  Fasern  anlangt, 
o  ist  sie  ziemlich  gleich.  Da  die  Längsfasern  nicht  so  lang 
ind,  daß  sie  den  ganzen  Kopulationsapparat  umspannen 
önnten,  so  biegen  sie  vielfach  ab  und  verlieren  sich  in  der 
iuscularis  des  Atriums,  wobei  sie  sehr  leicht  mit  echten 
ladiärfasem  verwechselt  werden  können.  Das  Muskelgeflecht 
5t  hier  ein  so  dichtes,  daß  man  auf  das  seine  Zwischenräume 
rfüllende  Bindegewebe  hauptsächlich  durch  dessen  massen- 
aft  vorhandene  Kerne  (Taf.  I,  Fig.  3,  bk)  hingewiesen  wird. 
)ie  gemeinsame  Muskelhülle  besteht  aus  Längsfasern  und 
chütter  verteilten  Ringfasern. 

An  der  Muskulatur  des  Penis  i.  e.  S.  kann  man  eine  äußere 
nd  innere  Schichte  unterscheiden,  die  sich  aus  Ring-  und 
.ängsfasern  zusammensetzen  und  welche  als  eine  Fortsetzung 
ier  Atrienmuscularis  aufzufassen  ist.  Dazwischen  liegt  eine 
littelschichte,  die  Radiär-  und  Längsfasern  enthält.  Letztere 
trahlen  ebenso  wie  jene  der  Penisscheide  auf  den  Penisbulbus 
iber  und  stellen  den  Retractor  penis  dar.  Anders  verhält  sich 
iie  Eigenmuskulatur  des  Penisbulbus  (Textfig.  1 ,  p,  und  Taf.  I, 
'ig.  6,  tnp).  Hier  wiegen  entschieden  die  Ringfasern  gegenüber 
len  Längs-  und  Radiärmuskeln  vor,  und  da  infolgedessen  kein 
o  dichtes  Muskelgeflecht  gebildet  wird,  kann  man  stellenweise 
las  engmaschige  Bindegewebe  zwischen  den  Muskeln  deut- 
icher  erkennen.  Im  Bereiche  der  Samenblase  und  des  drüsigen 
)uctus  ejaculatorius  (Taf.  I,  Fig.  6,  dde  und  ddet)  tritt  die 
Muskulatur  fast  vollständig  zurück,  um  den  Drüsen  (dr)  und 
Misenausführungsgängen  (drd)  Platz  zu  machen. 

Die  beiden  Vasa  deferentia  (vd)  dringen,  wie  erwähnt,  von 
mten  und  hinten  in  den  Penisbulbus  (p)  ein,  durchbohren  die 
iußere  Muskelhülle  und  münden  in  eine  Samenblase  (fs),  die 
ich  distal  retortenstielartig  verschmälert  und  dann  in  den  ganz 
beträchtlich  erweiterten  drüsigen  Ductus  ejaculatorius  (Text- 
ig. 1,  dde)  übergeht.  Ihre  Wandung  wird  von  kubischen,  cilien- 
osen  Zellen  gebildet. 

Der  drüsige  Ductus  ejaculatorius  zerfallt  in  zwei  von  ein- 
Inder verschiedene  Abschnitte  (Taf.  I,  Fig.  6,  dde  und  ddex). 

Sitzb.  d.  matbem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  26 


400 


B.  Busson, 


Das  Epithel  des  proximalen  Teiles  wird  von  zahlreich 
Drüsenausführungsgängen  durchbohrt,  die  bei  Anwendung  < 
van  Gieson'schen  Färbemethode  eine  gelbe  Färbung  annehn 
und  ebenso  auch  das  Epithel  tingieren.  Das  Innere  wird  ^ 
einem  scheinbar  homogenen  Sekret  erfüllt,  das  sich  aber 
stärkerer  Vergrößerung  in  zahlreiche,  feine  Fäden  (Fig.  6,  d 
auflösen  läßt,  die  man  bis  an  die  Drüsenausführungsgäi 
verfolgen  kann. 

Dieser  Teil  des  Ductus  ejaculatorius  wird  umstellt  \ 
gelben  Massen  (Fig.  6,  dra),  die  man  auf  den  ersten  Blick 
Drüsen  halten  könnte,  doch  weist  ein  vollständiges  Fehlen  \ 
Kernen  darauf  hin,  daß  es  sich  hier  nur  um  stark  erweite 
durch  aufgestautes  Sekret  angeschwollene  Drüsenausführun 
gänge  handelt,  während  die  Drüsen  außerhalb  des  Bulbus 
suchen  sind.  Sie  liegen  vor  demselben  im  Mesenchym,  von 
sie  ihre  Ausführungsgänge  in  diesen  Teil  des  Ductus  und  v 
einzelt  auch  in  die  Samenblase  entsenden.  Einige  von  die* 
accessorischen  Drüsen  scheinen  auch  am  Penis  i.  e.  S.  und 
der  Penisscheide  auszumünden.  Ganz  anders  nun  verhält  s 
der  distale  Teil  des  drüsigen  Ductus  ejaculatorius  (Fig.  6,  dd 
Er  wird  dicht  kranzförmig  umstellt  von  einzelligen  Drüsen  (< 
deren  kurze  Ausführgänge  das  Epithel  durchsetzen.  Die  Drü 
selbst  sind  klein  und  von  flaschen-  oder  birnförmiger  Ges 
und  nehmen  bei  Hämatoxylinfärbung  eine  blaugraue  Farbe 
die  auch  auf  das  Epithel  übergeht,  welch  letzteres  sonst  g< 
jenem  des  vorhergehenden  Abschnittes  gleicht.  Der  Untersch 
in  der  Färbung  sowie  in  der  Lagerung  der  Drüsen  selbst  ist 
Gegensatze  zu  jenem  früheren  Abschnitte  so  auffallend,  dal 
wohl  zu  jener  Sonderung  beider  Teile  berechtigt.  Im  Sehe 
ist  das  Epithel  gleichmäßig  dunkel  gehalten.  An  diesen  drüsij 
Ductus  schließt  sich  ein  nichtdrüsiger  (Textfig.  1,  de)  an, 
ein  sehr  enges,  T-formiges  Lumen  besitzt.  Er  ist  länger  als 
drüsige  Abschnitt,  fast  horizontalgestellt  und  mündet  an 
Penisspitze.  Auf  ihn  setzt  sich  ein  Teil  der  PenismuskuU 
fort,  die  auf  ihrem  weiteren  Verlaufe  noch  erheblich  versü 
wird  insbesondere  durch  Hinzutreten  von  Ringmuskeln,  die 
dichten,  konzentrischen  Lagen  angeordnet  sind.  Diese  wieder 
werden   von  Radiär-  und  einigen  Längsfasern   durchfloch 


r 


Ober  einige  Landplanarien. 


401 


Jegen  den  drüsigen  Teil  und  gegen  die  Samenblase  nimmt 
tiese  Muscularis  erheblich  an  Stärke  ab,  wobei  die  Radiär- 
asern  vollständig  verloren  zu  gehen  scheinen;  doch  muß 
rwähnt  werden,  daß  die  hier  zahlreich  ausmündenden  Drüsen 
ie  Deutlichkeit  der  Bilder  in  dieser  Beziehung  ungünstig  beein- 
ussen. 

Am  weiblichen  Kopulationsapparate  fällt  sogleich  der 
iangel  jenes  mächtigen,  dorsalen  Uterus  auf,  der  den  meisten 
*elmatoplana- Arten  zukommt.  Es  ist  nur  eine  O'bmm  lange 
ragina  (Textflg.  1  und  Taf.  I,  Fig.  4,  va)  vorhanden,  die  im 
/esentlichen  von  denselben  schlanken  und  hohen  Zylinder- 
ellen ausgekleidet  wird  wie  der  Drüsengang.  Auch  hier  besitzt 
as  Epithel  ein  mehr  zottiges  Aussehen  infolge  des  stellen- 
/eisen  Verklebens  der  Cilien;  es  ist  nicht  drüsig  und  ebenso 
lünden  hier  auch  keine  Schalendrüsen  mehr  aus. 

Zweier  eigentümlicher  taschen artiger  Gebilde  muß  noch 
Erwähnung  getan  werden,  die  anscheinend  dem  weiblichen 
tpparate  zugehören.  Rechts  und  links  finden  sich  eingebettet 
l  die  Atriummuskulatur  je  zwei  Räume,  Taschen  (Textfig.  1,  dt, 
af.  I,  Fig.  3,  4,  5,  dt,  dt^),  von  denen  die  untere  in  die  obere 
lündet,  die  obere  wieder  jederseits  seitlich  durch  einen  Gang 
raf.  I,  Fig.  4,  dtg)  mit  dem  Atrium  femininum  kurz  vor  der 
lündungsstelle  der  Vagina  in  Verbindung  (Textfig.  1  und  Taf.  1., 
ig.  4,  ö)  steht.  Die  untere  Tasche  reicht  weiter  nach  vorne  als  die 
bere.  Die  Wände  dieser  Taschen  werden  von  einem  vollständig 
latten  Epithel  ausgekleidet  (Fig.  3  und  5)  und  von  ihnen  ziehen 
uer  und  längs  durch  die  Taschen  Membranen  (Fig.  3  und  5,  mr\ 
ie  den  ganzen  Raum  in  Fächer  zerlegen.  Die  Membranen 
elbst  bestehen  aus  Bindegewebsfasern,  an  die  sich  zu  beiden 
»eiten  dieselben  platten  Zellen  legen,  die  auch  die  Wand- 
ekleidung bilden. 

Die  beiden  Taschen  als  solche  (nämlich  je  eine  obere  und 
ntere)  werden  durch  eine  kontinuierliche  Bindegewebsfaser- 
chichte  (Fig.  3,  ms)  von  einander  geschieden.  An  die  platten 
Vandzellen  legt  sich  außen  ein  eigenes  Reticulum  (Fig.  3 
nd  5,  R)  an,  das  ausgesprochen  bindegewebiger  Natur  ist. 
>ieses  Reticulum  tritt  umso  schärfer  hervor,  als  sich  an  das- 
elbe  die  Muskulatur  (Fig.  5,  tn,  m^)  direkt  anlegt.  Die  Maschen- 

26* 


402 


B.  Busson, 


räume  werden  in  ihrem  Inneren  von  einem  feinkörnigen  Sekr 
erfüllt  und  es  liegen  Kerne,  hin  und  wieder  auch  Zellen  dari 
Auch  die  Ausführungsgänge  der  oberen  Taschen  sind  an  ihre 
Ende  (Fig.  4)  dicht  erfüllt  von  diesem  Sekrete.  Wo  die  eiger 
liehen  Drüsen  liegen,  läßt  sich  mit  Sicherheit  nicht  feststelle 
doch  glaube  ich,  manchmal  solche  selbst  wie  deren  Reste  i 
Reticulum  gesehen  zu  haben.  Ebensowenig  vermag  ich  n 
über  die  physiologische  Bedeutung  dieser  drüsigen  Tasch« 
eine  bestimmte  Auffassung  zu  bilden.  Ob  sie  bei  der  Eiablaj 
oder  Kopulation  eine  Rolle  spielen  und  vielleicht  Receptacu 
seminis  darstellen,  bleibt  späteren  Untersuchungen  vorbehalte 

Der  Kopulationsapparat  von  Pelm.  willeyi  ähnelt  a 
meisten  jenem  von  G.  micholitzi,  wie  er  von  Graff  in  sein 
Textfig.  39  (p.  189)  dargestellt  wird.  Unter  den  wenigen  bish 
bekannten  Kopulationsapparaten  von  Pelmatoplana- Arten  ste 
er  wieder  dem  von  Pelm.  moluccana  (Graff,  p.  196)  s 
nächsten,  dem  ebenfalls  der  dorsale  Uterus  fehlt  und  d 
infolgedessen  eine  Art  Bindeglied  zwischen  den  weniger  koi 
pliziert  gebauten  Kopulationsapparaten  der  Geoplaniden  U] 
jenen  der  Pelmatoplanen  darstellt.  Er  unterscheidet  sich  v 
jenem  der  vorliegenden  Spezies  besonders  durch  das  Fehl 
einer  Vagina  und  durch  den  Besitz  eines  größeren  Penis. 

Pelm.  willeyi  nimmt  im  System  eine  eigentümliche  Stellui 
insofern  ein,  als  sie  sowohl  wichtige  Merkmale  der  Geoplan 
mit  denen  der  Pelmatoplana- Arten  vereint.  Ich  verweise  die 
bezüglich  noch  einmal  kurz  auf  das  vollständige  Fehlen  eir 
Drüsenkante  und  eines  dorsalen  Uterus,  hingegen  auf  das  Vc 
handensein  einer  breiten  Kriechleiste  und  eines  kräftig  ei 
wickelten  Hautmuskelschlauches. 


Zur  besseren  Unterscheidung  der  Pelm.  willeyi  von  Pel 
sondaica  untersuchte  ich  nochmals  die  Präparate  Prof.v.Graff 
auf  Grund  welcher  derselbe  die  in  seiner  Monographie  (p.  IS 
enthaltenen  Angaben  über  den  Kopulationsapparat  der  let; 
genannten  Spezies  machte.  Daraus  ergab  sich  folgend 
Schema,  das  zwar  die  Kopulationsorgane  in  unreifem  Zustan 
vorstellt,    aber   doch   genügt,   um   bei   einem   Vergleiche   n 


Ober  einige  Landplanarien. 


403 


Textfig.  1  jeden  Verdacht  einer  Identität  der  beiden  genannten 
Formen  zu  beseitigen. 


Fig.  2. 

Schema  des  Kopulationsapparates   von  Pelm.  sonäaica  bei 

17  maliger  Vergrößerung. 

ag  Atrium  genitale  commune. 

am  Atrium  masculinum. 

c  Penis. 

de  Ductus  ejaculatorius. 

ds  Ductus  seminalis. 

eic  Verbindungsgang  zwischen  Vagina  und  Uterus. 

*  Einmündungssteile  desselben  in  letzteren. 

od,  odx  Die  beiden  Ovidukte. 

p  Anlage  des  Penisbulbus. 

u  Uterus. 

vs  Uterusstiel. 

va  Vagina. 

vd  Die  beiden  Vasa  deferentia. 

va\  Abzweigungen  derselben. 

vs  Samenblase. 


Die  Geschlechtsöffnung  (gö)  führt  in  ein  senkrechtes  Rohr, 
welches  sich  zu  einem  wenig  geräumigen  Atrium  genitale  com- 
mune (ag)  erweitert,  das  sich  seinerseits  in  ein  geräumiges 
Atrium  masculinum  (am)  fortsetzt.  In  dem  letzteren  liegt  der 
Penis  (c)t  welcher  den  gebotenen  Raum  fast  vollständig  für 
sich  in  Anspruch  nimmt.  Verglichen  mit  jenem  von  Pelm. 
wükyi  ist  er  erheblich  größer  und  wird  von  einem  sehr  flachen 
Epithel  bedeckt,  das  sich  zunächst  auf  die  Atriumwand  fort- 
setzt, um  hier  jedoch  bald  höher  zu  werden.  Eine  Penisscheide 
ist  nicht  angelegt,  wohl  aber  ist  der  Penisbulbus  (p)  durch 


404  B.  Busson, 

lockere  Muskelfasern  angedeutet,  sowie  am  Grande  des  Penis 
eine  muskulöse  Samenblase  (vs).  Die  beiden  Vasa  deferenti&(fu£} 
vereinigen  sich  zunächst  zu  einem  Ductus  seminalis  (ds),  der 
einen  großen  Bogen  macht  und  sich  zur  Samenblase  (vs) 
erweitert,  von  welcher  der  durch  ein  viel  niedrigeres  Epithel 
ausgekleidete  Ductus  ejaculatorius  (de)  abgeht.  Dieser  mündet 
nicht  an  der  Spitze,  sondern  an  der  unteren  Seite  des  Penis. 
Die  Vasa  deferentia  entsenden  Abzweigungen  (vdt)  zu  den 
hinter  dem  Kopulationsapparate  gelegenen  Hoden.  Die  beiden 
Ovidukte  (od  und  odt)  vereinigen  sich  zu  einem  horizontalen 
Gange  (va),  der  die  Vagina  darstellt  und  in  das  Artrium  führt 
Kurz  hinter  der  Vereinigung  der  beiden  Eileiter  zur  Vagina 
geht  von  dieser  dorsal  trichterartig  erweitert  ein  Gang  (de)  ab, 
der  schief  nach  oben  und  vorn  aufsteigt  und  in  die  Ventral- 
fläche des  Uterus  (U)  bei  *  mündet  Ein  solcher  Verbindungs- 
gang zwischen  Vagina  und  Uterus  wurde  von  Graff  bereits 
für  Artiocotylus  speciosus  beschrieben  und  abgebildet  (1.  c, 
p.  208  ff.).  Durch  die  Auffindung  eines  solchen  bei  Pelm. 
sondaica  unterscheidet  sich  diese  Spezies  von  allen  bisher 
anatomisch  bekannten  Arten  des  Genus  Pelmatoplana. 


II. 
G.  bogotensls  Graff,  G.  bogotensis  var.  bürgert 

nov.  var.  und  G.  Olivacea  Fr.  Müller. 

Es  handelt  sich  um  zwei  bereits  bekannte,  aber  noch 
nicht  anatomisch  näher  untersuchte  Arten  und  eine  neue 
Varietät;  es  soll  im  folgenden  die  Anatomie  dieser  drei  Formen 
vergleichend  dargestellt  werden. 

G.  bogotensis  Graff. 
(Taf.  I,  Fig.  9  und  10;  Textfig.  3.) 

Dieselbe  ist  bereits  von  Graff  (L  c,  p.  324,  tab.  III,  fi&  12 
bis  14)  nach  einem  einzigen  Exemplare  beschrieben  worden. 
Mir  lagen  aus  der  Kollektion  Prof.  O.  Bürger*»  sieben  Exem- 
plare vor,  sämtliche  im  Jänner  und  Februar  1897  gesammelt 


Über  einig«  Landpl&narien.  405 

Von  diesen  sind  vier  1  Stunde  östlich  von  Bogota  auf  dem 
Weg»  nach  Ubaque  in  2800  m  Höhe,  drei  bei  Paramo  (über 
Chipaque,  eine  halbe  Tagreise  östtich  von  Bogota^  im  Orinoko- 
Stromgebiete),  zirka  3000  m  hoch  gefunden  worden. 

Form  und  Färbung  stimmen  mit  Graff's  Beschreibung; 
bei  den  meisten  Exemplaren  ist  das  Vorderende  eingezogen 
und  breit  abgerundet,  die  von  Paramo  sind  dunkler  braun  und 
ihre  hellen  Linien  weniger  auffallend. 

G.  bogotensis  var.  bürgert  nov.  var. 
(Taf.  I,  Fig.  8;  Textflg.  4.) 

Diese  von  Prof.  0.  Bürger  auf  dem  Wege  von  Bogota 
nach  Choache  (1  Stunde  von  Bogota — Paramo)  gesammelte 
Geoplanide  stimmt  in  sehr  vielen  und  charakteristischen 
Punkten,  insbesondere  im  Baue  des  Kopulationsapparates  und 
der  inneren  Organe  histologisch  und  anatomisch  mit  G.  bogo- 
tensis Graff  überein. 

Neben  diesen  wichtigen  und  vielfachen  Übereinstimmungen 
in  den  anatomischen  Verhältnissen  bestehen  doch  zwischen 
beiden  Formen  habituelle  Verschiedenheiten,  die  die  Aufstellung 
einer  neuen  Varietät  gerechtfertigt  erscheinen  lassen. 

Im  Vergleiche  mit  G.  bogotensis  Graff  ist  G.  bogotensis  var. 
bürgeri  bedeutend  schlanker  und  größer,  und  auch  in  der 
Färbung  des  Rückens  weichen  beide  von  einander  ab,  wie  aus 
der  nachfolgenden  Beschreibung  von  G.  bogotensis  var.  bürgeri 
gegenüber  jener,  die  Graff  (1.  c.)  von  G.  bogotensis  gibt,  ersicht- 
lich ist 

Die  Länge  der  mir  vorliegenden  Exemplare  variiert 
zwischen  45  und  19  mm.  Der  Körper  erreicht  seine  größte 
Breite  in  der  Gegend  des  Kopulationsapparates  und  verjüngt 
sich  nach  vorne  allmählich,  nach  hinten  schnell  zu  einer 
stumpfen  Spitze.  Die  Geschlechtsöffnung  ist  auffallend  weit 
nach  hinten  gerückt,  wie.  aus  nachfolgender  Tabelle  ersicht- 
lich ist. 

An  der  breitesten  Stelle  des  Körpers  erreicht  bei  diesen 
drei  Individuen  die  Dicke 

I    4  mm,         II     2  mm,         III     1  mm. 


406  B.  Busson, 

Abstand  vom  Vorderende 


der  Geschlechts- 

Körperlinge 

Größte  Breite 

des  Mundes 

öffnung 

I.... 

45 

5 

27 

40 

II.... 

...         33 

3 

22 

28 

III.... 

19 

2-5 

12 



Bei  dem  ersten  Exemplare  war  der  Kopulationsapparat 
vollständig  ausgebildet,  bei  dem  dritten  war  er  noch  gar  nicht 
angelegt,  das  zweite  besaß  die  Geschlechtsöffnung  und  den 
weiblichen  Kopulationsapparat  in  der  Anlage. 

Obgleich  der  Querschnitt  des  Körpers  in  verschiedenen 
Regionen  sehr  wechselt,  vermute  ich  doch,  daß  die  lebenden 
Tiere  abgeplattet  sind.  Die  Kriechsohle  nimmt  ebenso  wie  bei 
den  beiden  anderen  Spezies  die  ganze  ventrale  Fläche  in 
Anspruch. 

Die  schmutziggelbe  Grundfarbe  (Taf.  I,  Fig.  8)  kommt  nur 
in  der  hellen,  medianen  und  in  den  beiden  marginalen  Streifen 
des  Rückens  zur  Geltung.  Ersterer  ist  etwas  breiter  als  die 
beiden  letzteren,  welche  sich  gegen  das  Vorderende  hin  ver- 
lieren, wogegen  am  hinteren  Ende  manchmal  alle  drei  Streifen 
konfluieren.  Der  Rest  des  Rückens  ist  mit  dichtgestellten, 
schwärzlichen  Sprenkeln  und  Flecken  bedeckt,  die  Seiten- 
ränder mit  einer  schmalen,  dunkelbraunen  Einfassung  ver- 
sehen, welche  sich  gegen  das  rötlich  gefärbte  Vorderende 
verliert.  Die  Sprenkelung  kann  je  nach  der  größeren  oder 
geringeren  Pigmentarmut  dichter  oder  lockerer  sein  und  dem- 
entsprechend werden  auch  die  Lateralzonen  bald  mehr  homogen, 
bald  flockig  erscheinen.  Bei  jungen  Tieren  sind  die  Lateral- 
zonen dunkler,  der  Medianstreif  mehr  orange,  auch  ist  die 
Begrenzung  der  ersteren  gegen  letzteren  eine  schärfere,  indem 
die  Sprenkel  sich  beiderseits  zu  zwei  homogen  erscheinenden, 
schwarzen  Linien  als  Einfassung  des  Medianstreifs  verdichten. 
Die  Farbe  der  Bauchseite  ist  gleichmäßig  gelbgrau,  die  Seiten- 
kanten springen  scharf  vor. 


Ober  einige  Landplanarien.  407 

G.  olivacea  Fr.  Müller. 
(Taf.  I,  Fig.  11:  Textfig.  5). 

Die  zahlreichen  Exemplare  dieser  Art  erbeutete  Prof. 
O.  Bürger  auf  einer  Wiese  unter  morschen  Baumstämmen  in 
Alto  (Paramo)  von  Sibate,  2800  m  hoch,  eine  halbe  Tagreise 
südwestlich  von  Bogota  (Paß  der  Randgebirge  der  Hochebene 
auf  dem  Wege  nach  Fussagasegä).  Außerdem  liegen  mir  noch 
ein  vollständiges  und  fünf  unvollständige  Tiere  vor,  die  Prof. 
O.Bürger  in  Rio  de  San  Francisco,  Bogota  (Columbien)  im 
Dezember  unter  Steinen  auffand.  Da  diese  letzteren  in  Chrom- 
säure konserviert  wurden,  ist  die  Färbung  vollständig  verloren 
gegangen,  doch  hat  die  anatomische  Untersuchung  dieser  Tiere 
ihre  unzweifelhafte  Identität  mit  G.  olivacea  ergeben. 

Die  Färbung  der  erstgenannten  Exemplare  stimmt  auch 
hier  völlig  mit  den  Abbildungen,  die  Graff  in  seiner  Mono- 
graphie (tab.  IV,  fig.  29  bis  33)  gibt.  Ich  habe  weniger  der 
Färbung  als  vielmehr  der  Körperform  wegen  ein  Tier  von  der 
Bauchfläche  (Taf.  I,  Fig.  11)  abgebildet  und  möchte  hiezu  noch 
erwähnen,  daß  auch  bei  den  mir  zur  Verfügung  gestellten 
Exemplaren  die  Bauchfläche  analog  den  Angaben  Graffs 
(1.  c,  p.  299)  ziemlich  weitgehende  Verschiedenheiten  in  der 
Färbung  aufweist. 

Diese  Form  dürfte  gleich  G.  rufiventris,  mit  der  sie  viel 
äußere  Ähnlichkeit  hat,  zu  den  flachsten  Formen  gehören.  Die 
Gestalt  ist  exquisit  bandartig  mit  scharfen  Seitenkanten.  Die 
Bauchseite  ist  vollständig  flach,  der  Rücken  kaum  merklich 
gewölbt  und  nur  auf  Schnitten  durch  das  Vorderende  erscheint 
die  Rückenfläche  plan,  die  Kriechsohle  konvex.  Das  Hinter- 
ende spitzt  sich  rasch,  das  Vorderende  mehr  allmählich  zu.  Die 
Tiere  erreichen  eine  sehr  beträchtliche  Größe.  So  schätze  ich 
ein  eingerolltes  Exemplar  auf  75  mm  Länge  bei  einer  größten 
Breite  von  1 1  mm  und  einer  größten  Dicke  von  3  mm.  Bei 
einem  70  mm  langen,  ebenso  breiten  und  dicken  Exemplare 
betrug  der  Abstand  der  Mundöfifnung  vom  Vorderende  40  mm, 
der  der  Geschlechtsöffnung  50  mm;  letztere  liegt  somit  im 
hintersten  Drittel.  Diese  Angaben  stimmen  im  allgemeinen  auch 
für  die  übrigen  Tiere. 


408  B.  Busson, 

Da  bei  sämtlichen  von  mir  untersuchten  Geoplaniden  die 
Augen  sowie  die  Sinneskante  makroskopisch  und  ohne  Zuhilfe- 
nahme künstlicher  Aufhellung  nicht  sichtbar  sind,  so  werde 
ich  auf  diese  bei  Besprechung  der  Sinnesorgane  näher  ein- 
gehen. 

1.  Das  Epithel  und  seine  Einlagerungen. 

G.  bogotensis.  Die  größte  Höhe  (20  p.)  erreicht  das  Epithel 
hier  auf  der  Kriechsohle,1  in  den  seitlichen  Partien  sowie  auf 
der  Rückenseite  ist  es  dagegen  etwas  niedriger  (15  bis  17  |i). 
Cilien  beobachtete  ich  sowohl  auf  der  ventralen  als  dorsalen 
Fläche;  auf  der  ersteren  erreichen  sie  die  ansehnliche  Länge 
von  5  n,  dagegen  vermisse  ich  dieselben  an  den  Seitenrändern. 
Von  Stäbchen  finden  sich  im  Epithel  fast  ausschließlich  Rhab- 
diten  vor,  die  besonders  in  den  Randpartien  äußerst  dicht 
gelagert  sind.  Auch  in  der  Kriechsohle  treten  sie  verhältnis- 
mäßig zahlreich  auf,  so  daß  der  Unterschied  in  dieser  Be- 
ziehung gegenüber  den  umgebenden  seitlichen  Partien  kein 
besonders  scharfer  zu  nennen  ist,  abgesehen  vom  vorderen 
Körperende,  wo  die  Drüsen-,  respektive  Sinneskante  eine  deut- 
liche Grenze  bildet.  Die  Länge  der  Stäbchen  entspricht  im 
allgemeinen  der  des  Epithels  oder  überragt  dieses  nur  um 
Weniges.  Erheblich  kleinere  Rhabditen  finden  sich  vorwiegend 
in  der  Kriechsohle  und  den  anstoßenden  Partien  vor.  Rham- 
miten  sind  nur  spärlich  dorsal  und  seitlich  vorhanden.  Sie 
fallen  weniger  durch  große  Länge  als  vielmehr  durch  Schlank- 
heit und  ihre  bis  gegen  die  Enden  gleichbleibende  Breite  au£ 
auch  ttngieren  sie  sich  meist  rötlicher.  Drüsensekret  als  Ein- 
lagerung in  und  zwischen  den  Epithelzelien  findet  sich  in 
geringer  Menge  vorwiegend  dorsal. 

Dies  gilt  im  wesentlichen  auch  für  G.bogotensis  var.  bürgert 
und  olivacea,  nur  ist  bei  dieser  letzteren  der  Höhenunterschied 
zwischen  den  dorsalen  und  ventralen  Epithelsellen  erheblich 
größer,  auch  sind  diesen  die  Stäbchen  in  viel  geringerer  Zahl 
eingelagert. 


1    Bei  allen  Geoplaniden,  ausgenommen  G.  rufiventris,  ist  das  dorsale 
Epithel  höher  als  das  ventrale. 


Über  einige  Landplanarien.  409 

Beachtenswert  erscheint  mir,  daß  in  manchen  Stäbchen- 
bildungszellen bei  G.  olivacea  Rhabditen  und  Rhammiten 
nebeneinander  auftreten,  in  anderen  dagegen  entweder  diese 
oder  jene  allein. 

Bei  allen  war  die  Sinneskante  stets  frei  von  Stäbchen  jeder 
Art,  Chondrocysten  wurden  nicht  beobachtet 

2.  Basalmembran. 

Am  besten  entwickelt  finde  ich  die  Basalmembran  bei 
G.  bogotensis  var.  bürgert,  und  zwar  ist  sie  auf  der  dorsalen 
Seite  besonders  in  der  Gegend  des  Kopulationsapparates 
stärker  ausgebildet  als  auf  der  ventralen.  Hie  und  da  entsendet 
sie  Fortsätze  nach  innen,  wie  Jjima  für  die  von  ihm  unter- 
suchten Süßwassertrikladen  angegeben  hat.  Sehr  dünn  ist  sie 
dagegen  bei  G.  bogotensis  und  G.  olivacea. 

3.  Drüsen  der  Haut 

Was  zunächst  die  Drüsenkante  betrifft,  so  beginnt  dieselbe 
bei  G.  bogotensis  var.  bärgeri  dicht  hinter  dem  Vorderende  und 
reicht,  die  Sinneskante  streckenweise  auch  dorsal  umsäumend, 
bis  in  die  Gegend  der  Keimstöcke.  Bei  G.  olivacea  und  bogotensis 
erstreckt  sie  sich  weiter  nach  rückwärts,  nämlich  bis  in  die 
Pharyngealgegend,  und  liegt  hier  stets  unter  der  Sinneskante. 
Zu  beachten  ist  jedoch,  daß  sie  bei  G.  bogotensis  einige  Milli- 
meter hinter  der  Kopfspitze  beginnt. 

Die  typische  Säulenform  weisen  die  Kantendrüsen  bei 
allen  hier  in  Betracht  kommenden  Arten  auf,  mit  Ausnahme 
von  G.  bogotensis  var.  bürgeri,  wo  sie  eine  gedrungene,  birn- 
förmige  Gestalt  besitzen  und  in  kleine  Büschelchen  gruppiert 
erscheinen. 

Nach  Graff  schließen  sich  die  erythrophiien  Körnerdrüsen 
der  Haut  und  die  Kantendrüsen  gegenseitig  aus,  nur  Doi. 
fcüdeui  besitzt  beide  Drüsenformen,  während  bei  PolycL  Gayi 
und  Rkynch.  terrestris  die  Kantendrüsen  durch  gewöhnliche 
erythrophile  Hautdrüsen  vertreten  werden.  Die  drei  von  mir 
untersuchten  Formen  vermehren  die  Zahl  der  eben  namhaft 
gemachten  Ausnahtnsfiüle,  und  zwar  schließt  sich  G.  bogotensis 


410  B.  Busson, 

var.  bürgert  an  Rhynch.  terrestris  und  PolycL  Gayi  an,  da  augen- 
fällige Unterschiede  zwischen  den  Kantendrüsen  und  den 
erythrophiien  Hautdrüsen  nicht  bestehen,  während  G.  bogotensis 
und  olivacea  Übereinstimmung  mit  Dol.  feildeni  zeigen,  da 
neben  den  gut  charakterisierten  Kantendrüsen  erythrophile 
Hautdrüsen  auftreten.  Zu  erwähnen  ist  allerdings,  daß  die 
Hautdrüsen  von  G.  bogotensis  insofern  einige  Abweichung 
zeigen,  als  sie  statt  des  gewöhnlichen  körnigen  Sekretes  eine 
fädige,  netzartig  angeordnete  Substanz  enthalten,  die  sich 
rötlichviolett  tingiert.  Da  aber  einige  dieser  Drüsen  deutliche, 
jedoch  etwas  gequollene  Sekretkügelchen  aufweisen,  so  ver- 
mute ich,  daß  in  jenen  Zellen,  wo  diese  Drüsenkörnchen  als 
solche  nicht  mehr  kenntlich  sind,  eine  stärkere  Quellung  des 
Sekretes  durch  das  mir  unbekannte  Konservierungsmittel  statt- 
gefunden hat.  Infolge  dieser  starken  Quellung  würden  die  ein- 
zelnen Sekretkügelchen  mit  ihren  peripheren  Teilen  verkleben, 
respektive  verbacken  und  dadurch  ein  unregelmäßiges,  derbes 
Maschenwerk  in  den  Zellen  selbst  vortäuschen.  Diese  letzteren 
sind  von  birnförmiger  Gestalt  und  entsenden  breite,  unver- 
ästelte  Ausführungsgänge  in  das  Epithel. 

Am  zahlreichsten  finden  sich  die  Hautdrüsen  bei  G.  bogo- 
tensis, wo  sie  besonders  in  den  seitlichen  Partien  des  Rückens, 
niemals  aber  im  Bereiche  der  Sinneskante  oder  Kriechsohle 
münden.  In  der  Medianzone  trifft  man  nur  sehr  selten  auf  ihre 
Ausführungsgänge,  dagegen  häufen  sich  die  Drüsen  in  der 
Schwanzspitze  zu  dichten  Büscheln  und  münden  hier  nach 
allen  Richtungen  aus. 

Auf  die  Histologie  der  Drüsenkante  gehe  ich  nicht  weiter 
ein,  da  sie  bei  allen  Formen  mit  den  Graff'schen  Angaben  (1.  c, 
p.  44,  66)  übereinstimmt. 

Am  mächtigsten  entwickelt  ist  sie  bei  G.  olivacea.  Hier 
reichen  die  lang  und  säulenartig  ausgezogenen  Zellenleiber 
tief  in  das  Mesenchym,  dieses  zum  großen  Teile  ganz  erfüllend. 
Es  liegen  ganz  ähnliche  Verhältnisse  hier  vor  wie  bei  G.  rnfi- 
ventris.  Die  größten  in  continuo  zu  verfolgenden  Drüsen 
erreichen  eine  Länge  von  0*4  mm. 

Cyanophile  Schleimdrüsen  finden  sich  bei  allen  drei 
Formen.   Am  zahlreichsten  treten  sie  bei  G.  olivacea  auf,  bei 


Über  einige  Landplanarien.  411 

welcher  sie  ihrer  Hauptmasse  nach  in  der  Kriechsohle  aus- 
münden, diese  schon  dadurch  als  solche  kennzeichnend.  Fast 
ausschließlich  auf  die  Kriechsohle  beschränkt  sind  sie  bei 
G.  bogotensis,  was  in  Beziehung  zu  den  massenhaft  dorsal  und 
seitlich  mündenden  erythrophilen  Drüsen  stehen  dürfte. 

4.  Bindegewebe  und  Pigment. 

Das  Mesenchym  von  G.  bogotensis  und  G.  olivacea  hat 
sich  sehr  schlecht  konserviert  und  es  sind  von  demselben  nur 
einzelne  Kerne  und  Bälkchen  erhalten  geblieben.  Bei  G.bogotensis 
var.  bürgert  bildet  dasselbe  ein  grobmaschiges  Netzwerk, 
bestehend  aus  derberen  und  membranartig  verbreiterten  Bälk- 
chen. In  den  Maschenräumen  oder  an  den  Bälkchen  selbst 
liegen  große,  rundliche  oder  ovale  Kerne,  die  einen  zentralen 
Nucleolus  enthalten  und  außer  diesem  Bäikchengerüste  und 
den  Kernen  konnte  ich  auch  hier  und  dort  sich  verästelnde 
Bindegewebszellen  sehen. 

Ein  gelbes  bis  dunkelbraunes,  körniges  Pigment  bedingt 
die  Färbung  der  beiden  Längsstreifen  und  die  der  Randein- 
fassung von  G.  bogotensis.  Es  ist  der  Hauptsache  nach  an 
jenes  Bindegewebe  gebunden,  das  sich  zwischen  der  Längs- 
muskulatur und  dem  Epithel  vorfindet,  dringt  jedoch  auch 
zwischen  denselben  in  die  Tiefe.  Ganz  ähnlich  liegen  die  Ver- 
hältnisse bei  G.  bogotensis  var.  bürgeri,  nur  scheinen  mir  die 
dunklen  Fleckchen  zum  Teile  durch  besondere  Pigmentzellen 
hervorgebracht  zu  sein.  Viel  weniger  deutlich  tritt  der  Farbstoff 
an  den  Schnittpräparaten  von  G.  olivacea  dicht  unterhalb  des 
Körperepithels  auf. 

5.  Muskulatur. 

G.  oogotensis  besitzt  einen  gut  entwickelten  Hautmuskel- 
schlauch, der  aus  einer  Ring-  und  Diagonalfaserschichte  und 
aus  Längsmuskelbündeln  besteht.  Diese  letzteren  sind  unter 
der  Kriechsohle  höher  als  auf  der  dorsalen  Seite,  doch  stehen 
hier  die  einzelnen  Elemente  in  den  Bündeln  lockerer  als  dort, 
wo  bis  zu  25  Fasern  in  einem  Bündel  vereinigt  sind.  An  den 
Längsfasern  läßt  sich  eine  zentrale  Sarkoplasmaschichte  und 


412  B.  Busson, 

eine  breite,  kontraktile  Rinde  erkennen;  doch  scheinen  neben 
diesen,  besonders  ventral,  auch  homogene,  einfache  Fasern 
vorzukommen.  Dorsal  und  ventral  ist  der  Hautmuskelschlauch 
ziemlich  gleich  kräftig  entwickelt,  dagegen  bedeutend  schwä- 
cher gegen  die  Seitenkanten,  wo  er  im  Bereiche  der  Drüsen- 
und  Sinneskante  sehr  reduziert  wird.  Gegen  beide  Enden 
nimmt  er  an  Stärke  ab.  Bezüglich  der  Parenchymmuskulatur 
läßt  sich  nur  sagen,  daß  alle  drei  Faserarten  vorhanden  sind, 
die  transversalen,  welche  am  zahlreichsten  sind  und  zwei 
Hauptzüge  ober  und  unter  dem  Darme  erkennen  lassen, 
schwächer  die  dorsoventralen  und  am  schwächsten  die  longi- 
tudinalen  Fasern.  G.  bogotensis  var.  bürgert  hat  einen  etwas 
schwächer  entwickelten  Hautmuskelschlauch,  es  treten  weniger 
Fasern  zu  Längsmuskelbündeln  zusammen.  Im  wesentlichen 
stimmt  er  jedoch  mit  obigem  überein.  Die  Fasern  des  Paren- 
chyms  sind  in  geringer  Anzahl  vorhanden,  dafür  sind  sie 
jedoch  im  einzelnen  kräftig  ausgebildet,  besonders  wieder  die 
longitudinalen,  die  deutlich  eine  Mark-  und  kontraktile  Rinden- 
schichte erkennen  lassen.  Auch  hier  sind  alle  drei  Faserarten 
vertreten,  die  sich  jedoch  nicht  in  Züge  und  Bündel  gruppieren 
lassen.  Die  longitudinalen  finden  sich  am  zahlreichsten  zwi- 
schen den  Darmästen  mit  den  dorsoventralen  verflochten,  die 
transversalen  unter  und  über  dem  Darme. 

Der  Hautmuskelschiauch  von  G.  olivacea  zeigt  im  all- 
gemeinen Übereinstimmung  mit  jenem  von  G.  bogotensis,  nur 
sind  die  ventralen  und  dorsalen  Bündel  weniger  differenziert 
und  es  ist  eine  doppelte  Ringmuskellage  vorhanden.  Die 
Parenchymmuskulatur  ist  nur  schwach  entwickelt,  die  dorso- 
ventralen Fasern  sind  vorherrschend.  Im  Vorderende  verstärken 
sich  die  longitudinalen  etwas,  so  daß  man  hier  fast  von  einem 
Retraktor  sprechen  könnte. 

6.  Organe  der  Verdauung. 

Wie  schon  aus  den  früheren  Angaben  ersichtlich  ist,  liegt 
die  Mundöffnung  bei  allen  drei  Formen  entweder  am  Ende  des 
zweiten  oder  zu  Anfang  des  letzten  Körperdrittels.  Sie  ist  bei 
G.  bogotensis  etwa  in  der  Mitte  der  Pharyngealtasche  gelegen 


Über  einige  Landplanarien.  413 

und  führt  direkt  in  die  nicht  sehr  geräumige  und  von  dem 
vielfach  in  Falten  gelegten  Pharynx  fast  vollständig  ausgefüllte 
Pharyngealtasche.  Der  Darmmund  liegt  in  der  Längsachse  des 
Thieres,  der  Pharynx  ist  kragenförmig,  die  obere  Pharyngeal- 
falte  entspringt  von  der  hinteren  Partie  der  dorsalen  Taschen- 
wand. 

Bei  G.  bogotensis  var.  bürgert  führt  die  enge  Mundöffnung, 
welche  hier  an  das  Ende  der  Pharyngealtasche  zu  liegen 
kommt  und  von  dem  Epithel  der  Kriechsohle  ausgekleidet 
wird,  direkt  in  diese  über.  Der  Pharynx  inseriert  an  der  dor- 
salen Wand  der  Pharyngealtasche  und  diese  läuft  ventral  und 
nach  vorne  in  einen  längeren  Biindsack  aus,  da  sowohl  die 
Mundöffnung  als  auch  die  Ansatzstelle  des  Pharynx  an  ihr 
hinteres  Ende  gerückt  sind.  Dies  bedingt  ferner,  daß  auch 
der  Darmmund  mehr  nach  der  dorsalen  Seite  verschoben  er- 
scheint. Das  Epithel  der  Pharyngealtasche  besteht  seitlich  und 
an  der  hinteren  Wand  aus  kubischen  bis  zylindrischen  Zellen, 
wogegen  der  vordere  Blindsack  von  platten  Zellen  aus- 
gekleidet wird.  Der  Pharynx  selbst  ist  kurz,  an  dem  distalen 
Ende  glockenartig  erweitert  und  stellt  eine  Zwischenform 
zwischen  einem  typisch  zylindrischen  und  einem  kragen- 
förmigen  Pharynx  vor.  Seiner  Gestalt  nach  scheint  er  nicht 
weit  ausgestoßen  zu  werden,  wohl  aber  imstande  zu  sein, 
eine  große  Fläche  zu  bedecken. 

Der  Mund  von  G.  olivacea  liegt  etwa  in  der  Mitte  der 
Pharyngealtasche.  Diese  selbst  ist  ziemlich  geräumig  und  setzt 
sich  manchmal  ähnlich  wie  bei  G.  argus  (Graff,  1.  c,  p.  98) 
nach  hinten  in  einen  längeren  Blindsack  fort.  Das  Epithel  ist 
ventral  etwas  höher  als  seitlich  und  dorsal  und  wird  von 
kubischen  Zellen  gebildet.  Der  Pharyngealtasche  liegt  außen 
eine  aus  Ring-  und  Längsfasern  bestehende  Muscularis  an. 
Der  Pharynx  ist  kragenförmig  und  die  Insertion  der  oberen 
und  unteren  Falte  ähnlich  wie  bei  Choeradopl.  iheringi. 

Bezüglich  des  Darmes  sei  erwähnt,  daß  sich  im  vorderen 
Hauptdarme  und  dessen  Divertikeln  intracellulär  gelegene, 
rhabditenähnliche  Gebilde  vorfinden,  die  sich  mit  Eosin  stark 
rot  färben.  Dieselben  fanden  sich  auch  bei  G.  bogotensis,  doch 
läßt  sich   dort   über   ihre  Lage,   ob   intercellulär   oder   intra- 


414  B.  Busson, 

cellulär,  nichts  aussagen,  da  bei  dieser  Form  die  Zellkonturen 
nicht  mehr  zu  sehen  waren. 

Am  Schlüsse  muß  ich  hinzufügen,  daß  sich  bei  G.  bogo- 
tensis  Pharyngeal-  und  Kopulationsapparat  räumlich  ungewöhn- 
lich nahe  stehen,  indem  sich  die  hintere  Wand  der  Pharyngeal- 
tasche  direkt  an  letzteren  anlehnt  (Textfig.  3). 

7.  Nervensystem  und  Sinnesorgane. 

Das  zentrale  Nervensystem  ist  bei  sämtlichen  Formen 
nach  ein  und  demselben  Typus  gebaut.  Es  besteht  aus  einer 
diffusen  Nervenplatte,  welche  sich  quer  durch  den  ganzen 
Körper,  stets  unter  dem  Darme  gelegen,  ausspannt  und  keiner- 
lei Differenzierung  in  Längsstämme  oder  Kommissuren  er- 
kennen läßt;  sie  bildet  ein  zusammenhängendes  Geflecht  mit 
unregelmäßigen,  größeren  und  kleineren  Lückenräumen. 

Auch  hier  will  ich  jenen  Teil  der  Nervenplatte,  der  die 
vorderen  Grübchennerven  entsendet,  als  Gehirn  bezeichnen, 
obgleich  diese  Partie  sich  von  der  nachfolgenden  bloß  dadurch 
unterscheidet,  daß  sie  kompakter,  dicker  und  mit  einem 
dichteren  Ganglienzellenbelag  ausgestattet  ist. 

Es  liegt  hier  also  derselbe  Typus  des  zentralen  Nerven- 
systems vor,  wie  er  den  meisten  breiten,  neotropischen  Geo- 
plana-Avten  zukommt.  Es  zweigen  dorsal,  seitlich  und  ventral 
relativ  breite  Nerven  ab,  die  jedoch  —  nur  wenige  im  Vorder- 
ende ausgenommen  —  der  Ganglienzellen  entbehren.  Am 
Seitenrande  geht  die  Nervenplatte  meist  direkt  in  den  sub- 
cutanen Nervenplexus  über. 

Unter  der  Pharyngealtasche  und  dem  Kopulationsapparate 
werden  die  Lückenräume  begreiflicherweise  größer  und  das 
ganze  Gewebe  lockerer.  Über  die  Lagerung  der  Geschlechts- 
organe zum  zentralen  Nervensysteme  werde  ich  bei  diesen 
berichten. 

Der  Hautnervenplexus  ist  in  jeder  Körperpartie  nachweis- 
bar und  zeigt  ein  engmaschiges  Aussehen. 

Die  Sinneskante  umsäumt  bei  G.  bogotensis  als  schmaler 
Streif  das  Vorderende  und  reicht  jederseits  seitlich  zirka  4  mm 
weit  nach  hinten.   Dicht  hinter  dem  Vorderende  ist   sie  am 


Ober  einige  Landplanarien.  415 

breitesten  und  verschmälert  sich  dann  allmählich  immer  mehr 
gegen  ihr  Ende  zu. 

Die  Epithelialplattenschichte  ist  10  (X  hoch  und  trägt  halb 
so  lange  Cilien.  In  die  Sinneskante  sind  einreihige  und  dicht- 
gestellte Sinnesgrübchen  eingesenkt,  die  eine  Tiefe  von  35  [t 
bei  einer  Breite  von  1 2  (t  besitzen  und  deren  Epithel  halb  so 
hoch  ist  wie  die  Epithelialplattenschichte.  Das  äußere  Ende  der 
Grübchen  ist  erweitert,  das  innere  weist  keinerlei  Ausbuchtung 
auf.  Die  Grübchen  reichen  über  die  Sinneskante  etwa  1  mm 
weiter  nach  hinten. 

Den  früheren  Angaben  sei  noch  hinzugefügt,  daß  sich 
besonders  in  den  seitlichen  Partien  des  Gehirns,  also  in  den  der 
Sinneskante  zunächst  gelegenen,  die  Ganglienzellen  dichter 
anhäufen,  so  daß  man  an  der  Gehirnpartie  ein  rechtes  und 
linkes  sensorielles  Ganglion  unterscheiden  könnte,  welche  sich 
fast  so  weit,  als  wie  die  Sinneskante  reicht,  erstrecken.  Über 
diese  hinaus  verschwindet  die  Masse  der  Ganglienzellen  und 
diese  treten  nur  mehr  an  den  Grübchennerven  zahlreicher  auf. 
Während  also  im  Bereiche  der  Sinneskante  diskrete  Grübchen- 
nerven fehlen,  respektive  zu  einer  Art  Ganglion  verschmolzen 
erscheinen,  da  sie  mit  dem  Gehirne  fast  unmittelbar  verbunden 
ist,  treten  solche  an  den  freien  Grübchen  wieder  etwas  deut- 
licher auf. 

Diese  Angaben  treffen  mit  nur  wenigen  Einschränkungen 
auch  für  G.  bogotensis  var.  bürgert  und  olivacea  zu.  Die  Sinnes- 
kante ist  hier  bedeutend  schmäler  und  bei  den  in  Rio  de  San 
Francisco  gesammelten  Exemplaren  von  G.  olivacea  scheinen 
sich  die  Grübchen  auf  die  Sinneskante  zu  beschränken. 

Was  die  Augen  betrifft,  so  handelt  es  sich  stets  um  inver- 
tierte Kolbenaugen,  wie  sie  bei  Geoplaniden  allgemein  vorzu- 
kommen scheinen  und  deren  Bauart  Graff  eingehend  für 
G.  rufiventris  beschreibt.  Bei  G.  bogotensis  liegen  die  Augen 
zum  Teil  in  den  Maschen  des  Mesenchyms  und  im  Nerven- 
plexus unter  dem  Hautmuskelschiauche.  Am  äußersten  Vorder- 
ende findet  man  sie  bis  zu  sieben  auf  einer  Seite  im  Quer- 
schnitte, und  zwar  dorsal  gelagert,  wogegen  sie  etwas  weiter 
nach  hinten  sich  mehr  auf  die  Zone  der  Seitenkanten  be- 
schränken, wo  sie  sich  bis  in  die  Gegend  der  Keimstöcke  zu 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  27 


416  B.  Busson, 

1  bis  5  jederseits,  von  da  ab  jedoch  nur  mehr  zu  1  bis  3  jeder- 
seits  vorfinden;  zugleich  werden  die  Abstände  zwischen  den 
Augen  größer,  ihre  Lage  wieder  eine  mehr  dorsale.  Sie  reichen 
bis  an  das  Hinterende  und  sind  hier  ziemlich  tief  ins  Mesen- 
chym,  nach  innen  vom  Hautnervenplexus  eingebettet. 

Die  ovalen  oder  kugeligen  Pigmentbecher  öffnen  sich  stets 
gegen  das  Epithel,  wobei  die  Öffnungen  von  einer  deutlich 
kenntlichen  Cornealzelle  verschlossen  werden. 

Die  Augen  stehen  vollständig  unregelmäßig  jederseits  ange- 
ordnet und  ihre  Zahl  dürfte  200  bis  300  betragen.  Abgesehen 
davon,  daß  auch  im  Vorderende  nicht  unerhebliche  Schwan- 
kungen in  den  Größenverhäitnissen  der  einzelnen  Augen  zu 
konstatieren  sind,  ist  es  bemerkenswert,  daß  ungefähr  6  mm 
von  der  Kopfspitze  entfernt  die  Augen  nur  mehr  zirka  die  halbe 
Größe  besitzen. 

Die  kugeligen  Augen  von  G.  bogotensis  var.  bürgert  finden 
sich  längs  des  ganzen  Körperrandes;  am  Vorderende  zu  2  bis  3 
jederseits  dicht  über  der  Sinneskante  gelegen,  steigert  sich 
ihre  Zahl  bald  bis  5,  wobei  sie  auch  eine  mehr  dorsale  Lage 
einnehmen.  Der  Pigmentbecher  mißt  32  (i  im  Durchmesser  und 
rückt  manchmal  so  nahe  gegen  das  Epithel,  daß  die  eine  Hälfte 
zwischen  die  Bündel  des  Hautmuskelschlauches  zu  liegen 
kommt. 

Abgesehen  von  den  Größenunterschieden  des  Pigment- 
bechers, welcher  bei  G.  olivacea  50  (i  beträgt,  stimmen  die  Seh- 
organeder  genannten  Form  mit  denen  vonG.  bogotensisvax.  bürgert 
überein.  Zu  erwähnen  wäre  nur,  daß  bei  G.  olivacea  die  Lage 
der  Augen,  je  entfernter  diese  vom  Vorderende  stehen,  eine 
desto  mehr  dorsale  wird,  d.  h.  sie  finden  sich  seitlich  gar  nicht 
mehr,  dorsal  aber  bis  in  die  Medianzone  hinein. 

8.  Geschlechtsorgane. 

Im  Baue  der  Geschlechtsorgane  zeigen  alle  drei  Formen 
große  Übereinstimmung,  selbst  darin,  daß  bei  allen  mehrere 
Nebenkeimstöcke  auftreten.  Die  Kopulationsapparate  von 
G.  bogotensis  und  G.  bogotensis  var.  bürgeri  stimmen  bis  auf  einige 
unbedeutende  Unterschiede,  auf  welche  ich  gleich  zu  sprechen 
komme,  völlig  überein. 


Über  einige  Landplanarien.  417 

Weibliche  Geschlechtsdrüsen.  Die  Keimstöcke  sind 
stets  oval,  ihre  Längsachse  fällt  mit  jener  des  Körpers  zu- 
sammen. Am  größten  sind  sie  bei  den  in  Alto  gefundenen 
Exemplaren  von  G.  olivacea,  wo  Längs-  und  Breitendurch- 
messer 560  [t,  respektive  200  p,  betragen,  bedeutend  kleiner  bei 
den  anderen  Exemplaren  dieser  Art.  Sie  liegen  bei  G.  bogotensis 
und  olivacea  ventral  und  seitlich  vom  vorderen  Hauptdarme, 
jederseits  in  einer  Vertiefung  der  Nervenplatte,  während  sie  bei 
G.  bogotensis  var.  bürgeri  von  dorsoventralen  Parenchymmuskeln 
umsponnen  und  auf  diese  Weise  hängend  über  der  Nerven- 
platte befestigt  werden.  Außerdem  laufen  hier  zwischen  Keim- 
stock und  Nervenplatte  noch  transversale  Fasern  durch.  Ihr 
Abstand  von  dem  Vorderende  ist  sehr  verschieden.  Er  beträgt 
für  G.  bogotensis  3  •  5  mm,  für  G.  bogotensis  var.  bürgeri  5  mm, 
für  G.  olivacea  7  bis  10  mm. 

Bei  einem  von  mir  in  Schnitte  zerlegten  Exemplare  letzt- 
genannter Form  erhält  die  rechte  weibliche  Gonade  infolge 
durchtretender  transversaler  Fasern  ein  gelapptes  Aussehen, 
welches  an  die  von  Graff  (1.  c,  p.  152,  tab.  XXIII,  fig.  10) 
beschriebenen  Ovarialaussackungen  (Parovare)  erinnert.  Eine 
strukturlose  Tunica  propria  als  äußere  Hülle  der  Keimstöcke 
oder  doch  Reste  einer  solchen  konnte  ich  stets  nachweisen. 
Bei  G.  bogotensis  var.  bürgeri  bildet  das  Stroma  im  Innern  ein 
weitmaschiges  Netzwerk,  in  dessen  Lückenräumen  die  Eizellen 
Hegen;  es  besteht  jedoch  nur  mehr  aus  Bälkchen;  Zellen  oder 
Kerne  sind  nicht  vorhanden. 

Die  Keimzellen  sind  am  größten  bei  G.  bogotensis,  am 
kleinsten  bei  G.  olivacea.  Ihr  großer  und  meist  exzentrischer 
Kern  ist  bläschenartig  und  enthält  häufig  ein  unregelmäßiges 
Gerüstwerk  und  einen  ebenfalls  exzentrisch  gelegenen,  kleinen 
Binnenkörper. 

Alle  drei  Formen  besitzen  außer  den  gewöhnlichen,  der  Regel 
entsprechenden  beiden  Keimstöcken  in  größerer  oder  geringerer 
Anzahl  noch  kleinere,  die  ich  Nebenkeimstöcke  nennen  will. 
Dieselben  gleichen  bezüglich  ihres  histologischen  Aufbaues 
den  ersteren  vollkommen,  die  Keimzellen  sind  meist  ausgereift. 
Ich  habe  einen  solchen  Nebenkeimstock  von  G.  bogotensis  auf 
Tat  I,   in    Fig.  9    abgebildet.    Sie   sind    in   das   Mesenchym 

27* 


418  B.  Busson, 

eingebettet  und  werden  manchmal  durch  etwas  stärkere  Binde- 
gewebsfasern (f)  mit  dem  Ovidukte  verbunden.  Ihre  Lage  zu 
letzterem  ist  eine  wechselnde,  indem  sie  ventral,  seitlich  außen 
oder  innen  von  diesem  liegen  können.  Auch  sonst  ergeben  sich 
Unregelmäßigkeiten,  indem  sich  beispielsweise  bei  G.  bogotensis, 
welche  sechs  solche  Nebenkeimstücke  besitzt,  vier  auf  der 
rechten,  zwei  auf  der  linken  Seite,  bei  G.  bogotensis  var.  bürgert 
fünf  auf  der  rechten,  drei  auf  der  linken  vorfinden,  wobei  auch  die 
Abstände  der  Keimstöcke  untereinander,  ebenso  wie  ihre  Größe, 
sehr  verschieden  sind.  Merkwürdigerweise  fehlt  jede  Verbin- 
dung sowohl  mit  den  beiden  Hauptkeimstöcken  als  auch  unter- 
einander oder  mit  den  Ovidukten.  Auch  Bergendal1  suchte 
vergeblich  nach  einer  solchen,  vermutet  jedoch  eine  Verbindung 
mit  dem  Ovidukte.  Obgleich  der  Erhaltungszustand  der  mir  vor- 
liegenden Tiere  gewiß  kein  günstiger  zu  nennen  ist,  glaube  ich 
doch  mit  einiger  Sicherheit  behaupten  zu  können,  daß  hier 
keine  derartigen  Verbindungen  bestehen,  sowie  daß  diese 
Nebenkeimstöcke  jeglicher  Andeutung  von  Ausführungsgängen 
entbehren. 

Als  ich  diese  Nebenkeimstöcke  zuerst  bei  G.  bogotensis 
sah,  lag  die  Vermutung  nahe,  daß  es  sich  hier  um  versprengte 
Keimzeilen  handeln  dürfte,  wofür  insbesondere  auch  die  Asym- 
metrie in  Größe  und  Lage  etc.  sprach.  Nachdem  sie  sich  jedoch 
auch  bei  den  anderen  beiden  Formen,  von  denen  mehrere 
Exemplare  geschnitten  wurden,  stets  wiederfanden,  liegt  der 
Gedanke  nahe,  daß  es  sich  hier  vielleicht  um  einen  Rückschlag 
zu  den  Polykladen  handelt.  Allerdings  müßte  diese  Tatsache 
noch  vor  allem  für  marine  Tricladen  in  ausgedehnterem  Maße 
erwiesen  werden,  was  dann  einen  nicht  unwesentlichen  Beweis 
für  die  Theorie  Lang's  liefern  würde,  nach  der  die  Tricladen 
von  den  Polycladen  abzuleiten  sind. 

Die  Ovidukte  entspringen  bei  G.  bogotensis  var.  bürgert 
seitlich  und  außen,  bei  G.  bogotensis  und  olivacea  dorsal  an  den 
Keimstöcken.  Bei  G.  olivacea  entsendet  der  Eileiter  von  seiner 


1  Meines  Wissens  wurde  bisher  nur  einmal  für  Uteriporus  als  Anomalität 
ein  drittes  Ovar  von  Bergendal  aufgefunden.  D.  Bergendal,  Studier  öfver 
Turbellarier  II.  Om  Byggnaden  of  Uteriporus  BGDL.  Jämte  Andro  Bitrag  Till 
Trikladernes  Anatomi,  Lund  1896. 


Über  einige  Landplanarien.  419 

ventralen  Wand  eine  Ausstülpung  in  das  Innere  des  Keim- 
stockes. Die  Verbindungsstelle  der  Ovidukte  mit  den  Gonaden 
ist  von  einem  Zellkomplexe  verschlossen,  der  hier  den  Zweck 
haben  dürfte,  das  Eindringen  der  Spermatozoen  in  die  letztere 
zu  verhindern,  da  beispielsweise  bei  G.  bogotensis  bis  zu  dieser 
Stelle  die  Ovidukte  von  Sperma  erfüllt  sind.  Die  Wandschichte 
der  Eileiter  wird  von  cilientragenden,  prismatischen  Zellen  mit 
großen,  ovalen  Kernen  gebildet.  Die  Kerne  selbst  sind  parallel 
aufgereiht,  die  Cilien  wie  gewöhnlich  spiralig  gedreht.  Nur  bei 
einem  Exemplare  von  G.  olivacea  fand  ich  die  Kerne  häufig 
wurstförmig  und  querliegend.  Eine  schwache  Ringmuscularis 
fand  ich  stets  am  Beginne  des  Eileiters,  die  sich  später  meist 
durch  Hinzukommen  von  Längsfasern  verstärkt.  Die  Ovidukte 
verlaufen  bei  allen  drei  Formen  über  der  Nervenplatte  ziemlich 
parallel  bis  in  die  Gegend  der  Geschlechtsöffnung,  wo  sie  sich 
dann  bogenförmig  aufwärts  wenden.  Über  dem  Atrium  femi- 
ninum  knicken  sie  plötzlich  nach  innen  ein  und  bilden,  indem 
sie  von  rechts  und  links  zusammentreffen,  eine  auf  die  Sagittal- 
achse  des  Körpers  senkrechte  Röhre.  Von  dieser  Knickung  an 
wird  jeder  Ovidukt  (Texfig.  3  und  5,  od)  zum  Drüsengang  (drg), 
in  welchen  massenhaft  erythrophile  Drüsen  einmünden. 

Die  Dottertrichter  stellen  stets  einfache  Ausstülpungen  der 
dorsalen  Wand  der  Ovidukte  dar,  ihr  distales  Ende  ist  meist 
etwas  erweitert.  Eine  ansehnlichere  schüsselartige  Verbreiterung 
fehlt  hier  vollständig. 

Die  Dotterstöcke  beginnen  bei  G.  bogotensis  schon  vor  den 
Keimstöcken  und  reichen  bis  an  das  Hinterende.  Sie  gruppieren 
sich  auch  hier  um  den  Darm  und  drängen  zwischen  dessen 
Asten  durch.  Niemals  aber  liegen  sie  unter  der  Nervenplatte, 
obgleich  diese  ziemlich  hoch  verläuft. 

Bei  G.  bogotensis  var.  bürgeri  und  olivacea  sind  die  Dotter- 
follikel  nur  in  ihrer  ersten  Anlage  vorhanden,  und  zwar  als 
einzelne,  kleine,  runde,  im  Mesenchym  zerstreute  Zellen. 

Männliche  Geschlechtsdrüsen.  Die  Hoden  treten  bei 
G.  olivacea  schon  ein  gutes  Stück  vor  den  Keimstöcken  auf,  bei 
G.  bogotensis  und  G.  bogotensis  var.  bürgeri  zugleich  mit  diesen. 
Sie  liegen  stets  auf  der  dorsalen  Seite  über  dem  Darme  oder 
zum  Teile  zwischen  den  Darmästen  bis  zu  fünf  auf  jeder  Seite 


420  B.  Busson, 

und  reichen  bis  in  die  Nähe  des  Pharynx.  Dichtgedrängt  und 
oft  übereinandergeschoben  sind  sie  bei  G.  olivacea,  während 
sie  sonst  nebeneinander  lagern. 

Ob  diese  eben  genannte  Verschiebung  der  Hoden  speziell 
bei  G.  olivacea  der  Wirklichkeit  entspricht  oder  nur  auf  Kon- 
traktionserscheinungen zurückzuführen  ist,  vermag  ich  nicht 
mit  Sicherheit  zu  entscheiden.  Wäre  ersteres  der  Fall,  so  würde 
diese  Form  ebenso  wie  manche  Cotyloplanen  in  dieser  Be- 
ziehung einen  Übergang  zu  der  als  »gehäuft«  bezeichneten 
Hodenanordnung  bilden. 

Die  Vasa  efferentia  entspringen  von  der  ventralen  Wand 
der  Hoden  mit  einer  ansehnlichen,  trichterartigen  Erweiterung; 
hiedurch  erscheinen  die  Hoden  birnförmig  ausgezogen.  Ihr  Bau 
stimmt  mit  der  von  Graff  gegebenen  Darstellung  überein.  Auch 
hier  zeigen  die  Spermatozoen  ein  fädiges  Aussehen  und  lassen 
einen  Kopf-  und  einen  Schwanzteil  erkennen. 

Die  Vasa  deferentia  verlaufen  bei  allen  drei  von  mir  unter- 
suchten Geoplaniden  dorsal  über  den  Ovidukten. 

Bei  G.  olivacea  biegen  sie  vor  dem  Kopulationsapparate 
nach  innen  und  stoßen  in  der  Medianlinie  zusammen.  Von  der 
Vereinigungsstelle  des  rechten  und  linken  Vas  deferens  ent- 
springt ein  drüsiger  Ductus  seminalis  (Textflg.  5,  ds),  der 
zunächst  senkrecht  aufsteigt,  dann  jedoch  abbiegt  und  in  das 
Atrium  als  Ductus  ejaculatorius  (de)  mündet.  Die  Vasa  defe- 
rentra  selbst  nehmen  nach  ihrer  Einbiegung  (vdx)  erythrophile 
Drüsen  auf  und  ihr  Lumen  hat  sich  beträchtlich  erweitert.  Sie 
bilden  als  ventrale  Ausstülpung  zwei  »falsche  äußere«  Samen- 
blasen (vsx  und  vss). 

Bei  G.  bogotensis  und  G.  bogotensis  var.  bürgert  biegen  die 
Samenleiter  (Textfig.  3  und  4,  vd,  vdL)>  beim  Kopulationsapparat 
angelangt,  etwas  aufwärts,  dringen  in  die  Muskulatur  des 
männlichen  Apparates  ein  und  münden  getrennt  in  eine  Samen- 
blase (vs).  Zuerst  ist  das  Epithel  in  den  Samenleitern  platt  und 
cilienlos,  von  den  Knickungsstellen  an  nehmen  die  Zellen  eine 
kubische  Gestalt  an.  Eine  Muscularis  läßt  sich  nur  an  den  End- 
teilen der  Vasa  deferentia  konstatieren,  dieselbe  verstärkt  sich 
an  den  echten  Samenblasen.  Die  Vasa  efferentia  schlängein 
sich   dorsoventral   absteigend    zwischen   den   Darmdivertikeln 


Über  einige  Landplanarien. 


421 


durch,  wobei  ihr  Durchmesser  10  |x  beträgt.  Die  aus  platten 
Zellen  gebildete  Wandschichte  der  Hoden  setzt  sich  direkt 
in  die  Vasa  efferentia  fort,  Cilien  konnte  ich  mit  Sicherheit  nur 
bei  G.  olivacea  konstatieren.  Hier  besteht  die  Wandung  des 
weiten  Trichters  aus  einem  2  |x  hohen  Plattenepithel,  dessen 
Zellen  10  (i  lange  Cilien  tragen. 

Der  Kopulationsapparat.  G.  bogotensis  (Textfig.  3). 
Durch  die  Geschlechtsöffnung  gelangt  man  in  ein  Atrium 
genitale  commune  (ag)y  welches  sich  nach  vorne  und  hinten  in 


Fig.  3. 
Schema    des   Kopulationsapparates    von  G.  bogotensis    bei   9maliger 

Vergrößerung. 

af      Atrium  femininum. 
ag      Atrium  commune. 
agx     Ausbuchtung  desselben. 
am,  amx  Atrium  masculinum. 
c        Penis. 

ddt    Ductus  ejaculatorius. 
dr      Schalendrüsen. 

drg    Vereinigung  der  beiden  Drüsengänge. 
go      Geschlechtsöffnung. 
m      Muscularis  des  Atrium  masculinum. 
mam  Eigenmuskulatur  desselben. 
mdw  Muskulöse  Drüsenwülste  desselben. 
mh    Gemeinsame  Muskelhülle  des  Kopulationsapparates. 
tttw1  Dorsaler  Muskelwulst. 
mx    Von  Drüsen  erfülltes  Muskelgeflecht. 
od     Linker  Ovidukt. 
pht    Pharyngealtasche. 
va     Vagina. 
vdy  vdx  Vasa  deferentia. 
vs      Samenblase. 


422  B.  Busson, 

das  Atrium  masculinum  (am)  und  femininum  (af)  fortsetzt. 
Gerade  über  der  Geschlechtsöffnung  senkt  sich  dorsal  ein 
Muskelwulst  (tntvj  herab,  der  das  weibliche  und  männliche 
Atrium  scharf  voneinander  scheidet.  Als  direkte  Fortsetzung 
des  Hautmuskelschlauches  findet  sich  an  der  Geschlechts- 
öffnung, den  Atrien  und  der  Vagina  (va)  eine  Muscularis, 
bestehend  aus  einer  doppelten  Ring-  und  Längsfaserschichte. 
Beide  Atrien  sind  in  eine  lockere,  gemeinsame  Muskelhülle  (mh) 
eingebettet,  welche  aus  Längs-,  Rifig-  und  Radiärfasern  besteht 
und  seinerseits  gegen  das  Mesenchym  durch  Längmuskeln  ab- 
gegrenzt wird.  Ein  Teil  der  Muskulatur  (nix)  des  Atrium 
masculinum  stößt  direkt  an  die  hintere  Wand  der  Pharyngeal- 
tasche  (pht).  In  diesen  Teil  dringen  die  verjüngten  Vasa 
deferentia  (vd,  vdt)  ein  und  münden  getrennt  in  eine  Samen- 
blase (vs),  von  welcher  dorsal  der  vielfach  gewundene  Ductus 
ejaculatorius  (dde)  abgeht  und  in  das  Atrium  masculinum 
mündet.  Die  Maschen  des  Muskelgeflechtes  dieser  vorderen 
mit  mx  bezeichneten  Partie  sind  dicht  erfüllt  von  grobkörnigem 
Drüsensekrete  und  Kernen,  respektive  Drüsenzellen.  Die  Aus- 
führungsgänge derselben  dringen  zum  Teil  in  die  kubischen 
Epithelzellen  der  Samenblase  und  des  Ductus  ejaculatorius  ein, 
so  daß  dieselben  vollständig  von  Drüsensekret  erfüllt  werden. 
Außen  liegt  dem  Epithel  eine  schwache  Ringmuskeischichte  an. 

Der  Ductus  ejaculatorius  öffnet  sich  an  der  Spitze  einer 
kleinen  Ringfalte,  die  als  rudimentärer  Penis  zu  betrachten  ist, 
indem  der  darauffolgende  Abschnitt  aml  unter  denselben 
Gesichtspunkt  fällt  wie  der  homologe  Teil  des  Atrium  mas- 
culinum von  G.bogotensis  var.  bürgert  (siehe  dort).  Der  größte  Teil 
des  männlichen  Atrium  (am)  ist  mit  Fältchen  und  Papillen  ver- 
sehen, die  ich  als  muskulöse  Drüsenwülste  (mdw)  bezeichnen 
will.  In  sie  münden  zahlreiche  Drüsen  mit  breiten  Ausführungs- 
gängen ein,  deren  Zelleiber  zum  Teil  in  dem  Muskelgeflechte 
(mx),  zum  Teile  seitlich  davon  liegen. 

Die  Fasern  der  überhaupt  sehr  kräftig  entwickelten  Mus- 
cularis des  Atrium  masculinum  (Taf.  I,  Fig.  10,  m)  zeichnen 
sich  durch  bedeutende  Dicke  aus  und  dringen  in  die  Papillen 
selbst  ein,  indem  sie  zum  Teil  unter  dem  Epithel  derselben  ein 
Geflecht  bilden,  zum  Teil  im  Innern  nach  allen  Richtungen 


Über  einige  Landplanarien.  423 

verlaufen,  wobei  sie  nicht  selten  Spiraitouren  beschreiben  (Wj). 
Diese  Bauart  der  Papillen  läßt  darauf  schließen,  daß  die 
muskulösen  Drüsenwülste  das  Sekret  mit  großer  Kraft  aus- 
zuspritzen vermögen,  sobald  sich  die  Muskeln  zusammen- 
ziehen. Es  ist  dieses  umso  wahrscheinlicher,  als  sowohl  die 
übrige  Atrien muskuiatur  als  auch  jene  des  Ductus  ejaculatorius 
schwach  entwickelt  ist.  Das  Epithel,  welches  diese  Wülste 
bekleidet,  hat  sich  zum  größten  Teil  abgelöst.  In  den  Krypten 
und  am  freien  Ende  der  Papillen  (ep)  ist  es  verhältnismäßig 
hoch,  in  den  seitlichen  Partien  jedoch  derartig  gelagert,  daß  der 
Eindruck  eines  Plattenepithels  hervorgerufen  wird. 

Wir  haben  es  hier  also  mit  einem  eigenen  muskulösen 
Drüsenapparate  zu  tun,  der  dieselbe  physiologische  Bedeutung 
haben  dürfte,  wie  die  Adenodactilen  und  Adenochiren. 

Das  Atrium  femininum  (af)  ist  sehr  geräumig  und  seine 
Wandung  vielfach  ausgebuchtet.  Von  der  hinteren  Wand  steigt 
bogenförmig  die  Vagina  (va)  zur  Vereinigungsstelle  der  beiden 
Drüsengänge  (drg)  auf.  In  das  Atrium  femininum  und  die 
Vagina  münden  erythrophile  Drüsen,  doch  scheint  auch  das 
Epithel  selbst  sekretorische  Funktion  erlangt  zu  haben. 

In  Textfig.  4  ist  ein  Teil  des  männlichen  Kopulations- 
apparates von  G.  bogotensis  var.  bürgert  dargestellt.  Die  ab- 


t^hi 


man 
Fig.  4. 

Schema  eines  Teiles  des  männlichen  Kopulationsapparates   von 
G.  bogotensis  var.  bürgert  bei  9 maliger  Vergrößerung. 

am,  amx  Atrium  masculinum. 
c        Penis. 

de      Ductus  ejaculatorius. 
mam  Eigenmuskulatur  des  Atrium  masculinum. 
vd      Vasa  deferentia. 
vs      Samenblase. 


424  B.  Busson, 

weichende  Bauart  dieser  Partie  des  Kopulationsapparates  gegen- 
über jener  von  G.  bogotensis  ist  jedoch  nur  scheinbar  und  die 
Homologie  beider  Teile  gibt  sich  sofort  zu  erkennen,  wenn  man 
die  verschiedenartigen  Kontraktionszustände  gebührend  berück- 
sichtigt. Auch  hier  besteht  das  Atrium  masculinum  aus  zwei  ver- 
schiedenen Abschnitten  (siehe  Textfig.  3,  am,  amj,  einem 
kleineren  (amj,  in  dem  der  durch  einfache  Ausstülpung  der 
Atrienwandung  gebildete  Penis  (c)  liegt,  und  einem  größeren 
{am),  in  dessen  Inneres  zahlreiche,  muskulöse  Drüsen  Wülste  vor- 
springen, ebenso  wie  bei  G.  bogotensis.  Der  erste  Teil  und  die 
Oberfläche  des  Penis  werden  von  einem  cilientragenden, 
kubischen  Epithel  bekleidet,  ebenso  wie  der  in  Textfig.  3 
mit  am1  bezeichnete  Abschnitt  des  Kopulationsapparates  von 
G.  bogotensis. 

Abgesehen  von  einer  etwas  anderen  Entwicklung  der 
akzessorischen  Drüsen  des  männlichen  Atriums,  die  bei 
G.  bogotensis  var.  bürgeri  weniger  lokalisiert  sind  und  sich  in 
der  ganzen  Muskelhülle  finden,  stimmt  der  Kopulationsapparat 
der  eben  genannten  Form  in  allen  Einzelheiten  mit  jenem  von 
G.  bogotensis  überein. 

G.  olivacea  (Textfig.  5).  In  Bezug  auf  die  Ausführungs- 
gänge der  Geschlechtsdrüsen  ist  hervorzuheben,  daß  die  Vasa 
deferentia  vor  ihrer  Vereinigung  mehrfach  zu  falschen  Samen- 
blasen (vsv  vs2)  anschwellen.  Ferner  vermißt  man  hier  eine 
innere  echte  Samenblase. 

Der  durch  Vereinigung  der  beiden  Vasa  deferentia  (bei  vpd) 
entstandene  Ductus  seminalis  (ds)  steigt  senkrecht  nach  auf- 
wärts und  biegt  sich  dann  scharf  nach  abwärts,  um  von  oben 
her  in  die  Muskulatur  des  männlichen  Kopulationsorganes  ein- 
zudringen. Nach  mehreren  Windungen  in  dessen  hinterer  und 
unterer  Wand  mündet  der  Ductus  ejaculatorius  (de)  an  der 
Ventralfläche  des  Atrium  masculinum  aus,  ohne  daß  es  hiebei 
zur  Bildung  eines  Penis  käme.  Sowohl  in  den  letzten  erweiterten 
Abschnitt  der  Vasa  deferentia  (vdt)  als  auch  in  den  ganzen 
Ductus  ejaculatorius  (de)  münden  erythrophile  Drüsen  in 
großer  Zahl  ein.  Das  Epithel  dieser  Teile  trägt  Cilien  und  erhält 
durch  die  eintretenden  Sekretpfröpfe  stellenweise  ein  zottiges 
Aussehen. 


Über  einige  Landplanarien. 


425 


Ein  Atrium  commune  erscheint  hier  bloß  durch  das  kurze, 
von  der  Geschlechtsööhung  aufsteigende  Rohr  repräsentiert, 
das  Atrium  femininum  entbehrt  der  Faltenbildungen  und  ver- 
engt sich  ganz  allmählich  zu  seinem,  die  beiden  Drüsengänge 
aufnehmenden  blinden  Ende,  so  daß  sich  kein  deutlicher 
Vaginalteil  abgrenzen  läßt,  weder  der  Form  nach,  noch  histo- 


va      drj 


rstvst 


Fig.  5. 
Schema  des  Kopulationsapparates   von  G.  olivacea   bei  9maliger 

Vergrößerung. 
af      Atrium  femininum. 
am     Atrium  masculinum. 
de       Ductus  ejaculatorius. 
dr      Schalendrüsen. 

drg    Vereinigung  der  beiden  Drusengänge. 
ds      Ductus  seminalis. 
gd      Geschlechtsöffnung. 
mh     Gemeinsame  Muskelhülle. 
od      Linker  Ovidukt. 
va      Vagina. 
vd      Vas  deferens. 
vdi     Drüsiger  Abschnitt  desselben. 

vdp    Vereinigungsstelle  der  beiden  Vasa  deferentia  zum  Ductus  semina- 
lis (ds). 
vsv  ft?2  Falsche  Samenblasen. 
z        Drüsenzone. 


logisch,  da  der  ganze  weibliche  Raum  mit  einem  Drüsenepithel 
mit  eingekeilten  Sekretballen  erythrophiler  Drüsen  ausgekleidet 
ist.  Die  Wand  des  Atrium  masculinum  weist  große,  in  ihr 
Lumen  vorspringende  Falten  auf,  ist  durchwegs  von  dem 
gleichen  Drüsenepithel  ausgekleidet,  ohne  jedoch  muskulöse 
Drüsenwülste  zu  bilden.  Das  Geflecht  der  gemeinsamen  Muskel- 
hülle ist  hier  sehr  locker  und,  während  sonst  die  akzessorischen 


426  B.  Busson, 

erythrophilen  Drüsen  dasselbe  allenthalben  durchsetzen,  er- 
scheinen dieselben  hier  fast  ganz  auf  eine  Ringzone  an  der 
Grenze  der  beiden  Atrien  (z)  konzentriert,  die  jener  Stelle  ent- 
spricht, wo  sonst  der  —  hier  fehlende  —  dorsale  Muskelwulst 
vorzuspringen  pflegt. 

Die  Exkretionsorgane  habe  ich  bei  meinen  Untersuchungen 
völlig  außeracht  gelassen,  dagegen  habe  ich  am  Schlüsse  noch 
eines  Parasiten  Erwähnung  zu  tun.  Es  ist  dies  eine  Gregarine 
(Monocystidee),  die  sich  im  ganzen  Körper  von  G.  olivacea  in 
enormer  Anzahl  zwischen  allen  Organen  im  Bindegewebe  vor- 
findet. Eine  ähnliche,  vielleicht  auch  dieselbe  Monocystidee, 
fand  Krsmanovic  (1.  c.)  bei  G.  steenstrupi,  wogegen  Gregarinen 
sonst  zumeist  nur  aus  dem  Darme  der  Landplanarien  bekannt 
sind.  Im  vorliegenden  Falle  sind  sie  von  eiförmiger  oder  runder, 
selbst  langgestreckter  Gestalt  und  bergen  einen  großen,  scharf 
konturierten  Kern,  der  seinerseits  wieder  einen  größeren  und 
1  bis  3  kleinere  Binnenkörper  enthält.  Der  Plasmaleib  wird  von 
einer  dünnen,  aber  sehr  deutlichen  Cuticula  umhüllt,  an  der  ich 
jene  öfters  beobachtete  charakteristische  Streifung  vermisse. 
Das  Plasma  selbst  erscheint  wabig  strukturiert  oder  grob  ge- 
körnelt.  So  wie  die  Gestalt,  wechselt  auch  die  Größe  der  Tiere. 
Die  größten  werden  180(1  lang  und  100|t  breit,  wobei  der 
Durchmesser  des  runden  Kernes  35  ja,  der  des  größten  Binnen- 
körpers 10  (t  beträgt. 


Über  einige  Landplanarien.  427 


Erklärung  der  Tafel. 


Fig.  1  bis  7.   Pelmatoplana  willeyi  n.  sp. 

Fig.    t.     Ein   schmutziggelbbraun   gefärbtes   Exemplar,   schief  von   obenher 

betrachtet,  bei  4  maliger  Vergr. 
Fig.    2.     Ein  rötliches  Exemplar  in  Seitenansicht,  bei  4  maliger  Vergr. 
Fig.    3.     Querschnitt  durch  den  Kopulationsapparat  in  der  Gegend  des  Atrium 

genitale  commune.   Hiebei  ist  nur  die  eine  Hälfte  dargestellt,  um  die 

rechtsseitigen  Drüsentaschen  zu  zeigen;  bei  100 maliger  Vergr. 
Fig.    4.     Querschnitt  durch  den  Kopulationsapparat  in  der  Gegend  des  Atrium 

femininum  und  der  beginnenden  Vagina.   Dieser  Schnitt  zeigt  die 

Ausfuhrungsgänge  der  rechten  und  linken  Drüsentaschen   bei  100- 

maliger  Vergr. 
Fig.    5.     Querschnitt   durch   das   den  Drüsentaschen   nach  innen  anliegende 

Reticulum  in  teilweiser  Darstellung  bei  600  maliger  Vergr. 
Fig.    6.    Querschnitt  durch  den  Penisbulbus  und  den  drüsigen  Ductus  ejacula- 

torius  bei  100  maliger  Vergr. 
Fig.    7.    Ein  Teil   des   Geflechtes   der  Vasa  intermedia  unter  dem  rechten 

Längsnervenstamm   bei   30  maliger   Vergrößerung,    halbschematisch 

konstruiert. 

G.  bogotensis  var.  bürgert  nov.  var. 
Fig.    8.     Ein  Stück  aus  der  Mitte  in  dorsaler  Ansicht  bei  3  maliger  Vergr. 

Fig.  9  und  10.  G.  bogotensis  Graf  f. 

Fig.    9.    Querschnitt  durch  einen  Nebenkeimstock  und  den  Ovidukt    Zirka 

100  malige  Vergr. 
Fig.  10.     Sagittalschnitt   durch    einen   muskulösen   Drüsenwulst   des   Atrium 

masculinum  bei  zirka  100  maliger  Vergr. 

G.  olivacea  Fr.  Müller. 
Fig.  11.    Ein  Exemplar  von  der  Bauchseite.  Natürliche  Größe. 


428  B.  Busson, 


Buchstabenbezeichnung. 


af  Atrium  femininum. 

ag  Atrium  genitale  commune. 

au  Augen. 

B  Bindegewebe. 

bg  Hülle  von  Bindegewebsfasern. 

bk  Bindegewebskerne. 

bm  Basalmembran. 

c  Aus  dem  Genitalporus  hängender  Kokon. 

dde,  ddel  Drüsiger  Ductus  ejaculatorius. 

dr  Drüsen. 

dra,  drax  Drüsenausführungsgänge. 

drf  Drüsensekretfäden. 

dt,  dt1  Drüsentaschen. 

dtg  Ausführungsgang  der  letzteren. 

ep,  epx  Epithel. 

/  Bindegewebsfaser. 

hml,  hmlx  Längsmuskelbündel. 

hmr,  hmr^  Ringmuskeln  des  Hautmuskelschlauches. 

k  Kriechleiste. 

kd  Cyanophile  Drüsen. 

kda  Ausführungsgänge  derselben  im  Epithel. 

m  Muscularis. 

m1  Von  dieser  in  das  Innere  der  Drüsen wülste  abzweigende  Muskel- 
fasern. 

mlv  Longitudinale  Fasern  der  Parenchymmuskulatur. 

m'ö  Mundöffnung. 

mp  Muskulatur  des  Penisbulbus. 

mqd,  mqv  Transversale  Parenchymmuskelfasern. 

mr  Membranen  in  den  Drüsentaschen. 

ms  Bindegewebsfasern. 

mw  Eigenmuskulatur  der  Atrien. 

mwl  Longitudinale  Fasern  der  Eigenmuskulatur. 

mwr  Radiäre  Fasern  der  Eigenmuskulatur. 

n  Nervenplatte. 

nl  Längsnervenstamm. 

np  Hautnervenplexus. 

od  Ovidukt. 


Über  einige  Landplanarien.  429 

ö  Ausmündungsstelle  des  linksseitigen  Drüsentaschenganges. 

ov  Keimstock. 

R  Bindegewebiges  Reticulum. 

ie  Hoden. 

tp  Tunica  propria. 

va  Vagina. 

vd  Vas  deferens. 

ve  Vas  efferens. 

vi  Vasa  intermedia. 

x  Auftreibung  über  dem  Kopulationsapparate. 


430 


XIII.  SITZUNG  VOM  22.  MAI  1903. 


Erschienen:  Monatshefte  für  Chemie,  Bd.  XXIV,  Heft  III  (März  1903).- 
Mitteilungen  der  Erdbeben-Kommission,  Neue  Folge,  Nr.  XIII. 

Das  k.  M.  Dr.  Karl  Freiherr  Auer  v.  Welsbach  übersendet 
den  zweiten  Teil  seiner  Arbeit:  »Die  Zerlegung  des  Didyms 
in  seine  Elemente«. 

Ferner  übersendet  derselbe  ein  versiegeltes  Schreiben 
zur  Wahrung  der  Priorität  mit  der  Aufschrift:  »Zerlegung 
des  Erbiums  in  seine  Elemente«. 

Das  w.  M.  Prof.  R.  v.  Wettstein  überreicht  eine  Abhand- 
lung von  Dr.Emerich  Zederbauer, betitelt:  »Myxobacteriaceae. 
eine  Symbiose  zwischen  Pilzen  und  Bakterien«. 

Das  w.  M.  Hofrat  J.  Hann  überreicht  eine  Abhandlung 
von  Prof.  Dr.  P.  Czermak  in  Innsbruck  unter  dem  Titel:  Ȇber 
Elektrizitätszerstreuung  in  der  Atmosphäre«. 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Schuyten,  M.  C:  Over  de  snelheit  der  uitstralings  wannte 
van  het  lichaam.  (Mededeeling  uit  het  stedelijk  Paedologisch 
Laboratorium  Antwerpen.)  8°. 


Busson.B. :  TJber  einig) 


Taf.I.H. 


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SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATH  EM  ATISCH -NATURWISSENSCHAFTUCHE  KLASSE 


CXII.  BAND.  VI.  HEFT. 


ABTEILUNG  I. 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MINERALOGIE, 

KRYSTAIXOGRAPHIEt  BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 

PALÄONTOLOGIE,  GEOLOGIE,  PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  UND  REISEN. 


28 


m 


XIV.  SITZUNG  VOM  4.  JUNI  1903. 


Erschienen:  Monatshefte  Cur  Chemie,  Band  XXIIT,  1902;  Register. 

Der  Vorsitzende,  Prof.  E.  Sueß,  macht  Mitteilung  von 
dem  Verluste,  welchen  die  Klasse  durch  das  am  4.  Juni  1.  J. 
erfolgte  Ableben  ihres  inländischen  korrespondierenden  Mit- 
gliedes, Professors  Dr.  Leopold  Gegenbauer,  erlitten  hat. 

Die  anwesenden  Mitglieder  geben  ihrem  'Beileide  durch 
Erheben  von  den  Sitzen  Ausdruck. 

Prof. Friedrich  Berwerth  erstattet  den  dritten  Bericht  über 
(Jen  Fortgang  der  geologischen  Beobachtungen  im  Süd- 
flügel des  Tauerntunnels. 

Franz  Baron  Nopcsa  jun.  übersendet  bezüglich  des 
Inhaltes  seiner  am  7.  Mai  1.  J.  vorgelegten  Abhandlung:  »Dino- 
saurierreste aus  Siebenbürgen  Tu  (Weitere  Schädel- 
reste von  Mochlodon)«  eine  Mitteilung. 

Prof.  Dr.  Anton  Waßmuth  übersendet  eine  Mitteilung  zu 
seiner  in  der  Sitzung  am  7.  Mai  1.  J.  vorgelegten  Abhandlung: 
»Ober  die  bei  der  Biegung  von  Stahlstäben  beob- 
achtete  Abkühlung«. 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  zwei  Arbeiten 
aus  seinem  Laboratorium: 

I.  Ȇber  die  Darstellung  des  Crotonaldazins  und 
dessen  Umlagerung  in  Methylpyrazolin«,  von 
Stabsarzt  Dr.  Jaroslav  Hladik. 

II.  »Über  Gärungsamylalkohol«,  von  Anton  Kailan. 

28* 


434 

Das  w.  M.  Hofrat  J.  Wiesner  legt  eine  im  pflanzen- 
physiologischen Institute  von  Herrn  Adolf  Peter  ausgeführte 
Arbeit  vor,  betitelt:  »Beiträge  zur  Anatomie  der  Vege- 
tationsorgane der  Gattung  Bostuellia*. 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Caracciolo,  Rosario:  L'etere   formol-monometilbiossibenzina 

nella  tubercolosi.  Messina,  1903.  8°. 
Ermenyi,  Phil.  Dr.:  Dr.  Josef  Petzval's  Leben  und  Verdienste. 

(Zweite  Auflage.)  Halle  a.  S.,  1903.  8°. 
Haeckel,  Ernst:  Kunstformen  der  Natur.  8.  Lieferung.  Leipzig 

und  Wien. 
Karner,  Lambert,  P.:  Künstliche  Höhlen  aus  alter  Zeit.  Wien, 

1903.  4°. 
Mal uta,  Gustavo:  Principii  di  suggestione  terapeutica.  Padua, 

1903.  8°. 
Sonn  blick -Verein:   Erster  bis  elfter  Jahres-Bericht  für  die 

Jahre  1892  bis  1902.  Wien.  4°. 
Toldt,  K.:  Karl  Langer  Ritter  v.  Edenberg.  Eine  Gedenkrede 

zur  Feier  der  Aufstellung  eines  Denkmales  für  denselben 

in  den  Arkaden  der  Wiener  Universität.  Wien  und  Leipzig, 

1903.  8°. 
University  of  Montana:  Bulletin,  Nr.  9, 10,  13,  14.  8°. 


435 


XV.  SITZUNG  VOM  12.  JUNI  1903. 


Erschienen:  Sitzungsberichte,  Bd.  111,  Abt.  IIa,  Heft  X  (Dezember  1902).— 
Mitteilungen  der  Erdbeben-Kommission,  Neue  Folge,  Nr.  XIV. 

Das  w.  M.  Prof.  Guido  Goldschmiedt  übersendet  eine  im 
chemischen  Institute  der  k.  k.  deutschen  Universität  in  Prag 
ausgeführte  Arbeit  von  Dr.  R.  v.  Hasslinger,  betitelt:  »Der 
sogenannte  »kohlige  Rückstand«  von  der  Destillation 
des  Schwefels  ist  ein  Eisencarbid«. 

Dr.  Adolf  R.  Michniewicz  in  Czernowitz  übersendet  eine 
Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Die  Lösungsweise  der 
Reservestoffe  in  den  Zellwänden  der  Samen  bei 
ihrer  Keimung«. 

Prof.  E.  v.  Oppoizer  überreicht  folgende  zwei  Druck- 
werke: 

I.  Definitive  Resultate  aus  den  Prager  Polhöhen- 
messungen von  1889  bis  1892  und  von  1895  bis 
1899.  Auf  öffentliche  Kosten  herausgegeben  von  Prof.  Dr. 
L.  Weine k.  Prag,  1903;  4°. 

II.  Die  Polhöhe  von  Prag  nach  den  in  den  Jahren 
1889  bis  1892  und  1895  bis  1899  nach  der  Horrebow- 
Talcatt'schen  Methode  von  L.  Weinek,  G.  Gruß, 
R.  Spitaler,  R.  Lieblein  und  E.  v.  Oppoizer  ange- 
stellten Beobachtungen,  bearbeitet  von  Dr.  Egon 
Ritter  v.  Oppoizer.  (Mit  einem  Vorworte  von  Geh.  Regie- 
rungsrat Prof.  Dr.  Theodor  Alb  recht.)  Prag,  1903;  4°. 

Herr  Friedr.  Aug.  Otto  in  Düsseldorf  übersendet  eine 
weitere  Mitteilung  über  die  Auflösung  des  irreduziblen 
Falles  der  Cardanischen  Formel. 


439 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  eine  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeit:  »Überführung  des  dem 
Isobutyraldol  entsprechenden  1,3-Glykoles  in  ein  iso- 
meres 1,4-Glykol«,  von  G.  Mossler. 

Das  w.  M.  Hofrat  E.  v.  Mojsisovics  überreicht  den  »All- 
gemeinen Bericht  uq<4  Chroqik  der  im  Jahre  1902  im 
Beobachtungs'gebiete  eingetretenen  Erdbeben«. 


Selbständige  Werke  oder  neue,   der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Cooke,  Theodore:  The  flora  of  the  presidency  of  Bombay. 

Part  III,  Caesalpineae  to  Rubiaceae.  London,  1903;  8°. 
Watzof,  Spas:  Tremblements  de  terre  en  ßulgarie.  No.2.  Liste 

des  tremblementsi  de  terre  observes  pendant  Tannee  1901. 

Sofia,  1903;  8°. 


437 


XVI.  SITZUNG  VOM  18.  JUNI  1903. 


EfiKkienen:  Monatsheft©  für  Chemie,  Bd.  XXIV,  Heft  IV  (April  1903). 

Der  Vorsitzende,  Prof.  E.  Sueß,  macht  Mitteilung  von 
dem  Verluste,  welchen  die  Klasse  durch  das  am  10.,  beziehungs- 
weise 14.  Juni  1.  J.  erfolgte  Hinscheiden  ihrer  ausländischen 
korrespondierenden  Mitglieder,  Prof.  Luigi  Cremona  in  Rom 
und  Prof.  Dr.  Karl  Gegenbaur  in  Heidelberg,  erlitten  hat. 

Die  anwesenden  Mitglieder  erheben  sich  zum  Zeichen 
ihres  Beileides  von  den  Sitzen. 

Prof.  J.  Seh  äff  er  in  Wien  spricht  den  Dank  für  die 
Zuerkeimung  des  Lieben-Preises  aus. 

Dr.  Alfred  Exner  hat  gemeinsam  mit  Dr.  G.  Holzknecht 
mit  den  von  der  hohen  kaiserlichen  Akademie  der  Wissen- 
schaften in  Wien  zur  Verfügung  gestellten  Mitteln  Unter- 
suchungen über  die  biologischen  Wirkungen  der  Becquerel- 
Strahlung  angestellt  und  zunächst  das  Augenmerk  auf  die 
nach  Bestrahlung  der  menschlichen  Haut  entstehende  Derma- 
titis gerichtet 

Dr.  Guido  Holzknecht  hat  mit  den  seitens  der  hohen 
kaiserl.  Akademie  zur  Verfügung  gestellten  Mitteln  an  der 
H.  Syphilisabteilung  des  k.  k.  allgemeinen  Krankenhauses  in 
Wien  (Vorstand  Prof.  E.  Lang)  die  Wirkung  der  Radium- 
strahlung auf  pathologische  Produkte  der  Haut  untersucht  und 
konnte  feststellen,  daß  bei  Psoriasis  vulgaris  die  schuppen- 
bedeckten Infiltrate  nach  der  Bestrahlung  verschwinden,  die 
Schuppen  abfallen  und  nur  leicht  pigmentierte  Stellen  für  einige 


438 

Zeit  zurückbleiben.  Dieses  Resultat  wird  durch  eine  relativ 
geringe  Strahlenmenge  hervorgebracht.  Es  genügt  dazu  die 
eine  Minute  lange  Bedeckung  der  Stelle  mit  dem  direkt  auf- 
gelegten stärksten  Präparat. 

Prof.  Dr.  Emil  Waelsch  in  Brunn  übersendet  eine  Ab- 
handlung mit  dem  Titel:  »Über  Binäranalyse«  (II.  Mitteilung). 

Kustos  Friedrich  Sieben  rock  übersendet  eine  Abhandlung, 
betitelt:  »Über  zwei  seltene  und  eine  neue  Schildkröte 
des  Berliner  Museums«. 

Ing.  Ferdinand  Kryz  in  Wien  übersendet  ein  versiegeltes 
Schreiben  zur  Wahrung  der  Priorität  mit  der  Aufschrift:  »Eine 
mikrochemische  Methode  zur  genauen  Bestimmung 
des  spezifischen  Gewichtes  von  Flüssigkeiten,  von 
denen  nur  eine  sehr  kleine  Menge  zur  Verfügung 
steht«. 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  zwei  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeiten: 

I.  Ȇber  das  Glykol  aus   tso-Valeraldehyd   und  iso- 

Butyraldehyd«,  von  Viktor  Jeloönik. 
II.  »Einwirkung  von   verdünnter  Schwefelsäure  auf 
das  aus  Isovaleraldehyd  erhaltene   Glykol«,   von 
Max  Morgenstern. 


439 


Über  zwei  seltene  und  eine  neue  Schildkröte 
des  Berliner  Museums 

von 

Kustos  Friedrich  Siebenrock. 

(Mit  1  Tafel.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  18.  Juni  1903.) 

Ein  mehrtägiger  Aufenthalt  am  königlichen  Museum  für 
Naturkunde  in  Berlin,  Mitte  Mai  1.  J.,  bot  mir  die  Gelegenheit, 
die  schöne  und  reiche  Schildkrötensammlung  daselbst  zu 
studieren.  Dank  dem  freundlichen  Entgegenkommen  sowohl 
von  Seite  des  Direktors,  Herrn  Geh.  Regierungsrates  Professors 
K.  Mob i us,  als  auch  meines  Fachkollegen,  Herrn  Professors 
G.  Tornier,  welch  letzterer  mir  in  der  liberalsten  Weise  die 
genannte  Sammlung  zur  Verfügung  stellte,  gelang  es  mir,  bei 
zwei  seltenen  Arten  zu  konstatieren,  daß  sie  von  den  Autoren 
genetisch  ganz  falsch  beurteilt  worden  waren.  Außerdem  konnte 
für  Zentralafrika  eine  neue,  sehr  interessante  Art  aus  derGattung 
Testudo  Linne  aufgestellt  werden. 

Clemmys  nigricans  Gray. 

Diese  Art  wurde  von  Gray  (Proc.  Zool.  Soc,  1S69,  p.  195) 
zur  Gattung  Damonia  Gray  gestellt,  ihre  Charaktermerkmale 
stimmen  jedoch  vollkommen  mit  der  Gattung  Clemmys  Wagl. 
überein.  Die  Alveolarfläche  des  Oberkiefers  ist  schmal,  ohne 
mediane  Längskante,  die  Choanae  liegen  zwischen  den  Augen- 
höhlen und  der  Kopf  wird  oben  von  einer  glatten,  ungeteilten 
Haut  bedeckt 

Das  Berliner  Museum  besitzt  von  dieser  Art  fünf  Exemplare 
aus  Ningpo  in  China.  Die  Rückenschale  des  größten  Exemplares 


440  F.  Siebenrock, 

ist  160  mm  lang,  HO  mm  breit,  die  des  kleinsten  Exemplares 
105  mm  lang  und  75  mm  breit. 

Rückenschild  ellipsoid,  vorne  schmäler  als  hinten,  bei 
jüngeren  Exemplaren  gewölbt  mit  sehr  deutlichem  Vertebral- 
kiel,  der  sich  auf  dem  zweiten  bis  fünften  Vertebrale  zu  einem 
starken  Längswulst  erhebt.  Beim  größten  Exemplar  wird  der- 
selbe undeutlich  und  der  Rückenschild  flacht  sich  erheblich  ab. 
Vorderrand  der  Schale  nicht  ausgeschnitten,  Hinterrand  in  der 
Femoralgegend  etwas  ausgedehnt  und  hinten  abwärts  geneigt, 
zwischen  den  Suprakaudalschildern  eingekerbt.  Seitenrand  bei 
kleineren  Exemplaren  kaum  vorstehend,  bei  den  größeren  ab- 
gerundet. Vertebralia  breiter  als  lang,  am  breitesten  das  vierte. 
Erstes  Vertebrale  vorne  bedeutend  breiter  als  hinten;  vordere 
Seitenkanten  des  zweiten  und  dritten  Vertebrale  kürzer  als  die 
hinteren  und  vordere  Mittelkante  breiter  als  die  rückwärtige. 
Zweites  und  drittes  Vertebrale  schmäler  als  die  entsprechenden 
Costalia.  Nuchale,sehr  deutlich,  dreieckig,  die  Spitze  nach,  vorne 
gekehrt,  hinten  so  breit  als  lang.  Die  Supracaudalia  stoßen  mitten 
winkelig  zusammen  und  bilden  nach  oben  einen  Kiel.  Schilder 
der  Rückenschale  bei  jungen  Exemplaren  deutlich  konzentrisch 
gefurcht,  bei  den  größeren  ganz  glatt.  Die  Kostalschilder  weisen 
ajqch  beim  kleinsten  Exemplar  nicht  die  geringste  Spur  eines 
Seitenkieles  auf. 

Plastron  schmäler  als  die  Schalenöffnung,  Vorderlappen 
abgestutzt  und  ebenso  breit  als  der  Hinterlappen,  der  winkelig 
ausgeschnitten  ist.  Breite  der  Brücke  geringer  als  die  Länge  des 
Hinterlappens.  Längste  Mittelnaht  zwischen  den  Abdominal- 
schildern, kürzeste  zwischen  den  gularen;  nur  bei  zwei  Exem- 
plaren ist  letztere  ebenso  lang  als  die  humerale  und  anale 
Mittelnaht;  die  femorale  ist  länger  als  die  anale.  Axillar-  und 
Inguinalschüder  gut  entwickelt,  erstere  länger,  aber  schmäler 
als  letztere. 

Kopf  klein,  Schnauze  unbedeutend  vorspringend,. Kopfhaut 
ungeteilt.  Oberkiefer  mitten  deutlich  ausgeschnitten,  Alveolar- 
fläqhe  schmal  ohne  mediane  Kante,  Choanae  zwischen  den  Augen 
gelegen.  Vorarm  vorne  mit  breiten  bandartigen  Schuppen  bedeckt, 
deren  freier  Rand  sehr  scharf  gezähnelt  ist.  Diese  feinet  Zähne- 
lung  tritt  besonders  bei  den  Schuppen  des  größten  Exemplares 


Schildkröten  des  Berliiwr  Museums.  441 

sehr  deutlich  auf.  Schwanz  &/2-  bis  472mal  in  der  Länge  der 
Rückenschale  enthalten. 

Rückenschale  lichtoliven,  die  einzelnen  Schilder  dunkel 
gerandet,  in  der  Vertebralgegend  schwarz.  Plastron  gelb,  jeder 
Schild  mit  einem  schwarzen  Fleck,  der  die  lateral  gelegene, 
große  Areole  entweder  ganz  oder  zum  größten  Teil  einnimmt, 
weshalb  die  schwarzen  Flecken  eine  viereckige  Form  haben. 
Die  kleinsten  Schilder,  nämlich  die  gularen  und  zuweilen  die 
analen,  besitzen  auch  die  kleinsten  Flecken.  Auf  der  Brücke 
zwei  schwarze  Flecken,  von  denen  einer  auf  dem  pektoralen,  der 
andere  auf  dem  abdominalen  Teil  gelegen  ist,  die  aber  niemals 
mitsammen  verschmelzen.  Von  den  Marginalen  haben  bloß  die 
lateralen,  die  mit  der  Brücke  in  Verbindung  stehen,  an  der  Unter- 
fläche einen  dreieckigen  schwarzen  Fleck,  die  vorne  und  hinten 
gelegenen  sind  einfach  gelb  gefärbt  und  ganz  schmal  schwarz 
eingesäumt 

Kopf  oben  und  die  Kiefer  lichtolivengrün,  Hals  oben  und 
seitlich  braun,  Vom  hinteren  Augenrand  zieht  ober  dem  Tym- 
panum  ein  gelber  Streifen  nach  hinten,  der  sich  gewöhnlich 
längs  des  Halses  fortsetzt.  Über  diesem  läuft  noch  ein  zweiter 
am  Halse,  der  erst  hinter  dem  Schädel  beginnt.  Unterseite  des 
Kopfes  und  Halses  gelb  gefärbt.  Vordergliedmaßen  vorne  und 
außen  braun,  innen  gelb;  Schwanz  braun  mit  gelben  Längs- 
streifen. 

Clemmys  nigricans  Gray  besitzt  habituell  die  meiste 
Ähnlichkeit  mit  CL  caspica  Gm.,  von  der  sie  sich  aber  sowohl 
durch  die  Form  der  Vertebralschilder  und  des  Nuchale  als  auch 
insbesondere  durch  die  sehr  charakteristische  Färbung  unter- 
scheidet. Sie  gehört  somit  in  die  erste  Gruppe  der  von 
Bouienger  (Cat  p.  101)  aufgestellten  Synopsis  der  Gattung 
Clemmys  Wagl.T  deren  Arten  dadurch  gekennzeichnet  sind,  daß 
ihre  anale  Mittelnaht  kürzer  ist  als  die  femorale.  Somit  lautet 
die  Synopsis  dieser  Gruppe  nach  Einreihung  dfer  obgenannten 
Art  folgendermaßen: 

Hinterrand  der  Schale  abgerundet,  vordere  Seitenkante  des  2. 
bis  3.  Vertebtale  ebenso  lang  als  die  hinteren;  Oberkiefer 
mitten  ausgeschnitten,  fein  gezahnt caapica. 


442  F.  Siebenrock, 

Hinterrand  der  Schale  abgerundet,  vordere  Seitenkanten  des 
2.  bis  3.  Vertebrale  ebenso  lang  als  die  hinteren;  Oberkiefer 
mitten  ausgeschnitten,  nicht  gezahnt leprosa. 

Hinterrand  der  Schale  abgerundet,  vordere  Seitenkanten  des 
2.  bis  3.  Vertebrale  kürzer  als  die  hinteren;  Oberkiefer 
mitten  ausgeschnitten,  nicht  gezahnt nigricans. 

Hinterrand  der  Schale  gesägt;  Oberkiefer  nicht  ausge- 
schnitten   japonica. 

Hinterrand  der  Schale  gesägt;  Oberkiefer  mitten  ausge- 
schnitten   schmackeri. 

Cinixys  nogueyi  Lataste. 

Lataste  (Le  Natural.  1886,  p.  286)  stellte  diese  Art,  welche 
in  zwei  Exemplaren  am  oberen  Senegal  gesammelt  wurde, 
zur  Gattung  Homopus  D.  B.  Lataste  legte  bei  der  Beurteilung 
der  Gattung  den  Hauptwert  auf  die  Größe  und  Verbindungs- 
weise der  Inguinaiia,  die  eben  vollkommen  mit  denen  von 
Cinixys  belliana  Gray  übereinstimmen,  und  übersah  dabei  das 
wichtigste  Merkmal,  nämlich  die  Beweglichkeit  des  Rücken- 
schildes. Denn  hätte  der  genannte  Autor  das  größere  der  beiden 
Exemplare  genauer  untersucht,  so  würde  er  gefunden  haben, 
daß  der  hintere  Teil  des  Rückenschildes  beweglich  ist.  Somit 
kann  die  in  Rede  stehende  Art  nur  zur  Gattung  Cinixys  Bell 
gehörig  betrachtet  werden. 

Das  Berliner  Museum  besitzt  davon  elf  Exemplare  von 
45  bis  220  mm  Schalenlänge,  die  insgesamt  aus  dem  Togoland 
stammen,  und  zwar  von  Bismarckburg,  Gandu,  Gao  Haussari  am 
Garua-Benue,  Misahöh  und  Pama-Gurma. 

Bei  einem  jungen  Exemplar  von  64  mm  Schalenlänge,  das 
nahezu  genau  mit  der  Beschreibung  von  Lataste's  Homopus 
nogueyi  übereinstimmt,  ist  die  Beweglichkeit  des  Rückenschildes 
in  seinem  hinteren  Abschnitte  allerdings  noch  nicht  erkennbar, 
allein  mit  fortschreitendem  Wachstum  tritt  dieselbe  immer 
deutlicher  hervor.  Sowohl  die  Form  der  Schale  als  auch  die 
große  Ähnlichkeit  in  der  Färbung  mit  Cinixys  belliana  Gray 
begünstigen  bei  erwachsenen  Tieren  eine  Verwechslung  der 
beiden  Arten. 


Schildkröten  des  Berliner  Museums.  443 

Cinixys  nogueyi  Lataste  läßt  sich  jedoch  kurz  in  folgender 
Weise  charakterisieren:  Vordergliedmaßen  mit  vier  Krallen, 
Mittelnaht  der  Analschiider  kürzer  oder  höchstens  ebenso  lang 
(bei  einigen  jungen  Exemplaren)  als  die  der  gularen.  Rücken- 
schale entweder  ganz  lichtolivengrün  gefärbt  oder  die  einzelnen 
Schilder  mit  einem  braunen  Rand  umgeben;  niemals  aber  werden 
Radienbildungen  an  den  Rändern  der  Schilder  oder  schwarze 
Flecken  auf  den  Areolen  wie  bei  C.  belliana  Gray  bemerkt. 
Somit  unterscheidet  sich  C.  nogueyi  Lataste  von  C.  belliana 
Gray  durch  die  geringere  Zahl  von  Krallen  an  den  Vorderglied- 
maßen, durch  die  kürzere  anale  Mittelnaht  im  Verhältnis  zur 
gularen  und  durch  die  einfachere  Färbung  des  Rückenschildes. 
Die  von  Bou lenger,  c.  1.  p.  140,  gegebene  Synopsis  der  Gattung 
Cinixys  Bell  muß  dementsprechend  in  der  Gruppe  II,  wie  folgt, 
ergänzt  werden: 

II.  Rand  der  Rückenschale  weder  aufwärts  gebogen  noch 
gesägt;  Nuchalschild  anwesend. 

Vordergliedmaßen  mit  fünf  Krallen belliana. 

Vordergliedmaßen  mit  vier  Krallen nogueyi. 

Die  letztere  Art  scheint  nur  im  Norden  des  westlichen 
Afrika  heimisch  und  daher  mehr  lokalisiert  zu  sein  als  die 
erstere  Art,  deren  Verbreitung  sich  auch  südlich  vom  Äquator 
und  weit  gegen  Osten  hin  erstreckt. 

Testudo  tornieri  nov.  spec. 

Ein  getrocknetes  Exemplar  von  160  mm  Schalenlänge,  das 
von  Dr.  F.  Stuhl  mann  bei  Bussisia  am  Viktoria  Nyanza  ge- 
sammelt wurde.  Das  Tier  scheint  entweder  unzweckmäßig 
konserviert  worden  zu  sein  oder  es  war  mit  Knochenerweichung 
behaftet,  denn  die  Schale  ist  ziemlich  weich  und  flachgedrückt, 
weshalb  die  Größendimensionen  nur  annähernd  festgestellt 
werden  können. 

Der  Rückenschild  dürfte  mindestens  um  ein  Drittel  länger 
als  breit,  niedrig  und  nur  mäßig  gewölbt  sein,  somit  der  Form 
von  Cinixys  belliana  Gray  ungefähr  gleichkommen.  Vorder- 
rand schwach  ausgeschnitten,  Hinterrand  abgerundet  und 
abwärts  gebogen.  Erstes  Vertebrale   am  schmälsten,  ebenso 


F.  Siebenrock :  Schildkröten  des  BerlinerMuseinas . 


Ges.u.1ith.v.E.Konopic1cy.  LiflLAiwtv.TlütaiinirMOO«!« 

Sitzungsberichte  d.kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-T\at\irw.  Classe,  BcLCXH  . AbthX  J903. 


J 


447 


Myxobacteriaceae, 
eine  Symbiose  zwischen  Pilzen  und  Bakterien 


Dr.  £.  Zederbauer, 

Assistenten  am  botanischen  Garten  der  k.  k.  Universität  in  Wien. 

(Mit  2  Tafeln.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  22.  Mai  1903.) 

Als  Myxobacteriaceae  bezeichnet  Th axter  *  eine  Ordnung 
von  Bakterien,  aus  beweglichen  fadenförmigen  Organismen  be- 
stehend, die  sich  durch  Teilung  vermehren,  eine  gelatinöse 
Grundmasse  ausscheiden  und  einen  pseudoplasmodiumähn- 
lichen  Aggregatszustand  bilden,  bevor  sie  in  ein  mehr  oder 
weniger  hoch  entwickeltes,  Cysten  produzierendes  Ruhestadium 
übergehen,  in  welchem  die  Fäden  ohne  Veränderung  sich 
encystieren  können  oder  in  Sporenmassen  umgewandelt  werden. 
Die  Entwicklung  dieser  Organismen  zerfällt  in  zwei  mehr  oder 
weniger  regelmäßige  Perioden,  eine  vegetative  und  bei  ein- 
tretend günstigen  Bedingungen  in  eine  Periode  derFruktifikation 
oder  Pseudofruktifikation.  Im  ersten  Stadium  bildet  sich  ein 
Schwann  von  Individuen,  die  sich  durch  Teilung  vermehren  und 
durch  eine  gelatinöse  Grundmasse  zusammengehalten  werden. 
Diese  Periode,  in  der  besonders  die  Bakterien  in  den  Vorder- 
grund treten,  dauert  verschieden  lang  und  ist  bei  den  ver- 
schiedenen Formen   durch  unbedeutende  Variationen   in   der 


1  Vergl.  das  Literaturverzeichnis,  1,  S.  394.  Motile,  rod-like  organisms, 
multiplying  by  fission,  secreting  a  gelatinous  base,  and  forming  pseudo- 
plasmodium-like  aggregations  before  passing  into  a  more  or  less  highly 
dcvelopcd  cystproducing  resting  State,  in  which  the  rods  may  become  encysted 
in  groups  without  modification  or  may  be  couverted  into  spore  masses. 

Sit2b.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  29 


448  E.  Zederbauer, 

Gruppierung  der  sie  zusammensetzenden  Individuen  charakte- 
risiert. 

Der  Beginn  der  zweiten  Periode  ist  gekennzeichnet  durch 
das  Zusammenschwärmen  der  einzelnen  Individuen.  Während 
die  erste  Periode  bei  den  einzelnen  Gattungen  wenig  Verschie- 
denheiten aufweist,  ist  die  zweite, Periode  bei  den  einzelnen 
Gattungen  sehr  verschieden.  Bei  den  einfacheren  Formen 
(Myxococcns)  bilden  die  gelatinösen  Massen  warzenförmige 
Auswüchse,  die  sich  abrunden  und  direkt  ohne  weitere 
Differenzierung  sich  zu  encystieren  scheinen.  Anders  bei  einem 
höher  entwickelten  Organismus,  bei  Chondromyces.  Bei  Beginn 
der  sogertarinten  zweiten  Periode  wachsen  gelatinöse  Massen 
vertikal  in  die  Luft,  indem  die  Basis  sich  zusammenzieht  und 
gleichsam  einen  Stiel  bildet,  oben  anschwillt  und  sich  abrundet, 
worauf  die  Cysten  entstehen,  welche  zuerst  als  warzenförmige 
Auswüchse  auf  der  Oberfläche  der  angeschwollenen  Enden 
sitzen,, sich  an  der  Basis  Zusammenziehen  und  schließlich  sehr 
regelmäßige  Formen  von  Cysten  annehmen. 

»The  cysts  are  caducous  at  maturity,  falling  from  their 
attachment  at  the  siightest  touch,  and  are  disseminated  through 
the  air  like  the  conidia  of  many  fungi,  which  they  closely  re- 
semble«.  Deutliche  Sporen -*- Conidien  —  treten  bei  Myxococcus 
auf,  während  bei  den  beiden  anderen  Gattungen  Chondromyces 
und  Myxobacter  die  Fäden  sich  mit  wenig  deutlicher  Abänderung 
encystieren,  soweit  es  Thaxter  möglich  war,  zu  beobachten. 

Außer  den  drei  bereits  erwähnten  Gattungen  rechnet 
Thaxter  in  seiner  zweiten  Arbeit  über  Myxobacteriactat  (2) 
die  Von  Schröter  (3)  unter  die  Pilze  eingereihten  Gattung 
Cystobacter  zu  den  Myxobacteriaceen.  Sowie  Cystobacter  zuerst 
in  eine  ganz  andere  Pflanzengruppe  gezählt  wurde,  so  wurde 
die  schon  einigemal  erwähnte  Gattung  Chondromyces  zuerst  als 
Hyphomycet  von  Berkley  und  Curtis  (4)  beschrieben,  welche 
Tatsache  nicht  ohne  Interesse  ist,  wenngleich  Thaxter  die 
Diagnose  des  Chondromyces  crocaius  als  Kuriosum  anführt. 
Derselbe  Organismus  wurde  von  Zukal  (5)  wieder  in  einen 
anderen  Pflanzenstamm,  in  die  Myxophyten,  gestellt  und  als 
Myxobotrys  variabilis  beschrieben,  später  aber  zu  den  Myxo- 
bacteriaceen gezählt.  Abgesehen  von  der  letzten  Auffassung. 


Myxobactcriaccae,  eine  Symbiose  etc.  449 

die  später  vom  Autor  (7)  selbst  als  unrichtig  erkannt  wurde, 
haben  die  beiden  ersteren  zum  Teil  jede  recht,  einerseits 
wenn  Berkley  und  Cürtis  Ckondromyces  zu  den  Hyphomy- 
ceten  rechnen,  anderseits  wenn  Thaxter  ihn  zu  den  Bacteria- 
ceen  stellt,  da  an  dem  Aufbau  des  Ckondromyces  sowohl 
Hyphomyceten  als  auch  Schizomyceten  teilnehmen. 

Diese  beiden  verschiedenen  Pflanzenstämmen  angehörenden 
Organismen  können  durch  ihr  Zusammenleben  neuö 
Gebilde  hervorrufet,  ähnlich  wie  Algen  und  Pilze  durch 
ihr  Zusammenleben  das  bilden,  was  wir  Flechten  nennen. 

Die  Tatsache,  daß  ein  und  derselbe  Organismus  von  ver- 
schiedenen Atitoren  in  die  verschiedensten  Pflanzengrupperi 
eingereiht  vvurde,ist  jedenfalls  nicht  unwichtig  für  die  Auffassung 
einer  Symbiose,  zumal  er  in  die  zwei  Pflanzengruppen  gestellt 
wurde,  die  an  seinem  Aufbau  teilnehmen,  die  Fungt  und 
Schizomyceten.  Es  soll  nun  zunächst  meine  Aufgabe  sein, 
die  diesbezügliche  Literatur  zu  besprechen,  aus  den  Angaben 
derselben  die  beiden  Komponenten  festzustellen  zu  versuchen 
und  dann  auf  meine  eigenen  Untersuchungen  einzugehen. 

Vorher  sei  es  mir  erlaubt,  meinem  hochverehrten  Lehrer, 
Herrn  Professor  R.  v.  Wett stein,  meinen  besten  Dank  für  die 
weitgehende  Unterstützung  bei  .meiner  Arbeit  abzustatten,  sowie 
Herrn  Dr.  K,  Kornauth,  Vorstand  der  k.  k.,  landwirtschaftlichen 
bakteriologischen  und  Pflanzenschutzstation  in  Wien,  und  Herrn 
Dr. L.  Hecke,  Adjunkt  am  erwähnten  Institute,  die  mich  bei 
Kulturversuchen  der  Bakterien  in  freundlichster  Weise  unter- 
stützten.   . 

Wie  eingangs  erwähnt,  hat  Thaxter  (1)  die  Myxo- 
bacteriaeeen  als  solche  infolge  ihres  eigentümlichen  Ent- 
wicklungsganges bezeichnet,  der  anfangs  im  ersten  Stadium 
äußerlich  dem  eines  Myxophyten  ähnlich  ist,  während  das 
mikroskopische  Bild  deutlich  die  Bakterien  zeigt. 

Betrachten  wir  zunächst  einen  Repräsentanten  der  Sporen 
bildenden  Spezies,  Myxococcus  rubescens,  der  auf  dem  Substrat 
als  rötliches  bis  1  mm  hohes  Gebilde  aufsitzt,  bestehend  aus 
kleinen  Stäbchen  und  einer  rötlichen  gelatinösen  Masse,  in  der 
rundliche  Sporen  zerstreut  eingebettet  liegen  [(1),  Taf.  XXV, 
Fig.  37 — 41].   Unzweifelhaft   sind  ja  die  kleinen  Stäbchen    in 

29* 


450  E.  Zederbauer, 

Fig.  37  Bakterien.  Was  sind  aber  die  Sporen  und  fadenförmige 
Gebilde  in  Fig.  39,  40,  41?  Die  Sporen  sind  mehr  oder  weniger 
unregelmäßig  sphärische  lichtbrechende  Gebilde,  ihr  Durch- 
messer ist  viel  größer  als  der  der  Fäden  (Stäbchen),  von  denen 
sie  abstammen  sollen.  Wie  die  Sporen  aus  den  Stäbchen  ent- 
stehen, konnte  von  Thaxter  auch  bei  ununterbrochener 
Beobachtung  nicht  festgestellt  werden,  da  die  Sporen- 
bildung nur  stattfindet  in  der  Zeit,  wo  die  Bakterien  zusammen 
schwärmen  und  dadurch  die  Details  der  Umbildung  vollständig 
verborgen  bleiben.  Beim  Quetschen  der  ganzen  Masse  werden 
hie  und  da  Sporen  und  Bakterien  separiert  und  man  kann 
Gebilde  beobachten,  wie  Taf.  XXV,  Fig.  40, 41,  abgebildet  sind, 
die  einzelne  Sporen,  Ketten  von  Sporen  und  Fäden  zeigen, 
welche  im  Verhältnisse  zu  den  Bakterien  viel  größer  und 
mehrzellig  sind  und  bereits  in  ein  oder  mehrere  Sporen  über- 
gegangen sind,  so  daß  man  aus  ihnen  die  Entstehung  der 
Sporen  erschließen  kann.  Die  Keimung  der  Sporen  konnte  nicht 
gut  beobachtet  werden,  doch  scheint  sie  in  einer  Umformung 
der  runden  Gebilde  in  fadenförmige  zu  bestehen. 

Wie  Thaxter  selbst  sagt,  konnte  die  Entstehung  der 
Sporen  aus  den  Bakterien  nicht  beobachtet  werden,  wohl  aber 
zeigen  die  Fäden  einen  Übergang  in  Sporen,  die  oft  in  Ketten 
beieinander  bleiben;  erwähnen  wir  noch  die  Keimung  der 
Sporen,  so  wie  sie  Thaxter  annimmt,  so  stimmt  diese  Angabe 
auf  die  Entwicklung  eines  Hyphomyceten,  etwa  eines  Torula, 
überein. 

Aus  Fäden  (Hyphen)  entstehen  Sporen  (Conidien),  die 
keimende  Spore  erzeugt  wieder  Fäden.  Daß  diese  Fäden  keine 
Bakterien  sind,  geht  erstens  aus  den  Angaben  T  h  a  x  t  e  r*s  selbst 
hervor,  indem  er  erwähnt,  daß  die  Fäden,  aus  denen  die  Sporen 
entstehen,  weitaus  größer  sind  als  die  Bakterien,  zweitens  aus 
seinen  Abbildungen.  Nehmen  wir  an,  daß  die  Fig.  37, 39, 
40,  41  auf  Taf.  XXV  bei  gleicher  Vergrößerung  gezeichnet 
sind  —  leider  ist  die  Vergrößerung  der  Fig.  37  wie  auch 
Fig.  25,  wo  es  sich  um  Bakterien  handelt,  nicht  angegeben,  aber 
es  dürfte  höchstwahrscheinlich  sein,  daß  die  Vergrößerung  mit 
der  in  Fig.  39,  40,  41  gleich  ist  —  so  ist  nicht  zu  verkennen, 
daß  die  Fäden  nicht  indentisch  sind  mit  den  Bakterien,  sondern 


Myxöbacieriaceae,  eine  Symbiose  etc.  45 1 

eher  an  kurze  Pilzhyphen  erinnern  oder  wie  Fig.  39  an  Oidien, 
welche  Auffassung  uns  umso  wahrscheinlicher  erscheint,  wenn 
wir  die  Fig.  26  a  auf  Taf.  XXIV,  vegetative  Fäden  von  Chondro- 
myces  aurantiacus,  vergleichen,  wo  gerade  das  Zerfallen  der 
Oidien  eintritt. 

Ein  zweiter  Hinweis,  daß  diese  Fäden  nicht  mit  den 
Bakterien  identisch  sind,  ergibt  sich  bei  Betrachtung  der 
Sporenbildung.  In  der  ganzen  Reihe  der  Schizomyceten  ist 
eine  derartige  Bildung  von  Sporen  nicht  zu  finden  und,  jeder- 
mann würde,  wenn  er  diese  Gebilde  getrennt  von  den  Bakterien 
betrachtet,  sie  nicht  als  Bakteriensporen,  sondern  als  Pilzsporen 
ansprechen. 

Myxococcus  rubescens  sowie  die  anderen  Arten  von  Myxo- 
coccus  sind,  wie  sich  aus  den  Angaben  Thaxter's  ergibt,  zu- 
sammengesetzt aus  stäbchenförmigen  Bakterien  und  aus 
Torula  ähnlichen  Pilzen.  Es  wird  sich  weiter  unten  Gelegenheit 
bieten,  darzulegen,  wie  die  beiden  Komponenten,  Bakterien  und 
Pilze,  zu  trennen  sind:  einerseits  wie  das  Bacterium  selbständig 
ohne  Pilz  erzogen  werden  kann,  anderseits  wie  der  Pilz  ohne 
Beisein  der  Bakterien  zur  Entwicklung  gebracht  werden  kann; 
aus  der  einzelnen  Spore  entsteht  bei  der  Keimung  ein  Hyphen- 
faden,  von  dem  wieder  Sporen  abgegliedert  werden.  Es  können 
also  experimentell  die  beiden  Komponenten  festgestellt  werden. 

Wieder  auf  die  Arbeit  Thaxter's  zurückkommend,  will  ich 
die  Entwicklung  einer  zweiten  Gattung,  Chondrotnyces,  be- 
sprechen. Im  sogenannten  ersten  Stadium  entsteht  wie  bei 
Myxococcus  eine  Ansammlung  von  rötlichen  Massen,  die  aber 
alsbald  vertikal  aufwärts  wachsen  und  schmale  stielartige  Träger 
(Cystophoren)  bilden,  die  sich  verzweigen  können  und  an  ihrem 
Ende  sich  abrunden,  um  dann  Cysten  zu  bilden.  Die  rötliche 
Masse  besteht  im  Anfangsstadium  größtenteils  aus  Bakterien, 
einer  gelatinösen  Masse  und  aus  Fäden,  die  miteinander 
verflochten  sind,  wie  aus  Fig.  21,  Taf.  XXIII,  zu  ersehen  ist, 
welche  ein  Stadium  darstellt,  in  dem  die  rötlichen  Massen  nach 
aufwärts  zu  wachsen  beginnen,  um  einen  Cystophor  zu  bilden. 
Im  Innern  des  Gebildes  sind  die  langen  Hyphen  ähnlichen  Fäden 
dargestellt,  auf  denen  Massen  von  Bakterien  aufsitzen,  die 
wahrscheinlich  auch  im  Innern  zwischen  den  Hyphen  zu  finden 


452  .    E.  Zederbauer, 

sind.  Diese  langen  Fäden  sind  auch  deutlich  aus  den  in  Fig.  7, 
8,  9,  Taf.  XXIII,  dargestellten  Cystophoren  zu  ersehen,  wo  sie 
parallel  mit  der  Richtung  der  Cystophoren  laufen  oder  mit  den 
Cystophoren  sich  spiralig  mitdrehen.  Die  am  angeschwollenen 
Ende  der  Cystophoren  sitzenden  Cysten  bestehen  zum  Teil  aus 
Bakterien  und  zürn  Teil  aus  einer  zusammenhängenden 
Substanz,  die  bei  starker  Vergrößerung  als  eine  faserige  amorphe 
Masse  zu  erkennen  ist  und  mit  größter  Schwierigkeit  durch 
Quetschen  getrennt  werden  kann.1  Die  Cysten  sind  umgeben 
von  einer  Hülle,  die  verschieden  stark  ist  bei  den  einzelnen 
Arten.  Die  Größe  der  Cysten  ist  sehr  verschieden  und  variiert 
innerhalb  der  einzelnen  Arten  sehr.  Außer  den  70  bis  90  [i  großein 
Cysten  möchte  ich  eine  Art  von  Cysten  hier  erwähnen,  die 
kleinste  in  Fig.  10,  Taf.  XXIII,  abgebildete,  da  sie  mit  den  von 
Zukal  bei  derselben  Art  beobachteten  Sporen  die  größte 
Ähnlichkeit  hat,  welche  Art  von  Sporen  ich  bei  Besprechung 
der  Arbeit  von  Zukal  ausführlicher  behandeln  will. 

Wenn  es  verhältnismäßig  unschwer  war,  bei  der  Gattung 
Myxococcus  bloß  aus  den  Angaben  Thaxter's,  abgesehen  von 
den  Zeichnungen,  die  beiden  Komponenten  Pilz  und  Bakterien, 
zu  erkennen,  so  ist  dies  bei  Chondromyces  nicht  so  leicht,  da 
man  sich  hier  hauptsächlich  auf  die  Zeichnungen  stützen  muß 
und  nur  an  einer  Stelle  das.  Vorhandensein  von  langen  Fäden 
klar  ausgesprochen  ist,  wie  eben  erwähnt,  bei  den  Cysten. 

Die  langen  dünnen  Fäden,  welche  die  Träger  bilden,  sind 
nichts  anderes  als  Pilzhyphen,  die  einem  an  Oedocephalum  sehr 
erinnernden  Pilz  angehören.  Wenn  wir  derartig^  Fäden  unter 
den  Bakterien  suchen,  so  werden  wir  sie  nirgends  ftriden,  auch 
nicht  unter  den  Evolutionsformen.  Es  klingt  vielmehr. höchst 
befremdend,  wenn  wir  den  Bakterien  die  Fähigkeit  zuschreiben, 
in  solch  lange  Fäden  auszuwachsen  und  Bildungen  hervorzu- 
rufen wie  ChoHdroPrtyces.*  * 

1  L.  c,  1,  S.  397.  The  substance  of'thesc  cysts,  cörriposed  parfiy  of 
rods  and  partly  of  a  firm-  and  surprisingly  coherent  matrix,  appears  at  maturiiy 
everi  when  examioed  ander  a  high  power  of  thö  tnifitoscope;  to  be  compostd 
of  stringy  amo.rphaus  jpaUer  wjiich  is  separate*}  by  orushiDg  wit^i  the.greato* 
difficulty.  .    „     . 

2  Ahnliche  Bedenken  erhebt  Zukal  in  seiner  »Notiz  zu  meiner  Mitteilung 
über  Myxobotrys  varhbilis  2üft.«  im  9.  Hefte  Äes  Jahrganges  1  £96*,  indern'cr 


Myxobacteriaceac}  eine  Symbiose  etc.  453 

Es  liegt  viel  näher,  diese  Fähigkeit  einem  Pili  zuzu- 
schreiben, zumal  die  Fäden  ganz  den  Hyphencharakter  besitzen 
und  auch  die  Gesamterscheinung  sehr  an  einen  Pilz  erinnert 
und,  wie  Zukal  sagt,  vollkommen  gleicht.  Nicht  nur  der  Aufbau, 
sondern  auch  die  Vermehrungsorgane  stimmen  zum  Teil  mit 
den  Sporfen  von  Pilzen  überein.  Wie  besonders  aus  den  Aus- 
führungen ZukaTs,  die  ich  weiter  unten  besprechen  werde, 
bervorgeht,  sind  die  kleinsten  Sporen,  die  auch  Thaxter  in 
Fig.  10,  Taf.  XXIII,  abbildet,  deutliche  Pilzsporen,  die  durch  den 
leisesten  Windhauch  zerstreut  werden,  gleich  den  großen  Cysten; 
diese  Cysten,  ganz  abweichend  von  den  Sporen,  bestehen  aus 
Bakterien  und  einer  faserigen  Masse,  von  einer  Hülle  umgeben. 
Diese  faserige  Masse  gleicht  vollkommen,  wie  aus  den  Ab- 
bildungen Zukal's  zu  ersehen  ist,  Hyphenfäden,  denselben 
Hyphen,  die  die  Cystophoren  bilden.  Ein  Teil  derHyphen  ver- 
einigt ^sich  samt  den  zwischen  und  auf  ihnen  wohnenden  Bak- 
terien, wird  von  Schleim  umgeben,  der  an  der  Luft  erhärtet,  und 
das  ganze  Gebilde  trennt  sich  schließlich  bei  der  leisesten  Be- 
rührung los  oder  bleibt  bei  für  die  Entwicklung  von  Chondro- 
myces  besonders  günstigen  Bedingungen  auf  dem  Cystophor 
sitzen  und  wächst  zu  einem  Organismus  heran,  der  wiederum 
einen  Cystophor  und  Cysten  bildet.  Diese  Art  eines  gleichzeitigen 
Fortpflanzens  beider  Komponenten,  des  Pilzes  und  des  Schi- 
zomy  ceten,  ist  für  Chondromyces  höchst  zweckmäßig  und  ist 
keineswegs  allein  dastehend,  da  wir  ähnliche  Bildungen  in  einör 
biologisch  nahestehenden  Gruppe,  den  Flechten,  in  den 
frSoredien«  wiederfinden. 

Die  Gattung  Chondromyces  enthält  außer  den  Cystophoren 
besitzenden  Arten  noch  solche,  die  sehr  niedrige  oder  gar  keine 
Cystophoren  besitzen,  so  CA.  lichenicokts  xmfrserpen?.  Die  Form 
derCysten  ist  vollständig^erschieden  von  denen  des  Ck.crocatus 
und  auranUacus  und  erinnert  so  an  Bildungen,  die  bei  Pilzen 
aufträten,  so  daß  man  versucht  ist,  die  Cysten  von  Cfc.  liehen** 
colus  (Fig.  20,  22  und  23,  Taf.  XXÜI)  eher  für  Coremien  eines 


sagt:  »ZunijAufbau  eines  so  komplizierten  Organismus,  wie  dies  der  Chondro- 
myces ist,  gehört  eine  gewisse  gestaltende  Kraft.  Eine  solche  wohnt  aber  nach 
deiii  "gegenwärtigen'  Standpunkt  unseres"  Wissens  weder  in'  dert  einzelnen' 
Bt&erie«  Selbst  rtoen  iri 'dem  3te"  efehättenderi 'SehteimW  -  .  ;       i  , 


454  E.  Zederbauer, 

Hyphomyceten,  etwa  von  Stilbothamnium  togo'ensc  P.  Herrn.,  zu 
halten  als  für  eine  Bildung,  die  ihre  Entstehung  Bakterien  zu 
verdanken  hat  Daß  in  Wirklichkeit  Pilzhyphen  an  dem  Aufbau 
teilnehmen,  zeigt  uns  die  Fig.  21,  Taf.  XXIII,  auf  die  ich  schon 
früher  hingewiesen  habe.  Denken  wir  uns  ein  derartiges  Core- 
mium  eines  Hyphomyceten  in  Symbiose  mit  Bakterien,  so 
wird  das  Bild  sehr  ähnlich  sein  den  Cystophoren  und  Cysten 
von  Ch.  lichenicolus.  Um  diese  Anschauung  zu  bekräftigen, 
bedarf  es  natürlich  eines  experimentellen  Nachweises  der  Pilz- 
natur der  zum  Pilze  gehörenden  Sporen.  Ich  werde  bei  Dar- 
legung meiner  Untersuchungen  versuchen,  an  einer  anderen  Art 
von  Chondromyces,  die  Ch.  lichenicolus  und  serpens  sehr  nahe- 
steht, diesen  Nachweis  zu  erbringen. 

Mehr  Anspruch  auf  die  Bezeichnung  von  Cysten  können 
die  von  Myxobacter,  die  innerhalb  des  Organismus  entstehen, 
machen,  doch  läßt  sich  aus  den  Angaben  Thaxter's  keine  be- 
friedigende Erklärung  für  die  Auffassung  einer  Symbiose  geben, 
wenngleich  die  Fäden  in  Fig.  35,  36,  Taf.  XXV,  auf  Sporen  und 
Oidien  eines  Hyphomyceten  schließen  lassen,  anderseits  Bak- 
terien an  dem  Aufbau  des  ganzen  Organismus  teilnehmen. 

Unbeeinflußt  von  Thaxter's  eben  besprochener  Arbeit 
untersuchte  Zukal  (5)  einen  Vertreter  der  Myxobacteriaceen, 
den  er  zwar  nicht  den  Bakterien  verwandt  hielt,  sondern  als 
Repräsentanten  einer  neuen  Myxomyceten Ordnung,  den 
Myxobotrys  varidbilis,  aufstellte,  um  ihn  später  mit  dem  von 
Berkley  und  Curtis  beschriebenen  Hyphomecet,  von 
Thaxterzu  den  Bakterien  gerechneten  Chondromyces  crocatus 
zu  identifizieren. 

Zukal  fand  auf  Rindenstücken  einer  Korbweide  aus  den 
Praterauen  bei  Wien  ein  stecknadelkopfgroßes,  fleischrotes 
Plasmodium,  bestehend  aus  einem  farblosen  homogenen  Hyalo- 
plasma und  einer  sehr  großen  Menge  von  Körnern  (Mikrosomen) 
von  meist  stäbchenförmiger,  bazillenartiger  Form,  dicht  an- 
einanderliegend, so  daß  sie  das  Plasmodium  fast  undurchsichtig 
machen;  sie  speichern,  gleich  Bakterien,  leicht  Farbstoffe,  so 
z.  B.  Methylenblau.  Während  des  Wachstumes  enthalten  die 
Plasmodien  allerhand  Ingesta,  Protococcen,  Flechtengonidien, 
Pilzsporen  etc.,  welche  ausgestoßen  werden,  sobald  sich  das 


MyxdbacUriaccae,  eine  Symbiose  etc.  455 

Plasmodium  zur  Sporenbildung  anschickt.  Das  Plasmodium 
kriecht  an  einem  etwas  erhöhten  Gegenstande  in  die  Höhe,  um 
fast  kugelige  Zweige  zu  treiben,  die  sich  durch  Ausscheiden 
einer  zarten  Membran  in  längliche  Sporen  verwandeln.  Diese 
erste  Art  von  Sporen  sitzen  entweder  direkt  oder  auf  einem  sehr 
kurzen  Stiel  dem  Substrat  auf,  sind  60  bis  90  |t  groß  und  haben 
orangroten  Inhalt,  aus  langen  Fäden  bestehend  (Fig.  3  a9  b> 
Taf.  XX).  Eine  zweite  und  dritte  kleine  Art  von  Sporen  von 
ähnlicher  Beschaffenheit,  aber  etwas  kleiner,  beobachtete 
Zukal  auf  senkrecht  oder  schief  aufsteigenden,  stumpf  kegel- 
förmigen Säulchen.  Die  dritte  Art  von  Sporen  sitzt  auf  ziemlich 
dicken,  zylindrischen  weiten  Trägern  auf.  Dieser  eben  erwähnte 
Typus  wird  von  Zukal  als  eine  Hemmungsbildung  der  nächst- 
folgenden Form  angesehen,  dürfte  aber  eher  als  ein  Entwick- 
lungsstadium aufzufassen  sein.  Besonders  interessant  ist  aber 
die  Bildung  der  letzten  Art  von  Sporen.  Von  einem  winzigen 
Plasmodium  bildet  sich  ein  schlanker  Kegel  bis  zur  Höhe  von 
Vt  *****  an  dessen  Spitze  sich  eine  größere  Menge  von  Proto- 
plasma in  Form  einer  Kugel  ansammelt  —  wahrscheinlich 
erfüllt  von  langen  Fäden  wie  die  vorigen  sogenannten  Sporen 
—  die  sich  aber  nicht  in  eine  Spore  verwandelt,  sondern  aus 
der  dünne,  kugelig  anschwellende  Plasmazweige  sprossen.  Aus 
diesen  Anschwellungen  gehen  Sporen  mit  einer  deutlichen 
Membran  von  elliptischer  Form,  auf  Sterigmen  sitzend,  hervor, 
22  |t  lang,  11  bis  12  |t.  breit  (Fig.  20,  20*,  Taf.  XX).  Es  hat  den 
Anschein,  als  ob  jede  einzelne  Spore  mit  einer  Unmasse  von 
Stäbchen  oder  bakterienähnlichen  Körpern  erfüllt  sei.  Während 
der  Sporenbildung  umgibt  sich  der  erwähnte  Plasmakegel  und 
die  kugelige  Anschwellung  auf  demselben  mit  einer  dicken, 
gelben  und  rötlichen  Haut  und  staltet  sich  so  in  einen  hy  phen- 
artigen  Sporenträger  um. 

»Der  ganze  Organismus  gleicht  dann  bis  auf  das 
kleinste  Detail,  nämlich  bis  auf  die  Sterigmen  herab, 
gewissen  Conidienformen  der  echten  Pilze,  z.  B.  einem 
Haplotrichum  oder  Oedocephalum  . .  .« 

Wenn  auch  die  bis  jetzt  angeführten  Beobachtungen 
Zukal's  uns  den  Pilzcharakter  mehr  oder  weniger  deutlich 
zeigen,  so  sind  noch  mehr  die  Verhältnisse  des  inneren  Auf- 


456  E.  Zederbauör, 

baues  geeignet,  uns  zu  überzeugen,  daß  an  der  Bildung  dieses 
Organismus  sowohl  Pilze  als  auch  Bakterien  teilnehmen. 

Zur  Zeit,  »wo  sich  das  Plasma  zur  Sporenbildung 
anschickt,  sind  die  eingangs  erwänten  stäbchen- 
förmigen Mikrosomen  verschwunden  und  an  ihrer 
Stelle  sieht  man  sehr  zahlreiche,  lange,  gleich  dicke 
Fäden«  (Fig.  21,  Taf.  XX).  Zukal  glaubt,  daß  diese  fädigen 
Gebilde,  die  parallel  zur  Hauptachse  des  » Sporen trägers« 
laufen,  als  Stützen  der  ziemlich  hohen  Plasmasäulen  dienen. 
Diese  Fäden  finden  sich  in  den  sogenannten  Sporen  der  drei 
ersten  Typen,  die  ja  nach  ihrer  Beschaffenheit  nichts  anderes 
sind  als  sich  loslösende  Partien  von  Fäden  (Hyphen),  vereint 
mit  Mikrosomen  (Bakterien),  wenigstens  die  erste  Art  der 
Sporen,  aus  welchen  Gebilden  sofort  neue  Plasmodien  heraus- 
wachsen. Es  sind  dies  die  Fortpflanzungsorgane  beider  Kompo- 
nenten, der  Pilzhyphen  und  Bakterien,  die  »Cysten«  Thaxter's, 
dieihrAnalogon  in  denSoredien  der  Flechten  finden.  Die  letzte 
Art  der  Sporen,  die  hingegen  keine  Fäden  besitzen,  sondern 
scheinbar  Stäbchen-  oder  bakterienähnliche  Körper,  welche  Er- 
scheinung auch  der  Inhalt  mancher  Pilzsporen  zeigt,  sind  die 
Fortpflanzungsorgane  des  Pilzes,  wahrscheinlich  gleich- 
beschaffen mit  den  Sporen  des  dazu  gehörenden  ohne  Bakterien 
lebenden  Pilzes. 

Als  besonders  auffallende  Eigenschaften  an  dem  Organis- 
mus erwähnt  Zukal  zwei,  nämlich  die  Vielgestaltigkeit  und 
Ähnlichkeit  mit  gewissen  Conidienformen  echter  Pilze. 

Sein  Myxobotrys  variabüis,  so  nennt  er  ihn,  gleicht  in  allen 
Teilen  einem  echten  Pilz,  nur,  wie  er  meint,  in  der  Form  der 
Hyphen  nicht,  welche  erPtasmodiuffi-Pseüdopodien  nenfit, 
obgleich  er  die  fundamentalen  Unterschiede  zwischen 
Plasmodiumzweig  und  Hyphenzweig  bezweifelt.  Zukal  waf 
b6i  dieser  ersten  Untersuchung  über  Myxobakterien  einerseits 
weitaus  näher  der  richtigen  Auffassung,  da  er  den  Pilzeharakter 
des  Myxobotrys  besonders  hervorhebt  und  infolge  defe  Um,J 
Standes,  daß  er  Myxobotrys  für  einen  Myxonvyceten  kalt, 
auf-Grürid  der  beobachteten  Hyphen  eine  Verwandtschaft  der 
Myxomyceten  mit  den  echtert Pilzenh^rausfindeh  will.  Während 
er •-bei  der  Beurteilung  dfer  fadenförmigen  (Hyphen) -Gebilde -auf 


MyxobacUriaceae,  ciftc  Symbiose  etc.  457 

der  richtigen  Fährte  war,  ist  er  bei  der  Erklärung  der  stäböhen- 
förmigen  Organismen  weniger  glücklich  gewesen,  da  er  sie  für 
Mikrosomen  hält  und  infolge  dieser  unrichtigen  Auffassung 
Myxobotrys  zu  den  Myxophyten  stellt. 

Wie  sind  nun,  um  es  kurz  zusammenzufassen,  das  so- 
genannte Hyaloplasma,  die  Mikrosomen,  die  Pseudo- 
plasmodien  und  die  verschiedenen  Arten  von  Sporen  auf- 
zufassen? Ohne  Zweifel  sind  die  Mikrosomen,  wie  Zukal  in 
einer  späteren  Abhandlung  (6)  sagt,  Bakterien,  die  eine 
Schleimmasse  ausscheiden,  das  Hyaloplasma.  Es  wurde 
also  von  zwei  Autoren,  von  Th axter  und  Zukal,  die  Bakterien^ 
natur  der  stäbchenförmigen  Körperchen  des  Chondromyces 
crocatus  nachgewiesen.  Zwischen  dieser  Schleimmasse  und  den' 
Bakterien  wachsen  aus  Sporen  (Pilzsporen),  die  auf  dem 
Grunde  des  ganzen  Gebildes  liegen,  Hyphen  (Plasmodium- 
Pseudopodien)  hevor,  auf  deinen  und  zwischen  denen  die 
Bakterien  hinaufkriechen.  Besonders  deutlich  sind  diese 
Hyphen  zur  Anschauung  in  Fig.  21,  Taf.  XX  (5),  gebracht, 
welches  ein  Stück  fertiles  Plasmodium  darstellt,  das  statt  der 
Mikrosomen  von  sehr  langen  Fäden  erfüllt  ist.  Nicht  nur  das 
mikroskopische  Bild  läßt  uns  die  Zugehörigkeit  zu  den  Pilzen' 
erkennen,  sondern  noch  viel  mehr  der  ganze  Habitus,  '  wie 
Zukal  selbst  behauptet,  indem  er  sagt,  daß  der'  ganze 
Organismus  bis  auf  das  kleinste  Detail  gewissen 
Conidienformen*  der  echten  Pilze  gleicht.  Betrachten 
wir  noch  die  Sporenbildung  und  zwar  zuerst  die  vierte  Art  von 
Sporefn,  die  auf  deutlichen  Sterigmen  sitzen,  22  \i  lang,  11  bis 
12  (jl  breit  sind,  deren  Gestalt  und  Inhalt  an:  den  von  Pilzsporen 
erinnert  [Fig.  20tf,-20fc,  Taf.  XX  (5)}  und  zweifellos  die  Sporen 
des  dazu  gehörigen  Pilzes  darstelleil.  Did  arideren  Arten  von 
Sporen  sind  von*  diesen  ganz  verschieden  in  Bfe2ug  auf  Gestalt 
und  Inhalt.  Ihr  Inhalt  besteht  aus  Bakterien  und  Fäden  (Hyphen) 
und  bei  ihrer  Keimung  treten  die  Fäden'  sanit:  den  Bakterie« 
heraus  und  schreiten  sofort  'zur  Bildung  einferS*  neuen  Örgätffe- 
mus  [Ffg.3a;&,Täf>XX(&)].  Sie  kommen  gleich  den  »Cysteh«, 
wie  sie  Thaxtef  bei  ChoHdtöinyces"  nennt,-  und  stellen,  wie 
sehön  erwähnt,  ein  Fotfpflfenzungsörgänr  beider  Kompohöriten 
äät  Erläßt  sich  sowohl ausser  Abhandlung  T ha xWr's  -wiö 


458  E.  Zederbauer, 

Zukal's  und  zwar  aus  letzterer  viel  deutlicher  ersehen,  daß 
an  dem  Aufbaue  des  Chondromyces  einerseits  ein  Pilz,  ander- 
seits ein  Schyzomycet  teilnimmt,  die  beide  zusammenleben  und 
es  bereits  zur  Ausbildung  gemeinsamer  Fortpflanzungsorgane, 
den  »Cysten«,  gebracht  haben. 

Ein  Umstand,  der  für  den  teilweisen  Pilzcharakter  des 
Chondromyces  spricht,  ist  der,  daß  er  eigentlich  zuerst  als 
Hyphomycet  beschrieben  wurde  (4),  was  ja  nicht  unverständlich 
ist,  wenn  wir  bedenken,  daß  die  beiden  Beobachter  ein  Stadium 
von  Chondromyces  untersuchten,  wo  der  Pilz  in  den  Vorder- 
grund trat  (die  zweite  Periode),  anderseits  die  ihn  umhüllende 
schleimige  Masse  durch  das  Mikroskop  nicht  als  Bakterien 
erkannt  werden  konnte. 

In  einer  einige  Monate  später  erscheinenden  Notiz  (6) 
über  seinen  Myxobotrys  hält  er  zwar  an  der  Auffassung,  daß 
Myxobotrys,  nun  Chondromyces  genannt,  zu  den  Myxophyten 
zu  zählen  sei,  schließt  sich  aber  in  seiner  Arbeit  über  die 
Myxobakterien  (7)  nach  noch  einmaliger  Untersuchung  des 
ganzen  Entwicklungsganges  der  Anschauung  Thaxter's  an, 
doch  scheint  ihm  ein  solches  harmonisches  Zusammenleben 
der  einzelnen  Bakterien  nach  Zeit  und  Ort  zu  einem  bestimmten 
architektischen  und  biologischen  Zweck  eine  der  wunderbarsten 
Anpassungen.  In  dieser  zweiten  Abhandlung  beschreibt  er  eine 
Art  der  Gattung  Myxococcus,  deren  Entwicklungsgang  wieder- 
zugeben nicht  ohne  Interesse  sein  mag,  in  Hinblick  auf  die 
Beobachtungen  Thaxter's  an  derselben  Gattung.  Die  Bakterien 
sind  gestreckt,  flexil,  an  den  Enden  abgerundet,  4  bis  7  p,  lang 
und  bilden  tröpfchenförmige,  zuweilen  kurzgestielte  Haufen 
von  zirka  1  mm  Durchmesser.  Innerhalb  dieses  Häufchens  tritt 
Sporenbildung  ein,  wobei  die  Stäbchen  in  die  Länge  wachsen 
und  steh  gleichzeitig  durch  mehrere  Querwände  teilen,  wodurch 
einzelne  Zellen  entstehen,  die  sich  abrunden,  vergrößern,  mit 
einer  derben  Haut  umgeben  und  zu  kugeligen  Sporen  werden. 
Diese  Sporen  werden  längere  Zeit  perlschnurartig,  zum  Teil 
auch  durch  die  sie  umgebende  Gallerthülle  zusammengehalten. 
Die  Stäbchen  und  die  daran  sitzenden  Sporen  sind  im  Schwärm 
garbenförmig  angeordnet,  so  daß  das  ganze  Gebilde  lebhaft  an 
ein  Conidienköpfchen  eines  Schimmelpilzes  (Fig.  2)  erinnert; 


Myxobacitriaccac,  eine  Symbiose  etc.  459 

die  Ähnlichkeit  wird  noch  erhöht,  daß  fast  sämtliche  Stäbchen 
und  Sporen  auf  demselben  Bogen  des  Schnittes  nahezu  auf  der 
gleichen  Entwicklungsstufe  stehen,  eine  Anordnung  und 
Gruppierung,  die  man  bei  Pilzen  öfters  findet. 

Eine  derartige  Sporenbildung  ist  bei  den  Bakterien  be- 
kannt, hingegen  erinnert  der  Entwicklungsvorgang  der  Gebilde 
anConidienvon7V>rfc/a  sowie  bei  den  von  Thaxt er  untersuchten 
Arten  von  Myxococcus.  Zukal  glaubt,  daß  hier  eine  echte 
Athrosporenbildung  vorliegt.  Sporenkeimung  wurde  von  ihm 
nicht  beobachtet.  Wenn  Zukal  behauptet,  daß  die  Stäbchen 
bei  der  Sporenbildung  in  die  Länge  wachsen  und  durch  Quer- 
wände vielzellig  werden,  so  entspricht  dieser  Vorgang  eher  den 
Wachstumserscheinungen  von  Pilzhyphen  als  von  Bakterien. 
In  der  Tat  sind  auch  die  in  Fig.  3,  Taf.  XXVII  (7),  dar- 
gestellten vielzelligen  Fäden  mit  den  Sporen  Pilzhyphen  mit 
Conidien  viel  mehr  ähnlich  als  Bakterien  und  Bakteriensporen, 
mit  denen  sie  eigentlich  gar  keine  Ähnlichkeit  haben.  Gleichen 
nicht  die  einzelnen  Stäbchen,  Fig.  4,  eher  in  Zerfall  ge- 
ratenen Hyphen,  Oidien,  als  Bakterien?  Es  kann  keinem  Zweifel 
unterliegen,  daß  wir  es  mit  Pilzhyphen  und  Sporen  zu  tun 
haben,  ebenso  wfe  bei  den  von  Thaxter  beschriebenen  Myxo- 
coccus-Arten,  die  in  Symbiose  mit  Bakterien  leben. 

Was  die  Fig.  5  anbelangt,  so  befremdet  sie  mich  keines- 
wegs mit  Rücksicht  auf  ähnliche  Formen  von  Hyphen,  die  ich 
bei  Untersuchung  von  Myxococcus  zu  beobachten  Gelegenheit 
hatte. 

Außer  Myxococctts  macrosporus  beschreibt  Zukal  einen 
zweiten  zu  den  Myxobacteriaceen  gehörenden  Organismus, 
Polyangium  vitellinum  Link  =  Myxobacter  aureus  Thaxter, 
in  dessen  Innern  ziemlich  große  Cysten  liegen,  bestehend  aus 
dicken  Gallertkapseln,  worin  stäbchenförmige  Bakterien  sind. 
Eis  läßt  sich  bei  dieser  Gattung  aus  den  Beschreibungen 
Zukal's  ebensowenig  wie  aus  den  Angaben  Thaxter's  eine 
Symbiose  zwischen  Pilzen  und  Bakterien  mit  voller  Sicherheit 
feststellen,  obgleich  einiges  dafür  spricht;  so  lassen  die  Fig.  8, 9, 
Taf.  XXVII  (7),  ebenso  wie  die  Abbildungen  von  Thaxter, 
Fig. 35, 36, Taf. XXV(l),auf  Pilzhyphen  und  Bakterien  schließen. 
Da    aber,    wie   eben  erwähnt,  die  Symbiose  zwischen  Pilzen 


460  .   E.  Zederb*uer, 

und  Bakterien  bei  der  Gattung  Myxobacter  nicht  mit  voHer 
Sicherheit  festgestellt  werden  kann,  so  will  ich  diese  Gattung 
bei  der  kritischen  Betrachtung  ausschließen  und  nur  als  höchst- 
wahrscheinlich  zu  den  Myxobacteriaceen  gestellt  wissen. 

In  seiner  zweiten  Arbeit  über  Myxobakterien  beschreibt 
Thaxter  (2)  noch  einige  neue  Arten  von  Chottdromyces,  Myxo- 
coccus und  rechnet  den  von  Schröter  als  Hyphomycet  be- 
schriebenen Cystobacter  zu  den  Myxobakterien,  so  daß  im 
ganzen  vier  Gattungen  mit  15  Arten,  wenn  wir  Polyangium 
dazurechnen,  in  die  Gruppe  der  Myxobakterien  gehören,  von 
denen  einige  weit  verbreitet  sind,  ja  nach  der  Meinung  Zukal's 
(7)  Kosmopoliten  sind,  so  z.  B.  einige  Arten  von  Chottdromyces, 
eine  Auffassung,  die  nicht  unwahrscheinlich  erscheint,  wenn 
wir  bedenken,  daß  Bakterien  und  Pil^e  über  die  ganze  Erde 
verbreitet  sind. 

Von  besonderem  Interesse  in  der  eben  erwähnten  Ab- 
handlung von  Thaxter  sind  die  Cysten  von  Ckonäromyces 
apiculatus,  die  in  Fig.  7  bis  12,  Taf.  XXX,  deutlich  die  abge- 
rissenen Hyphen  zeigen,  umgeben  in  der  Mitte  von  einer 
Schleimmasse  und  Bakterien^  Es  sind  dies  junge,  vielmehr 
noch  nicht  reife  Cysten,  bei  .denen  die  Abtrennung  der  Hyphen- 
fäden  noch  nicht  erfolgt  ist.  Chondromyces  erectus  und  gracilipes 
erinnern  in  Form  und  Entwicklung  der  Cysten  an  Coremien 
von  Hyphomyceten  sowie  Chondromyces  lichenicolus. 

Voil  ähnlichem  Habitus  ist  Myxococcus  stipitatus,  welcher 
einen  Stiel  ausbildet,  der  sich  oben  erweitert  abrundet,  sich  so 
der  Gattung  Chondromyces  nähernd.  Diese  Art  bildet  deutliche 
Sporen,  Fig.  33,  Taf.  XXXI,  welche  ganz  den  Sporen  von  Pilzen 
gleichen  and  keineswegs  Ähnlichkeit  mit  Bakteriensporen  auf- 
weisen. 

Es  sprechen  sowohl  der  Gesamthabitus  wie  die  Sporen 
für  einen  Pilz,  so  daß  wir  kaum  zweifeln  können,  daß  an  seinem 
Aufbau  ein  Pilz  beteiligt  ist,  der  in  Symbiose  mit  Bakterien  lebt 
Bei  einer  zweiten  Art  von  Myxococcus,  Myxococcus  cruentus, 
beschreibt  Thaxter  Cysten  mit  deutlicher  Hülle,  innerhalb 
welcher  Sporen,  Pilzsporen,  sowie  sie  in  Fig.  29,  Taf.  XXXI, 
abgebildet  sind,  in  eine  faserige  zusammenhängende  Masse  ein- 
gebettet sind,  so  daß  sie  in  Bezug  auf  ihre  innere  Beschaffenheit 


Myxöbacieriaceac,  eine  Symbiose  etc.  461 

an  die  Cysten  von  Chondromyces  erinnern,  mit  denen  sie 
auch  in  biologischer  Hinsicht  übereinstimmen,  da  sie  ja  gleich 
den  Cysten  von  Chondromyces  die  Aufgabe  haben,  beide  Kom- 
ponenten, den  Pilz  und  die  Bakterien,  die  höchstwahrscheinlich 
in  der  amorphenfaserigen  Masse  (Hyphen)  enthalten  sind, 
gleichzeitig  fortzupflanzen,  gleich   den  Soredien  der  Flechten. 

Bei  Myxococcus  rubescens  korinte  Thaxter  die  Bildung 
der  Sporen»  die  in  einer  direkten  Umbildung  der  Fäden  in 
Sporen,  besteht,  Fig.  36  (a  bis./),  Taf.  XXXI,  und  die  Keimung 
derselben  beobachten,  wobei  aus  der  Spore  an  einer  Stelle, 
selten  an  zwei  Stellen,  ein  fadenförmiges  Gebilde  entsteht,  das 
sich  bei  weiterem  Wachstum  teilt  (Fig.  35,  Taf.  XXXI).  Der 
ganze  Entwicklungsgang  gleicht  ganz  dem  bei  der  Keimung 
eines  Pilzsporen  und  hat  keineswegs  eine  Ähnlichkeit  mit  der 
Art  der  Keimung  der  Sporen  von  Bakterien.  Dieser  Vorgang 
zeigt  deutlich,  daß  Wir  es  nicht  mit  Bakteriensporen  zu  tun 
haben,  sondern  mit  Pilzsporen.  Leiter  ist  die  weitere  Ent- 
wicklung des  Hyphenfadens  nicht  beobachtet. 

Die  Gattung  Cystobacter  nähert  sich  sehr  Myxobacter,  da 
auch  die  Cysten  in  der  gelatinösen  Grundmasse  liegen.  Efc 
läßt  sich  so  wie  bei  Myxobacter  nicht  mit  voller  Sicherheit  die 
Symbiose  zwischen  Pilzen  und  Bakterien  feststellen,  obgleich 
die  fadenförmigen  Gebilde  in  Fig.  38-  mehr  für  Pilzhyphen,  in 
Fig.  39  mehr  für  Pilzsporen  sprechen  als  für  Bildung  von 
Bakterien.  Es  wären  also  diese  beiden  Gattungen  mit  je  einer 
Art  nicht  zu  den  Myxobacteriaceen  zu  stellen  oder  nur  als 
Myxobacteriaceen,  für  eine  Ordnung  von  Bakterien  zu  halten 
und  die  beiden  Gattungen  Chondromyces  und  Myxococcus  mit 
ihren  zahlreichen  Arten  auszuschalten.  Doch  gehören  die  beiden 
erstgenannten  Gattungen  ohne  Zweifel  zu  derselben  Gruppe 
wie  Chondromyces  und  Myxococcus,  was  sich  zwar  heute  noch 
nicht  beweisen  aber  mit  fast  voller  Sicherheit  erschließen  läßt, 
infolgedessen  aber  von  der  kritischen  Betrachtung  aus- 
geschlossen werden  müssen. 

Eine  kritische  Prüfung  der  Literatur,  von  dem  Gedanken 
der  Erscheinung  einer  Symbiose  ausgehend,  ergibt,  um  es 
kurz  zusammenzufassen,  folgendes  als  möglich  und  höchst- 
wahrscheinlich: 


462  E.  Zederbauer, 

An  dem  Aufbaue  der  Arten  von  Myxococcus  und  Ckon- 
dromyces  sind  zwei  verschiedene  Organismen  tätig,  einerseits 
Schizomyceten  oder  Bakterien  und  Fungi  und  zwar 
Hyphomyceten. 

Die  Bakterien  sind  von  den  beiden  Autoren  Thaxter  und 
Zukal  nachgewiesen.  Bei  Myxococcus  und  Chondromyces  sind 
Gebilde  beobachtet,  die  kein  Analogon  in  der  Gruppe  der 
Schizomyceten  finden,  hingegen  in  ihrer  ganzen  Erscheinung 
sowie  in  ihrer  Entwicklung  Pilzhyphen  vollkommen  gleichen. 

Bei  Myxococcus  sind  Sporen  vorhanden,  die  nach  Art  ihrer 
Entstehung  und  Keimung  Pilzsporen  (Athrosporen)  ähnlich  sind 
und  nicht  Bakteriensporen. 

Bei  Chondromyces  sind  ebenfalls  Pilzsporen  nachzuweisen, 
hingegen  weist  das  Vorhandensein  von  zahlreichen  Hyphen 
deutlicher  auf  die  Pilznatur  hin. 

Bei  Myxococcus  und  Chondromyces  kommen  »Cysten«  vor, 
die  zur  Fortpflanzung  beider  Komponenten,  der  Bakterien  und 
Pilze,  dienen. 

Hingegen  ist  bei  den  Gattungen  Myxobacter  und  Cysto- 
bacter  die  Symbiose  zwischen  Pilzen  und  Bakterien  nicht  so 
sicher  wie  bei  Chondromyces  und  Myxococcus  festzustellen, 


Ungefähr  vor  lx/2  Jahren  brachte  mir  der  Diener  des  bota- 
nischen Museums  der  k.  k.  Universität  in  Wien,  Groschopf, 
seinen  schon  durch  eine  Reihe  von  Jahren  zum  Naßmachen 
gummierten  Papieres  benützten  Badeschwamm,  der  von  einer 
etwas  schwach  rötlichen,  glänzenden  Masse  überzogen  war, 
welcher  Überzug  schon  einigemal  durch  Wasser  entfernt  wurde, 
aber  in  kurzer  Zeit  wieder  den  ganzen  Badeschwamm  überzog. 
Dieser  schleimig  glänzende  Überzug  glich  in  seinem  Äußern 
ganz  einem  Plasmodium  eines  Myxophyten,  doch  zeigte  das 
mikroskopische  Bild,  daß  wir  es  keineswegs  mit  einem  Schleim- 
pilz zu  tun  haben.  Die  Hauptmasse  waren  stäbchenförmige 
Organismen,  die  lebhaft  an  Bakterien  erinnerten,  darunter 
kettenförmig  aneinandergereihte  Kügelchen,  zuweilen  an 
kurzen  Fäden  sitzend,  die  durch  ihre  Gliederung  in  Zellen  und 
durch  ihr  Aussehen  Hyphen  glichen,  während  die  Kügelchen 
Sporen,  Conidien,  sehr  ähnlich  waren.    Die  Sporen  lagen  auch 


Myxobacttriaceae,  elnfe  Symbiose  etc.  463 

einzeln  herum  oder  zu  zwei  vereinigt,  daran  ein  einzelliger 
kurzer  Faden,  als  ob  die  Spore  soeben  gekeimt  hätte.  Bei 
ungestörter  Kultur  auf  ihrem  ursprünglichen  Nährboden  erhob 
sich  der  schwach  rötliche  Überzug  in  Form  von  kleinen  1  bis 
2  mm  hohen  Tröpfchen,  die  dann  untereinander  zusammen- 
flössen und  nun  erst  recht  durch  ihr  schleimig  glänzendes  Aus- 
sehen den  Eindruck  machten,  als  läge  ein  Myxomycet  vor.  Am 
Grunde  der  Tröpfchen,  dem  Substrat  anliegend,  fanden  sich 
Fäden  und  Sporen,  sich  hie  und  da  in  die  Höhe  erstreckend, 
wo  vorwiegend  Bakterien  in  Schleim  eingehüllt  waren  (Fig.  2, 
Taf.  I).  Ich  versuchte  zunächst  die  Bakterien,  die  eine  Länge 
von  3  bis  4{t  und  eine  Dicke  von  1  -4  bis  1  •  7 jx  hatten,  allein 
zu  ziehen,  was  umso  leichter  gelang,  da  es  auf  dem  gewählten 
Nährboden,  Peptongeiatine,  sehr  gut  gedieh,  während  die 
kugelförmigen  und  fadenförmigen  Gebilde,  die  ja,  wie  die 
Kulturversuche  erwiesen,  nichts  anderes  sind  als  Pilzhyphen, 
und  die  dazugehörenden  Sporen  zwar  anfangs  sich  gut  ent- 
wickelten, bald  aber  vom  sehr  rasch  wachsenden  Bacterium 
weitaus  überholt  und  in  den  Hintergrund  gedrängt  wurden. 
Auf  den  Gelatinekulturen  wuchs  bei  Zimmertemperatur  und  im 
Licht  das  Bacterium  sehr  rasch,  indem  von  der  Impfstelle  weite 
Fäden  nach  allen  Richtungen  ausstrahlten  (Fig.  1,  Taf.  II),  die 
sich  ineinander  verflochten,  die  ganze  Oberfläche  des  Substrates 
mycetartig  überzogen  und  schließlich  ein  Häutchen  bildeten, 
das  bei  älteren  Kulturen  der  verflüssigten  Gelatine  eine  Zeit 
lang  schwamm  und  dann  am  Grunde  zu  liegen  kam.  Diese 
Fäden,  die  das  Häutchen  bildeten,  bestanden  aus  Bakterien- 
ketten, Fig.  2,  3,  4,  Taf.  II,  die  oft  mehrere  aneinander  lagen, 
später  in  Zerfall  gerieten,  indem  die  einzelnen  Bakterien  sich 
trennten.  Nicht  nur  an  der  Oberfläche  des  Nährbodens  gedieh 
das  Bacterium,  sondern  auch  im  Innern,  freilich  nicht  so  gut 
wie  bei  Luftzutritt.  Wiederholte  Kulturversuche  mit  jedesmal 
frisch  entnommenem  Material  zeigten  immer  dasselbe  Bacterium, 
so  daß  es  außer  Zweifel  ist,  daß  nur  eine  Art  von  Bakterien 
und  zwar  eine  bestimmte  an  dem  Aufbaue  dieses  Organismus 
teilnimmt. 

Es  teilt  den  Farbstoff,  den  es  beim  Zusammenleben  mit 
dem  Pilz  ausscheidet,  den  Kulturen  nicht  mit,  sondern  bildet 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  30 


464  E.  Zederbauer, 

schmutzigweiße  Überzüge.  Bei  älteren  Kulturen  trat  Sporen- 
bildung, wie  sie  den  Bakterien  eigen  ist,  ein  (Fig.  5,  Taf.  II), 
die  2{t  lang  und  1  '5|t  dick  sind.  Geißeln  besitzt  es  nicht,  wie 
die  Probe  nach  der  van  Emergem'schen,  von  Hinterberger 
verbesserten  Methode  zeigte;  außerdem  ist  auch  bei  den  Geißeln 
besitzenden  Bakterien  eigene  Bewegung  nicht  zu  beobachten. 

Kulturversuche  auf  Agar-Agar  zeigten  ein  ähnliches 
Verhalten  der  Bakterien  wie  auf  Gelatine.  Es  bildete  sich  eben- 
falls auf  der  Oberfläche  ein  weißes  Häutchen  von  netzartig 
verzweigten  und  ineinander  verflochtenen  Fäden,  bestehend  aus 
Bakterienketten,  doch  wurde  Agar-Agar  nicht  verflüssigt  Bei 
Strichkulturen  bildet  sich  auf  der  Oberfläche  ein  Netzwerk  von 
feinen  Fäden,  während  im  Innern  des  Nährbodens  das  Bacterium 
weitaus  langsamer  sich  entwickelte. 

Versuche,  es  auf  sterilisiertem  Brot  und  Kartoffeln  zu 
ziehen,  mißlangen. 

Während  das  Bacterium  auf  Gelatine  und  Agar-Agar  sehr 
rasch  wuchs,  wurden  die  Hyphen  zum  Teil  verdrängt;  sie 
wurden  zwar  länger  in  Zellen  etwas  gestreckt  und  schnürten 
Sporen  ab  (Fig.  17,  18,  Taf.I),  konnten  aber  in  der  verflüssigten 
Gelatine  nicht  mehr  beobachtet  werden. 

Auf  Agar-Agar  schienen  sie  sich  gar  nicht  weiter  zu  ent- 
wickeln. 

Es  wurde  nun  der  Versuch  gemacht,  den  Pilz  in  der 
feuchten  Kammer  zu  ziehen.  Eine  vom  Substrat  abgenommene 
Probe  wurde  auf  einen  Objektträger  möglichst  fein  verteilt,  so 
daß  einzelne  Sporen  allein  zu  liegen  kamen,  mit  dem  Deck- 
glas überdeckt  und  in  einem  abgeschlossenen  Raum  trocken 
gehalten.  Nach  einigen  Tagen  wurde  der  Objektträger  in  eine 
feuchte  Kammer  gegeben,  wo  sich  das  Bacterium  nicht  mehr 
entwickelte,  sondern  nur  der  Pilz,  dessen  Sporen  zur  Keimung 
gelangten,  indem  aus  der  Spore  ein  Schlauch  getrieben  wurde, 
der  alsbald  sich  verlängerte  und  durch  auftretende  Querwände 
in  mehrere  Zellen  sich  teilte  (Fig.  14,  15,  Taf.  I).  Hatte  der 
Hyphenfaden  eine  gewisse  Länge  erreicht,  so  wurden  Sporen 
abgeschnürt,  Conidien.  Fig.  16,  Taf.I,  stellt  eine  Kolonie  von 
keimenden  Conidien  dar.  Es  lagen  mehrere  Conidien  beisammen, 
von  denen   nach  allen  Seiten  Hyphenfaden  auswuchsen,  um 


Myxobactcriaceae,  eine  Symbiose  etc.  465 

dann  wieder  Conidien  zu  bilden.  Die  Hyphenfäden  hatten  sich 
in  der  feuchten  Kammer  etwas  verändert,  indem  die  einzelnen 
Zellen  etwas  langgestreckt  und  schmal  wurden.  Die  Sporen 
haben  fast  dieselbe  Größe  und  Beschaffenheit  wie  die  Sporen, 
aus  denen  die  Hyphen  gezogen  wurden;  sie  waren  rundlich, 
einzellig,  dunkelbraun,  glatt  und  hatten  4  bis  8  p.  im  Durch- 
messer. Nicht  nur  die  einzelnen  Sporen  wachsen  in  der  feuchten 
Kammer  ohne  Beisein  des  Bacteriums  zu  langen  Hyphenfäden 
aus,  sondern  auch  die  einzelnen  Oidien,  die  durch  Zerfall  von 
Hyphen  entstehen  (Fig.  22,  25,  27,  28,  Taf.  I),  oder  einzelne 
Hyphenfäden,  deren  Zellen  sich  verändern,  indem  sie  lang- 
gestreckt und  schmal  werden. 

Es  ist  also  experimentell  gelungen,  einerseits  das  Bacterium 
und  den  Pilz  zu  trennen,  beide  gesondert  zu  kultivieren  und 
zur  Vermehrung  und  Fruktifikation  zu  bringen,  den  biologisch 
einheitlichen  Organismus  in  seine  Komponenten  zu  zerlegen. 

Es  wäre  also  noch  eine  weitere  Aufgabe,  aus  beiden  ge- 
trennten Komponenten  den  ursprünglichen  Organismus  wieder 
zu  erzeugen,  was  aber  bis  jetzt  noch  nicht  gelungen  ist. 

Immerhin  genügen  die  bis  jetzt  vorliegenden  experi- 
mentellen Kulturversuche  vollkommen,  um  die  Auffassung  zu 
bestätigen,  daß  der  vorliegende  Organismus  aus  Pilzen  und 
Bakterien  besteht,  die  wahrscheinlich  in  Symbiose  leben  so  wie 
Algen  und  Pilze  bei  den  Flechten.  Wie  ich  aus  der  Literatur 
ersehen  konnte,  gehört  der  vorliegende  Organismus  zur  Gattung 
Myxococcus,  die  von  Thaxter  aufgestellt  wurde;  da  sich 
diese  Art  mit  keiner  der  beschriebenen  identifizieren  ließ,  so 
nenne  ich  ihn  wegen  seiner  Fähigkeit,  Überzüge  auf  den  mit 
Gummi  durchtränkten  Badeschwamm  zu  bilden,  Myxococcus 
incrustans. 

Eine  interessante  Erscheinung  ist  die  Vermehrungsweise, 
wodurch  zu  gleicher  Zeit  sowohl  der  Pilz  und  das  Bacterium 
gemeinsam  vermehrt  werden,  nämlich  die  »Cysten«  (Fig.  30, 
Taf.  I),  um  denselben  Ausdruck  zu  gebrauchen  wie  Thaxter, 
der  darunter  ähnliche  Gebilde  zuerst  bei  Chondromyces  be- 
schrieb, die  er  aber  nicht  als  Vermehrungsorgane  von  Pilzen 
und  Bakterien  ansah,  sondern  gemäß  seiner  Auffassung  der 
Myxobacteriaceae  als  Vermehrungsorgane  der  Bakterien. 

30* 


466  E.  Zederbauer, 

Diese  Cysten  bestehen,  wie  Fig.  30,  Taf.  I,  zeigt,  aus 
Conidienketten  und  Bakterien,  umgeben  von  einer  gemein- 
samen Hülle,  die  wahrscheinlich  aus  an  der  Luft  er- 
härtetem Schleime  besteht,  der  von  den  Bakterien  abgesondert 
wird.  Bei  der  Keimung  platzt  die  Hülle  und  es  wächst  der  neue 
Organismus  sofort  heran,  während  bei  der  gesonderten  Ver- 
mehrung der  Komponenten  die  Vermehrung  des  Gesamt- 
organismus von  verschiedenen  Umständen  abhängig  ist  und  es 
dem  Zufall  überlassen  ist,  ob  ein  Bacterium  zu  dem  dazu 
gehörigen  Pilze  gelangt  oder  umgekehrt. 

Es  wird  ja  wahrscheinlich  sein,  daß  bei  den  verschiedenen 
Arten  von  Myxobacteriaceen  dieselben  Arten  von  Bakterien 
auftreten,  die  im  Verein  mit  verschiedenen  Pilzen,  welche 
bei  den  einzelnen  Myxobacteriaceen  formbestimmend  sind, 
verschiedene  Arten  bilden,  entsprechend  den  verschiedenen 
Pilzen,  so  etwa  wie  ein  und  dieselbe  Art  von  Algen  mit  ver- 
schiedenen Pilzen  verschiedene  Flechten  bildet. 

Wie  erwähnt,  bildet  Myxococcus  incrustans  einen  rötlichen 
bis  blaßrötlichen  Überzug  auf  dem  mit  Gummi  durchtränkten 
Badeschwamm  und  zwar  während  der  Hauptvegetationszeit, 
die  nach  zweijährigen  Beobachtungen,  im  erwähnten  Institute 
bei  gewöhnlicher  Zimmertemperatur  kultiviert,  in  die  Monate 
Februar,  März,  April  fällt.  In  der  warmen  Jahreszeit  erscheint 
auf  dem  Badeschwamme  eine  schwärzlich  glänzende  Masse, 
bestehend  aus  Bakterien  und  zahlreichen  dunklen  Hyphenfäden 
und  Conidien.  Die  rötliche  Farbe  scheint  nicht  konstant  zu  sein, 
da  er  auf  anderen  Schwämmen,  auf  denen  Myxococcus  wuchs, 
Überzüge  bildete,  die  sehr  blaßrot  gefärbt  waren,  fast  eher 
blaßgelblich  zu  nennen  sind. 

Im  Herbste  vorigen  Jahres  gelang  es  mir,  einen  zweiten 
Repräsentanten  der  Myxobacteriaceen  zu  finden,  eine  Art  der 
Gattung  Chondromyces.  Zuerst  fand  ich  Chondrontyccsglomeratus 
—  so  will  ich  ihn  wegen  seines  Aussehens  nennen  —  auf  einem 
Buchenstrunk  bei  Stössing  im  Wienerwald,  wo  er  auf  der  noch 
nicht  ein  Jahr  alten  Schnittfläche  in  zahlreichen  Exemplaren 
wuchs.  In  demselben  Herbste  konnte  ich  ihn  noch  an  zwei 
anderen  Orten  im  Wienerwald  finden,  bei  Purkersdorf  und  bei 


Myxobacteriaccae,  eine  Symbiose  etc.  467 

Klosterneuburg,  jedesmal  auf  nicht  zu  alten  Buchenstrünken, 
die  noch  nicht  zu  faulen  begannen. 

Unser  Chondromyces  bildet  sitzende,  gewundene  oder 
niedergedrückte  Lappen  von  verschiedener  Gestalt,  oft  kleine 
zahlreiche  aneinander  sitzende,  hie  und  da  an  der  Basis  ver- 
wachsene, längliche  Gebilde,  alle  von  rötlichem,  schleimig 
glänzendem  Aussehen  und  weich  knorpeliger  Beschaffenheit. 
Die  kleinen,  anfangs  warzenförmigen  Auswüchse  erreichen 
eine  Höhe  von  4  bis  f>tnm  (Fig.  6,  Taf.  II)  und  stehen  fast  immer 
mehrere  in  einer  Gruppe.  Das  ganze  Gebilde  erinnert  sehr  an 
Tremellineen. 

Was  zeigt  aber  das  mikroskopische  Bild?  Durchschneiden 
wir,  so  gut  es  infolge  seiner  weichen  Beschaffenheit  geht,  einen 
jungen  Thallus,  so  sehen  wir  zahlreiche  dünne,  lange  Fäden, 
die  aus  am  Grunde  liegenden  Sporen  entstehen,  durcheinander- 
laufen und  am  Rande  eine  dichte  Schichte  bilden.  Zwischen 
den  dünnen  Fäden,  die  nichts  anderes  als  Hyphenfäden  sind, 
liegen  sehr  kleine  stäbchenförmige  Körper,  die  Zwischenräume 
ausfüllend  und  das  ganze  Gebilde  einhüllend.  Diese  kleinen 
stäbchenförmigen  Körper  sind  Bakterien,  wie  die  Färbungen 
und  Kulturen  zeigten,  die  in  reger  Bewegung  sind,  Schleim  zu 
bilden  scheinen,  so  daß  der  ganze  Thallus  von  einer  schleimigen 
Masse  erfüllt  ist. 

Die  langen,  3  bis  4  [x  dicken  Fäden  sind  septiert,  hyalin  und 
bilden  am  Rande  eine  Schichte  von Conidienträgern.  die  reich  ver- 
zweigt und  mehreremal  gabelig  verteilt  sind.  Während  die  Zellen 
der  im  Innern  gelegenen  Hyphen  sehr  lang  und  schmal  sind, 
nehmen  die  unteren  Conidienträgerzellen  eine  gedrungene  Form 
an  und  sind  weitaus  kürzer  (Fig.  9,  10,  Taf.  II).  An  den  Coni- 
dienträgerzellen sitzen  meist  in  Ketten  die  Conidien,  welche 
rundlich  bis  länglich  oval,  7  bis  12  p,  groß  sind  und  eine  dünne 
bräunliche  Membran  besitzen  (Fig.  11,  12,  Taf.  II). 

Es  gelang,  einzelne  Conidien  in  der  feuchten  Kammer  zur 
Keimung  zu  bringen,  welche  dieselbe  Erscheinung  wie  die 
Keimung  einer  Pilzspore  darbot,  doch  konnten  die  Hyphen 
nicht  zur  Entwicklung  von  Conidienträgern  gebracht  werden. 

Es  war  mir  nur  zu  tun,  die  Natur  der  kleinen  stäbchen- 
förmigen Körper  festzustellen.  Die  Färbungen  mit  Methylen- 


468  E.  Zederbauer, 

blau  und  Fuchsin  auf  Bakterien  gelangen  jedesmal,  ebenso 
wiesen  die  Kulturen  auf  Gelatine  und  Agar-Agar  auf 
Bakterien  hin. 

Auf  Gelatineplattenkulturen  bildeten  sich  bei  Zimmer- 
temperatur und  im  Brutofen  bei  20°  C.  kleine  schmutzigweiße 
runde  Tröpfchen,  die  sich  vereinigen  und  grübchenförmig  die 
Gelatine  aushöhlten.  Nach  5  bis  6  Tagen  wurden  die  Grübchen 
ziemlich  groß  und  waren  mit  einer  trüben,  flockigen  Masse,  be- 
stehend aus  verflüssigter  Gelatine  und  Bakterien,  erfüllt  Das 
Wachstum  war  bei  Kulturen,  die  am  Fenster  standen,  an  der 
gegen  das  Licht  zugewendeten  Seite  stärker  (Fig.  19,  Taf.  II). 
Ähnliches  Verhalten  wie  auf  Gelatineplattenkulturen  zeigte 
sich  bei  Gelatinestrichkulturen.  In  Gelatinestrichkulturen  bildete 
sich  im  Brutofen  bei  20°  eine  rasch  um  sich  greifende,  strumpf- 
förmige Verflüssigung  mit  unregelmäßigen  blasenartigen  Aus- 
buchtungen und  zwar  war  der  Verflüssigungsstrumpf  oben 
weiter  als  unten.  Der  Bacillus,  zu  welcher  Gattung  er  wegen 
seiner  Geißeln  gehört,  gedeiht  besser  bei  Luftzutritt  als  bei 
Luftabschluß,,  was  auch  bei  Agar-Agar  und  Agargelatine- 
kulturen  zu  sehen  war.  Auf  Agar-Agar  breitete  sich  der 
Bacillus,  zuerst  kleine  runde  Flecken  bildend,  über  die 
ganze  Oberfläche  in  Form  eines  schleimigen  schmutzigweißen 
Belages  aus,  verflüssigte  aber  Agar-Agar  nicht.  Bei  allen  Kul- 
turen zeigte  sich  die  Erscheinung  des  Fluoreszierens. 

Die  Geißelfärbung  mit  der  van  Emergem'schen,  von 
Hinterberger  verbesserten  Methode  zeigte  lange,  um  das 
ganze  Stäbchen  sitzende  Geißeln,  die  das  Zehnfache  der  Länge 
des  Organismus  erreichen  können  (Fig.  20,  Taf.  II).  Sporen- 
bildung konnte  nicht  beobachtet  werden. 

Die  an  den  Impfstellen  mit  hingebrachten  Hyphenfaden 
veränderten  sich  in  der  Weise,  indem  die  Zellen  gedrungener 
und  kürzer  wurden  (Fig.  14,  Taf.  II),  unregelmäßige  Formen 
annahmen  und  Conidien  zu  bilden  schienen  (Fig.  15,  Taf.  II). 
In  Gelatinekulturen  trat  auch  Chlamydosporenbildung  ein. 
Die  Chlamydosporen  waren  rundlich,  4  bis  12  |t  groß  und 
besaßen  eine  bräunliche  Membran.  Dieselbe  Erscheinung  zeigte 
sich  bei  älteren  Exemplaren,  auch  bei  solchen,  die  zugrunde 
gingen.  (Fig.  16,  17,  Taf.  II.) 


MyxöbacteriaceaCy  eine  Symbiose  etc.  469 

Außer  den  zwei  erwähnten  Fortpflanzungsarten  besitzt 
der  Hyphomycet  des  Chondromyces  glomeratus  eine  dritte  Art, 
nämlich  die  durch  Oidien,  die  bei  älteren  Exemplaren  im  Innern 
gebildet  werden,  indem  die  Hyphen  in  Stücke  von  verschiedener 
Länge  zerfallen,  an  beiden  Enden  sich  abrunden  (Fig.  18, 
Taf.  II).  Gerade  diese  Gebilde  erinnern  sehr  an  die  Fäden,  wie 
sie  bei  sämtlichen  Arten  von  Thaxter  beobachtet  und  abge- 
bildet wurden.  Ähnliche  Gebilde  beschreibt  auch  Zukal  bei 
Myxococcus.  Doch  wurden  sie  von  beiden  Autoren  für  Bakterien 
oder  Bildungen,  die  von  Bakterien  stammen,  gehalten.  Ihre  Ent- 
stehung aus  den  langen  Fäden,  die  wir  als  Hyphenfäden  kennen 
gelernt  haben,  zeigt  aber  deutlich  den  Pilzcharakter. 

Es  geht  aus  den  Beobachtungen  und  Kulturversuchen 
deutlich  hervor,  daß  an  dem  Aufbau  des  Chondromyces  glome- 
ratus einerseits  Bakterien,  Bacillus  Chondromycetis  glomerati, 
und  ein  Pilz,  Hyphomycet  des  Chondromyces  glomeratus,  be- 
teiligt ist.  Da  der  Pilz  sich  in  keiner  bis  jetzt  bekannten  Gattung 
unterbringen  läßt,  außerdem  ohne  Bakterien  nur  zur  Keimung 
gebracht  werden  konnte  und  sich  nicht  der  vollständige  Ent- 
wicklungsgang des  ursprünglichen  Pilzes  feststellen  ließ,  so 
habe  ich  es  vorläufig  unterlassen,  ihn  zu  benennen,  um  eventuell 
später  durch  Kulturversuche  seine  Zugehörigkeit  zu  ermitteln. 
Dazu  kommt  noch  die  eine  Schwierigkeit,  daß  nicht  ein  einziges 
Individuum  an  seinem  Aufbau  teilnimmt,  ebensowenig  wie  bei 
Myxococcus,  sondern  zahlreiche,  wie  aus  den  vielen  am  Grunde 
liegenden  ausgekeimten  Pilzsporen  zu  ersehen  ist,  deren  Hyphen 
im  Thallus  so  durcheinander  laufen  und  sich  verflechten,  daß 
es  nicht  gelingen  möchte,  ein  einzelnes  Individuum  herauszu- 
präparieren. 

Wie  aus  den  dargelegten  Ausführungen  zu  ersehen  ist,  ist 
bei  den  beiden  zur  Verfügung  stehenden  Arten  der  Gattungen 
Myxococcus  und  Chondromyces,  bei  Myxococcus  incrustans  und 
Chondromyces  glomeratus,  der  Aufbau  aus  zwei  verschiedenen 
Organismen,  Pilzen  und  Bakterien,  durch  Experiment  festge- 
stellt worden,  indem  beide  Komponenten  unabhängig  von- 
einander gezogen  werden  konnten,  bei  Myxococcus  der  ganze 
Entwicklungsgang  des  Pilzes,  somit  seine  Zugehörigkeit  sicher 
festgestellt  werden  konnte. 


470  E.  Zederbauer, 

Die  Ergebnisse  dieser  Kulturversuche  zwangen  zur  An- 
nahme, daß  die  Gebilde,  wie  sie  auf  Taf.  I,  Fig.  3  bis  15,  dar- 
gestellt sind,  und  die  in  zahlreichen  beobachteten  Fällen  ganz 
identisch  sind  mit  den  Abbildungen  von  Myxococcus,  welche 
Thaxter  und  Zukal  darstellten  und  für  Bakterien  und  ihre 
Sporen  hielten,  nicht  mit  den  Bakterien  im  Zusammenhange 
stehen,  sondern  nach  ihrer  ganzen  Erscheinung,  ihrer  Sporen- 
bildung, Keimung  und  Fadenbildung  (Hyphen)  Pilzen  angehören 
müssen.  Gegen  die  Annahme  der  Bakteriennatur  spricht  ja  auch 
die  Tatsache,  daß  dergleichen  Sporenbildung  bei  Bakterien 
nicht  vorkommt. 

Es  kann  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  daß  auch  bei 
den  anderen  Arten  von  Myxococcus,  welche  von  Thaxter  und 
Zukal  beschrieben  wurden,  durch  Experimente  die  Symbiose 
sich  nachweisen  läßt.  Daß  Bakterien  an  dem  Aufbau  beteiligt 
sind,  ist  von  beiden  Autoren  festgestellt  und  ihr  Verhalten  zeigt 
ohne  Zweifel  auf  Bakterien  hin.  Hingegen  gleichen  die  Sporen, 
von  Thaxter  und  Zukal  für  Bakteriensporen  gehalten,  ganz 
und  gar  Pilzsporen;  die  bei  einzelnen  Sporen  beobachtete 
Keimung  stimmt  vollkommen  mit  der  von  Pilzsporen,  ja  aus 
Thaxter'sund  Zukal's  Abbildungen  (1.  Taf.  XXV,  Fig.  40,41  ; 
7.  Taf.  XXVII,  Fig.  3)  sind  deutlich  die  Hyphen  zu  erkennen, 
ebenso  sind  deutliche  Oidien  (1.  Taf.  XXV,  Fig.  37,  39,  40,  41; 
7.  Taf.  XX VII,  Fig.  1,  4)  dargestellt.  Gerade  die  eigentümlichen, 
anfangs  fraglichen  Sporen,  Hyphen  und  Bakterien,  die  mit  den 
Abbildungen  von  Thaxter  und  Zukal  übereinstimmten,  ver- 
anlaßten  mich,  den  auf  dem  Badeschwamme  gefundenen 
Organismus  zur  Gattung  Myxococcus  zugehörig  zu  betrachten, 
so  wie  bei  Chondromyces  die  feinen,  langen  fadenförmigen  Ge- 
bilde, die  im  Innern  des  Thallus  und  in  den  Cysten  vorkommen, 
seine  Zugehörigkeit  zu  dieser  Gattung  ohne  Zweifel  erscheinen 
ließen. 

Es  könnte  jemand  den  Einwurf  machen,  daß  diese  Gebilde 
zufällige  Erscheinungen  seien,  daß  ein  Pilz  zufällig  von  Bakte- 
rien befallen  wird  und  derartige  Bildungen  hervorruft.  Dagegen 
sprechen  nun  folgende  Gründe:  Erstens  ist  Myxococcus  in- 
crustans  nicht  nur  auf  einem  Schwamm  im  erwähnten  Institut, 
sondern   auf  sämtlichen  im  Gebrauche  stehenden  und  zeigt 


Myxobacteriaceae,  eine  Symbiose  etc.  47 1 

immer  dieselben  Bakterien,  Pilzhyphen  und  Sporen.  Zweitens 
zeigen  die  auf  den  ziemlich  weit  voneinander  liegenden  Fund- 
orten gesammelten  Chondromyccs  glotneratas  immer  denselben 
Bacillus,  denselben  Pilz;  es  sind  also  konstante  Erscheinungen, 
wie  bestimmte  Pilze  und  Algen  jedesmal  dieselbe  Flechte  er- 
zeugen. Drittens  sprechen  die  zahlreichen  beschriebenen  Arten 
von  Myxococcus  und  Chondromyccs  dafür. 

Daß  derselbe  Pilz  mit  anderen  Bakterien  leben  sowie  das- 
selbe Bacterium  auf  verschiedenen  Pilzen  vorkommen  kann, 
ist  ja  denkbar  und  höchstwahrscheinlich.  Voraussichtlich 
bilden  sie  dann  verschiedene  Myxobacteriaceen. 

Die  Myxobacteriaceen  sind  keineswegs  höchst  seltene  Er- 
scheinungen, was  aus  den  zahlreichen  von  Th axter  aufge- 
fundenen Arten  und  den  Bemerkungen  ZukaTs,  der  einige  Arten 
wegen  ihrer  weiten  Verbreitung  kosmopolitisch  nennt,  hervor- 
geht. Es  ist  mir  gelungen,  in  kurzer  Zeit  einige  Organismen  zu 
finden,  die  ohne  Zweifel  zu  den  Myxobacteriaceen  gehören, 
doch  konnte  bis  heute  wegen  der  nicht  vollständig  gelungenen 
Kulturen  die  Zugehörigkeit  des  Bacteriums  und  des  Pilzes  nicht 
festgestellt  werden.  Es  hat  nach  den  jetzigen  Beobachtungen 
den  Anschein,  als  ob  eine  nicht  unbedeutende  Anzahl  der  Fungi 
imperfecti  in  diese  Gruppe  gehöre,  besonders  solche,  in  deren 
Diagnosen  es  heißt,  daß  der  ganze  Organismus  in  Schleim  ein- 
gehüllt ist,  der  in  vielen  Fällen  von  Bakterien  herrühren  dürfte. 

Welchen  Zweck  hat  nun  das  Zusammenleben  der  beiden 
Organismen?  Ist  es  eine  Symbiose  oder  ein  Parasitismus? 
Nehmen  wir  das  erstere  an.  Es  ist  ja  höchstwahrscheinlich, 
daß  der  Pilz  Nutzen  aus  dem  von  den  Bakterien  gebildeten 
Schleim  zieht,  daß  hingegen  das  Bacterium  die  vom  Pilz  aus- 
geschiedenen Stoffe  aufnimmt.  Diese  Annahme  ist  keineswegs 
unanfechtbar,  da  sie  des  Beweises  durch  das  Experiment  und 
der  chemischen  Untersuchung  bedarf,  doch  scheint  sie  uns 
wahrscheinlicher  als  die  eines  Parasitismus,  infolgedessen  der 
Pilz  keinen  Nutzen  vom  Bacterium  hätte,  sondern  vom  Bacte- 
rium wegen  der  ausgeschiedenen  Stoffe  befallen  würde  oder 
umgekehrt  der  Schleim  des  Bacteriums  dem  Pilze  zur  Nahrung 
diene  und  das  Bacterium  keinen  Vorteil  hätte.  Wenn  man  einen 
Parasitismus  annimmt,  so  wäre  auch  anzunehmen,  daß  einer 


472  E.  Zederbaueiy 

von  den  beiden  Komponenten  in  seiner  Entwicklung  gehemmt 
wäre  oder  zugrunde  gehe,  was  aber  bei  dem  vorliegenden 
Organismus  nicht  der  Fall  ist;  das  Bacterium  sowie  der  Pilz 
gelangen  zur  vollen  Entwicklung  und  vermehren  sich  sehr 
rasch,  so  daß  keinerlei  schädigender  Einfluß  zu  beobachten  ist 

Der  Parasitismus  ist  auch  unwahrscheinlich,  wenn  wir 
noch  die  Fortpflanzungsorgane,  die  der  Pilz  und  das  Bacterium 
bildet,  die  Cysten,  berücksichtigen.  Die  Veränderung  der  Pilze 
in  der  Symbiose  mit  den  Bakterien  ist  nach  den  bis  jetzt  beob- 
achteten Fällen  gering,  doch  dürfte  sie  in  anderen  Fällen 
größer  sein. 

Entsprechend  der  Auffassung  der  Myxobacteriaceen  als 
eine  Symbiose  von  Pilzen  und  Bakterien  ist  die  Bezeichnung 
Myxobacteriaceen  unzweckmäßig,  da  sie  dadurch  nur  nach 
ihrem  schleimigen  Aussehen,  ihrer  Ähnlichkeit  mit  den  Myxo- 
phyten,  mit  denen  sie  auch  einen  Teil  ihres  Entwicklungsganges 
gleich  haben,  bezeichnet  sind,  außerdem  sie  keine  Ordnung  der 
Bakterien  sind,  was  der  Name  Myxobacteriaceae  bezeichnen 
will.  Da  sie  sich  in  Bezug  auf  ihr  Verhalten  am  meisten  den 
Flechten  nähern,  an  deren  Aufbau  ebenfalls  zwei  Organismen 
teilnehmen,  so  will  ich  sie  nach  dem  Vorschlage  Professors 
v.  Wettstein  »Spaltpilzflechten«  bezeichnen. 

Zusammenfassung  der  Resultate. 

1.  Die  Myxobacteriaceae  Thaxter's  sind  nicht  als  eine 
Ordnung  der  Bacteriaceen  aufzufassen,  sondern  als  eine  selbst- 
ständige Pflanzengruppe  mit  biologischen  Eigentümlichkeiten, 
ähnlich  wie  die  Flechten. 

2.  Die  Myxobacteriaceae  sind  eine  Symbiose  zwischen 
Pilzen  und  Bakterien,  wie  einerseits  aus  Kulturversuchen  und, 
geleitet  von  diesen  Experimenten,  aus  der  diesbezüglichen 
Literatur  zu  ersehen  ist. 

3.  Die  Kulturversuche  wurden  an  Myxococcus  incrustans 
und  an  Chondromyces  glomeratus  gemacht,  welche  deutlich 
den  Aufbau  aus  Pilzen  und  Bakterien  zeigten. 

4.  Bei  Myxococcus  incrustans  gelang  es,  das  Bacterium 
und  den  Pilz  unabhängig  und  getrennt  voneinander  zu  ziehen; 
aus  den  Sporen   entsteht  bei  Kultur  in  der  feuchten  Kammer 


MyxobacUriaccac,  eine  Symbiose  etc.  473 

bei  der  Keimung  ein  Hyphenfaden,  der  wieder  Sporen,  Conidien 
abschnürt.  Das  Bacterium  zeigt  die  typische  Erscheinung  der 
Bakterien  bei  Färbungen  und  Kulturversuchen  auf  Gelatine  und 
Agar-Agar  und  bildet  Sporen,  die  für  Bakterien  charakteristisch 
sind.  Myxococcns  incrustans  besitzt  Fortpflanzungsorgane  bei- 
der Komponenten,  des  Pilzes  und  Bacteriums,  die  sogenannten 
>Cysten«,  die  aus  Conidien  und  Bakterien  bestehen,  eingehüllt 
in  Schleim,  der  an  der  Luft  erhärtet  und  eine  gemeinsame  Hülle 
bildet 

5.  Bei  Chondromyces  glomeratus  gelang  ebenfalls  die 
Trennung  und  separierte  voneinander  unabhängige  Kultur  der 
Pilze  und  Bakterien.  Die  Bakterien  wuchsen  auf  Gelatine, 
Agar-Agar  ohne  Pilz,  färbten  sich  nach  den  für  die  Bakterien 
gebräuchlichen  Methoden  und  besitzen  Geißeln.  Sporenbildung 
des  Bacillus  wurde  nicht  beobachtet.  Die  Pilzspore  konnte  zwar 
zur  Keimung  gebracht  werden,  doch  gelang  es  nicht,  Conidien- 
träger  und  Conidien  zu  erzeugen;  das  Vorhandensein  von 
deutlichen  Hyphen,  Conidienträgern,  die  eine  dichte  Schicht 
bilden,  Conidien  und  Chlamydosporenbildung  innerhalb  des 
Thallus  und  auf  Gelatinekulturen  weist  zweifellos  auf  einen 
Pilz  hin.  Außerdem  ist  bei  alten  Exemplaren  Oidienbildung  zu 
beobachten,  wobei  solche  Gebilde  zustande  kommen,  wie  sie 
Thaxter  und  Zukal  abgebildet  und  als  den  Bakterien  ange- 
hörig beschrieben  haben. 

6.  Aus  der  diesbezüglichen  Literatur  ist  zu  ersehen,  daß 
sämtliche  Arten  von  Myxococcus  aus  Bakterien  und  Pilzen  zu- 
sammengesetzt sind.  Die  Bakterien  zeigen  dasselbe  Verhalten, 
das  für  Bakterien  eigentümlich  ist;  die  ihnen  zugeschriebenen 
Sporen  und  die  daran  sitzenden  fadenförmigen  Gebilde  sind 
Pilzsporen  mit  Hyphen,  da  sie  die  für  Pilzsporen  und  Hyphen 
charakteristische  Beschaffenheit,  keineswegs  aber  mit  den 
Bakteriensporen  und  Bakterien  irgendwelche  Ähnlichkeit  und 
Analogon  besitzen.  Bei  einer  Art  sind  Cysten  bekannt. 

Chondromyces- Arten  zeigen  ebenfalls  typische  Hyphen- 
faden, die  den  Thallus  durchziehen,  Sporen  bilden,  wie  die  von 
Zukal  gegebene  Beschreibung  von  Chondromyces  crocatus 
(respektive  Myxöbotrys  variabilis)  zeigt.  Cysten  sind  fast  bei 
allen  bekannt.  Bei  den  Gattungen  Myxobacter  und  Cystobacter 


474  E.  Zederbauer, 

läßt  sich  die  Symbiose  zwischen  Pilzen  und  Bakterien  nicht 
mit  voller  Sicherheit  feststellen,  doch  ist  sie  mehr  als  wahr- 
scheinlich. 

7.  Der  Zweck  der  Symbiose  ist  vermutlich  der,  daß  die 
von  den  Pilzhyphen  ausgeschiedenen  Stoffe  von  Bakterien  ver- 
braucht werden,  der  Schleim  der  Bakterien  den  Pilzhyphen  zu 
gute  kommt. 

8.  Die  Bezeichnung  Myxobacteriaceae  scheint  infolge  der 
Auffassung  einer  Symbiose  unzweckmäßig,  da  sie  den  eigent- 
lichen Sachverhalt  nicht  zum  Ausdruck  bringt  und  ursprünglich 
etwas  anderes  damit  bezeichnet  wurde.  Hingegen  ist  der  Name 
Spaltpilzflechten  nach  Vorschlag  von  v.  Wettstein  für 
diese  Gruppe  bezeichnender,  da  sie  mit  Bezug  auf  ihren  Aufbau 
mit  Flechten  mehr  Ähnlichkeit  besitzt  als  mit  Myxophyten, 
außerdem  die  Bezeichnung  Bacteriaceae  in  Bezug  auf  die 
Systematik  verwirrend  wirken  würde,  da  wir  es  nicht  mit  einer 
Ordnung  von  Bakterien  zu  tun  haben. 

Diagnosen. 

Myxococcus  incrustans  n.  sp. 

Taf.  I  und  II,  Fig.  1  bis  5. 

Bildet  rosarote  oder  blaßrote,  schleimige,  glänzende,  1  bis 
2  mm  hohe  Tröpfchen,  die  zusammenfließen  und  einen  rosa- 
roten Überzug  auf  dem  Substrat  bilden,  so  daß  er  das  Aussehen 
eines  Schleimpilzes  darbietet.  Ältere  Kulturen  werden  schwärz- 
lich glänzend.  Ein  einzelnes  Tröpfchen  oder  der  ganze  Überzug 
besteht  aus  stäbchenförmigen  Organismen  (Bakterien)  und  aus 
Hyphen  mit  Conidien  (Pilz),  die  in  Symbiose  leben.  Diese 
beiden  Komponenten  sind  das  Bacterium  Myxococci  incru- 
stantis  n.  sp.  und  der  Hyphomycet  Tonüa  Myxococci  incru- 
stantisn.  sp.;  da  weder  das  Bacterium  noch  der  Pilz  mit  bereits 
beschriebenen  Arten  indentifiziert  werden  konnte,  beschreibe 
ich  sie  als  neue  Arten.  Beide  zusammen  bilden  ein  gemein- 
sames Vermehrungsorgan,  die  »Cysten«,  bestehend  aus  Conidien 
oder  Conidienketten  und  Hyphen,  welche  umgeben  sind  von 
Bakterien  und  Schleim.    Das  ganze  Gebilde  ist  eingeschlossen 


Myxobactcriaccac,  eine  Symbiose  etc.  475 

von  einer  gemeinsamen  Hülle,  die  wahrscheinlich  aus  erhärtetem 
Schleim  besteht.  Größe  sehr  verschieden,  20  bis  90(1. 


Torula  Myxococci  incrustantis  n.  sp. 

Hyphen  niederliegend,  3  bis  5  p,  dick,  dunkelbraun,  glatt, 
conidientragende  Äste  sehr  kurz,  Conidien  in  Ketten  gebildet, 
einzeln  oder  in  Verbänden  sich  loslösend,  einzellig,  dunkel- 
braun, kugelig  glatt,  4  bis  8fi  im  Durchmesser,  Oidienbildung 
durch  Zerfall  einzelner  Hyphenfaden;  aus  den  Oidien  sprossen 
Conidien  aus. 

In  der  feuchten  Kammer,  zwischen  Objektträger  und  Deck- 
glas kultiviert,  keimen  die  einzelnen  Conidien,  treiben  Hyphen 
aus,  bestehend  aus  langgestreckten  Zellen,  die  etwas  dünner 
und  länger  sind  als  die  Hyphenzellen  in  Symbiose  mit  dem 
Bacterium.  An  den  Hyphen  entstehen  wieder  Conidien  von 
fast  derselben  Größe  und  demselben  Aussehen  wie  die  ur- 
sprünglichen. 

Auf  Gelatine  gezüchtet,  wächst  es  anfangs  sehr  stark, 
bildet  lange  Fäden,  an  denen  Conidien  entstehen.  Da  das 
Bacterium  die  Gelatine  verflüssigt,  so  sind  nach  kurzer  Zeit 
die  Pilzhyphen  nicht  mehr  zu  beobachten.  Auf  Agar-Agar 
scheinen  sie  sich  nicht  weiter  zu  entwickeln. 

Bacterium  Myxococci  incrustantis  n.  sp. 

Großes,  dickes  Stäbchen  mit  abgerundeten  Ecken,  ohne 
Eigenbewegung,  einzeln,  nur  in  Kulturen  zu  Ketten  vereinigt. 
Die  Dicke  eines  Stäbchens  beträgt  1  •  4  bis  1  •  7  jx,  die  Länge 
3  bis  4  n,  ovale  Sporen  bildend,  die  einzelne  Spore  ist  zirka 
2  {i.  lang  und  1*5  (i  dick.  Rosaroten  Farbstoff  produzierend, 
welche  Fähigkeit  in  Kulturen  auf  Gelatine  und  Agar  verloren 
geht.  Schleimbildend. 

Auf  Gelatineplattenkulturen  bei  Zimmertemperatur 
gezogen,  sind  die  Kolonien  nach  12  Stunden  sichtbar  und  zwar 
die  oberflächlich  gelegenen  stärker  entwickelt  als  die  ein- 
geschlossenen. Von  der  Impfstelle  strahlen  weiße  Fäden  nach 
allen  Richtungen  aus,  die  sich  teils  netzartig  verzweigen,   teils 


476  E.  Zederbauer, 

auch  in  gerader  Richtung  verlaufen  und  allmählich  die  ganze 
Oberfläche  mit  einem  Fadennetz  überziehen. 

Bei  12facher  Vergrößerung  zeigen  sich  dicke  Fäden, 
welche  sich  vielfach  verästeln,  die  sich  bei  80facher  Ver- 
größerung in  einzelne  feine  Bakterienketten  auflösen.  Im  Brut- 
ofen bei  20°  gezüchtet,  überziehen  diese  mycelartigen,  aus 
Ketten  von  Bakterien  bestehend,  die  Oberfläche  nach  24  Stunden 
in  einem  Umkreis  von  1  cm,  während  von  den  eingeschlossenen 
Kolonien  nach  allen  Seiten  feine  Fäden  in  die  Gelatine  aus- 
laufen. Nach  weiteren  24  Stunden  schwimmt  bereits  ein 
Häutchen,  aus  ineinander  verflochtenen  Bakterienketten  be- 
stehend, auf  der  verflüssigten  Gelatine,  während  am  Rande  der 
flachen  Aushöhlung  die  Bakterienfaden  auf  der  Oberfläche  der 
Gelatine  weiterwachsen.  Nach  mehreren  Tagen  ist  die  ganze 
Gelatine  verflüssigt  und  es  zeigen  sich  Fetzen  von  Häutchen 
zum  Teil  noch  auf  der  Oberfläche  oder  am  Grunde  der  ver- 
flüssigten Gelatine. 

Auf  der  Gelatinestrichkultur  zeigt  sich  dasselbe  Ver- 
halten wie  bei  der  Gelatineplattenkultur. 

In  der  Gelatinestichkultur  im  Brutofen  bei  20°  ist  der 
Stichkanal  nach  12  Stunden  schon  deutlich  sichtbar,  nach 
weiteren  12  Stunden  ist  ein  großer  Verflüssigungsstrumpf  zu  be- 
obachten, der  ziemlich  weit  ist,  nach  unten  bis  zum  Grunde 
sich  allmählich  verengt;  er  ist  mit  trübflüssiger  Gelatine  gefüllt, 
am  Rande  gehen  feine  Strahlen  in  die  noch  feste  Gelatine 
aus,  an  der  Oberfläche  kommt  es  zur  eigentlichen  Hautbildung 
so  wie  bei  den  beiden  vorhin  erwähnten  Kulturen. 

Auf  schrägem  Agar  (Strichkultur)  breitet  sich  im  Brut- 
ofen bei  20°  vom  Impfstrich  rasch  ein  weißer  Belag  über  die 
ganze  Oberfläche  aus,  ähnlich  dem  netzartig  verzweigten  Über- 
zug bei  Gelatinestrich-  oder  Plattenkultur.  Agar  wird  nicht 
verflüssigt  Bei  weiterer  Kultur  bildet  sich  ein  dichter  Belag 
von  ineinander  verflochtenen  Bakterienketten. 

Auf  Agar-Agarplattenkulturen  bildet  sich  wie  bei  der 
Strichkultur,  von  der  Impfstelle  ausgehend,  ein  Netz  von  feinen 
weißen  Fäden;  die  eingeschlossenen  Kolonien  senden  nach 
allen  Richtungen  strahlenförmig  Fäden  aus,  doch  bleiben  sie  be- 
deutend hinter  den  auf  der  Oberfläche  befindlichen  zurück. 


MyxdbacUriactac,  eine  Symbiose  etc.  477 

Bei  Agar-Agarstichkultur  bildet  sich  oben  ein  Netz- 
werk von  feinen  Fäden,  bestehend  aus  Bakterienketten,  während 
die  im  Innern  des  Nährbodens  befindlichen  sich  weitaus  lang- 
samer entwickeln  als  die  oberflächlich  gelegenen. 

Kulturversuche  auf  sterilisiertem  Brot  und  Kartoffeln  er- 
gaben negative  Resultate. 

Wächst  bei  Luftzutritt  und  Luftabschluß,  bei  ersterer 
Bedingung  günstiger. 

Myxococcus  incrustans  wurde  auf  einem  Badeschwamm  ge- 
gefunden, der  mehrere  Jahre  zum  Naßmachen  von  gummiertem 
Papier  im  botanischen  Museum  der  k.  k.  Universität  in  Wien 
benützt  wurde;  er  ist  auf  sämtlichen,  zu  ähnlichen  Zwecken  ge- 
brauchten Schwämmen  des  genannten  Institutes  zu  finden  und 
zwar  als  schwärzliche,  schleimig  glänzende  Flecken.  Die  Vege- 
tationszeit ist  bis  jetzt  nur  in  den  Monaten  Februar,  März, 
April  beobachtet. 

Nach  der  Vegetationszeit  wird  der  Organismus  schwärz- 
lich und  bleibt  das  ganze  Jahr  hindurch  schwärzlich  glänzend, 
nur  hie  und  da  einige  Hyphenföden  in  die  Luft  treibend. 

Sein  Vorkommen  dürfte  nicht  an  Badeschwämmen  ge- 
bunden sein,  da  ja  nicht  der  Badeschwamm  das  eigentliche 
Substrat  für  den  Organismus  ist,  sondern  der  den  Badeschwamm 
durchtränkende  Gummi. 

Chondromyces  glomeratus  n.  sp. 

Thallus  sitzend,  von  verschiedener  Gestalt,  längliche, 
2  bis  5  mm  hohe  Säulchen  oder  Zäpfchen  oder  niedergedrückte 
Lappen,  die  teilweise  schwach  gewunden  sind,  bildend,  in  der 
Gesamterscheinung  an  Tremeliineen  erinnernd,  von  weich 
knorpeliger  Beschaffenheit  und  blaßroter  bis  kirschroter  Farbe. 
Fast  immer  zu  einem  Häufchen  vereinigt,  nach  der  Vegetations- 
periode sich  auflösend  und  dunkelrote  Flecke  auf  dem  Substrate 
zurüklassend,  die  schließlich  schwarz  und  hart  werden. 

Zusammengesetzt  ist  der  Thallus  aus  einem  conidien- 
tragenden  Hyphomycet,  zwischen  den  einzelnen  Hyphen  und 
dem  ganzen  Thallus  einhüllend  zahlreiche  bewegliche  Bakterien, 
Bacillus  Chondromycetis  glomerati. 


478  E.  Zederbauer, 

Hyphomycet  des  Chondromyces  glomeratus. 

Hyphen  hyalin,  septiert,  1*5  bis  3  |i  dick,  aufrecht,  einzelne 
Zellen  sehr  lang,  Conidienträger  am  Rande  des  Thallus  dicht 
beisammen  stehend  und  eine  Conidienschichte  bildend.  Conidien- 
träger reich  verzweigt,  mehreremale  gabelig  geteilt,  aufrecht, 
untere  Conidienträgerzellen  dicker  und  gedrungener  als  die 
anderen. 

Conidien  in  Ketten  stehend,  ohne  Sterigmen  unmittelbar  der 
Spitze  des  Trägers  aufsitzend,  einzellig,  kugelig  bis  oval,  bräun- 
lich, 7  bis  12{i  im  Durchmesser,  Membran  dünn,  das  Innere  von 
kleinen,  stäbchenförmigen,  lichtbrechenden  Körperchen  erfüllt, 
Kern  ziemlich  groß ;  bei  der  Keimung  wächst  die  Spore  in  einen 
langen  Hyphenfaden  aus. 

In  älteren  Exemplaren  bilden  sich  im  Innern  Chlamydo- 
sporen,  die  rundlich  und  4  bis  12  p.  groß  sind;  Membran  ist 
dünn  und  schwach  bräunlich  oder  hyalin,  sie  unterscheiden  sich 
wenig  von  den  Conidien.  Chlamydosporenbildung  tritt  auch  bei 
Gelatinekulturen  ein.  In  älteren  Exemplaren  zerfallen  die  Hyphen- 
faden bisweilen  in  Oidien  von  verschiedener  Länge. 

In  Gelatinekulturen  werden  die  Hyphen  dicker,  die 
Zellen  kürzer  und  gedrungener  und  schnüren  Conidien  ab.  In 
der  feuchten  Kammer  keimen  die  Sporen,  doch  konnte  bis  jetzt 
der  ganze  Entwicklungsgang  eines  Individuums  nicht  festge- 
stellt werden,  weshalb  die  Einreihung  des  Pilzes  bis  jetzt  schwer 
möglich  ist. 

Bacillus  Chondromycetis  glomerati  n.  sp. 

Bewegliche  Stäbchen  von  05  bis  1  \l  Dicke  und  zirka  2 ft 
Länge,  mit  abgerundeten  Enden,  oft  zu  zweien  aneinander- 
hängend  und  dann  gekrümmt  erscheinend.  Die  Stäbchen 
besitzen  auf  dem  ganzen  Körper  zarte  Geißeln  (peritrich),  die 
sehr  lang  sind  und  das  Zehnfache  der  Länge  des  Stäbchens 
erreichen  und  sich  leicht  nach  der  van  Emergem'schen,  von 
Hinterberger  verbesserten  Methode  färben.  Sporenbildung 
ist  nicht  beobachtet.  Der  rote  Farbstoff,  den  sie  ausscheiden, 
geht  bei  Kulturversuchen  verloren. 


Myxobacieriaceae,  eine  Symbiose  etc.  479 

Auf  Gelatineplattenkulturen  sind  die  Kolonien  bei 
Zimmertemperatur  gewöhnlich  erst  nach  48  Stunden  als  ganz 
kleine,  mit  freiem  Auge  schon  erkennbare,  runde,  grauweiße 
Punkte  wahrzunehmen. 

Im  weiteren  Verlaufe  macht  sich  zunächst  an  den  ober- 
flächlich gelegenen  Kolonien  eine  Einsenkung  der  Gelatine 
bemerkbar,  in  der  die  punktförmigen  Kolonien  auf  dem  Boden 
liegen;  in  5  bis  6  Tagen  sind  die  verflüssigten  Grübchen  schon 
ziemlich  groß  (3  bis  5  mm  im  Durchmesser)  und  mit  trüber, 
flockiger  Masse  erfüllt.  Das  Wachstum  ist  gegen  das  Licht  zu 
stärker,  wie  beim  Fenster  aufgestellte  Kulturen  zeigen. 

Auf  Gelatinestrichkulturen  zeigt  sich  dasselbe  Ver- 
halten wie  bei  Plattenkulturen. 

In  Gelatinestichkulturen  zeigt  sich  im  Brutofen  bei  20° 
eine  rasch  um  sich  greifende,  strumpfförmige  Verflüssigung  mit 
unregelmäßigen  blasenartigen  Ausbuchtungen. 

Auf  Agar-Agarplattenkulturen  sowie  Strichkultur  bildet 
sich  ein  schmutzigweißer  schleimiger  Überzug,  der  anfangs 
runde  Flecken  bildet,  später  die  ganze  Oberfläche  überzieht  und 
den  Nährboden  nicht  verflüssigt. 

In  Agar-Agargelatinestichkulturen  zeigt  sich  ein 
ähnliches  Verhalten  wie  bei  Gelatinekulturen,  nur  ist  die  Ver- 
flüssigung keine  so  rasche  und  weitgehende.  Bei  allen  Kulturen 
zeigt  sich  die  Erscheinung  des  Opalisierens.  Wächst  bei  Luft- 
zutritt günstiger  als  bei  Luftabschluß. 

Chondromyces  wächst  auf  nicht  zu  alten  Buchenstrünken, 
die  auf  feuchten  Orten  stehen.  Bis  jetzt  an  drei  Stellen  im 
Wienerwajd,  bei  Stössing,  Purkersdorf  und  bei  Klosterneuburg, 
gefunden. 

Literaturverzeichnis. 

1.  Thaxter  R..  On  the  Myxobacteriaceae,  a  new  Order  of 
Schizomycetes.  Botanical  Gazette,  1892,  Vol.  XVII,  p.  389. 

2.  —  Further  observations  of  the  Myxobacteriaceae.  Bota- 
nical Gazette,  1897,  Vol.  XXIII,  p.  395  to  41 1. 

3.  Schröter,  Kryptogamenflora  von  Schlesien.  III.  Bd.,  I.  Lief, 
p.  170. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CX1I.  Bd.,  Abt.  1.  31 


480  E.  Zederbauer, 

4.  Berkley  et  Curtis,  North  Amer.  Fungi  n.  600.  Berk. 
Intr.  Bat.  Crypt,  p.  313,  f.  70  a,  nach  Saccardo,  Sylloge 
Fungorum.  Vol.  IV,  p.  576. 

5.  Zukal  Hugo,  Myxöbotrys  variabilis  Zuk.  als  Repräsentant 
einer  neuen  Myxomycetenordnung.  Ber.  der  deutschen 
bot.  Ges.,  Bd.  XIV,  1896. 

6.  —  Notiz  zu  meiner  Mitteilung  über  Myxöbotrys  variabilis 
Zuk.  im  9.  Hefte  des  Jahrganges  1896.  Ber.  der  deutschen 
bot.  Ges.,  Bd.  XV  1897,  S.  17. 

7.  —  Über  die  Myxobakterien.  Ber.  der  deutschen  bot  Ges , 
Bd.  XV,  1897. 


Myxobacteriaceae,  eine  Symbiose  etc.  48 1 


Erklärung  der  Figuren. 

Tafel  1. 

Myxococctts  incrttstans. 

Fig.  1.  Thallus  in  natürlicher  Größe;  links  ein  noch  isoliert  stehender,  rechts 
ein  aus  mehreren  zusammengeflossen  bestehender  Thallus. 

Fig.  2.  Querschnitt  durch  einen  jungen  Thallus;  in  der  unteren  Hälfte  haupt- 
sächlich Hyphen,  zwischen  und  über  denen  die  Bakterien  liegen. 
Etwas  schematisiert;  80 fach  vergrößert. 

Fig.  3.  Ein  Stück  des  Thallus  stark  vergrößert  (650  fach),  bestehend  aus 
einem  Faden  rundlicher  Zellen,  Conidien,  und  einem  Faden  länglicher 
Zellen,  Hyphen  (Torula  Myxococci  incrustantis)  y  zwischen  denselben 
Bakterien  (BacUrium  Myxococci  incrustantis). 

Fig.  4  bis  29.  Torula  Myxococci  incrustantis. 

Fig.  4  bis  9.  Einzelne  isolierte  Hyphenfäden  aus  einem  in  regem  Wachstume 
begriffenen  Thallus.  Fig.  5  und  8  zeigen  Bildung  von  Conidien,  Fig.  6 
und  9  keimende  Conidien.  Vergr.  650  fach. 

Fig.  10  bis  12.  Conidien,  zwei  Tage  trocken  gehalten,  Membran  etwas  verdickt 
und  stark  braun  gefärbt.  Vergr.  860  fach. 

Fig.  13  bis  16.  Hyphen  aus  einer  Kultur  in  der  feuchten  Kammer;  Fig.  13  und 
14  Keimung  einer  isolierten  Spore,  Fig.  15  ein  vorgeschrittenes 
Stadium;  Fig.  16  an  den  in  der  feuchten  Kammer  gezogenen  Hyphen- 
fäden bilden  sich  wieder  Conidien.  Fig.  13,  14,  15  650 fach  ver- 
größert, Fig.  16  270  fach. 

Fig.  17  und  18.  Fäden  aus  einer  Gelatineplattenkultur  aus  der  Impfstelle, 
Conidien  bildend.  Vergr.  650 fach. 

Fig.  19  bis  29.  Einzelne  Hyphenfäden  und  Conidienketlen  aus  einem  Thallus 
nach  der  Vegationsperiode,  wo  er  bereits  die  rötliche  Farbe  verloren 
hat  und  schwarz  glänzend  geworden  ist.  Fig.  19,  20,  21  Conidien- 
ketten;  Fig.  22,  24,  25,  27,  28  Hyphenfäden,  in  einzelne  Oidien 
zerfallend;  Fig.  23,  26,  29  an  den  Oidien  einzelne  oder  mehrere 
Conidien  ansitzend.  Vergr.  700 fach. 

Fig.  30.  Cyste  von  Myxococcus  incrustans.  In  der  Hülle,  die  geplatzt  ist, 
liegen  Conidien  und  Bakterien.  Vergr.  650  fach. 

Tafel  n. 

Fig.  1  bis  5.  Bacterium  Myxococci  incrustantis. 

Fig.  1.  Mycelartiger  Oberzug  aus  Bakterienketten  auf  einer  Gelatineplatten- 
kultur nach  24  Stunden.  Natürliche  Größe. 

31* 


482  E.  Zederbauer,  Myxobacteriaceae,  eine  Symbiose  etc. 

Fig.  2.  Einzelne  Fäden  dieses  Überzuges,  die  Verästelung  zeigend,  zwölf  mal 
vergrößert. 

Fig.  3.  Ende  eines  solchen  Fadens,  bestehend  aus  Bakterien,  die  teils  einzeln, 
teils  noch  in  Ketten  sind.  650 fach  vergrößert. 

Fig.  4.  Teil  vom  Rande  eines  Häutchens,  das  sich  auf  der  Gelatineplatten- 
kultur bildet,  in  einzelne  Ketten  zerfallend.  900  fach  vergrößert. 

Fig.    5.    Einzelne  Bakterien  mit  Sporen,  rechts  Bakterienketten.  Vergr.  1200fach. 

Fig.  6  bis  20.  Chondromyces  glomeratus. 

Fig.  6.  Habitusbilder  in  natürlicher  Größe,  auf  einem  Buchenstrunk  auf- 
sitzend, nach  einer  Photographie. 

Fig.  7.  Schematischer  Querschnitt  durch  einen  jungen  Thallus,  die  dunkle 
Linie  am  Rande  die  Conidienschichte  bezeichnend.  50 fach  vergrößert. 

Fig.  8.  Conidienschichte  stärker  vergrößert  (460 fach),  gegen  links  zu  das 
Innere  des  Thallus. 

Ein  Teil  eines  Conidienträgers  mit  Conidien.  800  fach  vergrößert. 
Ein  junger  Conidienträger,  noch  ohne  Conidien.  800 fach  vergrößert. 
Ein  einzelner  Ast  mit  einer  Conidienkette.  800  fach  vergrößert. 
Einzelne  Conidien.  800 fach  vergrößert. 

Keimende  Spore  aus  einer  feuchten  Kammer.  800  fach  vergrößert 
Pilzhyphen  aus  einer  Gelatineplattenkultur,  die  veränderten  kurzen 
gedrungenen  Zellen  im  Gegensatz  zu  den  ursprünglichen  dünnen  und 
langgestreckten  zeigend.  650  fach  vergrößert. 

Pilzhyphen    aus    einer    Gelatineplattenkultur,    Sporen    abgliedernd. 
650  fach  vergrößert. 

Pilzhyphen   aus   einer   Gelatinestrichkultur,  Chlamydosporenbildung. 
650  fach  vergrößert. 

Pilzhyphen  aus  einem  älteren  zerfallenden  Thallus,  Chlamydosporen- 
bildung. 650  fach  vergrößert. 

Zerfallende  Hyphen,  Oidien,  aus  einem  alten  Thallus.  650  fach   ver- 
größert. 

Fig.  19  und  20.  Bacillus  Chondromycetis  glomerati. 

Fig.  19.    Gelatineplattenkultur,    24   Stunden   in   Zimmertemperatur    kultiviert, 

gegen  das  Licht  zu  wachsend.  Natürliche  Größe. 
Fig.  20.    Einzelne    Bakterien    mit    den  nach    der   van   Emergem'schen,    von 

H in terb erger  verbesserten   Methode  gefärbten  Geißeln.   1200 fach 

vergrößert. 


Fig. 

9. 

Fig. 

10. 

Fig. 

11. 

Fig. 

12. 

Fig. 

13. 

Fig. 

14. 

Fig. 

15. 

Fig. 

16. 

Fig. 

17. 

Fig. 

18. 

Zederbauer,E. :  Ätyxübacteriaeeae,eine  Symbiose  etc. 


Taf.I. 


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Zederbauer.E. :  Myxobacteriaceat^eiiu*  Symbiose  etc. 


Taf.H. 


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Silzung-sborichte  d.kais.  Akad.  d.  Wiss.,  tnath.-naturw.  Classt\  LULCXU.  Al»th.  I.19Ü3. 


483 


Die  Lösungsweise  der  Reservestoffe  in  den 
Zellwänden  der  Samen  bei  ihrer  Keimung 


Dr.  Adolf  Rudolf  Michniewicz, 

k.  k.  w.  Gymnasiallehrer. 

(Mit  2  Tafeln.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  12.  Juni  1903.) 

1.  Endosperme  der  Monokotyledonen. 

Unter  allen  Endospermen  der  Monokotyledonen,  die  ich 
betreffs  der  in  ihren  Membranen  sich  abspielenden  Lösungs- 
vorgänge zu  untersuchen  Gelegenheit  hatte,  ist  dasjenige  der 
Iris-Arten  besonders  geeignet,  einen  genaueren  Einblick  in  die 
Veränderungen  der  Membran  während  der  sukzessiven 
Keimungsstadien  zu  verschaffen.  Ich  wähle  daher  besagte 
Objekte  zum  Ausgangspunkte  der  Darstellung  meiner  die  Mono- 
kotyledonen betreffenden  Befunde.  Letzteren  liegt  die  Unter- 
suchung mehrerer  iWs-Arten  zugrunde  und  zwar:  Irisfragrans 
Salisb.,  coelestina  Nutt.  und  Pseuäacorus  L.  Im  übrigen 
möchte  ich  noch  bemerken,  daß  die  Endospermmembranen  aller 
untersuchten  Iris-Arten  während  der  Resorption  ein  in  allen 
wesentlichen  Punkten  übereinstimmendes  Verhalten  erkennen 
lassen. 

Iris  sp.  Im  Ruhestadium  kann  an  den  mächtig  verdickten, 
von  ziemlich  engen  Porenkanälen  durchsetzten  Wänden  des 
hornigen  Endosperms  die  Differenzierung  in  eine  Innenhaut 
(Fig.  3,  /&),  die  Mittelschichten  und  die  Mittellamelle  (Fig.  3,  Ml) 
deutlich  erkannt  werden.  Durch  länger  andauernde  Tinktion 
mit  sehr  verdünnten  Farbstofflösungen,  z.  B.  Delafield's  Häma- 
toxylin,  R  an  vi  er' s  Pikrokarmin  u.  a.,  läßt  sich  eine  differente 


484  A.  R.  Michniewicz, 

Intensität  in  der  Färbung  dieser  drei  Membrankomponenten 
derart  erzielen,  daß  die  Innenhäute  und  Mittellamelien  von 
den  minder  stark  tingierten  Mittelschichten  sich  deutlich  ab- 
heben. Man  erhält  auf  diese  Weise  oft  überraschend  schöne 
Bilder  des  Verlaufes  dieser  Lamellen. 

Das  erste  Anzeichen  der  beginnenden  Resorption  der  Zell- 
wandung  gibt  sich  bei  Betrachtung  derselben  von  der  Fläche 
aus  in  dem  Auftreten  einer  äußerst  feinen,  erst  bei  stärkerer 
Vergrößerung  deutlich  sichtbaren  Punktierung  ganzer  Zell  wand  - 
areale  zu  erkennen  (Fig.  1).  Diese  scharf  umschriebenen  Punkte 
stehen  sehr  dicht  nebeneinander  und  heben  sich  wegen  ihrer 
schwachen  Lichtbrechung  von  der  dichteren  Umgebung  scharf 
ab.  Wenn  dieselben  in  Fig.  1  dunkel  auf  hellerem  Grunde  ge- 
zeichnet erscheinen,  so  geschah  dies  hier  nur  darum,  weil  eben 
ihre  Feinheit  eine  andere  Darstellungsweise  kaum  durchführ- 
bar erscheinen  ließ. 

Der  Schnitt,  dem  Fig.  2  entnommen  wurde,  gehörte  einem 
Samen  an,  dessen  Radicula  ungefähr  die  Länge  von  5  mm  er- 
reicht hatte.  Schon  mit  freiem  Auge  ließ  sich  an  dem  Quer- 
schnitte durch  diesen  Samen  erkennen,  daß  die  Erweichungs- 
zone des  Endosperms  ziemlich  weit  gegen  die  Testa  zu  vor- 
gerückt war.  Der  Querschnitt  durch  die  Membran  (Fig.  2)  läßt 
unterhalb  der  völlig  intakten  Innenhaut  (Ih)  eine  dünne  Zone 
erkennen,  die  deutlich  in  stärker  und  schwächer  iichtbrechende 
auf  die  Oberfläche  der  Innenhaut  normal  orientierte  Streifen  (Cs) 
differenziert  erscheint. 

Die  Kombination  des  Flächen-  und  Durchschnittes  ergibt 
somit  das  Vorhandensein  von  zylindrischen,  mit  der  Achse  zum 
Zellwandlumen  normal  gerichteten  veränderten  Membranpartien, 
die,  von  der  Fläche  der  Zell  wände  aus  betrachtet,  ihre  kreis- 
förmigen Basen  (Fig.  1,  Cq),  aufschnitten  durch  die  Membran 
ihre  Seiten  (Fig.  2,  Cs)  zeigen. 

In  Schnittpartien,  die  dem  Zentrum  des  Samens  näher 
lagen  (Fig.  3),  konnte  weiters  beobachtet  werden,  daß  die 
Zylinder  weiter  wurden  und  an  Länge  gegen  die  Mittellamelle 
(Ml)  hin  zunahmen.  In  noch  weiter  zentralwärts  befindlichen 
Zellen  (Fig.  4)  erscheinen  die  schwächer  lichtbrechenden  Mem- 
branstellen vergrößert,  so  daß  man  den  Eindruck  gewinnt,  als 


Losungsweise  der  Reservestoffe  etc.  485 

wären  benachbarte  miteinander  verschmolzen.  Diese  Verschmel- 
zung tritt  uns  mit  ganz  besonderer  Deutlichkeit  im  Bereiche 
der  Porenkanäle  entgegen,  so  daß  die  Tüpfelschließhäute  von 
hellen,  unregelmäßig  aber  scharf  konturierten  »Höfen«  (H)  um- 
geben erscheinen.  Zwischen  denselben  sind  die  unveränderten 
Membranpartien  noch  immer  als  ein  zartes  Netz  (N),  dessen 
Maschen  in  der  Folge  allerdings  immer  weiter  werden,  zu 
sehen. 

Die  weitere  Veränderung  besteht  darin,  daß  der  netzartige 
Verband  der  stärker  lichtbrechenden  Teile  der  Membran  auf- 
gehoben wird  und  von  diesem  den  Knotenpunkten  des  Netzes 
entsprechende  Partien  zurückbleiben  (Fig.  5).  Diese  stellen 
jetzt  in  der  Flächenansicht  der  Zellwand  stärker  licht- 
brechende Punkte  (Sq)  auf  lichterem  Grunde,  auf  angeschnit- 
tenen Membranstellen  Stäbchen  (Sl)  dar,  die  an  ihrem  proxi- 
malen Ende  spitz  zulaufen.  Werden  Schnitte,  um  ihren  Zell- 
inhalt zu  entfernen,  ausgepinselt,  so  lösen  sich  die  Innenhäute 
und  auch  die  veränderten  Membranpartien  leicht  ab  (Fig.  6)  und 
man  bekommt  dann  frei  in  das  Lumen  der  Zeile  vorragende 
Stäbchen  zu  sehen.  Daß  der  Raum  zwischen  der  Innenhaut  und 
den  stäbchenartigen  Membranresten  nicht  leer,  sondern  von 
schwach  lichtbrechender  Substanz  erfüllt  ist,  läßt  sich  (Fig.  5) 
an  einer  schwach  angedeuteten  Schichtung  sowie  daran  er- 
kennen, daß  diese  Membranpartien  mit  Hämatoxylin  tingier- 
bar  sind. 

Zeilen,  die  zwar  demselben  Schnitte  entstammten,  aber 
dem  Aufsaugungsorgane  des  Keimlings  unmittelbar  angelagert 
waren  (Fig.  7),  zeigten  bereits  kontinuierliche,  schwächer  licht- 
brechende Säume  (Sm)  unter  der  Innenhaut  ohne  Andeutung 
einer  stäbchenförmigen  Differenzierung  in  dieser  Membran- 
partie. 

Schnitte  aus  einem  Samen  mit  fast  völlig  resorbiertem 
Endosperm,  dem  ein  28mm  hohei  mit  einer  20mm  langen 
Wurzel  ausgestatteter  Keimling  anhing,  wiesen  (Fig.  8)  Zellen 
auf,  die  unveränderte  Membranpartien  (IM)  entweder  nur 
stellenweise  und  zwar  dicht  an  der  Mittellamelle  in  nur 
beschränkter  Ausdehnung  oder  gar  nicht  mehr  aufwiesen.  *  Die 
Innenhäute   und   die   beiden   aneinander  schließenden  Häute 


486  A.  R.  Michniewicz, 

der  Mittellamelle  (Ml)  sind  jetzt  in  der  hyalinen,  deutlich  ge- 
schichteten Partie  (VM)  besonders  deutlich  auch  ohne  An- 
wendung aller  Reagenzien  zu  sehen.  Die  >Höfe«  um  die  Tüpfel 
(H)  waren  bereits  früher  zu  zweien  oder  dreien  miteinander 
verschmolzen.  Jetzt  verschwinden  sie  überhaupt;  die  Tüpfel 
nehmen  ihr  ursprüngliches  Aussehen  wieder  an.  In  der  Flächen- 
ansicht erscheint  die  Membran  nun  wieder  völlig  homogen  und 
gegen  die  nicht  resorbierte  Partie  durch  eine  unregelmäßige, 
aber  scharfe  Linie  (Gr)  abgegrenzt. 

Hierzu  möchte  ich  noch  bemerken,  daß  die  veränderte 
Membranpartie  nicht  nur  durch  gesteigerte  Pelluzidität,  sondern 
auch  noch  durch  den  Verlust  der  Tingierbarkeit  mittels 
Kongorot,  die  der  intakten  in  hohem  Maße  eigen  ist,  charakte- 
risiert erscheint.  Bei  Verwendung  eines  Gemisches  von  Kongo- 
rot und  Hämatoxylin  oder  auch  bei  aufeinanderfolgender  Be- 
handlung desselben  Schnittes  mit  diesen  Reagenzien  erhält  man 
daher  sehr  schöne  Doppeltinktionen  der  teilweise  resorbierten 
Zellwände.  Die  intakten  Partien  erscheinen  nähmlich  rot,  die 
hyalinen  blau  gefärbt. 

In  einem  Samen,  dessen  Keimpflänzchen  samt  der  Wurzel 
eine  Länge  von  \8ctn  hatte,  war  das  Endosperm  durch  radiale 
Risse  bereits  in  Partien  zerfallen.  Die  Substanz  der  Zwischen- 
schichten (Fig.  9)  erschien  nunmehr  völlig  weggelöst,  so  daß 
jetzt  die  Innenhäute  (Ih)  als  geschlossene  Bälge  innerhalb  der 
viel  dünneren  und  anscheinend  unveränderten  Mittellamellen 
zu  sehen  waren.  Letztere  befinden  sich  von  Stelle  zu  Stelle  im 
Kontakte  mit  stumpf  lappigen  Aussackungen  der  Innenlamellen, 
die,  wie  jetzt  deutlich  zu  erkennen  war,  sich  an  der  Bildung  der 
Tüpfelschließhäute  beteiligen.  Die  leichte  Verschiebbarkeit  der 
Innenhaut  nach  vollendeter  Resorption  der  Mittelschicht  (Fig.  9, 
V),  ferner  der  Umstand,  daß  durch  Anwendung  von  Tinktions- 
mitteln  keinerlei  Färbung  in  dem  von  den  restierenden  Häuten 
eingeschlossenen  Räume  bewirkt  werden  konnte,  scheint  darauf 
hinzuweisen,  daß  letzterer  leer  oder  von  einem  sehr  substanz- 
armen, wasserreichen  Membranbestandteil  erfüllt  ist. 

Aus  obigem  würde  also  hervorgehen,  daß  bei  der  Resorp- 
tion1 der  Mittelschichten  zwei  differente  Vorgänge  ineinander 
greifen,  die  in  bestimmten  Strukturen  ihren  Ausdruck  finden 


Lösungsweise  der  Reservestoffe  etc.  487 

und  daher  mit  einer  Verquellung  nicht  identifiziert  werden 
dürfen,  zumal  der  ganze  Vorgang  ohne  namhafte  Volumver- 
größerung verläuft. 

Die  Auflösungsweise  des  Irisendosperms  und  zwar  die 
von  Iris  Pseudacorus  war  auch  Gegenstand  der  Untersuchungen 
Reiss'  und  wird  von  ihm  als  eine  Kombination  von  Korrosion 
und  Abschmelzen  dargestellt.  Nach  seiner  Behauptung  sollten 
schließlich  nur  die  Mittellamellen  ungelöst  verbleiben.  Seine 
Angabe,  daß  die  Innenlamelle  an  den  Spitzen  der  »Korrosions- 
zähne«, die  im  obigen  als  Stäbchen  bezeichnet  wurden,  haften 
bleibe,  sucht  er  in  nicht  zutreffender  Weise  dahin  zu  deuten, 
»daß  die  scheinbaren  Innenlamellen  nur  die  vorübergehend 
sichtbaren  Grenzlinien  der  bei  den  intakten  Zellen  aufeinander- 
folgenden Verdickungsschichten  sind. . . . «  (7,  p.  23). 

Asparagus  officinalis  L.  Dieses  Endosperm  läßt  im  Ruhe- 
zustande die  Zusammensetzung  aus  Innenhäuten,  Mittel- 
schichten und  Mittellamellen  ohne  Anwendung  von  Reagenzien 
nur  schwer  erkennen.  Tagelange  Tinktion  mit  sehr  verdünnten 
Farbstofflösungen  (z.  B.  Methylviolett)  führt  auch  hier  zu  über- 
raschend schönen  Differenzierungsfärbungen.  Jodjodkalium- 
lösung läßt  die  Zwischenschichten  pfirsichblütrot,  Chlorzinkjod- 
lösung rosa,  Jodtinktur  braun  erscheinen. 

Ein  Vergleich  der  Fig.  10  bis  12  mit  den  für  Iris  darge- 
stellten Befunden  ergibt  eine  völlige  Übereinstimmung  der 
betreffenden  Vorgänge.  So  sehen  wir  in  den  ersten  Keimungs- 
stadien die  Anfange  der  Hyalinisierung  in  der  Flächenansicht, 
an  vom  Schnitte  getroffenen  Wandpartien  und  im  Bereiche  der 
Tüpfelkanäle  in  ähnlicher  Weise  auftreten,  wie  dies  Fig.  1  bis 
4  für  Iris  darstellen.  Fig.  10  zeigt  die  Stäbchen  in  der  Ober- 
flächen- (Sq)  und  Durchschnittsansicht  (Sl)\  geradeso  wie  bei 
Iris  reichen  sie  hier  bis  an  die  Innenhaut.  Recht  häufig  wurden 
auch  zu  Gruppen  vereinigte  oder  auch  ganz  isoliert  auftretende 
hyaline  Membranpartien  von  Muldenform  (Fig.  11,  Cs)  knapp 
unter  der  Innenhaut  vorgefunden.  Die  Grenzlinie  der  veränderten 
und  nicht  völlig  hyalinisierten  Membran  war  oft  deutlich  ge- 
zackt und  serpentinenartig  hin  und  her  gebogen  (Fig.  11,  Gr). 
In  Fig.  12  ist  die  Verschmelzung  der  Höfe  im  Bereiche  der 
Tüpfel  zu  je  zweien    oder  dreien  zu  beobachten.  Das  End- 


488  A.  R.  MichniewicE, 

Stadium  entspricht  durchaus  dem  bei  Iris  (Fig.  9)  ermittelten  Be- 
funde. 

Reiss  hatte  (7,  p.  18  bis  20)  die  Keimungsgeschichte  von 
Asparagus  officinalis  ebenfalls  studiert.  Er  beobachtete  aber 
weder  die  Punktierung  der  Membran  noch  die  »Korrosions- 
stacheln«; auch  ist  ihm  die  Hofbildung  um  die  Tüpfel  herum 
entgangen.  AU  dies  ist  eben  nur  in  den  Anfangsstadien  der 
Keimung  vorzufinden.  Das  Endstadium  der  Auflösung,  das  er 
in  Fig.  2e  darstellt,  stimmt  mit  dem  von  mir  ermittelten  völlig 
überein. 

Wenn  Reiss  nichtsdestoweniger  für  Asparagus  einen  von 
Iris  verschiedenen  Resorptionstypus,  nämlich  eine  »intralamel- 
lare  Lösung«  aufstellt,  so  beruht  dies  sowohl  auf  dem  Über- 
sehen der  ersten  Auflösungsstadien  als  auch  der  schon  oben 
erwähnten,  nicht  zutreffenden  Deutung  der  betreffenden  Vor- 
gänge bei  Iris. 

Phoenix  dactylifera  L.  An  dem  Endosperm  des  ruhenden 
Samens  gelang  es  zunächst  durch  die  schon  oben  erwähnte 
lang  andauernde  Behandlung  mit  sehr  verdünnten  Farbstoff- 
lösungen (besonders  Del afield's  Hämatoxylin)  nachzuweisen, 
daß  die  Innenhaut  den  Tüpfelkanal  vollständig  auskleidet  und 
an  der  Bildung  der  Schließhaut  teilnimmt.  In  Bezug  auf  diesen 
Punkt  befinde  ich  mich  nicht  in  Übereinstimmung  mit  Stras- 
burger, welcher  angibt,  daß  »die  Auskleidung  des  Tüpfel- 
kanals nachweislich  von  den  Rändern  vieler  aufeinander- 
folgender Lamellen  gebildet«1  wird.  Reiss  scheint  hingegen 
(7,  p.  1 7)  der  Schließmembran  keine  ganz  zutreffende  Deutung 
gegeben  zu  haben.  Er  sagt  nämlich,  daß  die  Mittellamelle  nur 
als  Schließmembran  der  überaus  deutlichen  Tüpfel  sichtbar 
hervortritt.  Ich  finde,  daß  nach  der  Tinktion  mit  Hämatoxylin 
oder  Methylviolett  die  beiden  sich  an  der  Bildung  der  Schließ- 
häute beteiligenden  Platten  (Fig.  16,  Iht)  der  Innenhaut  beson- 
ders intensiv  gefärbt  hervortreten.  An  frischen  Schnitten  ist 
die  Mittellameile  ohne  Anwendung  von  Reagenzien  nicht  oder 
nur  sehr  undeutlich  wahrzunehmen,  wie  dies  Reiss  bereits 
(7,  p.  17)  gegen  Sachs  (1,  p.  243)  hervorgehoben  hat. 


i  Strasburg  er.  Bau  und  Wachstum  der  Zellhäute.  Jena  1882,  p.  23. 


Lösungsweise  der  Reservestoffe  etc.  489 

Die  ersten,  von  den  bisherigen  Beobachtern  übersehenen 
Auflösungsstadien  bieten  sich  nur  beim  Beginn  der  Keimung 
der  Beobachtung  dar.  Sie  stellen  (Fig.  13)  dichtgedrängte  (Cq\ 
später  oft  reihenweise  verschmelzende  Punkte  vor.  Auch  für 
Phoenix  ist  das  Auftreten  sehr  großer  hyaliner  Höfe  (Fig.  14//, 
Fig.  15/^)  um  die  Tüpfel  charakteristisch;  hie  und  da  lassen 
letztere  auf  ihrer  Area  netzförmige  Zeichnungen  (Fig.  15  i^) 
erkennen.  Die  Grenze  zwischen  bereits  veränderten  und  intakten 
Membranpartien  ist  auch  hier  durch  eine  unregelmäßig  ver- 
laufende Linie  markiert  (Fig.  14  Gr).  Auf  Durchschnitten  ist  zu 
konstatieren,  daß  die  Hyalinisierung  der  Membran  im  Bereiche 
der  Tüpfel  entlang  der  Mittellamelle  rascher  fortschreitet  als  an 
den  äußeren  Partien  der  Verdickungen  (Fig.  \7  H).  Hieraus 
erklärt  sich  das  Zustandekommen  der  ausgedehnten  ring- 
förmigen Höfe  im  Umkreise  der  Tüpfel  ohneweiters.  Membran- 
partien wie  die  in  Ht  (Fig.  17)  dargestellten  müssen  in  der  Ober- 
flächenansicht genetzte  Höfe  (Fig.  15  Ht)  zur  Ansicht  darbieten. 
Die  korrespondierenden  Hälften  einer  Membran  weisen  oft 
(Fig.  18)  betreffs  der  Hyalinisierung  recht  bedeutende  Unter- 
schiede auf. 

In  späteren  Keimungsstadien  findet  man  die  Ränder  der 
Zellwände  ähnlich  beschaffen,  wie  dies  Reiss  (7.  Fig.  1  a  bis/) 
und  Grüss  (11,  Taf.  1,  Fig.  7)  als  den  Anfang  der  Resorption 
darstellen.  Jetzt  weisen  nämlich  diese  Wände  auf  Schnitten 
schwächer  lichtbrechende  Säume  (Fig.  19  Sm)  auf,  die,  an 
Mächtigkeit  immer  zunehmend  (Fig.  20),  schließlich  die  Mittel- 
lamelle erreichen  (Fig.  21).  In  diesem  Stadium  erscheinen  die 
Tüpfel  wieder  »unbehöft«,  wie  vor  Beginn  der  Keimung.  Jetzt 
tritt  auch  eine  Schichtung  in  den  Membranen  mit  solcher 
Deutlichkeit  auf,  daß  die  einzelnen  Lamellen  leicht  gezählt 
werden  können. 

Später  (Fig.  22)  verquellen  die  Mittelschichten  der  Membran 
vollständig.  Sie  ist  wieder  durchaus  homogen  wie  im  ruhenden 
Samen,  läßt  aber  auch  ohne  Anwendung  von  Reagenzien  die 
Mittellamelle  mit  größter  Deutlichkeit  erkennen.  An  der  letzteren 
kann  hie  und  da  eine  Spaltung  in  zwei  Blätter  konstatiert  werden. 
Die  Mittelschichten  verhalten  sich  jetzt  Farbstoffen  gegenüber 
anders    als    im    unveränderten    Zustande.    Mit    Delafield's 


490  A.  R.  Michniewicz, 

Hämatoxylin  sind  sie  jetzt  in  höherem  Maße  tingierbar. 
Sehr  charakteristisch  ist  auch  für  sie  nunmehr  die  intensive 
Färbung,  die  sie  nach  vorangehender  Behandlung  mit  Kalilauge 
bei  Tinktion  mit  Kongorot  annehmen.  Chlorzinkjodlösung  färbt . 
die  unveränderten  Verdickungsschichten  blaß  rosa,  die  hyalinen 
trüb  purpurn.  Grüss  fand  (11,  p.  5),  daß  Alkali-Alizarin  nur  die 
unveränderte  Membran  färbt.  Dieses  unterschiedliche  Verhalten 
der  Membran  in  ihren  intakten  und  hyalinen  Partien  ist  nament- 
lich dann  sehr  auffallend,  wenn  die  Membran  sich  im  Stadium 
der  Hofbildung  (Fig.  15)  befindet. 

Die  bisher  lückenlos  zusammenschließenden  Endosperm- 
zellen  weichen  nun  infolge  ihrer  Abrundung  an  den  Kanten 
auseinander.  Sie  isolieren  sich  oft  völlig  unter  Spaltung  der 
Mittellamelle  in  zwei  Häute.  Der  Kollaps  derselben  tritt  infolge 
ihrer  Entleerung  und  des  Druckes  durch  den  nachrückenden 
Fuß  ein.  Die  völlig  verquollene  Substanz  der  Mittelschichten  wird 
von  ihm  aufgesaugt,  so  daß  nur  die  Mittellamellen  und  Innen- 
häute ungelöst  verbleiben.  Es  gelingt,  diese  letzteren  trotz  ihrer 
ausnehmenden  Zartheit  durch  Tinktion  unter  Deckglas  mit 
größter  Deutlichkeit  als  Ganzes  (Fig.  23)  zur  Anschauung  zu 
bringen.  Als  allseitig  völlig  geschlossene  Bälge  geben  sie  die 
innere  Gestalt  der  Zellen,  die  jetzt  leicht  überblickt  werden 
kann,  getreu  wieder.  An  Stelle  der  ehemaligen  Tüpfelkanäle 
sind  noch  distal  sich  erweiternde,  von  etwas  stärker  tingier- 
baren  Platten  quer  abgeschlossene  Röhren  von  verschiedenem 
Durchmesser  bemerkbar.  Solche  Präparate  bestätigen  unzwei- 
deutig die  schon  im  Ruhezustande  des  Samens  betreffs  der 
Kontinuität  der  Innenhaut  gemachte  Beobachtung.  Es  gelingt, 
die  Isolierung  der  Innenhäute  auch  künstlich  und  zwar  durch 
lang  andauernde  Behandlung  der  Membran  mit  recht  ver- 
dünnten Quellungsmitteln,  z.  B.  Kalilauge,  herbeizuführen,  wie 
dies  bereits  seit  langem  von  Wiesner1  für  die  Hanffaser,  die 
Markstrahlenzellen  von  Koniferen,   die  Sklerenchymelemente 


1  Man  vergleiche  insbesondere:  Wiesner,  Untersuchungen  über  die 
Organisation  der  vegetabilischen  Zellhaut  (diese  Sitzungsber.,  Bd.  93  [1886], 
p.  44  ff.)  und  Wiesner,  Anatomie  und  Physiologie  der  Pflanzen,  4.  Auflage. 
Wien  1898,  p.  33  und  Fig.  24,  28. 


Lösungsweise  der  Reservestoffe  etc.  491 

des  Korkgewebes  und  viele  andere  Objekte,  namentlich  bei 
Anwendung  von  Chlorwasser  nachgewiesen  worden  ist. 

Abgesehen  von  den  Angaben  Sachs'  (1),  der  bloß  ein  Auf- 
quellen der  Verdickungsschichten  konstatierte,  beschäftigten 
sich  noch  Reiss  (7,  p.  15  bis  18)  und  Grüss  (11,  p.  2  ff.)  ein- 
gehender mit  dem  Lösungsprozeß  in  den  Wandverdickungen. 
Reiss  kommt  zu  dem  Endergebnisse,  daß  es  sich  hier  um  ein 
schichten  weise  distalwärts  stattfindendes  »Abschmelzen«  der 
Zellwände  handelt.  Der  Innenlamelle,  die  in  anderen  Fällen 
genau  beachtet  wird,  geschieht  hier  weder  bei  Betrachtung  des 
ruhenden  Endosperms  noch  auch  bei  Besprechung  der  Resorp- 
tionsvorgänge Erwähnung.  Schließlich  sollen  nur  die  Mittel- 
lamellen intakt  verbleiben.  Grüss,  dem  es  mehr  um  die 
chemische  Seite  der  Vorgänge  zu  tun  war,  faßt  sie  als  eine 
fraktionierte  Auflösung  des  Gemisches  der  beiden  Hemizellu- 
losen,  nämlich  des  Mannans  und  Galaktans,  auf.  Durch  Tinktion 
mit  Alkali-Alizarin  konnte  er  nachweisen,  daß  das  Galaktan 
vom  Lumen  der  Zellen  aus  in  die  anfangs  nur  aus  Mannan  be- 
stehenden Zellwandungen  bei  der  Reifung  des  Samens  infiltriert 
wird,  um  bei  der  Keimung  auch  zunächst  gelöst  zu  werden. 
Diesen  Vorgang  des  Herausiösens  eines  Zellwandbestandteiles 
aus  einem  Gemische  unter  gleichzeitiger  Änderung  der 
chemischen  Konstitution  des  gelösten  Stoffes  hat  Grüss  bereits 
früher  (9)  als  »Allöolyse«  bezeichnet.  Nach  Auffassung  Grüss* 
folge  dann  noch  die  Hydrolysierung  des  Mannans. 

Die  Resultate  meiner  Untersuchungen  betreffs  Phoenix 
lassen  sich  also  mit  den  Befunden  von  Reiss  keineswegs  in 
Einklang  bringen;  sie  liefern  vielmehr  die  morphologische  Er- 
gänzung der  Angaben  von  Grüss.  Hiermit  fällt  aber  auch  der 
dritte  von  Reiss  aufgestellte  Typus  der  Zellwandlösung, 
welcher  als  »Resorption  der  Zellwand  durch  Abschmelzen« 
aufgefaßt  wird. 

AUium  Cepa  L.  Auch  in  diesem  Falle  verläuft  die  Resorp- 
tion unter  analogen  Modalitäten  wie  in  den  früher  in  Betracht 
gezogenen  Objekten.  Es  kann  diesbezüglich  Reiss  (7,  p.  20 
bis  22)  —  die  ältere  Arbeit  von  Sachs  (2)  führt  zu  keinem  ab- 
schließenden Resultate  —  bis  auf  zwei  Punkte  recht  gegeben 
werden.  Zunächst  ist  nämlich  der  Raum  zwischen  den  Stäbchen 


492  A.  R.  Michniewicz, 

nicht  leer,  wie  R  e  i  ss  angibt,  sondern  mit  einer  sehr  seh  wach  licht- 
brechenden Substanz  erfüllt  Ferner  übersah  Reis  s  auch  dieleicht 
ablösbare  Innenhaut  in  den  stärker  verdickten  Endospermzellen 
aus  dem  Innern  des  Samens.  Seine  Fig.  2  a  dürfte  sich  auf  die 
äußeren  dünnwandigen  Zellagen  bezogen  haben.  Dem  gegenüber 
stellt  Eifert  (10,  p.  1 1  bis  14)  7  Jahre  später  die  Resorption  der 
Verdickungsschichten  ähnlich  dar,  wie  dies  Reiss  für  Phoenix 
angenommen  hatte,  nämlich  als  Abschmelzen  der  Membran  vom 
Lumen  der  Zelle  her.  Er  beobachtet  zwar  die  Anfangsstadien 
der  Allöolyse,  behauptet  aber  in  keineswegs  zutreffender  Weise, 
daß  sie  »vor  allen  Dingen  niemals  durch  die  Keimung  bedingte 
Erscheinungen«  sind,  sondern  schon  in  ungekermxen  Samen 
vorfindbare  »weniger  verdichtete  Partien  in  der  ZeNulose- 
wandung«  darstellen. 

Anthericum  liliastrum  L.  und  Funkia  laneifolia  Spreng. 
Die  an  diesen  Objekten  ermittelten  Befunde  stimmen  mit  den 
vorhin  dargelegten  überein.  In  Fig.  24  ist  die  im  Anfange  der 
Keimung  sehr  deutliche  Stäbchenbildung  bei  Anthericum  zu 
sehen.  Fig.  25  illustriert  analoge  Zustände  für  Funkia.  Da  bei 
Herstellung  des  betreffenden  Schnittes  die  Innenlamelle  abge- 
löst wurde  und  die  darunter  befindliche  hyaline  Partie  der 
Mittelschichten  verquoll,  waren  am  betreffenden  Präparate  die 
frei  hervorragenden  stäbchenartigen  Membranreste  in  der 
Flächenansicht  ganz  deutlich  zu  sehen. 

Analoge  während  der  Resorption  von  Membranen  der  Re- 
servestoffbehälter zustande  kommende  Differenzierungen  haben 
bereits  TangTs  Untersuchungen  (5,  p.  99  bis  104)  über  den 
Auflösungsprozeß  der  Verdickungsschichten  der  Aletrron- 
zellen  von  Gramineen  (Seeale  cereale  L.,  TriHcnm  vulgare  L., 
Zea  Mays  L.  und  Hordeum  vulgare  L.)  ergeben.  Da  die  betref- 
fenden Untersuchungen  bereits  im  Jahre  1885  erschienen  sind, 
muß  es  befremden,  daß  weder  Reiss  (7)  noch  Eifert  (10)  hie- 
von  Notiz  genommen  hatten. 

Leider  war  es  mir  nicht  möglich,  die  Angaben  Elferts  be- 
treffs Arum  italicum  Lam.  und  macnlatum  L.  (10,  p.  9  bis  11) 
sowie  Polygonatum  latifolium  (10,  p.  14  bis  16)  zu  überprüfen, 
da  die  von  mir  ausgesäten  Samen  dieser  Arten  nicht  auskeimten. 


Lösungsweise  der  Reservestoffe  etc.  493 

Aus  Gründen  der  Analogie  wäre  auch  anzunehmen,  daß 
die  Allöolyse  auch  bei  Tamus  nur  auf  die  Mittelschichten  be- 
schränkt bleibt  und  daß  nach  Abschluß  derselben  Innenhäute  und 
Mittellamellen  erhalten  bleiben.  Inwieweit  diese  Auffassung  zu- 
trifft, könnte  erst  auf  Grund  umfassenderer  Untersuchungen  ent- 
schieden werden,  da  die  bisher  vorliegenden,  durch  Gardiner 
(12,  p.  106  bis  107)  ermittelten  Befunde  nur  die  Anfangsstadien 
der  bei  dem  fraglichen  Objekt  in  abweichender  Weise  und  zwar 
zentripetal  von  der  Mittellamelle  aus  fortschreitenden  Allöolyse 
betreffen. 

2.  Endosperme  der  Dikotyledonen. 

Über  den  Lösungsproceß  der  Zellwandungen  in  den  Endo- 
spermen  der  Dikotyledonen  liegen  nur  Angaben  betreffs  Cyclamen 
europaeum  L.  und  Foeniculum  officinale  All.  vor,  wenn  von 
den  Schleimendospermen  abgesehen  wird,  die,  hier  überhaupt 
nicht  weiter  berücksichtigt,  von  Nadelmann  (8)  betreffs  der 
Lösungsweise  bei  der  Keimung  näher  untersucht  worden  sind. 
Es  mußte  sich  also  hier  zunächst  darum  handeln,  festzustellen, 
ob  den  verdickten  Endospermzellwänden  ganz  allgemein 
die  Aufgabe  zukomme,  Reservestoffe  für  die  Keimung  zu 
speichern.  Es  wurden  daher  Samen  einer  größeren  Anzahl  von 
Arten  verschiedener  Familien  nach  der  fraglichen  Richtung 
untersucht.  Es  gelang,  eine  Allöolyse  in  den  Samen  folgender 
Dikotyledonen  zu  konstatieren: 

1.  Ribesiaceae: 
Ribes  rubrum  L. 

2.  Umbelliferae : 

Archangelica  officinalis,  Hoffm., 
Carum  carvi  L., 
Conium  maculatum  L., 
Coriandrum  sativum  L., 
Daucus  carota  L., 
Foeniculum  officinale  All., 
Levisticum  officinale  K., 
Sanicula  europaea  L. 


494  A.  R.  Michniewicz, 

3.  Celastrineae: 

Evonymus  europaeus  L. 

4.  Ampelideae: 
Ampelopsis  hederacea  W. 

5.  Ranunculaceae: 

Aquilegia  glandulosa  Fisch., 
Actaea  spicata  L., 
Clematis  integrifolia  L., 
Clematis  iubata  Bisch., 
Nigella  sativa  L. 

6.  Berberideae: 
Berberis  vulgaris  L. 

7.  Primulaceae : 
Primula  veris  L.  var.  elatior  Jaqu. 

8.  Solanaceae: 

Capsicum  annuum  L., 
Datura  stramonium  L., 
Hyoscyamus  niger  L., 
Physalis  Alkekengi  L., 
Solanum  dulcamara  L. 

9.  Oleaceae: 

Ligustrum  vulgare  L. 

10.  Polemoniaceae: 
PÄ/ar. 

11.  Hydrophyllaceae: 
Nemophila  maculata  Benth. 

12.  Caprifoliaceae : 

Lonicera  tartarica  L., 
Viburnum  opulus  L. 


Lösungs weise  der  Reservestoffe  etc.  495 

13.  Rubiaceae: 

Asperula  ciliata  Roch., 
Asperula  odorata  L., 
Gallium  mollugo  L. 

Die  Allöolyse  geht  bei  diesen  Dikotyledonen  in  einer  für 
jede  Gattung  durch  gewisse  Verschiedenheiten  charakterisierten 
Weise  vor  sich.  Im  folgenden  seien  einige  der  betreffenden 
Fälle  ausführlicher  dargestellt. 

Clematis  iubata  Bisch.  Die  Endospermzellen  schließen  im 
Ruhezustande  (Fig.  26)  lückenlos  zusammen.  Die  äußerst  feinen 
Mittellamellen  sind  erst  nach  Anwendung  von  Reagenzien  sicht- 
bar. Die  allöolysierten  Membranpartien  bilden  oft  die  Maschen 
eines  Netzes  (Fig.  27),  so  daß  Tüpfelbildung  vorgetäuscht  wird. 
Die  Stäbchen,  die  hier  mit  einer  Deutlichkeit  wie  bei  keiner  der 
früher  dargestellten  Arten  beobachtet  werden  können  (Fig.  28), 
sind  auch  nach  den  Interzellularen,  die  sich  erst  im  Verlaufe 
der  Keimung  einstellen,  gerichtet.  Sie  reichen  schließlich  bis 
zur  Mittellamelle  und  sind  im  ganzen  Verlaufe  von  annähernd 
gleicher  Dicke.  Nach  vollendeter  Hyalinisierung  auch  dieser 
stäbchenartigen  Partien  der  Mittelschichten  werden  die  Endo- 
spermzellen durch  die  heranwachsenden  Kotyledonen  bis  zum 
völligen  Schwunde  des  Zellumens  zusammengepreßt,  wobei 
gleichzeitig  ein  Aufbrauch  der  nunmehr  dünngallertige  Be- 
schaffenheit aufweisenden  Mittelschichten  an  der  Annäherung 
der  Innenhäute  benachbarter  Zellen  festgestellt  werden  kann. 
Diese  letzteren  büßen  (Fig.  29)  erst  nach  völliger  Zusammen- 
drückung der  betreffenden  Zelle  ihre  straffe  Kontur  ein  und 
werden  weilig.  Die  Persistenz  der  Mittellamelle  läßt  sich  durch 
Tinktionen  außer  allem  Zweifel  stellen.  Schließlich  ist  das  Endo- 
sperm  zu  einem  dünnen,  braunen,  aus  verschrumpften  Innen- 
und  Mittellamellen  bestehenden  Häutchen  geworden,  das  in  der 
Samenschale  verbleibt. 

Viburnumopulus  L.  Die  intakten  Membranpartien  sind  nach 
bereits  weiter  vorgeschrittener  Allöolyse  der  Wände  als  baum- 
artig verzweigte  Figuren  von  der  Fläche  aus  leicht  von  den  ver- 
änderten Membranteilen  zu  unterscheiden  (Fig.  30).  Diese  Ge- 
bilde lösen  sich  später  (Fig.  31)  in  inselförmig  in  der  hyalinen 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXII.  Bd..  Abt.  I.  32 


496  A.  R.  Michniewicz, 

Wand  verteilte  Stäbchen  auf.  Der  Querschnitt  zeigt  letztere  sehr 
oft  an  korrespondierenden  Stellen  der  benachbarten  Zellen  ge- 
meinsamen Membran.  Späterhin  erscheint  die  Mittelschicht 
ganz  hyalin. 

Poeniculum  officinale  All.  Die  Stäbchenbildung  ist  nur 
undeutlich,  da  die  in  dichter  Anordnung  befindlichen  hyalinen 
Partien  sehr  früh  miteinander  verschmelzen.  Diese  Punktierung 
ist  übrigens  bei  Foeniculum  auch  von  Reiss  bereits  erwähnt 
worden  (7,  p.  24,  Anm.  3),  ohne  daß  er  jedoch  dieser  Differen- 
zierung eine  bestimmte  Deutung  gegeben  hätte.  In  den  völlig 
allöolysierten  Mittelschichten  ist  die  Mitteliamelle  durch  Tink- 
tionen  allerdings  nicht  leicht  nachzuweisen,  aber  stets  vor- 
handen. Die  Angabe  von  Reiss  (7,  p.  25),  daß  die  Mittellamelle 
resorbiert  wird,  trifft  daher  nicht  zu.  Der  weitere  Resorptions- 
vorgang ist  von  dem  für  Qematis  dargestellten  nicht  ver- 
schieden. Es  läßt  sich  also  der  von  Reiss  (1.  c.)  für  Foeniculum 
aufgestellte  Typus  der  Endospermlösung  durch  »intralamellare 
Verflüssigung«  nicht  aufrechterhalten. 

Cyclamen  europaeum  L.  Nach  Reiss  (7,  p.  29  bis  31)  soll 
der  Resorptionsmodus  des  Endosperms  von  dem  bei  Iris  nur 
dadurch  verschieden  sein,  daß  bei  Cyclamen  die  Innenhaut  er- 
halten bleibt.  Da  dies,  wie  im  vorangehenden  dargelegt  wurde, 
für  das  Irisendosperm  zutrifft,  so  ergibt  sich  hieraus  eine  völlige 
Übereinstimmung  in  bezug  auf  das  Verhalten  der  Membranen 
bei  der  Keimung.  Von  E 1  f  e  r  t  ( 1 0,  p.  1 7  bis  2 1 )  wurde  die  Resistenz 
der  Innenlamelle  in  Abrede  gestellt.  Da  er  sich  in  analogem 
Sinne  betreffs  der  Innenhaut  von  Allium  äußert  und  diese  An- 
gabe, wie  aus  dem  Vorangehenden  hervorgeht,  nicht  zutrifft,  so 
glaube  ich,  daß  auch  die  von  Eifert  für  Cyclamen  gegebene 
Deutung  dem  wirklichen  Sachverhalte  nicht  entspricht. 

3.  Hypogäische  Kotyledonen. 

Tropaeolum  majus  L.  Die  beiden  Kotyledonen  eines  Keim- 
lings sind  bekanntlich  an  Größe  und  Gestalt  verschieden;  sie  um- 
schließenden achsial  gelegenen  unddemFuniculusende  genäher- 
ten Embryo  fast  allseitig  bis  auf  einen  dem  Hilum  genäherten  Spalt. 

Die  in  der  Literatur  betreffs  des  Resorptionsmodus  der 
Kotyledonarmembranen  vorliegenden  Angaben  sind  ziemlich 


Lösungsweise  der  Reservestoffe  etc.  497 

dürftiger  Natur.  Hartig1  beobachtet  eine  Verflüssigung  der 
ganzen  Wand  außer  der  Mittellamelle.  Frank  (3,  p.  177  bis  178) 
konstatiert  eine  Auflösung  der  Membran  durch  »Korrosion«, 
d.  h.  unter  Bildung  nahe  beieinander  liegender,  distalwärts  vor- 
rückender Lochgruppen.  Hierbei  fände  eine  Erweiterung  der 
Tüpfel  statt.  Reiss  (7,  p.  25  bis  27)  hält  den  Lösungsvorgang 
ebenfalls  für  »Korrosion«.  Grüss  (9,  p.  5)  stellt  ähnlich  wie  bei 
Phoenix  auch  bei  Tropaeolum  die  Allöolyse  fest. 

Zu  eigenen  Beobachtungen  übergehend,  möchte  ich  zu- 
nächst hervorheben,  daß  die  Angabe  Reiss'  betreffs  derTüpfe- 
lung  nicht  zutrifft.  Er  behauptet  (7,  p.  26),  daß  benachbarte 
Zellen  von  Tropaeolum  majus  nur  durch  ein  bis  zwei  Tüpfel 
miteinander  in  Verbindung  stehen.  Wenn  er  auch  selbst  in  einer 
Fußnote  diese  Behauptung  dahin  ergänzt,  daß  mehr  als  zwei 
Tüpfel  selten  in  derselben  Schnittebene  liegen,  so  kann  man 
auch  dies  nicht  bestätigen.  In  bezug  auf  Tüpfelung  macht  sich 
nämlich  ein  wenn  auch  nicht  scharf  ausgesprochener  Unter- 
schied zwischen  den  zur  Kotyledonaroberfläche  annähernd 
parallelen  (Fig.  32,  PW)  und  den  anderen  Zellwandflächen  be- 
merkbar. Die  ersteren  sind  ihrer  Kleinheit  zufolge  mit  wenigen 
Tüpfeln  ausgestattet,  die  anderen  enthalten  deren  oft  über 
zwanzig.  Es  fallen  auch  meist  mehr  als  zwei,  ja  selbst  vier  bis 
sechs  von  ihnen  auf  eine  Schnittebene,  wie  übrigens  Reiss 
selbst  in  Fig.  6a  an  einer  Zellwandfläche  vier  Tüpfel  im  Schnitte 
zeichnet. 

Ebenso  ist  bisher  von  keinem  Autor  der  Innenhaut  (Fig.  32, 
Ih)  gedacht  worden,  die  auch  hier  die  innere  Auskleidung  der 
Zellwand  bildet  und  schon  an  und  für  sich  unschwer  zu  beob- 
achten ist,  aber  durch  lang  andauernde  Färbung  mit  überaus 
verdünnten  Farbenreagenzien  noch  deutlicher  gemacht  werden 
kann.  Namentlich  treten  ihre  an  der  Bildung  der  Schließhaut 
beteiligten  Partien  (Fig.  32,  Ih  t)  bei  Anwendung  von  Pikro- 
karmin  oder  Delafield's  Hämatoxylin  scharf  rot  gefärbt  hervor, 
welches  Verhalten  dem  bei  Phoenix  beobachteten  analog  ist. 
Von  der  Fläche  aus  gesehen,  erscheinen  daher  die  Tüpfel  auf 
blaß  rosigem,  beziehungsweise  bläulichem  Grunde  scharf  rot, 


1  Entwicklungsgeschichte  des  Pflanzenkeims.  Leipzig  1858. 

32* 


498  A.  R.  Michniewicz, 

respektive  dunkelblau  tingiert.  Jodjodkaliumlösung  färbt  die 
Mittelschichten  in  den  ruhenden  Kotyledonen  intensiv  blau,  die 
Innenhaut  und  Mittellamelle  rötlich,  so  daß  dabei  die  Tüpfel 
auf  dunkelblauem  Grunde  sich  durch  rötliche  Färbung  deutlich 
abheben.  Mit  Kongorot  lassen  sich  distinkte  Färbungen  der 
drei  Lamellen  derart  erzielen,  daß  die  Tüpfel  auf  ziegelrotem 
Grunde  blaß  rosa  gefärbt  erscheinen. 

Interessant  ist  das  Verhalten  lufttrockener  oder  möglichst 
entwässerter  Schnitte  bei  Behandlung  mit  Chlorzinkjodlösung 
(Fig.  33).  Jetzt  bleiben  nämlich  Mittellamellen  und  Innenhäute 
farblos,  während  die  Mittelschichten  in  zwei  scharf  gesonderte 
Teile  zerfallen,  von  denen  der  distale  sich  bläulich,  der  proxi- 
male kirschrot  färbt.  An  den  Kantenverdickungen  sind  daher  an 
Schnitten  mondsichelförmige,  an  den  Zellflächen  bandartige, 
in  die  Tüpfelkanäle  hakig  einbiegende  Streifen  zu  sehen.  Dieses 
Verhalten  erinnert  an  die  von  Frank  (3,  p.  176  und  Taf.  XVI, 
Fig.  18)  nach  der  Behandlung  mit  Jod  und  Schwefelsäure  er- 
mittelten Befunde.  Doch  ist  die  nach  Frank  sich  blau  färbende 
Schicht  hier  gerade  untingiert.  Bei  Wasserzufuhr  geht  diese 
Differenzierung  verloren,  indem  sich  die  Mittelschichten  schwarz- 
blau färben.  Diese  Zusammensetzung  aus  zwei  distinkten  Lagen 
tritt  übrigens  schon  an  länger  in  Glyzerin  liegenden  Schnitten 
(Fig.  34)  hervor. 

Die  Mittellamelle,  die  in  ihrer  ganzen  Kontinuität  auch  ohne 
Anwendung  von  Reagenzien  zu  sehen  ist,  läßt  stellenweise  eine 
Zusammensetzung  aus  zwei  Lamellen  (Fig.  32,  Sp)  erkennen. 
Die  in  den  Kantenverdickungen  auftretenden  Interzellularen 
sind  während  der  Ruheperiode  des  Samens  mit  einer  gelblichen, 
stark  lichtbrechenden  Substanz  erfüllt  (Fig.  32,  Is).  Letztere 
verquillt  im  Wasser  sehr  leicht  und  verschwindet  schon  während 
der  ersten  Keimungsstadien. 

Die  ersten  Andeutungen  der  Allöolyse  sind  wiederum,  auf 
Flächenansichten  (Fig.  35)  betrachtet,  als  eine  recht  deutliche 
Punktierung  der  Zellflächen  und  zahnartige  Besäumung  der 
Tüpfel  zu  beobachten.  Nach  Tinktion  mit  Jodtinktur  heben  sich 
die  Stellen  um  die  Tüpfel  als  gelbliche  Sterne  auf  schwarz- 
blauem Grunde  deutlich  ab.  Die  Vergrößerung  und  das  teilweise 
Verschmelzen  dieser  Punkte  zeigt  Fig.  36.  Die  Tüpfel  sind  hier 


Lösungsweise  der  Reservestoffe  etc.  499 

bereits  mit  weiteren,  scharf  begrenzten  und  buchtig  ausgenagten 
hyalinen  Zonen  umgeben,  ganz  analog  wie  bei  den  vorhin  be- 
trachteten Monokotyledonen.  Frank  hielt  sie  (3,  p.  177)  für 
wirkliche  Erweiterungen  der  Tüpfel  und  Reiss  und  Grüss  er- 
wähnen ihrer  überhaupt  nicht.  Diese  Stadien  sind  eben  nur  an 
sehr  jungen  Keimlingen  vor  dem  Hervortreten  der  Plumula  zu 
sehen.  Einen  Schnitt  durch  die  Kotyledonen  einer  solchen 
Keimpflanze  stellt  Fig.  37  dar.  Da  kann  nun  mit  aller  nur 
gewünschten  Deutlichkeit  wahrgenommen  werden,  daß  die 
minder  lichtbrechenden  Partien  (Cl)  distal  von  der  Innenhaut 
liegen,  diese  also  völlig  intakt  bleibt.  Wie  die  Tingierbarkeit 
dieser  Membranteile  beweist,  sind  dies  nicht  leere  Räume,  wie 
aus  den  Darstellungen  von  Frank  (3)  und  Reiss  (7)  zu  folgern 
wäre.  Diese  Ansicht  hat  übrigens  bereits  Grüss  (1 1,  p.  5)  wider- 
legt. Die  allöolysierten  Membranpartien  setzen  mit  breiter  Basis 
an  die  Innenhaut  an,  verlaufen  weiterhin  sich  verschmälernd  mit 
bogiger  Begrenzung  in  die  intakten  Teile  der  Wand.  Diese 
Struktur  macht  sich  zunächst  an  dem  Nabelende  der  Kotyle- 
donen bemerkbar  und  setzt  sich  von  hier  rasch  gegen  die  Keim- 
blattspitze fort.  Nicht  immer  sind  diese  Strukturen  in  den  Mem- 
branen benachbarter  Zellen  gleichmäßig  ausgebildet  (Fig.  38), 
ja  selbst  an  derselben  Zellwand  sind  sie  von  verschiedener 
Weite  und  an  ihrem  Distalteil  zugespitzt  oder  zierlich  gerundet. 
Die  zwischen  den  hyalinen  Membranpartien  befindlichen,  vor- 
läufig noch  intakten  Wandteile  sind  nach  Art  von  Strebepfeilern 
normal  auf  die  Innenhaut  orientiert.  Die  in  Fig.  38  links  darge- 
stellte Struktur  der  teilweise  allöolysierten  Membran  mit  säulen- 
förmigen Pfeilern  ist  weit  häufiger  als  diejenige,  welche  die 
rechte  Seite  dieser  Figur  zur  Anschauung  bringt.  Fig.  42  zeigt 
die  Verschiedenheit  der  Struktur  dreier  zusammenstoßender 
Kantenverdickungen  im  Stadium  ihrer  Hyalinisierung.  Nicht 
selten  sind  übrigens  neben  stark  angegriffenen  Membran- 
abschnitten auch  völlig  intakte  zu  finden. 

Die  Wölbungen  der  allöolysierten  Membranpartien  er- 
reichen bald  die  Mittellamellen,  woraus  sich  die  in  Fig.  43 
links  dargestellte  Struktur  ergibt.  Die  stäbchenartigen  Residuen 
der  zum  größten  Teile  bereits  hyalinisierten  Membran  verlaufen 
anfanglich  ohne  Unterbrechung  ihrer  Kontinuität  zwischen  der 


500  A.  R.  Michniewicz, 

Innenhaut  und  Mittellamelle,  worauf  allmähliche  Allöolyse  der- 
selben von  proximalem  Ende  aus  bis  zum  völligen  Verschwinden 
stattfindet. 

Diesem  Stadium  entspricht  in  der  Flächenansicht  der  rechte 
Teil  der  Fig.  43,  wo  besagte  Stäbchen  als  Punkte  sichtbar  sind. 
In  der  Umgebung  der  Tüpfel  erscheinen  sie  zuweilen  stern- 
artig gruppiert.  Daß  jedoch  dieser  Verlauf  der  Resorption  nicht 
immer  strenge  eingehalten  wird,  ergibt  sich  aus  den  in  Fig.  39, 
40  und  41  dargestellten  Befunden. 

•  Nach  der  Allöolyse  der  Stäbchenpartien  erfahren  die  Mem- 
branen keine  weiteren  Strukturänderungen.  Reiss  hatte  aber 
(7,  p.  27)  eine  nachträgliche  Verdünnung  der  Wände  zu  beob- 
achten geglaubt.  Seine  Fig.  6b  und  6c  beziehen  sich  jedenfalls 
nur  auf  die  weniger  verdickten  subepithelialen  Zellen,  wie  aus 
dw  Kleinheit  der  Interzellularen  geschlossen  werden  kann.  Die 
scharfe  Linie,  die  Reiss  (1.  c.)  als  Mittellamelle  auffaßt,  ist  nur 
der  Spalt  zwischen  den  beiden  Häuten  derselben.  Wenn  er 
schließlich  behauptet:  »Auffällig  ist  hierbei  (d.  h.  im  End- 
stadium) das  völlige  Verschmelzen  der  Tüpfel«,  so  trifft  auch 
dies  keineswegs  zu,  da  diese  mit  größter  Deutlichkeit,  ohne  an 
Größe  zu-  oder  abgenommen  zu  haben,  auch  in  von  Pilzhyphen 
durchwucherten,  also  sichtlich  in  Zerfall  begriffenen  Membranen 
zu  beobachten  sind. 


4.  Epigäische  Kotyledonen. 

Lupinus.  Das  Verhalten  der  verdickten  Zellwände  im  Meso- 
phyll der  epigäen  Kotyledonen  während  der  Keimung  war 
bereits  für  Nadelmann  (8,  p.  62  bis  64)  und  Eifert  (10,  p.  I 
bis  9)  Gegenstand  eingehender  Untersuchungen.  Nadelmann 
gibt  für  Lupinus  angustifolius  L.  an,  daß  sich  bei  der  Auflösung 
der  »sekundären  Verdickungsschichten  zunächst  Risse  bilden 
und  daß  dann  Korrosion  und  Abschmelzen  eintritt«.  —  Eifert 
zählt  die  Samen  der  drei  von  ihm  untersuchten  Arten:  Lupinus 
angustifolius  L.,  albus  L.  und  luteus  L.  zu  denjenigen,  deren 
verdickte  Zellwände  nicht  aus  Reservestoffen  bestehen. 


Lösungsweise  der  Reservestoffe  etc.  501 

E.  Schulze  und  E.  Steiger1  kommen  auf  Grund  der 
chemischen  Analyse  ruhender  und  gekeimter  Samen  von  Lnpi- 
nns Intens  zu  Resultaten,  die  sie  veranlaßten,  sich  an  Cramer 
um  die  mikroskopische  Untersuchung  dieser  Samen  betreffs 
der  Veränderungen  während  der  Keimung  zu  wenden.  Cramer 
stellte,  wie  Schulze2  angibt,  auf  Grund  der  mikroskopischen 
Untersuchung  fest,  daß  bei  der  Keimung  ein  Aufbrauch  der 
Membran  stattfindet,  ohne  jedoch  Näheres  über  den  Resorptions- 
modus  anzugeben.  Die  vorliegenden,  sich  widersprechenden 
Angaben  veranlaßten  eine  Nachuntersuchung,  deren  Resultate 
im  folgenden  mitgeteilt  werden.  Die  darzustellenden  Befunde 
beziehen  sich  hauptsächlich  auf  Lnpinns  albns,  wobei  Lnpinns 
angnstifolius  nur  betreffs  einzelner  Stadien  spezieller  berück- 
sichtigt wurde. 

Es  hebt  bereits  Eifert  (10,  p.  1,  2,  6,  8)  es  hervor,  daß  die 
Zellwand  die  Zusammensetzung  aus  Innenhaut,  Mittelschichten 
und  Mittellamelle  deutlich  erkennen  läßt.  Aus  seiner  Darstellung 
ergibt  sich  jedoch  keineswegs  ei  n  klares  Bild  der  Formverhältnisse 
der  betreffenden  Zellen.  Sein  Vergleich  derselben  mit  einer  ellipso- 
idischen  Schachtel  (10,  p.  4)  ist  unverständlich  und  dies  gilt  auch 
von  seiner  Behauptung,  daß  zweierlei  Tüpfel  in  einer  Zellwand 
vorkommen.  Er  sagt  nämlich:  »Es  finden  sich  außer  den  Poren, 
die  man  im  Profil  der  Zellwandung  erblickt,  bereits  in  ruhenden 
Samen  in  den  von  der  Fläche  gesehenen  Zellwänden  lang- 
gestreckte, die  ganze  Wand  in  querer  Richtung  durchsetzende 
Poren,  welche  in  den  meisten  Fällen  mit  zahlreichen  Stärke- 
und  Aleuronkörnern  überlagert  sind . .  . ,  weshalb  sich  die  Poren 
sehr  leicht  der  Beobachtung  entziehen«  (1.  c,  p.  4).  In  Wirklich- 
keit handelt  es  sich  um  langgestreckt  polyedrische  Zellen 
(Fig.  44,  ein  Längsschnitt),  deren  längste  Durchmesser  gegen  die 
Keimblattoberfläche  größtenteils  normal  gerichtet  sind.  Sie  weisen 
an   den   Kanten    auffallende,   in    das  Zellumen  vorspringende 

1  Untersuchungen  über  die  stickstoffreien  Reservestoffe  der  Samen  von 
Lupinus  luteus  und  die  Umwandlungen  derselben  während  des  Keimungs- 
prozesses. Landw.  Versuchsstat.,  Bd.  36,  p.  392  bis  476. 

2  Ober  die  Zellwandbestandteile  der  Kotyledonen  von  Lupinus  luteus 
und  Lupinus  angustifolius  und  über  ihr  Verhalten  während  des  Keimungs- 
vorganges. Ber.  der  Deutschen  botan.  Gesellschaft,  Bd.  14,  p.  67  und  71. 


502  A.  R.  Michniewicz, 

Verdickungen  auf,  die  an  die  Ausbildung  kollenchymatischer 
Gewebe  erinnern.  Fig.  44  stellt  links  Querschnitte  durch  die 
Kantenverdickungen,  rechts  unten  eine  derselben  im  Längs- 
schnitte, oben  eine  von  der  Seite  betrachtet  dar.  Die  zwischen 
den  Kantenverdickungen  verlaufenden  Membranteile  sind  von 
sehr  verschieden  gestalteten  Porenkanälen  durchsetzt.  Nament- 
lich auf  den  breiten  Zellwandflächen  sind  sie  langgestreckt  und 
meist  beiderseits  zugespitzt;  sie  laufen  quer  zum  größten  Durch- 
messer der  Zelle.  Die  ganze  Zellwandarea  durchsetzende  oder 
gar  verzweigte  Tüpfel,  wie  sie  Eifert  (I.e.,  Taf.  I,  Fig.  1,2) 
wiederholt  abbildet,  werden  nie  vorgefunden.  Die  kleineren 
Zellwandflächen  (Fig.  45)  sind  hingegen  mit  weiten,  oft 
isodiametrischen  Tüpfeln,  die  schmalen  (Fig.  46)  mit  sehr 
kleinen,  oft  einreihig  angeordneten  Poren  versehen.  Die  kleinsten, 
an  den  beiden  Enden  der  Zellenpolyeder  befindlichen  Flächen 
(Fig.  44,  Pw)y  die  man  auf  Tangen tialschnitten  durch  den  Koty- 
ledo  in  der  Flächenansicht  (Fig.  47)  zu  sehen  bekommt,  weisen 
schwache  Verdickungsleisten  und  sehr  große  Mannigfaltigkeit 
in  der  Betüpfelung  auf.  Hierzu  sei  noch  bemerkt,  daß  nicht 
selten  ein  größerer  Tüpfel  teilweise  (Fig.  44,  Tt)  unter  die 
Kantenverdickung  reicht  und  daß  kleinere  (T2)  von  ihrem 
Saume  völlig  bedeckt  werden. 

Die  Interzellularräume  sind  auch  bei  Lupinus  mit  einer 
gelblichen  Substanz  (Fig.  44,  Ic)  erfüllt,  die  während  der 
Keimung  verschwindet. 

Bei  länger  andauernder  Quellung  in  verdünnten  wässerigen 
Farbstoffsolutionen  läßt  sich  eine  Differenzierung  der  Ver- 
dickungsschichten  in  eine  minder  dichte  und  schwächer  tin- 
gierte  proximale  und  in  eine  dichtere  und  auch  stärker  gefärbte 
distale  Partie  fesstellen.  Noch  besser  ist  dies  nach  Erwärmung 
in  einprozentiger  Schwefelsäure  (Fig.  49)  zu  beobachten.  In 
starker  Schwefelsäure  lösen  sich  alle  Schichten  bis  auf  das  zarte 
Gerüst  der  Mittellamellen  (Fig.  48)  auf. 

Fig.  50  stellt  den  Zellwandquerschnitt  aus  einer  Keimpflanze 
dar,  deren  Plumula  zwischen  den  Kotyledonen  eben  hervorzu- 
treten begann.  Die  dieses  Stadium  charakterisierenden  Strukturen 
entsprechen  den  in  Fig.  37  für  Tropaeolum  dargestellten.  Auch 
hier  gewinnt  man  den  Eindruck,  daß  die  Allöolysierung  rascher 


Lösungsweise  der  Reservestoffe  etc.  503 

in  radiärer  als  tangentialer  Richtung  fortschreitet.  Die  Struktur 
in  der  Allöolyse  noch  weiter  vorgeschrittener  Membranen  und 
zwar  in   der  Flächenansicht  derselben  bringt  Fig.  51  zur  Dar- 
stellung. Hierzu  bemerke  ich,  daß  die  intakten,  in  der  Zeichnung 
dunkel  gehaltenen  Membranpartien  sich  mit  Hämatoxylin,  das 
aus  Kampescheholz  unter  Alaunzusatz  frisch  hergestellt  worden 
war,  nach  vorheriger,  kurz  andauernder  Quellung  der  Schnitte 
in   zweiprozentiger   Borsäure   blauschwarz   färbten  und  sich 
daher  mit  größter  Deutlichkeit  von  den  lichtblau  tingierten  allö- 
olysierten  Partien  abhoben.   Zwischen  den  charakteristischen 
langgestreckten  Tüpfeln  erscheinen  die  unveränderten  Membran- 
teile als  unregelmäßig  begrenzte  Inseln  (IMp)y  an  den  Zellwand- 
rändern, also  in  den  Ka^ntenverdickungen  hingegen  als  unregel- 
mäßig hin-  und  hergewundene,  stellenweise  verzweigte  oder 
anastomosierende   Fädchen.    Auf   dem   betreffenden   Stadium 
waren  diese  Gebilde  bereits  hie  und  da  zu  Punkten  aufgelöst. 
Weiterhin  werden  auch  die  mittelständigen  Inseln  zu  ähnlichen 
Fädchen  aufgelöst,  so  daß  nun  die  ganze  Wand  damit  übersät 
erscheint.  Schnitte  durch  die  Membranen  bieten  daher  wiederum 
}       die  Ansicht  von  die  ganze  Membran  durchquerenden  Stäbchen 
\      dar,  mit  deren  Hyalinisierung  die  Allöolyse  zum  Abschlüsse 
gelangt    Zweifellos   sind   es  diese   länger  zu  beobachtenden 
stäbchenartigen  Gebilde  unmittelbar  vor  Abschluß  der  Allöolyse, 
i       die  Eifert  (10,  p.  6)  zu  seinen  nichts  weniger  als  zutreffenden 
[       Folgerungen  betreffs  des  Verhaltens  der  Membranen  während 
der  Keimung  verleitet  hatten,  indem  er  das  Auftreten  der  frag- 
lichen Strukturen   als  einen  von  der  Allöolyse  völlig  unab- 
hängigen Differenzierungsvorgang  der  Membran  auffaßte.  Bei 
genauerer  Untersuchung  früherer  Stadien  hätte  Eifert  diesen 
Irrtum  leicht  vermeiden  können.1 


1  Anmerkung.  Zu  Fig.  53  möchte  ich  noch  bemerken,  daß  es  mir 
mittels  Chlorzinkjod  gelang,  in  den  Membranen  Plasmodesmen  (Strasburger, 
Ober  Plasmaverbindungen  pflanzlicher  Zellen.  Jahrb.  für  wiss.  Bot.,  36.  Bd., 
1901,  p.  503)  zur  Darstellung  zu  bringen.  Letztere  stellen  sich  anfänglich  als 
hyaline,  gelb  gefärbte  Fäden  dar.  die  späterhin  kurz  vor  ihrem  Verschwinden 
als  Punktreihen  in  Erscheinung  treten.  Der  Verlauf  der  Plasmodesmen  und  der 
aUöolytischen  Strukturen  der  Membranen  legt  den  Gedanken  nahe,  daß  jene 
als  Leitungsbahnen  des  die  Zellwand  lösenden  Fermentes  in  analoger  Weise 


504  A.  R.  Michniewicz, 

Die  Zellwände  von  Lupinus  besitzen  nach  zu  Ende  ge- 
führter Hyalinisierung  ihrer  Mittelschichten  ein  beschränktes 
Wachstumsvermögen.  Eine  weitere  Resorption  findet  aber,  wie 
zahlreiche  aus  abgefallenen  und  auch  schon  zum  Teil  ver- 
trockneten Kotyledonen  hergestellte  Schnitte  beweisen,  nicht 
statt.  In  bezug  auf  diesen  Punkt  tritt  Eifert  (1.  c.)  mit  Recht 
N  ade  Im  an  n  (8,  p.  63)  entgegen,  der,  wie  dies  gleichfalls  von 
Eifert  bereits  hervorgehoben  wurde,  überhaupt  keinerlei  durch 
Allöolysierung  bewirkte  Struktur  beschrieben  hat.  Es  waren 
nämlich  die  von  Nadelmann  für  Lupinus  dargestellten  Korro- 
sionen nichts  anderes  als-Durchschnitte  schief  orientierter  ge- 
tüpfelter Zellwände. 

Unzweifelhaft  handelt  es  sich  auch  bei  anderen  Legumi- 
nosen und  zwar  bei  Coulteria  tinctoria  Kunth.,  für  welche 
Godfrin  (4,  p.  68)  »des  stries  radiales  irregulieres  qui  indiquent 
une  perte  de  substance«  angibt  und  bei  Goodia  lotifolia  Salisb., 
für  deren  Kotyledonen  Nadelmann  (8,  p.  65)  ebenfalls  »das 
Auftreten  von  Korrosion  und  Rissen«  beobachtet  hat,  um  allö- 
olytische  Vorgänge. 

Impatiens  Balsamina  L.  Die  Auflösungsweise  der  Ver- 
dickungen in  den  Wänden  der  epigäischen  Kotyledonen  dieser 
Pflanze  hält  Heinrich  er  (6,  p.  163  und  179)  für  ein  Ab- 
schmelzen. Reiss  identifiziert  (7,  p.  27  bis  29)  den  Resorptions- 
modus mit  dem  von  ihm  für  Tropaeolum  beschriebenen.  Seine 
Angaben  treffen  daher  auch  hier  nicht  ganz  zu.  Eifert  (10, 
p.  21  bis  23)  bestätigt  im  wesentlichen  nur  die  Angaben 
Reiss*. 

Die  ersten  Stadien  des  Lösungsprozesses  unterscheiden 
sich  nicht  von  denjenigen,  die  für  die  im  vorangehenden  be- 
handelten Objekte  ermittelt  werden.  Wenn  Reiss  und  Eifert 
mitten  in  das  Zellumen  frei  vorragende  »Korrosionsstacheln« 
beschreiben  und  zeichnen,  so  beruht  dies  nur  darauf,  daß  die 
Innenhaut  sich  von  den  Spitzen  der  hier  (Fig.  52)  wirklich  meist 
stachelartig  ausgebildeten  Stäbchen  mit  Leichtigkeit  bei  der 
Schnittführung  ablöst,  worauf  die  wenig  resistenten  veränderten 


in  Anspruch  genommen  werden,  wie  dies  bereits  von  Gardiner  (12,  p.  104 ff.) 
für  Tamus  dargelegt  wurde. 


Lösungsweise  der  Reservestoffe  etc.  505 

Membranteile  im  Wasser  verquellen.  Reiss  gibt  übrigens  an 
einer  Stelle,  nämlich  in  der  zweiten  Zelle  der  vorletzten  Reihe 
seiner  Fig.  7  b,  ein  völlig  korrektes  Bild  des  Anfangsstadiums 
der  Allöolyse.  Allerdings  trifft  die  diesem  Befunde  durch  Reiss 
gegebene  Deutung  nicht  zu,  was  auch  betreffs  der  von  Eifert 
(10,  Fig.  12)  gegebenen  Darstellung  zu  bemerken  ist.  Die 
Bildung  länger  andauernder  Stäbchen  wie  bei  Clematis,  Lupinus, 
Tropaeolum  u.  a.  unterbleibt.  Nach  völliger  Allöolysierung  fällt 
die  Membran  durch  ihr  sehr  geringes  Lichtbrechungsvermögen 
auf.  Innenhäute  und  Mittellamellen  sind  daher  jetzt  deutlich  zu 
beobachten. 

Die  Membranen  erfahren  nunmehr  ein  recht  bedeutendes 
Flächenwachstum,  wobei  die  Oberfläche  des  ausgewachsenen 
Keimblattes  40-  bis  60mal  größer  wird,  als  die  des  ruhenden. 
Dieses  Wachstum  begleitet  ein  Aufbrauch  der  jetzt  fast  galler- 
tigen, aus  wasserreicher  Substanz  bestehenden  Mittelschichten, 
so  daß  die  Membran  im  Endstadium  fast  nur  aus  den  Innen- 
häuten und  Mittellamellen  zu  bestehen  scheint.  In  diesem 
Stadium  kann  jedoch  das  Vorhandensein  der  Mittelschichten 
durch  Anwendung  von  Quellungsmitteln  nachgewiesen  werden. 


Überblickt  man  die  Ergebnisse  der  vorangehenden  Einzel- 
darstellungen, so  gelangt  man  zur  Einsicht,  daß  die  Einteilungs- 
versuche der  Lösungsprozesse  bei  verschiedenen  Samen,  die 
von  Reiss  (7,  p.55, 56)  und  Eifert  (10,  p.  24,  25)  unternommen 
worden  sind,  aus  keineswegs  zutreffenden  Beobachtungen  ab- 
geleitet wurden;  denn,  von  unwesentlichen  Verschiedenheiten 
abgesehen,  spielen  sich  diese  Vorgänge  auf  die  gleiche  Art  in 
den  Endospermzellen  und  in  dem  Parenchym  hypo-  oder  epi- 
gäer  Kotyledonen  ab.  Zunächst  findet  nämlich  die  Allöolyse 
als  erstes,  hierauf  oft  auch  noch  die  mehr  oder  minder  voll- 
ständige Resorption  der  durch  die  vorausgehende  Allöolyse  ver- 
änderten Mittelschichten  als  zweites  Stadium  des  Lösungs- 
prozesses statt,  während  Mittellamellen  und  Innenhäute  in  nicht 
direkt  nachweisbarem  Grade  in  den  Resorptionsvorgang  ein- 
bezogen werden.  Es  entspricht  demnach  die  Membranstruktur 
der  untersuchten  Reservestoffbehälter  in  dem  Stadium,  wo  die 


506  A.  R.  Michniewicz, 

Allöolyse  jener  zum  Abschluß  gelangt  ist,  derjenigen,  die 
bereits  1885  Tangl  für  die  späteren  Keimungsstadien  der 
Aleuronzellen  des  Gramineenendosperms  nachgewiesen  hat 

Zusammenfassung  der  Resultate. 

1.  Die  Zellwandungen  aller  untersuchten  Endosperme  und 
Reservestoffe  für  die  Keimung  in  der  Membran  speichernden 
Parenchyme  von  Kotyledonen  bestehen  aus  einer  Innenhaut, 
den  Mittelschichten  und  der  benachbarten  Zellen  gemeinsamen 
Mittellamelle. 

2.  Die  Innenhäute  kleiden  stets  auch  die  Tüpfelkanäle  und 
-Schließhäute  der  hier  untersuchten  Zellen  aus  und  sind  als 
Ganzes  isolierbar. 

3.  Die  drei  Komponenten  der  Zellwand  weisen  verschiedene 
chemische  Beschaffenheit  auf.  Auch  die  Mittelschichten  können 
aus  chemisch  differenten  Lamellen  bestehen. 

4.  Die  Speicherung  der  für  die  Keimung  bestimmten 
Reservestoffe  in  den  Zellwandungen  der  Endosperme  ist  eine 
auch  bei  Dikotyledonen  sehr  verbreitete  Erscheinung. 

5.  Die  Lösung  bei  der  Keimung  betrifft  immer  nur 
die  Mittelschichten  oder  nur  einen  Bestandteil  derselben. 
Innenhäute  und  Mittellamellen  bleiben  stets  erhalten  und  weisen 
keine  direkt  sichtbaren  Veränderungen  auch  in  dem  Stadium 
der  Erschöpfung  der  betreffenden  Reservestoffbehälter  auf. 

6.  Der  Lösungsmodus  ist  in  allen  hier  untersuchten  Fällen 
im  wesentlichen  gleich. 

7.  Selbst  bei  vollständiger  Resorption  der  Mittelschichten 
findet  stets  nur  fraktionierte  Lösung  derselben  statt. 

8.  Die  Aufspeicherung  von  Reservestoffen  in  der  Wand 
hebt  deren  Wachstumsfähigkeit  nicht  auf  (Lupinus,  Impatiens). 


Es  sei  mir  gestattet,  an  dieser  Stelle  meinem  hochverehrten 
Lehrer,  dem  Herrn  Professor  Dr.  Eduard  Tangl,  in  dessen  In- 
stitute ein  Teil  dieser  Arbeit  ausgeführt  wurde,  für  die  Anregung 
hierzu  und  das  lebhafte  Interesse  an  ihrem  Fortgange  meinen 
innigst  gefühlten  Dank  zum  Ausdrucke  zu  bringen. 


Lösungsweise  der  Reservestoffe  etc.  507 

Literatur. 

1.  1862.     Sachs  J.,  Zur  Keimungsgeschichte  der  Dattel.   — 

Botan.  Zeitung  p.  241  ff.  1  Taf. 

2.  1863.     Sachs  J.,  Über  die  Keimungsgeschichte  des  Samens 

von  Allium  Cepa.  —  Botan.  Zeitung  p.  57  bis 
69,   1  Taf. 

3.  1866/7.  Frank  A.  B.,  Über  die  anatomische  Bedeutung  und 

Entstehung  der  vegetabilischen  Schleime.  —  Pringsh. 
Jahrb.  f.  wiss.  Bot,  Bd.  V,  p.  161  bis  200.  2  Taf. 

4.  1884.     Godfrin  I.,  Recherches  sur  Tanatomie  comparee  des 

Cotyledons  et  de  TAlbumen.  —  Ann.  des  scienc.  nat. 
6.  Ser.  Tome  19,  p.  1  —  158.  6  Taf. 

5.  1885.     Tan  gl  Ed.,  Studien  über  die  Endosperme  einiger 

Gräser.  —  Sitz.-Ber.  d.  kais.  Akad.  d.  Wiss.  Wien. 
Math.-naturw.  Kl.  Bd.  92,  p.  72  bis  109.  4  Taf. 

6.  1888.     Heinricher  E.,  Zur  Biologie  der  Gattung  Impa- 

tiens.  —  Flora,  Bd.  1888,  p.  163  bis  175  u.  179  bis 
185.  1  Taf. 

7.  1889.     Reiss  Rud.,  Über  die  Natur  der  Reservezellulose  und 

über  ihre  Auflösungsweise  bei  der  Keimung  der 
Samen.  —  Ber.  d.  Deutsch.  Bot.  Ges.,  Bd.  7.,  p.  57. 
1  Taf.  —  Inaug.-Diss.  Univ.  Erlangen.  Berlin  1889. 

8.  1890.     Nadelmann  Hugo,  Über  die  Schleimendosperme 

der  Leguminosen.  —  Pringsh.  Jahrb.  f.  wiss.  Bot. 
Bd.  21,  83  p.  3  Taf.  —  Inaug.-Diss.  Univ.  Erlangen. 
Berlin  1890. 

9.  1894.     Grüss  J.,  Über  die  Einwirkung  der  Diastasefermente 

auf  Reservezellulose.    —  Ber.  d.  Deutsch.  Bot.  Ges. 

Bd.  12.  Gen.-Vers.-Heft,  p.  60  bis  72.  2  Taf. 
10.  1894.     Eifert    Theod.,    Über   die    Auflösungsweise    der 

sekundären  Zellmembranen    der  Samen   bei  ihrer 

Keimung.  —  Bibl.  Botan.  Bd.  VI,  26  p.  2  Taf. 
11.1897.     Grüss  J.,  Über  die  Lösung  und  Bildung  der  aus 

Hemizellulose    bestehenden    Zellwände    und    ihre 

Beziehung  zur  Gummosis.  —  Bibl.  Botan.,  Bd.  VII, 

15  p. 


508  A.  R.  Michniewicz, 

12.  1898.  Gardiner  W.,  The  histology  of  the  cellwall,  with 
special  reference  to  the  mode  of  connexion  of  cells. 
—  Prelimin.  communication.  —  Proceed.  of  R.  Soc. 
of  London.  Vol.  LXXII,  p.  100— 1 12. 


Tafelerklärung. 


Alle  Figuren  wurden  mit  Abbe's  Zeichenapparat  projiziert.  Die  Bedeutung 
der  Zeichen  erhellt  aus  folgendem : 

Cq  Allöolysierte  Membranzylinder  in  der  Flächenansicht  der  Zellwände. 

Cs  Allöolysierte  Membranzylinder  in  der  Seitenansicht  (auf  Membranschnitten). 

Ct  Allöolysierte  Membranzylinder  im  Bereiche  der  Tüpfel. 

Gr  Grenzlinie  zwischen  allöolysierten  und  intakten  Membranpartien. 

H  Allöolysierte  Höfe  um  die  Tüpfel. 

Jh  Innenhaut  (Innenlamelle,  Grenzhäutchen). 

Is  Interzellularsubstanz. 

Ml  Mittellamelle. 

N  Netzförmige  Residuen  der  intakten  Membranpartien. 

Sl  Stäbchen  in  der  Längsansicht. 

Sm  Allöolysierte  Säume. 

Sq  Stäbchen  in  der  Flächenansicht  der  Zellwände. 

Iris  fragrans  Salisb. 
(Fig.  1  bis  9.) 

Fig.  1.      Anfangsstadium  der  Allöolyse  in  der  Flächenansicht  (Vergr.  750). 
Fig.  2  und  3.  Schnitte  durch  Membranen   im   Anfangsstadium   der  Allöolyse 

(Vergr.  750). 
Fig.  4.      Bildung  von  Höfen  um  die  Tüpfel  (Flächenansicht;  Vergr.  500). 
Fig.  5.      Stäbchenbildung  (links  Flächen-,  rechts  Seitenansicht;  Vergr.  500). 
Fig.  6.      Nicht  allöolysierte  Membranpartie,  künstlich  isoliert  (Vergr.  500). 
Fig.  7.      Querschnitt  durch  die  Wand  im  Stadium  der  Saumbildung  (Vergr.  500). 
Fig.  8.      Das  Grenzgebiet  intakter  und  allöolysierter  Membranpartien  (Vergr.500). 
Fig.  9.      Endstadium  der  Resorption  (Vergr.  400). 

Asparagus  officinalis  L. 

(Fig.  10  bis  12.) 

Fig.  10.    Stäbchenbildung  (Vergr.  500). 

Fig.  11.    Das  Grenzgebiet  hyaliner  und  intakter  Membranpartien  (Vergr.500). 

Fig.  12.    Hofbildung  (Flächenansicht;  Vergr.  500). 


Lösungsweise  der  Reservestoffe  etc.  509 

Phoenix  dactylifera  L. 

(Fig.  13  bis  23.) 

Fig.  13.   Anfangsstadium  der  Allöolyse  (Flächenansicht;  Vergr.  750). 
Fig.  14.    Partie  an  der  Grenze  hyaliner  und  intakter  Membran  teile  (Vergr.  750). 
Fig.  15.    Hofbildung  (Vergr.  750). 
Fig.  16.    Beginn  der  Stäbchenbildung  (Vergr.  750). 

Fig.  17.    Schnitt  durch  die  Membran   mit  ausnahmsweise  regelmäßiger  Aus- 
bildung der  Stäbchen  (Vergr.  500). 
Fig.  18.    Unregelmäßige  Ausbildung  der  Stäbchen  (Vergr.  500). 
Fig.  19  und  20.  Saumbildung  (Vergr.  500). 

Fig.  21.    Schichtung  der  Membran  nach  Abschluß  der  Allöolyse  (Vergr.  500). 
Fig.  22.    Membran  mit  gallertigen  Mittelschichten  (Vergr.  500). 
Fig.  23.    Totalansicht  einer  isolierten  Innenlamelle  (Vergr.  500). 

Anthericutn  liliastrum  L. 

Fig.  24.    Stäbchenbildung  (Vergr.  500). 

Funkia  lancifolia  Spreng. 
Fig.  25.    Künstlich  isolierte  Stäbchen  (Flächenansicht  der  Membran ;  Vergr.  500). 

Clematis  iubata  Bisch. 

(Fig.  26  bis  29.) 

Fig.  26.    Zelle  aus  ruhendem  Endosperm  nach  Behandlung  mit  Hämatoxylin 

(Vergr.  500). 
Fig.  27.    Flächenansicht  einer  Membran  im  Zustande  der  Bildung  netzartiger 

Residuen  (Vergr.  500). 
Fig.  28.    Membran  mit  Stäbchendifferenzierungen  (Vergr.  750). 
Fig.  29.    Zelle  nach  Abschluß  der  Allöolyse  (Vergr.  500). 

Viburnum  opulus  L. 
(Fig.  30  und  31.) 

Fig.  30.  Flächenansicht  einer  Endospermwand  im  Stadium  weiter  vorgeschrit- 
tener Allöolyse  (Vergr.  500). 

Fig.  31.  Fast  vollständig  allöolysierte  Membran  in  der  Flächenansicht 
(Vergr.  500). 

Tropaeolum  majus  L. 

(Fig.  32  bis  43.) 

Fig.  32.    Eine  Zelle  aus  dem  Parenchym  ruhender  Kotyledonen  (Vergr.  500). 
Fig.  33.    Membranpartie  nach  Behandlung  mit  Chlorzinkjodlösung  (Vergr.  500). 
Fig.  34.    Membranpartie  nach  Behandlung  mit  Glyzerin  (Vergr.  500). 


510  A.  R.  Michniewicz,  Losungs weise  der  Reservestoffe  etc. 

Fig.  35.    Das  früheste  Stadium  der  Allöolyse  in  der  Flächenansicht  (Vergr.  750). 
Fig.  36.    Hof-  und  Netzbildung  (Vergr.  750). 
Fig.  37  bis  42.  Stäbchenbildung  (Vergr.  750). 

Fig.  43.  Fast  völlig  erschöpfte  Membranpartie.  Flächenansicht  einer  vom  aus- 
geweiteten Interzellularraum  umschlossenen  Zellwand  (Vergr.  500). 

Lupinus  albus  L. 

(Fig.  44  bis  51.) 

Fig.  44.    Eine  Zelle  aus  dem  ruhenden  Kotyledo  (Vergr.  500). 

Fig.  45.    Zellwand  mit  isodiametrischen  Tüpfeln  (Vergr.  500). 

Fig.  46.    Sehr  schmale  Zellwand  mit  einreihig  angeordneten  Tüpfeln  (Vergr.  500). 

Fig.  47.  Eine  der  kleinsten  Zellwände  (Ptu,  Fig.  44)  in  der  Flächenansicht 
nach  Behandlung  mit  Hämatoxylin  (Vergr.  750). 

Fig.  48.  Mittellamellengerüst  nach  Behandlung  mit  konzentrierter  Schwefel- 
säure (Vergr.  500). 

Fig.  49.  Membranpartie  nach  Erwärmung  in  einprozentiger  Schwefelsäure 
(Vergr.  500). 

Fig.  50.    Stäbchenbüdung  (Vergr.  750). 

Fig.  51.  Zellwand  im  Stadium  weit  vorgerückter  Allöolyse  in  der  Flächen- 
ansicht (Vergr.  750). 

Impatiens  Balsamina  L. 
Fig.  52.    Stäbchenbildung  (Vergr.  500). 

Lupinus  angustifolius  L. 

Fig.  53.  Plasmodesmen  auf  Membranschnitten  und  in  der  Flächenansicht 
(Vergr.  500). 


A.  R.  Michniewicz:  Die  Lösungsweise  der  Reservestoffe  in  den  Tafel  1 

Zellwänden  der  Samen  bei  ihrer  Keimung. 


r* 


i 


Ad  nat.  dcl.  autor. 

Sitzungsberichte   der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse,  Bd.  CX1I.  Abt.  I.  1903. 


A.  R.  Michniewicz:  Die  Lösungsvveise  der  Reservestoffe  in  den 
Zellwänden  der  Samen  bei  ihrer  Keimung. 


Tafel  IL 


Ad  nat.  cid.  iuit<r. 

Sitzungsberichte    der  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Klasse.  Bd.  C'XII.  Abt.  I.  H".»3. 


511 


Beitrag«  zur  Anatomie  der  Vegetationsorgaae 
von  Boswellia  Carteri  Birdw. 

von 

Adolf  Peter,  stud.  phil. 

Aus  dem  pfUnsenphysi alogische*  Institute  der  Je.  k.  Universität  in  Wien. 

(Mit  3  Tafeln  uad  STextflguTen.) 

{Voctelegt  in  der  Satzung  *m  4.  Juni  10OS.) 

Herr  Prof.  Simony  brachte  im  Jahre  1899  von  einer 
Expedition,  weiche  die  kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften 
noch  Südarabien  ausgesandt  hatte,  unter  anderem  auch  Exem- 
plare einer  Bostvellia-Art  mit,  von  denen  einige  lebend  im 
botanischen  Garten  zu  Wien  kultiviert  wurden,  während  das 
übrige  Material  sowohl  getrocknet  als  auch  als  Alkoholmaterial 
teils  im  pflanzenphysiologische«  Institute,  teils  im  botanischen 
Garten  sich  befindet. 

Herr  Hofrat  Wiesner  hat  mich  mit  der  Aufgabe  betraut, 
die  anatomischen  Verhältnisse  der  Vegetatioosorgane,  ins- 
besondere des  Stammes  dieser  Pflanze,  zu  studieren,  und 
unterstützte  mich  fortwährend  bei  der  Durchführung  dieser 
Untersuchung. 

Auch  Herr  Prof.  v.  Wett stein  förderte  meine  diesbezüg- 
lichen Studien  zunächst  dadurch,  daß  er  mir  auch  lebendes 
Material  zur  Verfügung  stellte. 

Den  beiden  genannten  Herren  spreche  ich  an  dieser 
Stelle  meinen  ergebensten  Dank  für  ihre  tatkräftige  Unter- 
stützung aus. 

Vor  allem  handelte  es  sich  darum  zu  konstatieren,  welche 
Pflanze    mir   vorlag.  Sie  ist   eine   den  Weihrauch  oder  das 

Sltzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  33 


512  A.Peter, 

Olibanum1  liefernde Boswellia- Art  aus  denGebirgen  des  südöst- 
lichen Arabiens,  im  Gebiete  der  Maharas.  Der  Habitus  dieser 
Spezies  erhält  durch  den  knorrigen  Bau  und  zugleich  durch 
die  eigentümliche  Beblätterung,  indem  die  Blätter  an  den  Enden 
der  Zweige  zusammengedrängt  erscheinen,  ein  charakteristi- 
sches Gepräge.  Die  Blätter  sind  unpaarig  gefiedert,  mit  7  bis  9 
sitzenden  Blättchenpaaren,  die  länglich  und  am  Rande  wellig 
gekerbt  sind;  unterseits  sind  sie  etwas  dichter  behaart  als 
oberseits.2 

Nach  den  Angaben  der  mir  vorliegenden  Literatur  kommt 
in  den  Bergen  der  Maharas  nur  eine  Spezies  von  Boswellia 
vor,  nämlich  Boswellia  Carteri  Birdw.,  welche  an  der  Küste 
des  südöstlichen  Arabiens  bei  Merbat  und  auf  Kalkfelsen  in 
den  Gebirgen  von  Hadramaut  gedeiht  Das  Gebiet  ihrer  Ver- 
breitung soll  sich  auch  über  das  benachbarte  Afrika  und  zwar 
über  das  Somaliland  und  das  Ahlgebirge  erstrecken.3 

Nach  einigen  Mitteilungen  des  Herrn  Prof.  v.  Wettstein 
und  von  ihm  auf  eine  einschlägige  Arbeit  von  Cooke,4  welche 
die  Untersuchungen  Birdwood's  enthält,  aufmerksam  gemacht, 
konnte  ich  mir  über  die  Identität  der  in  Rede  stehenden  Pflanze 
Klarheit  verschaffen. 

Birdwood  hat  das  von  Playfair  im  Somalilande,  ferner 
das  von  Carter  in  der  Gegend  der  Maharas  gesammelte 
Material  bearbeitet  und  als  Boswellia  Carteri  beschrieben. 

Aber  schon  nach  den  Abbildungen  von  Carter  ergeben 
sich  zwischen  der  afrikanischen  und  arabischen  Form  Unter- 
schiede, welche  schließen  lassen,  daß  Birdwood  zwei  Formen 
oder  Spezies  vorlagen,  die  er  unter  einem  Namen  zusammen- 
faßte. Solche  Unterschiede  beruhen  hauptsächlich  auf  der  Größe 
und  Art  der  Verzweigung  der  Blütenstände,  auf  der  Form  und 

i  Über  Gummiharze  siehe:  Wies n er,  Rohstoffe  des  Pflanzenreiches. 
2.  Aufl.,  Leipzig,  1900,  I.  Bd.,  S.  140  und  174.  —  Flu ck ige r,  Pharmakognosie 
des  Pflanzenreiches.  Berlin,  1891,  S.  45  ff.  —  VogI,  Kommentar  zur  Osten*. 
Pharmakopoe.  Wien,  1892,  IL  Bd.,  S.  444  ff. 

2  Näheres  über  die  Morphologie  siehe:  De  Candolle,  Monographiae 
Phanerogamarum.  Vol.  IV,  S.  33  f. 

3  Engler  und  Prantl,  III,  4,  S.  246  ff. 

4  Cooke,  Report  on  the  Gums,  Resins,  Oleo-Resins  and  Resinous  pro- 
ducts  in  the  India  Museums.  London,  1874,  S.  149  ff. 


Vegetationsorgane  von  Boswellia  Carteri  B  i  r  d  w.  513 

Ausbildung  des  Fruchtknotens  und  des  Discus,  ferner  auf  der 
Behaarung  der  einzelnen  Blütenteile. 

Die  mir  vorliegende  Pflanze  dürfte  mit  dem  von  Bird- 
wood  untersuchten  Material  aus  Südarabien  identisch  sein,  da 
sie  bezüglich  ihrer  Vegetationsorgane1  mit  der  Beschreibung, 
welche  Birdwood  gibt,  übereinstimmt  und  außerdem  gleich- 
falls aus  dem  Gebiete  der  Maharas  stammt,  wo  auch  Carter 
sein  Material  sammelte. 

Zum  Vergleiche  diente  mir  Herbarmaterial,  welches  Herr 
Hofrat  Wiesner  im  Jahre  1901  in  Kew  erwarb  und  welches 
ihm  aus  besonderer  Gefälligkeit  vom  Direktor  des  botanischen 
Gartens  und  Museums  zu  Kew,  Sir  William  Dyer,  zur 
Verfügung  gestellt  wurde. 

Über  die  Anatomie  dieses  Vergleichsmateriales  werde  ich 
später  ausführlicher  noch  zu  sprechen  kommen,  doch  sei 
schon  jetzt  erwähnt,  daß  das  als  Boswellia  Carteri  bestimmte 
und  aus  dem  Somalilande  stammende  Material  im  anatomi- 
schen Baue  mit  den  aus  Arabien  mitgebrachten  Weihrauch- 
bäumchen  bis  auf  einige  wenige  Abweichungen  übereinstimmt. 

Würden  genauere  Untersuchungen  auf  Grund  eines  reich- 
lichen und  geeigneten  Materiales  zu  dem  Ergebnisse  führen, 
daß  die  in  Südarabien  und  die  im  Somalilande  vorkommenden, 
von  Birdwood  als  Boswellia  Carteri  bezeichneten  Pflanzen 
als  selbständige  Formen  oder  Spezies  anzusehen  sind,  so 
müßte  der  bestehende  Name  auf  die  arabische  Pflanze  be- 
schränkt bleiben,  während  für  die  in  Afrika  vorkommende 
Form  eine  neue  Bezeichnung  erforderlich  wäre. 

Ich  glaube,  daß  es  richtig  ist,  wenn  ich  die  von  mir  unter- 
suchte Pflanze  als  Boswellia  Carteri  im  weiteren  Sinne  be- 
zeichne. 

Es  sei  noch  erwähnt,  daß  nach  den  Angaben  des  Herrn 
Prof.  Simony  diese  Pflanze  in  Südarabien  in  zwei  Typen  auf- 
tritt, nämlich  in  einer  hohen,  baumförmigen  und  einer  vom 
Grunde  aus  verzweigten,  niedrigen  Form.  Letztere  kann  durch 
Stecklinge  vermehrt  werden  und  gilt  bei  den  Arabern  als  weib- 
liche,  erstere  als  männliche  Pflanze.  Nach  Wien  wurden  nur 


1  Zur  Zeit,  als  die  Pflanze  gesammelt  wurde,  stand  sie  nicht  in  Blüte. 

33* 


314  A.  Peter, 

strauohförmige  Exemplare  gebracht  und  diese  waren  es,  weiche 
meiner  Untersuchung  zugrunde  gelegt  wurden. 

Anatomie  des  Stammes. 

Bei  makroskopischer  Betrachtung  4es  Stammquerschoittes 
fällt  die  machtig  entwickelte  Rinde  auf,  deren  Dicke  beiläufig 
ein  Drittel  des  Stammradrus  rrriöt.  Das  Mark  ist  verhältnis- 
mäßig gering  und  von  gelblicher  Färbung,  das  Holz  «durch 
einen  unmittelbar  um  das  Mark  liegenden  rotbraunen  Ring  aus- 
gezeichnet; ^u  diesem  paraTlell  folgen  ebenso  gefärbte  Partien 
in  verschiedener  Dicke,  ^wdche  den  Eindruck  w&  Jahresringen 
machen.  Unter  der  Lupe  sind  die  Gefäße  eben  «noch  als  Paukte, 
die  Markstrahlen  als  feine  Linien  sichtbar.  Stellenweise  enthält 
der  Hoflzkörper  dickerer  Äste  linsenförmige  «rod  dunkelbraune 
Komplexe,  die  einen  Durchmesser  bis  xu  1  cm  erreichen  und  bei 
genauerer  Untersuchung  aus  unverholenen  Elementen  bestehend 
sich  erweisen. 

Die  Grundmasse  des  Holzes  hesteht  aus  gefächertem 
Libriform,  in  welchem  die  Gefäße  umgleiöh  verteilt  «nd,  uad 
zwar  sind  sie  reichlicher  m  den  schon  erwähnten  rotbraunen 
Stellen  des  Moires  voihcmden.  Die  Mafkstrahlen  si»d  ein-  bis 
vierreihig.  Tracheiden  fehlen  vollständig.  Da  solche  in  4er 
Literatur1  auch  bei  den  übrigen  Bwseraceen  nicht  .erwähnt 
werden,  scheinen  sie  in  -dieser  Familie  Oberhaupt  ßidht  vor- 
zukommen. Das  Protoxylem  enthäK  stets  intraucyläres  Gambi- 
form.f 

Die  Gefäße  haben  a*s  häufigsten  Wert  für  den  Durch- 
messer 0*093  mm  iwid  als  Maximum  0  112  mm.  Die  Perfora- 
tionen sind  einfach  und  ringförmig;  in  Berührung  mit  anderen 
Gefäßen  tragen  die  Gefäßwände  dicht  angeordnete  Hoftüpifel, 
so  daß  die  je  eine  'Querspaflte  «umsäumenden  Töpfelteöfe  poly- 
edrisch  abgeplattet  erscheinen  (Fig.  3,  g).  faa  Beröhruog  mit 
Markstrahl-  und  Holzparenchymzetten  treten  an  den  Gefäß- 
wänden einfache  große  Tüptfed  mit  Übergängen  zu  Hoftfcpfetn 

1  Solerede r,  Systematische  Anatomie  der  Dikotyledonen.  Stuttgart 
1899,  S.  215  ff. 

*  Über  intraxyläres  Cambiform  siehe:  Raimann,  diese  Sitzungsberichte, 
Bd.  XCVIH,  AM.  I. 


Vegetationsorgane  von  Bosnmllia  Carters  Birdw.  515 

auf.  Sie  haben  die  Gestalt  einer  quer gestellten  Ellipse  und  °ind 
meist  in  Reihen  angeordnet,  wodurch,  sie  an  die  Treppengefäße 
der  Pteiridophyten  erinnern.  Nicht  seltemy  besonders  häufig  aber 
in  junge»  Trieben«  dringen  vorwiegend  von  den  anliegendem 
Markstrahlzelten  aus  durch  die  Tüpfel  fast  in  der  ganzen 
Längenausdehnung  der  Gefäße  Stärke  oder  große  Krystalte 
von  oxalsaurem  Kalk  führende  Thylten  in  die  Gefäße  ein, 
erfiiHen  aber  nur  in  den  seltensten  FäHen  das  Gefäßhimen 
verständig  (Fig.  4,  g). 

Die  Libriformfasern,.1  in.  deren  Wänden  einfache,  runde 
oder  spaltenförmige  Poren  auftreten,  sind  stets  durch  einüaehe 
und  dünne  Querwände  gefächert  und  führen-  reichlich  Stärke. 
Diese  Fasern  scheiden  sich  in  relativ  dünn-  und  dickwandigere. 
Letztere  sind  am  Querschnitte  teils  in  konzentrischen  Ringen 
und  Zonen  angeordnet,  teils,  zu  einzelnem  Bündeln  vereinigt, 
über  den  Querschnitt  zerstreut  und  bilden  die  schon  früher 
erwähnten  rotbraunen  Stellen  des  Holzes.  Bildung  von  Jahres- 
(Vegetations^) Ringen  konnte  ich  nicht  konstatieren. 

Im  allgemeinen  ist  die  Mhtellamelle  dieser  Libriformfasern 
stark  entwickelt  und  stärker  verholzt  als  die  Verdickungs- 
schichten,  wodurch  bei  Anwendung  von  Phtoroglucin  und  Salz- 
säure jene  besonders  scharf  hervortritt,  ebenso  bei  Färbung  mit 
Safranin  oder  Fuchsin.  Die  dünnwandigeren  Fasern  (Fig.  4,  /) 
bilden  die  Hatrptraenge  und  haben  mäßig  entwickelte  sekun- 
däre Yerdiclcungsschichten,  weiche  sich  stets  als  verholzt 
erweisen.  Die  Libriformfasern  mit  dickerer  Wandung  sind 
weniger  reich  getüpfelt  und  zeigen  unter  dem  Mikroskop  gelb- 
Behbiraune  Färbung.  Ihr  Umriß  erscheint  am  Querschnitte  mehr 
abgerundet  als  der  der  ersteren.  Das  Lumen  dieser  Zeilen  ist 
klein  und  dabei  unregelmäßig.  Die  sehr  stark  ausgebildeten 
Verdickuaagsschichten  geben  sowohl  schwache  Holzstoff-  als 
auch  Ceihalosereaktroo»  Im  gewöhnlichen  Falle  sind  sie  in  zwei 
dristinkte  Lamellen  gegliedert  (Fig.  4t  /'),  wovon  die  äußere 
gztinge  Verholzung  zeigt,  während  die  innere,,  mächtiger  ent- 
wickelte Schichte  unverholzt  und  gallertartig  ist. 

1  Über  Libriform  siehe:  Mo  eil  er,  Denkschriften  der  kais.  Akademie  der 
Wissenschaften.  Wien,  1876,  S.  302,  394.  —  De  Bary,  V.  A.,  1877,  S.  497  f.  -- 
Habeflandt,  Physiolog.  Pflanzen aOÄtomie.  Leipaigr  1806,  S.  500  ff. 


516  A.Peter, 

Holzparenchym  sowie  Übergänge  dieses  Gewebes  zu 
Libriform  findet  man  entweder  in  unmittelbarer  Nähe  oder  in 
geringer  Entfernung  von  den  Gefäßen  (Fig.  3).  Die  Übergangs- 
formen neigen  je  nach  ihrem  geringeren  oder  größeren  Poren- 
reichtum zu  Libriform  oder  zu  Holzparenchym  und  tragen 
abwechselnd  sowohl  dicke,  getüpfelte  Querwände  (wie  das 
Holzparenchym)  als  auch  einfache,  dünne  (wie  das  Libriform). 

Die  Markstrahlen  (Fig.  3,  m)  sind  schmal  und  ein-  bis 
vierreihig.  Häufig  wechseln,  besonders  in  einreihigen  Mark- 
strahlen, Gruppen  von  liegenden  und  stehenden  Markstrahl- 
zellen ab,  wodurch  der  Radialschnitt  ein  äußerst  charakteristi- 
sches Gepräge  erhält.  Als  Inhalt  führen  die  Markstrahlzellen 
neben  Stärke  auch  stellenweise  monokline  Krystalle  von 
Calciumoxalat,  welche  einzeln  in  der  Zelle  liegen,  ohne  das 
Lumen  vollständig  auszufüllen. 

Das  Protoxylem  enthält  nebst  Gefäßen  nur  intraxyläres 
Cambiform  (Fig.  2),  das  sich  gewöhnlich  gegen  das  Mark  zu 
zu  einem  geschlossenen  Komplexe  vereinigt.  In  diesem  Falle 
ist  es  in  der  Regel  von  einem  oder  zwei  Sekretgängen  begleitet, 
die  entweder  im  Cambiform  selbst  eingebettet  oder  an  der 
Grenze  zwischen  diesem  und  dem  Marke  liegen  (Fig.  2).  In 
älteren  Zweigen  und  im  Stamme  ist  das  intraxyläre  Cambiform 
durch  Libriform  vom  Marke  ganz  oder  teilweise  getrennt  Da 
diese  Libriformelemente  relativ  spät  sich  entwickeln,  sind  sie  in 
jüngeren  Zweigen  gar  nicht  oder  nur  spärlich  vorhanden. 


Komplizierter  wird  der  Bau  des  Holzes  durch  stellenweise 
auftretende  abnormale  Bildungen,  deren  Entwicklungsgeschichte 
ich  mangels  an  geeignetem  Material  nicht  verfolgen  konnte,  wes- 
halb ich  mich  auf  ihre  Beschreibung  beschränken  muß. 

Junge,  noch  mit  der  Epidermis  bedeckte  Triebe  haben  ver- 
längerte Internodien  (Langtrieb),  während  die  Basis  derselben 
gestaucht  erscheint,  indem  die  Internodien  an  dieser  Stelle  sehr 
verkürzt  sind  (Kurztrieb). 

In  diesen  verkürzten  Abschnitten  enthält  der  unmittelbar  um 
das  Mark  gelegene  (ältere)  Xylemteil  an  verholzten  Elementen 
nur  Gefäße.  Als  Grundmasse  tritt  intraxyläres  Cambiform  auf, 


Vegetationsorgane  von  Boswellia  Carteri  Birdw.  517 

welches  bisher  nur  im  Protoxylem  beobachtet  wurde.  Es  besteht 
aus  dünnwandigen,  etwas  in  die  Länge  gestreckten  Zellen,  die 
un verholzt  sind,  in  radialen  Reihen  stehen  und  am  Querschnitte 
gleichen  Umriß  wie  die  Libri formfasern  zeigen.  Im  Protoxylem 
ist  das  Lumen  dieser  cambiformartigen  Zellen  kleiner.  Als  Inhalt 
führen  die  Elemente  des  intraxylären  Cambiforms  neben  Stärke 
auch  große  Krystalle  von  oxalsaurem  Kalk.  Die  Markstrahlen 
haben  hier  gleichfalls  dünne  und  unverholzte  Membranen. 
Nach  außen  geht  dieses  Gewebe  in  den  normal  gebauten  Holz- 
teil über,  indem  die  Zellwände  bei  gleichzeitiger  Verholzung 
an  Dicke  zunehmen.  Einzelne  Libriformfasern  und  dickwandige 
verholzte  Markstrahlzellen  sind  hie  und  da  im  Inneren  dieser 
unverholzten  Grundmasse  anzutreffen. 

Aus  dem  Gesagten  folgt,  daß  das  intraxyläre  Cambiform 
im  vorliegenden  Falle  nicht  als  reduziertes  Phloem  eines  bikol- 
lateralen  Bündels  aufgefaßt  werden  darf. 

Die  im  folgenden  beschriebene  Abweichung  vom  normalen 
Holzbaue  kommt  nur  an  dickeren  Ästen  vor.  Das  Holz  der- 
selben enthält  stellenweise  ein  unverholztes  parenchymatisches 
Gewebe  in  Form  von  dünnen  Platten  oder  linsenförmigen 
Körpern.  Bei  geringer  Mächtigkeit  ist  dieses  Gewebe  bloß  mit 
Stärke  erfüllt,  bei  stärkerer  Entwicklung  enthält  es  neben  dieser 
noch  große  Massen  von  oxalsaurem  Kalk  und  Gerbstoff.  Immer 
erscheinen  die  diese  Partie  gegen  die  Stammachse  zu  begren- 
zenden Holzelemente  mit  einer  homogenen  braunen  Masse 
erfüllt;  ihre  Membranen  sind  stark  gequollen  und  braun  gefärbt 
und  die  benachbarten  Gefäße  mit  Thyllen  vollständig  erfüllt.1  Mit 
der  Dicke  des  eingelagerten  unverholzten  Komplexes  wächst 
auch  die  Dicke  des  erwähnten  anschließenden  Holzkörpers. 
Zugleich  kollabiert  derselbe,  so  daß  dadurch  eine  dunkelbraune, 
nur  an  einzelnen  Stellen  unterbrochene  Masse  entsteht,  deren 
Elemente  nicht  mehr  zu  unterscheiden  sind  (Textfig.  1,  a). 
Infolge  der  dunklen  Färbung  dieser  kollabierten  Masse  und 
des  eingelagerten  Komplexes  sind  diese  Stellen  schon  makro- 
skopisch deutlich  sichtbar.  Komplizierter  werden  die  Verhält- 
nisse noch  durch  Korkbildung.  Das  Korkgewebe  schließt  nämlich 


i  Die  Thyllen  wurden  in  die  Textfigur  nicht  eingezeichnet 


518 


A.  Peterr 


in  Form  von  Stareifen,  deren  Querschnitte  halbmondförmig  sind, 
an  die  kollabierte  braune  Holzmasse  an  (Textfig.  1T  pr  //). 
Eine  Bildung  von  Korkzellen  im  Holzkörper  erschein*  zwar 
befremdend,  doch  der  Bau  dieser  Zeilen,  die  GeEbfiurbung  ihrer 
Membranen  bei  Behandlung  mit  Kalilauge  sowie  deren  Fähig- 
keit, Alkannatinktur  aufzuspeichern,   lassen  wohl  kaum  eine 


Fig.1. 

Teil  eines  Mark  Heckes  im  Querschnitte. 

P  parenehymatisches  Gewebe, 
p,  //  Schichten  des  Wtmdkorkes. 
a  kollabierte  Masse. 


andere  Deutung  zu.  Das  in  Rede  stehende  Korkgewebe,  dessen 
Elemente  m  radialen  Reihen  angeordnet  sind,  ist  gewöhnlich 
im  Schächten  dick-  und  dünnwanettgerer  KotkzeHen  gegliedert 
(Textfig.  1,  p9p>). 

Nachi  außen  grenzt  das  parenehymatische  Gewebe  (fTexi- 
fig.  1,  P)  ohne  eine  dazwischen  gelagerte  kollabierte  Schichte  an- 
das  Holz.  Tritt  der  unverholzte  Komplex  in  großer  Mächtigkeit 


Vegetationsorgane  von  Boswtllia  Carters  B  i  r  d  w.  5-19 

auf,  so  nimmt  er  stellenweise  rnarkkronenartige  Bildung  an. 
Hier  sind  die  unmittelbar  an  das  Parenchym  grenzenden  Gefäße 
frei  von  Thyilen  und  haben  kurze  Abschnitte,  welche  regellos 
angeordnet  sind  und  gleichen  Umriß  wie  die  benachbarten 
Parenchymzellen  zeigen. 

Die  soeben  beschriebenen  unverholzten  Gewebekomplexe 
im  Holzkörper  stimmen  in  ihrem  Baue  mit  den  von  Kienitz1 
eingehend1  untersuchten  »Markflecken«  überein,  welche,  wie  der 
genannte  Autor  fand,  infolge  von  Verletzungen  durch  L«rven- 
fraß  entstehen.  Es  ist  wohl  kaum  zu  bezweifeln,  daß  auch  die 
hier  beschriebenen  Bildungen  auf  Verletzungen  durch  Insekten 
zurückzuführen  sind. 

Demnach  wäre  das  in  den  Markflecken  von  Boswtllia 
Carteri  vorhandene  Korkgewebe  als  Wundkork  anzusprechen. 

Das  Mark  (Fig.  2,  m)  setzt  sich  aus  einfach  getüpfelten, 
relativ  dickwandigen  und  verholzten  Parenchymzellen  zu- 
sammen. Daneben  finden  sich  auch  nicht  selten  völlig  unver- 
hotzte  und  dünnwandige  Markzeilen.  Beide  führen  reichlich 
Stärke  und  Oxalsäuren  Kalk  in  großen  Einzelkrystallen, 
Zwillingen  oder  Drusen,  die  einzeln  in  stärkeführenden  Zellen 
liegen.  Gerbstoff,  woran  die  Pflanze  sehr  reich  ist,  tritt  im  braun 
gefärbten  Zellsaft  einzelner  Patrenchymeleraente  auf. 

Auffallend  verschieden  davon  ist  der  Bau  dieser  Elemente 
in  ihrem  Jugendstadium,  knapp  unter  der  Vegetationsspitze 
(Fig.  l9m): 

Die  Membranen  dieser  isodiametrischen  Markzellen  (Fig.  9) 
besitzen  große  und  dicht  angeordnete  Poren  (a)  und  sind  koilen- 
chymartig  verdickt.  Diese  Membranen  färben  sich  mit  Chlor- 
zinkjod violett  und  geben  überhaupt  die  bekannten  Ceilulose- 
reaktionen.  Regelmäßig  treten  zwischen  den  Verdickungen  drei-, 
selten  vierseitige  fntercellularen  auf  (Fig.  9),  Schon  in  diesem 
Stadium  erfüllen  die  bereits  oben  beschriebenen  Inhaltskörper 
diese  Zellen. 

Durch  nachträgliches  ungleichmäßiges  Dickenwachstum 
der  Membranen,  womit  ein  Abrunden  und  Verholzen  der  Zellen 
Hand  in   Hand  geht,  gleicht  sich   die   kollenchymartige  Ver- 


i  Kienitz,  Bot.  Zentralblatt,  1883,  Bd.  XIV,  S.  21  ff. 


520  A.  Peter, 

dickung  aus  und  führt  zu  den  oben  beschriebenen  Dauer- 
elementen. 

Kompliziertere  Verhältnisse  weist  die  Rinde1  sowohl  in 
ihrem  anatomischen  Bau  als  auch  in  ihrer  Entwicklung  auf. 
Im  jugendlichen  Stadium  (unterhalb  der  Vegetationsspitze)  ist 
der  Bau  der  Rinde  der  folgende  (Fig.  1): 

Unterhalb  der  Oberhaut  liegt  eine  schon  ausgebildete  Peri- 
dermschichte  (p).  Diese  werde  ich  später  noch  ausführlich 
besprechen.  Die  Elemente  der  primären  Rinde  (e)  gleichen  in 
ihrem  Baue  vollkommen  denen  des  Markes  (m).  Im  Zellinhalte 
tritt  hauptsächlich  Chlorophyll,  daneben  in  geringerer  Menge 
Gerbstoff  und  große  Krystalle,  beziehungsweise  Drusen  von 
Calciumoxalat  auf.  An  die  primäre  Rinde  schließt  die  Anlage 
der  Bastfaserbündel.  (In  die  Zeichnung  [Fig.  1J  sind  einige 
schon  ausgebildete  Fasern  als  dickwandige,  dunkeikonturierte 
Elemente  eingetragen.)  Unterhalb  je  eines  halbmondförmigen 
Bastbelages  liegen  ein  oder  zwei  Sekreträume  (s).  Bemerkens- 
wert sind  kleinlumige  Zellen  im  Phloemteile,  die  zu  wenig- 
zelligen  und  distinkten  Gruppen  angeordnet  sind  (n).  Sie  oblite- 
rieren sehr  frühzeitig  wie  die  Siebröhren  und  einzelne  Paren- 
chymzellen  und  bilden  dann  mit  diesen  zusammenhängende 
und  verzweigte  Bänder  und  Streifen  (Fig.  2,  o.  s.).  Wie  die 
primäre  Rinde  enthält  auch  der  Phloemteil  reichlich  gerbstoff- 
führende Zellen. 

Dieser  ursprüngliche  Bau  der  Rinde  erfährt  sehr  frühzeitig 
tiefgreifende  Veränderungen.  Was  zunächst  die  primäre  Rinde 
anbelangt,  so  verliert  sie  ihren  kollenchymartigen  Charakter 
einerseits  durch  Zellteilung,  anderseits  ähnlich  wie  das  Mark 
durch  ungleichmäßiges  Dickenwachstum  der  Membranen,  wo- 
durch die  kollenchymartige  Verdickung  ausgeglichen  wird.  Dazu 
kommt  Kollabieren  kleinerer  Partien  und  Sklerose  einzelner 
Zellen.  Die  hierdurch  bedingte  Polymorphie  der  Zellen  des 
primären  Rindengewebes  wird  noch  durch  ein  Phelloderm 
erhöht,  das  Sekreträume  und  Sklerenchym  enthält.  Diese  mit 


1  Um  Mißverständnissen  vorzubeugen,  betone  ich,  daß  ich  hier 
unter  Rinde  das  ganze  außerhalb  des  Cambiumringes  liegende  Gewebe 
verstehe. 


Vegetationsorgane  von  Boswellia  Carteri  B  i  r  d  w.  521 

groben,  geweihartigen  Porenkanälen  versehenen  Sklerenchym- 
zellen  (Fig.  7,  sk\  Fig.  13),  in  vertikalen  Reihen  und  Gruppen 
angeordnet,  sind  nur  in  der  Peripherie  der  Rinde  und  zwar  in 
zunehmender  Menge  bis  knapp  unter  das  Periderm  anzutreffen. 
Sie  führen  einen  körnigen  und  rotbraunen  Inhalt;  nicht  selten 
füllt  ein  Einzelnkrystall  von  Calciumoxalat  das  Lumen  voll- 
ständig aus,  indem  die  Verdickung  sich  ganz  an  den  Krystall 
anlegt.  Stellenweise  zeigen  die  an  das  zartwandige  Gewebe 
grenzenden  Skleren  chymzellen  nur  einseitige  Verdickung,  indem 
die  an  das  Parenchym  anstoßenden  Wände  unverdickt  bleiben.1 

Von  diesen  Sklerenchymzellen,  welche  ihren  Ursprung  im 
Phelloderm  haben,  sind  diejenigen  wohl  zu  unterscheiden, 
welche,  wie  bereits  erwähnt,  durch  nachträgliche  Sklerose  aus 
Elementen  der  primären  Rinde  hervorgegangen  sind  und  durch 
ihren  Bau  wesentlich  von  jenen  abweichen.  Sie  sind  bedeutend 
größer  und  weitlumiger  als  die  vorher  genannten  und  erscheinen 
in  ihrem  Umriß  mehr  abgerundet;  ihre  Verdickung  ist  weniger 
stark  und  die  Zahl  der  Porenkanäle  geringer.  Krystalle  als  Inhalt 
in  diesen  Sklerenchymzellen  beobachtete  ich  nie. 

Die  ersten  Bastfasern  entstehen  an  der  Peripherie  der 
Anlage  des  Hartbastes  (Fig.  1),  die  übrigen  entwickeln  sich  sehr 
rasch  und  zwar  in  zentripetaler  Reihenfolge.  Der  ganze  Bast- 
faserkomplex wird  bald  zerrissen  und  zwar  einerseits  durch 
das  Wachstum  der  Rinde,  anderseits,  wie  später  näher  be- 
schrieben, durch  innere  Peridermbildung.  In  der  ausgebildeten 
Rinde  sind  nur  mehr  einzelne  Fasern  oder  isolierte  Gruppen 
solcher  zerstreut  anzutreffen  (Fig.  7,  b). 

Die  Bastfasern  sind  stets  gefächert  und  haben  stark  ver- 
holzte Mittellamelle,  während  die  Verdickungsschichten  bezüg- 
lich Verholzung  Unregelmäßigkeiten  aufweisen. 

Auf  dem  Rindenquerschnitt  erscheinen  Sekreträume,  welche 
knapp  bis  an  das  Periderm  heranreichen.2 


1  Bei  den  in  Fig.  13  dargestellten  Sklerenchymzellen  bezeichnet  a  die  ein- 
seitige Verdickung,  während  die  dunkel  gehaltenen  Stellen  die  Lumina  dar- 
stellen. 

2  Über  die  Anatomie  dieser  Sekreträume  und  über  das  Sekret  siehe 
S.  19  f. 


522  A.  Peter, 

Die  Grundmasse  des  Rindengewebes  besteht  aus  Paren- 
chym,  das  überaas  reich  an  Stärke  und  CalciuiaoxaJat  ist  Die 
Krystatle  Hegen  wie  die  der  Marfcstrahlen  einzeln  in  der  Zeile 
und  füllen  das  Lumen  nahezu  aus.  Gruppen  voa  gerbstoff- 
föbrenden  Zellen  sind  in  der  Rinde  reichlich  vertreten  (Fig.  7,  g}. 

Die  obliterierten  Siebteile  (Fig.  7,  o.  s.)  nehmen  in  diesem 
vorgeschrittenen  Entwicklungsstadtum  gegen  das  Innere  an 
Masse  zu.  In  der  Nähe  des  Cambirams  bilden  sie  die  Gnmd- 
masse,  während  sie  gegen  die  Peripherie  allmählich  verlaufen. 
Der  Bau  dieser  Elemente  ist  derselbe,  wie  ihn  De  Bary1 
beschreibt. 

Schließlich  sei  noch  erwähnt,  daß  an  dem  Aufbau  des 
Phioemteiles  auch  Krystallkamnaerfasern  in  nicht  geringem 
Maße  teilnehmen. 

Das  Periderm  löst  sich  wie  auch  bei  anderen  Arten  der 
Gattung  Bosweüia  und  bei  Commiphora2  schon  an  finger- 
dicken Zweigen  in  papierdünnen  Schichten  ab.  Die  Peruterm- 
bildung  ist  subepidermal  und  zwar  tritt  sie  bei  ersterer  sehr 
frühzeitig,  nämlich  schon  knapp  unter  der  Vegetationsspitze 
auf,  wobei  sie  anfangs  stellenweise  unterbrochen  ist  Zunächst 
wird  nach  außen  Periderm,  später  auch  nach  innen  Phelfeoderm 
gebildet  Die  als  erste  entwickelte  Peridermschichte  besteht 
aus  sehr  dünnwandigen  Korkzellen,  während  die  folgenden 
Schichten  durchwegs  dickere  Membranen  besitzen.  Die  Zell- 
wand zeigt  eine  stark  entwickelte  Celluloseschicbte  und  eine 
dünne  Suberinlamelle.  Die  Mittellaraelle  ist  von  letzterer  nur 
wenig  differenziert.  Bemerkenswert  sind  rundliche  KörperchenT 
welche  einzeln  in  schmalen  Intercellularea  liegen  und  im  polari- 
sierten Lichte  sich  als  doppeitbrechend  erweisen.  In  älteren 
Peridermschichten  wechseln  Lameflen  dick-  und  dünnwandi- 
gerer Korkzetlen  ab.  Diese  Differenzierung  erscheint  stellen- 
weise mehr  oder  minder  stark  ausgebildet. 

Das  Ablösen  der  einzelnen  Peridermschichten  geht  in 
einer  einschichtigen  Lage  merkwürdig  gebauter  Phelloidzellen 
vor  sich.  Diese  stimmen  mit  denen  von  BosweTlia  papyrifera, 


i  De  Bary,  L  c^  S.  567  f. 
2  Solereder,  1.  c,  S.  219. 


Vegetationsorgane  von  Bosmtellia  Carteri  Birdw. 


523 


welche  von  v.  Höhne! l  genauer  untersucht  wurden,  vollkommen 
überein.  Sie  zeichnen  sich  durch  einseitig  verdickte  Membranen 
aus,  deren  Veixückungsmasse  verkieselt  und  zugleich  verholzt 
ist.  Diese  Verdickung  (Textfig.  2)  tritt  nur  an  der  Innenwand 
**ii  und  erstreckt  sich  gewöhnlich  auch  über  einen  kleinen 
Teil  der  Seitenwinde.  Die  übrige  Partie  der  Membran  dagegen 
ist  sehr  dünn.  Selten  ist  die  Verdickung  glatt,  in  der  Regel 
trägt  sie  in  das  Lumen  vorspringende  feine  Rippen,  die  in  der 


Fig.  2. 

Querschnitt  durch  das  Periderm  des  Stammes. 

ph  jüngere,  an  das  Phellogen  grenzende  Peridermschichte. 
p  älteres  Periderm  mit  dem  einschichtigen  Phelloid. 

Flächenansicht  als  feine,  hie  und  da  spitzwinkelig  sich  ver- 
zweigende Linien  erscheinen,  welche  im  Sinne  der  Stamm- 
achse verlaufen  (Textfig.  3).  Da  die  Seäemwände  sehr  dünn 
und  spröde  sind,  reißen  -sie  außerordentlich  leicht,  wodurch  das 
Ablösen  der  Korkschichten  in  regelmäßigen  Lagen  zustande 
koaunt.  Dadurch  werden  die  verdickten  und  verkiesehen  Innen- 
wände der  PheUoidzellen  freigelegt,  kommen  an  die  Außenseite 
der  Koricsohichten  zu  liegen  und  bilden  einen  festen  und  wider- 
standsfähigen Überzug  des  Stammes.  Die  Ablösung  erfolgt  aber 
nicht  in  jeder  Pheiioidschichte,  so  daß  man  in  dem  Karfcbläitera 
immer  auch  eingeschlossen  Phelloidlamellen  findet. 


i  v.  H  ö  h  n  e  1,  Über  Kork  und  verkorkte  Gewebe  überhaupt  Diese  Sitzungs- 
berichte, LXXVI.  Bd.,  I.  Abt.,  S.  7«  ff.,  S9  f.,  114  f. 


524  A.  Peter, 

Eine  ebensolche  Schichte  von  verkieselten  Zellen  fand 
schon  Mo  hl1  im  Periderm  von  Boswellia  papyrifera  Rieh,  und 
nennt  diese  Zellen  »Faserzellen«.  Diese  Bezeichnung  wählte 
Mo  hl  wohl  nicht  mit  Rücksicht  auf  die  Form  der  Zellen, 
sondern  wegen  der  Struktureigentümlichkeit  der  Zellhaut,  was 
ich  nur  deshalb  bemerke,  weil  man  jetzt  unter  »Faserzellen« 
wohl  nur  histologische  Elemente  von  faserförmiger  Gestalt  ver- 
steht. 

Eine  genauere  Darstellung  der  Gestaltsverhältnisse  der 
genannten  Phelloidzellen  gibt  zum  Teil  auf  Grund  der  schon 
von  Mohl  gegebenen  Beschreibung  De  Bary.2 


Fig.  3. 

Phelloidzellen  in  der  Flächenansicht  nach  der  Veraschung  und 
Behandlung  mit  Salzsäure. 

Mo  eller8  scheint  ein  ähnliches  Phelloid  bei  Amyris  beob- 
achtet zu  haben,  wo  aber  eine  Sklerosierung  der  Außen- 
wände stattfinden  soll. 

Hauptsächlich  wird  am  Stamm  unserer  Boswellia  Ober- 
flächenperiderm  gebildet.  Stellenweise  findet  auch  Borkebildung 
statt,  doch  nur  in  sehr  geringem  Maße.  Die  innere  Periderm- 
bildung  dringt  dabei  wenig  in  die  Rinde  ein,  so  daß  nur  sehr 
kleine  Rindenpartien  und  zwar  hauptsächlich  Parenchym  und 


*  Mohl,  Bot.  Zeitung,  1861,  S.  229. 

2  De  Bary,  1.  c,  S.  117. 

8  Mo  eller,  Anatomie  der  Baumrinden.  Berlin,  1883,  S.  321  f. 


Vegetationsorgane  von  Boswtllia  Carteri  Birdw.  525 

Sklerenchym,  selten  auch  Sekreträume  abgestoßen  werden. 
Da  die  Bildung  des  inneren  Periderms  nur  in  den  seltensten 
Fällen  eine  wiederholte  ist,  so  erscheinen  die  abgestoßenen 
Rindengewebskörper  in  den  Korkhäuten  eingebettet  und  zwar 
in  Gestalt  kleiner  Knöllchen  oder  flach  linsenförmiger  Körper. 
Letztere  können  einen  Durchmesser  bis  zu  1  cm  erreichen. 

Wider  Erwarten  ist  die  Borke  an  jungen,  noch  mit  einer 
Epidermis  bedeckten  Trieben  viel  stärker  und  reichlicher  ent- 
wickelt als  die  der  älteren  Zweige  und  des  Stammes.  An  den 
jungen  Zweigen  bildet  sie  lange  und  breite  Längsstreifen,  die 
vermöge  ihrer  dunklen  Färbung  besonders  auffallen,  und  ent- 
hält nebst  Teilen  der  primären  Rinde  noch  Bastfaserbündel 
und  Sekreträume. 

Anatomie  der  Wurzel. 

Zur  Untersuchung  lag  mir  außer  einem  gut  erhaltenen 
Stücke  (Alkohol material)  noch  ein  getrockneter  Wurzelteil  vor, 
von  dem  aber  nur  Holz  und  Mark  erhalten  und  zur  Unter- 
suchung geeignet  waren.  In  ihrem  anatomischen  Bau  weisen 
die  beiden  Wurzelstücke  manche  wesentlichen  Unterschiede 
auf.  Zunächst  wende  ich  mich  zur  Beschreibung  der  anatomi- 
schen Verhältnisse  des  Alkoholmateriales. 

Das  Mark  desselben  besteht  aus  unverholzten  und  zart- 
wandigen  Parenchymzellen  und  bildet  kein  zusammenhängendes 
Gewebe,  sondern  setzt  sich  aus  isolierten  Zellgruppen  von  ver- 
schiedener Mächtigkeit  zusammen,  zwischen  denen  aus  Gefäßen 
und  sehr  wenigen  Libriformfasern  bestehende  Xylemstränge  in 
Windungen  verlaufen.  Je  weiter  die  Markteile  vom  Wurzel- 
zentrum entfernt  sind,  desto  mehr  nehmen  sie  an  Größe  ab. 
Die  Verschiebung  gegen  die  Peripherie  geht  in  der  Regel  nicht 
über  das  erste  Drittel  des  Holzkörpers  hinaus.  Die  größeren 
Markkörper  enthalten  je  einen  kleinen  und  kugeligen  Sekret- 
raum. Als  Inhalt  der  Markzellen  tritt  Stärke  und  oxalsaurer 
Kalk  auf.  Die  zwischen  den  Markteilen  durchziehenden  Holz- 
stränge vereinigen  sich  häufig  zu  einem  einzigen  großen  zen- 
tralen Strang.  Regelmäßig  ist  dies  aber  in  den  Stellen  der  Wurzel 
der  Fall,  welche  infolge  äußeren  Druckes  zusammengepreßt 
sind.  Es  gewinnt  den  Anschein,  als  ob  diese  Verdrängung  und 


526  A.Peter, 

Verteilung  des  Markgewebes  auf  Druck  zurückzuführen  sei 
Dem  widerspricht  aber  der  Umstand,  daß  in  dem  anderen 
Exemplar,  welches  keinerlei  auf  Pressungen  zurückzuführende 
Merkmale  erkennen  läßt,  das  Mark  durchwegs  von  den  in 
Rede  stehenden  Holekörper  verdrängt  ist.  Letzterer  hebt  sich 
am  Querschnitte  charakteristisch  von  dem  übrigen  Hotek<kper 
ab  und  zwar  infolge  der  dichten  Anordnung  der  Gefäße,  die 
sich  noch  durch  ihr  größeres  Lumen  (Maximum  0- 143  mm) 
von  den  übrigen  unterscheiden,  und  ferner  durch  das  Fehlen 
van  Markstrahlen. 

Die  Libriformfasern  des  Wurzelholzes  sind  im  Gegensätze 
zu  denen  des  Stammes  durchwegs  dünnwandig.  Auch  hier  setzt 
sich  das  gesamte  Libriform  aus  Gruppen  relativ  «Jick-  und 
dünnwandigerer  Elemente  zusammen.  Doch  ist  der  Unterschied 
in  der  Membranverdickung  nur  sehr  gering.  Eine  Gliederung 
der  Verdickungsschichten  in  zwei  distiokte  Lamellen  ist  nicht 
vorhanden.  Während  sämtliche  Librifonnfasern  bei  Behandlung 
mit  Anilinsulfat  oder  nach  Mäule1  mit  Kaliuinpermaaganat- 
Salzsäure-Ammoniak  deutlich  Verholzung  zeigen,  färben  sich 
mit  Phioroglucin-Salzsäure  nur  die  gegen  die  Peripherie  zu 
gelegenen  (jüngeren)  Libriformfasern  intensiv,  die  älteren 
dagegen  gar  nicht  oder  nur  sehr  wenig.  Ein  Unterschied  im 
anatomischen  Bau  besteht  zwischen  beiden  nicht. 

Der  anatomische  Bau  der  Mittel-  und  Innenrmde  ist  bei 
der  Wurzel  analog  dem  des  Stammes  bis  auf  das  Fehlen  der 
Bastfasern  und  Skterenchymzeüen-  Auch  sind  die  Sekreträume 
größer  und  zahlreicher  als  in  der  Rinde  des  Stammes.  Die  Aufiea- 
rinde  (Fig.  10),  welche  aus  einem  Oberflächenperiderm  besteht, 
enthält  der  Hauptmasse  nach  gewöhnliche  Korkzellen  (p);  in 
dieser  Grundmasse  eingebettet  liegen  Platten  von  Sklerenchym- 
zellen  (s,  sk).  Durch  dieses  Sklerenchym,  welches  in  großen 
Mengen  vorhanden  ist,  erhält  das  Perkierm  ein  festes  und 
widerstandsfähiges  Gefüge. 

Was  das  getrocknete  Wurzelmaterial  anbelangt,  so  wurde 
schon  früher  erwähnt,  daß  dessen  Bau  von  jenem  des  Alkohol- 


i  Fünfstück,   Beiträge  zur  wissenschaftl.  Bot.,   1901,  öd.  IV,  2.  Abt., 
S. 166  ff. 


Vegetationsorgane  von  Boswellia  Carieri  Birdw.  527 

materiales  in  mancher  Hinsicht  abweicht.  Im  folgenden  will  ich 
mich  bloß  auf  die  Darstellung  dieser  Unterschiede  beschränken. 

Während  bei  dem  vorigen  Wurzelstücke  die  zwischen  den 
Markkörpern  verlaufenden  Xylemstränge  stellenweise  sich  zu 
einem  einzigen,  großen,  zentralen  Xylemstrang  vereinigen,  tritt 
hier  in  dem  getrockneten  Material  an  Stelle  des  Markes  durch- 
wegs ein  Xylemstrang  auf,  welcher  zum  Unterschiede  von  dem 
vorigen  nebst  Gefäßen  auch  reichlich  Ltbriform  enthält.  Vom 
Markgewebe  sind  nur  kleine,  aus  wenigen  Zellen  bestehende 
Partien  teils  im  zentralen  Xylemstränge,  teils  im  sekundären 
Holze  zu  finden. 

Das  Libriform  ist  ausnahmslos  dickwandig.  Mit  Phloro- 
glucin-Salzsäure  behandelt,  geben  auch  die  Libriformfasern  des 
älteren  Holzes  deutlich  Holzstoffreaktion. 

Ob  die  angeführten  Unterschiede  individuelle  sind  oder 
als  lokale,  auf  bestimmte  Ursachen  zurückzuführende  Erschei- 
nungen aufzufassen  sind,  konnte  mangels  an  genügendem 
Materiale  nicht  untersucht  werden. 

Anatomie  des  Blattes. 

Das  Blatt  ist  schon  oben  beschrieben  worden,  so  daß  ich 
gleich  auf  die  anatomischen  Verhältnisse  seiner  Teile  eingehen 
kann. 

Der  Blattstiel  stimmt  in  Lage  und  Anordnung  der  Gefäß- 
bündel und  Sekreträume  mit  dem  jungen  Stamm  überein.  Wie 
bei  diesem  sind  auch  hier  die  Epidermiszellen  klein  und  haben 
fast  gleichmäßig  verdickte  Membranen  (Fig.  6).  Die  von  kleinen 
Schließzellen  gebildeten  Spaltöffnungen  sind  in  Längsreihen 
angeordnet  und  liegen  entweder  in  der  Ebene  der  Epidermis 
oder  überragen,  was  bei  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fall 
ist,  infolge  von  Erhebung  der  Nebenzellen  die  Rindenoberfläche 
(Fig.  6,  sp). 

Die  achsial  gestreckten  Zellen  der  primären  Rinde  (Fig.  8) 
haben  stark  entwickelte  und  mit  einfachen  runden  Poren  ver- 
sehene Membranen.  Als  Zellinhalt  tritt  hier  oxalsaurer  Kalk  und 
zwar  fast  ausschließlich  in  Form  von  Drusen  auf.  Unterhalb 
jeder  Spaltöffnungsreihe  liegt,  in  das  primäre  Rindengewebe  ein- 
gesenkt, ein  sowohl  der  Transpiration  als  auch  der  Assimilation 

Sitzb.  d.mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  34 


A.  Peter, 


Z*r^L_'2  des  Marki*ewebes  auf  Druck  zurückzuführen  sc, 
lßz-L  wvrerscr.ce:  aber  der  Umstand,  daß  in  dem  andere? 
EifKur.  weches  keinerlei  auf  Pressungen  zurückzuflibreoo 
)c±r*aai£  erkennen  '.ä£t  das  Mark  durchwegs  von  dem  w 
keoe  vieVndei:  Koizkörper  verdrängt  ist  Letzterer  hebt  sie 
i-r  jjersenm^e  charakteristisch  von  dem  übrigen  Hotekikpt. 
u  :-:  rwrar  mioige  der  dichten  Anordnung  der  Gelaße,  du 
sac~  r>:<±  zktreh  ihr  größeres  Lumen  (Maximum  0  143  m» 
t-  -c  den  ürfjgec  unterscheiden,  und  lerner  durch  das  Fehk; 

*  :  -  MarKstrahien. 

Die  Lftcnibrmfasern  des  Wurzelholzes  sind  im  Gegensatz. 
z*.  jeaec  des  Stasimes  durchwegs  dünnwandig.  Auch  hier  setz. 
s  -i  j_ls  zesa^.re  Libriform  aus  Gruppen  relativ  dick-  ihk 
:-val-:  .rerer  Elemente  zusammen.  Doch  ist  der  Unterschied 
:-  der  Merrbranverdickung  mir  sehr  gering.  Eine  Gliederung 
der  Verdickungsschichten  in  zwei  distiokte  Lamellen  ist  nich 

*  ortenden.  Während  sämtliche  Librifonnfasern  bei  Behandlung 
rr :.:  Aräünsuifat  oder  nach  Maule1  mit  Kaliumpermanganat- 
S^zsä^re-Ammoniak  deutlich  Verholzung  zeigen,  färben  sich 
m::  Pbtorogkicm-Salzsaure  nur  die  gegen  die  Peripherie  m 
^e-'egeaen  t  jüngeren)  Libriformfasern  intensiv,  die  ältere« 
cj^ezen  gar  nicht  oder  nur  sehr  wenig.  Ein  Unterschied  im 
ar-at  «nisrhr«  Bau  besteht  zwischen  beiden  nicht  | 

Der  anatomische  Bau  der  Mittel-  und  Innenrmde  ist 
«ier  Wurzel  aoalog  dem  des  Stammes  bis  auf  das  Fehlen 
Bastfasern  und  Sfc  leren  ehymzeüeo.  Auch  sind  die  Sekrctr^uäT 
f^ö&er  und  zahlreicher  als  in  d>er  Kinde  des  Stammst  Dia  AuÄ** 
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enthält  der  Hauptmasse  nach  gewöhnliche  Kork»: 
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526  A.Peter, 

Zerieilung  des  Markgewebes  auf  Druck  zurückzuführen  sei 
Dem  widerspricht  aber  der  Umstand,  daß  in  dem  anderen 
Exemplar,  welches  keinerlei  auf  Pressungen  zurückzuführende 
Merkmaie  erkennen  läßt,  das  Mark  durchwegs  von  -dem  in 
Rede  stehenden  Holekörper  verdrängt  ist  Letzterer  hebt  sich 
am  Querschnitte  charakteristisch  voo  dem  übrigen  Hoizköiper 
ab  und  zwar  infolge  der  dichten  Anordnung  der  Gefäße,  die 
sich  noch  durch  ihr  größeres  Lumen  {Maximum  0*143  «w«) 
von  den  übrigen  unterscheiden,  und  ferner  durch  das  Fehlen 
von  Markstrahlen. 

Die  Libriforaafasern  des  Wurzelholzes  sind  im  Gegensätze 
zu  denen  des  Staa&mes  durchwegs  dünnwandig.  Auch  faier  setzt     , 
sich  das   gesamte  Libriform   aus  Gruppen   relativ  -dick-  und    A 
dünnwandigerer  Elemente  zusammen.  Doch  ist  der  Unterschied    ., 
in  der  Membranverdickung  nur  sehr  gering.  Eine  Gliederung     . 
der  Verdickungsschichten  in  zwei  distiokte  Lamellen  ist  nicht 
vorhaben-  Während  sämtliche  Libriforarfasern  bei  Behandlung      * 
mit  Anilinsulfat  oder  nach  Mäule1  mit  Kaliumpermanganat-     ^ 
Salzsäure-Ammomak  deutlich  Verholzung  zeigen,  färben  sich 
mit  Phloroglucin-Salzsäure  mir  die  gsgen  die  Peripherie  zu 
gelegenen    (jüngeren)    Libriformfasern    intensiv,    die    älteren  D 
dagegen  gar  nicht  oder  nur  sehr  wenig.  Ein  Unterschied  im    ^ 
anatomischen  Bau  besteht  zwischen  beiden  nicht.  *  £i 

Der  anatomische  Bau  der  Mittel-  und  Innenrmde  ist  bei  N 
-der  Wurzel  aaaalog  dem  des  Stammes  bis  auf  das  Fehlen  der  'aItS1 
Bastfasern  und  Skterenchymzetten-  Auch  sind  die  Sekreträume  *** 
größer  und  zahlreicher  als  in  der  Rinde  des  Stammes.  Die  Außen*  ^ 
rinde  (Fig.  10),  welche  aus  einem  Oberflächenperiderm  bestettf  ^k 
enthält  der  Hauptmasse  nach  gewöhnliche  Korkzellen  (p);  if  ^  Se 
dieser  Grundmasse  eingebettet  liegen  Platten  von  SklerenchyraT  ^ 
zellen  fast).  Durch  dieses  Skierenchym,  welches  in  großei^V 
Mengen  vorhanden  ist,  erhält  das  Perkierm  ein  festes  um  öa  Er 
widerstandsfähiges  Gefüge. 

Was  das  getrocknete  Wurzelmaterial  anbelangt,  so  wur<$  S:aI  j 
schon  früher  erwähnt,  daß  dessen  Bau  von  jenem  des  Alkobor  eWvvj 
tyien 

i  Fünfstück,   Beiträge  zur  Wissenschaft!.  Bot.,   1901,  Bd.  IV,  2.  Ab'^üi 

S.  166  ff.  "Üj)gSl 


Vegetationsorgane  von  Boswellia  CarUri  Birdw.  527 

materiales  in  mancher  Hinsicht  abweicht.  Im  folgenden  will  ich 
mich  bloß  auf  die  Darstellung  dieser  Unterschiede  beschränken. 

Während  bei  dem  vorigen  Wurzelstücke  die  zwischen  den 
Markkörpern  verlaufenden  Xylemstränge  stellenweise  sich  zu 
einem  einzigen,  großen,  zentralen  Xylemstrang  vereinigen,  tritt 
hier  in  dem  getrockneten  Material  an  Stelle  des  Markes  durch- 
wegs ein  Xylemstrang  auf,  welcher  zum  Unterschiede  von  dem 
vorigen  nebst  Gefäßen  auch  reichlich  Libriform  enthält.  Vom 
Markgewebe  sind  nur  kleine,  aus  wenigen  Zellen  bestehende 
Partien  teils  im  zentralen  Xylemstränge,  teils  im  sekundären 
Holze  zu  finden. 

Das  Libriform  ist  ausnahmslos  dickwandig.  Mit  Phloro- 
glucin-Salzsäure  behandelt,  geben  auch  die  Libriformfasern  des 
älteren  Holzes  deutlich  Holzstoffreaktion. 

Ob  die  angeführten  Unterschiede  individuelle  sind  oder 
ais  lokale,  auf  bestimmte  Ursachen  zurückzuführende  Erschei- 
nungen aufzufassen  sind,  konnte  mangels  an  genügendem 
Materiale  nicht  untersucht  werden. 

Anatomie  des  Blattes. 

Das  Blatt  ist  schon  oben  beschrieben  worden,  so  daß  ich 
deich  auf  die  anatomischen  Verhältnisse  seiner  Teile  eingehen 
kna 

Der  Blattstiel  stimmt  in  Lage  und  Anordnung  der  Gefäß- 
üadel  und  Sekreträume  mit  dem  jungen  Stamm  überein.  Wie 
|te  diesem  sind  auch  hier  die  Epidermiszellen  klein  und  haben 
ist  gleichmäßig  verdickte  Membranen  (Fig.  6).  Die  von  kleinen 
ihließzellen  gebildeten  Spaltöffnungen  sind  in  Längsreihen 
[^geordnet  und  liegen  entweder  in  der  Ebene  der  Epidermis 
kier  überragen,  was  bei  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fall 
|x  infolge  von  Erhebung  der  Nebenzellen  die  Rindenoberfläche 
■&6fsp). 

Die  achsial  gestreckten  Zellen  der  primären  Rinde  (Fig.  8) 
[*-een  stark  entwickelte  und  mit  einfachen  runden  Poren  ver- 
"ene  Membranen.  Als  Zellinhalt  tritt  hier  oxalsaurer  Kalk  und 
^  ^  fast  ausschließlich  in  Form  von  Drusen  auf.  Unterhalb 
& Spaltöffnungsreihe  liegt,  in  das  primäre  Rindengewebe  ein- 
•*^Qkt,ein  sowohl  der  Transpiration  als  auch  der  Assimilation 

•  Ä-imathem.-naturw.  Kl.;  CX1I.  \w\.,  Abt.  I.  34 


526  A.Peter, 

ZerteiLung  des  Markgewebes  auf  Druck  zurückzuführen  sei 
Dem  widerspricht  aber  der  Umstand,  daß  in  dem  anderen 
Exempiar,  welches  keinerlei  auf  Pressungen  zurückzuführende 
Merkmale  erkennen  läßt,  das  Mark  durchwegs  von  «dem  in 
Rede  stehenden  Holekörper  verdrängt  ist  Letzterer  hebt  sich 
am  Querschnitte  charakteristisch  von  dem  übrigen  Holzkörper 
ab  und  zwar  infolge  der  dichten  Anordnung  der  Gefäße,  die 
sich  noch  durch  ihr  größeres  Lumen  (Maximum  0-143««*) 
von  den  übrigen  unterscheiden,  und  ferner  durch  das  Fehlen 
von  Markstrahlen. 

Die  Libriformfasern  des  Wurzelholzes  sind  im  Gegensatze 
zu  denen  des  Statmnes  durchwegs  dünnwandig.  Auch  hier  setzt 
sich  das  gesamte  Libriform  aus  Gruppen  relativ  <ück-  und 
dünnwandigerer  Elemente  zusammen.  Doch  ist  der  Unterschied 
in  der  Membranverdickung  mrr  sehr  gering.  Eine  Gliederung 
der  Verdickungsschichten  in  zwei  distiokte  Lamellen  ist  nicht 
vorhanden-  Während  sämtliche  libriformfasern  bei  Behandlung 
mit  Anilinsulfat  oder  nach  Maule1  mit  Kaliutnpermaqganat- 
Salzsäure-Ammoniak  deutlich  Verholzung  zeigen,  färben  sich 
mit  Phtoroglucin-Salz&äure  nur  die  gegen  die  Peripherie  zu 
gelegenen  (jüngeren)  Libriformfasern  intensiv,  die  älteren 
dagegen  gar  nicht  oder  nur  sehr  wenig.  Ein  Unterschied  im 
anatomischen  Bau  besteht  zwischen  beiden  nicht. 

Der  anatomische  Bau  der  Mittel-  und  Innenrkide  ist  bei 
der  Wurzel  analog  dem  des  Stammes  bis  auf  das  Fehlen  der 
Bastfasern  und  Skterenchymzetten.  Auch  sind  die  Sekreträume 
größer  und  zahlreicher  als  in  der  Rinde  des  Stammes.  Die  Aufteo- 
rinde  (Fig.  10),  welche  aus  einem  Oberflächenperiderm  besteht, 
enthält  der  Hauptmasse  nach  gewöhnliche  Korkzellen  (p);  in 
dieser  Grundmasse  eingebettet  liegen  Platten  von  Sklerenchym- 
zellen  (s,  sk).  Durch  dieses  Sklerenchym,  welches  in  großen 
Mengen  vorhanden  ist,  erhält  das  Periderm  ein  festes  und 
widerstandsfähiges  Gefüge. 

Was  das  getrocknete  Wurzelmaterial  anbelangt,  so  wurde 
schon  früher  erwähnt,  daß  dessen  Bau  von  jenem  des  Alkohol- 


i  Fünfstück,   Beiträge  zur  wissenschaftl.  Bot.,   1901,  Bd.  IV,  2.  Abt., 
S.  166  ff. 


Vegetationsorgane  von  Boswellia  Carleri  Birdw.  527 

materiales  in  mancher  Hinsicht  abweicht.  Im  folgenden  will  ich 
mich  bloß  auf  die  Darstellung  dieser  Unterschiede  beschränken. 

Während  bei  dem  vorigen  Wurzelstücke  die  zwischen  den 
Markkörpern  verlaufenden  Xylemstränge  stellenweise  sich  zu 
einem  einzigen,  großen,  zentralen  Xylemstrang  vereinigen,  tritt 
hier  in  dem  getrockneten  Material  an  Stelle  des  Markes  durch- 
wegs ein  Xylemstrang  auf,  welcher  zum  Unterschiede  von  dem 
vorigen  nebst  Gefäßen  auch  reichlich  Libriform  enthält.  Vom 
Markgewebe  sind  nur  kleine,  aus  wenigen  Zellen  bestehende 
Partien  teils  im  zentralen  Xylemstränge,  teils  im  sekundären 
Holze  zu  finden. 

Das  Libriform  ist  ausnahmslos  dickwandig.  Mit  Phloro- 
glucin-Salzsäure  behandelt,  geben  auch  die  Libriformfasern  des 
älteren  Holzes  deutlich  Holzstoffreaktion. 

Ob  die  angeführten  Unterschiede  individuelle  sind  oder 
als  lokale,  auf  bestimmte  Ursachen  zurückzuführende  Erschei- 
nungen aufzufassen  sind,  konnte  mangels  an  genügendem 
Materiale  nicht  untersucht  werden. 

Anatomie  des  Blattes. 

Das  Blatt  ist  schon  oben  beschrieben  worden,  so  daß  ich 
gleich  auf  die  anatomischen  Verhältnisse  seiner  Teile  eingehen 
kann. 

Der  Blattstiel  stimmt  in  Lage  und  Anordnung  der  Gefaß- 
bündel und  Sekreträume  mit  dem  jungen  Stamm  überein.  Wie 
bei  diesem  sind  auch  hier  die  Epidermiszellen  klein  und  haben 
fast  gleichmäßig  verdickte  Membranen  (Fig.  6).  Die  von  kleinen 
Schließzellen  gebildeten  Spaltöffnungen  sind  in  Längsreihen 
angeordnet  und  liegen  entweder  in  der  Ebene  der  Epidermis 
oder  überragen,  was  bei  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fall 
ist,  infolge  von  Erhebung  der  Nebenzellen  die  Rindenoberfläche 
(Fig.  6,  sp). 

Die  achsial  gestreckten  Zellen  der  primären  Rinde  (Fig.  8) 
haben  stark  entwickelte  und  mit  einfachen  runden  Poren  ver- 
sehene Membranen.  Als  Zellinhalt  tritt  hier  oxaf,frfurer  Kalk  und 
zwar  fast  ausschließlich  in  Form  von  Drusen  auf.  Unterhalb 
jeder  Spaltöffnungsreihe  liegt,  in  das  primäre  Rindengewebe  ein- 
gesenkt, ein  sowohl  der  Transpiration  als  auch  der  Assimilation 

Sitzb.  d.mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  34 


528  A.  Peter, 

dienender  lockerer  Gewebsstreif,  welcher  aus  dünnwandigen 
und  chlorophyllführenden  Parenchymzellen  zusammengesetzt 
ist  (Fig.  6;  8,/?). 

Die  Gefäßbündel  bilden  am  Querschnitt  einen  Kreis  (Fig.  8) 
Die  medianen  Bündel  sind  stärker  entwickelt  als  die  lateralen 
und  bilden  zwei  gegenüberliegende  kompakte  Bündelmassen, 
deren  Xyleme  lateral  gewöhnlich  durch  breite  Markstrahlen 
oder  dazwischen  geschobene  Sekretgänge  getrennt  sind.  Im 
Xylem  ist  Libriform  nur  spärlich  vorhanden,  dagegen  reich- 
licher intraxyläres  Cambiform,  welches  ähnlich  wie  im  Stamm 
auch  hier  in  Berührung  mit  dem  Marke  Libriformfasern  enthält 
Der  Cambiumring  ist  geschlossen  und  geht  auch  durch  die 
breiten  Markstrahlen  (Fig.  6).  Wo  Sekretgänge  zwischen  die 
Xylemteile  eingeschoben  erscheinen,  geht  das  Cambium  knapp 
unter  diesen  hinweg. 

Das  Phloem  setzt  sich  aus  Siebröhren,  Phloemparenchym 
und  Krystallkammerfasern  zusammen.  Nach  außen  ist  es  von 
einem  Bastfasermantel  geschützt.  Die  einzelnen  Bastbündel 
haben  am  Querschnitte  halbmondförmige  Gestalt  (Fig.  8;  6,  b). 
Die  Sekretgänge  sind  in  einem  Kreise  angeordnet  und  liegen 
einzeln  in  der  Konkavität  je  eines  Bastfaserbündels. 

Die  Markzellen  (Fig.  6,  m;  8,  m)  sind  weitlumig  und  haben 
derbe  und  verholzte  Membranen. 

In  dem  Hauptnerv  der  Blättchen  tritt  lateral  eine  voll- 
ständige Trennung  der  beiden  oben  beschriebenen  Bündel- 
massen ein  (Fig.  11).  Zugleich  ist  die  Zahl  der  Gefaßbündel 
besonders  in  der  oberen  Masse  reduziert.  Die  Reduktion  nimmt 
gegen  das  Ende  des  Nerves  zu,  so  daß  schließlich  nur  mehr 
ein  Bündel  der  unteren  Hälfte  mit  einem  Sekretgange  übrig 
bleibt.  Das  Mark  ist  zartwandig  und  unverholzt.  Hie  und  da 
beobachtete  ich  im  Markgewebe  eine  Platte  verholzter  und 
dickwandiger  Markzellen  (Fig.  1  l9p).  Die  Nebennerven  bestehen 
gleich  dem  Ende  des  Hauptnerves  aus  je  einem  Gefäßbündel. 

Die  Epidermis  der  Blattoberseite  (Fig.  12,  o)  ist  in  der 
Regel  einfach,  selten  und  nur  stellenweise  zusammengesetzt. 
Die  hohen  Oberhautzellen  sind  nach  außen  stark  verdickt.  Bei 
trockenem  und  Alkoholmateriale  sind  sie  von  einer  homogenen 
gelblichbraunen  Masse  erfüllt.  Zugleich  erscheinen  sie  infolge 


Vegetationsorgane  von  Boswellia  Carteri  Birdw.  529 

Wellung  ihrer  Seitenwände  etwas  verkürzt.  Die  Inhaltsmasse 
erweist  sich  in  Wasser  (auch  im  kochenden),  absolutem  Alkohol, 
Benzol,  Xylol,  Chloroform,  Äther  und  Schwefelkohlenstoff  als 
unlöslich,  dagegen  löst  sie  sich  leicht  in  Eau  de  Javelle,  Kali- 
lauge und  Säuren.  In  einem  lebenden  Blatt  aus  dem  botani- 
schen Garten  fand  ich  diesen  Inhalt  nicht,  sondern  nur  eine 
farblose  Flüssigkeit,  welche  die  turgeszierenden,  nicht  gewellt 
erscheinenden  Oberhautzellen  erfüllte.  Die  Epidermiszellen  der 
Blattunterseite  sind  klein  und  wenig  verdickt.  Die  der  Ober- 
seite eigentümliche  Inhaltsmasse  fehlt  hier.  Während  die  Spalt- 
öffnungen des  Blattstieles  in  der  überwiegenden  Mehrzahl 
erhöht  sind,  liegen  die  der  Lamina  fast  durchwegs  im  Niveau 
der  Epidermis.  Die  Behaarung  ist  an  der  Unterseite  etwas 
dichter  als  an  der  Oberseite.  Letztere  trägt  ausschließlich  ein- 
fache Haare,  die  Unterseite  dagegen  ebenso  wie  der  Blattstiel 
und  die  mit  einer  Epidermis  bedeckten  Zweige,  außerdem  noch 
Drüsenhaare  (Fig.  1,  14,  15).  Die  einfachen  Haare  (Fig.  15)  sind 
gekrümmt,  mehr-,  selten  einzellig  und  stellenweise  verholzt. 
Die  Verdickungsmasse  gliedert  sich  in  eine  dicke  Cuticular- 
schichte,  welche  nach  außen  kleine  warzenförmige  Vorsprungs- 
bildungen trägt  und  in  eine  schwächere,  in  der  Basalzelle  jedoch 
stärkere  Innenschichte.  Es  sei  noch  erwähnt,  daß  diese  Haare 
nicht  nur  einzeln,  sondern  auch  paarweise  anzutreffen  sind. 

Eine  Differenzierung  des  Mesophylls  in  Palisadengewebe 
undSchwammparenchym  ist  nur  undeutlich  ausgeprägt  (Fig.  12). 
Stellenweise  sind  Palisadenzellen  durch  Querwände  in  zwei 
Kammern  geteilt,  welche  als  Inhalt  lediglich  Drusen  von  oxal- 
saurem  Kalk  führen  (Fig.  12).  Regelmäßig  sind  diese  drusen- 
führenden Zellen  über  den  im  Blatte  verlaufenden  Gefäßbündeln 
(mit  Ausnahme  ihrer  feinsten  Verzweigungen)  anzutreffen. 

Anatomie  der  Sekretbehälter. 

Ein  besonderes  Interesse  bieten  die  Sekreträume,  welche 
in  allen  Teilen  der  Pflanze,  besonders  reichlich  aber  in  der 
Rinde  vorkommen. 

Das  Sekret  ist  ein  harz-  und  gummiführender  Milchsaft, 
der  bei  Verletzungen  aus  der  inneren  Rinde  und  dem  Mark  als 
weiße  opake  Masse  hervortritt  und  an  der  Luft  bald  zu  einer 

34* 


530  A.  Peter, 

homogenen  klaren  Masse  erstarrt.  Der  Milchsaft  besteht  aus 
einer  mit  kleinen  Harztröpfchen  durchsetzten  Gummilösung. 
Die  erstarrte  Masse  bildet,  mit  Wasser  behandelt,  eine  Emul- 
sion: In  einer  farblosen  Flüssigkeit  schwimmen  kleine  Tröpf- 
chen, beziehungsweise  Körnchen  von"  Harz,  von  denen  die 
kleinsten  in  Molekuiarbewegung  sich  befinden. 

Die  Sekreträume  entstehen,  wie  auch  Tschirch1  angibt, 
schizogen  und  zwar  in  folgender  Weise:  Zu  einer  Gruppe 
vereinigte  Zellen  (Fig.  5),  die  sich  durch  ihre  besonders  zarten 
Membranen  von  den  benachbarten  Zellen  unterscheiden  und 
sich  auf  eine  Mutterzelle  zurückführen  lassen,  werden  zu 
Secernierungszellen.  Durch  Auseinanderweichen  bilden  sie 
zuerst  einen  unregelmäßigen,  später  am  Querschnitte  kreis- 
förmigen Intercellularraum.  Infolge  radialer  und  tangentialer 
Teilung  der  Secernierungszellen  wird  der  Sekretraum  ver- 
größert. Letzterer  ist  entweder  kugelig  oder  als  langgestreckter 
Intercellulargang  mit  mannigfachen  Biegungen  und  Ausstül- 
pungen ausgebildet.  Eine  nachträgliche  Auflösung  der 
den  Intercellularraum  umgebenden  Zellen  tritt  nicht 
ein.  Wohl  können  hie  und  da,  besonders  bei  Alkoholmaterial, 
durch  Schrumpfungen  der  Secernierungszellen  und  des  Sekretes 
hervorgerufene  Verzerrungen  einen  Zweifel  an  den  schizogenen 
Charakter  der  betreffenden  Sekreträume  erwecken ;  doch  nach 
Behandlung  dieser  Schnitte  mit  Eau  de  Javelle  und  nach  even- 
tuellem Färben  treten  die  Secernierungszellen  mit  aller  Schärfe 
und  ohne  irgendwelche  Auflösungserscheinungen  hervor. 

Die  ersten  Sekreträume  entstehen  im  Stamm  in  der  Kon- 
kavität je  eines  Bastfaserbündels  einzeln  oder  zu  zweien 
(Fig.  1 ,  5).  Die  folgenden  haben  ihren  Ursprung  im  Cambium, 
respektive  Interfascicularcambium,  später  auch  im  Phelloderm. 
Durch  innere  Peridermbildung  können  einzelne  Sekreträume 
mit  der  Borke  auch  abgestoßen  werden.  Die  zuerst  gebildeten 
Intercellularräume  sind  im  allgemeinen  kleiner  als  die  später 
angelegten.  Erstere  haben  nämlich  als  häufigsten  Wert  für  den 


1  Tschirch,  Angewandte  Pflanzenanatomie.  Wien  und  Leipzig,  1889, 
Bd.  I,  S.  498  f.  —  Berichte  der  deutschen  bot.  Gesellschaft,  Berlin,  1888, 
Bd.  VI,  S.  13. 


Vegetationsorgane  von  Boswcllia  Carteri  Birdw.  531 

Durchmesser  0 -017  mm ,  letztere  0'046ww.  Das  Maximum 
beträgt  0  *143  mm. 

Im  Marke  des  Stammes  ist  die  Zahl  der  Sekreträume  sehr 
gering.  Im  Vergleiche  mit  denen  der  Rinde  sind  sie  meist  kleiner, 
indem  als  häufigster  Wert  des  Durchmessers  0*015 mm  gilt. 
Sie  liegen  einzeln  oder  bis  zu  dreien  im  intraxylären  Cambi- 
form  (Fig.  2),  seltener  in  den  Markkronen.  Nur  in  den  seltensten 
Fällen  konnte  ich  sie  tiefer  im  Marke  antreffen.  Vom  Marke 
aus  biegen  einzelne  Sekretgänge  durch  breite  Markstrahlen  in 
die  Verzweigungen  des  Stammes  ein.  Im  Marke  werden  die 
Sekreträume  später  als  in  der  Rinde  angelegt,  und  zwar  kurz 
bevor  sämtliche  Markzellen  in  das  Dauerstadium  treten,  und 
nachdem  schon  Interfascicularholz  gebildet  ist. 

Am  zahlreichsten  und  größten  sind  die  sekretführenden 
Intercellularen  in  der  Wurzelrinde,  wo  deren  Durchmesser  als 
häufigsten  Wert  0-049  mm,  als  Maximum  0  187  mm  erreicht. 
Im  Wurzelmarke  sind  die  Sekreträume  nur  in  den  größeren 
Markkörpern  und  zwar  als  kleine  kugelige  Intercellularen  zu 
finden. 

In  den  Gefäßbündeln  der  Blätter  findet  man  nur  lang- 
gestreckte Sekretgänge,  welche  bis  in  die  feinsten  Verzwei- 
gungen der  Gefäßbündel  reichen  und  nach  außen  stets  durch 
Bastfaserbündel  geschützt  sind. 

Anatomie  des  Vergleichsmateriales. 

Wie  ich  schon  in  der  Einleitung  sagte,  stand  mir  zum  Ver- 
gleiche Herbarmaterial  aus  Kevv  zur  Verfügung.  Es  besteht 
aus  einigen  Blättchen  von  Bosrvellia  Carteri  Birdw.,  die  im 
Jahre  1862  von  Playfair  im  Somalilande  gesammelt  wurden, 
und  aus  je  einem  Zweigstücke  von  Bosrvellia  Carteri  Birdw. 
und  Bosrvellia  Bhau-Dajiana  Birdw.,  welche  von  W.  Wyke- 
ham  Perry  im  Jahre  1878  von  der  Somaliküste  nach  England 
gebracht  wurden. 

Das  als  Bosrvellia  Carteri  bezeichnete  Material 
stimmt  im  anatomischen  Bau  im  allgemeinen  mit  der 
von  mir  untersuchten  Pflanze  aus  Südarabien  überein« 
Unterschiede  sind  insofern  vorhanden,  als  die  Blättchen  aus 
dem  Kewenser  Herbar  dichter  behaart  sind  und  die  Markzellen 


532  A.  Peter, 

des  Zweigstückes  etwas  dickwandiger  und  reichlicher  getüpfelt 
erscheinen  als  bei  der  meiner  Untersuchung  zugrunde  gelegten 
Pflanze. 

Von  dem  als  Boswellia  Bhau-Dajiana  bestimmten  Ver- 
gleichsmaterial konnte  ich  wegen  zu  weit  vorgeschrittenen 
Zerfalles  nur  das  Periderm,  Holz  und  Mark  untersuchen.  Diese 
Teile  stimmen  in  ihrem  anatomischen  Baue  mit  den  ent- 
sprechenden Teilen  von  Boswellia  Carteri  nicht  vollständig 
überein. 

Während  nämlich  bei  Boswellia  Carteri  das  Phelloid  aus 
stets  einschichtigen  Lagen  von  Zellen  besteht,  setzt  sich  das- 
selbe bei  Boswellia  Bhau-Dajiana  aus  mehreren  Schichten 
zusammen.  Außerdem  ist  die  einseitige  Verdickung  der  Phelloid- 
zellen  hier  minder  stark  entwickelt;  ferner  zeigen  die  in  das 
Zellumen  vorspringenden  Verdickungsleisten  hinsichtlich  ihrer 
Stärke  alle  Abstufungen  bis  zur  scheinbaren  Streifung. 

Das  Holz  zeichnet  sich  durch  die  dünnen  Membranen 
seiner  Libriformfasem  aus  und  erinnert  dadurch  an  das  Wurzel- 
holz von  Boswellia  Carteri.  Wie  im  letzteren  kann  man  auch 
hier  dünn-  und  dickwandigere  Fasern  unterscheiden.  Sämt- 
liche Libriformelemente  sind  stark  verholzt. 

Während  bei  Boswellia  Carteri  die  Markzellen  mit  nur 
wenigen  Ausnahmen  verholzt  sind,  sind  sie  bei  Boswellia 
Bhau-Dajiana  durchwegs  unverholzt  und  dünnwandig. 

Auf  Grund  der  soeben  angeführten  Abweichungen  kann 
man  Boswellia  Carteri  von  Boswellia  Bhau-Dajiana  bei  ana- 
tomischer Untersuchung  mit  Sicherheit  unterscheiden. 

Resume. 

Der  Hauptzweck  der  vorliegenden  Untersuchung  war,  die 
anatomischen  Verhältnisse  der  Gattung  Boswellia  genauer  als 
bis  jetzt  zu  studieren  und  damit  einen  Beitrag  zur  Anatomie 
der  Burseraceen  zu  liefern,  über  welche  zumeist  nur  gelegent- 
liche und  deshalb  lückenhafte  Beobachtungen  vorliegen. 

Auch  für  die  allgemeine  Histologie  hat  diese  Arbeit  einige 
Resultate  geliefert.  Die  wichtigsten  derselben  sind: 

1.  Die  Rückbildung  eines  kollenchymatischen  Gewebes  in 
ein  Parenchym  (Mark  und  primäre  Rinde  des  Stammes); 


Vegetationsorgane  von  Boswcllia  Carteri  Birdw.  533 

2.  das  Auftreten  eines  intraxylären  Cambiforms  im  älteren 
Teile  des  sekundären  Holzes  in  den  gestauchten  Basalteilen 
junger  Triebe.  Hieraus  folgt,  daß  das  intraxyläre  Cambiform 
im  vorliegenden  Falle  nicht  als  ein  reduziertes  Phloem  eines 
kollateralen  Bündels  aufgefaßt  werden  kann; 

3.  die  Bildung  von  Wundkork  in  Markflecken; 

4.  die  Zusammensetzung  des  Markes  der  Wurzel  aus  iso- 
lierten Zellgruppen,  zwischen  denen  Xylemstränge  verlaufen; 

5.  die  Bildung  von  Sklerenchym  im  Phelloderm  des 
Stammes. 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel  I. 


Fig.  1.  Vergr.  80.  Stammquerschnitt  knapp  unter  der  Vegetationsspitze,  p)  Peri- 
derm  mit  der  Oberhaut;  ph)  Phellogen;  c)  primäre  Rinde;  s)  Sekret- 
raum; in  der  die  Sekreträume  nach  außen  umgebenden  Bastfaser- 
anlage stellen  die  dickwandigen  und  dunkelkonturierten  Elemente 
bereits  ausgebildete  Bastfasern  dar;  n)  Gruppe  von  später  oblite- 
rierenden Elementen ;  G)  Gefäßprimanen ;  m)  Mark. 

Fig.  2.  Vergr.  55.  Stammquerschnitt  durch  ein  älteres  Stadium  als  vorher; 
e)  kollabierte  Epidermis  mit  darunterliegendem  Periderm;  der  kollen- 
chymartige  Charakter  der  primären  Rinde  ist  bereits  verwischt;  b)  voll- 
ständig entwickelter  Bastbeleg;  s)  Sekretraum;  o.  s.)  obliterierter  Sieb- 
teil; c)  Cambium;  h)  Protoxylem,  dessen  Gefäße  stellenweise  Thyllen 
führen;  ein  Teil  des  intraxylären  Cambiforms  ist  dem  Protoxylem  gegen 
das  Mark  (m)  zu  vorgelagert  und  enthält  einen  Sekretraum. 

Fig.  3.  Vergr.  190.  Tangentialer  Schnitt  durch  das  Holz  des  Stammes.  G)  Gefäß 
mit  polyedrisch  abgeplatteten  Hoftüpfeln;  m)  ein  Markstrahl.  Die 
übrigen  Holzelemente  gehören  teils  dem  Holzparenchym,  teils  dessen 
Obergängen  zum  Libriform  an.  Die  Stärke  ist  nur  zum  Teil  in  die 
Zeichnung  eingetragen. 

Fig.  4.  Vergr.  270.  Holz  des  Stammes  im  Querschnitte.  G)  Gefäß  mit  Thyllen; 
h)  Hoftüpfel;  Details  derselben  konnten  in  die  Zeichnung  nicht  ein- 
getragen werden;  V)  Libriform  mit  stark  entwickelten  Verdickungs- 
schichten,  die  in  zwei  distinkte  Lamellen  gegliedert  sind ;  l)  Libriform 
mit  schwächeren  Verdickungsschichten. 


534  A.  Peter,  Vegetationsorgane  von  Boswdlia  Carltri  Birdw. 

Tafel  II. 

Fig.  5.  Vergr.  365.  Anlage  eines  Sekretraumes  (s)  aus  der  unmittelbaren  Nähe 
des  Cambiumringes. 

Fig.  6.  Vergr.  145.  Ein  Teil  des  Blattstieles  im  Querschnitt,  sp)  erhöhte  Spalt- 
öffnung; darunter  liegt  in  das  dickwandige  Gewebe  der  primären 
Rinde  eingesenkt  ein  lockeres,  zartwandiges  Parenchym;  b)  Bastbeleg; 
s)  Sekretgang;  c)  Cambium;  h)  Xylem;  m)  Mark. 

Fig.  7.  Vergr.  60.  Querschnitt  durch  die  Rinde  des  Stammes.  Oben  ein  Teil 
des  Periderms ;  sk)  Gruppe  von  Sklerenchymzellen,  von  denen  einzelne 
Krystalle  von  oxalsaurem  Kalk  enthalten.  Drei  Sklerenchymzellen  der 
unteren  Reihe  dieser  Gruppen  (rechts)  zeigen  einseitige  Membran- 
verdickung (nicht  schattierte  Partien  dieser  Zellen);  g)  gerbstoff- 
führende Zellen;  b)  isolierte  Bastfaserbündel;  o.  s.)  obliterierter  Siebteil. 

Fig.  8.  Vergr.  30.  Blattstiel  im  Querschnitt  (siehe  Fig.  6);  etwas  schematisiert; 
p)  chlorophyllführendes  lockeres  Parenchym  mit  darüberliegender  er- 
höhter Spaltöffnung;  x)  Xylem;  ph)  Phloem;  m)  Mark. 

Tafel  III. 

Fig.  9.  Vergr.  700.  Junge  Markzellen  des  Stammes  mit  kollenchymartig  ver- 
dickten Membranen,  a)  Poren. 

Fig.  10.  Vergr.  150.  Wurzelperiderm  (Querschnitt),  ph)  Phellogen;  sk)  jüngere, 
s)  ältere  Sklerenchymzellen;  p)  Korkgewebe. 

Fig.  11.  Vergr.  40.  Querschnitt  durch  den  Hauptnerv  des  unpaarigen  Blättchens. 
b)  Bastbeieg;  s)  Sekretgang;  m)  unverholzter,  p)  verholzter  Teil  des 
Markes. 

Fig.  12.  Vergr.  145.  Querschnitt  durch  einen  Teil  der  Blattlamina  (der  Zellinhalt 
durch  Eau  de  Javelle  entfernt),  o)  Oberhaut  der  Blattoberseite  (zum 
Teil  einfach,  zum  Teil  zusammengesetzt);  s)  Sekretgang  des  Gefätf- 
bündels;  links  Gefäße,  rechts  Bastfasern. 

Fig.  13.  Vergr.  190.  Sklerenchymzellen  aus  der  Stammrinde,  a)  einseitige  Ver- 
dickung. 

Fig.  14.  Vergr.  295.  Drüsenhaar. 

Fig.  15.  Vergr.  295.  Einfaches  Haar. 

Fig.  16.  Vergr.  400.  Einige  typische  Formen  der  Stärkekörner. 


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Sitzungsberichte  d.kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-iiaturw.  Gasse,  Bd.CXff.  Abth.1.1903. 


A.  Peter,  Anatomie  dVegetatiousorganft  v.Boswellia  Carteri  Birdw. 


Taf.H. 


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Sitzungsberichte  d.kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Classe,  Bd.CQL  Abth.1.1903. 


A.  Peter,  Anatomie  (LVegetationsorgune  v.Boswellia  Carteri  Birdw. 


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Siizun^xbcriclite  d.kaix.  Akacl.  d.  Wiss.,  iiiath.-naturw.  Clause,  Bd.CXII.  Abth.1.1903. 


SITZUNGSBERICHTE 

DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXII.  BAND.  VII.  HEFT. 


ABTEILUNG  I. 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MINERALOGIE, 

KRYSTALLOGRAPHIE,  BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 

PALÄONTOLOGIE,  GEOLOGIE,  PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  UND  REISEN. 


537 


XVII.  SITZUNG  VOM  2.  JULI  1903. 


Erschienen:  Sitzungsberichte,  Abt.  I,  Bd.  111,  Heft  X   (Dezember  1902). 

Der  Vorsitz  ende,  Prof.  E.  Sueß,  begrüßt  das  ausländische 
k.  M.  Generaldirektor  C.  L.  Griesbach  aus  Calcutta  gelegent- 
lich seiner  Teilnahme  an  der  heutigen  Sitzung. 

Prof.  Alois  Kreidl  in  Wien  spricht  den  Dank  für  die 
Zuerkennung  des  Theodor  Beer- Preises  aus. 

Dr.  G.  Holzknecht  hat  in  Fortsetzung  seiner  Unter- 
suchungen über  die  Wirkung  der  Radiumstrahlen  auf  patho- 
logische Prozesse  der  Haut,  zu  welchen  die  hohe  kaiserliche 
Akademie  die  Mittel  beigesteuert  hat,  gefunden,  daß  die  Radium- 
dermatitis  bei  der  flachen  Teleangiektasie  (Feuermal)  zum 
Schwinden  (Oblitterieren)  der  dieser  Affektion  zu  Grunde 
liegenden  Gefäßektasien  und  somit  zur  Heilung  derselben 
führt. 

Chefgeologe  G.  Geyer  besichtigte  am  16.  und  17.  Juni  d.  J. 
die  neuen  Aufschlüsse  in  den  beiden  Richtstollen  des  Bosruck- 
Tunnels  und  erstattet  hierüber  einen  Bericht. 

Das  k.  M.  Herr  Hofrat  Prof.  Dr.  E.  Ludwig  übersendet 
eine  Arbeit  von  Prof.  J.  Mauthner  und  Prof.  W.  Suida:  »Bei- 
träge zur  Kenntnis  des  Cholesterins«  (VI.  Abhandlung). 

Das  k.  M.  Hofrat  E.  Ludwig  übersendet  ferner  eine  Arbeit 
von  Dr.  Florian  Ratz  in  Graz  mit  dem  Titel:  Ȇber  die  Ein- 
wirkung der  salpetrigen  Säure  auf  die  Amide  der 
Malonsäure   und    ihrer  Homologen«    (I.  Abhandlung). 


538 

Der  Referent  der  Erdbeben-Kommission,  Direktor  Eduard 
Mazelle,  übersendet  eine  Arbeit  unter  dem  Titel:  »Erdbeben- 
störungen zu  Triest,  beobachtet  am  Rebeur-Ehlert- 
schen  Horizontalpendel  im  Jahre  1902.« 

Prof.  J.  Sobotka  in  Brunn  übersendet  eine  Abhandlung 
mit  dem  Titel:  »Zum  Normalenproblem  der  Kegel- 
schnitte.« 

Herr  Theodor  Filipescu,  Chemiker  im  Punzierungsamte 
in  Sarajevo,  übersendet  eine  Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Bei- 
träge zur  Tabakuntersuchung.  Herzegovinische  und 
makedonische  Tabake.    Eine   vergleichende   Studie.« 

Dr.  Klemens  Freiherr  v.  Pirquet  und  Dr.  Bela  Schick  in 
Wien  übersenden  ein  versiegeltes  Schreiben  behufs  Wahrung 
der  Priorität  mit  der  Aufschrift:  »Zur  Theorie  der  Krank- 
heit und  Immunität«  (II.  Mitteilung). 

Das  w.  M.  Hofrat  J.  Hann  überreicht  eine  Abhandlung 
von  Prof.  P.  Franz  Schwab  in  Kremsmünster  mit  dem  Titel: 
»Über  das  photo chemische  Klima  von  Kremsmünster.« 

Der  Sekretär,  Hofrat  V.  v.  Lang,  legt  eine  Arbeit  von 
Prof.  Dr.  W.  Müller-Erzbach  in  Bremen  vor,  welche  den 
Titel  führt:  »Der  Dampfdruck  des  Wasserdampfes  nach 
der  Verdampfungsgeschwindigkeit.« 

Derselbe  legt  ferner  eine  Arbeit  von  Dr.  A.  Lampa  vor, 
betitelt:  »Über  einen  Versuch  mit  Wirbelringen.« 

Das  w.  M.  Hofrat  A.  Lieben  überreicht  drei  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeiten: 

I.  »Darstellung  von  normalem  Dekan-1, 10-diol  durch 
Reduktion    von    Sebacinsäureamid«,     von     Rudolf 
Scheuble. 
II.  Ȇber  die  Einwirkung  von  Wasser  aufMethylen- 

bromid«,  von  Karl  Klöss. 
III.  Ȇber    die  Kondensation    von   Isobutyrformaldol 
mit  Malonsäure«,  von  A.  Silberstein. 


539 

Das  w.  M.  Hofrat  C.  Toldt  überreicht  eine  Arbeit  von 
Dr.  S.  v.  Schumacher,  betitelt:  Ȇber  die  Entwicklung 
und  den  Bau  der  Bursa  Fabricii.« 

Dr.  Alfred  Exner  legt  eine  von  ihm  in  Gemeinschaft  mit 
Dr.  G.  Holzknecht  verfaßte  Abhandlung  vor  mit  dem  Titel: 
»Die  Pathologie  der  Radiumdermatitis.« 

Dr.  Theodor  Pintner,  Professor  an  der  Universität  Wien, 
überreicht  eine  Abhandlung,  betitelt:  »Studien  über  Tetra- 
rhynchen  nebst  Beobachtungen  an  anderen  Band- 
würmern (III.  Mitteilung):  Zwei  eigentümliche  Drüsen- 
systeme bei  Rhynchobothrius  adenophisius  n.  und  histo- 
logische Notizen  über  Anthocephalus,  Amphilina  und 
Taenia  saginata.« 

Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Bowditch,  Charles,  P.:  Notes  on  the  report  of  Teobert  Maler 
in  memoirs  of  the  Peabody  Museum.  Vol.  II,  Nr.  II. 
Cambridge,  1903.  8°. 


542  Th.  Pintner, 

Alle  Cysten  dieser  mittleren  Größenkategorie,  die  gefärbten 
wie  die  ungefärbten,  enthalten  je  eine  Tetrarhynchenlarve  ein- 
geschlossen. Sie  sind  eiförmig,  birnförmig  oder  keulenförmig, 
selten  fast  kugelig.  Auch  durch  bedeutendere  Längsstreckung 
und  gleichzeitige  Krümmung  unregelmäßige  Formen  kommen, 
jedoch  gleichfalls  selten,  vor.  Das  Pigment  ist  meist  völlig 
unbestimmt  verteilt;  wolkig  oder  querstreifig  lagert  es  bald  mehr 
um  den  Äquator,  bald  mehr  an  den  Polen.  Es  erscheint  bei 
Formolkonservierung  und  Glyzerinaufhellung  aus  größeren  und 
kleineren  hellgraubraunen  Kugeln  und  Brocken  gebildet,  die 
bisweilen,  gegen  einander  abgeplattet,  fast  den  Eindruck  epi- 
thelial geordneter  Zellen  hervorrufen  möchten.  Wahrscheinlich 
sind  diese  bräunlichen  Massen  Zerfallsprodukte  der  Wirtsgewebe, 
die  das  Cysteninnere  füllen.  Die  nach  außen  von  ihnen  liegende 
Hauptmasse  der  Cystenwand  wird  von  einem  fibrillären  Gewebe 
konzentrisch  geordneter  Fasern  —  wohl  umgewandelter  Perito- 
nealelemente  —  gebildet,  die  den  Kapseln,  besonders  den  un- 
pigmentierten,  einen  matten  Seidenglanz  verleiht.  Außen  liegt 
dieser  Fasermasse  eine  lockere,  von  Kapillaren  reichlich 
durchzogene  Schichte  an,  innen  eine  sehr  dichte,  arm  an 
Gefäßen  und  sehr  kernreich.  Eine  schärfere  Trennung  der 
einzelnen  Zonen  fiel  mir  bei  der  allerdings  nur  auf  das  Wesent- 
lichste dieser  Verhältnisse  gerichteten  Untersuchung  nicht  auf. 
Ein  feinkörniger  Niederschlag  füllt  diskontinuierlich  den 
Zwischenraum  zwischen  Cystenwand  und  Larvenkörper  aus, 
diskontinuierlich  offenbar  infolge  der  Reagentienwirkung.  Er 
färbt  sich  nicht  allzu  lebhaft.  Oft  findet  man  die  Kapseln  beim 
Herauspräparieren  an  einem  fadenförmigen  Fortsatze  stärker 
festhängen  als  an  der  übrigen  Umgebung.  Der  Fortsatz  macht 
den  Eindruck  eines  Blutgefäßchens. 

In  den  vorstehenden  kurzen  Angaben  dürfte  man  leicht 
eine  Übereinstimmung  mit  den  Beschreibungen  wiederfinden, 
die  Mingazzini  (94,  00)  von  den  Elementen  der  Helminthen- 
cysten  gibt.1 


1  Daß  diese  Übereinstimmung  sich  nicht  auch  auf  die  sonderbaren 
Anschauungen  des  Autors  über  die  Cuticula  der  Cestoden  bezieht,  brauchte 
wohl  eigentlich  nicht  erst  besonders  betont  zu  werden. 


Studien  über  Tetrarhynchen.  543 

Die  schon  erwähnte  Gestalt  der  Cysten  läßt  gewöhnlich 
ohneweiters  ein  Vorder-  und  Hinterende  unterscheiden.  Das 
Vorderende,  durch  das  des  eingeschlossenen  Larvenkörpers 
bestimmt,  ist  meist  etwas  breiter,  quer  abgerundet,  bisweilen 
mit  einer  unscheinbaren  papillenartigen  Erhebung  versehen, 
das  Hinterende  dagegen  verschmälert,  hie  und  da  in  einen  birn- 
stielartigen  Fortsatz  ausgezogen.  Bei  den  unpigmentierten 
Cysten  schien  mir  diese  Birnform  verhältnismäßig  öfter  und 
ausgesprochener  vorzukommen.  Vielleicht  sind  diese  farblosen 
Cysten  jünger.  Sie  zeigen  auch  fast  regelmäßig  eine  deutliche 
Dorsoventralabplattung,  die  ja  auch  sonst,  bei  den  dunkeln,  vor- 
handen ist,  aber  hier  immerhin  etwas  zurücktritt. 

Es  muß  indessen  erwähnt  werden,  daß  ich  vereinzelt  die 
Larven  auch  in  umgekehrter  Lage  in  der  Cyste  vorfand,  d.  h. 
mit  ihrem  Vorderende  dem  vermeintlichen  Hinterende  der 
Kapsel  zugewandt.  Diese  Ausnahmen  könnten  in  verschiedene»* 
Weise  erklärt  werden.  Entweder  es  besteht  tatsächlich  keine 
gegenseitige  Abhängigkeit  zwischen  Cystenform  und  Lage  des 
Larvenkörpers,  und  das  Überwiegen  der  oben  genannten  Orien- 
tierungsweise ist  dann  nur  sozusagen  ein  zufälliges.  Oder: 
die  Cystenform  ist  nicht  eine  so  scharf  ausgeprägte,  daß  bei 
manchen  Kapsein  nicht  Vorder-  und  Hinterende,  zumal  nach 
Konservierung  und  Nadelbehandlung,  miteinander  verwechselt 
werden  könnten  —  dann  käme  die  vermeintlich  abweichende 
Orientierung  tatsächlich  gar  nicht  vor;  das  scheint  mir  am 
wahrscheinlichsten;  es  müßte  dann  allerdings  noch  genauer 
untersucht  werden,  ob  nicht  unabhängig  von  der  unzuverlässigen 
äußeren  Form  doch  bestimmte  Differenzierungen  an  der  Kapsel 
vorhanden  sind,  die  auf  eine  Polarität  deuten.  Oder  endlich 
drittens:  der  lebende  Larvenkörper  hätte  die  Fähigkeit,  in  der  Cyste 
sich  frei  zu  bewegen.  Hierüber  besitze  ich  keine  Beobachtungen, 
denn  ich  habe  ausschließlich  konserviertes  Material  untersucht. 

Ich  füge  daher  gleich  hier  über  die  Behandlung  einige 
Worte  an. 

Das  Cestodenmateriai  strömte  mir,  besonders  gegen  Ende 
März  1899,  in  der  zoologischen  Station  dank  der  eifrigen  Für- 
sorge Dr.  Lo  Bianco's  an  manchen  Tagen  in  solchen  Massen 
zu,   daß  die   Arbeitsstunden   bis   zum   Abend  kaum   für   das 

Sitzb.  d.  rnathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  35 


544  Th.  Pintner, 

Konservieren  hinreichten,  geschweige  denn  eine  sofortige  Unter- 
suchung ermöglicht  hätten,  wenn  nicht  ein  ganz  ungewöhn- 
licher Fund  oder  eine  spezielle  Frage  hiezu  nötigten.  Dies 
schien  mir  damals  bei  unserem  Objekte  nicht  der  Fall  zu  sein, 
umsoweniger  als  ich  bemerkt  hatte,  daß  aus  den  Kapseln  heraus- 
präparierte Larven  unter  dem  Deckgläschen  bei  Formolzusatz 
und  vorsichtiger  Glyzerinnachbehandlung  fast  völlig  das  Aus- 
sehen der  lebenden  Tiere  beibehielten.  Es  wurden  daher  nur 
wenige  Exemplare  in  der  genannten  Weise,  einige  mit  Sublimat 
getötet,  das  ganze  übrige  Peritoneum  in  toto  in  1  Teil  Formol 
-f-  4  Teile  Seewasser  hineingeworfen.  Die  Tiere  zeigen  wie 
die  Peritonealgewebe  selbst  noch  heute  die  glücklichste  Er- 
haltung. Der  Blasenkörper  ist  in  seinen  äußeren  Umrissen  oft 
zwar  ein  wenig  geschrumpft,  diese  Schrumpfung  stört  jedoch 
gar  nicht,  ist  sogar  bei  Glyzerinpräparaten  durch  leichten  vor- 
sichtigen Druck  des  Deckglases  zu  beseitigen.  Die  Tiere  nehmen 
alle  Färbungen  an  und  vertragen  jegliche  Nachbehandlung  zum 
Zwecke  des  Schneidens.  Mit  Glyzerin  aufgehellte,  nicht  oder 
leicht  tingierte  Exemplare  aber  zeigen  gewisse  Strukturdetails 
mit  einer  Deutlichkeit  und  Schönheit,  die  sonst  keine  andere 
Methode  erreicht,  sondern  nur  das  lebende  Tier  aufweist.  Sie 
bilden  so  eine  wertvolle  Ergänzung  der  Kanadabalsampräparate 
und  der  Schnitte,  die  mit  den  gebräuchlichen  Färbungsmethoden 
angefertigt  wurden. 

Der  stark  dorsoventral  abgeplattete  Larvenkörper  ist  im  all- 
gemeinen blatt-,  zungen-  bis  herzförmig  (Fig.  1  und  2).  Die  größte 
Breite  liegt  gewöhnlich  in  der  vorderen  Körperhälfte  (Fig.  2),  nach 
dem  Hinterende  zu  tritt  allmählich  Verschmälerung  ein.  Der 
Vorderrand  ist  meist  etwas  mehr  quer  abgerundet,  das  Hinter- 
ende zugespitzt.  Beide  können  ein  wenig  papillenförmig  er- 
hoben oder  umgekehrt  eingekerbt,  eingezogen  erscheinen, 
jedesmal  rings  um  die  beiden  hier  gelagerten  Öffnungen,  die 
Receptaculummündung  vorne  (mr)  und  die  Mündung  der  Harn- 
blase hinten  (&).  Auch  genau  elliptische  Larven  kommen  vor 
(Fig.  1).  Alles  das  hängt  ja  großenteils  von  dem  im  Momente 
der  Fixierung  vorhandenen  Kontraktionszustande  ab. 

Eine  helle,  durchsichtige  Randzone  umgibt  den  trüben, 
weniger  durchsichtigen  Kern  des  Larvenkörpers  an  den  Seiten 


Studien  über  Tetrarhynchen.  545 

und  hinten  (Fig.  1).  Fast  unmittelbar  an  dem  Vorderrande  liegt 
das  Receptaculum,  das,  verhältnismäßig  klein,  im  optischen 
Schnitt  von  der  Fläche  gesehen  rundlich,  auf  den  vordersten 
Teil  des  Larvenkörpers  beschränkt  bleibt.  Es  mündet  ebenfalls 
je  nach  dem  Kontraktionszustande  entweder  fast  unmittelbar 
oder  mit  einem  kurzen,  engen,  bisweilen  gekrümmten  Kanäl- 
chen nach  außen.  Im  Receptaculum  liegt  der  vorderste  Teil  der 
Scolexanlage  mit  den  Bothridien. 

Der  Bothridialteil  des  Scolex  ragt  als  ein  Knopf  ohne  oder 
mit  nur  sehr  kurzem,  dicken  Stiele  von  der  Hinterwand  her 
in  das  Lumen  des  Receptaculums  hinein  und  füllt  es  fast 
völlig  aus. 

Im  Hohlräume  des  Receptaculums  fidnet  sich  aufschnitten 
regelmäßig  neben  geronnener  Flüssigkeit  ein  mehr  oder  weniger 
kugeliger  Ballen,  der  geformte  Elemente  enthält,  gleichfalls  von 
geronnener  Substanz  zusammengeklebt.  Die  geformten  Elemente 
glichen  oft  den  Härchen  der  Receptaculumwand  (Fig.  6,  ge). 

Die  Scolexknospe  ist  meist  der  Längsrichtung  der  Larve 
entsprechend  orientiert,  bisweilen  aber  trotz  der  Kürze  des 
Stieles  um  etwa  90°  geknickt,  nach  der  Fläche  oder  nach 
der  Seite  umgewandt,  eine  Andeutung  jener  oft  mehrfachen 
Umknickungen,  die  bei  Formen  mit  längeren  Kopfstielanlagen 
im  Receptaculum  zu  finden  sind.  Die  Bothridien  liegen  fast 
regelmäßig  so  gefaltet,  daß  ihr  freier  Hinterrand,  nach  vorne 
umgeklappt,  dem  festgewachsenen  Vorderrande  angedrückt  ist. 
Der  Scolex  ist,  wie  man  ja  erwarten  muß,  so  orientiert,  wie  der 
Blasenteil :  wo  dieser  rechts  und  links  hat,  hat  es  auch  der 
Scolex,  seine  Dorsal-  und  Ventralflächen  liegen  so  wie  die  der 
Blase,  so  daß  z.  B.  Sagittalschnitte  der  Blase  meist  auch  ziemlich 
regelrecht  getroffene  Sagittalschnitte  des  Scolex  liefern.  Der 
Stiel  der  Knospe  enthält  nur  den  vordersten  Teil  der  Rüssel- 
scheiden mit  den  stets  eingestülpten  Rüsseln.  Der  hintere  Teil 
der  Rüsselscheiden  und  die  Muskelkolben  liegen  bereits  hinter 
dem  frei  ins  Receptaculum  ragenden  Teile  der  Scolexknospe: 
die  Rüsselscheiden  in  mehreren  Windungen  aufgeknäuelt,  dicht 
beieinander  gegen  die  Medianebene  zu,  die  Muskelkolben  quer- 
gestellt, mit  den  Hinterenden  nach  außen. 


35* 


546  Th.  Pintner, 

Stets  sind  bei  den  Larven  des  hier  geschilderten  Alters- 
stadiums, auch  bei  den  kleinsten,  Haken  und  Muskelkolben 
deutlich  entwickelt. 

Noch  weiter  nach  hinten  von  den  eben  besprochenen  Ge- 
bilden, die  durch  die  Wände  des  Larvenkörpers  hindurch- 
schimmern, folgt  eine  dichte,  dunkle  Zone  die  der  Scolex- 
anlage  unmittelbar  aufliegt  und  auch  allenthalben  der  Recepta- 
culumwand  seitlich  und  vorne  bis  zum  Mündungskanale  hin 
folgt.  Diese  dichten,  undurchsichtigen  Gewebe  lockern  sich 
nun  nach  den  Seiten  und  dem  Hinterende  des  Larvenkörpers  zu 
allmählich  auf  und  werden  hier  wieder  durchsichtiger  (Fig.  1 ). 

Die  dichtere  Zone  längs  der  Receptaculumwand  besteht 
nun  aus  zwei  wesentlich  voneinander  verschiedenen  Teilen. 
Der  eine  ist  der  hintere,  größere  Abschnitt  des  umgestülpten 
Scolexkörpers.  Wie  sonst  bei  Cestodenlarven  im  allgemeinen 
und  bei  Tetrarhynchen  im  besondere*  entwickelt  sich  nämlich 
auch  hier  der  Scolex,  teilweise  wenigstens,  in  Form  einer  Hohl- 
knospe, die,  über  den  knopfförmig  in  die  Receptaculumhöhle 
hineinragenden  Bothridienteil  nach  vorne  gezogen,  eben  einen 
Teil  der  Receptaculumwand  bildet.  Man  sieht  an  dieser,  wie  ich 
schon  anderwärts  ausgeführt  habe  (96,  p.  654  —  656,  Taf.  1, 
Fig.  2,  vn>  hu),  eine  Ringlinie,  im  optischen  Längsschnitte  einen 
leichten  wulstförmigen  Vorsprung,  der  sich  auch  durch  inten- 
sivere Färbung  der  Gewebe  kenntlich  macht  und  die  spätere 
Trennungszone  der  Scolexgewebe  von  denen  des  Blasenkörpers 
der  Larve  ist.  Freilich  sieht  man  das  hier  nicht  annähernd  so 
deutlich,  wie  bei  der  seinerzeit  beschriebenen  Larve  aus  Hept- 
anchus  und  überhaupt  nur  an  besonders  günstigen  Präparaten 
(Fig.  Ua,b). 

Es  bilden  also  die  Gewebe  des  Scolex:  Cuticula,  Epithel, 
Muskulatur,  Parenchym,  die  viel  kompakter  als  die  gleichen 
Elemente  des  Blasenkörpers  sind,  ungefähr  in  Form  eines  dünn- 
wandigen Hohlzylinders  den  hinteren  Teil  der  Receptaculum- 
wand. An  ihre  distale  Fläche  legt  sich  unmittelbar  der  Blasen- 
körper ringsum  an.  Dazu  kommt  nun  aber  noch  weiter  ein  dichtes 
Gewirr  einer  unglaublich  mächtigen  Drüsenmasse.  Im  vor- 
deren Teile  des  Blasenkörpers  kaum  entwirrbar,  zeigt  sie  dort, 
wo  an  den  Seiten  und  hinten  die  Elemente  sich  lockern,   ihre 


Studien  über  Tetrarhynchen.  547 

Zusammensetzung  aus  mächtigen  Drüsenleibern  mit  .langen 
Ausführungsgängen  (Fig.  1),  welch  letztere  sämtlich  nach  vorne 
zu  streben  und,  wie  wir  sehen  werden,  in  den  Körper  des 
Scolex  eintreten,  um  an  seinem  Stirnrande  zu  münden. 

Der  Blasenkörper  der  Larve  enthält  die  gewöhnlichen 
charakteristischen  Organe  und  Gewebe  der  Finne,  außerdem 
aber  eine  zweite  Art  von  Drüsen  in  großer  Anzahl,  nämlich 
relativ  lange,  tief  ins  Parenchym  versenkte  einzellige  Haut- 
drüsen (Fig.  2). 

Wir  werden  also  im  folgenden  zu  beschreiben  haben: 
1.  den  Blasenkörper,  2.  die  beiden  neuen  Drüsensysteme,  derent- 
wegen uns  diese  Larven  hauptsächlich  interessieren,  und  3.  die 
wichtigsten  Artcharaktere  des  Scolex. 


Maße  der  Cysten. 


Längs- 

Quer- 

Individuum 

durchmesser 

durchmesser 

1 

0-09  mm 

0-09  mm 

2 

0-12 

0-12 

3 

0-18 

0-15 

4 

0-24 

0-21 

5 

0-39 

0-30 

6 

0-63 

0-51 

7 

0-78 

0-42 

8 

2-31 

1-50 

9 

2-49 

1-74 

10 

2-55 

1-98 

11 

2-61 

1-71 

12 

2-85 

180 

13 

312 

1-41 

14 

3-72 

1-65 

15 

3 

2         Im 

16 

4 

2         iM 

Makroskopische  Messungen. 


548  Th.  Pintner, 

Maße  .freipräparierter  Larven   unter   leichtem  Deck- 
glasdruck. 

Längs-  Quer- 

individuum        durchmesser         durchmesser 

1  1-83  mm        0-87  mm 

2  1*98  1*05 

3  2-07  1-02 

4  2-28  1-02 

5  2-28  1*26 

6  2-31  0-9 

7  2-41  1-59 

8  2-58  0-96 

9  3-00  1-74 

10  3-51  1-68 

11  3-63  1*50 

12  3-63  1-83 

13  3-84  T53 

14  4*00  2         (Makroskopische  Messung  mit 

wohl  durch  stärkeren  Druck 
bedingten  Größenverhält- 
nissen.) 

Sc  olexm  essungen. 

Millimeter 

1.  2.  3.  4. 

Länge  des  ausgestülpten  Teiles  0  ■  630    0-756     0-728    0-78 

»    Bothridienteiles 0*308     0*308     0*308 

»       der  Muskelkolben 0-247     0-182     0-196     0*183 

Breite    »  «  0*057     0*067     0*061 

»      des  Kopfstieles 0*322 

Querdurchmesser  derBothridien 

von  der  Fläche  gesehen 0*371 

Längsdurchmesser  der  Bothri- 

dien  von  der  Fläche  gesehen  0*276 
Rüsselscheidendurchmesser 

von  der  Fläche  gesehen  . . .  .0*04 — 0*048  (an  der  Mündung, 

im  Kopfinneren 
etwas  enger). 


Studien  über  Tetrarhynchen.  549 

Der  Blasenkörper. 

Es  soll  hier  nur  eine  kurze  Übersicht  der  Gesamtorgani- 
sation gegeben  werden  ohne  erschöpfendes  Eingehen,  be- 
sonders in  histologische  Details,  wie  sie  oft  gerade  an  der  vor- 
liegenden Larve,  zumal  unter  Anwendung  der  Eisenhämatoxylin- 
methode  wunderschön  zu  erkennen  sind. 

Unter  der  C  u  t  i  c  u  1  a  finden  wir  wie  immer  die  zarten  äußeren 
Ringmuskeln  (besonders  dicht  und  kräftig  im  Receptaculum- 
eingangund  der  Wand  der  Harnblase),  dann  die  gröberen  Längs- 
muskel n,  endlich  das  Epithel,  von  dem  nur  gesagt  sein  soll, 
daß  auch  hier  wieder  seine  Zellen  an  beiden  Körperflächen 
dichter  standen  und  eine  ausgesprochenere  Beutelform  zeigten 
als  an  den  Körperseiten.  Dasselbe  gilt  für  die  Umgebung  des 
Receptaculums  und  das  vordere  Körperende  überhaupt  (Fig.  6). 
Der  ganze  Binnenraum  des  Blasenkörpers  der  Larve  wird  völlig, 
ohne  Vorhandensein  eines  zentralen  Hohlraumes,  von  Paren- 
chy  m  erfüllt.  Das  charakteristische  Wabenwerk  des  Parenchyms 
wird  durch  die  Eisenbehandlung,  besonders  in  seinen  wichtigen 
Beziehungen  zu  den  Kernen  und  zur  Muskulatur,  klar  diffe- 
renziert. 

Ihm  gehören  die  Parenchymmuskei  an:  einmal  Längs- 
muskel, die  meridional  um  den  Blasenkörper  laufen.  Von  diesen 
mögen  ganz  ungefähr  zwei  bis  drei  Dutzend  sehr  dünner 
Bündel  vorhanden  sein.  Die  Bündel  enthalten  nur  wenige,  höch- 
stens bis  sechs  Fibrillen.  Die  kontraktile  Substanz  wird  durch 
Eisen  als  tiefschwarze  Linie  von  der  hellbraunen  oder  grauen 
bindegewebigen  Hülle  sehr  schön  und  deutlich  differenziert. 
Besonders  anschaulich  werden  bei  dieser  Behandlung  jene 
schwimmhautähnlichen  oder  schleierförmigen  bindegewebigen 
Membranen,  die  zwischen  gespaltenen  Muskelfasern  sich  aus- 
breiten, wie  ich  schon  früher  für  die  homologe  Muskulatur  einer 
anderen  Tetrarhynchenlarve  beschrieben  habe  (93,  p.  620).  Vorne 
inserieren  sie  meist  in  der  Umgebung  des  Receptaculums,  an 
dessen  Seitenwänden  und  Boden  oder  besser  an  der  Decke  des 
Larvengewebes,  das  hier  den  Wänden  und  dem  Boden  des 
Receptaculums  allseitig  anliegt.  Ich  glaube,  daß  ihnen  haupt- 
sächlich die  Aufgabe  zufällt,  bei  der  Ausstülpung  des  Scolex 


550  Th.  Pintner, 

das  Larvengewebe  längs  der  durch  Degeneration  entstandenen 
Spaltfläche  von  den  Scolexgeweben  abzureißen.  Das  Hinterende 
zerfasert  sich  in  der  Umgebung  der  Harnblase.  Einzelne 
Faserbündel  passieren  indessen  auch  den  Invaginationswinkel 
rings  um  den  Receptaculumkanal.1 

In  den  anschließenden  Scolexgeweben  sind  natürlich  eben- 
falls Parenchymlängsmuskeln  zu  finden.  Ob  nun  die  der  Blase 
stellenweise  etwa  in  die  des  Scolex  direkt  übergehen  —  was 
ich  nicht  glaube,  da  man  es  direkt  nicht  beobachten  kann  — 
oder  nicht,  ist  schwer  festzustellen. 

Dorsoventralmuskeln  sind  allenthalben  deutlich  ausgebildet, 
Transversalmuskeln  (senkrecht  auf  die  Medianebene)  gleichfalls 
vorhanden,  besonders  deutlich  in  der  Gegend  des  Receptaculum- 
bodens.  Beide  Systeme,  besonders  das  letztere,  sind  viel  zarter 
als  die  Längsmuskeln. 

Zum  Parenchym  gehören  ferner  die  zahlreichen  Kalk- 
körperchen,  die  den  Larvenleib  erfüllen.  Sie  haben  durch- 
schnittlich einen  Längsdurchmesser  von  etwa  0027  bei  einer 
Breite  von  etwa  0*018  mm.  Aber  auch  Größen  von  32  bis  selbst 
40jjl  werden  angetroffen. 

Das  Exkretionssystem  hat  die  typische  Form:  zwei  Sammel- 
kanäle  jederseits,  die  in  fast  gleicher  Stärke  aus  dem  Scolex 
herauskommen,  dicht  an  der  Receptaculumwand  nach  vorne  in 
den  Invaginationswinkel  hinein  verlaufen,  hier  die  charak- 
teristischen Schleifen  rechts  und  links  vom  Receptaculumeingange 
bilden  und  nun  geschlängelt  nach  rückwärts  ziehen.  Wie 
sonst  wird  auf  diesem  Wege  ein  Paar  immer  enger.  Das  weitere 
mündet  in  die  Harnblase  und  bildet  mit  ihr  jene  immer  wieder- 
kehrende charakteristische  T- Figur  (Fig.  1,  4,  A).  Das  engere 
dorsale,  ihm  meist  dicht  benachbart,  überkreuzt  das  weitere 
dort,  wo  dieses  die  Wendung  zur  Harnblase  nach  der  T-Figur 
hin  beschreibt,  und  verläuft  noch  eine  Strecke  nach  hinten,  wo 

i  Ich  nenne  den  vorgestülpten  Wulst  der  Cestodenlarven,  welcher  den 
»Canalis  receptaculi«  umgibt,  den  Invaginationswulst  und  jenen 
Querschnitt  seiner  Innenseite,  der  mit  der  Transversalebene  zusammenfällt, 
also  senkrecht  auf  der  Mitte  der  Medianebene  steht,  den  Invaginations- 
winkel, der  Bequemlichkeit  halber,  da  die  Beschreibung  der  Cestodenlarven 
so  oft  bei  diesen  Regionen  zu  verweilen  hat. 


Studien  über  Tetrarhynchen.  55 1 

es  ungefähr  auf  halber  Höhe  der  Harnblase  als  sehr  feines 
Kanälchen  zu  enden  scheint.  Es  entschwindet  dem  Blick  nicht 
etwa  durch  noch  weitere  Verschmächtigung,  sondern  an  einem 
bestimmten  Punkte  ganz  plötzlich  (Fig.  4  e).  Ob  es  da  etwa  die 
Körperwand  durchbohrt,  ist  schwer  zu  sagen;  ich  glaube  nicht. 
Es  scheint  mir  jetzt  —  entgegen  der  Auffassung,  die  ich  früher 
verfochten  habe  —  auch  für  andere  Larvenformen  der  Cestoden 
nicht  unwahrscheinlich,  daß  das  dorsale  Paar  der  engeren 
Kanäle,  die  »Canales  ascendentes«  von  J.  P.  van  Beneden, 
vielleicht  oft  nicht  in  die  Harnblase  einmündet.  Sicher  war  ja 
das  nie  nachgewiesen  worden  —  wohlgemerkt:  für  die  cysti- 
cercusänlichen  Larvenformen,  nicht  etwa  für  den  losgelösten 
Scolex  und  für  das  ursprüngliche  Endglied  der  Strobila,  an  der 
sekundäre  Mündungsverhältnisse  vorliegen.  Anastomosen  oder 
Netze  der  Sammelröhren  sind  im  Körper  der  Blase  nicht  sicht- 
bar, wohl  aber  kommen  solche  in  den  Bothridien  des  Scolex 
vor,  was  hier  anhangsweise  erwähnt  sein  mag.  Terminalzellen 
mit  ihren  oft  langen  Kapillaren  finden  sich  in  großer  Menge. 

Das  Nervensystem  folgt  an  der  Außenseite  genau  dem 
Verlaufe  der  Exkretionsstämme.  Es  kommt  also,  wie  sie  aus 
dem  Scolex,  tritt  außen  von  ihnen  in  den  Invaginationswinkel 
ein,  verläuft,  immer  zu  äußerst,  am  Rande  der  Larve  nach 
hinten  und  endet,  feiner  werdend,  zu  beiden  Seiten  der  Harn- 
blase genau  in  ihrer  halben  Höhe,  indem  der  jederseitige 
Nervenstamm  sich  hier  in  zwei  zarte  Ästchen  zu  gabeln 
scheint,  die  sich  in  dem  dichteren  Parenchym  rings  um  die 
Harnblase  verlieren. 

Im  vordersten  Teil  des  Larvenkörpers  schienen  mir  bis- 
weilen drei  nebeneinanderverlaufendeStämmchen  jederseits  vor- 
handen zu  sein:  ein  stärkerer,  mittlerer  und  zwei  schwächere 
Begleitnerven,  alle  drei  untereinander  durch  zarte  Querkom- 
missuren  verbunden. 

Die  Frontaldrüsen. 

Die  erwähnten  mächtigen  Drüsenmassen  sind  Anhäufungen 
einzelliger  Schläuche  von  ganz  enormer  Länge,  ändern  aber, 
was  Größe,  Form,  Aussehen  des  Inhalts,  Ausbreitung  im  Larven- 
körper anlangt,  in  verschiedenen  Individuen  lebhaft  ab.    Diese 


552  Th.  Pintner, 

Veränderlichkeit  ist  nur  der  Ausdruck  verschiedener  Entwick- 
lungszustände,  die  aufeinander  folgen  und  vielleicht  mit  dem 
Ende  des  Larvenlebens  ihren  Abschluß  finden. 

Das  jüngste  Stadium,  in  dem  die  Drüsen  bereits  ihre  typi- 
sche Ausbildung  gewonnen  haben,  habe  ich  nur  in  einem  ein- 
zigen Exemplare  vorgefunden  und  in  Fig.  2.  abgebildet.  Es 
zeigt,  wie  die  Drüsen  in  einer  dichten,  durch  das  Mikroskop 
nicht  deutlich  zu  entwirrenden  Masse  mantelförmig  um  das 
Receptaculum  in  engster  Nachbarschaft  der  Scolexanlage  ent- 
stehen. Indessen  läßt  sich  schon  auf  dieser  Entwicklungsstufe 
eine  rechte  und  linke  Gruppe  unterscheiden.  Die  Form  der 
Drüsen  erkennt  man  nur  dort,  wo  vereinzelte  von  ihnen  aus 
der  Randzone  mehr  oder  weniger  tief  in  das  Parenchym  des 
Blasenkörpers  vorspringen;  man  sieht  da  einen  ganz  unregel- 
mäßig sackförmigen,  bald  gewundenen,  bald  wie  gequetschten, 
vielfach  geknickten,  hier  eingeschnürten,  dort  wieder  aufgetrie- 
benen Körper,  der  sich  zunächst  in  einen  dicken,  ebenso  un- 
regelmäßigen Ausführungsgang  fortsetzt.  Manchmal  scheint 
dieser  stellenweise  wie  aus  ganz  regellos  aneinander  gedrückten 
Spiralen  zusammengesetzt.  Hie  und  da  finden  sich  wiederum 
etwas  regelmäßigere  Formen;  die  Drüsenleiber  liegen  hier  in 
fingerförmigen  Lappen  aneinander. 

Das  beschriebene  Individuum  wurde  nach  Formolkonser- 
vierung in  Safranin  kräftig  gefärbt  und  als  Totopräparat  in 
Balsam  eingelegt.  Die  Drüsen  nun  haben  hier  eine  tief  dunkel- 
rote bis  schwarze  Färbung  angenommen  und  sind  fast  ganz  un- 
durchsichtig, nur  hie  und  da  an  ihren  Rändern  ein  wenig  durch- 
scheinend wie  mit  einem  dicken,  sirupähnlichen  Sekret 
erfüllt. 

Entwicklungsstadien,  die  sich  dem  eben  beschriebenen  eng 
anschließen,  fanden  sich  selten,  aber  immerhin  doch  drei-  bis  vier- 
mal. Bei  ihnen  lösen  sich  noch  mehr  als  bisher  an  vereinzelten 
Stellen  der  Randzone  einige  Drüsenleiber  aus  dem  sonst  noch 
gleich  kompakten  Konvolute  der  übrigen  los  und  wachsen  etwas 
weiter  ins  Parenchym  hinein.  Besonders  nach  rückwärts  schießen 
einige  solcher  Drüsen  raketenförmig  aus  der  Hauptmasse  her- 
aus und  dringen  in  der  Längsrichtung  des  Blasenkörpes  bis  zu 
seiner  Mitte  und  weit  über  diese  hinaus  nach  hinten  zu. 


Studien  über  Tetrarhynchen.  553 

Das  gibt  den  Übergang  zu  jenem  Stadium,  das  wahrschein- 
lich als  der  Höhepunkt  der  Drüsenentwicklung  zu  betrachten 
ist  (Fig.  1).  Wir  sehen  dann  das  ganze  Mittelfeld  zwischen  den 
Exkretionsstämmen  von  der  rechten  bis  zur  linken  Seite  und  von 
vorne  bis  rückwärts,  vom  Receptaculum  bis  zur  Harnblase  mit 
Drüsenleibern  und  deren  Ausführungsgängen  erfüllt.  Auf  dieses 
Mittelfeld  bleiben  die  Drüsen  beschränkt.  Nur  selten  greift  ein 
oder  der  andere  Drüsenkörper  über  die  Exkretionsstämme  gegen 
den  Körperrand  hinüber.  Dei  Ausfüllung  des  Mittelfeldes  ist 
aber  keine  gleichmäßige;  man  sieht  deutlich  eine  rechte  von 
einer  linken  Drüsengruppe  geschieden.  In  jede  dieser  Gruppen 
drängen  sich  die  Drüsen  gegen  vorne  und  gegen  die  Mitte  der 
Gruppe  zu  am  meisten  zusammen.  An  Stellen  und  an  Individuen 
mit  verhältnismäßig  geringerer  Dichtigkeit  der  Drüsenmassen 
sieht  man  deutlich  die  zahllosen  Ausführungsgänge  sich  zu 
straßenartigen  Zügen  sammeln  (Fig.  5),  und  alle  diese  Züge 
treten  zu  zwei  Hauptstraßen,  einer  rechten  und  einer  linken,  zu- 
sammen, die  nach  vorne  gegen  das  Receptaculum  ziehen.  Hier 
weichen  sie,  wie  man  bisweilen  schon  am  Totopräparate  deut- 
lich erkennen  kann,  rechts  und  links  aus  und  verlaufen  längs 
der  Scolexanlage  noch  weiter  nach  vorne.  Indessen  sind  auch 
die  dorsale  und  ventrale  Fläche  des  Receptaculums  (wie  man 
an  Schnitten  sieht)  von  Drüsenkörpern  besetzt,  so  daß  also 
solche  auch  noch  rings  um  das  Receptaculum  sich  vor- 
finden. 

Keine  dieser  massenhaften  Drüsen  entsendet  etwa  gegen 
den  Körperrand  oder  sonst  wohin  einen  Ausführungsgang,  alle 
bleiben  in  diesen  Hauptstraßen  vereinigt. 

Form  und  Aussehen  der  Drüsen  bleiben  ebenso  unregel- 
mäßig und  wechselnd  wie  in  den  jüngeren  Stadien.  Ein  in  der 
Regel  beutelförmiger  Körper  verschmälert  sich  allmählich 
(Fig.  4),  kann  aber  wieder  stellenweise  anschwellen  u.  dgl. 
Meistens  scheinen  die  Drüsen  gegenüber  dem  Querdurchmesser 
eine  sehr  geringe  Dicke  zu  haben,  so  daß  der  eigentliche  Drüsen- 
körper blättchenförmig  wird.  Die  Ausführungsgänge,  zu  denen 
sich  die  Körper  langsam  verschmälern,  sind  dicht  aneinander 
gedrängt,  aber  ganz  unregelmäßig  durcheinander  geflochten  und 
umeinander  herumgewunden,  fahren  wohl  auch  büschelweise 


554  Th.  Pintner, 

auseinander,  um  sich  zu  benachbarten  Bündeln  zu  gesellen 
u.  s.  f.  (Fig.  5). 

Allenthalben  machen  Drüsen  und  Ausführungsgänge  auf 
dieser  Entwicklungsstufe  den  Eindruck,  daß  sie  strotzend  mit 
Sekret  gefüllt  sind,  daß  sie  sich  in  voller  sekretorischer  Tätig- 
keit befinden. 

Nun  aber  gibt  es  Individuen,  die  ein  ganz  abweichendes 
Aussehen  zeigen.  Die  Drüsenleiber  haben  hier  höchst  bizarre 
Gestalten.  Sie  sind  völlig  abgeplattet,  der  Fundus  des  Drüsen- 
säckchens  bisweilen  in  spitze  Zipfel  verlängert,  sehr  häufig 
quer  abgestutzt  und  in  zwei  Zipfel  ausgezogen,  so  daß  eine 
nageiförmige  Gestalt  herauskommt.  Dabei  sind  die  Ausführungs- 
gänge nicht  mehr  so  vollgestopft  mit  Sekret  wie  früher,  sondern 
kompakte  Stellen  wechseln  mit  leeren,  wodurch  oft  sehr  wunder- 
liche Bilder  entstehen. 

Kurz:  das  Ganze  macht  nun  den  Eindruck,  als  ob  die  sekre- 
torische Tätigkeit  im  Rückgang  begriffen  wäre.  Die  Masse  der 
Drüsen  wird  dadurch  viel  lockerer,  der  Blasenkörper  durchsich- 
tiger und  die  beiden  mächtigen,  bilateral  angeordneten  Drüsen- 
straßen ziehen  nun  ganz  deutlich  sichtbar  nach  vorne. 

Es  finden  sich  auch  Individuen,  bei  denen  dieser  Rück- 
bildungsprozeß, noch  weiter  fortgeschritten,  auf  einem  letzten 
Stadium  sich  zu  befinden  scheint:  die  Drüsenleiber  sind  ganz 
schmächtig  und  undeutlich  geworden,  sie  färben  sich  nicht 
mehr  oder  doch  nicht  annähernd  so  lebhaft  wie  zuvor,  der  In- 
halt besteht  aus  einer  Masse  glänzender  Krümmelchen,  auch 
die  Ausführungsgänge  und  deren  Straßen  sind  nicht  mehr  so 
deutlich.  Es  wäre  wohl  unmöglich,  über  die  histologische 
Bedeutung  des  ganzen  Organsystems  ins  klare  zu  kommen, 
hätte  man  nur  solche  Individuen  vor  sich. 

Wie  und  wo  mündet  nun  dieses  Drüsensystem? 

Auf  diese  Frage  geben  allein  Schnitte  eine  klare  Antwort, 
die,  nach  den  drei  Richtungen  geführt,  leicht  und  sicher  folgendes 
kombinieren  lassen. 

Die  beiden  mächtigen  bilateralen  Drüsenstraßen  ziehen,  wie 
wir  schon  gehört,  zur  Seite  des  Receptaculums  nach  vorne  und 
zwar  von  hier  ab  bogenförmig  bis  in  die  Spitze  des  Invaginations- 
winkels  (Fig.  6),  bleiben  aber  dabei  immer  an  der  Innenseite  der 


Studien  über  Tetrarhynchcn.  555 

Kxkretionsgefäße.  Sie  folgen  dann  treu  dem  Bogen,  den  diese 
beschreiben,  und  biegen  wie  sie  wieder  nach  hinten  um.  Jetzt 
laufen  sie  natürlich  in  Bezug  auf  den  Gesamtkörper  der  Larve 
nicht  proximal,  sondern  distal  von  den  Exkretionsgefäßen.  Mit 
diesen  treten  sie  endlich  in  die  Gewebe  des  Scolex  ein,  biegen 
also  .am  Beginne  des  stielförmig  vorgewachsenen  Scolexteiles 
wieder  nach  vorne.  Im  Bothridienteile  des  Scolex  erscheinen  sie 
auf  Querschnitten  als  vier  wohlumschriebene  Stränge  innerhalb 
der  Rüsselscheiden  (Fig.  7).  Dabei  liegen  sie  in  unmittelbarer 
Nachbarschaft  des  Nervensystems.  Da  dessen  vier  Hauptstämme 
aber  mit  den  Drüsenstraßen  nicht  parallel  laufen,  sondern  gegen 
sie  geneigt  sind,  so  liegen  die  Querschnitte  der  Nervenstämme 
denen  der  Drüsenstraßen  bald  außen,  bald  innen,  bald  seitlich 
an,  je  nach  der  betreffenden  Region  des  Scolex.  Im  Komissural- 
teile  des  Zentralnervensystems  liegen  alle  vier  Drüsenquer- 
schnitte außerhalb  der  Nervenstämme.  Je  ein  Drüsenstraßen- 
querschnitt  bildet  mit  je  einem  Nervenquerschnitt  ein  dicht 
aneinander  gepreßtes  Paar.  Bald  ist  der  eine,  bald  der  andere 
umfangreicher,  oft  einer  in  dem  anderen  förmlich  eingebettet. 
Auf  Dorsoventralschnitten  besonders  sieht  man  schön,  daß  in 
einer  bestimmten  Region  die  jederseitigen  zwei  Drüsenstraßen 
den  Nervenstamm  in  ihre  Mitte  nehmen,  mit  ihm  in  einem 
Niveau  liegen  und  die  bekannte  Y-förmige  Kommissur  rechts  und 
links  begleiten. 

So  ziehen  die  Drüsengänge  bis  an  das  Vorderende  des 
Scolex  und  münden  an  seinem  Stirnrande  mit  zahlreichen  dicht 
nebeneinander  liegenden  Poren,  welche  die  ganze  Dicke  der 
Cuticula  durchbrechen,  nach  außen  (Fig.  10,  14,  b,  c).  Man  findet 
an  gewissen  Schnitten  den  Stirnrand  dicht  und  oft  sehr  regel- 
mäßig und  zierlich  mit  ihren  Mündungen  besetzt.  Dieselben 
scheinen  fächerförmig  von  vorne  nach  hinten  in  der  Median- 
ebene und  zu  ihr  parallelen  Zügen  ausgebreitet,  dabei  vielleicht 
immer  etwas  dorsal  oder  ventral  geneigt.  So  erklärt  es  sich,  daß 
die  Mündungen  vorwiegend  auf  Dorsoventralschnitten,  wenn 
auch  nicht  allzu  oft  zu  schöner  Darstellung  gebracht  werden 
können.  Nicht  oft,  denn  meist  durchschneidet  die  Schnittebene 
den  Ausführungsgang  und  dann  sieht  man  nur  schwarze 
Punkte,  die  nicht  auffällig  und  nicht  sicher  zu  deuten  sind.  Die 


556  Th.  Pintner, 

Mündungen  füllen  den  ganzen  Stirnrand  zwischen  den  Bothri- 
dien  aus,  gegen  die  Transversalebene  zu  immer  dichter  zu- 
sammenschließend, gegen  die  Bothridien  zu  immer  lockerer.  In 
die  Bothridien  treten  keine  Mündungen  über.  Man  findet  sie 
bisweilen  übrigens  in  ähnlicher  Weise  auch  auf  glücklichen 
Schnitten  von  rechts  nach  links.  Hier  gehen  dann  ganz  ver- 
einzelt etliche  Mündungen  auch  noch  zwischen  den  beiden 
Bothridien  ziemlich  weit  nach  rückwärts  herab. 

Auf  dem  Hautbezirke,  der  die  Drüsenmündungen  beher- 
bergt, fehlen  die  Härchen  völlig. 

Histologisch  kam  an  diesen  Drüsen  folgendes  zur  Beob- 
achtung: Sie  zeigen  im  hintersten  beuteiförmigen  Abschnitt 
einen  verhältnismäßig  kleinen  Kern.  Im  Verlaufe  des  Aus- 
führungsganges findet  man  nirgends  weitere  Kerne  einge- 
schaltet. Sie  sind  somit  sämtlich  einzellig.  Das  Plasma  zeigt  auf- 
fällige Differenzen  in  Bezug  auf  seine  Färbbarkeit.  Die  Farb- 
stoffe werden  oft  nach  noch  so  gründlicher  Entfärbung  so  stark 
festgehalten,  daß  die  Drüsenleiter  völlig  undurchsichtig  werden. 
Unmittelbar  daneben  finden  sich  andere  Drüsen,  die  sich  fast 
völlig  entfärbt  haben.  Häufig  zeigt  das  Plasma  nach  Färbung 
mit  Safranin  eine  gewisse  leuchtende  Beschaffenheit,  so  daß 
der  Zellinhalt  an  eine  dickflüssige,  stark  lichtbrechende  Masse 
gemahnt.  Meist  erscheint  er  fein  granuliert  bis  zu  ganz  feinen, 
nur  mit  stärksten  Systemen  auflösbaren  Granulis.  Sehr  ge- 
wöhnlich sind  kleine,  bisweilen  sehr  große  Vakuolen  vorhanden. 
Dazu  kommen  jene  Erscheinungen,  die  bereits  als  Degenerations- 
erscheinungen gedeutet  worden  sind. 

Außer  der  oben  erwähnten  Reihe  aufeinanderfolgender 
Entwicklungsstadien  fanden  sich  unter  den  durchmusterten 
Individuen  noch  zwei  sehr  junge  Larven,  die  auf  die  erste  Ent- 
stehung unseres  Drüsensystems  einigermaßen  Licht  warfen. 

Nur  eines  der  beiden  Individuen  wurde  schon  als  gefärbtes 
Totopräparat  als  sehr  jung  erkannt.  Es  lieferte  die  Zeichnung 
Fig.  12,  die  im  vordersten  Körperabschnitte  der  Larve  besondere, 
sonst  mit  älteren  Larven  völlig  übereinstimmende  Gestaltung 
zeigte.  Das  Receptaculum  besaß  im  Grunde  noch  nicht  die 
charakteristische  knopfförmige  Erhebung,  von  Bothridien  und 
dem    Rüsselapparate    noch     keine     Spur.    Dagegen    zeigten 


Studien  über  Tetrarhynchen.  557 

sich  undeutlich  zwei  seitlich  gelagerte  polsterförmige  Ver- 
dickungen der  Receptaculumwand.  Die  Frontalschnitte,  in  die 
das  Exemplar  später  zerlegt  wurde,  ließen  zwar  an  den  ent- 
sprechenden Stellen  dichtere  Kernlager  und  dunkleres  Plasma  mit 
reichlichen  Granulis  erkennen,  die  mediane  Einschnürung 
zwischen  den  beiden  bilateralen  Polstern  erwies  sich  jedoch 
möglicherweise  auf  einen  Kontraktionszustand  im  Momente  der 
Fixierung  zurückführbar. 

Das  zweite  quer  auf  die  Längsrichtung  zerschnittene  Indi- 
viduum wurde  erst  nach  dem  Zerschneiden  als  sehr  jung 
erkannt.  Es  war  jedoch  samt  seiner  Cyste  geschnitten  worden 
und  zeigte  also  in  einer  jeden  Zweifel  ausschließenden  Weise, 
daß  nicht  etwa  Blasen  vorliegen,  aus  denen  auf  aktive  oder 
passive  Weise  der  Scolex  verschwunden  war.  Interessant  war 
nun  an  diesen  beiden  Individuen  das  Verhalten  der  Drüsen.  Sie 
erschienen  hier  erst  als  eine  Gruppe  dicht  gedrängter  ovaler 
Körper  rings  um  das  Receptaculum  von  verschiedenem  Durch- 
messer. Viele  erreichten  einen  solchen  bis  48  jt,  einige  wenige 
ganz  riesige  wuchsen  bis  auf  80  ji  und  darüber  an  (Fig.  12). 
Am  Totopräparate  waren  Ausführungsgänge  nicht  zu  erkennen, 
wohl  aber  an  den  Schnitten.  Es  waren  hier  dünne  nach  den 
hinteren  Receptaculum  wänden  zu  ziehende  Fortsätze  der  ovalen 
Körper  vorhanden,  die  erkennen  ließen,  daß  die  Sekretproduktion 
erst  begonnen  habe.  Auffällig  war  ferner,  daß  die  Drüsenleiber 
dorsal  und  ventral  vom  Receptaculum  dicht  gelagert  waren, 
gegen  die  Transversalebene  zu  fast  verschwanden.  Sie  fanden 
sich  nur  in  unmittelbarer  Umgebung  des  Receptaculums,  sonst 
nirgends  im  Körper;  in  Fig.  12  sind  die  zu  hinterst  auffindbaren 
noch  in  die  Zeichnung  mit  aufgenommen. 

Dagegen  zeigte  sich  der  ganze  Körper  dicht  erfüllt  mit 
jenen  kleinen  einzelligen  Hautdrüsen,  auf  die  wir  unten  zu 
sprechen  kommen. 

Die  Drüsengänge  schienen  schon  hier  in  vier  Gruppen 
zusammenzutreten,  in  zwei  rechte  und  zwei  linke.  Diese  vier 
Gruppen  begegneten  sich  in  der  Querschnittserie  kreuzwegartig 
an  der  Spitze  einer  kleinen  Papille  im  Fundus  des  Receptaculums, 
die  wiederum  eine  kleine  Delle  zeigte.  Hier  lag  die  Aus- 
mündung. 


558  Th.  Pintner, 

Das  Beobachtungsmaterial  an  ganz  jungen  Stadien  war 
also  wohl  sehr  spärlich.  Aber  schon  nach  den  jetzt  möglich 
gewordenen  Beobachtungen  läßt  sich  folgendes  als  sicher 
zusammenfassen : 

1.  Die  Frontaldrüsen  nehmen  sehr  frühzeitig,  noch  vor 
Ausbildung  der  eigentlichen  Scolexanlage,  ihren  Ursprung. 

2.  Sie  entstehen  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  der  ver- 
dickten Receptaculumwand  wohl  zweifellos  aus  den  epithelialen 
Elementen  derselben. 

3.  Von  hier  aus  wachsen  einmal  immer  neue  Elemente 
nach,  dann  strecken  sie  sich  mit  fortschreitender  Entwicklung 
des  Scolex  immer  mehr  in  die  Länge  und  durchwachsen  nicht 
nur  die  ganze  spätere  Scolexanlage,  sondern  auch  fast  den 
ganzen  Blasenteil  der  Larve  bis  nahe  seinem  Hinterende. 

4.  Ihre  primäre  Ausmündungsstelle  wird  zum  vordersten 
Stirnrand  des  späteren  Scolex. 

5.  Die  Drüsen  erreichen  den  Höhepunkt  ihrer  Tätigkeit  zur 
Zeit  der  vollen  Ausbildung  des  Scolex  im  Blasenkörper.  Sobald 
dieser  zur  bevorstehenden  Trennung  reif  ist,  beginnen  sie  zu 
atrophieren. 

Zum  Unterschiede  von  den  anderen  bei  Cestoden  beob- 
achteten Drüsensystemen  nenne  ich  die  hier  beschriebenen 
Frontaldrüsen  wegen  ihrer  auf  den  Stirnrand  beschränkten 
Ausmündung. 

Die  Finnendrüsen. 

Ebenso  mächtig  ausgebildet  wie  das  eben  beschriebene 
Drüsensystem  ist  das  bereits  oben  erwähnte  zweite.  Es  besteht 
aus  außerordentlich  zahlreichen  einzelligen  Drüsen,  die,  an  der 
Oberfläche  des  ganzen  Larvenkörpers  zerstreut,  durch  die 
Cuticula  desselben  nach  außen  münden  (Fig.  2,  4,  8,  9,  12).  Was 
ihre  Form  und  ihre  häufig  bizarre  Gestalt  anlangt,  so  erinnern 
sie  sehr  an  die  Frontaldrüsen.  Auch  sie  erscheinen  vorwiegend 
plattgedrückt,  oft  quer  abgestutzt,  in  unregelmäßige  Zipfel  aus- 
gezogen u.  s.  f.  Häufig  fällt  eine  schraubenförmige  Drehung  des 
völlig  blattdünnen  Körpers  auf  (Fig.  9,  sp).  Der  feine,  sich  jedoch 
aus  der  Umgebung  scharf  hervorhebende  Ausführungsgang  eilt 
bald  stracks  gegen  die  Mündung  zu,  bald  beschreibt  er  vielfach 


Studien  über  Tetrarhynchen.  559 

gewundene  und  geknickte  Umwege.  Häufig  sieht  man  seinen 
Verlauf  stellenweise  scheinbar  unterbrochen  (Fig.  8,  9,  se);  die 
sichtbaren  Teile  sind  aber  auf  solchen  sozusagen  spationierten 
Strecken  umso  dicker  und  intensiver  gefärbt:  es  sind  deutlich 
erkennbare,  sich  intensiv  tingierende  Sekretmassen,  welche  den 
Ausführungsgang  diskontinuierlich  erfüllen. 

Diese  Drüsen  liegen  gleichförmig,  aber  sonst,  wie  es  scheint, 
völlig  regellos  im  gesamten  Larvenkörper  verteilt,  der  Leib  tief 
ins  Parenchym  eingesenkt,  der  Ausführungsgang  in  annähernd 
radiärer  Richtung  der  Cuticula  zustrebend.  Die  Ausführungs- 
gänge erreichen  eine  ganz  respektable  Länge.  Gleichwohl  bleibt 
das  Innere  des  Larvenkörpers,  das  die  Frontaldrüsen  einnehmen, 
frei.  In  der  Randzone  der  Frontaldrüsen  liegen  die  Leiber  dieser 
»Finnendrüsen«  oft  mit  jenen  dicht  durch-  und  aneinander, 
die  Ausführungsgänge  überkreuzen  sich  u.  dgl.  Ihrer  über- 
wiegenden Mehrzahl  nach  liegen  die  Finnendrüsen  aber  außer- 
halb der  Zone  der  Frontaldrüsen. 

Außer  durch  Lage  und  Ausmündung  unterscheiden  sich 
die  Finnendrüsen  von  den  Frontaldrüsen  durch  beträchtlich 
geringere  Größe.  Sie  sind  zweifelsohne  einkernig. 

Im  Verhältnis  zu  ihrer  Häufigkeit  erkennt  man  sie  auf 
Schnitten  merkwürdig  selten  mit  Sicherheit;  denn  man  bekommt 
sie  eben  selten  in  längeren  Stücken  auf  demselben  Schnitte  zu 
sehen  und  kann  sie  dann  nicht  von  Frontaldrüsen  unterscheiden. 
Die  Mündungen  kann  man  hie  und  da  mit  Sicherheit  die  ganze 
Dicke  der  Cuticula  durchbohren  sehen.  Warum  man  aber  an 
geschwärzten  Schnitten  auch  in  diesem  Punkte  große  Vorsicht 
walten  lassen  muß,  ehe  man  einen  derartigen  schwarzen  Pfropfen 
in  der  Cuticula  als  Mündung  einer  Finnendrüse  in  Anspruch 
nimmt,  werden  wir  unten  sehen. 

Zahlreiche  Finnendrüsen  münden  in  die  Harnblase. 

Maße  der  Drüsen. 

Frontaldrüsen.  Finnendrüsen. 

Größter  Quer-         Größter  Quer-     Ungefähre 
durchmesser  durchmesser         Länge 

U.  IL  11 

i         32!!!  1.     12—16        240! 

Ind,v,duuml i         48  2.     16!-  175 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXU.  Rd..  Abt.  I.  36 


560 


Th.  Pintner, 

Größter  Quer- 

Größter Quer- 

Ungefähre 

durchmesser 

durchmesser 

Länge 

1* 

H- 

P- 

j          40 

3.     16! 

160 

j         56! 

4.       8 

200 

48 

5.     — 

320 

Individuum  2 

3 

4 40! 

(in  Rückbildung) 56!! 

An  dem  nageiförmig  ab- 
gestutzten Ende 104 

l  24 

Individuum  5  .  .    40 

(  48 

6  (sehr  jung)  80 

7  »  96 


Bei  dem  Individuum  4  mit  einem  queren  Drüsendurch- 
messer von  8  [i  betrug  der  durchschnittliche  quere  Durchmesser 
der  Frontaldrüsen  zirka  48  \l.  Man  kann  also  sagen,  daß  die 
Frontaldrüsen  ungefähr  sechsmal  so  groß  sind  als  die  Finnen- 
drüsen. 

Bei  den  Individuen  1  bis  5  sind  stets  mittelgroße  Drüsen, 
wie  sie  in  Überzahl  vorhanden  waren,  zur  Messung  benützt 
worden,  bei  den  Individuen  6  und  7  dagegen  wurden  die  aller- 
größten Drüsenkörper  herausgesucht.  Individuum  5  zeigte  sehr 
regelmäßig  flaschenförmig  geformte  Frontaldrüsen,  so  daß  hier 
beiläufige  Längenmessungen  gemacht  werden  konnten.  Bei 
Drüsenschläuchen  von  40  [i  Querdurchmesser  schwankte  die 
»Länge«  zwischen  60  bis  80  [jl,  bis  zum  ungefähren  Beginn  des 
»Ausführungsganges«  gedacht.  Die  !  bezeichnen  Zahlen,  die 
häufig  wiederkehrten.— 

Die  beiden  Drüsensysteme  sind  also  Hautdrüsen,  das  eine 
von  ganz  unglaublicher  Längenausdehnung  seiner  Elemente, 
die  nur  noch  von  den  Rhynchodäaldrüsen,  wie  ich  sie  seinerzeit 
beschrieben  habe  (99),  übertroffen  wird.  Bei  Tetrarhynchen 
speziell  kennen  wir  nunmehr  drei  Drüsenarten,  die  bei  der 
morphologischen  Vergleichung  in  Frage  kämen : 


Studien  über  Tetrarhynchen.  56 1 

1.  die  eben  genannten  Rhynchodäaldrüsen  bei  Rhyncho- 
bothrien  mit  dicken  Köpfen  aus  der  Atienuatus-Gruppe,  somit 
Drüsen  des  Scolex  mit  Mündungen  in  den  Rüsseln; 

2.  Drüsen  des  Scolex  mit  Mündungen  an  seinem  Stirn- 
rande, wie  ich  sie  für  Tetrarhynchus  benedeni  Crety  beschrieben 
habe  (99,  p.  14—  16); 

3.  Drüsen  des  Blasenkörpers  der  Larve,  wie  ich  sie  gleich- 
falls bereits  für  eine  Rhynchobothrius-Leirve  aus  Pristiurus  er- 
wähnt habe  (99,  p.  16).  Es  ist  gar  keine  Frage,  daß  diese  Drüsen 
mit  den  oben  beschriebenen  morphologisch  identisch  sind.  Ich 
habe  seither  von  dieser  Pristiurus-Lsivve  Querschnitte  gemacht, 
an  denen  man  den  ganzen  Blasenkörper  mit  kolossalen  Drüsen- 
leibern erfüllt  sieht.  Sie  sind,  wie  schon  früher  erwähnt,  bereits 
makroskopisch  erkennbar.  Ich  glaube,  daß  der  von  Leuckart 
wiederholt  abgebildete  »Tetrarhynchus  lophii«  mit  meiner 
PristiuruS'Form  identisch  ist.  Die  Fig.  12  bei  Leuckart  und 
Nitsche  (?  des  Literaturverzeichnisses)  stellt  in  den  dunklen 
Flecken,  die  das  Innere  des  Larvenkörpers  erfüllen,  nichts 
anderes  vor  als  unsere  Drüsen  und  mit  den  zahlreichen  spindel- 
förmigen Körpern  in  Fig.  219  auf  S.  475  bei  Leuckart  (79  — 
86)  dürfte  es  sich  ganz  ebenso  verhalten.  Diese  Identifizierungen 
stützen  sich  auf  Präparate  der  erwähnten  Tetrarhynchus-Larve 
aus  der  Rückenmuskulatur  von  Pristiurus,  die  mit  den  ange- 
führten Abbildungen  frappant  ähnlich  sind. 

Da  die  Frontaldrüsen  im  Blasenkörper  der  Larve  weit 
außerhalb  späterer  Scolexteile  gelegen  sind,  ist  nicht  gut  einzu- 
sehen, wie  sie  bei  der  Trennung  des  Scolex  in  diesen  hinein- 
gelangen könnten.  Auch  haben  wir  ja  gegen  die  Reifezeit  der 
Larve  zu  Erscheinungen  an  ihnen  kennen  gelernt,  die  ziemlich 
eindeutig  auf  eintretende  Degeneration  hinweisen.  Die  Frontal- 
drüsen sind  also  fast  mit  Sicherheit  als  Larvenorgane  anzu- 
sprechen. 

Mit  noch  größerer  Sicherheit  läßt  sich  dasselbe  von  den 
Finnendrüsen  behaupten.  In  den  jüngsten  Larven  massenhaft 
und  höchst  auffällig  ausgebildet,  treten  sie  bei  zunehmendem 
Alter  der  Larve  immer  mehr  gegen  die  Frontaldrüsen  zurück. 
In  den  ältesten  Larven  konnte  ich  sie  oft  überhaupt  nicht  mehr 
auffinden. 

36* 


562  Th.  Pintner, 

Bei  der  Frage  nach  ihrer  Funktion  ist  somit  einmal  dieser 
Umstand  im  Auge  zu  behalten,  ferner  daß  sie  bei  ihrem  Um- 
fange offenbar  nicht  untergeordnete  Bedeutung  haben.  Mit  der 
Cystenbildung  als  solcher  haben  sie  nichts  zu  tun,  da  uns  die 
Cyste,  wie  eingangs  gezeigt  wurde,  keinerlei  auf  sie  beziehbare 
Absonderungsprodukte  zeigt.  Wohl  aber  drängt  sich  derGedanke 
auf,  ob  in  diesen  Drüsensystemen  nicht  eine  Einrichtung  vor- 
liegt, die  mit  dem  Stoffwechsel,  vielleicht  mit  der  Ernährung  des 
Parasiten  im  Zusammenhange  steht?  Vielleicht  enthalten  diese 
Drüsen  ein  Sekret,  das  die  Cyste  von  innen  auflöst  und  für  den 
wachsenden  Parasiten  einen  größeren  Hohlraum  schafft,  während 
sich  ihre  feste  Wand  von  außen  her  immer  neu  bildet  Hiebei 
mögen  die  Gewebsderivate  des  Wirtes,  beziehentlich  der  Cyste 
in  einen  Zustand  umgewandelt  werden,  der  sie  der  Resorbier- 
barkeit  durch  die  Cuticula  des  Parasiten  näherbringt.  Dies  würde 
zuerst  von  den  Finnendrüsen  und  der  äußeren  Oberfläche  der 
Blase  besorgt  werden.  Hat  dann  der  Scolex  eine  gewisse  Größe 
erreicht,  dann  braucht  der  Finnenkörper  keine  Nahrung  mehr, 
die  Finnendrüsen  atrophieren  und  an  ihre  Stelle  treten  die 
Frontaldrüsen,  welche  nun  den  im  Receptaculum  enthaltenen 
Saft,  der  vom  Wirte  stammt,  in  ähnlicher  Weise  umwandeln 
(vgl.  hiezu  die  obige  Angabe  über  den  stets  im  Recepta- 
culum enthaltenen  Ballen  von  Gerinnsel).  Nun  sistiert  die 
Nahrungsaufnahme  durch  das  Integument  des  Blasenkörpers 
und  es  tritt  an  ihre  Stelle  eine  solche  direkt  durch  das  Scolex- 
integument. 

Gegen  eine  solche  Auffassung  könnte  man  mit  Recht  ein- 
wenden, daß  ja  von  so  vielen  anderen  encystierten  Helminthen, 
speziell  Cestoden,  ähnliche  Einrichtungen  für  Cystenvergröße- 
rungen  und  Nahrungsumwandlung  ganz  unbekannt  sind.  Viele 
encystierte  Cestodenlarven  können  sich  offenbar  auf  andere 
Weise,  wahrscheinlich  von  den  in  genügender  Menge  vor- 
handenen Reservestoffen  ihres  Körpers  ernähren  und  entwickeln. 
Freilich  müßte  anderseits  nicht  überall  das  gleiche  Ernährungs- 
bedürfnis vorliegen,  wenn  etwa  die  Fortentwicklung  während 
der  Encystierungsperiode  eine  weniger  bedeutende  ist,  wenn 
nicht  so  umfangreiche,  histologisch  weit  differenzierte  Organe 
wie  der  Tetrarhynchenrüssel  zu  bilden  sind. 


Studien  über  Tetrarhynchen.  563 

Auch  könnten  derartige  Drüsensysteme  in  gar  nicht 
seltenen  Fällen  noch  übersehen  worden  sein,  zumal  sie  in  ihrer 
vollen  Ausdehnung  erst  durch  Anwendung  verhältnismäßig 
neuer  technischer  Methoden  zu  erkennen  sind. 

Bei  manchen  Formen  mögen  nun  ähnliche  Drüsensysteme 
wie  die  Frontaldrüsen  auf  die  reifen  Tiere  übergehen,  so  bei 
Rhynchöbothrius  tetrabothrius  und  benedeni.  Dann  mag  eine 
dem  Speicheldrüsensekret  ähnliche  Einwirkung  auf  die  zu 
resorbierende  Nahrung  auch  noch  im  Darm  des  definitiven 
Wirtes  statthaben.  Es  würden  also  auch  bei  den  geschlechts- 
reifen  Formen  ebenso  verschiedene  physiologische  Bedingungen 
vorliegen  wie  bei  den  encystierten  Larven.  Freilich  dürfte  in 
diesem  Falle  nicht  etwa  im  morphologischen  Sinne  an  Speichel- 
drüsenrudimente gedacht  werden. 

Wir  hätten  dann  eine  ganze  Reihe  physiologisch  sukzessive 
füreinander  eintretender  Drüsenbildungen,  von  den  Finnen- 
drüsen angefangen  zu  den  Frontaldrüsen,  von  diesen  zu  den 
Drüsen  bei  tetrabothrius  und  benedeni,  die  der  Anlage  nach 
sogar  mit  den  Frontaldrüsen  homolog  sein  könnten,  von  diesen 
wieder  zu  den  Rhynchodäaldrüsen  bei  den  Formen  der  Atte- 
nnatns-Gruppe. 

Die  Frontaldrüsen  unserer  Form  sind  wohl  sicher  identisch 
mit  jenen  Gebilden,  die  Li n ton  (97,  p.  797,  Taf.  63,  Fig.  14,  15) 
von  einer  ganz  ähnlichen  Larvenform  kurz  beschreibt  und  ab- 
bildet, wie  ich  bereits  früher  einmal  erwähnt  habe  (99,  p.  16). 
Auch  in  einer  zweiten  Arbeit  (00,  p.  300,  Taf.  42,  Fig.  100) 
erwähnt  er  von  einem  »Larval  Cestode  from  the  Bonito«  (Sarda 
sarda)  offenbar  hieher  gehörige  Gebilde:  »numerous  roundish 
bodies«.  —  »Beginning  just  back  of  the  constriction  [einer 
seichten,  aber  deutlich  ausgesprochenen  Furche  des  Vorderteils 
der  Larve  in  der  Region  hinter  einer  offenbar  als  Receptaculum 
zu  deutenden  Einschnürung]  and  continuing  for  about  three- 
fourths  of  the  length  there  are  suspended  in  the  middle  of  the 
body  an  elongated  Cluster  of  pyriform  structures,  each  about 
0  035  in  the  longer  and  0*028  in  the  shorter  diameter.  Each  is 
attached  by  a  slender  stalk  at  the  smaller  end.  I  have  recorded 
something  similar  to  this  in  a  larval  Rhynchobothrittm  from  the 
intestine  of  the  sand  shark  (Carcharias  littoralis).*   Letzteres 


564  Th.  Pintner, 

bezieht  sich  auf  die  obenerwähnte  Stelle.  Untersuchung  auf 
Schnitten  führte  zu  keinem  Resultate:  »Like  the  parenchyma 
generally  they  were  scarcely  at  all  stained  by  carmine.  By 
transmitted  light  they  appeared  to  be  of  a  faint  yellowish-brown 
coior.  No  structure  could  be  made  out  in  these  central  bodies. 
While  many  of  them  are  pyriform,  this  designation  does  not  fit 
all  of  them.« 

Es  scheint  mir  nicht  unwahrscheinlich,  daß  auch  Guido 
R.  Wagener  von  den  Frontaldrüsen  etwas  gesehen  haben  mag; 
wenigstens  würden  manche  Angaben,  die  er  über  die  »braune 
kaktusförmige  Masse«,  besonders  bei  jungen  Tetrarhynchen 
macht  (54,  p.  12  und  13;  57,  p.  91  und  Taf.  1,  Fig.  3  bis  6  u.  a.m.), 
leicht  in  diesem  Sinne  zu  deuten  sein.  In  höchstem  Maße  gilt 
dies  von  Fig.  73  auf  Taf.  6  in  54,  wo  die  Tafelerklärung,  p.  68, 
direkt  auf  unseren  Fall  hinweist:  »kaktusförmige  Masse  einer 
Cestodenblase  aus  Lophius  piscatorius«.  Jedenfalls  hat  er  ver- 
schiedene Sachen  unter  demselben  Namen  zusammengeworfen. 

Sonst  in  der  Literatur  finden  sich  Anspielungen  auf  unseren 
Gegenstand  noch  bei  Leuckart,  wie  bereits  oben  erwähnt 
wurde. 

In  allerjüngster  Zeit  hat  Zschokke  (03,  p.  152;  Taf.  1, 
Fig.  4)  eine  Tetrarhynchenlarve  aus  dem  Peritoneum  von 
Silurus  glanis  beschrieben,  deren  Vorkommen  in  einem  im 
Bieter  See  gefangenen  Fische  von  besonderem  zoogeo- 
graphischen Interesse  ist.  Die  Larve,  von  der  unsrigen  völlig 
verschieden  (obzwar  Größenangaben  fehlen),  ist  nun  durch  den 
Besitz  eines  umfangreichen  Drüsenapparates  ausgezeichnet, 
und  der  ist  zweifellos  den  Frontaldrüsen  völlig  gleichwertig. 
Zschokke  selbst  konnte  ihn  nicht  genauer  untersuchen,  da 
ein  einziges  Exemplar  des  Parasiten  vorlag. 

Der  Scolex. 

Es  folgt  nunmehr  eine  kurze  Feststellung  der  systematischen 
Charaktere  des  Scolex  (vgl.  hiezu  auch  die  Größenangaben 
in  der  obigen  Tabelle).  Sie  muß  vorläufig  in  vieler  Hinsicht 
lückenhaft  bleiben,  da  hier  wichtige  Eigentümlichkeiten  nur 
zu  ermitteln  sind,  wenn  der  Scolex  im  Leben  aus  der  Blase 
herausgedrückt  worden  ist.  Solche  Exemplare  standen  mir  aber 


Studien  über  Tetrarhynchen.  565 

nur  in  geringer  Anzahl  zu  Gebote  und  auch  bei  ihnen  dürfen 
die  Messungen  wegen  der  verschiedenen  Entwicklungs- 
stufen u.  s.  f.  nur  auf  sehr  relativen  Wert  Anspruch  erheben. 

Die  Länge  des  ausgestülpten  Scolex  schwankte  um  die 
oben  in  der  Tabelle  stehenden  Größen  im  äußersten  zwischen 
0*57  bis0*78*ww.  Jedenfalls  ist  der  Scheidenteil  des  Scolex 
am  längsten,  der  Kolbenteil  kürzer,  wie  aus  Fig.  23  und  24 
hervorgeht.  Bei  einem  gut  ausgestreckten  Individuum  finde  ich 
die  Verhältnisse  von  Bothridienteil  (480  |i)  zu  Scheidenteil  (720  ja) 
und  Kolbenteil  (320  |t)  wie  6:9:4;  da  der  Kolbenteil  wohl  am 
wenigsten  zur  Kontraktion  in  der  Längsrichtung  neigt,  könnte 
man  wohl  annähernd  sagen  wie  2:3:  1. 

Die  beiden  Bothridien,  je  eine  dorsal  und  ventral  gestellt, 
zeigen  nichts  Auffälliges.  An  den  wenigen,  durch  Druck  aus- 
gestülpten Rüsseln  läßt  sich  zur  Not  der  Hakentypus  erkennen. 
Unsere  Form  gehört  zu  denen  mit  ungleichartiger  Bewaffnung. 
In  einer  Querreihe  dürften  etwa  10  Häkchen  stehen,  von  denen 
etwa  vier  nebeneinander  größer,  die  übrigen  kleiner  sind.  Unter 
den  vier  großen  ist  wieder  einer  der  weitaus  größte,  die  andern 
nehmen  stufenweise  an  Größe  ab.  Die  größten  Häkchen  zeigen 
von  der  Basis  bis  zur  Spitze  Längen  von  28, 32, 40  ja,  die  Basis- 
breite  der  größten  erreicht  8  [a.  Fig.  26  zeigt  den  Typus  der 
Rüsselbewaffnung  bei  a  am  ausgestülpten,  bei  b  und  c  an  einem 
Stücke  eingestülpten  Rüssels.  An  den  Fig.  a  und  c  ist  zu 
sehen,  daß  die  Rüssel  ferner  durch  je  ein  der  Rüsselbasis  nahes 
Feld  sehr  kleiner,  dicht  stehender  Häkchen  ausgezeichnet  sind, 
wie  dies  jetzt  schon  von  mehreien  Arten  bekannt  ist. 

Die  Muskelkolben  (siehe  Tabelle),  oft  nierenförmig  ge- 
drungen, was  ich  für  ein  jüngeres,  oft  gestreckt,  was  ich  für  ein 
älteres  Stadium  halte,  sind  rund  etwa  0'2mm  lang,  0*06  mm 
breit;  an  einem  völlig  gestreckten  und  im  Schnitte  gerade  längs- 
getroffenen Kolben  messe  ich  aber  bis  0  •  456  mm  Länge  bei 
0  056  Breite.  Die  Zahl  der  Muskelschalen  beträgt  sicher  minde- 
stens 10,  wahrscheinlich  ein  wenig  darüber,  vielleicht  bis  13. 
Die  einzelnen  Schalen  sind  in  den  vorliegenden  Entwicklungs- 
stadien noch  sehr  dünn  und  selbst  an  den  feinsten  Eisenhäma- 
toxylinschnitten  nicht  ganz  sicher  zu  zählen.  Die  Breite  der 
einzelnen  wie  sonst  gekreuzten  Bänder  beträgt  zirka  2,  4  bis  6  jjl 


566  Th.  Pintner, 

Die  Rüsselscheiden,  von  deren  vielfach  zusammenge- 
wundener Lage  bei  jungen  Exemplaren  Fig.  25  ein  Bild  gibt, 
zeigen  etwa  40  ft  Querdurchmesser,  der  Retraktor  an  nicht  sehr 
kontrahierten  und  somit  nicht  verdickten  Stellen  etwa  8  bis  16  jjl 
Die  kontraktilen  Fibrillen  liegen  in  der  Peripherie,  die  Kerne  im 
Zentrum.  Er  erstreckt  sich  bis  ans  hintere  Ende  oder  doch  fast 
bis  ans  hintere  Ende  des  Kolbens. 

D  i  e  s  i  n  g  (63,  p.  304  bis  305)  erwähnt  bei  den  Rhy nchobothria 
solummodo  statu  larvae  cognita  unter  9  bis  11  Formen  aus 
Lophius.  Nr.  9  von  Dies  ing  entspricht  der  Form  von  Wagen  er 
(54,  p.  81,  Taf.  18,  Fig.  225—228).  Die  Form  hat  mit  der 
unsrigen  keine  sehr  weitgehende  Ähnlichkeit,  die  Möglichkeit 
der  Identität  ist  aber  gleichwohl  nicht  ohne  weiteres  von  der 
Hand  zu  weisen.  Die  Größe  würde  die  unserer  Form  allerdings 
übertreffen.  Aufmerksam  zu  machen  ist  auf  den  braunen  FJecken 
in  Fig.  226  am  Stirnrande.  Haben  die  »Frontaldrüsen«  im  Leben 
wirklich  bisweilen  eine  so  braune  Färbung,  wie  nach  den  Ab- 
bildungen und  Angaben  Wagen  er's  über  die  »kaktusförmige 
Masse«  anzunehmen  ist,  so  würde  dieser  braune  Flecken  sehr 
wahrscheinlich  die  Ausmündungen  der  Frontaldrüsen  am  Stirn- 
rande vorstellen,  von  denen  wir  kennen  gelernt  haben,  daß  sie 
auf  parallel  zur  Medianebene  gerichteten  Längsschnitten  am 
deutlichsten  sind.  Auch  in  der  genannten  Figur  ist  der  Kopf  in 
halb  seitlicher  Lage  gezeichnet.  Jedenfalls  ist  die  Form  nicht 
getauft. 

Nr.  10  bei  Diesing  ist  identisch  mit  Wagener  54,  p.  76, 
Taf.  14,  Fig.  169,  171—174  und  hat  mit  unserer  Form  be- 
stimmt nichts  zu  tun,  ebensowenig  wie  Nr.  11  Diesing's 
(Wagener  54,  p.  74,  Taf.  11,  139—141). 

Bei  Vaullegeard  finden  wir  nur  ein  flüchtiges  Resume 
dieser  Angaben,  keine  originalen. 

Die  uns  vorliegende  Art  kann  nach  dem  Gesagten  nicht 
mit  einer  bereits  benannten  identifiziert  werden  und  ich  schlage 
für  sie  den  Namen  Rhynchobothrius  adenoplusius  vor. 

Meine  Angaben  genügen  sicher  zur  zweifellosen  Wieder- 
erkennung der  Larve,  keineswegs  zu  der  des  zugehörigen 
Geschlechtstieres.  In  dieser  Hinsicht  ist  also  die  Namengebung 
eine  bloß  provisorische. 


Studien  über  Tetrarhynchen.  567 

Über  das  Integument  von  Rhynchobothrius  adenoplusins  n. 
und  einigen  anderen  Formen. 

Die  Cuticula  umgibt  den  Larvenkörper  in  einer  Dicke, 
die  nicht  nur  bei  verschiedenen  Individuen  wohl  nach  deren 
jeweiligen  Kontraktionszuständen  ziemlich  wechselt,  sondern 
auch  an  verschiedenen  Stellen  eines  und  desselben  Individuums. 
Am  vorderen  Körperpole  und  im  Receptaculum  erscheint  sie 
dicker  als  sonst.  In  der  Receptaculummündung  erreicht  ihre 
Dicke  14  (x,  in  der  vorderen  Körperpartie  fallt  diese  Dicke  auf 
6  jjl,  sonst  noch  weiter.  Ihre  Färbung  an  gut  reduzierten  Eisen- 
hämatoxylinpräparaten  ist  hellgrau  mit  einem  Stich  ins  Braune, 
die  der  Basalmembran  tief  schwarz. 

Die  Härchen  sind  kurz  mit  papillenförmig  verdickter 
Basis,  krallenförmig  gekrümmtem  Schaft  und  scharfer  Spitze. 
Sie  sind  am  größten  und  stärksten  am  Vorderkörper  und  im 
Receptaculum,  besonders  an  den  Scolexflächen;  an  den  Seiten 
und  gegen  hinten  nehmen  sie  allmählich  an  Größe  ab  (mit  den 
Härchen  parallel  wächst  oder  sinkt  in  der  Regel  die  Stärke  der 
subcuticularen  Ringfibrillen).  Die  Härchen  färben  sich  stets 
weitaus  lebhafter  als  die  Hauptschicht  der  Cuticula  (in  Safranin 
tief  rot,  in  Delafield  tief  blau,  in  Eisen  schwarz,  besonders 
dunkel  die  Basalpapillen).  An  den  Scolexflächen  stehen  sie  sehr 
dicht,  von  der  Fläche  her  sieht  man  die  strenge  —  so  allgemein 
giltige  —  Anordnung  im  Quincunx.  Am  Blasenkörper  mit  seinen 
zahlreichen  Buckeln  und  Falten  ist  diese  Anordnung  verwischt. 
Ihre  gegenseitigen  Abstände  steigen  hier  (auf  Schnitten  ge 
messen)  in  der  Umgebung  des  Receptaculums  auf  4,  dann  auf 
6,  gegen  hinten  auf  10,  20  [jl  u.  s.  f.  Ihre  Basis  scheint  oft  tief  in 
die  Cuticula  eingesenkt.  Am  Scolex  nehmen  sie  die  Form  kleiner 
verbreiterter  Schüppchen  an  (Fig.  3).  Auch  in  die  Harnblase 
treten  sie  mit  der  hier  wieder  dicken  Cuticula  ein  und  werden  — 
wie  in  bekannten  zahlreichen  anderen  Fällen  —  zu  langen 
Haaren,  die  in  bartähnlichen  Büscheln,  dicht  gedrängt,  die 
Wände  der  Blase  bedecken. 

Die  Cuticula,  besonders  in  ihren  dickeren  Teilen,  zeigt  nun 
bei    unserer    Form    mehrere    Arten    merkwürdiger   Differen- 


568  Th.  Pintner, 

zierungen  mit  seltener  Deutlichkeit,  alle  nach  Eisenhämatoxylin- 
behandlung. 

Eine  dieser  Differenzierungen  ist  ihre  äußerste  Grenz- 
schicht, die  als  feine  schwarze  Linie  sich  stets  klar  abhebt. 
Diese  Grenzschicht  ist  nach  außen  zwar  glatt,  wie  es  scheint, 
aber  nicht  eben,  sondern  vielfach  gefurcht.  Die  Einsenkungen 
oder  Runzeln  erscheinen  am  Querschnitt  trichterig  und  reichen 
als  mehr  oder  weniger  zarte  schwarze  Linien  oft  weit  über  die 
Mitte  der  Dicke  der  Cuticula  in  die  Tiefe  (Fig.  13  ru). 

Auf  tangential  getroffenen  Stellen  (Fig.  16)  —  gewöhnliche 
Totopräparate  zeigen  diese  Bilder  nicht,  da  sie,  wie  gesagt,  nur 
bei  Eisenbehandlung  hervortreten  —  sieht  man  diese  in  der 
vorderen  Körperregion,  zumal  im  vorderen  Receptaculumkanal 
häufigen  Einsenkungen  oft  mit  einander  verbunden  und  auf 
den  Buckeln  zwischen  ihnen  die  Härchen  eingepflanzt. 

Wir  sehen  also  auf  Durchschnitten  der  Cuticula  zahlreiche 
feine  schwarze  Linien  von  der  Peripherie  her  in  die  Tiefe 
ziehen,  die  stets  der  Ausdruck  von  Oberflächenfurchen  sind. 
Und  zu  ihnen  ziehen  nun  sehr  mannigfach  gestaltete  lineare 
Differenzierungen  von  der  Basis  der  Cuticula  her,  oft  mehrere 
dicht  nebeneinander. 

Unter  diesen  Differenzierungen  sind  aber  ganz  verschie- 
dene Arten  zu  unterscheiden: 

1.  Solche,  die  zweifellos  Ausmündungen  von  Finnendrüsen 
sind,  so  z.  B.  in  Fig.  13  b,  wo  man  die  Drüse  in  direktem  Zu- 
sammenhange mit  der  Mündungstelle  sieht.  Der  Endabschnitt 
der  Drüsen  innerhalb  der  Hauptschicht  der  Cuticula  erscheint 
da  oft  einfach  oder  mehrfach  kolbig  aufgetrieben  wie  Fig.  13  a, 
drm>  was  jedenfalls  von  dem  Umfange  der  vorhandenen  Sekret- 
pfropfen abhängt.  Der  in  die  Tiefe  gehende  Fortsatz  ist  bis- 
weilen unmittelbar  als  Endabschnitt  der  Finnendrüse  erkennbar 
(Fig.  13fc),  oft  dagegen  erscheint  er  als  scharf  konturierter  feiner 
Faden  mit  egaler,  glatter  Oberfläche  wie  in  Fig.  13  a,  drm.  Wenn 
wir  uns  an  die  Form  der  Drüsen  bei  Färbungen  mit  gewöhnlichen 
Farbstoffen  an  Totopräparaten  erinnern,  werden  wir  hierin 
nichts  Auffälliges  finden.  Wie  der  Sekretpfropfen  verschieden 
weit  gegen  die  Oberfläche  der  Cuticula  zu  vorragen  kann,  so 
kann  es  auch  mit  seinem  proximalen  Ende  verschieden  bestellt 


Studien  über  Tetrarhynchen.  569 

sein:  entweder  er  ist  nur  innerhalb  der  Hauptschicht  der  Cuticula 
als  solcher  erkennbar  oder  er  ragt  über  dieselbe  durch  Basal- 
membran und  Muskulatur  in  die  Tiefe  (Fig.  13  a,  drm)  und 
geht  plötzlich  in  eine  fadenförmige  Drüsenstrecke  über. 

2.  Eine  zweite  Form  der  cuticularen  Differenzierungen 
finden  wir  in  Figur  13  a  bei  ru,  Fig.  13  cy  ru.  Diese  Form  ist 
sehr  häufig  und  erhält  ihr  charakteristisches  Gepräge  dadurch, 
daß  das  distale  Ende  des  sekretpfropfenartigen  Teiles  verdickt 
und  von  außen  her  napfförmig  eingedrückt  erscheint.  Was  die 
Fortsetzung  gegen  das  Körperinnere  anlangt,  gleichen  diese 
Gebilde  völlig  den  unter  1  besprochenen.  Einmal,  Fig.  13  a,  bei 
ru'  war  um  das  ganze  Gebilde  samt  der  zugehörigen  Cuticular- 
einsenkung  deutlich  ein  elliptischer  heller  Hof  in  der  sonst 
etwas  dunkler  gefärbten  Schicht  der  Cuticula  bemerklich. 

Auch  diese  unter  2  erwähnten  Gebilde  stehe  ich  nicht  an 
als  Drüsenausführungsgänge  in  Anspruch  zu  nehmen,  wenn 
ihre  Deutung  auch  nicht  mehr  so  ganz  zweifellos  sicher  steht 
wie  bei  denen  unter  1.  Doch  dürfte  die  Stärke  des  fast  überall 
leicht  nachweisbaren  basalen  Fortsatzes  und  die  völlige  Über- 
einstimmung mit  dem,  was  wir  in  Bezug  auf  dasselbe  Gebilde 
bei  1  gefunden  haben,  einen  Zweifel  kaum  aufkommen  lassen. 
Das  distale,  mit  seiner  Konkavität  nach  außen  gewandte 
Näpfchen  des  Sekretpfropfens  dürfte  so  zu  erklären  sein,  daß 
die  eigentliche  Mündung  —  denn  diese  liegt  ja  doch  dort,  wo 
die  von  der  Oberfläche  her  eingesenkte  Furche  proximal  ihr 
Ende  hat  —  eben  stets  eine  kleine  Delle  zeigt. 

Die  beiden  unter  1  und  2  beschriebenen  cuticularen  Diffe- 
renzierungen haben  miteinander  noch  ein,  wie  es  scheint, 
wesentliches  Merkmal  gemeinsam,  das  den  später  zu  be- 
schreibenden fehlt:  dort,  wo  sie  durch  die  proximale  Fläche 
der  Hauptschicht  der  Cuticula  von  innen  her  eintreten,  wo  sie 
also  gleichzeitig  die  Basalmembran  durchsetzen,  zeigt  diese 
keine  Störung  ihres  normalen  Verlaufes. 

Bei  allen  nun  zu  beschreibenden  Differenzierungen  der 
Cuticula  dagegen  finden  wir  an  der  Berührungsstelle  mit  der 
Basalmembran  diese  nach  außen  emporgezogen,  so  daß  ein 
eigentümlich  gestalteter,  im  optischen  Schnitte  verschieden  um- 
grenzter Raum  unter  ihr  entsteht.  Ein  proximaler  Basalfortsatz 


570  Th.  Pintner, 

gegen  das  Körperinnere  ist  bei  den  von  mir  angewandten  Präpa- 
rationsmethoden nicht  nachweisbar.  Es  sind  da  zunächst 

3.  Gebilde  zu  erwähnen,  die  an  jene  von  Nr.  2  er- 
innern, nur  daß  sie  viel  zarter  sind  (Fig.  13  a,  ru11).  Unter  jedem 
derselben  erhebt  sich  die  Basalmembran  zeltdachartig.  Sie 
zeigen  meist  proximal  wie  distal  eine  Verdickung,  dazwischen 
ein  zarteres  oder  sehr  zartes  Verbindungsstück.  Auch  über 
ihnen  findet  sich  eine  trichterige  Einsenkung  der  Cuticula  mit 
einem  bis  zu  ihrem  distalen  Ende  herabreichenden  feinen  Spalt, 
der  als  zarte  schwarze  Linie  erscheint.  Gebilde  wie  die  beiden 
links  von  ru  in  Fig.  13  c  und  das  linke  mit  ru  bezeichnete  in 
Fig.  13  a  sind  wahrscheinlich  auch  hieher  zu  ziehen. 

4.  Finden  wir  ziemlich  starke  kurze  stäbchenförmige 
Gebilde  mit  beiderseits  verdickten  Enden,  stets  mehr  oder 
weniger  auffällig  an  die  Gestalt  eines  Röhrenknochens  erinnernd, 
(Fig.  13  a,  *  und  die  vier  in  Fig.  13  c  gezeichneten);  die  ver- 
dickten Enden  sind  oft  intensiver  geschwärzt,  bisweilen  wie 
eine  schwarze  Platte  sich  abhebend.  Die  Cuticula  erscheint  über 
ihnen  gleichfalls  trichterig  eingesenkt,  jedoch  sieht  man  die  Falte 
derselben  nie  sich  bis  an  das  distale  Stäbchenende  herabsenken, 
sondern  früher,  oft  in  ziemlicher  Entfernung  vom  Stäbchen  auf- 
hören. Unter  dem  Stäbchen  erscheint  die  Basalmembran 
mächtig  gegen  dasselbe  emporgehoben  und  zwar  in  den  weitaus 
meisten  Fällen  als  Umgrenzung  eines  mehr  oder  weniger  ovalen 
basal  abgestutzten  Raumes.  Daß  die  Basalmembran  diesen  Raum 
auch  gegen  das  Innere  abzuschließen  scheint,  kommt  nur  daher, 
daß  auch  bei  sehr  dünnen  Schnitten  der  Raum  doch  noch  ganz  am 
Schnitte  erscheint,  so  daß  die  vor  oder  hinter  ihm  vorbeilaufende 
Kontur  der  Basalmembran  sichtbar  ist. 

Bisweilen  hat  ihre  Erhebung  jedoch  auch  die  unter  3  er- 
wähnte zeltartige  Form.  Die  mehr  unregelmäßigen  Bildungen 
in  Fig.  13  c  sind  wohl  Übergänge  von  der  einen  Art  zur  anderen. 
Allenthalben  fehlt  hier,  wie  erwähnt,  ein  zentral  gerichteter 
Fortsatz. 

Die  Deutung  der  unter  3  und  4  beschriebenen  Gebilde  ist 
durchaus  nicht  leicht.  Man  könnte  einmal  an  nervöse  End- 
gebilde, zweitens  doch  auch  an  Drüsenabschnitte,  drittens  an 
ganz  heterogene  Gebilde  (Böhm ig's  »wasserklare  Räume«  in 


Studien  über  Tetrarhynchen.  571 

der  Turbellarienepidermis,  die  K.  C.  Schneider  [02,  p.  296]  als 
nach  außen  mündende  Lymphräume  anspricht,  oder  ähnliches) 
denken. 

Gegen  die  beiden  ersten  Deutungen  spricht  gleichmäßig 
der  Mangel  eines  basalen  Fortsatzes  sowie  der  Mangel  der 
distalen  Hauteinsenkung.  Jedoch  möchte  ich  für  meinen  Teil, 
freilich  unter  aller  Reserve,  doch  zu  der  Deutung  der  Gebilde 
als  Drüsenenden  neigen.  Ich  möchte  glauben,  daß  vielleicht  ein 
Stadium  vorliegt,  wo  die  Drüse  zu  sezernieren  aufgehört  hat,  ihr 
Ausführungsgang  und  sie  selbst  deshalb  nicht  mehr  erkannt 
werden  kann  und  nur  ein  letzter  Sekretpfropfen  in  der  Cuticula 
noch  übrig  geblieben  ist,  während  das  Fehlen  der  Spalte  nach 
außen  vielleicht  bisweilen  einem  rein  zufälligen  Umstände  zu- 
zuschreiben ist.  Die  Erhebung  der  Basalmembran  ist  vielleicht 
auf  eine  vorgängige  mächtigere  Sekretanhäufung  zurückzu- 
führen, ein  jetzt  atrophiertes,  früher  bestandenes  kleines 
Sekretreservoir,  wobei  man  sich  natürlich  denken  müßte,  daß 
die  Wandung  des  Drüsenganges  mit  der  Basalmembran  hier  in 
unkenntlicher  Weise  verschmolzen  erscheint. 

Ganz  anders  verhält  es  sich  mit  einer 

5.  Art  von  cuticularen  Differenzierungen,  die  in  Fig.  17  ab- 
gebildet sind.  Es  sind  dies  einzelne,  meist  aber  in  Büscheln  bis  zu 
6  und  10  vereinigte,  außerordentlich  feine  Stäbchen-  oder 
haarförmige  Gebilde  mit  einer  zarten  knopfförmigen  Verdickung. 
Diese  Verdickung  liegt  bei  unserer  Form  von  der  Mitte  der 
Cuticula  etwas  nach  innen.  Von  ihr  aus  laufen  die  Stäbchen 
gegen  die  Basalmembran  zu  fächerförmig  zusammen.  Ich  sah 
sie  hier  die  Basalmembran  nicht  völlig  erreichen,  auch  keiner- 
lei zentralen  Fortsatz  an  sie  herantreten.  Die  Knöpfchen  sind 
bald  sehr  regelmäßig  in  einem  Kugelflächenabschnitt  zusammen- 
geordnet, bald  stehen  sie  unregelmäßiger  wie  auf  Stäbchen  von 
wechselnder  Länge,  immer  sehr  dicht  beieinander.  Von  jedem 
Knöpfchen  läuft  eine  Linie,  die  noch  viel  zarter  als  das  Stäbchen 
ist,  nach  der  Oberfläche  der  Cuticula.  Diese  Linien  divergieren 
zwar  auch  noch  gegen  außen  zu,  aber  viel  weniger  stark  wie 
die  Stäbchen  selbst  und  auch  sie  waren  nicht  bis  an  die  äußere 
Grenze  der  Cuticula  zu  verfolgen. 


Dil  Th.  Pintner, 

Zum  Vergleiche  will  ich  einige  offenbar  völlig  homologe 
Gebilde  aus  der  Haut  von  Anthocephalus  elongatus  aus  Ortha- 
goriscus  mola  (Leber,  Messina)  beschreiben. 

Dieselben  fanden  sich  auf  Querschnitten  der  großen  Larve, 
durchwegs  gleichfalls  auf  Eisenhämatoxylinpräparaten,  die  stark 
reduziert  und  dann  mit  Van  Giesson  nachbehandelt  wurden. 

Sie  lagen  sämtlich  in  der  äußeren  Cuticula  des  Blasen- 
körpers, die  keinerlei  sonstige  Hohlräume,  Kanäichen  etc.  auf- 
wies, niemals  in  der  Cuticula  des  hier  so  kolossal  langen  Recep- 
taculums  oder  der  des  Scolex.  Die  Färbung  war  dabei  so,  daß 
die  Cuticularhauptschicht  mehr  oder  weniger  intensiv  rosenrot 
erschien,  die  subcuticularen  Muskelfibrillen  schwarz,  die  Basal- 
membran dagegen  einen  deutlichen  Stich  ins  Gelbe  zeigte. 

Die  fraglichen  Gebilde  (Fig.  18  und  19)  sind  hier  in  Bezug 
auf  ihre  proximale  und  distale  Endigungsweise  viel  klarer  aus- 
gebildet als  bei  der  Larve  aus  Lophius.  Proximal  sehen  wir  sie 
bis  dicht  an  die  Basalmembran  herantreten,  ohne  daß  diese  eine 
Störung  in  ihrem  Verlaufe  erduldet.  Distal  sehen  wir  als  durch- 
greifendes Merkmal  eine  Einsenkung  der  Cuticula  über  den 
Gebilden.  Auch  dort,  wo  im  Gegenteil  die  Cuticula  über  der 
ganzen  Gruppe  hügelförmig  vorspringt  (Fig.  18&,  19  c),  sieht 
man,  daß  entweder  dieser  Hügel  zwischen  benachbarten,  stärker 
vorgewölbten  eingesenkt  liegt  (Fig.  18&)  oder  daß  zu  jedem 
einzelnen  Stäbchen  aus  diesem  Hügel  ein  besonderer  Trichter 
hinabführt  (Fig.  19  c).  Solche  trichterige  Einsenkungen  der 
Cuticula  finden  wir  auch  ohne  scheinbare  Verbindung  mit 
Stäbchen  (Fig.  19£).  Ob  dies  nun  den  natürlichen  Verhältnissen 
entspricht  oder  ob  bloß  der  Schnitt  an  den  Stäbchen  vorüber- 
führt, lasse  ich  dahingestellt. 

In  allen  Fällen  reicht  die  Einsenkung  der  Cuticula  bis  dicht 
an  die  feinen  knopfförmigen  Verdickungen  der  Stäbchen;  und 
das  führt  uns,  glaube  ich,  in  Bezug  auf  die  Deutung  der  Gebilde 
bei  den  Lophiusparasiten  wenigstens  insoferne  weiter,  als  die 
feinen,  von  den  Knöpfchen  nach  außen  führenden  Linien  in 
diesem  Falle  als  zarte  Spalten  oder  Kanälchen  in  der  Cuticula 
deutbar  sind.  Basale  Fortsätze  fand  ich  nicht. 

Alle  unter  5  beschriebenen  Gebilde  sind  sehr  viel  zarter 
als  sämtliche   früher  genannten,  so  daß  man  diese  sehr  gut 


Studien  über  Tetrarhynchen.  573 

sehen  und  gleichzeitig  doch  auch  ohne  alle  Flüchtigkeit  jene 
vollständig  übersehen  kann. 

Ich  führe  der  Übersicht  halber,  und  um  zu  zeigen,  daß  nicht 
etwa  Verwechslungen  vorliegen,  gleich  noch  eine 

6.  Differenzierung,  die  in  der  Cuticula  gelegen  ist,  auf, 
nämlich  die  schon  von  anderer  Seite  bekannten  nervösen  End- 
apparate. Diese  finden  sich  auf  den  gleichen  und  gleich- 
behandelten Schnitten  von  Anthocephalus  elongatus  an  gleichem 
Orte  in  großer  Anzahl.  Sie  unterscheiden  sich  leicht  von  allen 
übrigen:  a)  durch  die  beträchtliche  buckeiförmige  Erhebung  der 
Cuticula  über  ihnen.  Diese  erscheint  oft  noch  auffälliger  wie  in 
den  Figuren,  wie  eine  der  übrigen  glatten  Umgebung  auf- 
gelagerte Halbkugel.  In  der  Mitte  derselben  ist  bisweilen,  viel- 
leicht nur  bei  besonders  günstiger  Schnittrichtung,  eine  kleine 
trichterige  Einsenkung  mit  in  die  Tiefe  führendem  Kanälchen, 
das  genau  auf  den  Sinneskörper  auftritt  (Fig.  20  c\  nachweisbar. 
Ein  schwarzer  Punkt  (Fig.  20  a)  oder  eine  schwarze  Linie 
(Fig.  20  b),  distal  von  dem  eigentlichen  Sinneskörper  gelegen, 
ist  entweder  im  Sinne  eines  derartigen  quer  oder  schräg  durch- 
schnittenen Kanälchens  zu  deuten  oder  im  Sinne  eines  peripheren, 
tasthaarähnlichen  Gebildes,  das  noch  auf  dem  Bläschen  aufsitzt 
(siehe  unten);  b)  durch  die  bekannte  Birnform.  Das  birnförmige 
Gebilde  ist  von  einer  sehr  zarten  Hüllmembran  umschlossen.  Sein 
Inhalt  hebt  sich  meist  viel  heller  aus  der  rot  gefärbten  Umgebung 
ab.  Die  Längsachse  der  Birne  wird  von  einer  schwarzen,  ganz 
schwach  und  unregelmäßig  gewellten  Linie,  jedenfalls  einer 
Neurofibrille  durchzogen,  die  peripher  verdickt  eine  nagelkopf- 
artige Platte  bildet  (Fig.  20  a,  b).  Ihre  Ränder  gehen  direkt  in 
die  Bläschenwand  über,  c)  Proximal  finden  wir  stets  als  Stiel 
der  Birne  die  zutretende  Nervenfaser  dicker  als  die  Fibrille  im 
Innern  des  Körperchens.  Sie  war  stets  durch  die  Basalmembran 
bis  zur  Zirkulärfaserschicht  sichtbar  und  bog,  meist  noch  deut- 
lich unterscheidbar,  im  Sinne  des  Faserverlaufs  dieser  ab 
(Fig.  20  b),  ohne  sich  weiter  verfolgen  zu  lassen.  Einmal 
(Fig.  20  c)  sah  es  a^£>,  als  ob  sich  der  Nerv  gabelte,  d)  Endlich 
finden  wir  regelmäßig  eine  zeltartige  Erhebung  der  Basal- 
membran, deren  Spitze  mit  der  Eintrittsstelle  des  Nerven  in  das 
Bläschen  zusammenfällt. 


574  Th.  Pintner, 

Ich  zähle  am  Gesamtumfange  eines  Anfhocephalus-Quer- 
schnittes  1 7  Nervenendapparate  und  22  deutliche  Trichter  mit 
den  unter  5  beschriebenen  Differenzierungen.  Von  den  Nerven- 
endapparaten konnte  ich  bei Rhynchobothriusadenopliisitis  nichts 
entdecken. 

Was  die  Deutung  der  unter  5  beschriebenen  Apparate  an- 
langt, so  dürfte  sie  zur  Stunde  kaum  möglich  sein.  Es  läßt  sich 
aber  sagen,  daß  in  ihnen  höchstwahrscheinlich  dieselben  oder 
ähnliche  Gebilde  vorliegen,  wie  sie  Blochmann  (96,  p.  5  und 
Taf.  1,  Fig.  1)  und  Zernecke  (95,  p.  57)  als  »Körbchenzellen« 
beschrieben  haben,  die  Zernecke  als  vielleicht  zur  Nahrungs- 
aufnahme in  Beziehung  stehend  hält,  was  aber  doch  wohl  höchst 
fraglich  ist. 

Unsere  Gebilde  weichen  in  einem  wichtigen  Punkte  von 
den  ausführlicheren  Angaben  Zernecke's  ab  und  zwar  in  dem 
Mangel  der  basalen  Zelle.  Nun  gelang  es  ja  aber  mit  der  Eisen- 
hämatoxylinmethode  auch  bei  den  unbezweifelbaren  cuticularen 
Nervenendapparaten  nicht,  die  zugehörige  Sinneszelle  aufzu- 
finden. Es  dürfte  also  dieses  negative  Resultat  kaum  einer 
Homologisierung  hinderlich  sein.  Übrigens  blieb  die  Impräg- 
nierung der  Zelle  auch  bei  Zernecke  bisweilen  aus  (Fig.  64 
und  66),  wo  allerdings  wenigstens  der  proximale  Fortsatz  deut- 
lich blieb.  Im  übrigen  jedoch  finden  wir  die  auffälligste  Über- 
einstimmung mit  den  Angaben  Zernecke's.  Sie  bezieht  sich 
auf  die  oberflächliche  Einsenkung  der  Cuticula,  wie  wir  sie 
bei  Anthocephalus  als  typisch  bezeichnen  konnten.  Sie  bezieht  sich 
auf  die  knopfförmige  Anschwellung  des  distalen  Stäbchenendes, 
die  ungefähre  Gruppierung  der  Stäbchen,  wenn  auch  hier  jenes 
Umfassen  der  Einsenkung  und  die  Anordnung  »in  zwei 
Reihen«  nicht  erkennbar  ist.  Das  viel  derbere  Aussehen  in  den 
Abbildungen  Zernecke's  gegenüber  unseren  Bildern  ist  ohne 
weiteres  auf  Rechnung  der  Eigentümlichkeiten  derGolgi-Methode 
zu  setzen.  Übrigens  ist  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  die 
»Körbchenzellen«  bisher  nur  bei  Ligula  gefunden  worden  sind, 
daß  also  die  vorliegende  Beobachtung  die  erste  Bestätigung 
dieses  Fundes  enthält,  wobei  es  merkwürdig  ist,  daß  beide 
Objekte,  an  denen  ich  diese  merkwürdigen  Differenzierungen 
der  Cuticula  wiederfand,  sich  auf  Cestodenlarven,  auf  nicht  im 


Studien  über  Tetrarhynchen.  575 

Darm,  sondern  in  Cysten  lebende  Entwicklungszustände 
beziehen.  Auch  die  Ligula,  an  denen  die  erste  Beobachtung  der 
Körbchenzellen  gemacht  wurde,  waren  nämlich  nicht  die 
Geschlechstiere,  sondern  Larven  aus  Fischen. 

Ich  gebe  zu  diesem  Gegenstande  noch  einige  weitere  Ab- 
bildungen nach  Schnitten  von  Antkocephalns  elongatns,  durch- 
aus Eisenhämatoxylinpräparaten  entnommen. 

Zunächst  Fig.  21  A.  Sie  zeigt  ein  typisches  Sinnesbläschen, 
das  sich  jedoch  von  der  sonst  von  uns  hier  beobachteten  Form 
dadurch  unterscheidet,  daß  es  peripher  ein  zartes,  die  Cuticula 
nach  außen  überragendes  Härchen  trägt.  Es  erinnert  das  an  die 
Angaben  von  Bettendorf  (97,  p.  344,  Fig.  31)  über  die  Tast- 
papillen  bei  Cercariaeum  und  ihre  Stiftchen.  Ich  habe  solche 
Bilder  wiederholt,  wenn  auch  nicht  häufig  gesehen,  konnte  aber 
nicht  ganz  über  den  Verdacht  hinauskommen,  ob,  in  meinen 
Präparaten  wenigstens,  in  dem  Fädchen  nicht  etwa  ein  der 
Behandlung  zuzuschreibendes  Kunstprodukt  vorliege. 

Von  Interesse  schienen  mir  Bilder,  wie  sie  uns  Fig.  21  B 
zeigt.  Dieselben  sind  in  der  Cuticula  des  vordersten  Scolex- 
abschnittes,  der  in  jeder  H  insicht  noch  in  Entwicklung  befindliche 
Gewebekomplexe  zeigt,  sehr  häufig  zu  finden.  Der  typische 
Nagelkopf  des  Sinnesbläschens  ist  an  ihnen  unverkennbar,  das 
Stiftchen  des  Sinnesbläschens  ist  aber  —  wie  ich  die  Bilder  auf- 
fassen zu  sollen  glaube  —  noch  nicht  in  die  Cuticula  hinein- 
gewachsen, sondern  liegt  noch  unter  der  allerdings  gehobenen 
Basalmembran  im  Innern.  Das  Bläschen  ist  noch  nicht  ge- 
schlossen, sondern  über  dem  Nagelkopf  erst  wie  ein  Zeltdach 
ausgespannt  und  sein  Häutchen  dürfte  gleichfalls  von  der  Basal- 
membran herstammen.  Ist  meine  Deutung  richtig,  so  wäre  dann 
auch  die  Wand  der  Sinnesbläschen  der  Basalmembran  zuzu- 
schreiben, somit  eine  Hülle  parenchymatösen  Ursprungs. 

Auffällig  sind  auch  die  beiden  Sinnesbläschen  in  Fig.  21  C. 
Sie  entstammen  der  kolossal  dicken  Cuticula  der  äußeren  Wand 
des  Receptaculums,  die  hier  durch  eine  unendlich  zarte,  fein 
granulierte  Struktur  (viel  zarter  als  auf  der  Figur)  ausgezeichnet 
ist.  Auch  diese  beiden  sind  noch  nicht  geschlossen,  Sondern 
hängen  noch  mit  dem  hoch  emporgehobenen  Zeltdach  der 
Basalmembran  zusammen,  die  im  übrigen    sowohl  der  Masse 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CX1I.  Bd.,  Abt.  I.  37 


576  Tb.  Pintner, 

der  Cuticula  wie  den  darunter  liegenden  Ringmuskeln  dicht 
anliegt  (ein  Zeichen  guter  Konservierung!).  Von  der  Spitze  des 
einen  Sinnesbläschens  nun,  die  ungefähr  erst  in  der  halben  Dicke 
der  Cuticula  liegt,  ragt  ein  Stiftchen  zur  Peripherie  empor,  dessen 
äußeres  Ende  wiederum  knopfförmig  angeschwollen  erscheint. 
Rings  um  dieses  Stiftchen  bildet  die  Masse  der  Cuticula  einen 
sehr  deutlichen  hellen  Hof,  aber  keine  Wand.  Das  Bild  erinnert 
an  die  in  Fig.  20  A  und  Bt  so  daß  es  den  Anschein  hat,  als  ob 
sich  der  periphere  Stift  des  Sinnesbläschens  verkürzen  würde, 
sobald  es  in  seine  normale  Lage  hineinwächst.  Charakteristisch 
ist  hier  auch  die  papillenförmige  Erhebung  der  Cuticula,  die 
rings  von  einem  Graben  und  einer  wallartigen  Erhebung  um- 
geben erscheint. 

Zu  den  Sinnesbläschen  sind  wohl  auch  die  merkwürdigen 
Doppelbildungen  in  Fig.  21  D  zu  zählen,  die  ich  in  genau  der 
gleichen  oder  sehr  ähnlicher  Form  wiederholt  auffand. 

Schwieriger  ist  die  Deutung  der  Gebilde  in  Fig.  22  A.  Diese 
finden  sich  stets  an  den  scharfen  Rändern  der  Bothridien,  deren 
Querschnittbild  von  dem  der  Umgebung  mehrfach  abweicht. 
Einmal  ist  hier  die  Cuticula  dünner  als  an  den  übrigen  Stellen 
des  Scolex,  dann  ist  sie  in  außerordentlich  zahlreiche,  dicht 
nebeneinander  stehende  Trichter  eingesenkt,  wie  die  Abbildung 
des  sehr  dünnen  Schnittes  schon  erkennen  läßt.  Von  den 
Trichtern  führen  feine  Linien  zu  schwarzen  Kügelchen  an  der 
Basis  der  Cuticula,  deren  jedes  an  der  Spitze  einer  mehr  oder 
weniger  deutlichen  Erhebung  der  Basalmembran  liegt  Unter 
der  ganzen  Zone  fehlt  die  Muskulatur,  wenigstens  die  sonst  so 
starke  Längsmuskulatur. 

Alle  diese  Umstände  scheinen  darauf  hinzudeuten,  daß  wir 
Sinnesapparate,  wahrscheinlich  ganz  junge  Sinnesbläschen  vor 
uns  haben,  die  an  den  scharfen  Rändern  der  Bothridien,  die  ja 
vor  anderen  Körperteilen  zur  Sinnesperzeption  bestimmt  sind, 
eine  dichtere  Anhäufung,  eine  Art  Sinneskante,  erwarten  lassen. 
Das  erinnert  nun  wieder  an  eine  andere  bei  Teirarhynchtis 
smaridum  von  mir  beschriebene  Erscheinung  (93,  p.  2ö — 
27,  Taf.  3,  Fig.  31—39,  43,  44,  48,  49),  nämlich  an  jenen 
schalenförmigen  Nervenplexus  der  Haftscheiben,  der  nach  einer 
Rinne    ihres    Randes    hinzieht.   (Nebenbei   bemerkt,    ist    das 


Studien  über  Tetrarhynchen.  577 

Auftreten  eines  subepithelialen  Nervenplexus  bei  Cestoden, 
freilich  nur  topographisch  beschränkt,  wie  ich  glaubte,  an 
jenem  Orte  von  mir  zuerst  ausgesprochen  worden.) 

Fig.  22  B  endlich  zeigt  uns  eine  in  der  dicken  Cuticula  der 
äußeren  Receptaculumwand  sehr  häufige  Erscheinung,  nämlich 
auffallend  breite  und  tiefe  Kanäle  bis  auf  die  Basalmembran 
herab,  in  denen  sich  schwarze  stäbchenartige  Differenzierungen 
zeigen.  Sie  erinnern  am  meisten  an  die  obenerwähnten,  die  wir 
mit  den  »Körbchenzellen«  identifizierten,  weichen  aber  von 
diesen  durch  die  basale  Erhebung  der  Basalmembran,  die  dort 
allgemein  fehlte,  ab. 

Bemerkungen  über  den  Bau  von  Amphilina. 

Weiter  möchte  ich  im  folgenden  einige  fragmentarische 
Mitteilungen  über  Amphilina  machen,  die  ich  wiederholt  durch 
freundliche  Vermittlung  des  Herrn  Direktors  Cori  von  der 
zoologischen  Station  in  Triest  in  vorzüglich  konservierten 
Exemplaren  beziehen  konnte. 

Diese  Mitteilungen  beziehen  sich  zunächst  auf  das  Vorder- 
ende  des  Wurmes. 

Es  ist  nach  den  Angaben  aller  Autoren  mit  einer  terminalen 
Sauggrube  versehen.  In  der  Tat  findet  man  das  Vorderende 
auch  meist  sauggrubenartig  eingezogen.  Unter  meinen  Exem- 
plaren fanden  sich  aber  in  jeder  Sendung  mehrere  Stücke,  bei 
denen  aus  diesem  eingezogenen  Vorderende  ein  kleines 
Knötchen,  ein  warzen-  oder  eicheiförmiges  Stück  papillenartig 
mehr  oder  weniger  weit  vorragte.  Eine  Untersuchung  dieses 
Gebildes  ergab,  daß  es  ein  veritabler,  vollkommen  retraktiler 
Rüssel  ist,  an  dessen  Spitze  ein  kolossaler  Komplex  von 
Drüsen  in  einem  kleinen  Reservoir  ausmündet,  daß  dieses 
rüsselartige  Stück  nach  Art  eines  Handschuhfingers  zurück- 
gestülpt werden  kann  und  hiedurch  jene  Grube  entsteht,  die 
bisher  als  Terminalnapf  angesprochen  wurde.  Von  einem  solchen 
kann  bei  Amphilina  tatsächlich  ebensowenig  gesprochen  werden, 
wie  etwa  bei  einem  Echinococcusköpfchen,  dessen  Vorderende 
nach  Einstülpung  des  Rostellums  eine  Grube  aufweist 

Die  Länge  des  Rüssels  bei  Individuen  von  9  und  mehr 
Millimetern  Länge  beträgt  zirka  0' 4,  die  Breite  0*36  mm.  Er 

37* 


578  Th.  Pintner, 

hat  also  in  dem  von  mir  beobachteten  Ausstülpungszustande 
nach  allen  Richtungen  ungefähr  gleiche  Dimensionen.  Von  der 
Fläche  her  gesehen  wird  er  meist  durch  Furchen  rechts  und 
links  von  der  Körpermasse  desVorderrandes  getrennt  (Fig. 21  a\ 
nicht  so  nach  der  Rücken-  und  Bauchseite  zu;  hier  wölbte  er 
sich  eicheiförmig  über  die  dorsale  und  ventrale  Körpergrenze 
vor,  so  daß  das  unmittelbar  folgende  Stück  des  Körpers  hals- 
artig verengt  erscheint  (Fig.  27  b).  Die  Vorstülpung  geht  so  weit, 
daß  die  Uterinmündung  noch  mit  auf  das  ausgestülpte  Stück 
hervorgezogen  wird  und  asymmetrisch  auf  den  basalen  Abschnitt 
zu  liegen  kommt. 

Das  Innere  des  Rüssels  nun  wird  von  den  dicht  gedrängten 
Ausmündungsabschnitten  einer  ganz  gewaltigen  Drüsenmasse 
erfüllt,  die  den  Körper  in  seiner  Längsrichtung  bis  an  die  weib- 
lichen Keimdrüsen  heran  durchzieht.  Sie  bildet  den  weitaus  auf- 
fälligsten und  mächtigsten  Gewebekomplex  der  vorderen  vier 
Fünftel  des  Körpers;  bei  einem  Individuum  von  bmm  Länge, 
das  mir  vorliegt,  liegt  der  Keimstock  mit  seinem  Vorderende 
etwa  am  Beginne  des  fünften  Millimeters  und  bis  zum  Keimstock 
sind  die  Drüsenmassen  noch  deutlich  sichtbar. 

Es  sind  deutlich  zwei  Drüsenzüge  vorhanden,  ein  dorsaler 
und  ein  ventraler,  zwischen  beiden  sieht  man  auf  Dorsoventral- 
schnitten  Hodenbläschen  in  einfacher  Schicht  angeordnet. 

Die  Drüsen  selbst  sind  ganz  von  dem  Charakter  jener  un- 
gewöhnlich langgestreckten  flaschenförmigen  Gebilde,  wie  wir 
sie  bei  den  Rhynchodäal-  und  Frontaldrüsen  der  Tetrarhynchen 
kennen  gelernt  haben.  Auffällig  ist  die  Größe  ihrer  Kerne. 
Fig.  29  zeigt  einen  solchen  Drüsenkörper,  in  dessen  Innerem 
man  distal  vom  Kern  deutlich  die  beginnende  Umwandlung  des 
Plasmas  in  die  Sekretmasse  sieht;  der  Kern  mißt  12,  das  Kern- 
körperchen  4  jt.  Fig.  30  zeigt  eine  Partie  aus  dem  vorderen  aus- 
führenden Abschnitte,  dessen  Sekret  durch  Eisen  zu  ziemlich 
großen  schwarzen  Kügelchen  gefärbt  wird.  Daneben  läßt  die 
Eisenfärbung  hellere  feinkörnigere  braune  Drüsengänge  be- 
stehen, so  daß  das  Ganze  einen  sehr  buntscheckigen  Anblick 
bietet,  wie  ihn  die  Fig.  27  bis  28  andeuten.  Fig.  28  stellt  den 
völlig  eingestülpten  Rüssel  dar.  Die  Einstülpung  erzeugt  ein 
kleines  apikales  Sekretreservoir,  eben  den  bisherigen  »Saug- 


Studien  über  Tetrarhynchen.  579 

napf«,  das  meist  von  Sekretmassen  völlig  erfüllt  erscheint  Eine 
Andeutung  eines  solchen  Reservoirs  ist  übrigens  auch  bei  völlig 
ausgestülptem  Rüssel  zu  erkennen. 

Was  das  Vorkommen  der  frontal  ausmündenden  Drüsen 
bei  Amphüina  anlangt,  so  ist  es  keineswegs  unbekannt.  Schon 
Salensky  hat  sie  bei  Embryonen  gesehen  (74,  Taf.  32, 
Fig.  31  bis  34).  Es  ist  aber  sehr  wahrscheinlich,  daß  Teile,  große 
Teile  jener  Gebilde,  die  er  am  ausgebildeten  Tiere  als  Retraktoren 
des  »Saugnapfes«  deutete,  nicht  Muskel,  sondern  die  Züge  der 
Drüsenmündungen  vorstellen.  Unzweifelhaft  sind  die  von  ihm, 
p.  303  bis  305»  beschriebenen  »kolossalen  Zellen«  im  Körper- 
parenchym  nichts  anderes  als  unsere  Drüsen.  Dies  hat  schon 
Lang  (81,  p.  394 — 395)  erkannt,  der  ja  überhaupt  auf  diesem 
Gebiete  vieles  beobachtet  und  histologisch  richtig  gedeutet  hat. 
Auch  hat  Braun  (94— 00,  p.  1154,  Anmerkung)  gewiß  recht, 
wenn  er  annimmt,  daß  das,  was  A.  Schneider  (85,  p.  120 
bis  121,  Tai  18,  Fig.  4D)  als  Darm  und  Darmrudimente  deutete, 
auf  die  erwähnten  Drüsenmassen  zu  beziehen  ist. 

Doch  ist  in  allen  diesen  Angaben  die  überraschende 
Mächtigkeit  dieses  Drüsenkomplexes,  die  erst  durch  die  An- 
wendung der  Eisenhämatoxylinmethode  in  ihrem  vollen 
Umfange  klar  wird,  nicht  hervorgehoben  und  niemand  unter 
den  neueren  Autoren  scheint  die  Vorstülpbarkeit  des  Vorder- 
endes gesehen  und  somit  dessen  Bedeutung  als  Rüssel  erkannt 
zu  haben. 

Jedoch  ist  wenigstens  die  Vorstülpbarkeit  des  Vorderendes, 
wie  ich  eben  unmittelbar  vor  Abschluß  der  Arbeit  bemerke, 
schon  von  älteren  Autoren  gesehen  und  flüchtig  erwähnt,  wenn 
auch  nicht  in  ihrer  vollen  Bedeutung  gewürdigt  worden.  So 
sagt  Gu.  R.  Wagener  (58,  p.  246):  »Bei  mäßigem  Drucke  schon 
trat  der  Saugnapf  in  Form  einer  braunen  Papille  hervor,  die 
häufig  noch  von  seinem  äußeren  Rande  umwallt  war.  Diese 
Papille  ist  von  Bremser  und  Wedl  abgebildet.«  Dies  stimmt 
sicher  für  Bremser  und  dessen  sehr  gute  Abbildungen  (24, 
Taf.  8,  Fig.  6  und  7),  dagegen,  wie  ich  glaube,  nicht  für  Wedl 
(55,  Ta£  IIa,  Fig.  15).  Den  hier  am  vermeintlichen  Hinterende 
des  Tieres  gezeichneten  Zipfel,  den  Wagener  in  dem  ange- 
deuteten Sinne  aufzufassen  scheint,  möchte  ich  nicht  auf  den 


580  Th.  Pintner, 

Rüssel  beziehen.  Auch  erwähnt  Wedl  im  Texte,  soviel  ich  sehe, 
nichts  von  dessen  Retraktilität. 

Diese  Angaben  sind  später  nicht  beachtet  worden  und  in 
Vergessenheit  geraten. 

Wenn  wir  die  eben  beschriebenen  Drüsen  von  Amphilina 
mit  dem  vergleichen,  was  wir  von  Tetrarhynchen  wissen,  so 
kann  es  kaum  allzu  gewagt  erscheinen,  wenn  wir  sie  mit  den 
Frontaldrüsen  direkt  homologisieren.  Ein  unerwartetes 
Gewicht  scheint  mir  aber  die  frühzeitige  Entwicklung  der 
Frontaldrüsen  bei  den  Tetrarhynchenlarven  dadurch  zu  er- 
halten, daß  die  Frontaldrüsen  von  Amphilina  nach  Sälen 6k y 
gleichfalls  schon  in  frühesten  Embryonalstadien  auftreten  (denn 
zweifellos  identifiziert  Braun  [1.  c.,  p.  1154,  Anmerkung]  die 
Drüsen,  die  Salenskyin  derOncosphära  fand,  mit  vollem  Rechte 
mit  den  später  vorhandenen).  Dadurch  gewinnen  sie  die  Be- 
deutung phylogenetisch  alter  Organe  und  eine  derartige  Auf- 
fassung würde  dann  die  weite  Verbreitung  ähnlicher  Gebilde 
erklärlich  machen.  Wir  kennen  solche  bei  zahlreichen  Trema- 
tod en,  sowohl  bei  Monogenea  wie  Gyrodactylus  elegans  nach 
v.  Siebold  und  Wagener  (siehe  BTaun,  94—100,  p.  426) 
als  bei  Digenea,  bei  denen  sie  z.  B.  von  Leuckart  als  »Kopf- 
drüsen« bezeichnet  wurden  (siehe  ebendaselbst,  p.  598),  ferner 
bei  zahlreichen  Cercarien  (ebenda,  p.  826  ff.). 

Am  wichtigsten  erscheint  mir  aber  das  Auftreten  von 
solchen  Organen  bei  zahlreichen  Turbellarien,  die  mit  den  be- 
schriebenen eine  geradezu  frappierende  Ähnlichkeit  haben,  so 
insonderheit  bei  Acölen  nach  v.  Graff  (91,  p.  40  ff.),  der  das 
betreffende  Organ  als  »Frontalorgan«  Und  die  zugehörigen 
Drüsen  als  > Stirndrüsen«  bezeichnet;  die  Beschreibung  und  die 
Abbildungen  wie  die  Taf.  1,  Fig.  5  und  11,  Taf.  3,  Fig.  1, 
Taf.  5,  Fig.  4  und  10,  Taf.  7,  Fig.  3!  und  6!,  Taf.  9,  Fig.  5!, 
Taf.  10,  Fig.  3!  können  wohl  in  der  Tat  kaum  einen  Zweifel 
übrig  lassen,  daß  ein  morphologisch  und  histologisch  völlig 
gleichwertiges  Organ  vorliegt,  nicht  minder  die  Angaben  von 
Graff  (82,  z.  B.  Taf.  6,  Fig.  3  und  Taf.  16,  Fig.  1)  für  Mesostoma 
lingua  O.  S  c  h  m.  und  Plagiostotna  Girat di  Gr  a ff  u.  a.  Ähnliches 
gilt  für  andere  Gruppen  von  Turbellarien,  wie  es  z.  B.  Lang 
für  Gunda  segmentata  (81,  Taf.  13,  Fig.  34)  beschreibt.  Noch 


Studien  über  Tetrarhynchen.  58 1 

auffälliger  ist  aber,  daß  wir  bei  Nemertinen  in  weiter  Ver- 
breitung Organe  finden,  denen  die  hier  beschriebenen  tatsächlich 
homolog  zu  sein  scheinen.  Es  ist  der  von  Bürger  (97— 98, 
p.  64—67)  a!s  »Kopfdrüse«  bezeichnete,  terminal  über  der 
Rüsselöffnung  mündende  Drüsenkomplex.  Über  die  Homologie 
dieses  Organes  mit  dem  ähnlichen  der  Turbellarien  hat  sich 
gleichfalls  Bürger  (95,  p.  702)  ausgesprochen,  und  wenn  wir 
uns  dieser  Auffassung  anschließen,  müßten  wir  es  eben, 
wie  bereits  erwähnt,  als  ein  phylogenetisch  sehr  altes  Organ 
ansprechen,  das  bereits  der  etwaigen  gemeinsamen  Stammform 
der  Platheimihthen  eigen  war,  ehe  die  Nemertinen  sich  von 
dieser  trennten.  Es  hat  sich,  wie  wir  fanden,auch  bei  parasitischen 
Plattwürmergruppen,  so  unter  den  Cestoden  bei  Rhynchobothrien 
und  Antphilina,  in  verschiedenen  Graden  der  Ausbildung  er- 
halten und  hat  mit  Darm-  oder  Speicheldrüsenrudimenten 
umsoweniger  zu  tun,  als  es  bei  den  frei  lebenden  Formen  neben 
einem  Pharyngealapparat  und  dessen  Drüsenkomplexen  vor- 
handen ist. 

Vielleicht  sind  auch  die  rätselhaften  Faserzellenstränge 
Will's  bei  Caryophyllaem  (siehe  Braun,  94—00,  p.  1150), 
die  neuerdings  von  Mrazek  (Ol,  p.  488  ff.)  als  Rest  eines 
Verdauungstraktes  in  Anspruch  genommen  worden  sind,  nichts 
anderes  als  ein  Rest  von  Frontaldrüsen.  Ihre  histologische 
Beschaffenheit  würde  einer  solchen  Deutung,  wie  ich  mich  über- 
zeugte, nicht  durchaus  widersprechen.  Ich  muß  aber  allerdings 
gestehen,  daß  es  mir  trotz  eifrigen  Studiums  bis  jetzt  nicht 
gelungen  ist,  Ausfuhrungsgänge  zu  finden.  — 

Die  Feststellung  der  im  vorhergehenden  auseinander- 
gesetzten Eigentümlichkeiten  von  Amphilina  ergab  sich  bei 
einer  Untersuchung  von  Schnittserien  dieses  Tieres,  die  zu 
meiner  eigenen  Information  über  seine  Hautschichten  ange- 
fertigt worden  waren. 

Was  ich  über  diese  sagen  kann,  trägt  noch  den  Charakter 
des  Provisorischen.  Ich  bitte,  es  wie  alles  Nachfolgende  als  eine 
Art  vorläufiger  Mitteilung  aufzufassen. 

Salensky  (}.  c.f  p.  299  ff.)  unterschied  zu  einer  Zeit,  in 
der  auch  bei  viel  untersuchten  Plathelminthen  diese  Verhält- 
nisse vielfach  noch  recht  dunkel  waren,  vier  Schichten  des 


582  Th.  Piotner, 

Integumentes:  die  Cuticularschicht,  die  Hautschicht,  die  Körner- 
Schicht  und  die  Drüsenschicht.  Diese  Schichten  lassen  sich 
nach  der  Beschreibung  und  den  Abbildungen  nicht  ohne  weiteres 
auf  die  uns  heute  bekannten  Schichten  des  Integuments  der 
parasitischen  Plattwürmer  zurückfuhren,  ebensowenig  die  von 
ihm  beobachteten  Schichtenfolgen  der  Hautmuskulatur.  Es  war 
hier  also  eine  Revision  geboten. 

Diese  ergab  zunächst  ungefähr  folgendes  (Fig.  31):  Zu 
äußerst  finden  wir  eine  Cuticula,  völlig  homolog  der  der 
übrigen  Cestoden.  Dieselbe  ist  ungewöhnlich  dünn  in  ihrem 
Querdurchmesser,  kaum  viel  über  2  m  zeigt  nach  außen  eine 
zarte,  bei  Eisenhämatoxylinbehandlung  dunkel  gefärbte  Grenze, 
die  wohl  einer  sehr  reduzierten  »Härchenschicht«  entspricht 
In  der  Mitte  ihres  Dickendurchmessers  sieht  man  genau  parallel 
zu  beiden  Begrenzungsflächen  eine  zarteste  Reihe  dicht  ge- 
drängter allerfeinster  Pünktchen  verlaufen.  Diese  Cuticula  ist 
außerordentlich  hinfällig  und  fehlt  selbst  an  sonst  sehr  gut 
konservierten  Exemplaren  oft  völlig.  So  ist  es  denn  auch  nicht 
zu  verwundern,  daß  Saiensky  sie  nicht  gesehen  hat  Was  er 
Cuticula  nennt,  ist  nur  die  äußere  Begrenzungslinie  der  nach- 
folgenden Schicht,  die  er  wie  die  übrigen  Zonen  sehr  richtig 
beschreibt 

Konserviert  man  Amphiline,  ohne  sie  vorher  in  einer 
Flüssigkeit,  und  sei  es  selbst  physiologische  Kochsalzlösung, 
»gereinigt«  zu  haben  —  ein,  wenn  es  auf  Untersuchung  des 
Integumentes  ankommt,  meist  absolut  schädliches  und  nicht 
genug  zu  verdammendes  Beginnen!  —  so  findet  man  außen 
auf  der  Haut  einen  kompakten  Niederschlag  der  Körperhöhlen- 
flüssigkeit des  Wirtes  mit  eingelagerten  Zellen  und  Kernen,  der 
der  Cuticula  dicht  anliegt  und  leicht  zu  Irrtümern  Veranlassung 
geben  kann.  Ich  betone  diese  hier  und  bei  anderen  Cestoden 
zu  konstatierende  Tatsache  besonders,  um  dem  etwaigen  Vor- 
wurfe, ich  hätte  die  bei  Amphiline  oft  wirklich  nicht  auffindbare 
Cuticula  mit  diesem  Sediment  verwechselt,  im  vorhinein  zu 
begegnen. 

Es  folgt  nun  eine  breite  Zone  eines  dichten  Fibrilienfilzes, 
das,  was  Saiensky  als  Hautschicht  bezeichnet.  Die  peripheren 
wallarügen  Vorsprünge  dieser  Schicht  bilden  die  »Waben«  an 


Studien  über  Tetrarhynchen.  583 

der  Oberfläche  des  Tieres.  Mißt  man  diese  Schicht  von  der 
äußeren  Begrenzung  durch  die  Cuticula,  etwa  auf  einem  Längs- 
schnitte, bis  zur  scharfen  Linie,  die  die  Längsmuskulatur  bildet, 
so  ergibt  sich  eine  Dicke  von  zirka  20  |x,  von  60  und  mehr  jjl, 
wo  die  Wälle  der  Waben  durchschnitten  erscheinen. 

Starke  Systeme  lösen  diese  Schicht  in  unregelmäßig  wellig 
verlaufende,  sich  vielfach  spaltende  Fibrillen  auf.  Sie  ziehen 
hauptsächlich  radiär  zur  Längsachse  des  Körpers.  Wir  sehen 
aber  auch  zahlreiche  Fibrillen  im  Sinne  dieser  Längsachse  von 
vorne  nach  hinten,  dann  dorsoventral,  bogig  u.  s.  f.  ziehen.  Sie 
sind  bald  stärker,  bald  ungemein  zart,  je  nachdem  sie  sich  mehr 
oder  weniger  gespalten  haben.  Sie  bilden  nicht  etwa  Netze  wie 
die  Elemente  des  Parenchyms,  sondern  stets  ist  ihre  Fibrillen- 
natur  klar  zu  erkennen.  Man  erkennt  häufig  unter  ihnen  deutlich 
die  Fortsätze  der  tiefer  liegenden  zelligen  Elemente,  noch 
schärfer  die  peripheren  Ausläufer  der  transversalen  Parenchym- 
muskel,  wie  Salensky  ebenfalls  sehr  richtig  erkannt  hat.  Hie 
und  da  umschließen  sie  kleine  Hohlräume  (siehe  die  Figur). 
Eine  deutlichere  »Grundsubstanz«  vermochte  ich  nicht  zu  er- 
kennen, bloß  zahlreiche  Körnchen  oder  Tröpfchen,  ferner 
Punkte,  die  quer  geschnittene  Fibrillen  vorstellen.  Das  auffalligste 
Element  sind  die  in  unregelmäßigen  Abständen  spärlich  ein- 
gelagerten großen  bläschenförmigen  Kerne,  bezüglich  deren 
ich,  wieder  mit  Salensky,  nur  sagen  kann,  daß  sie  keine  Spur 
umhüllenden  Zellplasmas  zeigen. 

Auf  diese  Fibrillenschicht  folgt  die  Längsmusku- 
latur, dann  die  Ring- und  Diagonalmuskelschicht,  ganz 
wie  Salensky  angibt,  dann  große  beuteiförmige  Zellen  mit 
deutlichen  Fortsätzen  zur  Fibrillenschicht,  beziehentlich  Cuti- 
cula. Ihr  Plasma,  fein  granuliert,  erscheint  meist  hell,  die  Kerne 
groß,  rund,  bläschenförmig,  von  8  bis  14  pi  Durchmesser,  neben 
zahlreichen  kleinen  Chromatinbrocken  und  einem  feinen  Kern- 
netz ein  großer  tief  schwarzer  kugeliger  Nucleoius  bis  2  (i  Durch- 
messer. Sie  erscheinen  der  Muskelschicht  mehr  oder  weniger 
dicht  angedrückt. 

Ober  sie  hinaus  gegen  das  Körperinnere  ragt  eine  zweite 
Schiebt  großer  Zellen  von  viel  dunklerer  Färbung,  grobkörnigem 
Plasma  und  im  ganzen   etwas  kleineren  Kernen.  Sie  senden 


584  Th.  Pintner, 

vielfache  Plasmafortsätze  nach  verschiedenen  Richtungen, 
hauptsächlich  lange,  vielfach  gespaltene,  sehr  deutliche  Fort- 
sätze gegen  die  Muskelschicht  und  durch  diese  in  die  Fibrillen- 
schicht 

Es  muß  bemerkt  werden,  daß  die  Unterschiede  zwischen 
diesen  beiden  Zellschichten  in  Lage  der  Zellen,  Aussehen,  Größe 
der  Kerne  u.  s.  f.  keine  scharfen  sind,  daß  sie  nur  an  günstigen 
Stellen  sehr  gut  fixierter  (am  besten,  wie  es  scheint,  Sublimat 
mit  Osmiumzusatz)  und  gefärbter  (Eisenhämatoxylin)  Präparate 
so  deutlich  werden,  wie  dies  in  Fig.  31  wiedergegeben  erscheint. 
Auch  habe  ich  keine  ganz  jungen  Exemplare  zur  Verfügung 
gehabt,  sondern  alle  waren  bereits  geschlechtsreif  und  es 
mußten  die  kleinsten  unter  diesen  benützt  werden.  Denn  je 
größer  die  Tiere,  desto  undeutlicher  im  allgemeinen  diese  Ver- 
hältnisse. 

Es  ist  nun  kein  Zweifel,  daß  die  periphere  Lage  der  beiden 
erwähnten  Zellschichten  der  Körnerschicht  Salensky's  ent- 
spricht, und  ich  neige  am  meisten  dazu,  sie  als  Epithel  in 
Anspruch  zu  nehmen.  Ferner  ist  die  proximale  Zellage  der 
Drüsenschicht  Salensky's  gleichzusetzen  und  wir  haben  in 
ihr  wohl  die  Muskelzellen  vor  uns.  Meine  Unsicherheit  in 
der  Deutung,  die  weitere  bevorstehende  Untersuchungen  wohl 
beheben  dürften,  erstreckt  sich  nur  auf  den  Umstand,  ob 
diese  beiden  Deutungen  nicht  miteinander  zu  vertauschen 
wären;  für  die  erste  Auffassung  spricht  die  Lage  und  Form 
der  blassen  Zellen,  der  Mangel  proximaler  Fortsätze.  Die 
Unsicherheit  aber  wird  dadurch  bedingt,  daß  ich  im  Augen- 
blicke den  Eindruck  habe,  daß  die  Zellen  derperiphereniSchicht 
stellenweise  wenigstens  recht  spärlich,  die  tieferen  dagegen 
allenthalben  reichlichst  vorhanden  sind. 

Die  Fragen,  die  mit  Rücksicht  auf  die  Gewebe  der  übrigen 
Cestoden  noch  zu  beantworten  wären,  wären  also:  J.  Was 
bedeutet  die  Fibrillenschicht,  ganz  besonders  ihre  Kerne?  und 
2.  Wie  ist  die  abweichende  Anordnung  der  Muskulatur  zu  er- 
klären? 

Meine  Ansicht  ist  folgende:  Die  Fibrille nschieht  hat 
natürlich  mit  der  Cuticula  der  Cestoden  gar  nichts  zu  tun,  denn 
wir  finden  ja  diese,  deutlich  vor.  Diese  Erkenntnis  ist  aber  erst 


Studien  über  Tetrarhy neben.  585 

jetzt  möglich,  wo  wir  wissen,  daß  eine  der  sonstigen  homologe 
Cuticula  da  ist.  Die  Fibrillenschicht  entspricht  vielmehr  dem, 
was  bei  den  übrigen  Cestoden  zwischen  Cuticula  und  Längs- 
muskulatur liegt,  also  den  peripheren  Ausläufern  des  Epithels 
plus  der  äußeren  Ringmuskulatur.  Diese  ist  durch  die  Waben- 
bildung sozusagen  in  Unordnung  geraten  und  ihre  Fibrillen 
hauptsächlich  in  Verbindung  mit  den  gegen  die  Cuticula 
ziehenden  Fortsätzen  der  Epithel-  und  der  Muskelzellen  der 
äußeren  Ringfibrillen  sowie  den  Ausläufern  der  Dorsoventral- 
und  Transversalmuskel  bilden  den  mächtigen  Filz,  der  außer- 
halb der  Längsmuskulatur  liegt. 

Was  bedeuten  aber  die  plasmalosen  Kerne  in  dieserSchicht? 
Zweifellos  sind  es  Kerne  zugrunde  gegangener  Zellen.  Ich  glaube, 
es  sind  Kerne  von  Epithelzellen,  deren  Kernen  sie  ja  völlig 
gleichen,  von  Epithelzellen,  die  die  Verlagerung  in  die  Tiefe 
nicht  mitgemacht  haben,  die  etwa  durch  jenen  Zug,  der  die 
Wülste  der  oberflächlichen  Waben  entstehen  ließ,  hieran  ver- 
hindert wurden  und  deren  Plasma  dann  völlig  zerfiel,  fibrillär 
zerfiel  wie  die  ganze  Umgebung.  Man  könnte  daran  denken, 
daß  mechanische  Gründe  das  Bestehenbleiben  großer  Zellkörper 
in  jener  Schicht  verbieten,  dieselben  mechanischen  Gründe,  die 
die  Tiefenwanderung  der  Epithel-  und  Muskelzellen  überhaupt 
veranlassen. 

Die  Turbellarien  besitzen  als  Bewegungsapparat  ihr  Cilien- 
kleid  und  ihre  Muskulatur.  Diese  beiden  Organe  teilen  sich  in 
die  lokomotorische  Tätigkeit.  Das  Wimperepithel  besorgt  die 
gleichmäßig  fortgleitende  Bewegung,  die  Muskulatur  die  Kon- 
traktionen, Schlängelungen  beim  Schwimmen,  Windungen  und 
Wendungen.  Bei  den  Parasiten  dagegen  ist  das  Flimmerkleid 
fortgefallen  (vielleicht  weil  der  zu  seiner  Arbeit  nötige  Sauer- 
stoff hier  nicht  vorhanden  ist),  die  Muskulatur  hat  die  ganze 
lokomotorische  Tätigkeit  allein  übernommen  und  dieses  Plus, 
das  ihr  zufiel,  bedingt  eine  derartige  Erhöhung  der  Festigkeit 
eines  exoskelettähnlichen  Widerlagers,  daß  nicht  nur  eine  Cuti- 
cula erzeugt  werden,  sondern  zu  ihrer  Verstärkung  auch  noch 
die  Basalmembran  über  das  Epithel  herübergezogen  und  mit 
der  Cuticula  verlötet  werden  mußte.  Mit  ihr  wanderte  der  ganze 
Hautmuskelschlauch,  der  an  ihr  inseriert,  peripheriewärts  und 


586  Th.  Pintner, 

die  Epithelien,  die  das  glatte  Funktionieren  dieses  ewig  bewegten 
Mechanismus  vielleicht  hindern  würden,  in  die  Tiefe. 

Parallele  Verhältnisse  treffen  wir  ja  nach  Bloch  mann  bei 
Blutegeln,  Holothurien  etc.,  wo  ähnliche  mechanische  Gründe 
vorhanden  sein  mögen,  dann  am  Tricladenpkarynx  nach 
Jan  der  (97)  und  an  der  Kriechleiste  der  Rhynchodemiden  und 
Bipaliiden  nach  Graff  (99,  p.  41  ff.),  also  in  diesen  beiden 
Fällen  wiederum  an  Orten,  wo  die  Muskeltätigkeit  gtgen  die 
Bedeutung  des  Flimmerbesatzes  weit  in  den  Vordergrund  tritt, 
so  daß  man  hier  wieder  den  Eindruck  gewinnt,  daß  mechanische 
Ursachen  das  Verbleiben  der  Zellkörper  an  der  Oberfläche  nicht 
gestatten. 

Ist  dieser  Ideengang  richtig,  so  dürften  wir  wohl  speziell 
für  Amphilina  annehmen,  daß  einzelne  Epithelzellen,  durch  die 
Wabenbildung  im  Integument  an  der  Tiefenwanderung  ver- 
hindert, ihren  Zellkörper  unter  den  mechanischen  Gesetzen,  die 
die  Konfiguration  des  Integumentes  bedingen,  völlig  in  fibrilläre 
Substanz  umwandeln  mußten,  so  daß  nur  die  nackten  Kerne 
übriggeblieben  sind. 

Wenn  wir  endlich  noch  bedenken,  daß  die  Anlagerung 
einer  zweiten  mächtigen  Ringmuskelschicht  von  innen  an  die 
Längs-  und  Diagonalmuskulatur  der  Haut  nichts  Überraschendes 
hat,  so  wären  die  Integumentschichten  von  Amphilina  unter 
diesen  Gesichtspunkten  auf  diejenigen  der  anderen  Cestoden 
befriedigend  zurückgeführt,  wobei  ich  mir  nicht  verhehle, 
daß  weitere  im  Zuge  befindliche  Untersuchungen  zur  Sicherung 
dieser  Ergebnisse  nötig  sind. 

Was  aber  noch  speziell  die  Deutung  der  plasmalosen  Kerne 
der  Fibrillenschicht  als  hier  zurückgebliebene  Epithelzellenreste 
anlangt,  so  werde  ich  nächstens  zwei  auffällige  Beispiele  von 
Zellagerung  bei  Rhynchobothrien  publizieren,  die  zeigen,  wie 
überraschend  groß  hier  die  gegenseitige  Verschiebbarkeit  der 
peripheren  Zellschichten  ist,  so  daß  eine  solche  Erklärung 
nichts  Gezwungenes  zurückbehalten  dürfte.  Ich  meine  eine 
höchst  eigentümliche  periphere  Zellschicht  im  Kopfstiel  von 
Rhynchobothrius  Ungualis  Autt.  und  eine  noch  auffälligere 
völlige  Überlagerung  des  Epithels  durch  die  Myoblasten  der 
Subcuticularfibrillen  bei  Anthocephalus  elongatus. 


Studien  über  Tetrarhynchen.  587 

Über  die  Cuticula  von  Taenia  saginata. 

Den  Charakter  einer  vorläufigen  Mitteilung  haben  auch  die 
folgenden  Angaben,  die  sich  auf  Taenia  saginata  beziehen. 

Die  Frage  nach  der  basalen  Endigungsweise  der  Epithel- 
zellen, die  ich  an  anderem  Orte  zu  behandeln  gedenke,  ver- 
anlaßte  mich,  durch  unseren  vortrefflichen  Präparator  und 
Zeichner,  Herrn  Karl  Bergmann,  sehr  feine  Schnitte  von  Taenia 
saginata  (1  bis  2l/t  p.  dick)  anfertigen  zu  lassen,  zumal  mir 
gerade  frisches,  sehr  gut  fixiertes  Material,  das  von  der  vorher- 
gehenden Berührung  mit  Wasser  sorgfältig  bewahrt  worden 
war,  zur  Verfügung  stand. 

Diese  Schnitte  zeigten  nun  höchst  auffällige  Differenzie- 
rungen der  Grenzschichten  des  Integuments,  die  ich  hier 
zunächst  ganz  kurz  beschreibe,  ohne  mich  in  eine  Deutung  ein- 
zulassen. 

Bei  Färbung  mit  Eisenhämatoxylin  und  nachfolgendem 
Orange  zeigte  die  Hauptschicht  der  Cuticula  (Fig.  32 H) 
eine  helle  Schokoladefarbe  und  völlig  homogene  Struktur.  Nach 
außen  war  sie  von  einer  dunklen  Doppelkontur  begrenzt  (hä) 
deren  innere  Linie  stets  entschieden  dunkler  erschien.  Die 
stärksten  Apochromatokuiare  schienen  hie  und  da  eine  leise 
Andeutung  einer  dichten  Strichelung  zu  ergeben;  jedenfalls 
liegt  hier  die  Härchenschicht  vor.  Am  interessantesten  ge- 
staltete sich  das  Aussehen  der  Basis  der  Hauptschicht. 
Schwächere  Vergrößerungen  ergaben  scheinbar  ein  sehr  deut- 
liches und  schönes  Bild  der  »Basalmembran«:  eine  schwarze 
Grenzlinie  der  Hauptschicht  nach  innen  und  darunter  einen 
hellen  gelben  Saum  über  der  Schicht  der  Zirkularfibrillen  (c) 
und  den  nach  innen  folgenden  cuticularen  Längsmuskeln  (l). 
Die  starken  Systeme  lösten  diese  Basalmembran  jedoch  mit 
aller  nur  wünschenswerten  Deutlichkeit  in  eine  Schicht  feiner 
dichter,  streng  paralleler  gelber  Plasmastäbchen  auf,  deren 
jedes  mit  einem  etwas  verdickten  und  ein  klein  wenig  längs- 
gestrecktem Korn  endete.  Von  diesem  Korn  nach  außen  schien 
eine  ganz  kurze  Strecke  auch  noch  die  Hauptmasse  der 
Cuticula  in  den  Stäbchen  und  Körnern  entsprechende  Streifen 
zerlegt,    doch   war  diese  Struktur  viel  weniger   deutlich  und 


588  Th.  Pintner, 

verschwand  bald  im  übrigens  homogenen  Gefüge  der  Cuticula 
(Fig.  33).  Der  Zusammenschluß  der  Körner  bildet  bei  schwächeren 
Vergrößerungen  die  schwarze  Basallinie  der  Cuticula,  die  gelben 
Stäbchen  die  Masse  der  »Basalmembran«.  Sehr  schön  sieht  man 
allenthalben  die  peripheren  Fibrillen  der  Epithelzellen  (Fig.  32), 
ja  häufig  erscheint  ihr  gesamtes  Plasma  in  Fibrillen  zerfallen 
(Fig.  32),  die  teils  gelb  teils  schwarz  gefärbt  erscheinen.  (Dies 
ist  interessant  mit  Rücksicht  auf  den  fibrillären  Zerfall,  den  wir 
oben  für  das  Plasma  der  Kerne  in  der  Fibrillenschicht  von 
Atnphilina  angenommen  haben.)  Es  liegt  nahe,  die  subcuticu- 
laren  Stäbchen  und  ihre  Körner  als  Fortsetzungen  der  Fibrillen 
des  Zellplasmas  anzusehen,  zumal  sie  ihnen  an  Dicke,  Aussehen, 
ungefährer  Zahl  u.  s.  f.  durchaus  entsprechen.  Doch  konnte  ich 
absolut  erweisende  Bilder  hiefür  bis  jetzt  nicht  erhalten. 

Aber  selbst  wenn  dieser  Zusammenhang  erwiesen  wäre, 
hätte  man  wohl  diese  Grenzschicht  nicht  einfach  als  die  be- 
kannten plasmatischen  Verbindungssäulchen  zwischen  den 
Epithelzellen  und  der  Cuticula,  sondern  als  eine  cytologisch 
besonders  differenzierte  Partie  dieser  Organe  zu  bezeichnen,  da 
sie  durch  ihre  hochgradige  Regelmäßigkeit  und  Dichtigkeit 
einem  »Stäbchensaum«  völlig  gleichen. 

An  Fig.  15  von  Rhynckobothrius  adenoplusius  sieht  man 
eine  ähnliche,  wahrscheinlich  homologe  Körnelung  der  Basal- 
schicht der  Cuticularhauptmasse. 

Außer  den  erwähnten  Differenzierungen  zeigen  sich  in  der 
Hauptmasse  der  Cuticula  aber  noch  zweierlei  andere,  wenn 
auch  nicht  immer  und  bisweilen  nur  undeutlich.  Einmal  sehen 
wir  (Fig.  32)  etwa  in  der  Hälfte  des  Durchmessers  feinste 
schwarze  Körnchen,  viel  kleiner  als  die  Körner  der  Stäbchen, 
unregelmäßig,  etwa  in  einer  Linie  angeordnet  Häutig  schienen 
mir  zwei  nahe  beieinander  zu  liegen,  bisweilen  eines  durch 
eine  noch  feinere  schwarze  Linie  mit  einem  gleichen,  tiefer 
gelegenen  verbunden.  Kunstprodukte  schlechthin  können  nicht 
vorliegen,  da  diese  Pünktchen  nur  in  dieser  Zone,  sonst  nicht 
in  der  Cuticula  aufzufinden  sind.  Ob  sie  eine  Beziehung  zu  der 
obenerwähnten  Punktreihe  in  der  Cuticula  von  Atnphilina 
haben,  die  aber  viel  dichter  und  regelmäßiger  ist,  kann  ich  nicht 
sagen. 


Studien  über  Tetrarhynchen.  589 

Es  ist  naheliegend,  bei  manchen  dieser  Differenzierungen 
an  Basalkörperchen,Diplosomen,  Fußstücke  von  verschmolzenen 
Cilien  u.  dgl.  zu  denken,  doch  müssen  die  Untersuchungen 
noch  viel  weiter  geführt  werden,  ehe  solche  Vermutungen 
einigen  Halt  gewinnen  könnten. 

Zweitens  sieht  man  in  der  Hauptmasse  der  Cuticula  spalten- 
formige  Hohlräume  stets  mit  breiter  Basis,  nach  der  Peripherie, 
die  sie  meist  nicht  erreichen,  hin  sich  verjüngend.  Sie  fehlen 
häufig  vollkommen,  oft  sind  sie  spärlich,  bisweilen  zahlreich, 
was  so  weit  gehen  kann,  daß  sie  die  Cuticula  völlig  zerfressen, 
so  daß  sie  dann  mazeriert  aussieht.  Ich  halte  sie  für  Kunst- 
produkte.  Manchmal  wird  einem  jedoch  diese  Annahme  recht 
schwer  gemacht.  Man  sieht  dann  Fortsetzungen  der  Spalten  in 
das  Innere.  Die  Stäbchen  treten  da  auseinander  und  es  schien, 
als  ob  die  Körner,  die  zu  den  beiden  Seiten  eines  solchen  Spaltes 
lagern,  etwas  größer  wären  als  die  übrigen. 

Über  den  exkretorischen  Apparat  von  Amphilina. 

Diese  gelegentlich  gemachten  Beobachtungen  beziehen 
sich  auf  die  Terminalzeilen,  die  bei  Antphilinafsoviel  mir  bekannt, 
noch  nicht  gesehen  worden  sind.  Ich  gebe  Bilder  von  ihnen  in 
Fig.  34,  die  zeigen,  daß  sie  die  typische  Form  der  Flimmer- 
trichter der  Cestoden  besitzen.  In  vielfach  verästelten  Zellen 
mit  reichlichem  Plasma  liegen  Kerne,  8  und  mehr  (t  groß,  rund, 
bläschenförmig,  mit  größerem  Nucieolus  und  zahlreichen 
kleineren  Einschlüssen.  Die  Breite  des  Trichters  beträgt  nicht 
ganz  6  [x,  er  zeigt  die  bekannte  ringförmige  Verdickung  und 
geht  in  die  Kapillare  über,  die  nach  einer  Verengung  am  Trichter- 
ansatz bisweilen  bald  wieder  beträchtlichen  Durchmesser  an- 
nimmt. Der  Flimmerlappen  ist  bis  10  jx  lang  und  zeigt  eine 
sehr  schön  ausgebildete  Längsstreifung  und  die  Basalplatte 
(K.  C.  Schneider,  02,  p.  315),  keineswegs  immer  dem  Kern 
dicht  angelagert 

Sehr  interessant  aber  war  mir  das  Vorkommen  von  Ent- 
wicklungsstadien von  Wimperflammen  in  einem  jüngeren 
Exemplare,  die  völlig  an  das  erinnern,  was  Bugge  (02,  p.  215 
bis  216)  in  seiner  an  schönen  und  überraschenden  Resultaten 
so  reichen  Arbeit  über  das  Exkretionssystem  der  Cestoden  und 


590  Th.  Pintner, 

Trematoden  von  diesen  letzteren  beschreibt.  Ich  fand  hier  in 
großer  Anzahl  ganze  Büschel  von  Wimperflammen  verschiedener 
Größe.  Es  gehörte  gewöhnlich  ein  großes  Flimmerläppchen  zu 
einem  entsprechend  großen  Kern,  während  eine  Anzahl  weitaus 
kleinerer  dem  großen  dicht  angelagert  waren  und,  wie  Bugge 
sagt,  »noch  keine  eigenen  Kerne«  zeigten,  vielleicht  »als 
Abspaltungsgebüde  der  großen  Flammen  anzusehen«.  Eine 
solche  Gruppe  ist  in  Fig.  35  genau  mit  der  Camera  entworfen. 
Wir  sehen  zwei  große  Kerne  von  1  Oft  Durchmesser  mit  reichstem 
Chromatinnetz  und  mehreren  Kernkörperchen.  Zu  dem  einen 
Kern  gehört  eine  große  Wimperflamme,  an  ihrer  Basis  nicht 
weniger  als  6  j*.  breit,  18  pt  lang,  deutlich  längsgestreift,  mit  einer 
schmalen  sichelförmigen  Basalplatte.  Sie  ist  in  eine  tiefe  Delle 
des  Kernes  förmlich  hineingesteckt,  hinter  der  Ansatzstelle  sah 
man  nämlich  die  Kugelkontur  des  Kernes  noch  stark  über  sie 
vorragen,  was  in  der  Zeichnung  nicht  wiedergegeben  werden 
konnte.  An  der  Delle  zeigte  der  Kern  eine  dichte  schwarz  ge- 
färbte Chromatinlage  und  über  derselben  einen  Bogen  schwarzer 
Kügelchen.  Neben  der  Hauptflamme  liegen  aber  nicht  weniger 
wie  acht  weitere  Flammen,  von  denen  die  größeren  äußersten 
und  untersten  möglicherweise  zu  besonderen  Kernen  ge- 
hören, die  am  Schnitte  nicht  mitgetroflfen  sind,  gewiß  nicht  aber 
die  sechs  kleineren,  die  schmal,  nagelförmig,  bis  zu  6  (Jt  Länge 
herabgehen.  Ganz  ähnliche  Gruppen  sind  in  Fig.  35  &  wieder- 
gegeben (ungefähr  skizziert,  ohne  Camera;  die  Pünktchen 
über  den  kleinen  Läppchen  bedeuten  in  allen  Fällen  die  zuge- 
hörigen Basalplatten,  nicht  etwa  kleine  Kerne). 

In  keinem  dieser  Fälle  konnte  ich  etwas  vom  Trichter  und 
von  der  Kapillare  beobachten,  ebensowenig  als  ich  Angaben 
über  die  Hauptkanäle  zu  machen  weiß,  deren  Verlauf  bei 
Amphilina  uns  ja  noch  unbekannt  ist,  worüber  ich  mir  weiteres 
vorbehalte. 

Dagegen  beobachtete  ich  einen  der  großen  Flimmerlappen 
(Fig.  35  c)  in  einem  frühen  Entwicklungsstadium,  in  dem  ihm 
die  Trichterwand  als  eine  dünne  Plasmaschicht  noch  dicht 
anlag.  Hier  war  auch  die  Basalplatte  noch  deutlich  in  ihre 
Bestandteile,  eine  einfache  regelmäßige  Reihe  von  Basal- 
körperchen,  aufgelöst,  was  sonst  nicht  eben  leicht  zu  beobachten 


Studien  über  Tetrarhynchen.  59  t 

ist  (vgl.  aber  die  Abbildungen  von  Bloch  mann,  96,  Taf.  2, 
Fig.  2  W.  TV.). 


Literatur. 

97.  Bettendorf  Heinrich,  Über  Muskulatur  und  Sinnes- 
zellen der  Trematoden,  in  Z.  Jahrb.,  Anat.  Abt.,  10.  Bd., 
S.  307  bis  358,  Taf.  28  bis  32. 

96.  Blochmann  F.,  Die  Epithelfrage  bei  Cestoden  und 
Trematoden.  Hamburg,  12  Seiten,  2  Tafeln. 

94—00.  Braun   M.,    Bronn's    Klassen    und    Ordnungen   etc. 

4.  Bd.,  Vermes,  Abth.  I  b,  Cestodes,  Leipzig. 
24.  Bremser  J.  G.,  Icones  Helminthum  etc.  Viennae. 
02.  Bugge   Georg,   Zur  Kenntnis   des   Exkretionsgefäß- 

systems  der  Cestoden  und  Trematoden,  in  Z.  Jahrb., 

Anat.  Abt.,  16.  Bd.,  S.  177  bis  234,  Taf.  21  bis  24. 
95.  Bürger  Otto,  Die  Nemertinen  des  Golfes  von  Neapel, 

in  »Fauna  und  Flora«,  22.  Monographie  etc. 
97 — 98.  Bürger   Otto,  Nemertini,    in    Bronn's   »Klassen    und 

Ordnungen  etc.«,  4,  Bd.,  Suppl.,  Lief.  1  bis  9  etc. 
63.  D  i  e  s  i  n  g     K.    M.,    Revision     der  Cephalocotyleen. 

Abteilung  Paramecocotyleen,   in    diesen  Sitzungsber., 

matem.-naturw.  Kl.,  48.  Bd.,  I.  Abt.,  S.  200  bis  345. 
82.  Graff    Ludwig    v.,    Monographie    der    Turbellarien. 

1.  Rhabdocoelida.  Leipzig.  Text  und  Atlas  etc. 

91.  Graff  Ludwig  v.,  Die  Organisation    der  Turbellaria 

acoela.  Leipzig.  90  Seiten,  10  Tafeln. 
99.  Graff    Ludwig    v.,     Monographie    der   Turbellarien. 

2.  Tricladida  terricola.  Leipzig.  Text  und  Atlas  etc. 

97.  Jan  der  Rieh.,  Die  Epithelverhältnisse  des  Tricladen- 
pharynx,  in  Z.  Jahrb.,  Anat.  Abt.,  10.  Bd.,  S.  157  bis  204, 
Taf.  13  bis  15. 

81a.  Lang  A.,  Untersuchungen  zur  vergleichenden  Ana- 
tomie und  Histologie  des  Nervensystems  der  Plathel- 
minthen.  III.  Das  Nervensystem  der  Cestoden  im 
allgemeinen  und  dasjenige  der  Tetrarhynchen  im 
besonderen,  in  Mitt.  der  zoolog.  Station  Neapel,  2.  Bd., 
S.  372  bis  400,  Taf.  15  und  16,  8  Fig. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  KL;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  38 


592  Th.  Pintner, 

81b.  Lang  A.,  Der  Bau   von   Gunda  segmentata  etc.,  in 

Mitt.  der  zoolog.  Station  Neapel,  3.  Bd.,  S.  187  bis  251, 

Taf.  12  bis  14. 
79 — 86.  Leuckart  R.,Die  Parasiten  des  Menschen  etc.,  2.  Aufl., 

1.  Bd.,  1.  Abt.  Leipzig  und  Heidelberg. 
?  Leuckart    und   Nitsche,    Zoologische    Wandtafeln. 

Leipzig.  Taf.  44. 
97.  Li n ton   Edwin,  Notes  on  Larval  Cestode  Parasites 

of  Fishes,  in  Proc.  U.  St.  National  Museum,  Vol.  19, 

p.  787—824,  T.  61  —  68.  Washington. 
00.  Linton  Edwin,    Fish  Parasites  collected  at  Woods 

Hole  in  1898,  in  U.  S.  Fish  Commission  Bulletin  for 

1899,  p.  267—304,  T.  33—43.  Washington. 
94.  Mingazzini  Pio,Ricerche  sul  parassitismo,  in  Ricerche 

Laboratorio  Anat.  Roma,  Vol.  3,  p.  205—219,  T.  9. 

00.  Mingazzini  Pio,  Nuove  ricerche  sulle  cisti  degli 
Elminti,  in  Arch.  Parasitologie.  Paris.  Tome  3,  p.  134 
ä  162,  12  fig. 

01.  Mrazek  AI.,  Über  die  Larve  von  Caryophyllaeus 
mutabilis  Rud.,  in  Zentralbl.  Bakt.  Parasitk.  Jena, 
1.  Abt.,  29.  Bd.,  S.  485  bis  491,  3  Fig. 

93.  Pintner  Theodor,  Studien  an  Tetrarhynchen  nebst 
Beobachtungen  an  anderen  Bandwürmern.  1.  Mit- 
teilung: Teirarhynchus  sntaridum  Pintner,  in  diesen 
Sitzungsber.,  mathem.-naturw.  KL,  Bd.  102,  S.  605  bis 
650,  4  Tafeln. 

96.  Pintner  Theodor,  Idem.  2.  Mitteilung:  Ober  eine 
Tetrarhynchenlarve  aus  dem  Magen  von  Heptanchus, 
nebst  Bemerkungen  über  das  Exkretionssystem  ver- 
schiedener Cestoden.  Ibid.,  Bd.  105,  S.  652  bis  682, 
4  Tafeln. 

99.  Pintner  Theodor,  Die  Rhynchodäaldrüsen  der  Tetra- 
rhynchen, in  Arb.  Z.  Inst.  Wien.  Tom.  12,  S.  1  bis  24, 
Taf.  1  bis  3. 

74.  Sälen  sky  W.,  Über  den  Bau  und  die  Entwicklungs- 
geschichte der  Amphilinay  in  Zeit.  Wiss.  Z.,  24.  Bd., 
S.  291  bis  342,  Taf.  28  bis  32. 


Studien  über  Tetrarhynchen.  593 

84.  Schneider  A.,  Neue  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Plathel- 
minthen,  in  Z.  Beiträge.  Breslau.  1.  Bd.,  S.  116  bis  126, 
Taf.  18  und  19,  2  Figuren. 

02.  Schneider  Karl  Camillo,  Lehrbuch  der  vergleichenden 
Histologie  der  Tiere.  Jena  etc. 

99.  Vaullegeard  A.,  Recherches  sur  les  Tetrarhynches. 
Theses  etc.  Caen. 

54.  Wagener  G.  R,  Die  Entwicklung  der  Cestoden  etc. 
in  Nov.  acta.  Breslau  und  Bonn.  24.  Bd.  Supplement. 

57.  Wagen  er  G.  R.,  Beiträge  zur  Entwicklungsgeschichte 
der  Eingeweidewürmer,  in  Naturk.  Verhandelingen 
Holl.  Maatsch.  Weetensch.  Haarlem.  Tweede  Verz. 
Dertiende  Deel. 

58.  Wagen  er  G.,  Enthelmintica  Nr.  V.  Über  Amphilina 
foliacea  (Monostomum  foliaceum   Rud.),    Gyrocotyle 

Diesing  und  Amphiptyches  Gr.  W.  in  Arch.  Naturg., 
24.  Jahrg.,  1.  Bd.  Berlin  1858.  S.  244  bis  249,  Taf.  8. 

55.  Wedl  K.,Helminthologische Notizen, in  diesen  Sitzungs- 
ber.,  mathem.-naturw.  KL,  16.  Bd.,  S.  371  bis  394, 
Taf.  Ia,  IIa  und  III. 

03.  Zschokke  F.,  Marine  Schmarotzer  in  Süßwasser- 
fischen, in  Verh.  Naturf.  Ges.  Basel.  Bd.  16,  S.  118  bis 
157,  Taf.  1. 

95.  Zernecke  Ernst,  Untersuchungen  über  den  feineren 
Bau  der  Cestoden,  in  Z.  Jahrb.,  Anat.  Abt.,  9.  Bd.,  S.  92 
bis  161,  T.  8  bis  J4. 


38* 


594  Th.  Pintner, 


Tafelerklärung. 


Tafel  I  enthält  die  Figuren  1  bis  6,  9  und  14;  Tafel  II  die  Figuren  7,  8, 
10  bis  13  und  15  bis  17;  Taf.  III  die  Figuren  18  bis  27,  29,  30  und  32;  Tafel  IV 
die  Figuren  28,  31  und  33  bis  35. 

Es  beziehen  sich  auf  Rhynchobothrius  adenoplusius  n.  sämtliche  Figuren 
auf  Tafel  I  und  II,  ferner  auf  Tafel  III  die  Figuren  23  bis  26;  auf  Anthocephalus 
.  elongatus  die  Figuren  17  bis  22;  auf  Amphilina  foliacea  die  Figuren  27  bis  31, 
34  und  35  und  auf  Taenia  saginata  die  Figuren  32  und  33. 

Es  bedeutet: 

b  die  Basalmembran; 

c  die  subcuticularen  Zirkulärfibrillen; 

do  die  Dotterstöcke; 

arm  Mündungen  von  Finnendrüsen; 

e  das  engere, 

E  das  weitere  Exkretionsgefäß  des  Blasenkörpers; 

ep  das  Körperepithel ; 

fr  Bündel  von  Ausführungsgängen  der  Frontaldrüsen; 

ge  im  Receptaculum  vorhandene  Gerinnselballcn; 

h  die  Harnblase; 

H  die  Hauptschicht  der  Cuticula; 

hä  Härchenschicht  der  Cuticula; 

Ka  Kalkkörperchen ; 

Kep  Kerne  der  Epithelzellen; 

/  die  subcuticularen  Längsmuskeln; 

my  Myoblasten  der  Kolbenmuskeln; 

mr  die  Mündung  des  Receptaculums; 

n  die  Seitenstränge  des  Nervensystems  in  der  Blase  und 

n'  im  Scolcx; 

r  das  Receptaculum; 

rs  die  Rüsselscheiden; 

se  Sekretpfropfen  in  den  Drüsenausführungsgängen; 

sp  Spiral  gedrehte  Stellen  von  Finnendrüsen; 

tr — tr'  Trennungszone  des  Scolex  vom  Blasenkörper; 

ut  Uterus. 

Fig.  1  (Taf.  I).  Larvenkörper,  aus  der  Cyste  herauspräpariert,  nach  einem 
gefärbten  und  in  Balsam  eingeschlossenen  Präparate  gezeichnet.  Ver- 
größerung zirka  35*  5  mal. 


Studien  über  Tetrarhynchen.  595 

Fig.  2  (Taf.  I).  Junges  Stadium,  in  derselben  Weise  präpariert  (Safraninlösung), 
bei  derselben  Vergrößerung. 

Fig.  3  (Taf.  I).  Härchen  und  FrontaldrÜ9enmündungen  vom  Stirnrande  des 
Scolex,  sehr  stark  vergrößert  (Zeiss  Apochr.  4  mm,  Ok.  6),  haupt- 
sächlich um  das  gegenseitige  Größenverhältnis  und  den  Charakter 
beider  an  Schnitten  zu  zeigen,  an  denen  sie  dicht  nebeneinander 
liegen. 

Fig.  4  (Taf.  I).  Hinterende  des  Larvenkörpers  bei  zirka  104  maliger  Ver- 
größerung. 

Fig.  5  (Taf.  I).  Teile  von  Ausführungsgängen  von  Frontaldrüsen  bei  zirka 
92  maliger  Vergrößerung.  Auf  einem  Flächenschnitte. 

Fig.  6  (Täf.  I).  Stück  eines  Flächenschnittes  durch  die  Receptaculumregion. 
Der  Receptaculumkanal  ist  nicht  durchaus  getroffen,  sondern  der 
Schnitt  führt  bei  der  Gewebebrücke  br  tangential  an  ihm  vorbei. 
Vergrößerung  zirka  440  mal.  Unterhalb  der  in  den  vordersten  Scolex- 
teil  eintretenden  Drüsenstraßen  sieht  man  die  Rüsselscheiden  fünfmal 
quergetroffen,  oberhalb  der  Drüsenstraßen  zweimal  tangential  an- 
geschnitten. Von  den  Muskelkolben  der  Rüssel  ist  einer  von  der 
Fläche  gesehen,  einer  durchschnitten,  innen  mit  dem  Retraktor. 

Fig.  7  (Taf.  II).  Querschnitt  durch  den  Scolex  in  der  Bothridialregion,  um 
gegenseitige  Lagerung  und  Größenverhältnisse  von  Rüsselscheiden, 
Rüsseln,  Nervensystem,  Frontaldrüsenstraßen,  Kalkkörperchen  und 
Exkretionsgefaßen  zu  zeigen.  Oben  und  unten  in  der  Figur  entspricht 
der  Dorsal-  und  Ventral-,  rechts  und  links  den  Seitenflächen. 

Fig.  8  (Taf.  II).  Ein  Stück  der  Fig.  2  von  vorne  und  links  bei  stärkerer  (zirka 
104maliger)  Vergrößerung.  Die  dunkle  Masse  auf  der  rechten  Seite 
der  Figur  ist  die  Randzone  der  noch  jungen,  auf  Fig.  2  in  der  Körper- 
mitte gelegenen  Frontaldrüsen.  Lateral  von  ihnen  liegen  die  Finnen- 
drüsen mit  ihren  Ausführungsgängen,  in  denen  bisweilen  wie  bei  sc 
Sekretpfropfen  erscheinen.  Die  Punkte  sind  die  Kerne  der  Epithel- 
zellen, dann  sieht  man  den  lateralen  Nervenstrang,  das  weitere 
Exkretionsgefäß  und  drei  aus  wenigen  Fibrillen  zusammengesetzte 
Längsmuskelbündel. 

Fig.  9  (Taf.  I).  Einzelne  von  den  »Finnendrüsen«,  noch  stärker  vergrößert 
(zirka  400  mal).  Bei  sc  Sekretpfropfenreihe,  sp  Spiraldrehungen  des 
Drüsenkörpers.  Rechts  der  Körperrand. 

Fig.  10  (Taf.  II).  Frontaler  Schnitt  senkrecht  zur  Medianebene  durch  die  Scolex- 
mitte.  Eisenhamatoxylinfärbung.  Mündungen  der  Frontaldrüsen  (Ver- 
größerung :  Zeiss  Apochr.  4 mm,  Ok.  6.  Camera.  Tisch  von  2\  cm 
Höhe  als  Zeichenfläche,  von  der  der  Spiegelknopf  mit  seinem  oberen 
Rande  IS  cm  absteht). 

Fig.  1 1  (Taf.  II).  Receptaculum  und  Scolexanlage  zweier  Larven,  die  deutlich 
die  Trennungslinie  des  Scolex  tr—tr1  vom  Blasenkörper  zeigen,  tr  und 
tr'  schnellen  nach  der  Abtrennung  zur  Umgrenzung  des  Exkretions- 
porus  des  späteren  Scolex  zusammen;  die  ganze  dunkel  gezeichnete 
Partie    stellt  die  Scolexgewebe  dar,  die  nach  der  Trennung  in  das 


596  Th.  Pintner, 

Scolexinnere  verlagert  werden.  Im  optischen  Schnitte  bei  zirka 
20  maliger  Vergrößerung. 

Fig.  12  (Taf.  II).  Vorderster  Teil  einer  sehr  jungen  Larve,  noch  ohne  aus- 
gebildeten Scolex.  Man  sieht  ins  Receptaculum  die  polsterfönnigen 
Scolexanlagen  hineinragen.  Die  ovalen,  kleinen  wie  größeren  Gebilde 
sind  die  ganz  jungen  Frontaldrüsen,  die  spindelig  ausgezogenen 
Gebilde,  die  Finnendrüsen  (Zeiss,  Tisch  Apochr.  16*00  mm,  Ok.  4, 
Camera). 

Fig.  13  (Taf.  II).  a  Cuticularschichten  von  einem  Längsschnitte  vom  Vorder- 
rande des  Blasenkörpers,  schon  gegen  die  Receptaculummündung 
gelegen.  Infolge  der  Krümmung  sind  Teile  des  Integumentes  häufig 
tangential  getroffen,  so  die  subcuticularen  Zirkularfibrillen  (c).  Zeiss, 
Apochr.  2  mm,  Homog.  Imm.  Ok.  6,  Camera,  Zeichenfläche  in  der 
Fußebene  des  Mikroskopes.  c  ebendaher,  b  dagegen  aus  der  hinteren 
Region  des  Blasenkörpers. 

Fig.  14  (Taf.  I).  a  »Härchen«  in  Schuppenform  vom  Scolex  und  von  der 
Innenwand  des  Receptaculums  bei  sehr  starker  Vergrößerung  (Zeiss 
Apochr.  2  mm,  Homog.  Imm.  Ok.  8)  ohne  Camera  skizziert  b  und  c 
Frontaldrüsenmündungen  bei  der  gleichen  Vergrößerung. 

Fig.  15  (Taf.  II).  Cuticularstück  quer  auf  die  Hauptachse  des  Körpers.  Die 
Hauptschicht  H  zeigt  eine  basale  Differenzierung  sehr  regelmäßig 
angeordneter  Körnchen.  Diesen  folgt  ein  heller  Zwischenraum  über 
den  Hautmuskelfibrillen,  der  der  Basalmembran  entspräche.  Die 
gleiche  Vergrößerung  wie  Fig.  14. 

Fig.  16  (Taf.  II).  Stück  der  Hautoberfläche,  auf  einem  Schnitte  tangential 
getroffen;  Eisenhämatoxylin ;  Vergrößerung  wie  Fig.  13. 

Fig.  17  (Taf.  II).  Schnitt  durch  die  äußere  Blasenhaut  parallel  zur  Längsachse; 
Vergrößerung  wie  in  Fig.  13  a. 

Fig.  18  (Taf.  III).  Schnitte  durch  die  äußere  Blasenhaut  von  Anthocephalus 
clongatus. 

Fig.  19  (Taf.  III).  Ebensolche. 

Fig.  20  (Taf.  III).  Nervenendapparate  in  der  Cuticula  von  Anthocephalus 
clongatus,  ohne  Camera  bei  einer  Vergrößerung  Zeiss  2  mm,  Apochr. 
Homog.  Imm.  Ok.  6,  8  skizziert.  Nach  Eisenhämatoxylin -Van  Giesson- 
Präparaten. 

Fig.  2t  und  22  (Taf.  III).  Sämtlich  Querschnitte  durch  die  Haut  eines  Antho- 
cephalus clongatus  aus  der  Leber  von  Orthagoriscus  mola,  Messina. 
Die  Schnitte  rühren  von  einem  aus  der  Cyste  befreiten  Individuum 
her,  das  während  seiner  rhythmischen  Bewegungen  im  Seewasser  mit 
heißer  Sublimatlösung  übergössen  und  daher  in  sehr  gestrecktem 
Zustande  konserviert  worden  war.  Die  enormen  Unterschiede  in  der 
Dicke  der  Cuticula  an  verschiedenen  Stellen,  auf  die  hier  besonders 
hingewiesen  sei,  entsprechen  daher  einem  natürlichen  Verhältnisse, 
nicht  etwa  zufälligen  Faltungen  oder  Zusammenziehungen.  Sämtliche 
Figuren  bei  genau  gleicher  Vergrößerung  (Zeiss  Apochr.  2  mm, 
H.  J.  Oc.  6    Camera,  Tisch)    gezeichnet.  Fig.  21  A  von  der  Außen- 


Studien  über  Tetrarhynchen.  597 

fläche  der  Larve;  Fig.  21  B  von  der  Cuticula  des  Scolex  und  zwar 
der  Bothridien;  Fig.  21  C  ebendaher;  Fig.  21  D  von  der  Außenwand 
des  Receptaculums;  Fig.  22  A  von  den  Saugscheiben  und  zwar 
gerade  die  Ecke  ihres  Querschnittes;  Fig.  22  B  von  der  Außenwand 
des  Receptaculums. 

Fig.  23  und  24  (Taf.  III).  Künstlich  ausgestülpte  Scolices  von  Rhynchobothrius 
adcnoplusius  bei  zirka  55  maliger  Vergrößerung,  von  der  Fläche  und 
von  der  Seite. 

Fig.  25  (Taf.  III).  Lage  der  Muskelkolben  und  der  Rüsselscheiden  innerhalb 
des  Receptaculums,  etwas  stärker  vergrößert  als  in  der  vorigen  Figur. 

Fig.  26  (Taf.  III).  a  Stück  eines  ausgestülpten,  b,  c  Haken  von  eingestülpten 
Rüsseln,  zirka  436  mal.  Bei  a  sieht  man  sehr  hübsch  die  platten 
linearen  Kerne  der  Matrixzellen  der  Rüsselwand. 

Fig.  27  (Taf.  III).  a  Vorderende  einer  Amphilina  foliacea.  Flächenschnitt  eines 
in  Tellyesnicky'scher  Flüssigkeit  fixierten  Exemplars  (Vergrößerung: 
Zeiss  Apochr.  16  mm,  Ok.  4,  Camera,  Tisch),  b  Dorsoventralschnitt 
eines  ebensolchen  Individuums,  bei  genau  gleicher  Vergrößerung. 
Der  Schnitt  ist  nicht  median,  sondern  im  vorderen  Teile  etwas,  im 
hinteren  noch  mehr  seitlich.  Das  Längsstamm  des  Nervensystems 
teüt  sich  vorne  Y-förmig  und  bildet  die  von  Lang  angegebene  Ring- 
kommissur. 

Fig.  28  (Taf.  IV).  Dorsoventralschnitt,  median,  bei  eingestülptem  Rüssel. 
d  Dorsal-,  v  Ventralseite.  Die  gleiche  Vergrößerung. 

Fig.  29  (Taf.  III).  Frontaldrüse  von  Amphilina  (Zeiss  Apochr.  2  mm,  Homog. 
Imm.  Ok.  6,  Camera,  Tisch). 

Fig.  30  (Taf.  III).  Stück  aus  den  ausführenden  Frontaldrüsenabschnitten.  Eisen- 
hämatoxylinfarbung.  Die  gleiche  Vergrößerung. 

Fig.  31  (Taf.  III).  Integument  von  Amphilina,  auf  einem  dorsoventralen  Längs- 
schnitte dieses  Tieres  dargestellt.  Eisenhämatoxylinbehandlung  (Zeiss 
Apochr.,  2  mm,  Homog.  Imm.  Ok.  6,  Zeichenapparat,  Tisch). 

Fig.  32  (Taf.  III).  Stück  von  einem  Längsschnitt  durch  eine  junge  Proglottis 
von  Tacnia  saginaia  (Fixierung  mit  Perenyi'scher  Flüssigkeit),  bei  der 
gleichen  Vergrößerung,  pl  Parenchymlängsmuskelbündel. 

Fig.  33  (Taf.  IV).  Dieselben  Schichten  auf  einem  Querschnitte  (Fixierung  mit 
Flemming'scher  Flüssigkeit)  bei  gleicher  Vergrößerung,  jedoch  nicht 
in  der  Tisch-,  sondern  in  der  Fußhöhe  des  Mikroskopes  gezeichnet, 
daher  noch  größer  als  in  der  vorhergehenden  Figur. 

Fig.  34  (Taf.  IV).  Zwei  Terminalzellen  des  exkretorischen  Apparates  von  einer 
reifen  Amphilina,  in  derselben  Vergrößerung  wie  Fig.  3 1  gezeichnet. 

Fig.  35  (Taf.  IV).  a  Entwicklungsstadien  derselben  von  einem  jüngeren  Tiere, 
bei  gleicher  Vergrößerung,  b  Ähnliche  Gruppen,  ohne  Camera  un- 
gefähr skizziert  und  ungenauer  in  den  Größenverhältnissen,  c  Junger 
Flimmerlappen ;  Camerazeichnung  wie  a. 


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XVIII.  SITZUNG  VOM  9.  JULI  1903. 


Erschienen:    Mitteilungen    der  Erdbeben-Kommission.    Neue   Folge, 
Nr.  XV. 

Die  k.  und  k.  Marinesektion  übersendet  die  Abschrift 
eines  Telegrammes  des  Kommandos  S. M.  Schiffes  »Zenta«  de 
dato  Bahia,  4.  Juli  1903,  welches  folgenden  Wortlaut  hat: 
»Letzte  Nachrichten  Expedition  Steindachner  25.  Mai 
Paranagua,  Resultate  sehr  befriedigend,  Penther 
Rheuma,  sonst  alles  wohl.« 

Dr.  G.  Perier,  Mattre  des  Conferences  an  der  Faculte  des 
Sciences  in  Rennes,  übersendet  eine  Mitteilung,  worin  die 
Priorität  bezüglich  der  von  Dr.  Max  Fortner  in  Prag  veröffent- 
lichten Abhandlung:  Ȇber  die  Kondensation  von  Fluoren 
mit  Benzoylchlorid«  angesprochen  wird. 

Das  w.  M.  Prof.  Guido  Goldschmiedt  übersendet  sechs 
im  chemischen  Laboratorium  der  k.  k.  deutschen  Universität  in 
Prag  ausgeführte  Arbeiten: 

I.  »Über  das  Methylbetain  der  Papaverinsäure«,  von 

G.  Goldschmiedt  und  O.  Hönigschmid. 
IL  »Zur  Kenntnis   der  quantitativen  Methoxyl-  und 
Methylimidbestimmung«,  von  G.  Goldschmiedt  und 
O.  Hönigschmid. 

III.  »Zur  Kenntnis  der  Kondensationsprodukte  von 
Dibenzylketon  und  Benzaldehyd«,  von  G.  Gold- 
schmiedt und  K.  Spitzauer. 

IV.  »Über  Acidimetrie  der  Oxyaldehyde«,  von  Hans 
Meyer. 


600 

V.  »Über  Esterifizierungen  mittels  Schwefelsäure« 

von  Hans  Meyer. 
VI.  Ȇber  die  Entstehung  von  Diamanten  aus  Silicat- 
schmelzen«,  von  R.  v.  Hasslinger  und  J.  Wolf. 

Das  w.M.  Hofrat  Zd.  H.  Skraup  in  Graz  übersendet  zwei 
im  chemischen  Institute  der  Universität  Graz  ausgeführte 
Arbeiten: 

I.  Ȇber  eine   neue  Umlagerung   des  Cinchonicins, 

von  Zd.  H.  Skraup  und  W.  Egerer. 
II.  »Die  Einwirkung   von  Chloralammoniak   auf  Di- 
natriummalonester«,  von  Dr.  R.  Zwerger. 

Das  k.  M.  Prof.  Ernst  Lech  er  in  Prag  übersendet  eine 
Arbeit:  »Über  die  Messung  der  Leitfähigkeit  ver- 
dünnterLuft  mittels  des  sogenannten  elektrodenlosen 
Ringstromes.« 

Das  k.  M.  Prof.  C.  Doelter  in  Graz  übersendet  eine 
Abhandlung:  »Zur  Physik  des  Vulkanismus.« 

Das  k.  M.  Prof.  Dr.  Karl  Hei  der  in  Innsbruck  übersendet 
eine  Arbeit  aus  dem  zoologischen  Kabinette  der  k.  k.  Universität 
von  stud.  phil.  Karl  Wolf  mit  dem  Titel:  »Beitrag  zur 
Kenntnis  der  Gattung  Braunina  Heider.« 

Privatdozent  Dr.  Franz  Werner  überreicht  die  Bearbeitung 
der  von  ihm  in  Kleinasien  und  bei  Konstantinopel  1900  und 
1901  gesammelten  Arachnoideen  durch  Prof.  Ladislaus  Kul- 
czynski  unter  dem  Titel:  »Arachnoidea  in  Asia  Minore 
et  ad  Constantinopolim  a  Dre.  Werner  collecta.« 

Prof.  G.  Jäger  in  Wien  überreicht  eine  Arbeit  mit  dem 
Titel:  »Das  Strobostereoskop.« 

Das  k.  M.  Prof.  R.  Wegsch eider  überreicht  zwei  Arbeiten 
von  Dr.  Jean  Billitzer: 

I.  »Versuche  mit  Tropfelektroden  und  eine  weitere 
Methode  zur  Ermittlung  „absoluter"  Potentiale.* 
II.  »Zur   Theorie   der   kapillarelektrischen    Erschei- 
nungen.« 


601 

Derselbe  überreicht  ferner  drei  Arbeiten  aus  seinem  Labora- 
torium: 

I.  »Untersuchungen  über  die  Veresterung  unsym- 
metrischer zwei-  und  mehrbasischer  Säuren. 
XII.  Abhandlung:  Über  die  Veresterung  der  Phtalon- 
säure  und  der  Homophtalsäure«,  von  Rud.  Weg- 
scheider  und  Arthur  Glogau. 
II.  »Über  die  Veresterung  der  o-Aldehydsäuren«,  von 
Rud.  Wegscheider,  Leo  Ritter  Kusy  v.  Dübrav  und 
Peter  v.  Rusnov. 
III.  »Über  Nitrophtalaldehydsäuren«,  von  Rud.  Weg- 
scheider und  Leo  Ritter  Kusy  v.  Dübrav. 

Das  w.  M.  Prof.  Franz  Exner  überreicht  eine  Abhand- 
lung: »Beiträge  zur  Kenntnis  der  atmosphärischen 
Elektrizität.  XIII.  Messungen  der  Elektrizitätszerstreu- 
ung in  Kremsmünster«,  bearbeitet  von  P.  Bonifaz  Zölss. 

Derselbe  legt  ferner  eine  Abhandlung  des  Dr.  Egon  Ritter 
v.  Schweidler:  Ȇber  Variationen  der  lichtelektrischen 
Empfindlichkeit«  vor. 

Das  k.  M.  Hofrat  Ludwig  Boltzmann  überreicht  eine 
Abhandlung  von  Prof.  F.  Em  ich  in  Graz  mit  dem  Titel:  Ȇber 
die  Bestimmung  von  Gasdichten  bei  hohen  Tempe- 
raturen« (I.  Mitteilung). 

Derselbe  überreicht  weiter  die  Abhandlung:  »Zur  Be- 
rechnung der  Volumkorrektion  in  der  Zustands- 
gieichung von  Van  der  Waals«,  von  P.  Ehrenfest  in 
Wien. 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  zwei  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeiten: 

I.  »Zur    Kenntnis    des   Diacetonalkohols    und    des 

Mesityloxyds«,  von  Dr.  Moriz  Kohn. 
IL  Ȇber  die  Einwirkung  von  Methylamin    und  von 
Dimethylamin   auf  das  Mesityloxyd«,   von   Armin 
Hochstetter  und  Moriz  Kohn. 


602 

Ferner  überreicht  Hofrat  Ad.  Lieben  zwei  Arbeiten  aus 
dem  I.  chemischen  Universitätslaboratorium: 

I.  »Über  die  Ätherester  der  ß-Resorcylsäure,  Orsel- 
linsäure  und  der  Orcincarbonsäure«,  von  J.  Herzig 
und  F.  Wenzel. 
IL  »Über  die  Äther  und  Homologen  des  Phloroglucin- 
aldehyds«,  von  J.  Herzig  und  F.Wenzel. 

Das  w.  M.  Hofrat  V.  v.  Ebner  überreicht  eine  Abhand- 
lung: »Über  das  Hartwerden  des  Zahnschmelzes.« 

Ingenieur  R.  Doht  überreicht  eine  im  Laboratorium  für 
allgemeine  Chemie  an  der  k.  k.  technischen  Hochschule  in 
Wien  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  J.  Haager  ausgeführte  Arbeit, 
betitelt:  »Über  die  Einwirkung  von  salpetriger  Säure 
auf  Monophenylharnstoff.« 

Stud.  phil.  Heinrich  Ducke  legt  eine  Arbeit  vor,  welche 
den  Titel  führt:  »Höhenberechnung  korrespondierender 
Meteore  der  Augustperiode  1877.« 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Astronomical  Laboratory    in   Groningen:    Publications, 
No  10,  11.  Edited   by   Prof.  J.  C.  Kapteyn.   Groningen, 

1902.  4°. 

University   of  Missouri:    Studies,   vol.   II,    number    1,  5; 

1903.  8°. 


603 


Beitrag1  zur  Kenntnis  der  Gattung 
Braunina  Hei  der 

von 
Karl  Wolf. 

(Mit  1  Doppeltafel  und  1  Textfigur.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  9.  Juli  1903.) 

Die  der  vorliegenden  Mitteilung  zugrunde  liegende  Unter- 
suchung wurde  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1902  im  zoo- 
logischen Institute  der  Universität  Innsbruck  an  einigen  kon- 
servierten Exemplaren  durchgeführt,  die  mir  durch  Vermittlung 
Herrn  Professor  H  e  i  d  e  r 's  von  der  Leitung  der  k.  k.  zoologischen 
Station  in  Triest  zukamen.  Herrn  Professor  Dr.  C.  J.  Cori,  dem 
Leiter  derselben,  sei  hiefür  herzlich  gedankt. 

Insbesondere  bin  ich  meinem  hochverehrten  Lehrer, 
Herrn  Professor  Dr.  K.  Heider,  für  vielfache  Anregung  und 
Förderung  zu  aufrichtigem  Danke  verpflichtet. 

Der  Umstand,  daß  mir  nur  spärliches  totes,  aber  gar  kein 
lebendes  Material  zu  Gebote  stand,  mag  es  erklären  und  ver- 
zeihlich erscheinen  lassen,  daß  gewisse  Organsysteme,  wie  das 
Nerven-  und  das  Exkretionsgefäßsystem  unberücksichtigt 
geblieben  sind  und  auch  das  Darmsystem  weniger  eingehend 
untersucht  wurde,  als  es  sonst  wohl  möglich  gewesen  wäre. 
Hat  ja  doch  Looss,  einer  der  bedeutendsten  unter  den  neueren 
Trematodenforschern,  die  schönsten  der  Beobachtungen,  die  er 
in  seiner  großen  Monographie  (9)  niedergelegt,  an  lebendem 
Materiale  gemacht.  Außerdem  nahm  von  vornherein  das 
mächtig  entwickelte  System  der  Geschlechtsorgane  das  Haupt- 
interesse für  sich  in  Anspruch. 


604  k.  Wolf, 

In  betreff  der  äußeren  Körpergestalt  verweise  ich  auf  die 
Schilderung  He ider's  (4)  und  gebe  hier  nur  eine  Beschreibung 
der  wichtigsten  Merkmale. 

Der  Körper  von  Braunina  erscheint,  von  außen  betrachtet, 
herzförmig.  Mit  dem  spitzen  Ende  sitzt  das  Tier  scheinbar  an 
der  Darmschleimhaut  des  Wirtes  fest,  das  freie  breitere  Ende 
trägt  einen  kurzen  zylindrischen  Fortsatz  (Fig.  1,  h). 

Den  herzförmigen  Körper  selbst  finden  wir  bei  genauerer 
Untersuchung  aus  zwei  Bestandteilen  zusammengesetzt  Das, 
was  man  von  außen  sieht,  ist  nämlich  nur  eine  herzförmig 
gestaltete  Mantelduplikatur,  welche  an  der  Basis  des  genannten 
Fortsatzes  entspringt  und  erst  den  Hauptteil  des  Körpers  von 
Braunina  umhüllt.  Zu  diesem  gelangen  wir,  indem  wir  die 
Mantelfalte  (durch  einen  Kreisschnitt  an  der  Basis  des  zylin- 
drischen Fortsatzes)  entfernen.  Er  ist  ein  kompakter  herz- 
förmiger Zapfen,  der  durch  seine  Gestalt  die  des  ihn  umhüllenden 
Mantels  bedingt.  Im  Bereiche  jener  Stelle,  wo  außen  der  schon 
mehrfach  genannte  Fortsatz  dem  Mantel  aufsitzt,  ist  auch  der 
Zapfen  durch  eine  dünne  halsartige  Brücke  mit  dem  Mantel 
verwachsen.  Wir  sehen  in  Fig.  2  bei  x  als  helles  Oval  die 
Stelle  angedeutet,  wo  dieselbe  durchschnitten  wurde,  um  den 
Zapfen  frei  zu  bekommen,  und  Fig.  3  (bei  x)  zeigt  uns  dieselbe 
im  Medianschnitt. 

Dieser  Hals  erhebt  sich  aus  einer  Rinne,  welche  vom 
breiteren  Ende  des  Zapfens,  sich  verjüngend,  gegen  das  spitzere 
zieht  (Fig.  2,  r). 

Kehren  wir  nun  nochmals  zur  Betrachtung  der  Außen- 
fläche des  Mantels  zurück,  so  sehen  wir  auch  an  ihm  eine 
solche  Rinne  von  der  Basis  des  Fortsatzes  gegen  das  spitzere 
Körperende  hinziehen,  die  ihrer  Lage  nach  genau  der  oben 
beschriebenen  des  Zapfens  entspricht  (Fig.  l,r).  Außerdem  aber 
bemerken  wir  am  Rande  des  Mantels  gerade  dort,  wo  diese 
Rinne  sich  verflacht,  eine  leichte  Anschwellung,  die  uns  die 
Lage  des  Pharynx  verrät  (Fig.  1  und  3,  ph). 

Das  Verständnis  für  diese  eigentümliche  Körpergestaltung 
erlangen  wir  durch  den  Vergleich  mit  einigen  Mitgliedern  der 
Holostomidenfamilie  (siehe  Brandes  [1]). 


Gattung  Braunina  H  e  i  d  e  r. 


605 


Bei  Diplostomum,  dessen  Körperform  noch  sehr  an  die  der 
gewöhnlichen  Distomen  erinnert,  finden  wir,  daß  der  vordere 
Körperteil  »durch  Abflachung  die  Form  eines  herzförmigen, 
elliptischen  oder  lanzettförmigen  Blattes  erhält«.  Am  vorderen 
Rande  desselben  befindet  sich  die  Mundöffnung  (siehe  Textfig.  1). 

»Einen  zweiten  Typus  erhalten  wir,  wenn  wir  uns  das 
Blatt  nach  der  Bauchfläche  zu  gekrümmt  denken.   Die  Körper- 


Diplostomum 
longum 


Hemistomum 
clathratum 


Hemistomum  cordatum 


Nach  Brandes  (l)t  Taf.  39,  Fig.  1  und  Taf.  40,  Fig.  11  und  19. 


region  hat  das  Aussehen  eines  Löffels.  Sind  die  Seitenränder 
noch  breiter  entwickelt  und  samt  dem  unteren  Rande,  mit  dem 
zusammen  sie  eine  fortlaufende  Lamelle  bilden,  bauchwärts  um- 
geschlagen, so  kann  man  den  Bau  des  Vorderkörpers  am  besten 
mit  einer  Hohlschaufel  vergleichen,  die  an  ihrem  hinteren  Ende 
überdacht  ist«  (Hemistomum  clathratum,  siehe  Textfig.  2). 
»Endlich  kann  man  sich  die  lamellösen  Seitenränder  mitein- 
ander verwachsen  denken,  dann  haben  wir  den  Typus  eines 
Bechers.  Auf  der  Blattoberfläche,  in  dem  Löffel,  in  der  Schaufel 


txr 


K.  Wolf, 

-      ^nichtigsten  Merkte         *     *  hier  nur  - 

ü--ch,eimhautlr^es   "T  ^  Ti 
ir£»^t     einen  kurzen  zvlin.       u  est'   das  '"'e 

~~       üen  herzfö^1^"8^  Fortsatz  (Fi:.     . 

vtra.»       man  von   außen    8ji!8^dteJ,en  «usam!!, 
g—^^lteteManteldupn^^    --Höh   nUr 
Fortsatzes  entSpringt  Und     ^  an  der  BiUsi 

_^,^» :**:«*«<*  umhüllt    2„    H-  n  Hauptteil    . 

jyX^^telfalte  (durch  einen  K^™  f ,Sngen    "■„-. 

^i^raen   Fortsatzes)    entt  ni"   an   de, 

fö,-migerZapfen>d4uren^n     Er    ist    e 

Mantels  bedingt.  Im ^  Se'-  Gestalt  die  ,;,. 

^e^irf^ch  genannte  Font^f™  Ste"e'  « 

Zapfen   durch   eine   dünne   h?  Mantel  ai:' 

verwachsen,  Wir  sehen  in    t^  Brtk" 

Stelle  angedeutet,  Wo        '"    F*  2  bei   *   . 

Zapfen  frei  zu  bekomm!  durchschnn 

im    Medianschnitt     mmen'  Und  FK  3  (bei 

Dieser  Hals 
-breiteren  Ende  des  7^  S'°h   aus    e'ne. 
zieht  (Fig.  2,  r).        ÄaPfe"s,  sich  verjüng, 

Kehren  wir  ni) 
flache  des  Mantels    z"   "°chmals  zur  ß,. 
solche  Rinne  von  de  UoÜCk'  so  Senen   v 
Körperende  hinziehe'  S  d6S  Fortsat 

beschriebenen  des  Z^f**  ihrer  La^' 
bemerken  wir  am    rfP  em»pnchi 

Kinne  sich  Verflachi t°  ****  M 
Lage  des  Pharvnv  „  *  C,X1C  leichh 

erlangen  wir  durch     ,         UieSt'  * 
WoloS«omidenr«mi     Jen  V«rg:- 
u,e  (siehe  B 


607 

ausfüllt,  die  Ventral- 

te  ist  aber  jene,  auf 

x  als  kleines  Knötchen 

im  bis  zur  Spitze  des 

enerwähnte  Rinne,  die 

n  Pharynx  zur  Basis 

\  Mittellinie  liegt.   Der 

an  dem  freien  breiten 

der    hintere    Körperteil 

anden  die  Geschlechts- 

>t  durch  die  Lage  des 

itelrande  bezeichnet. 

cstigung  an  der  Darm- 

llolostomum-  und  Heini- 

>ben  (nach  Brandes  [1]) 

dadurch    bewerkstelligt, 

Bauchsaugnapfes,  durch 

•r  lamellösen  Körperränder 

:en   werden.  Noch  weiter 

Art    der  Anheftung    bei 

Mantel   und   dem  zapfen- 
erstreckt sich  durch  die  öff- 
^    stieiartig  die  Schleimhaut 
:n  Becher,   der  den  Zapfen 
ttre  Anheftung  des  Parasiten 

rnippiirat* 

orderende  des  Körpers,  also 

H|en   am  Rande  jenes   becher« 

iian   am  dorsalen  Teile  des- 

Hbfd»  sondern  etwas  ventral  ver- 

löhle  des  Mantels  öffnet.   Sie 

loi   (siehe  Fig.  4  a).  Braunina  ist 

I  der  einzige  Besitzer  dieser  auch 

klisn    weit  Einrichtung 

J  Looss  ndes   (l) 

cii.  ru„  A' 


606  K.  Wolf, 

und  in  dem  Becher  erhebt  sich  nun  das  unserer  Familie  eigen- 
tümliche Gebilde,  das  durch  seine  verschiedene  Ausbildung  das 
mannigfache  Verhalten  der  Lamelle  bedingt«  (siehe  Brandes 
[1]  S.  550  bis  551). 

Dieses  Gebilde,  ein  eigentümliches  Anheftungsorgan,  zeigt 
bei  den  drei  Unterfamilien  der  Holostomiden  einen  grundver- 
schiedenen Bau. 

Bei  den  Diplostominen  besteht  es  im  wesentlichen  aus 
einer  Haftgrube  oder  einer  größeren  Höhlung,  welche  ganz 
oder  nur  an  gewissen  Stellen  mit  beweglichen  Papillen  aus- 
gestattet ist  (siehe  Textfig.  1).  Bei  den  Holostominen  ist  der 
Anheftungsapparat  ein  »mannigfaltig  zerschlitzter  Zapfen,  der 
im  Verein  mit  dem  kräftig  entwickelten  Saugnapf  und  der 
Körperlamelle,  die  ihre  Öffnung  durch  Kontraktion  der  Ring- 
muskulatur auf  ein  Minimum  zu  reduzieren  imstande  ist,  eine 
außerordentlich  innige  Befestigung  der  Helminthen  an  die  Darm- 
wand erzielen  kann«  (siehe  Brandes  [1  ],  S.  559). 

Bei  der  noch  übrigen  Unterfamilie  der  Hemistominen  end- 
lich ist  das  in  Rede  stehende  Gebilde  ein  kompakter  Zapfen 
ohne  Höhlung,  »der  durch  eine  Verbindungsbrücke,  die  immer 
von  geringerer  Ausdehnung  ist  als  der  Zapfen  selber,  mit  dem 
Körper  in  Verbindung  steht«  (siehe  Textfig.  2  und  3).  Am 
mächtigsten  ist  diese  Einrichtung  bei  Hemistomum  cordatum 
entwickelt,  bei  welcher  Form  infolgedessen  auch  der  ßauch- 
saugnapf  überflüssig  geworden  und  verschwunden  ist  (siehe 
Textfig.  3). 

An  diese  Form  reiht  sich  nun  Braunina  an,  von  ihr  schon 
durch  die  mächtigere  Ausbildung  des  Mantels  und  des  Zapfens 
sowie  durch  die  höhere  Bedeutung  verschieden,  die  der  letztere 
dadurch  gewinnt,  daß  er  den  größten  Teil  der  Geschlechtsorgane 
und  des  Darmapparates  in  sich  aufgenommen  hat. 

Der  Vergleich  von  Brannina  mit  diesen  Formen  eröffnet 
uns  nun  das  Verständnis  für  die  morphologische  Bedeutung  der 
Körperteile,  die  wir  bei  der  äußeren  Inspektion  unseres  Tieres 
wahrnehmen,  und  für  ihre  Lagebeziehung.  Wir  sehen  jetzt  ohne- 
wreiters  ein,  daß  die  Mundöffnung  sich  am  Rande  des  Mantels 
befinden  muß,  wie  sie  es  bei  den  oben  angeführten  Formen 
(siehe  Textfiguren)  tut.  Wir  wissen  jetzt  auch,  daß  die  Lage 


Gattung  Braunina  H  e  i  d  e  r.  607 

des  Zapfens,  der  die  Höhlung  des  Mantels  ausfüllt,  die  Ventral- 
seite des  Tieres  bezeichnet.  Die  Dorsalseite  ist  aber  jene,  auf 
welcher  sich  außen  am  Mantel  der  Pharynx  als  kleines  Knötchen 
bemerkbar  macht,  und  reicht  von  diesem  bis  zur  Spitze  des 
zylindrischen  Fortsatzes,  so  daß  die  obenerwähnte  Rinne,  die 
an  der  Außenfläche  des  Mantels  vom  Pharynx  zur  Basis 
dieses  Fortsatzes  führt,  in  der  dorsalen  Mittellinie  liegt.  Der 
zylindrische  Fortsatz  selbst  aber,  der  an  dem  freien  breiten 
Ende  des  Tieres  sich  erhebt,  ist  der  hintere  Körperteil 
von  Braunina  und  an  seiner  Spitze  münden  die  Geschlechts- 
wege nach  außen.  Das  Vorderende  ist  durch  die  Lage  des 
Pharynx  und  der  Mundöffnung  am  Mantelrande  bezeichnet. 

Eigentümlich  ist  die  Art  der  Befestigung  an  der  Darm- 
schleimhaut des  Wirtes.  Schon  bei  den  Holostomum-  und  Hetni- 
sto fnum- Arten  finden  wir,  wie  schon  oben  (nach  Brandes  [1]) 
angeführt  wurde,  die  Befestigung  dadurch  bewerkstelligt, 
daß  teils  mit,  teils  ohne  Hilfe  des  Bauchsaugnapfes,  durch 
Zusammenwirken  des  Zapfens  und  der  lamellösen  Körperränder 
die  Darmzotten  erfaßt  und  festgehalten  werden.  Noch  weiter 
vervollkommnet  finden  wir  diese  Art  der  Anheftung  bei 
Braunina. 

In  den  Raum  zwischen  dem  Mantel  und  dem  zapfen- 
förmigen  Teile  des  Vorderkörpers  erstreckt  sich  durch  die  Öff- 
nung des  becherförmigen  Mantels  stielartig  die  Schleimhaut 
des  Wirtsdarmes.  Sie  bildet  einen  Becher,  der  den  Zapfen 
genau  umschließt  und  so  die  sichere  Anheftung  des  Parasiten 
bewirkt  Saugnäpfe  fehlen  vollständig. 

Der  Darmapparat. 

Die  Mundöffnung  liegt  am  Vorderende  des  Körpers,  also 
wie  bei  den  übrigen  Holostomiden  am  Rande  jenes  becher- 
ähnlichen Mantels  und  zwar  median  am  dorsalen  Teile  des- 
selben. Sie  liegt  nicht  ganz  terminal,  sondern  etwas  ventral  ver- 
schoben, so  daß  sie  sich  in  die  Höhle  des  Mantels  öffnet  Sie 
führt  in  einen  kleinen  Vorhof  (siehe  Fig.  4  a).  Braunina  ist 
unter  den  Holostomiden  nicht  der  einzige  Besitzer  dieser  auch 
sonst  unter  den  Trematoden  weit  verbreiteten  Einrichtung 
(siehe  Leuckart  [6]   und  Looss   [9]),   denn   Brandes   (1) 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  39 


608  K.  Wolf, 

erwähnt  sein  allerdings  seltenes  Vorhandensein.  Dieser  Vorhof 
führt  in  den  Pharynx  (siehe  Fig.  4  bis  6,  p  ä).  Dieser  ist  ein 
länglicher  walzenförmiger  Hohlmuskel  von  ansehnlicher  Größe. 
Seine  Länge  betrug  z.  B.  bei  einem  mittelgroßen  Tiere  von 
zirka  6  •  3  mm  Länge  ungefähr  0  •  6  mm.  Der  Pharynx  besitzt 
einen  spaltförmigen  Hohlraum,  der  bis  auf  das  letzte  Viertel 
ventral  die  ganze  Muskelmasse  durchbricht  und  sich  in  den 
Vorhof  öffnet,  an  welchem  wir  zwei  Teile  zu  unterscheiden 
haben,  nämlich  einen  vorderen  weiteren  Teil,  der  durch  die 
Mundöffnung  nach  außen  mündet,  und  einen  bedeutend  engeren, 
der  sich  nach  hinten  erstreckt.  Der  erweiterte  vordere  Teil 
umfaßt  die  vordere  Kuppe  des  Pharynx,  der  schmälere  Teil 
begleitet  die  spaltförmige  Pharynxöffhung  nach  hinten  (siehe 
Fig.  4  bis  6  a,  pho).  Der  hinterste  Teil  des  Pharynx  enthält  ein 
allseitig  von  der  Pharyngealmuskulatur  umschlossenes  Lumen, 
das  sich  etwas  dorsalwärts  biegt,  um  noch  eine  kurze  Strecke 
als  Ösophagus  weiter  zu  verlaufen. 

Der  Pharynx  zeigt  in  Bezug  auf  die  Anordnung  der  ihn 
zusammensetzenden  Muskelfasern  das  gewöhnliche  Verhalten, 
das  Lo  oss  (9),  man  möchte  sagen,  mit  Eleganz  auf  ein  einfaches 
Schema  zurückgeführt  hat.  Die  Hauptmasse  entfallt  auf  die  radi- 
ären Muskelfasern,  welche  in  größeren  Gruppen  mit  dazwischen- 
liegenden Lücken  das  Organ  quer  durchziehen  und  die  ganze 
Schicht  der  inneren  und  äußeren  Ringmuskeln  durchsetzen. 
Zwischen  der  letzteren  Schichte  und  der  den  Pharynx  gegen 
das  Parenchym  abgrenzenden,  äußerst  dünnen  (0-  4  p.)  Membran, 
welche  von  M.  Braun  (2)  dem  Bindegewebe  zugerechnet  wird, 
sehe  ich  in  Übereinstimmung  mit  Looss  (9)  eine  zarte  Lage 
von  Längsmuskelfasern.  Sie  sind  der  genannten  Membran  in 
voneinander  durch  Zwischenräume  getrennten  Bündeln  ganz 
dicht  angeschmiegt.  Ihre  Dicke  schwankt  zwischen  1  p,  und 
6(i.  Zwischen  ihnen  sieht  man  die  Radiärfasern  an  diese 
Membran  herantreten.  Es  mag  dies  wohl  zugunsten  der  von 
Braun  (2)  gegebenen  Andeutung  sprechen,  wonach  jene 
Membran  für  die  Wirkung  der  radiären  Muskelfasern  von 
Bedeutung  ist. 

Dieser  Aufbau  des  Pharynx  aus  vier  Muskelschichten  wird 
von  den  meisten  Autoren  geschildert.  So  ist  er  nach  Looss  (9) 


Gattung  Braunina  H  e  i  d  e  r.  609 

bei  den  von  ihm  untersuchten  Arten  typisch,  auch  Sommer  (15) 
und  Leuckart  (6)  sowie  Noack  (12)  führen  dasselbe  an, 
während  Brandes  (1)  den  Pharynx  von Hemistomum  cordatum, 
welchem  Tiere  wie  Braunina  beide  Saugnäpfe  fehlen,  gerade 
deswegen  als  Pharynx  anspricht,  weil  ihm  die  Ringfasern  fast 
gänzlich  fehlen. 

Die  obenerwähnten  Lücken  zwischen  den  Gruppen  von 
Radiärmuskeln  enthalten  in  großer  Zahl  die  von  den  Saugnäpfen 
und  Pharynges  der  Trematoden  bekannten  »großen  Zellen«, 
deren  Berühmtheit  wohl  in  der  großen  Anzahl  verschiedener 
Deutungen  von  Seiten  der  Autoren  begründet  ist.  Ich  verweise 
diesbezüglich  auf  die  Darstellungen  von  Braun  (2),  der  sie  für 
Reste  von  Muskelbildungszellen  hält,  und  von  Looss  (9).  Sie 
sind  bei  Braunina  kugelig,  zeigen  eine  deutliche  Membran,  mit 
Hämatoxylin  schwach  färbbares  Plasma  von  fasernetziger 
Struktur  sowie  einen  deutlichen  Kern  mit  Kernkörperchen.  Ihre 
Größe  beträgt  bis  zu  40  (i  im  Durchmesser,  die  des  Kerns 
ungefähr  8  |i. 

Der  Ösophagus  setzt  bei  seinem  Austritt  aus  dem  Pharynx 
zuerst  die  dorsale  Richtung  des  Lumens  desselben  fort,  biegt 
aber  sehr  bald  nach  hinten  um  und  teilt  sich  in  die  beiden  Darm- 
schenkel. Sein  Lumen  ist  oval  und  mißt  zirka  170pt  im  größeren, 
zirka  110  bis  120(i  im  kleineren  Durchmesser.  Er  ist  aus- 
gekleidet von  einer  anscheinend  strukturlosen  zarten  Membran, 
welcher  außen  die  Darmmuscularis  aufliegt  Diese  setzt  sich 
zusammen  aus  einer  deutlichen  Ringmuskelschicht  und  einer 
dieselbe  umgebenden  Lage  von  Längsfasern,  welche  zu  Bündeln 
angeordnet  sind,  die  in  regelmäßigen  Abständen  voneinander 
stehen. 

Die  beiden  Darmschenkel  ziehen  nun  von  der  Teilungs- 
stelle im  Mantel  nach  hinten,  jeder  für  sich  schon  mit  ungefähr 
gleich  großem  Lumen  wie  früher  der  Ösophagus.  Individuell 
kann  gleich  hinter  der  Teilungsstelle  eine  Anastomose  der  beiden 
Gabeläste  auftreten.  Das  Parenchym  des  ganzen  Mantels  hat 
eine  im  übrigen  Körper  mit  Ausnahme  des  Hinterendes  (siehe 
Fig.  7,  p  l)  nicht  so  scharf  hervortretende  Beschaffenheit,  es  zeigt 
nämlich  ein  mächtig  entwickeltes  System  von  scharf  begrenzten, 
untereinander  zusammenhängenden  Lücken,  zwischen  denen 

39* 


610  K.  Wolf, 

eigentlich  nur  schwache,  aber  von  zahlreichen  Muskelbündeln 
durchsetzte  Parenchymbrücken  die  beiden  Wände  des  Mantels 
verbinden  (siehe  Fig.  8,  pl).  In  diesen  Parenchymbrücken  durch- 
ziehen die  Darmschenkel  den  Mantel,  bis  sie  zu  jener  Stelle 
gelangen,  wo  derselbe  durch  die  oben  beschriebene  halsartige 
Verbindung  mit  der  Hauptmasse  des  Vorderkörpers,  dem  Zapfen, 
zusammenhängt.  Durch  diesen  Verbindungsstrang  treten  die 
Darmäste  in  den  Zapfen  ein,  ziehen  in  ihm  ventralwärts  und 
nach  vorne,  biegen  dann  nach  hinten  und  endigen  noch  inner- 
halb des  Zapfens.  Divertikel  besitzen  die  Darmschenkel  nicht, 
doch  zeigen  sie  manchmal  seichte  Aussackungen  und  sind  über- 
haupt nicht  überall  gleich  weit  (siehe  Fig.  9,  int). 

Gleich  nach  der  Teilung  des  Ösophagus  in  die  beiden 
Darmschenkel  wird  in  diesen  ein  Epithel  als  innere  Auskleidung 
sehr  deutlich  sichtbar,  während  jener  nie  eine  Spur  davon  zeigt. 
Dieses  Epithel  ist  zum  Teile  (besonders  in  den  im  Mantel  ver- 
laufenden Teilen  der  Darmäste)  kubisch  und  seine  Zellen  zeigen 
einen  mittleren  Durchmesser  von  9  bis  IOjjl,  zum  Teil  ist  es 
(besonders  in  jenem  Teile  des  Darmes,  der  im  Zapfen  verläuft) 
ein  hohes  Zylinderepithel.  In  diesem  Falle  beträgt  die  Höhe 
der  Zellen  zirka  45  bis  50  {t,  ihre  Breite  3  •  5  bis  5  ft.  Das  Plasma 
der  Darmepithelzellen  ist  äußerst  feinkörnig,  fast  homogen,  der 
Kern  stark  färbbar.  Die  kubischen  Zellen  zeigen  weiter  keine 
Besonderheiten,  die  zylindrischen  dagegen  lassen  sich  nach 
dem  Verhalten  ihres  freien,  das  Darmlumen  begrenzenden  Endes 
in  zwei  Formen  unterscheiden.  Die  einen  zeigen  nämlich 
am  freien  Ende  häufig  eine  feine  Zerfaserung.  Ob  diese 
Fasern  nun  bewegliche  Pseudopodien  vorstellen  und  also 
den  von  Sommer  (15)  und  von  Monticelli  (11)  beobachteten 
entsprechen  oder  aber  den  von  Looss  (9)  für  mehrere  Distomum- 
Arten  angegebenen  und  (z.  B.  für  Distomum  tereticolle)  abge- 
bildeten starren  Fäden,  kann  ich  bei  dem  Mangel  lebenden 
Materials  für  Braunina  nicht  entscheiden;  doch  halte  ich 
deren  starre  Natur  aus  dem  Grunde  für  wahrscheinlicher, 
weil  ihr  Aussehen  mit  dem  Bilde,  das  Looss  (9,  Fig.  70)  gibt, 
große  Übereinstimmung  zeigt.  Andere  der  zylindrischen  Darm- 
epithelzellen dagegen  zeigen  diese  Zerfaserung  der  distalen  Enden 
nicht,  zeichnen  sich  aber  dafür  durch  den  Besitz  je  eines  hellen 


Gattung  Braunina  Heider.  611 

ovalen  Fleckes  aus,  der  ungefähr  gleich  groß  ist  wie  der  Kern 
dieser  Zellen  und  in  der  Nähe  des  freien  Endes  der  Zellen  sich 
befindet.  Er  dürfte  der  optische  Ausdruck  einer  hier  liegenden 
Vakuole  sein,  doch  bleibt  auch  hier  die  Entscheidung  der 
Untersuchung  lebenden  Materials  vorbehalten.  Es  ist  nicht 
unwahrscheinlich,  daß  wir  es  hier  mit  Drüsenzellen  zu  tun 
haben. 

Auf  das  Epithel  folgt  nach  außen  die  Muscularis,  welche 
als  die  direkte  Fortsetzung  der  des  Ösophagus  erscheint  und 
sonach  aus  einer  Ring-  und  einer  Längsfaserschicht  besteht. 
Speicheldrüsen,  wie  sie  von  vielen  Autoren  angegeben  werden, 
habe  ich  bei  Braunina  nicht  beobachtet. 

Der  männliche  Geschlechtsapparat. 

Der  männliche  Geschlechtsapparat  besteht  aus  den 
paarigen  Hoden,  den  Ausführungsgängen  derselben  und  den 
Endapparaten. 

Die  Hoden  sind  von  unregelmäßiger  Form  und  wie  bei  den 
übrigen  Holostomiden  reich  gelappt.  Besonders  tief  greifende 
Zerschlitzung  zeigen  sie  auf  der  Ventralseite  und  am  Hinter- 
rande. Abweichend  von  den  übrigen  Holostomiden  verhalten 
sie  sich  in  betreff  ihfer  Lage.  Sie  liegen  nämlich  wie  der  Haupt- 
teil der  Geschlechtsorgane  überhaupt  in  jenem  Hauptteil 
des  Vorderkörpers,  der  dem  Haftorgan  der  Holostomiden 
entspricht,  im  Zapfen,  und  zwar  nicht  hinter-,  sondern  neben- 
einander. Sie  nehmen  einen  großen  Teil  der  Ventralfläche  des 
Zapfens  ein.  Der  rechte  Hoden  ist  etwas  kürzer  als  der  linke,  da 
er  dem  Keimstocke  Platz  lassen  muß. 

In  Betreff  des  Vorkommens  einer  Eigenmembran  vermag 
ich  keine  sicheren  Aufschlüsse  zu  geben.  Es  hat  wohl  den 
Anschein,  als  ob  nach  innen  von  einer  dünnen  Schicht 
streifigen  faserigen  Bindegewebes,  von  dem  der  ganze  Hoden 
umgeben  ist,  eine  zarte  Membran  existierte,  ja,  an  manchen 
Stellen  scheint  es  sogar,  als  ob  in  ihr  auch  Kerne  lägen,  doch 
ist  sie  überall  der  erwähnten  Parenchymschicht  so  dicht  an- 
geschmiegt, daß  eine  sichere  Entscheidung  nach  den  Präparaten, 
die  mir  vorliegen,  nicht  wohl  zu  treffen  ist.  Es  stehen  sich  ja 


612  k.  Wolf, 

übrigens  in  dieser  Frage  auch  sonst  mehrere  Ansichten  gegen- 
über. Die  meisten  Autoren  gaben  bisher  das  Vorhandensein  einer 
strukturlosen  Tunica  propria  an,  während  schon  Ziegler  (16) 
für  Gasterostomum  ihre  ursprünglich  zellige  Natur  erkannte 
und  Looss  (9)  neuerdings  entwicklungsgeschichtlich  nachwies, 
daß  sie  immer  aus  Zellen  bestehe,  die  nur  im  späteren  Wachs- 
tum so  flach  zusammengepreßt  werden,  daß  es  »zu  den  Glücks- 
umständen  gehört«,  sie  an  den  weit  auseinandergerückten 
Kernen  zu  erkennen.  Anderseits  fehlt  es  auch  nicht  an  Ver- 
tretern der  Meinung,  daß  dem  Hoden  überhaupt  keine  Eigen- 
membran zukomme,  so  Noack  (12),  der  dies  für  Distomum 
clavigerum  beschreibt.  Immerhin  spricht  der  Umstand  für  das 
Vorhandensein  einer  Tunica  propria  der  Hoden  bei  Braunina,  daß 
die  innere  Begrenzung  fast  immer  als  scharfe  Kontur  auftritt  und 
besonders  im  Vas  deferens  deutlich  als  feine  Membran  sichtbar 
ist.  Eine  dem  Hoden  eigentümliche  Muscularis  vermisse  ich 
bei  unserer  Form  ebenso  wie  Looss  (9)  im  Gegensatze  zu 
S  o  m  m  e  r(  1 5)  durchwegs,  obwohl  an  manchen  Stellen  Parenchym- 
muskeln  ganz  nahe  an  die  Hoden  herantreten  mögen  und  ferner 
das  Bindegewebe  in  der  Nähe  der  faserigen  Grenzschicht  oft 
ein  streifiges  Aussehen  annimmt  (siehe  auch  Leuckart  [6]  bei 
Distomum  hepaticum  und  pulmonale). 

Die  Vasa  efferentia  entspringen  dei1  Mediane  genähert 
ungefähr  in.  halber  Länge  der  Hoden  an  deren  Dorsalseite,  bald 
beide  in  gleicher  Höhe,  bald  der  linke  etwas  weiter  hinten.  Sie 
ziehen  eine  kurze  Strecke  nach  hinten  und  vereinigen  sich 
dann  zu  einem  unpaaren  Vas  deferens.  Die  die  Hoden  um- 
hüllende Grenzschicht  des  Parenchyms  bildet  auch  hier  die 
Wand.  Der  Durchmesser  beträgt  bei  einem  Lumen  von 
durchschnittlich  14  bis  18  pu  zirka  20  bis  28  p,  so  daß  die  Dicke 
der  Wand  sirka  3  •  5  bis  4  •  5  ji  beträgt. 

Das  Vorhandensein  eines  Muskelbelages  an  den  Vasa 
efferentia,  wie  es  von  mehreren  Autoren  (man  vergleiche  die 
Zusammenstellung  in  Braun  [2])  vertreten  und  auch  von 
Looss  (9)  mit  Reserve  für  einige  Formen  zugegeben,  für  andere 
dagegen  bestritten  wird,  scheint  mir  für  Braunina  sehr  zweifel- 
haft, es  sei  denn,  daß  jene  teils  homogen,  teils  streifig 
erscheinende,  sehr  kernarme  Lage,  die  ich  dem  Parenchym 


Gattung  Braumna  Hei  der.  613 

zurechne,  jener  Ringmuskelscbichte  der  Autoren  entspricht 
Die  Vasa  efferentia  enthalten  zahllose  Samenfaden,  wenige 
freie  Kerne,  wie  u.  a.  Somrner(15)  für Disiomnm  hepaticum 
und  Noack  (12)  für  Distomum  clavigerum  berichten  und  noch 
andere  geformte,  schwach  mit  Eosin  färbbare  Körperchen  von 
mir  unbekannter  Natur  und  Herkunft. 

Das  Vas  deferens  zieht  von  der  Vereinigungsstelle  der 
Vasa  efferentia  in  stark  geschlängeltem  und  gewundenem  Ver- 
laufe an  der  Dorsalseite  des  Zapfens  nach  hinten,  gelangt  in  jene 
halsartige  Verbindung  des  Zapfens  mit  dem  Mantel  und  tritt  in 
dieser  bald  als  Ductus  ejaculatorius  in  den  Cirrusbeutel  ein. 
Das  Vas  deferens  zeigt  entsprechend  dem  Füllungszustande 
bald  ein  größeres,  bald  ein  kleineres  Lumen,  dessen  Durchmesser 
meist  zwischen  100  und  130  fi.  schwankt  Es  ist  ausgekleidet 
von  einer  feinen  Membran.  Auf  sie  folgt  nach  außen  eine  Lage 
von  länglichen  schmalen  Zellen  in  radialer  Anordnung.  Ihr 
Plasma  ist  sehr  feinkörnig  und  schwach  farbbar,  der  Kern  mit 
Hämatoxylin  stets  stark  gefärbt  und  in  dem  vom  Lumen  des 
Samenleiters  abgewendeten  Ende  der  Zelle  gelegen.  Ich 
vermute,  daß  diese  Zellen  drüsiger  Natur  sind  und  dem  Sperma 
wie  die  im  Cirrusbeutel  lokalisierten  Prostatadrüsenzellen  irgend 
ein  Sekret  beimischen.  Ihre  Länge  beträgt  rund  30  fi,  ihre  Breite 

3  bis  6  (jl  Dieser  Zellkranz  um  das  Vas  deferens  ist  außen  gegen 
das  umgebende  Parenchym  durch  eine  feine  bindegewebige 
Membran  abgegrenzt. 

Die  beschriebenen  Zellen  begleiten  den  Samenleiter  fast 
bis  zu  seinem  Eintritt  in  den  Cirrusbeutel,  verschwinden  jedoch 
vorher  allmählich. 

Der  Cirrusbeutel  beginnt  ungefihr  an  der  Verbindungs- 
stelle des  Vorder-  oder  Hinterkörpers  und  zieht  im  letzteren  an 
das  hintere  Körperende,  wo  er  am  Grunde  einer  flachen  Bursa 
copulatrix  (v.  Lorenz  [10]  und  Brandes  [1])  endigt  Er  ist 
also  bei  Braunina  von  bedeutender  Länge.  Diese  betrug  z.  B. 
bei  einem  Tiere  von  6  mm,  beziehungsweise  bei  einem  von 

4  mm  Länge  im  ersteren  Falle  2  mm,  im  letzteren  1  '5  mm.  Da- 
bei zeigt  er  (bei  dem  Exemplar  von  6  mm  Länge)  einen  Durch- 
messer von  zirka  0*3 mm  und  ist  somit  von  langgezogener 
Walzengestalt.  Je  nach  dem  Kontraktionszustande  des  Tieres 


614  k.  Wolf, 

zeigt  er  bald  gestreckten  Verlauf,  bald  ist  er  in  eine  Schlinge 
gelegt. 

Seiner  Struktur  nach  ist  er  ein  Hohlmuskel  und  besteht 
aus  einer  äußeren  Längs-  und  einer  inneren  Ringmuskelschicht. 
Dieselbe  Schichtenfolge  zeigt  der  in  ihm  verlaufende  und 
an  beiden  Enden  mit  ihm  verwachsene  Ductus  ejaculatorius. 
Der  letztere  ist  außerdem  im  Gegensatze  zum  Vas  deferens 
innen  von  einem  meist  deutlichen  Epithel  ausgekleidet,  das 
gegen  Ende  wieder  zu  fehlen  scheint.  Skulpturen  wie  bei 
anderen  Formen  zeigt  das  Innere  des  Endteils,  den  wir  als  Penis 
ansprechen  können,  da  er  ausstülpbar  ist,  nicht.  Am  Anfangs- 
teile des  Ductus  ejaculatorius  ist  eine  Vesicula  seminalis  nur 
recht  schwach  als  etwas  erweiterter  Abschnitt  zu  unterscheiden 
und  das  wohl  nur  dann,  wenn  reichlich  enthaltene  Sperma- 
massen ihr  Lumen  dehnen.  Der  Raum  zwischen  der  Wand 
des  Cirrusbeutels  und  dem  Ductus  ejaculatorius  ist  erfüllt  von 
einem  lockeren  Parenchyme,  welchem  mit  Ausnahme  einer 
kurzen  Strecke  am  Anfange  und  Ende  die  sogenannten  Pro- 
statadrüsenzellen in  großer  Zahl  eingelagert  sind.  Sie  zeigen 
radiäre  Anordnung  und  weisen  keine  auffalligen  Unterschiede 
von  den  obengeschilderten,  den  Samenleiter  begleitenden 
Zellen  auf  (siehe  Fig.  7,  1 1  pr). 

Auffällig  ist  wohl  die  weitgehende  Übereinstimmung,  die 
Braunina  im  Baue  der  männlichen  Endapparate  mit  den  meisten 
Distomen  zeigt,  während  sie  hierin  vollständig  von  dem  nach 
Poirier  (14)  und  Brandes  (1)  bei  den  Holostomiden  ganz  all- 
gemein üblichen  Verhalten  abweicht.  Von  diesem  weicht  unsere 
Form,  um  nur  das  Wesentlichste  hervorzuheben,  ab  durch  den 
Besitz  eines  wohlentwickelten  Cirrusbeutels,  der  die  Prostata 
enthält  und  bei  allen  übrigen  bisher  bekannten  Holostomiden 
fehlt,  während  anderseits  bei  Braunina  die  frei  im  Parenchym 
liegende,  mit  eigenem  Ausführungsgange  versehene  Masse  der 
Prostatazellen  fehlt. 

Der  weibliche  Geschlechtsapparat. 

Der  weibliche  Geschlechtsapparat  besteht  aus  dem 
Ovarium  oder  Keimstocke,  den  paarigen  Dotterstöcken,  der 
Schalendrüse  und  aus   dem  Leitungsapparate:  Ovidukt  oder 


Gattung  Braunina  Heider.  615 

Keimgang,  den  Dottergängen,  dem  Laurer'schen  Kanäle  und 
dem  Uterus  (siehe  Fig.  8,  10). 

Der  Keimstock  ist  ein  annähernd  kugeliges  Organ,  bald  mit, 
bald  ohne  seichte  Einbuchtung  auf  der  Außenseite.  Sein  Durch- 
messer beträgt  bei  mittelgroßen  Tieren  (von  zirka  6  mm  Länge) 
0  *  4  mm.  Der  Keimstock  liegt  im  Zapfen  und  zwar  in  der  rechten 
Hälfte  hinter  dem  rechten  Hoden  und  dorsal  von  ihm. 

Er  ist  umgeben  von  einer  dünnen  (1  jjl)  Membran,  die  stark 
lichtbrechend  und  anscheinend  strukturlos  ist.  Wenigstens  kann 
ich  in  ihr  keine  Kerne  mit  Sicherheit  erkennen,  wenn  auch  ihre 
Anwesenheit  nach  den  Untersuchungen  von  Ziegler  (16)  und 
Looss(9)  fast  als  sicher  anzunehmen  ist.  Außerhalb  dieser 
Membrana  propria  folgt  eine  wenig  mächtige  Lage  stark 
faserigen  Parenchyms  mit  flachen  Kernen,  die  ins  gewöhnliche 
großzellige  Körperparenchym  übergeht,  also  ganz  so,  wie  es 
Looss  (7)  für  Distomum  palliatum  beschreibt. 

Dort,  wo  der  Keimstock  in  den  Ovidukt  übergeht,  zeigt  er  jenen 
»kleinen  kegelförmigen  Zapfen*,  den  Ziegler  (16)  bei  Gastero- 
s*owtowauffandundwelchemLooss(9)undMonticelli(ll)eine 
weite  Verbreitung  zuschreiben.  Jedoch  fehlt  bei  Braunina  dieser 
Einrichtung  gerade  das,  was  ihr  zu  der  Funktion  als  Schluck- 
apparat für  die  Eier,  die  ihr  von  den  Autoren  vindiziert  wird, 
am  notwendigsten  wäre,  nämlich  eine  Muskulatur,  welche  die 
Eier  aus  dem  Ovar  in  den  Ovidukt  preßt,  und  der  zellige  Ver- 
schlußapparat, der  ihr  Zurücktreten  verhindert.  Auch  die  sich 
spaltenden  Ausläufer  einer  faserigen  Substanz,  die  von  der 
Basis  dieser  buckelartigen  Aussackung  in  den  Keimstock 
hineinragen,  fehlen  bei  Brawnina.  Juel  (5)  beschrieb  sie  zuerst 
für  die  Apoblemen  und  auch  Looss  (9)  konstatiert  ihr  Vor- 
kommen bei  Distomen.  Der  Keimstock  ist  prall  gefüllt  mit  Keim- 
zeilen. Die  Membrana  propria  ist  mit  Ausnahme  einer  größeren 
Fläche  im  Umkreise  jener  kegelförmigen  Aussackung,  von  der 
der  Ovidukt  abgeht,  nach  innen  bedeckt  von  einer  mehrschich- 
tigen Lage  kleinerer,  dicht  aneinander  gedrückter  Zellen.  Diese 
epitheloide  Anordnung  der  jungen  weiblichen  Geschlechtszellen 
zu  einem  Keimlager  ist  bei  Distomen  schon  vielfach  beobachtet 
und  beschrieben  worden,  so  von  Leuckart  (6),  Looss  (7,  9), 
Sommer  (15),  Monticelli  (11)  u.  a. 


616  K.  Wolf, 

Die  Dotterstöcke  sind  zwei  mächtige  Organe  von  traubigem 
Baue  und  liegen  hauptsächlich  in  der  dorsalen  Hälfte  des 
Zapfens,  reichen  jedoch,  die  seitlichen  Partien  desselben  teil- 
weise umfassend,  bis  auf  die  Ventralseite  herunter.  Sie  haben 
also  die  Gestalt  zweier,  gegen  die  Mitte  des  Körpers  zu  offener 
Rinnen,  in  welchen  ein  Teil  der  Darmschenkel  verläuft 

Die  einzelnen  Dotterstocksacini  sind  von  geringer  Größe 
(zirka  90  bis  1 20  p.  im  Durchmesser)  und  enthalten  die  Dotter- 
zellen in  wechselnder  Zahl  Diese  besitzen  immer  einen  deut- 
lichen Kern  und  sind  angefüllt  mit  den  gelblichen,  stark  licht- 
brechenden Dottertröpfchen.  Ihr  Durchmesser  beträgt  zirka  15|t, 
der  der  Dottertröpfchen  3*5  bis  4p. 

In  den  Dottergängen  nehmen  die  ursprünglich  rundlichen 
oder  ovalen  Dotterzellen  polygonale  Gestalt  an,  bleiben  aber 
als  Zellen  mit  stets  deutlichem  Kern  erhalten,  ohne  zu  zerfallen, 
wie  es  manche  Autoren  geschildert  haben,  so  z.  B.  Sommer 
(15)  für  Distomum  hepaticum,  ferner  Looss  (7)  undPoirier 
(13),  wogegen  allerdings  Leuckart  (6)  konstatiert,  daß  das 
Zerfallen  der  Dotterzellen  höchstens  ausnahmsweise  vor- 
komme. 

Zwischen  dem  rechten  Hoden  als  vordererund  dem  hinteren 
Teile  des  gleichseitigen  Dotterstockes  als  hinterer  Grenze 
erstreckt  sich  vom  Keimstocke  aus  nach  links,  d.  i.  also  gegen 
die  Mediane  zu  eine  Parenchympartie,  welche  in  großer  Menge 
längliche,  radial  gestellte  Zellen  von  drüsigem  Aussehen  enthält 
Sie  stimmen  völlig  mit  jenen  bekannten  Zellen  in  der  Umgebung 
des  Beginnes  des  weiblichen  Leitungsapparates  der  Distomen 
überein,  welche  vor  bald  40  Jahren  Leuckart  als  Schalen- 
drüsenzellen  erkannte.  Entsprechend  ihrer  Verteilung  in  der 
stark  entwickelten  parenchymatischen  Grundlage  werden  wir 
den  ganzen  Komplex  als  diffuse  Schalendrüse  ansprechen. 
Braunina  schließt  sich  also  nach  der  Art  der  Ausbildung  ihres 
Schal endrüsenkomplexes  völlig  den  Holostomiden  an,  mit  Aus- 
nahme von  Polycotyle,  das  nach  Poirier(14)  eine  kompakte 
Schalendrüse  besitzt,  nicht  so  aber  in  Bezug  auf  ihre  Lage.  Bei 
den  Holostomiden  liegt  nämlich  die  Schalendrüse  zwischen  den 
beiden  Hoden  und  der  Laurer'sche  Kanal  mündet,  vom  Keim- 
stock aus  gerechnet,  vor  ihr  in  den  Keimleiter,  eine  Abweichung 


J 


Gattung  Braunina  Heider.  617 

von  der  gewöhnlichen  Lagebeziehung,  die  Brandes  (1)  auf 
eine  Verlagerung  der  Schalendrüse,  nicht  aber  auf  eine  Ver- 
änderung der  Einmündungsstelle  des  Laurer'schen  Kanals 
zurückführt.  Es  erscheint  nun  aber  recht  bemerkenswert,  daß 
diese  exzeptionelle  Lage  der  Schalendrüse  sowohl  allen  jenen 
Holostomiden  zukommt,  die  eine  diffuse  Schalendrüse  besitzen, 
als  auch  Gasterostomtim  (Ziegler  [16])  und  wenigen  Distomen, 
z.  B.  Distommm  lanceolatum  (Leuckart  [6]),  welche  ebenfalls 
durch  eine  diffuse  Schalendrüse  sich  auszeichnen,  während  bei 
Potycotyle,  dem  einzigen  Mitgliede  der  Holostomidenfamilie 
mit  kompakter  Schalendrüse,  diese  ihre  gewöhnliche  Lage  bei- 
behalten hat,  so  daß  der  Canalis  Laureri  innerhalb  derselben 
mit  dem  Keimleiter  sich  vereinigt. 

Braunina  nun  hat  mit  der  Mehrzahl  der  Holostomiden 
die  Struktur,  mit  Polycotyle  aber  die  Lage  der  Schalendrüse 
(scilic.  in  Bezug  auf  die  innere  Mündung  des  Laurer'schen 
Kanals)  gemeinsam  und  bildet  so  einerseits  zwar  die  Ver- 
bindung zwischen  den  beiden  Gegensätzen  in  der  Holosto- 
midenfamilie, anderseits  aber  auch  die,  soweit  mir  bekannt, 
einzige  Ausnahme  von  jener  sonst  so  auffälligen  und  typischen 
Korrelation  zwischen  Struktur  und  Lage  der  Schalendrüse, 
beziehungsweise  des  Canalis  Laureri. 

Ungefähr  in  der  Mitte  des  Schalendrüsenkomplexes,  dem 
Ovar  etwas  genähert,  treffen  nämlich  bei  Braunina  der  Ovidukt, 
der  Laurer'sche  Kanal,  der  unpaare  Dottergang  und  die  Fort- 
setzung des  Ovidukts:  der  EiergangLeuckart's  oder  Anfangs- 
teil des  Uterus  in  einem  Punkte  zusammen,  wie  es  Hecke rt  (3) 
für  Distomum  macrostomum  beschrieb. 

Der  Ovidukt  oder  Keimgang  kommt  von  jener  buckei- 
förmigen Aussackung  des  Ovars  her,  tritt  in  den  Komplex  der 
Schalendrüsen  ein  und  biegt  hier  rechtwinkelig  nach  vom  um. 
Seine  Gesamtlänge  beträgt  bis  zur  Stelle,  wo  sich  die  oben 
genannten  Kanäle  mit  ihm  vereinen,  zirka  O'Smm,  wovon  die 
Hälfte  auf  den  von  rechts  nach  links,  die  andere  auf  den  vom 
Knie  aus  nach  vorne  verlaufenden  Teil  entfallt  Seine  Wandung 
unterscheidet  sich  in  nichts  von  der  des  Ovars. 

Einen  anatomisch  unterscheidbaren  Befruchtungsraum 
finde  ich  im  Verlaufe  des  Keimganges,  wo  ihn  Looss  (9)  als 


618  K.  Wolf, 

regelmäßig  auftretende  Erweiterung  beschreibt,  nicht,  auch  sah 
ich  darin  nie  Sperma,  sondern  immer  nur  Keimzellen. 

Die  Dottergänge  sind  nur  dann  gut  sichtbar,  wenn  sie  mit 
Dotterzellen  gefüllt  sind.  Daher  bin  ich  auch  nicht  in  der  Lage, 
genauere  Aufschlüsse  über  die  feineren,  direkt  aus  den  Dotter- 
stocksacini  kommenden  Kanälchen  zu  geben.  Ausgeprägte 
Längssammelkanäle,  wie  sie  für  viele  Formen  beschrieben 
wurden,  scheinen  jedoch  bei  Braunina  zu  fehlen.  Man  sieht 
nur  einzelne  feine  Dottergänge,  die,  von  den  größeren  Lappen 
der  Dotterstöcke  kommend,  sich  bald  zu  den  großen  queren 
Dottergängen  vereinigen. 

Der  rechte  Dottergang  zieht  dorsal  und  hinter  dem  Keim- 
stocke am  Schalendrüsenkomplexe  vorbei  gegen  die  Körper- 
mitte zu.  Bevor  er  dieselbe  erreicht,  trifft  er  auf  den  vom  linken 
Dotterstocke  in  großem,  nach  der  Dorsalseite  offenem  Bogen 
herüberziehenden,  mit  dem  er  sich  zum  unpaaren  Dottergange 
vereinigt.  Dieser  tritt  in  die  Schalendrüse  von  links  her  ein, 
macht  in  ihr  ebenso  wie  der  Ovidukt  ein  Knie,  biegt  nach  vorne 
um  und  vereinigt  sich  mit  den  übrigen  Leitungskanälen  des 
weiblichen  Geschlechtsapparates.  Ein  konstant  auftretendes 
Dotterreservoir  besitzt  Braunina  nicht,  doch  können  sowohl 
die  queren,  als  insbesondere  der  unpaare  Dottergang  bei  stärkerer 
Füllung  ihr  Lumen  erheblich  vergrößern. 

Der  Laurer'sche  Kanal.  Seine  innere  Mündung  liegt 
genau  an  der  Stelle,  wo  sich  der  unpaare  Dottergang  mit  dem 
Keimleiter  vereinigt.  Von  da  zieht  er  fast  horizontal  nach  links 
gegen  die  Körpermitte,  die  er  dort  trifft,  wo  das  Vas  deferens 
in  den  Cirrusbeutel  eintritt.  Diesen  begleitet  er,  rechts  von  ihm 
liegend,  eine  Strecke  weit,  biegt  dann  dorsalwärts  um  und 
mündet  am  Mantel  in  der  Mediane  nach  außen. 

Der  Formen,  bei  denen  der  unpaare  Dottergang  und  der 
Laurer'sche  Kanal  an  derselben  Stelle  mit  dem  Keimgange  sich 
vereinigen,  scheint  es  nicht  sehr  viele  zu  geben.  So  ist  ein 
solches  Verhalten  bekannt  für  Distomum  macrostomum 
(Heckert  [3]),  auch  für  Distomum  palliatum  aus  dem  Delphin 
beschreibt  Looss  (7)  dasselbe,  während  er  in  seiner  Mono- 
graphie (9)  für  alle  dort  geschilderten  Distomen  die  Ein- 
mündung des  Laurer'schen  Kanals  vor  der  des  unpaaren  Dotter- 


Gattung  Braunina  Heider.  619 

ganges  findet  Daß  bei  den  Holostomiden  der  Laurer'sche  Kanal 
sogar  vor  der  Schalendrüse  in  den  Keimgang  mündet,  wurde 
schon  oben  besprochen  und  auch  von  Polycotyle,  wo  sich  doch 
alle  drei  Gänge  innerhalb  der  Schalendrüse  vereinigen,  sagt 
Poirier(14):  »Avant  sa  reunion  avec  le  vitelloducte  impair, 
ce  dernier  canal  (l'oviducte)  a  donne  naissance,  presque  ä  son 
entree  dans  la  glande  coquilliere,  a  un  petit  canal  cylindrique, 
le  canal  de  Laurer.« 

Der  Laurer'sche  Kanal  enthält  bei  Braunina  immer  größere 
oder  geringere  Mengen  von  Sperma.  Seine  Wand  besteht  aus 
einer  dünnen  strukturlosen  Membran  und  ist  eingehüllt  von 
einer  Ringfaserschicht.  Noack  (12)  fand  bei  Distomum  clavi- 
gerum  außerdem  noch  eine  Längsmuskellage,  die  ich  aber  bei 
Braunina  vermisse.  Dafür  sind  umso  auffälliger  jene  kleinen 
Zellen  mit  stark  färbbaren  Kernen,  die  zahlreich  den  ganzen 
Kanal  begleiten  und  die  Poirier  (13)  u.  a.  für  Distomum  insigne 
beschreibt  und  zeichnet  und  ebenso  auch  luv  Distomum  megnini. 
Er  sagt  darüber  (S.  573):  »Le  parenchyme  qui  Tenvironne  forme 
une  gaine  dense  de  cellules  petites,  mais  ä  gros  noyau«  und 
(S.  577):  »Tout  le  canal  est  entoure  d'une  gaine  de  cellules  ä 
gros  noyau,  qui  se  distinguent  nettement  des  cellules  du  paren- 
chyme du  corps  par  leur  diametre  beaucoup  plus  faible.« 

Ein  Receptaculum  seminis  fehlt. 

Der  Uterus.  Nachdem  sich  der  unpaare  Dottergang  und 
der  Laurer'sche  Kanal  mit  dem  Ovidukte  vereinigt  haben,  setzt 
sich  dieser  in  einen  langen,  vielfach  geschlängelten  und 
gewundenen  Gang  fort.  Dieser  enthält  im  ersten  Teile  seines 
Verlaufes  das  Bildungsmaterial  der  Eier  und  Unmengen  von 
Sperma.  Bald  nachdem  er  aus  dem  Bereiche  der  Schalendrüsen 
getreten  ist,  erweitert  er  sich  etwas  und  enthält  von  hier 
an  völlig  fertige  Eier.  Diese  sind  gedeckelt  und  messen  in  der 
Länge  160  bis  170  jx  bei  einem  größten  Querdurchmesser  von 
zirka  HOjl  Er  wendet  sich,  mehrere  Schlingen  bildend,  nach 
hinten  und  gelangt  an  den  Hautmuskelschlauch.  Zwischen  diesem 
und  den  Dotterstöcken  und  Hoden  hat  er  seinen  weiteren  Ver- 
lauf (siehe  Fig.  8,  uf).  Zahlreiche  Schlingen  bildend,  die  ein 
sehr  zierliches  Bild  geben,  durchzieht  er  auf  der  Ventralseite 
und  lateral  den  Raum  zwischen  den  Dotterstöcken  und  Hodne 


620  k.  Wolf, 

und  der  Körperwand  des  Zapfens,  wendet  sich  schließlich 
wieder  nach  dem  Körperinnern  zu,  und  tritt,  nachdem  er  bisher 
nur  im  Zapfen  verlief,  jetzt  durch  die  halsförmige  Verbindung 
zwischen  Zapfen  und  Mantel  in  den  Hinterkörper.  Diesen  durch- 
zieht er  ventral  vom  Cirrusbeutel,  um  dann  knapp  neben  der 
männlichen  Geschlechtsöffnung  am  Grunde  der  Bursa  copulatrix 
nach  außen  zu  münden  (siehe  Fig.  11). 

Der  erste  Teil  dieses  Leitungsapparates  wird  von  manchen 
Autoren,  z.  B.  So  mm  er  (15)  als  Anfangsteil,  respektive  »hinteres 
Stück«  des  Uterus,  von  anderen  dagegen  als  Endteil  des  Ovi- 
duktes gedeutet,  so  von  Leuckart  (6),  der  ihn  als  Eiergang 
anspricht  Am  plausibelsten  erscheint  Looss'  Auffassung  (9). 
Dieser  nennt  ihn  Ootyp  und  bemerkt,  daß  er  sich  viel  schärfer 
vom  Keimgange  als  von  dem  auf  ihn  folgenden  Uterus  absetzt 
Diese  letztere  Bemerkung  findet  jedenfalls  auch  bei  Braunina 
Anwendung.  Er  setzt  sich  hier  gegen  den  Keimgang  durch  den 
Besitz  einer  doppelten  Muskelhülle  sehr  scharf  ab.  Diese  beginnt 
genau  dort,  wo  er  vom  Vereinigungspunkte  des  Keimganges  mit 
demLaurer'schen  Kanäle  und  dem  unpaaren  Dottergange  seinen 
Ausgang  nimmt,  und  besteht  aus  einer  Ringfaserschicht,  die 
direkt  der  Eigenmembran  des  Kanales  aufliegt,  und  aus  einer 
äußeren  stärkeren  Lage  von  radiär  angeordneten  Muskelfasern. 
Zwischen  diesen  trifft  man  einzelne  Schalendrüsenzellen,  deren 
Ausführgänge  jedenfalls  die  Wand  des  Kanales  durchbrechen, 
um  ihr  Sekret  dem  Inhalte  beizumischen.  Daher  können  wir 
diesen  Teil  wohl  nach  dem  Vorgange  Looss'  als  Ootyp  in 
Anspruch  nehmen.  Jene  Radiärfaserlage  hört  jedoch  bald 
wieder  auf,  sie  ist  nur  auf  eine  ringförmige  Partie  ganz  am 
Anfange  des  Ootyps  beschränkt.  Im  weiteren  Verlaufe  ist  nur 
mehr  die  typische  Ringfaserlage  entwickelt  Die  Eigenmembran 
des  Ootyps  läßt  deutlich  Kerne  erkennen,  so  daß  ihre  zeilige 
Natur  unzweifelhaft  erscheint  (siehe  Fig.  8,  oof). 

Der  Ootyp  geht  ganz  allmählich  in  den  eigentlichen  Uterus 
über.  Die  eben  genannte  epitheliale  Auskleidung  wird  beim 
Austritte  aus  der  Schalendrüse  immer  undeutlicher  und  geht 
scheinbar  in  eine  dünne,  strukturlose  Membran  über.  Auch  die 
Ringmuskelschicht  wird  undeutlich,  beides  wohl  wegen  der 
durch  die  enthaltenen  fertigen  Eier  bedingten  Dehnung  der 


Gattung  Braunina  H  e  i  d  e  r.  621 

Wand.  Diese  Struktur  ist  dem  ganzen  Uterus  eigen  bis  zum 
Endteil,  der  Vagina.  Diese  Bezeichnung  für  den  Endteil  der 
weiblichen  Geschlechtswege  ist  von  Looss  (8,  9)  eingehend 
begründet  worden  gegenüber  der  gegenteiligen  Meinung,  der 
Canalis  Laureri  sei  als  solche  zu  bezeichnen,  was  besonders 
von  Monticelli  (11)  vertreten  wird.  Sie  beginnt  bei  Braunina 
noch  innerhalb  des  Vorderkörpers  und  zieht  von  da,  wie  oben 
geschildert,  ans  hintere  Körperende.  Ihr  Anfang  ist  leicht  kennt- 
lich an  ihrer  Struktur,  in  betreff  deren  dasselbe  gilt,  wasLooss(9) 
als  das  typische  Verhalten  beschreibt.  Sie  besitzt  nämlich  außer 
der  stark  entwickelten  Ring-  noch  eine  (äußere)  Längsmuskulatur 
und  es  treten  in  ihrer  nächsten  Umgebung  jene  »körnigen  Zellen 
unbestimmter  Funktion«  auf,  die  Looss  (9)  beschreibt.  Auch 
Poirier  (13)  beobachtete  dieselben  bei  Distomum  megnini, 
N o&ck(12)  bei  Distomum  clavigerum  und  Monticelli  (11),  der 
sie  auf  Hautdrüsen  zurückführt,  gibt  ihnen  den  Namen  »Glandole 
glutinipare«.  Im  Innern  ist  die  Vaginaausgekleidetvon  einerzarten 
Membran,  welche  aber  ebensowenig  wie  der  Ductus  ejaculatorius 
irgendwelche  auf  die  Begattung  bezügliche  Skulptur  aufweist.  Die 
Muskulatur  der  Vagina  nimmt  gegen  das  Ende  zu  an  Stärke  im 
allgemeinen  ab,  verstärkt  sich  aber  an  einer  eng  begrenzten  Stelle 
zu  einem  äußerst  kräftigen,  naturgemäß  aus  Ringfasern 
bestehenden  Sphincter  (siehe  Fig.  1  l,sp£),der  den  vonNoack(12) 
für  Distomum  clavigerum  beschriebenen  an  Mächtigkeit  weit 
übertrifft. 

Braunina  weicht  in  Bezug  auf  den  Geschlechtsapparat 
von  allen  in  der  Monographie  von  Brandes  (1)  beschriebenen 
Formen  ab,  schließt  sich  aber  in  der  für  die  Familie  der  Holosto- 
miden  so  charakteristischen  Körperform  an  die  Unterfamilie: 
Hemisiominae  an.  Bei  diesen  ist  der  »Haftapparat«  entwickelt 
»in  Gestalt  eines  kompakten  Zapfens,  oft  den  größten  Teil  des 
Vorderkörpers  bedeckend«  (siehe  Brandes  [1]). 

Bei  Braunina  tritt  dieser  »Haftapparat«  ebenfalls  in  Form 
eines  kompakten  Zapfens  auf,  der  aber  hier  selbst  den  größten  Teil 
des  Vorderkörpers,  ja  des  ganzen  Körpers  überhaupt  darstellt, 
während  der  übrige  Teil  des  Vorderkörpers  nur  jenen  becher- 
förmigen Mantel  um  ihn  herum  bildet.  Der  Zapfen  enthält  aber 
bei  Braunina  nicht  nur  den  Hauptteil  der  Geschlechtsorgane 


622  K.  Wolf, 

Hoden,  Keimstock,  die  Dotterstöcke,  Schalendrüse,  Uterus  und 
Vas  deferens,  sondern  auch  einen  Teil  der  Darmschenkel  und 
es  gehört  hier  der  Darmapparat  ganz  dem  Vorderkörper  an. 

Bei  den  in  Brandes*  Monographie (1)  beschriebenen  Holo- 
stomiden  durchziehen  aber  die  Darmschenkel  den  ganzen  Körper 
der  Länge  nach,  ohne  in  den  Zapfen  einzutreten. 

Die  angeführten,  ziemlich  bedeutenden  Unterschiede  in 
der  Organisation  rechtfertigen  wohl  die  Aufstellung  einer  eigenen 
Unterfamilie  für  unser  Genus,  welche  nach  den  internationalen 
Nomenkiaturregeln  den  Namen  Braunininae  zu  führen  und  im 
System  zwischen  den  Unterfamilien  der  Hemistominae  und  der 
Holostominae  zu  stehen  hat  Ich  gebe  nachfolgend  den  Versuch 
einer  kurzen  Diagnose  derselben,  wie  sie  sich  nach  der  einzigen 
bisher  hieher  zu  stellenden  Gattung  ergibt: 

Subfamilia:  Braunininae  nov. 

Holostomiden,  deren  vordere  Körperregion  zu  einem 
becherförmigen  Mantel  umgestaltet  ist,  dessen  Hohlraum  einen 
mächtigen  kompakten  Zapfen  enthält.  Dieser  hängt  mit  dem 
Mantel  an  der  Dorsalseite  zusammen  und  enthält  den  Haupt- 
teil der  Geschlechtsorgane.  Im  hinteren  Körperteil  ein  Cirrus- 
beutel,  der  die  Prostatadrüsenzellen  und  den  Cirrus  enthält. 
Vagina  nicht  von  einem  parenchymatischen  Genitalkegel 
umgeben. 

Einziges  Genus:  Braunina  Heider  (4)  1900  mit  den 
Charakteren  der  Unterfamilie. 

Öffnung  des  Mantels  verengt,  Verbindung  zwischen  Mantel 
und  Zapfen  ein  dünner  Hals.  Dieser  erhebt  sich  aus  einer 
ziemlich  tiefen  Rinne  an  der  Dorsalseite  des  Zapfens.  Durch  ihn 
ziehen  die  Darmschenkel  aus  dem  Mantel  in  den  Zapfen  und 
die  Geschlechtsausführungsgänge  aus  dem  Zapfen  in  den 
hinteren  Körperteil.  Dieser  ist  ein  zylindrischer  Anhang  von 
geringer  Größe  und  sitzt  dem  Mantel  außen  an  jener  Stelle  auf, 
durch  welche  dieser  innen  mit  dem  Zapfen  zusammenhängt 
Saugnäpfe  fehlen  ganz. 

Befestigung  am  Wirte  durch  eine  becherförmige  Falte  der 
Darmschleimhaut  desselben,  welche  den  ganzen  Zapfen  um- 
hüllt. 


Gattung  Brauntna  Hei  der.  623 

Der  Vergleich  des  Materials,  das  aus  einem  zu  Ostern  1902 
an  der  k.  k.  zoologischen  Station  in  Triest  sezierten  Delphin 
stammt,  mit  jenen  alten  von  der  Novara-Reise  herrührenden 
Exemplaren  von  Braunina  ergab  keine  genügenden  Anhalts- 
punkte zur  Unterscheidung  verschiedener  Spezies.  Auch  zeigen 
die  Darmwandstücke  mit  den  Brauninen  von  der  Novara-Reise 
eine  so  auffallige  makro-  und  mikroskopische  Ähnlichkeit  mit 
der  Delphindarm  wand,  daß  ich  wohl  die  Vermutung  aussprechen 
darf,  es  habe  sich  bei  der  Angabe:  »Darm  von  Squalus,  Rio  de 
Janeiro«  um  eine  Verwechslung  gehandelt. 

Spezies :  Braunina  cordiformis  nova. 

Vorderkörper  dick  und  herzförmig.  Hinterer  Körperteil 
kurz  und  dünn,  am  Ende  mit  flacher  Bursa  copulatrix. 
Geschlechtsreife  Exemplare  sind  von  zirka  4  bis  8'5mm 
Länge. 

Verzeichnis  der  zitierten  Literatur. 

1.  Brandes,  Die  Familie  der  Holostomiden.  Spengel's  Zoo- 
logische Jahrbücher,  Abteilung  für  Systematik,  Geographie 
und  Biologie  der  Tiere.  5.  Bd.,  S.  549  bis  604. 

2.  Braun,  Trematodes  in  Bronn's  Klassen  und  Ordnungen 
des  Tierreiches,  1879  bis  1893  (Bd.  IV,  Abt.  \a). 

3.  Heckert,  Leucochloridium  paradoxum.  Monographische 
Darstellung  der  Entwicklungs-  und  Lebensgeschichte  des 
Distomum  macrostomum.  In  »Biobliotheca  zoologica«, 
herausgegeben  von  Leuckart  und  Chun.  4.  Heft,  1889. 

4.  Heider,  Über  Braunina,  ein  neues  Genus  aus  der  Gruppe 
der  Holostomiden.  Verhandlungen  der  deutschen  zoologi- 
schen Gesellschaft  auf  der  X.  Jahresversammlung,  1900. 

5.  Juel,  Beiträge  zur  Anatomie  der  Trematodengattung 
Apoblema.  Bihang  tili  Kongl.  Svenska  Vetenskaps-Akade- 
miens  Handlingar.  15.  Bandet,  Afdelning  4.  1890. 

6.  Leuckart,  Die  Parasiten  des  Menschen  und  die  von  ihnen 
herrührenden  Krankheiten.  2.  Aufl.,  II.  Bd.  (Trematoden). 

7.  Looss,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Trematoden.  Zeitschrift 
für  wissenschaftl.  Zoologie,  41.  Bd.,  1885. 

Sitzb.  d.  mathem.-nalurw.  KL;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  40 


624  K.  Wolf, 

8.  Looss,  Ist  der  Laurer'sche  Kanal  der  Tremaioden  eine 
Vagina?  Zentralblatt  für  Bakteriologie  und  Parasitenkunde, 
13.  Bd.,  1893. 

9.  Looss,  Die  Distomen  unserer  Fische  und  Frösche.  »Biblio- 
theka  Zoologica«,  herausgegeben  von  Leuckart  und  Chun, 
1894. 

10.  v.  Lorenz.  Über  die  Organisation  der  Gattungen  Axine 
und  Microcotyle.  Arbeiten  aus  dem  zoolog.  Institute  der 
Universität  Wien,  1.  Bd.,  1878. 

11.  Monticelli,  Studii  sui  Trematodi  endoparassiti.  Spengel's 
Zoolog.  Jahrbücher,  III.  Suppl.,  1893. 

12.  Noack,  Die  Anatomie  und  Histologie  von  Distotnum 
clavigerum.  Inaug.  Dissert.,  Rostock  1892. 

13.  Poirier,  Contribution  ä  l'histoire  des  Trematodes.  Archives 
de  Zoologie  experimentale  et  generale,  II.  S«rie,  3.  Bd.,  1885. 

14.  Poirier,  Sur  les  Diplostomidae.  Archives  de  Zoologie 
experimentale  et  generale,  IL  Serie,  4.  Bd.,  1886. 

15.  Sommer,  Die  Anatomie  des  Distotnum  hepaticum.  Zeit- 
schrift für  wissensch.  Zoologie,  34.  Bd.,  1880. 

16.  Ziegler,  Bucephalus  und  Gasterostomum.  Zeitschrift  für 
wissensch.  Zoologie,  39.  Bd.,  1883. 


Gattung  Braunina  H  e  i  d  e  r.  625 


Tafelerklärung. 


a  Vorhof. 

b  becherförmige  Schleimhautfalte  des  Wirtsdarms. 

bc  Bursa  copulatrix. 

o  Cirrus. 

cb  Cirrusbcutel. 

äst  Dotterstock, 

grz  »große  Zellen«  des  Pharynx. 

k  hinteres  Körperende. 

int  Darmschenfceh 

kg  Keimgang  (Ovidukt). 

ksi  Keimstock  (Ovar). 

/  Laurer'scher  Kanal. 

m  Mantel. 

o  Mundöffnung. 

oe  Ösophagus. 

oot  Ootyp. 

ph  Pharynx. 

pho  Pharynxöffnung. 

pl  Parenchymlücken. 

pr  Prostatazellen. 

sph  Sphincter  vaginae. 

/  Hoden. 

udg  unpaarer  Dottergang. 

ut  Uterus. 

v  vorderes  Körperende. 

v.  dcf  Vas  deferens. 

vag  Vagina. 

x  Hals. 

z  Zapfen. 

Fig.  1.      Ansicht  des  Tieres  von  der  Dorsalseite.  Vergr.  6. 

Fig.  2.      Ansicht  des  Zapfens  von  der  Dorsalseite  nach  Entfernung  des  Mantels 

und  Hinterkörpers.  Vergr.  6. 
Fig.  3.      Schematisierter  Medianschnitt.  Die    dorsale   Umrandung    ist   stärker 

als  die  der  Ventral seite  angehörige  ausgezogen.  Vergr.  6. 
Fig.  4.      Querschnitt  durch   den   vordersten  Teil  des  Mantels   mit  Pharynx, 

Vorhof  und  Mundöffnung.  Vergr.  35. 

40* 


626  K.  Wolf,  Gattung  Braunina  Hei  der. 

Fig.  5.  Querschnitt  durch  den  Mantel.  Etwas  weiter  hinten  als  in  Fig.  4.  Mit 
Pharynx  und  Vorhof.  Vergr.  35. 

Fig.  6.  Pharynx  von  der  Mantelhöhle  aus  gesehen.  Der  hintere  Teil  bloß- 
gelegt durch  Auspräparieren  aus  dem  Mantel.  Vergr.  70. 

Fig.    7.    Querschnitt  durch  den  Hinterkörper.  Vergr.  35. 

Fig.    8.    Querschnitt  durch  den  Vorderkörper.  Vergr.  20. 

Fig.  9.  Ansicht  des  im  Zapfen  verlaufenden  Teiles  der  Dannschenkel  von 
der  Ventralseite.  Das  Tier  in  frontaler  Richtung  halbiert,  die  ventrale 
Hälfte  entfernt.  Nach  einem  Wachsplattenmodell  von  25  facher  Ver- 
größerung von  Herrn  cand.  phil.  Paul  Waitz,  dem  ich  auch  die 
folgende  Photographie  (Fig.  10)  verdanke,  photographiert.  Reproduk- 
tion verkleinert  auf  zirka  16  fache  Vergrößerung. 

Fig.  10.  Ansicht  des  Anfangsteiles  der  weiblichen  Geschlechts wege  und  ihrer 
Vereinigung,  von  der  Dorsalseite.  Nach  einem  Wachsplattenmodell 
von  100 facher  Vergrößerung.  Reproduktion  verkleinert  auf  zirka 
70  fache  Vergrößerung. 

Fig.  11.  Medianschnitt  durch  das  hintere  Körperende.  Etwas  schematisiert 
(durch  Weglassung  der  histologischen  Details).  Vergr.  35. 


WaH 


S 


■4 

tfr.M M 


I 
I* 


627 


Arachnoidea  in  Asia  Minore  et  ad  Constantino- 
polim  a  Dre.  F.  Werner  eolleeta, 

conscripta  a 
VI.  Kulczyriski. 

(Mit  1  Doppeltafel.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  9.  Juli  1903.) 

Araneae. 

Cyrtocarenum  (?)  Werneri  n.  sp.  Burnabat  (prope  Smyr- 
nam),  6.  V.  femina  probabiliter  adulta. 

Ciniflo  sp.?  Adampol  (prope  Beikos  ad  Bosporum),  22.  VII. 
exempla  non  adulta. 

Dictyna  arundinacea  (L.).  Eski  Schehir,  femina  adulta. 

D.  latens  (Fabr.).  Aktschalan  (prope  urbem  Brussa),  28. VII. 
femina  adulta. 

Eresus  Walckenaerii  Brülle.  Ala  Schehir,  2.V.  mas  adultus 
{Eresas  Audouinii  Brülle);  Smyrna,  mense  Maio  femina  ad.; 
vallis  rivi  Meles  (prope  Smyrnam),  I.V.  exemplum  non  adultum, 
probabiliter  huius  speciei.  —  Cfr.  Adnotationes. 

Femina  probabiliter  alius  cuiusdam  Eresi,  non  adulta,  lecta 
est  ad  Smyrnam  mense  Maio.  Abdomen  exempli  huius  dense 
punctis  albis,  magnitudine  fere  oculos  posticos  attingentibus, 
ornatum  est. 

Scytodes  thoracica  Latr.  Insula  Propontiaca:  Antigoni, 
16.  VII.  femina  ad. 

Dysdera  Westringii  0.  P.  Cambr.?  Ala  Schehir,  exemplum 
non  adultum. 

Prosthesima  Olympi  n.  sp.  Olympus  Bithynicus,  in  altitu- 
dine  2000 — 2500  m  femina  ad.  (et  exemplum  non  adultum 
fortasse  eiusdem  speciei). 


628  VI.  Kulczyiiski, 

Gnaphosa  bithynica  n.  sp.  Olympus  Bithynicus,  in  altitu- 
dine  2000—2500  m  mas  et  feminae  ad. 

G.  sp.?  Brussa,  exemplum  non  adultum. 

Palpimanus  gibbulus  L.  Du  f.  Burnabat  6.  V.;  vallis  rivi 
Meles,  pone  Pagos,  I.V.;  feminae  ad. 

Holocnemus  rivulatus  (Forsk.).  Abullonia  (prope  urbem 
Brussa),  mas  et  femina  ad. 

Theriämm  impressum  lL.  Koch.  Olympus  Bithynicus,  in 
altitudine  1600— 2000  m  femina  adulta. 

Lathrodectus  tredecimguttatus  (Rossi)  var.  lugubris 
(L.  Duf.).  Brussa,  femina  ad. 

Lithyphantes  corollatus  (L.).  Constantinopolis  (Dolma 
Baktsche),  femina  ad.  —  Inkaya  (prope  urbem  Brussa),  28.  VII. 
mas  et  fem.  ad.;  Olympus  Bhhynicus,  in  altitudine  ca.  1600w 
femina  ad. 

Linyphia  frutetorum  C.  L. »Koch.  Balukli  (prope  urbem 
Brussa),  femina  ad. 

Tetragnatha  externa  (L.).  Constantinopolis  (Dolma  Bak- 
tsche), fem.  ad.  —  Olympus  Bithynicus,  in  altitxa.  1600  m:  mas 
et  fem.  ad.;  Eski  Schehir,  mas  et  fem.  ad,;?  Köktsche  Kissik 
(prope  Eski  Schehir,  meridiem  versus),  exemplum  non  adultum. 

T.  Solandrii  (Scop.).  Constantinopolis  (Dolma  Baktsche), 
mas  et  fem.  ad.  —  Balukli,  femina  ad. 

Meta  Merianae  (Scop.).  Silva  Belgradensis  dicta,  prope 
Constantinopolim,  20.  VII.  femina  ad. 

Argiope  Bruennichii  (Scop.).  Adampol,  13.  VII.  femina  ad. 
et  iuv.;  Isnik,  femina  ad.  et  iuv.;  Balukli,  fem.  ad.  et  iuv. 

A.  lobata  (Pall.).  Eski  Schehir,  femina  ad. 

Mangora acalypha  (Walck.).  Adampol,  Brussa;  feminae  ad. 

Aranea  (Epeira)  angulata  L.  Silva  »Belgradensis«,  fem. 
ad.  et  iuv.  —  Difterunt  haec  exempla  habitu  paullo  ab  exemplis 
Europae  mediae,  notas  tarnen  speciei  propriae  non  praebent. 

A.  Circe  (Sav.).  Insula  Propontiaca:  Platia,  15.  VII.  fem. 
ad.  et  iuv.  —  Alayund  (prope  Eski  Schehir,  meridiem  versus), 
femina  ad. 

A.  diadema  L.(?).  Adampol,  22.  VII.  exemplum  non  adultum. 

A.folium  Schranck  (?).  Bazarköi  (ad  lacum  Isnik),  Brussa; 
pulli. 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  629 

A.  dalmatica  (Dol.).  Adampol,  22.  VII.  femina  adulta. 

A.  Redii  Scop.?  Antigoni,  16.  VII.  pullus;?  Inkaya,  28.  VII. 
pulius. 

A.  dromedaria  Walck.?  Antigoni,  16.  VII.  pullus. 

A.  adianta  Walck.  Platia,  15.  VII;  Adampol,  22.  VII; 
Smyrna,  mense  Maio;  feminae  adultae. 

A  (Singa)  lucina  (Sav.).  Köktsche  Kissik,  exemplum  non 
adult.  —  Cfr.  Adnotationes. 

A.  pygmaea  (Sund.)?  var.  nigriceps  n.  Bazarköi,  femina  ad. 

A.  sangninea  (C.  L.  Koch).  Brussa,  femina  ad.;  Aktschalan, 
28.  VII.  mas  et  fem.  ad.;?  Inkaya,  pullus. 

Thomisus  albus  (Gmel.).  Constantinopolis  (Dolma  Bak- 
tsche),  femina  ad.  —  Göz  Tepe  (pro.pe  Smyrnam),  femina  ad. 

Runcinia  lateralis  (C.  L.  Koch).  Constantinopolis  (Dolma 
Baktsche),  femina  ad.  —  Antigoni,  16.  VII.  femina  ad.  et  iuv. 

Heriaeus  htrtus  (C.  L.  Koch).  Constantinopolis  (Dolma 
Baktsche),  mas  adult. 

H.  Simonii  n.  sp.  Aktschalan,  28.  VII.  mas  adultus  (et 
exemplum  non  adultum);?  Antigoni,  16.  VII.  femina  fortasse 
huius  speciei. 

H.  propinquus  n.  sp.  Balukli,  femina  ad. 

Xysticus  graecus  C.  L.  Koch.  Platia,  15.  VII.  femina  ad. 

Species  incertae  XysHcorum  (exempla  non  adulta)  lectae 
sunt  ad:  Aktschalan,  Brussa,  Alayund. 

Synaema  globosum  (Fabr.).  Antigoni,  16.  VII;  Balukli; 
feminae  ad. 

S.  sp.?  Inkaya,  28.  VII.  pullus  a  Synaemaic  globoso  certo, 
-a  S.  ornato  Thor,  probabiliter  distinctus;  num  S.  phrator 
(O.  P.  Cambr.)? 

Phüodromus  aureolus  (Oliv.)  subsp.  pallens  Kulcz.  In- 
kaya, 28.  VII.  femina  ad. 

Ph.  sp.?  Köktsche  Kissik,  femina  ad.,  caespiticölae  (Walck.) 
similis. 

Tibetlus  sp.?  Köktsche  Kissik,  exemplum  non  adultum. 

Sparassus  sp.?  Smyrna,  mense  Maio;  Ajassoluk,  3.  V; 
exempla  non  adulta. 

Ckiracanthium  punctorium  (Villers).  Balukli,  exemplum 
non  adultum,  certe  huius  speciei. 


030  VI.  Kulczyriski, 

Agelena  labyrinthica  (L).  Adampol,  22.  VII;  Inkaya,  28.  VII; 
feminae  adultae,  statura  magna,  altera  cephalothorace  6  mm, 
tibia  cum  patella  IV  7  mm,  altera  illo  672»  his  78/4  longis, 
forma  epigynae  paullo  ab  exemplis  in  Europa  media  lectis 
distinctae:  margo  posticus  foveae  non  libratus  maximam  par- 
tem,  sed  pone  ventrem  versus  declivis,  iongitudine  non  totam 
foveam,  sed  eius  4/7  aut  (in  exemplo  maiore)  x/b  aequans. 
Probabiliter  varietati  orientali  C.  L.  Koch  subiungenda  sunt 
haec  exempia. 

Pisaura  rufofasciata  (De  Geer).  Silva  »Belgradensis% 
20.  VII.  femina  adulta,  colore  »murinae«  (C.  L.  Koch,  Die 
Arachniden,  fig.  1348),  cephalothorace  4  mm  longo,  epigyna 
(ab  apice  furcae  corneae  anticae  ad  marginem  posticum  foveae 
posticae)  0*79  longa,  eius  fovea  0*7  lata,  0*38  longa,  ante- 
riora  versus  parum  angustata,  margine  postico  foveae  paullo 
procurvo,  cum  lateribus  in  arcus  latos  coniuncto.  Aidin  (prope 
Ephesum),  mense  Maiö,  femina  adulta,  detrita,  colore  —  ni 
fallor  —  Ocyalae  mirabili  C.  L.  Koch  (1.  c,  fig.  1346)  similis, 
cephalothorace  4*5  longo;  epigyne  0*73  longa,  eius  fovea 
0-73  lata,  0*34  longa,  paene  semicircularis:  anteriora  versus 
insigniter  dilatata.  Aktschalan,  28.  VII:  Gök  Deze  (prope  urbem 
Brussa);  Köktsche  Kissik;  pulli. 

Tarentula  praegrandis  (C.  L.  Koch).  Smyrna,  mense  Maio 
femina  ad.;  Mekedje  (inter  Biledjik  et  Eski  Schehir),  pullus. 

T.  radiata  (Latr.).  Silva  »Belgradensis«,  20.  VII.  mas  ad., 
cephalothorace  53/4,  tibia  cum  patella  IV  7  mm  longa,  ventre 
pallide  colorato.  Antigoni,  16.  VII.  mas  et  femina  ad.;  haec 
ventre  macula  nigra  subtriangulari  ornato,  cephalothorace  et 
tibia  cum  patella  IV  8  mm  longis;  mas  minutus:  cephalo- 
thorace 5  mmy  tibia  cum  patella  IV  6  mm  longis,  ventre  toto 
pallido.  Adampol,  22.  VII.  exemplum  non  adultum.  Brussa, 
femina  ventre  pallido,  cephalothorace  et  tibia  cum  patella  IV 
6*5  longis.  Mekedje,  exemplum  non  adultum. 

T.  Eichwaldii  Thor.  var.  bithynica  n.  Olympus  Bithyni- 
cus,  in  altitud.  2000— 2500  m  femina  adulta. 

Trochosa  {riiricola  De  Geer.  var.)  rnstica  Thor.?  Isnik, 
femina  ad. 

T.  sp.?  Isnik,  exemplum  non  adultum. 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  631 

Lycosa  cursoria  C.  L.  Koch?  Olympus  Bithynicus,  in 
altit.  1600 — 2000  m  feminae  adultae.  Feminas  has  a  Lycosa 
cursoria  et  a  L.  albata  L.  Koch  distinguere  nescio. 

L.  sp.?  Gök  Deze,  femina  iuvenis,  detrita. 

Oxyopes  lineatus  Latr.  Constantinopolis  (Dolma  Baktsche), 
femina  ad.  —  Aktschalan,  28.  VII.  femina  ad. 

O.  heterophthalmus  (Latr.).  Burnabat,  6.  V.  femina  ad. 

Leptorchestes  berolinensis  (C.  L.  Koch).  Aktschalan,  28. VII. 
femina  ad. 

Heliophanus  Cambridgei  E.  Sim.  Antigoni,  16.  VII.  femina 
ad.;?  Köktsche  Kissik,  exemplum  non  adultum,  detritum. 

H.  exsultans  E.  Sim.?  Adampol,  femina  ad. 

H.  Kochii  E.  Sim.  (?).  Antigoni,  16.  VII.  pulli. 

H.  equester L.Koch.  Aktschalan,  28.  VII;  Bazarköi;  Smyrna, 
mense  Maio;  feminae  adultae. 

H.  melinus  L.  Koch.  Smyrna,  mense  Maio;  vallis  rivi 
Meles,  pone  Pagos;  Magnesia,  9.  V.;  Ala  Schehir,  2.  V.;  feminae 
adultae. 

Menemerus  semilimbatus  (Hahn)  (?).  Abullonia,  ex.  non 
adultum  detritum;  Isnik,  exempl.  contusum,  abdomine  carens; 
Smyrna,  mense  Maio  exemplum  non  adult. 

Habrocestum  papilionaceum  (L.  Koch).  Ajassoluk  (prope 
antiquam  Ephesum),  30.  V.  mas  adultus  et  exemplum  non 
adultum. 

Pellenes,  incertae  species  duae.  Antigoni;  Aktschalan, 
28.  VII.;  exempla  non  adulta. 

Philaeus  chrysops  (Po da)  var.  haetnorrhoica  (C.  L.  Koch). 
Ajassoluk,  3.  V.  femina;  Smyrna,  mense  Maio  mas  et  femina 
ad.;  Ala  Schehir,  2.  V.  mas  et  fem.  ad.  —  Cfr.  Adnotationes. 

Euarcha  sp.  Brussa,  pulli. 

Opiliones. 

Egaenus  crista  (Brülle)  anatolicus  n.  Smyrna,  mense 
Maio  mas  et  fem.;  Ala  Schehir,  mense  Maio  mares;  Magnesia, 
9.  V.  femina  nuper  adulta.  —  Silva  »Belgradensis«,  20.  VII. 
femina  valde  obscure  colorata,  dorso  a  tubere  oculorum  usque 
ad  apicem  linea  albida  ornato. 


632  VI.  Kulczynski, 

Platybunus  strigosus  (L.  Koch)   olympicus  n.  Olympus 

Bithynicus,  in  altit.  2000—2500  m  mas  aduttus. 

Netnastoma  Werneri  n.  sp.  Olympus  Bithynicus,  in  altit 

1 600  m  feminae  ad. 

Scorpiones. 

Euscorpius  italicus  (Herbst).  Constantinopolis  (Pera- 
Dolma  Baktsche).  Exempla  parva,  ca.  26  mm  longa,  ceterum  ab 
Eu.  italico  in  Italia  septentrionali  lecto  non  distincta,  ni  fallor. 

Eu.  carpathicus  (L.).  Constantinopolis  (Pera).  —  Cfr.  Ad- 
notationes. 

Eu.  germanus  (C.  L.  Koch).  Adampol.  —  Cfr.  Adnotationes. 

Adnotationes  et  deseriptiones  speeierum  novarum. 
Cyrtocarenum  (?)  Werneri  n.  sp. 

Femina  (probabiliter  adulta).  Cephalothorax  6'1  mm  lon- 
gus,  5*1  latus,  hexagonus  angulis  rotundatis,  fere  in  media  parte 
latissimus,  anteriora  versus  lateribus  subrectis  (vix  sinuatis) 
paene  aequabiliter,  posteriora  versus  lateribus  primo  leviter 
tum  fortius  arcuatis  magis  quam  anteriora  versus  angustatus, 
latere  antico  leviter  rotundato,  ca.  3*7  longo,  latere  postico 
1-5— 2*0  longo,  in  laterum  parte  posteriore  margine  paullo 
elevato,  parum  lato  limbatus,  subtilissime  densissime  reticu- 
latus,  sat  nitidus,  in  clypei  parte  media  et  in  area  oculorum 
et  pone  eam  setis  inaequalibus  erectis  ornatus,  ceterum  glaber. 
Fovea  media  fortiter  procurva,  a  margine  postico  2*2  mm 
remota;  pars  thoracica  depressa,  dorsum  partis  cephalicae 
modice  et  paene  aequabiliter  arcuatum,  pone  sat  cito  adscen- 
dens,  in  parte  anteriore  sublibratum.  Impressiones  cephalicae 
prope  foveam  mediam  profundae,  anterius  furcatae,  acutae 
quidem  sed  vadosae,  marginem  cephalothoracis  attingunt;  pars 
thoracica  utrimque  sulcis  duobus  sat  profundis,  abbreviatis,  et 
prope  angulos  posticos  fovea  vadosa  diffusa  ornata.  Area  ocu- 
lorum non  evidenter  elevata,  15  lata,  trapezica,  latere  antico 
modo  133  longo,  0*49  longa.  Series  oculorum  antica  desuper 
visa  modice  recurvata,  marginlbus  anterioribus  oculorum  lineam 
pauilulo  recurvatam  designantibus,  directo  a  fronte  adspecta 
sat  fortiter  deorsum  curvata,  marginibus  superioribus  oculorum 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  633 

lateralium  paullo  altius  quam  puncta  media  mediorum  sitis. 
Oculi  antici  medii  lateralibus  multo  minores  (horum  diameter 
minor  ca.  0#23,  maior  ca.  0*34,  illorum  diameter  ca.  018 
longa),  inter  se  paullo  plus  quam  diametro,  a  lateralibus  parum 
plus  quam  radio  remoti;  clypeus  sub  oculis  lateralibus  altitu- 
dine  eorum  diametrum  maiorem  fere  aequat;  oculi  medii  postici 
rotundati  aut  paullulo  latiores  quam  longiores,  anticis  mediis 
paullulo  maiores,  ab  eis  paullulo  plus  quam  diametro  (et  aeque 
fere  atque  antici  medii  inter  se),  inter  se  tripla  saltem  dia- 
metro, a  lateralibus  .posticis  ca.  2/s  diametri  remoti;  oculi  late- 
rales postici  anticis  paullulo  breviores  et  insigniter  angustiores 
(ca.  0-31  longi,  0  16  lati),  ab  eis  ca.  l/A  diametri  maioris 
distantes;  series  oculorum  posterior  sat  fortiter  recurvata,  etiam 
marginibus  anterioribus  oculorum  lineam  leviter  recurvatam 
designantibus.  Mandibulae  desuper  visae  2*1  longae,  basi 
ambae  simul  sumptae  3*7  latae;  earum  apex  (a  parte  postica 
inferiore  visus)  in  processum  sat  parvum,  ca.  0*3  latum,  0  15 
longum,  dentes  rastelli  duos  gerentem,  productus;  rastellum 
e  dentibus  ca.  7  in  utraque  mandibula  compositum;  apicem 
mandibulae  dentes  tres  ornant,  eorum  duo  in  processu  com- 
memorato  siti  nigri,  lanceolati,  apice  obtusi,  ca.  4-plo  longiores 
quam  latiores,  late  sulcati;  ad  processum  dens  unus,  paullo 
debilior,  rufus;  in  margine  interiore  dorsi  mandibulae  seriem 
dentium  tenuiorum  quatuor  vidisse  videor  (difficilius  hi  dentes 
conspiciuntur  inter  setas  confertas,  fortes,  plerasque  rufas, 
quibus  dorsum  mandibulae  in  dimidio  inferiore  ornatur).  Ster- 
nnm  3*5  longum,  3*2  latum,  ,pentagonum,  circiter  in  i/1  longi- 
tudinis  latissimum,  lateribus  anterioribus  leviter  rotundatis, 
margine  antico  modo  1*2  longo,  subtilissime  dense  reticulatum, 
nitidum,  pilis  erectis  modice  dense  ornatum;  sigilla  quatuor, 
duo  inter  paria  pedum  II  et  III  sita,  sat  magna  et  profunda, 
obliqua,  retro  et  foras  directa,  inter  se  non  multo  magis  quam 
a  marginibus  sterni  remota;  apices  eorum  antici  impressione 
transversa,  diffusa,  modice  profunda,  magnam  partem  glabra 
(modo  in  parte  media  pilosa)  inter  se  coniuncti;  altera  sigilla 
minuta,  adversus  coxas  II  sita,  a  sigillis  posterioribus  paullo 
magis  quam  a  marginibus  sterni  remota.  Labium  basi  1*2 
latum,  0*84  longum,  subsemicirculare  margine  postico  leviter 


634  VI.  Kulczynski, 

procurvo,  ornatum  in  parte  media  antica  dentibus  oblongis 
obtusis  6  (2.1.2.1).  Maxillae  angulo  antico  interiore  paullo 
producta,  ad  angulum  basalem  interiorem  armatae  dentibus 
ca.  20,  vittam  transversam,  foras  angustatam  occupantibus. 
Palporum  pars  femoralis  2*8  longa,  sat  fortiter  compressa, 
modice  incurvata,  inermis;  patellaris  1-8  longa,  0'95  lata, 
lateribus  paene  parallelis,  in  latere  interiore  aculeis  1 . 1  ornata; 
tibialis  175  longa,  prope  basim  0*95,  prope  apicem  0*85  lata, 
in  latere  interiore  aculeis  1.2.1,  in  exteriore  1.2.1  aut  2.1.1 
instructa;  tarsalis  2'1  longa  (unguiculo  excluso),  paullo  ante 
medium  0"9  lata,  basim  versus  paullulo,  apicem  versus  fortius, 
lateribus  leviter  arcuatis  (praesertim  exteriore)  angustata,  latere 
exteriore  fere  toto  in  parte  inferiore  aculeis  14 — 18  (inferioribus 
longioribus  quam  superiores),  latere  interiore  aculeis  11  — 14, 
basali  a  reliquis  remoto,  instructo;  scopula  nulla;  unguiculus 
dente  uno,  sat  longo,  prope  basim  ornatus.  Pedes  posteriores 
anterioribus  paullo  crassiores;  pedum  I  femur  3*6,  patella  2*5, 
tibia  2 -1,  metatarsus  1*95,  tarsus  1*05,  pedum  II  partes:  3*3, 
23,  1*8,  1-85,  1-1,  pedum  III  3-0,  2-6,  1-6,  225, 145,  IV  4-2, 
2-7,  2*6*3,1,  1*6  longae.  Femora  sex  anteriora  et  patellae  I 
et  II  inermes;  tibiarum  I  latus  anticum  in  dimidio  apicali  aculeis 
1.1,  latus  inferius  posticum  secundum  totam  longitudinem 
aculeis  5  aut  6,  latera  respondentia  tibiarum  II  aculeo  1  et 
aculeis  2  aut  3  ornata;  latera  anticum  inferius  et  posticum 
inferius:  metatarsorum  I  aculeis  12,  metatarsorum  II  aculeis 
8  — 10,  tarsorum  I  8  — 10,  tarsorum  II  5 — 7  (latus  posticum) 
aut  10  (1.  anticum)  arm  ata;  patella  et  tibia  III  in  latere  antico 
aculeo  1  brevi,  metatarsus  III  in  antico  superiore  6,  in  postico 
superiore  3,  in  apice  lateris  antici  inferioris  1  non  crasso, 
tarsus  III  in  latere  antico  apicem  versus  6  aut  8  instructus; 
pedum  IV  patella  et  tibia  aculeis  maioribus  carent,  metatarsus 
apice  in  latere  antico  inferiore  aculeis  2  ornatus,  ceterum 
inermis  aut  in  latere  eodem  pone  medium  aculeo  1 ;  tarsi  IV 
armatura  similis  atque  tarsi  III,  aculei  ca.  11;  praeterea  margo 
apicalis  superior  femoris  IV  (praesertim  in  parte  anteriore),  pars 
patellae  IV  superior  anterior,  apice  excepto,  aculeis  brevibus, 
maximam  partem  obtusis,  plus  minusve  confertis  ornata;  arma- 
turam   similem    minus  evolutam,   ex  aculeis   tenuioribus   aut 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  635 

setiformibus  et  minus  confertis  constantem,  praebent  praeterea: 
latus  anticum  superius  tibiae  IV  apicem  versus,  magna  pars 
dorsi  patellae  III  et  dorsi  metatarsi  III,  bene  evolutam  autem, 
praesertim  apicem  versus:  dorsum  et  latus  anticum  superius 
tibiae  III.  Scopulae  desunt;  unguiculi  principales  pedum  sex 
anteriorum  prope  basim  dente  uno  gracili  ornati,  pedum  IV,  ut 
unguiculi  impares  omnes,  inermes.  Abdomen  (contusum)  8  mm 
longum,  ca.  5  latum.  Matnillae  inferiores  0*63  longae,  0*32 
latae,  basi  inter  se  ca.  diametro  sua  remotae,  superiores  1*74 
longae  (subter),  prope  medium  0*9  latae,  a  medio  basim  versus 
et  apicem  versus  leviter  angustatae,  articulo  basali  1*16,  2-o 
0*42,  3-o  0*16  longo;  articulus  2-us  subter  fusulis  textoriis 
parvis  dispersis  et  ad  marginem  apicalem  fusulis  magnis  con- 
fertis 7  aut  8  instructus;  fusuli  articuli  3-ii  plerique  dispersi, 
modo  in  parte  quadam  inter  medium  et  marginem  inferiorem 
magis  congesti. 

Cephalothorax  cum  mandibulis  fulvus,  colore  fusco  suf- 
fusus,  fovea  media  arcu  fuligineo  procurvo  picta,  area  ocu- 
lorum  fuligineo  reticulata;  oculi  cingulis  nigris  inaequalibus,  ex 
parte  incompletis  cincti;  praeterea  caret  cephalothorax  pictura 
evidentiore,  pars  cephalica  modo  umbris  duabus  anguste  cunei- 
formibus,  ab  area  oculorum  versus  foveam  mediam  ductis 
ornata.  Sternum,  maxillae,  palpi,  pedes  paullo  pallidius  fulva 
quam  cephalothorax  supra,  pedes  anteriores  et  palpi  apice 
infuscati,  labium  sterno  paullo  obscurius.  Abdomen  umbrino- 
cinereum,  subter  paullo  pallidius  quam  supra,  dorsum  hume- 
factum  in  quarta  parte  postica  lineis  tribus  tenuibus,  leviter 
recurvatis,  totam  latitudinem  occupantibus,  cinereo-albidis 
pictum;  mamillae,  praesertim  subter,  abdomine  pallidiores. 

Mas  ignotus. 

Species  haec  manifesto  Cyrtocareno  lapidar io  (Lucas) 
imprimis  affinis  est;  differre  ab  eo  videtur  praesertim  oculis 
lateralibus  inter  se  multo  minus  remotis:  intervallum  hoc  in 
Cyrtocareno  lapidario  diametrum  longiorem  oculorum  anti- 
corum  aequat  teste  Cel.  A.  Aussererio1  et  E.  Simonio.2 

i  Verhandl.  der  k.  k.  zool.-bot.  Gesellsch.,  vol.  XXI,  p.  154  (Ctcniza 
orientalis). 

2  Ann.  Soc.  entom.  de  France,  ser.  6,  vol.  4,  p.  346. 


636  VI.  Kulczyriski, 

Eresus  Walckenaerii  Brülle. 

Mas  adultus  Eresi  ad  Ala  Schehir  et  femina  adulta  ad 
urbem  Smymam  lecta  Ereso  Walckenaerii  Brülle  subiun- 
genda  videntur.  —  Femina  nulla  alia  re  a  feminis  Eresi  Walcke- 
naerii in  Graecia  captis  differt  nisi  abdomine  pilis  albis  dis- 
persis  carenti.  Abdomen  huius  exempli  concolor  est,  fascia 
aurantiaca  in  dorsi  parte  antica  non  ornatur. 

In  marem  bene  quadrant  ea,  quae  T.  Thoreil  secundum 
Brulleum  scripsit  olim1  de  Ereso  Audouinii  Brülle,  qui  teste 
Cel.  E.  Simonio  mas  est  Eresi  Walckenaerii*  (Descriptionem 
Eresi  Audouinii  primam,  a  Brulleo  prolatam,  non  vidi.)  Exem- 
plum  hoc  \3mnt  longum  est;  eius  cephalothorax  niger,  pars 
cephalica  nigro  pilosa,  pilis  albis  paucis  in  declivitate  postica 
immixtis,  pars  thoracica  limbo  sat  angusto  coccineo  ornata, 
ceterum  nigro  pilosa  et  pilis  albis  multis,  coccineis  vero  per- 
paucis  adspersa.  Dorsum  abdominis  coccineum,  pilis  albis 
paucis  adspersum,  maculis  nigerrimi9  quatuor  et  punctis  duo- 
bus  minutis  ornatum;  latera  abdominis  nigra;  venter  ex  parte 
fulvo  pubescens;  scuta  pulmonalia  pilis  laete  rufis  et  albis 
ornata;  ad  mamillas  in  latere  utroque  et  supra  maculae  sat 
parvae  e  pube  laete  rufa  et  alba  formatae.  Pedes  nigri,  poste- 
riores colore  rufo  paullo  suffusi;  femora  I  apice  supra  puncto 
albo,  reliqua  secundum  totam  longitudinem  supra  linea  alba 
ornata;  patellae  anteriores  pube  alba  carent,  posteriores  supra 
lineis  binis  angustis,  posteriore  melius  expressa,  pictae,  in 
latere  antico  superiore  apicem  versus  fulvo  et  albido  pilosae 
et  apice  (in  eodem  latere)  aibo  marginatae;  in  pedibus  I  apex 
tibiae  et  basis  metatarsi  in  utroque  latere  macula  alba  maius- 
cula  ornata,  dorsum  tibiae  praeterea  apice  vitta  alba  brevi 
pictum,  apex  metatarsi  anguste  albo  pilosus;  pedum  II  pictura 
similis,  maculis  lateralibus  tarnen  parum  evolutis,  vitta  dorsuali 
tibiae  vero  longiore,  medium  dorsum  attingenti,  metatarsi  latus 
anticum  superius  magnam  partem  albo  pilosum;  tibiae  poste- 
riores supra  albo  lineatae  et  in  latere  antico  superiore  vestigiis 

1  Remarks  on  Synonyms  of  European  Spiders,  p.  422. 

2  Ann.  Soc.  entom.  de  France,  ser.  6,  vol.  4,  p.  325. 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  637 

lineae  albae  ornatae;  metatarsi  apice  anguste  albo  annulati, 
supra  vitta  albida  modice  evoluta,  basi  breviter  furcata  (?) 
ornati.  Subter  pedes  pube  alba  et  rufa  carent. 

Ab  Ereso  nigro  (Petagna),  cui  valde  similis  est,  differt 
mas  noster  —  praeter  picturam  pedum1  —  imprimis  forma 
cephalothoracis  et  bulbi  genitalis.  In  omnibus  maribus  2J.  nigri, 
quos  vidi  (non  multis),  pars  cephaiica  paulio  latior  est  quam 
pars  thoracica;  conductorem  emboli  (fig.  1,  2)  lamella  format 
Cornea,  pellucida,  convoluta,  axi  fere  anteriora  versus  directa; 
lamella  haec  in  lauere  bulbi  genitalis  inferiore  interiore  initium 
capit  ibique  brevis  valde  est,  tum  sensim  longior  fit  in  latus 
superius  adscendit,  in  latere  exteriore  descendit,  denique  subito 
interiora  versus  infracta  in  membranam  abit  paullulo  breviorem, 
subplanam,  minute  fimbriatam;  intra  hunc  conductorem  pars 
apicalis  emboli  sita  est,  longa,  setiformis;  margo  apicalis  partis 
corneae  conductoris  in  angulo  inter  partem  hanc  et  membrana- 
ceam  dentem  format  brevem  subacutum  et  ad  eum  breviter 
sinuatus  est.  In  bulbo  a  latere  exteriore  viso  pars  conductoris 
membranacea  infracta  non  aut  vix  conspicitur,  pars  Cornea 
(quoad  conspicitur)  subtrapezica  videtur,  aeque  circiter  longa 
ac  lata  aut  paulio  longior,  apicem  versus  plus  minusve  angu- 
stata,  latere  inferiore  fere  in  longitudinem  directo,  recto  aut 
paulio  deorsum  curvato,  margine  apicali  dentes  duos  formanti: 
inferiorem  nigrum  sat  angustum,  superiorem  obliquum,  latiorem, 

1  Mas  Brest  nigri  non  parum  variat  piccura  pedum  ea,  quae  e  colore 
pubis  p endet.  Pedes  I  plerumque  nigri  sunt,  —  nonnunquam  rufo-fuliginei  — , 
anguste  albo  annulati  in  apice  femorum  patellarum  tibiarum  metatarsorum; 
nonnunquam  etiam  basis  patellae  anguste  alba  est  et  metatarsus  basi  modo 
anguste  modo  late  albus,  aut  etiam  in  dorso  toto  albo  diffuse  lineatus,  aut 
denique  in  latere  antico  inferiore  albo  pilosus.  Pedes  II  anticis  similes,  saepe 
tarnen  annulo  femorali  ex  parte  coocineo  et  femore  plus  minusve  coccineo 
piloso  (modo  in  parva  quadam  parte  dorsi  sola,  modo  in  omnibus  lateribus). 
Pedum  posteriorum  color  dominans  coccineus,  apicem  versus  et  in  patellis 
tibiis  metatarsis  subter  et  in  latere  postico  femoris  IV  obscurus;  nonnunquam 
pedes  hi  tarnen  —  teste  Cel.  E.  Simonio  (Ann.  Soc.  entom.  de  France,  ser.  5, 
vol.  3,  p.  344)  --  nigri  sunt.  Mares  sex,  quos  in  manibus  habeo  (1.  et  4.  in 
Hungaria,  2.  in  Transsilvania,  3.  in  Bosnia,  5.  et  6.  ad  Bonnam,  7.  et  8.  in 
Hercegovina  lectus),  hanc  picturam  pedum  posteriorum  praebent  (a,  =  annulus 
apicalis,  ab.  =  paulio  abbreviatus,  alb.  =  albus,  ang.  =  angustus,  br.  = 
brevis.    c.  =  coccineus,  d.  =  dorsum  totum,   1.  ==  linea  dorsualis  parum  aut 


638 


VI.  Kulczyriski, 


pallidiorem.  —  Eresi  Walckenaerii  pars  cephalica  paullo  angu- 
stior  est  quam  pars  thoracica;  bulbi  genitalis  fabrica  similis 
atque  in  Ereso  nigro,  sed  pars  conductoris  externa,  quae  a 
latere  exteriore  conspicitur  (fig.  3),  elongata,  anteriora  versus 
et  paullo  deorsum  directa,  leviter  sigmoidea,  basi  omnino 
angusta,  apicem  versus  modice  dilatata,  apice  obtusa,  partem 
infractam  membranaceam  longe  non  totam  occultans. 

Eresi  Walckenaerii  nostri  cephalothorax  6*5  ww  longus 
est,  pars  cephalica  4*5,  thoracica  4*8  lata,  pedes  I  (a  basi 
femoris)  ca.  14,  IV  ca.  12- 7,  pedum  I  patella  2*3,  tibia  2 -7, 
metatarsus  3-0  longus.  (Eresi  nigri,  minimi  et  maximi,  quos 
vidi,  partes  respondentes:  cephalothorax  3*5,  6*3  longus,  pars 
cephalica  2*7,  4*7,  thoracica  2-4,  4'4  lata,  pedes  I  7-7,  12*2, 


non  abbreviata,  lat.  =  latus,  obs.  =  obsoletus,  p.  =  punctum  in  apice  inter- 
nodii,  v.  =  vitta  dorsualis  lata,  parum  aut  non  abbreviata) : 


III: 

femur 

patella 

tibia 

metatarsus 

1. 

0 

0 

0 

0 

2. 

0 

0 

a.  alb.  obs.  -h  v.  alb.  br. 

d.  alb. 

3. 

0 

0 

a.  alb. 

a.  alb.  -h  v.  alb.  ab. 

4. 

0 

0 

p.  alb. 

a.  alb. 

5. 

0 

0 

a.  alb.  -h  v.  c. 

a.  alb. 

6. 

a.  alb. 

a.  alb. 

a.  alb. 

a.  alb. 

7. 

0 

p.  alb. 

a.  alb.  -+-  1.  alb.  br. 

a.  alb.  -h  1.  alb. 

8. 

a.  alb. 

a.  alb. 

a.  alb.  +  1.  alb. 

a.  alb.  -h  1.  alb. 

IV: 

femur 

patella 

tibia 

metatarsus 

l. 

0 

0 

0 

a.  alb.  obs. 

2. 

0 

0 

a.  alb. 

d.  alb. 

3. 

0 

0 

a.  alb.  obs. 

d.  alb. 

4. 

0 

0 

p.  alb.  obs. 

a.  alb.  -h  v.  alb.  br. 

5. 

0 

0 

p.  alb.  -+-  v.  alb.  et  c. 

a.  alb. 

6. 

a.  alb.  obs. 

a.  alb.  obs. 

a.  alb. 

a.  alb.  -4-  v.  alb.  ab. 

7. 

0 

0 

a.  alb.  ang. 

a.  alb.  lat+v.  alb.  ab 

8. 

a.  alb. 

p.  alb. 

a.  alb.  -+-  1.  alb. 

a.  alb.  +  1.  alb. 

In  exemplo  4-to :  tibia  III  supra  in  medio  coccinea,  metatarsus  III  in  dorso 
pilis  coccineis  perpaucis  ornatus,  metatarsus  IV  fuscus,  dorso  rufo,  apicem 
versus  albo  vittato;  in  exemplo  5-to:  metatarsus  III  dorso  prope  medium 
pilis  nonnullis  albis  ornato,  tibia  IV  supra  anguste  rufa  et  albida,  ceterum 
fusca;  in  exemplo  8-vo:  tibia  et  metatarsus  pedum  III  etiam  in  lateribus 
paullo  albo  pilosa. 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  639 

IV  7-4,  12-0,  patellal  1-2,  1-9,  tibia  I  12,  2*1,  metatarsus  I 
1-6,  2-6  longus). 

Descriptio  Eresi  punicei  C.  L.  Koch  a  Cel.  E.  Simonio 
prolata1  paullo  discrepat  ab  exemplo  nostro:  pars  cephalica 
exempli  huius  aeque  solum  lata  est  atque  longa,  non  latior, 
pedes  posteriores  lineis  albis  ornantur,  quarum  mentionem  in 
descriptione  E.  punicei  E.  Simon  non  fecit.  —  Fortasse  variat 
mas  Eresi  Walckenaerii  pedum  pictura  similem  in  modum 
atque  mas  Eresi  nigri;  partis  cephalicae  latitudo  cum  longi- 
tudine  comparata  fortasse  in  Eresis  nota  non  magni  est 
momenti,  quum  Cel.  E.  Simon  Eresutn  rotundicipitem  a  se 
ipso  anno  1873  descriptum  et  praeter  alia  ab  E.  nigro  (cinna- 
barino)  parte  cephalica  latiore  quam  longiore  distinctum 
postea2  ut  varietatem  Ereso  nigro  subiunxerit. 

Prothesima  Olympi  n.  sp. 

Adeo  simiiis  est  haec  aranea  Prosthesimae  talpinae 
L.  Koch,  ut  satis  videatur  indicare,  quibus  rebus  ab  ea 
differat8 

Area  epigynae  (fig.  4)  0*8  mm  longa,  ante  0*65  lata, 
margine  antico  in  arcum  mediocriter  procurvum  curvato,  lateri- 
bus  in  parte  anteriore  parallelis,  in  parte  posteriore  rotundato- 
angustata.  Anguli  antici  areae  foveas  formant  ordinarias,  in 
latere  postico  interiore  omnino  apertas.  Areola  epigynae  0*52 
longa,  in  lateribus  costis  deplanatis,  foras  curvatis,  ante  et 
pone  sensim  evanescentibus,  nusquam  supra  planum  epigynae 
evidentius  elevatis,  et  pone  sulco  bene  definita,  in  fronte  autem 
aperta  (certo  situ  modo,  vestigium  sulci  transversi,  arcus  duos 
leviter   recurvatos    formantis,    in   fronte   areolae   conspicitur); 


1  Ann.  Soc.  entom.  de  France,  ser.  5,  vol.  3,  p.  345.  —  Teste  Cel. 
E.  Simonio  (ibid.,  ser.  6.  vol.  4,  p.  325)  E.  puniccus  C.  L.  Koch  et  E.  Sim. 
idem  est  atque  E.  Audouiui  Brülle,   sive  mas  Eresi  Walckenaerii  Brülle. 

2  1889:  Verhandl.  der  k.  k.  zool.-botan.  Gesellsch.,  vol.  39,  p.  384. 

3  Pilos  dispersos  albos,  quibus  teste  Cel.  E.  Simonio  (Les  Arach- 
nides  de  France,  vol.  4,  p.  56)  sternum  Prosthesimac  talpinae  ornatur,  non 
vidi;  metatarsi  II  armatura  certo  paullo  variant,  carent  enim  in  exemplo 
unico,  quod  vidi,  aculeo  medio ;  clypei  altitudo  sub  oculis  lateralibus  paullo 
maior  mihi  videtur  quidem  quam  diameter  minor  horum  oculorum,  sed  non  aut 
vix  maior  quam  eorum  diameter  longior. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. :  CX1I.  Bd.,  Abt.  I.  41 


640  VI.  Kulczynski, 

prope  medium  0  18  lata  est  areola,  anteriora  versus  leviter, 
pone  autem  lateribus  in  arcus  latos  foras  curvatis  fortiter  diia- 
tata  utrimque  in  lobum  rotundatum,  magis  foras  quam  retro 
directum;  pars  haec  areolae  0-44  lata  est,  posteriora  versus 
modice  descendens,  pone  in  medio  anguste  et  sat  longe 
(ca.  0  1  mm)  —  longius  quidexn  quam  in  lateribus  —  pro- 
ducta, margine  postico  ceterum  utrimque  sigmoideo.  Pars 
areae  anterior  sulcis  evidentioribus  caret;  areola  ad  marginem 
anticum  impressiones  duas  vadosas  diffusas,  carinula  longi- 
tudinali  distinctas  ostendit  (an  constanter?);  eius  lobi  postici 
paullo  inaequales,  subopaci,  intus  vestigio  carinae  humillimae, 
fortiter  foras  curvatae  a  reiiquis  partibus  areolae  distincti. 

Cephalothorax  2  9 mm  longus,  2*2  latus,  abdomen  3*5 
longum,  pedes  (a  margine  cephalothoracis)  I  6-8,  II  6  1, 
III  5-5,  IV  8-7,  pedum  I  femur  1*85,  patella  1-2,  tibia  125, 
metatarsus  1*1,  tarsus  0*9,  pedum  II  partes:  1*6,  1*05,  11, 
1-05,  0-88,  pedum  III:  145,  0-8,  0-9,  1*2,  0-9,  IV:  21,  12, 
1-5,  195,  1-0  longae. 

Prosthesimae  talpinae  L.  Koch  epigyne  (fig.  5)  non 
parum  similis  est  epigynae  Prosthesimae  Olympi,  his  tarnen 
rebus  distincta:  area  ab  angulis  anticis  posteriora  versus  evi- 
denter angustata  (nota  non  magni  momenti,  quoniam  margines 
areae  mediocriter  modo  expressi  sunt):  areolae,  quae  in  fronte 
omnino  aperta  est  et  impressionibus  caret,  pars  anterior  costis 
definitur  paullulo,  inaequabiliter  quidem,  incurvatis,  posteriora 
versus  paullulo  adscendentibus  et  pone,  ubi  subito  —  neque 
sensim,  ut  in  Pr.  Olympi  —  foras  curvantur,  evidentissime 
supra  partes  epigynae  interiores  prominentibus;  areolae  pars 
anterior,  anteriora  et  posteriora  versus  leviter  angustata,  humi- 
liter  fastigata  est  sive  in  linea  mediana  in  carinam  mediocriter 
expressam  elevata;  pars  areolae  posterior  posteriora  versus 
descendens,  processu  postico  medio  non  longius  quam  lobi 
laterales  retro  pertinenti,  lobis  lateralibus  semilunaribus  potius 
quam  rotundatis,  quum  ab  imo  adspiciuntur,  nitidis,  a  reiiquis 
partibus  areolae  carina  nulla  distinctis. 

Prosthesimae  talpinae  cephalothorax  2*6  mm  longus, 
1*95  latus,  pedum  I  femur  1*6,  patella  1*05,  tibia  1*1,  meta- 
tarsus 0-95,  tarsus  0-78,  pedum  II  partes:   1*4,  0*95,  0-95, 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  64 1 

0-9,  0-75,  pedum  III:  1-3,  0-78,  0-80,  0-88,  0-75,  IV:  1-85, 
11,  125,  165,  0*9  mm  longae. 

Gnaphosa  bithynica  n.  sp. 

Gnaphosae  petrobiae  L.  Koch1  valde  similis  est  haec 
aranea,  femina  saltem.  (Marem  G.  petrobiae,  eheu,  non  novi.) 
Descriptio  illius  etiam  in  Gnaphosam  bithynicam  quadrat,  his 
rebus  exceptis: 

Oculi  Gnaphosae  bithynicae  maiores  sunt  quam  Gn.  petro- 
biae; in  hac  distant  oculi  antici  laterales  a  margine  clypei 
paullulo  plus  quam  diametro  maxima,  oculi  postici  laterales  a 
mediis  plus  quam  dupla  diametro  sua  (circiter  2V9  diametro); 
in  Gn.  bithynica  clypeus  sub  oculis  lateralibus  eorum  diametro 
maxima  paullulo  altior  est,  spatium  oculis  posticis  mediis  et 
lateralibus  interiectum  horum  diametro  circiter  sescuplo  modo 
maius;  series  oculorum  postica  fortius  recurvata  in  Gn.  bithy- 
nica quam  in  Gn.  petröbia:  quum  ad  rectos  angulos  adspicitur 
pars  anterior  cephalothoracis,  margines  postici  oculorum  posti- 
corum  mediorum  cum  marginibus  anticis  lateralium  lineam 
designant  paene  rectam  in  illa,  leviter  procurvam  in  hac,  oculi 
laterales  postici  ab  anticis  duplo  longius  in  illa,  sescuplo 
longius  in  hac  distant  quam  medii  antici  a  posticis;  clypeus 
sub  oculis  lateralibus  dimidium  intervallum  oculi  lateralis 
postici  et  antici  parum  superat  in  Gnaphosa  bithynica  (6:11). 

Pedes  Gnaphosae  bithynicae  paullo  longiores  sunt  quam 
Gn.  petrobiae.  Cephalothorax  4*8  mm  longus,  3*4  latus, 
pedum  I  femur  3*1,  patella  17,  tibia  2-5,  metatarsus  2*1, 
tarsus  1-65,  pedum  II  partes:  3-0,  17,  2-3,  2-05,  1*06, 
pedum  III:  2'8,  1-5,  1*95,  2*45,  1-5,  IV:  3-6,  19,  2-9,  3-9, 
1*9,    abdomen    (mamillis    exclusis)    6*0  mm    longum.    Alius 


i  Descriptio  Gnaphosae  petrobiae  a  Cel.  Dre.  L.  Kochio  prolata  in:  Zeit- 
schrift des  Ferdinandeums  für  Tirol  und  Vorarlberg,  1872,  p.  302,  paullulo 
mutanda  vi  de  tu  r:  Oculi  medii  antici  distant  inter  se  plerumque  paullulo  minus 
quam  diametro,  oculi  antici  laterales  remoti  sunt  a  lateralibus  posticis  spatio 
Vj  maiore  quam  a  margine  clypei.  »An  den  Tibien  und  Metatarsen  der  beiden 
Vorderpaare  unten  eine  dünne  Scopula«  (p.  303)  manifesto  lapsus  et  pro  »An 
den  Tarsen  und  Metatarsen«  cet.  —  Color  exemplorum,  quae  vidi,  paullo 
pallidior  est,  quam  ab  Auetore  celeberrimo  describitur. 

41* 


642  VI.  Kulczynski, 

exempli  cephalothorax  4-4  mm  longus,  3*25  latus,  pedum  I 
partes:  3'0,  1*6,  2*1,  1*85,  T45,  pedum  II:  2-8,  16,  1*9,  1-8, 
1-4,  III:  2-5,  1-35,  165,  2-25,  1-4,  IV:  3-4,  17,  2-6,  3-5,  1-6, 
abdomen  4#8  longum.  —  Gnaphosae  petrobiae  cephalothorax 
4*7  longus,  3-4  latus,  pedum  I  partes:  2-9,  1*7,  2-2,  1*75, 
1-35,  pedum  II:  2-7,  165,  2-0,  17,  1-3,  III:  2*5,  14,  1'65, 
21,  1-25,  IV:  3-2,  18,  2-6,  3*35,  1*6,  abdomen  5-5  longum; 
alius  exempli:  cephalothorax  3' 9  longus,  2 -85  latus,  pedum  I 
partes:  2-4,  14,  175,  1-45,  1*15,  pedum  II:  2-25,  13,  16, 
1-4,  1-1,  III:  2-0,  1-1,  1-4,  1-8,  115,  IV:  2-7,  1*5,  2-15,  3-0, 
1*4,  abdomen  4*5  longum. 

Gnaphosae  bithynicae  pedes  aculeis  hunc  in  modum 
ornantur: 

Pedum  I  femur  supra  1.1,  ante  1,  patella  0,  tibia  subter 
prope  basim  1  aut  0,  prope  medium  1,  in  apice  1  aut  2,  meta- 
tarsus  subter  pone  basim  2, 

pedum  II  femur  supra  1.1,  ante  1.1,  patella  0,  tibia 
subter  2  (prope  medium),  2  (in  apice),  aut  1  (pone  basim). 
1.2,  aut  denique  1.2.2,  metatarsus  pone  basim  2, 

pedum  III  femur  supra  1.1,  ante  1.1,  pone  1.1,  patella 
pone  1,  tibia  supra  1,  ante  2.1.1,  pone  2.1.1,  subter  2.2.2, 
metatarsus  supra  1  aut  0,  ante  1.2.2,  pone  1.1.2  aut  1.2.2, 
subter  2.2.2, 

pedum  IV  femur  ut  III  aculeatum,  patella  inermis  aut 
pone  aculeo  1,  tibia  supra  1,  ante  2.2  aut  1.2,  pone  2.1.1, 
subter  2.2.2,  metatarsus  supra  2.2.2  aut  3.2.2,  ante  1.1.1, 
aut  1.1  aut  modo  1  (prope  apicem),  pone  1.1  aut  1.1.1, 
subter  2.2.2. 

Gnaphosa  petrobia  secundum  exempla  13,  quae  vidi, 
variat  paullo  pedum  armatura  (ut  Gnaphosae  pleraeque  aut 
fortasse  omnes),  nihilominus  differre  videtur  a  Gnaphosa  bithy- 
nica  praesertim:  tibiis  I  subter  in  apice  saepissime  aculeo 
modo  1  (rarissime  2  aut  0),  ceterum  autem  non  aculeatis, 
tibiis  II  subter  in  apice  plerumque  aculeo  1,  rarius  2  armatis, 
ceterum  plerumque  inermibus  aut  rarius  prope  medium  acu- 
leo 1  instructis,  tibiis  III  in  utroque  latere  plerumque  aculeis 
1.1.1,  raro  in  uno  atyerove  latere  2.1.1  armatis  (exemplum  in 
utroque  latere  tibiae  huius  aculeis  2.1.1  non  vidi),  metatarso  III 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  643 

supra  (prope  basim  ad  lineam  medianam)  fortasse  constanter 
inermi,  subter  plerumque  aculeis  5  (2.1.2)  armato,  tibia  IV 
supra  inermi. 

Epigyne  Gnaphosae  bithynicae  (ante  ovipositionem  ?) 
(fig.  6,  7)  fovea  ornatur  sat  profunda,  paullo  longiore  quam 
latiore  (0'65,  0-66,  0-73  longa,  0-60,  0*56,  0-56  lata),  basi 
utrimque  plus  minusve  rotundata,  marginibus  lateralibus 
magnam  partem  acutis,  parallelis  (rectis  aut  paullulo  sinuatis), 
in  8/5  aut  b/1  longitudinis  foveae  evanescentibus;  posterius 
fovea  marginibus  obtusis  definitur,  retro  et  intus  directis, 
leviter  sigmoideis  (maximam  partem  leviter  foras,  in  parte 
postrema  vero  intus  curvatis),  in  angulum  obtusum  et  rotun- 
datum  aut  recto  non  multo  minorem  coeuntibus.  Ligula  circiter 
dimidio  longior  quam  latior,  apicem  versus  leviter  angustata 
aut  lateribus  parallelis,  apice  rotundata,  apice  excepto  rugosa 
et  transverse  plicata,  paullo  pone  mediam  foveam  pertinens. 
Pars  anterior  foveae  posteriore  profundior;  fundus  sub  parte 
anteriore  ligulae  oblique  plicatus,  plicis  anteriora  versus  et 
foras  directis;  posterior  pars  fundi  aeque  elevata  atque  mar- 
gines  foveae  aut  eis  paullulo  humilior,  in  lateribus  anterius 
dilute  fulva,  in  parte  media  albida,  maculis  nigris  translucenti- 
bus  picta,  sulcis  duobus  profundis  ornata,  qui  prope  ab  apice 
ligulae  utrimque  initium  capiunt,  retro  aut  paullo  intus  directi, 
ante  apicem  posticum  foveae  cum  sulcis  eis  coniunguntur, 
quibus  fundus  foveae  a  marginibus  in  parte  postica  distin- 
guitur.  Nonnunquam  sulci  hi  —  sine  dubio,  ut  in  aliis  Gna- 
phosis  similibus,  mutabiles  —  in  partem  foveae  anteriorem 
profundam  extenduntur. 

Fovea  epigynalis  Gnaphosae  petrobiae  (Fig.  8)  in  exem- 
plis,  quae  ova  deposuerant,  saltem  (alia  non  vidi)  aeque  lata 
est  atque  longa  aut  paullulo  latior  (0-60,  0-68,  0*65  longa, 
0-60,  0-68,  0-69  lata),  a  basi  ipsa  usque  ad  2/3  aut  3/5  longi- 
tudinis lateribus  leviter  incurvatis  non  parum  dilatata,  tum 
lateribus  fortius  quam  in  priore  infractis  (in  angulum  non- 
nunquam recto  parum  maiorem)  et  non  magis  saltem  retro 
quam  intus  directis,  subrectis,  subito  angustata.  Ligula  basi 
aeque  lata  atque  fovea  (0*32 — 0*38  mm),  saepissime  non 
longior  quam   latior,   et   apicem  versus   insigniter  angustata, 


644  VI.  Kulczyriski, 

nonnunquam  tarnen  dimidio  fere  longior  (0*45  longa,  0*30 
lata)  et  parum  angustata,  dimidiam  foveam  modo  parum,  modo 
insigniter  longitudine  superat.  Fundus  foveae  similis  atque  in 
priore  (plicae  in  parte  antica  desunt  fortasse,  non  vidi  eos 
saltem),  sed  in  parte  posteriore  sulcis  ornatus  posteriora  versus 
insigniter  inter  se  appropinquantibus,  rectis,  margines  foveae 
ad  ipsum  eius  apicem  posticum  attingentibus. 


E  Gnaphosis,  quas  novi,  Gnaphosae  bithynicae  forma  epi- 
gynae  similes  sunt  etiam  Gn.  montana  (L,  Koch)  et  Gn.  opaca 
O.  Herrn.;  haec  iam  ipsa  statura  multo  minore  facile  distin- 
guitur  a  Gn.  bühynica;  Gnaphosae  montanae  cephalothorax 
evidenter  longior  quam  tibia  cum  patella  IV  est,  tibia  II  pro- 
babiliter  basi  nunquam,  prope  medium  aculeo  1  solum  ornatur, 
epigynae  fovea  formam  paullo  aliam  habet:  ovata  fere  est,  pone 
longe  attenuata,  lateribus  nusquam  parallelis.  (Cfr.  figuram  eius 
in:  Araneae  Hungariae,  vol.  II,  tab.  VII). 

Mas. 

Cephalothorax  4  1  mm  longus,  3*1  latus,  dorso  partis 
cephalicae  levissime  convexo  in  longitudinem;  area  oculorum 
0-9  lata.  Oculi  antici  medii  inter  se  ca.  */4  diametri,  a  margine 
clypei  fere  dupla  diametro,  ab  oculis  anticis  lateralibus  ca.  1/$ 
diametri,  a  mediis  posticis  paullo  minus  quam  diametro  et 
duplo  saltem  minus  quam  laterales  antici  a  posticis  remoti; 
laterales  antici  obliqui,  oblongi,  fere  7s  longiores  quam  latiores, 
diametro  minore  diametrum  oculorum  mediorum  paullo  supe- 
ranti,  a  margine  clypei  plus  quam  diametro  sua  minore  et 
minus  quam  diametro  maiore,  a  posticis  lateralibus  paullulo 
plus  quam  diametro  maiore  distantes;  laterales  postici  anticis 
minores,  a  mediis  posticis  ca.  4/s  diametri  remoti;  postici  medii 
inter  se  paullo  minus  quam  antici  medii  et  triplo  minus  quam 
a  lateralibus  posticis  distantes;  series  oculorum  posterior  ut  in 
femina  recurvata.  Palporum  (flg.  9,  10)  pars  femoraiis  supra 
aculeis  1.1  ornata,  patellaris  inermis,  0-73  longa,  0*48  lata, 
tibialis  desuper  visa  prope  apicem  0*43  lata,  in  linea  mediana 
ca.  0*48  longa,  in  latere  superiore  exteriore  processu  ornata 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  645 

aeque  sattem  atque  ipsa  longo,  complanato,  praesertim  apicem 
versus,  subrecto,  quum  a  latere  superiore  exteriore  adspicitur, 
et  apicem  versus  subter  paullo  fortius  quam  supra  attenuato, 
leviter  incurvato  et  apice  paullulo  uncato,  quum  a  latere  supe- 
riore interiore  adspicitur.  Lamina  tarsalis  1*4  longa,  0*7  lata, 
latere  exteriore  paullulo  sigmoideo,  interiore  paullo  inaequabi- 
lher  arcuato,  in  parte  basali  sub  processu  tibiali  et  supra  margi- 
nem exteriorem,  qui  deorsum  paullo  dilatatus  est,  impressa, 
inter  has  impressiones  in  carinam  parum  acutam,  leviter  deor- 
sum curvatam  compressa;  rostrum  0*42  longum,  subter  to tum 
excavatum  et  glabrum,  margine  exteriore  excavationis,  quum 
a  latere  exteriore  inferiore  adspicitur,  basim  versus  paullulo 
excavato,  apicem  versus  leviter  convexo.  Bulbus  genitalis  a 
latere  visus  aeque  circiter  altus  atque  lamina  tarsalis,  modice 
et  parum  inaequabiliter  convexus,  ab  imo  visus  ca.  0  *  8  longus 
(processibus  exclusis),  ca.  0*6  latus,  basi  tubere  nigro  nitido 
transverso  ornatus,  marginem  exteriorem  non  attingenti;  ad 
marginem  anticum  tuberis  huius  sulcus  tnitium  capit  brevis, 
anteriora  versus  fere  directus,  lateri  exteriori  paullo  propior; 
pars  apicalis  bulbi  sulco  retro  et  paullo  intus  directo,  lateri 
interiori  propiore,  mediam  bulbi  longitudinem  sahem  attingenti, 
pone  fbras  curvato,  in  partes  duas  dividitur;  harum  exterior 
latior  et  longior,  magnam  partem  alba,  sulcis  aliis  duobus  in 
partes  tres  divisa,  ex  apice  processum  emittit  corneum,  com- 
pressum,  gracilem,  longum,  sed  medium  rostrum  non  atttn- 
gentem,  apicem  versus  subter  profunde  sinuatum,  apice  itaque 
uncum  deorsum  directum  formanti.  Pars  bulbi  apicalis  anterior 
Cornea  in  processum  abit  corneum,  longum  valde,  apicem  rostri 
fere  attingentem,  valde  gracilem,  maximam  partem  aequabiliter 
attenuatum,  anteriora  versus  et  paullo  foras  directum,  levissime 
sigmoideum,  basi  vero  crassum  et  magis  obliquum;  haec  basis 
sulco  obliquo  ornatur  carinulis  duabus  interiecto;  carinula 
interior  melius  expreesa  in  dentem  desinit  brevem  compressum, 
mediocriter  acutum,  quum  a  latere  interiore  adspicitur  bulbus. 
Pedes  fere  ut  in  femina  aculeati,  tibiae  I  et  II  subter  aculeis 
2.2.2,  tibiae  IV  in  latere  antico  aculeis  2.1  ornatae.  Pedum 
anteriorum  tarsi  et  metatarsi  scopulati;  scopula  metatarsorum 
parum    quidem   evoluta,   aculeos   tarnen   attingens.   Pedum   I 


646  VI.  Kulczynski, 

femur  3'0,  patella  165,  tibia  2*45,  metatarsus  2-3,  tarsus  17, 
pedum  II  partes:  2-8,  1*5,  2  25,  1*  95  (?),  1-7,  pedum  III:  2*6, 
1*35,  1*9,  2-6,  15,  IV:  3-5,  1*65,  2*8,  39,  19  longae. 
Abdomen  5*0  longum. 

Tetragnatha  Latr. 

In  opere,  quod  inscribitur  »Die  Spinnen  Deutschlands«, 
Cel.  W.  Bösenberg  ad  distinguendos  mares  Tetragnatharum 
imprimis  et  fere  unice  formam  Spinae  dorsuaüs  mandibularum 
et  formam  »emboli«  adhibuit.  Nescio  an  non  recte  ita  fecerit 
vir  doctissimus;  spina  dorsualis  saltem  non  parum  mutabilis 
est,  dentes  eius  magnitudine  et  directione  variantes  notas  ad 
distinguendas  species  certas  non  praebent  aut  multo  minoris 
momenti  sunt  saltem,  quam  ex.  gr.  dens  ille  in  dorso  mandi- 
bulae  inter  spinam  dorsualem  et  apicem  mandibulae  et  sulcum 
unguicularem  situs,  quo  Tetragnatha  Solandrii  (Scop.)  Thor, 
et  T.  nigrita  Lendl  insignes  sunt,  cuius  tarnen  nullam  men- 
tionem  fecit  W.  Bösenberg.  Embolum  quod  attinet,  imprimis 
notandum  est,  partem  eam  bulbi,  quam  VV.  Bösenberg  embo- 
lum appellavit,  non  embolum  esse  sed  conductorem  emboli; 
embolus  verus  Tetragnatharum  seta  est  longa,  gracillima, 
aequabiliter  attenuata,  ad  apicem  modo  paullulo  inaequalis 
(in  T  extensa  saltem),  in  distinguendas  species  nihil  prodesse 
videtur,  praesertim  quum  in  conductore  emboli  occultus,  diffi- 
cilius  conspiciatur.  Forma  conductoris  emboli  contra  certo 
diligenti  observatione  digna  est;  quum  eam  vero  W.  Bösen- 
berg paucis  modo  verbis  attigerit  et  in  figuris  —  non  satis 
amplificatis  —  parum  subtiliter  delineaverit,  descriptiones  Tetra- 
gnatharum1 his  rebus  supplendae  videntur: 

Conductor  emboli  e  lamella  Cornea  constat  et  partem 
apicalem  bulbi  genitalis  format  anteriora  versus  et  deorsum 
directam,  leviter  anteriora  versus  curvatam,  quum  bulbus  a 
latere  exteriore  adspicitur;  in  canaliculum  complicatus  embolus 
dici  potest,  cuius  canaliculi  parietes  ambo,  posterior  et  anterior, 
in   latere  conductoris   interiore   (alveolum  spectanti)   inter  se 


1  Tetragnatham  montanam  E.  Sira.,  si  quidem  a  T,  Solandrii  diversa 
est,  non  novisse  videor. 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  647 

nexi  sunt;  paries  anterior  (sive  superior)  posteriore  (inferiore) 
brevior  est,  ita,  ut  apex  conductoris  e  pariete  posteriore  solo 
formetur. 

Tetragnathae  extensae  (L.)  paries  anterior  ante  apicem 
emboli,  in  eius  latere  interiore  fere  transverse  truncatus  est, 
pars  parietis  posterioris  ultra  eum  prominens  (fig.  11)  lamella 
est  paene  porrecta,  sat  lata,  a  lateribus  compressa,  in  uncum 
sursum  directum  desinens;  margo  inferior  partis  hutus  lamella 
ornatur  pellucida,  late  triangulari,  apice  obtusa,  foras  aut  foras 
et  sursum  directa. 

In  Tetragnatha  Solandrii  Thor.  (fig.  12)  paries  anterior 
apice  multo  magis  oblique  truncatus  est  quam  in  priore.  Apex 
conductoris,  paene  aequabiliter  attenuatus,  deorsum  et  paullo 
interiora  versus  aut  etiam  paullo  retro  flexus,  tum  anteriora 
versus  curvatus,  apice  uncum  format  gracilem,  anteriora  versus 
directum.  Etiam  contortus  est  apex  conductoris:  axi  corneo 
crassiusculo  obscuro  alula  membranacea,  sensim  angustior, 
circumvolvitur  ita,  ut  e  latere  interiore  in  latus  posticum, 
exterius,  denique  anticum  transgrediatur. 

Tetragnathae  nigritae  Lendl.1  paries  anterior  in  latere 
conductoris  exteriore  apice  fere  transverse  truncatus  est;  pars 
insequens  conductoris  (fig.  13,  14)  primo  anteriora  versus  et 
paullo  sursum  et  interiora  versus,  denique  fortius  sursum  et 
interiora  versus  directa,  a  latere  exteriore  paullo  inaequabiliter 
angustata  et  apice  acuta  aut  valde  oblique  truncata  videtur;  re 
vera  latitudine  est  ubique  subaequali,  modice  contorta,  apice 
paene  transverse  truncata,  angulis  non  rotundatis. 

Tetragnathae  pinicolae  L.  Koch  (fig.  15)  paries  posterior 
apicem  conductoris  formans  anteriora  versus  et  deorsum 
directus,  leviter  interiora  versus  curvatus,  parum  aut  non  con- 
tortus, pone  apicem  parietis  anterioris  subito  insigniter  dila- 
tatus  supra  in  dentem  latum  acutum,  sursum  et  retro  directum; 


1  Secundum  W.  Bösenbergium  T.  nigrita  Lendl  eadem  est  atque 
7.  chrysochlora  (Aud.)  E.  Sim.  Quae  opinio  non  parum  dubia  mihi  videtur; 
descriptio  T.  chrysochlorae  a  Cel.  E.  Simonio  prolata  (Les  Arachnides  de 
France,  vol.  1,  p.  161)  non  quadrat  in  T.  nigritam.  —  In  Gallia  certo  et 
T.  obtusa  C.  L.  Koch  et  T.  nigrita  Lendl  occurrunt,  incolunt  enim  ambae 
Belgiam,  ubi  eas  legit  Rev.  E.  Schmitz. 


648  VI.  Kulczynski, 

apice  late  rotundatus  est  conductor,  eius  raargo  inferior  prope 
apicem  in  lamellam  similem  atque  in  T.  extensa  dilatatus. 

In  Tetragnatha  obtusa  C.  L.  Koch  (fig.  16,  17)  pars  api- 
calis  parietis  posterioris  anteriora  versus  et  sursum  et  interiora 
versus  directa,  leviter  sursum,  apice  vero  foras  et  paullo  deor- 
sum  curvata,  compressa,  latitudine  maximam  partem  sub- 
aequali,  apice  truncata,  angulo  superiore  rotundato,  inferiore 
in  dentem  producto  sat  gracilem,  foras  et  deorsum  directum; 
contorta  est  pars  haec  ita,  ut  a  latere  adspecta  (fig.  16)  basi 
modice  lata  videatur,  tum  angustata,  apice  aut  subito  deor- 
sum et  anteriora  versus  in  angulum  fracto  aut  in  arcum 
curvato. 

Inter  Tetragnatkam  obtmsam  veram  et  formas:  inter- 
mediant  Kulcz.  et  tnaiorem  Kulcz.  in  forma  con auctoris 
differentiam  evidentiorem  non  video.  Forma  propior  Kulcz. 
(fig.  18)  similis  est  imprimis  Tetraguathae  Solandrii,  a  qua 
parum  modo  differt.  Pars  apicalis  conductoris  angusta  et  usque 
ad  apicem  fere  aequabiltter  angustata,  primo  anteriora  versus 
et  paullo  deorsum  et  interiora  versus  directa,  tum  fortius 
interiora  versus  curvata,  apice  ipso  intus  et  deorsum  directo, 
uncum  anteriora  versus  curvatum  non  formanti. 

Aranea  (Singa)  lucina  (Sav.). 

Pullum  Araneae  (Singae)  cuiusdam  ad  Köktsche  Kissik 
lectum  Araneae  lucinae  (Sav.)  subiungendum  censeo,  quam- 
quam  ab  adultis  huius  speciei  valde  differat  pictura;  picturae 
enim  similis  vestigia  praebent  etiam  exempla  non  adulta  cum 
adultis  A.  lucinae  ad  Kecskemet  in  Hungaria  lecta.  —  Pulli 
huius  cephalothorax  cum  palpis  pedibus  sterno,  quod  fusco 
marginatum  est,  rufo-  et  flavo-testaceus,  pars  cephalica  inter 
oculos  et  prope  eos  infuscata,  apices  tarsorum  fusci;  abdomen 
supra  et  in  lateribus  fulvum,  subter  pallidius,  dorsum  vittis 
tribus  angustis  albis  ornatum,  inter  eas  in  parte  antica  maculis 
nigris  quatuor  (anterioribus  maioribus)  trapezium  pone  latius 
et  aeque  fere  longum  ac  latum  designantibus,  in  parte  postica 
maculis  duabus  nigris  maioribus,  paullo  oblongis  pictum. 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  649 

Aranea  (Singa)  pygmaea  (Sund)  var.?  nigriceps  n. 

Ab  Aranea  (Singa)  pygmaea  aranea  haec  colore  solum 
differre  videtur:  Cephalothorax  pallide  flavo-testaceus  est,  parte 
cephalica  fuliginea,  clypeo  maximam  parte  flavido-fulvo;  man- 
dibuiae  clypeo  magis  rufescentes,  in  dorsi  parte  superiore 
macula  magna  umbrina  notatae;  sternum  cum  labio  et  maxillis 
nigrum.  Palpi  pallide  flavidi;  pedes  pallidius  et  obscurius 
flavidi,  anteriores  ex  parte  colore  rufo  paullo  suffusi,  femora 
quatuor  anteriora  supra,  antica  etiam  in  latere  inferiore  antico, 
apicem  versus  umbra  fusca  notata;  tibiae  I  et  II  apice  angu- 
stissime  nigricantes,  IV  apice  leviter  infuscatae.  Abdomen 
nigrum,  supra  vittis  albis  tribus,  subter  duabus  colore  umbrino 
suffusis  ornatum;  vitta  dorsualis  media  lanceolata,  in  parte 
media  paullo  inaequalis,  in  parte  latissima  (paullo  pone  mar- 
ginem  anticum  dorsi)  duplo  saltem  latior  quam  vittae  adia- 
centes  nigrae;  vittae  ventrales  supra  mamillas  inter  se  et  cum 
apice  vittae  dorsualis  mediae  coniunctae.  —  Ab  Aranea  pyg- 
maea differt  haec  varietas  imprimis  cephalothoracis  colore  et 
vitta  abdominis  dorsuali  media  in  parte  anteriore  insigniter 
latiore.  —  Aranea  (Singa)  maculata  (Thor.1)  cephalothoracem 
similem,  abdomen  vero  alium  in  modum  pictum  habere  videtur; 
Araneae  (Singae)  grammicae  (E.  Sim.)  contra  abdomen  colore 
parum  aut  non  differt  fortasse  ab  abdomine  var.  nigricipüis, 
cephalothorax  vero  »antice  niger,  postice  sensim  dilutior  et 
rufescens«  describitur,2  quod  in  araneam  nostram  non  quadrat. 

Heriaeus  E.  Sim. 

Heriaei,  quos  novi,  hunc  in  modum  inter  se  distingui 
possunt: 

Mares. 

1.  Tuberculum,  quo  lamina  tarsalis  palporum  subter  in 
latere  exteriore  ornatur,  longe  remotum  ab  apice  processus 
tibialis  exterioris,  quam  apex  hie  apici  laminae  tarsalis  insig- 
niter propius  situm 2 

l  Thorell,  Descriptions  of  several  European  and  North- African  Spiders 
(1875),  p.  13. 

*  Ann.  Soc.  entom.  de  France,  ser.  6,  vol.  4,  p.  328. 


650  VI.  Kulczynski, 

Tuberculum  commemoratum  parum  ab  apice  processus 
tibialis  exterioris  remotum,  apici  laminae  tarsalis  non  multo 
propius 3. 

2.  Rostrum  laminae  tarsalis  longitudine  dimidium  bulbum 
genitalem  aequans  fere  aut  paullo  superans;  pars  apicalis 
emboli  gracillima  (fig.  19,  20) H.  hirius. 

Rostrum  laminae  tarsalis  dimidium  bulbum  genitalem 
longitudine  longe  non  aequans;  pars  apicalis  emboli  sat  lata 
(fig.  21) H.  setiger. 

3.  Dimidium  apicale  emboli  (ab  imo  visum)  in  arcum  paene 
aequabilem,  circularem  curvatum 4. 

Dimidium  apicale  emboli  in  arcum  inaequabiiem  curvatum; 
pars  apicalis  emboli  sat  lata,  marginibus  exteriore  et  interiore 
corneis,  inter  se  spatio  membranaceo  disiunctis,  eorum  interiore 
cum  anfractu  interiore  emboli  contingenti  aut  ei  proximo  saltem 
(fig.  22,  23) H.  hirstitns. 

4.  Apex  emboli  angustus,  margine  interiore  corneo  parum 
manifesto.  Pedum  anteriorum  patellae,  apex  tibiarum  et  meta- 
tarsorum  reliquis  partibus  non  obscuriora  (fig.  24)  H.  Savignyi. 

Apex  emboli  sat  latus,  margine  interiore  corneo  reflexo, 
etiam  latiusculo,  manifestissimo.  Patellae,  apex  tibiarum  et 
metatarsorum  in  pedibus  anterioribus  colore  rufo-fusco  insig- 
niter  suffusa  (fig.  25,  26) H.  Sitnonii. 

Obs.:  Heriaei  (Thomisi)  Buffoni  palpus  a  Savignyo  sine 
dubio  non  satis  subtiliter  delineatus  est  (Description  de 
l'Egypte,  Arachnides,  tab.  6,  fig.  10);  figura  Savignyi  embolum 
manifesto  distortum  ostendit;  an  processus  tibiales  recte 
repraesentet,  in  dubium  vocari  potest. 

Feminae. 

1.  Tarsi  anteriores  aut  antici  saltem  subter  aculeis  ornati  2. 
Tarsi  anteriores  pilis  modo,  neque  aculeis  instructi  ...  .5. 

2.  Margines,  quibus  fovea  epigynae  in  lateribus  definitur, 
cornei,  insigniter  obscuriores  et  duriores  quam  partes  vicinae, 
pone  sulco  transverso  tenui  sed  manifesto  a  partibus  epigynae 
posterioribus  distincti  (fig.  27) H.  propinquus. 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  651 

Margines  supra  dicti  partibus  vicinis  neque  multo  obscu- 
riores  neque  evidenter  duriores,  pone  sulco  nullo  evidentiore 
definiti 3. 

3.  Fovea  epigynae  mediocris,  0-37  —  0*4  mm  lata 4. 

Fovea  epigynae  parva,  0*25  lata,  transversa,  maximam 

partem  repleta  tuberculo  corneo  subtriangulari,  anteriora  versus 
angustato,  apice  subacuto,  in  longitudinem  insigniter  et  modo 
paene  aequabiliter  convexo,  modo  pone  praerupto  (flg.  28). 
Abdominis  dorsum  vitta  media  albida  (modice  expressa) 
ornatum H.  hirtus. 

4.  Aculei,  quibus  femur  I  in  latere  antico  ornatur,  dimidiam 
femoris  latitudinem  non  aut  vix  aequant  longitudine;  femur 
hoc  subter  linea  longitudinali  alba  non  ornatum.  Fovea  epi- 
gynae magnam  partem  repleta  tubere  corneo,  quam  margines 
foveae  magis  elevato,  anteriora  versus  angustato,  ante  rotun- 
dato  (fig.  29).  Cephalothorax  vittis  longitudinalibus  fusco-rufis 
caret H.  Simonii. 

Ex  aculeis,  quibus  femur  I  in  latere  antico  ornatur,  longis- 
simi  diametrum  femoris  longitudine  superant;  femur  hoc  subter 
linea  longitudinali  alba  pictum.  Fovea  epigynae  tuber  continet 
pallidum,  quam  margines  foveae  non  aut  parum  altius,  anteriora 
versus  angustatum,  pone  excavatum  (fig.  30).  Cephalothorax 
vittis  duabus  longitudinalibus  fusco-rufis  ornatus ...//.  setiger. 

5.  Abomen  non  aut  vix  longius  quam  latius 6. 

Abdomen  insigniter  longius  quam  latius.  Fovea  epigynae 

tubere  repleta  oblongo,  anteriora  versus  leviter  modo  angu 
stato,  pone  profunde  excavato;  foveae  margo  lateralis  uterque 
non  solum  pone  sulco  transverso,  sed  etiam  ante  et  extrin- 
secus    sulco   optime    expresso    a   partibus   vicinis   distinctus 
(fig.  31) H.  hirsutus. 

6.  Femur  I  in  latere  inferiore  antico  aculeis  ornatum,  qui 
longitudine  diametrum  femoris  non  aequant.  Abdomen  pilis 
ornatum,  quorum  plerique  mediocri  sunt  longitudine  (ca.  0*25 
usque  0*4  longi),  non  multi  autem  multo  longiores  (usque  ad 
5/4mm  et  ultra);  inter  piios  —  sat  rigidos  et  plus  minusve 
erectos  —  cutis  abdominis  ubique  optime  conspicitur.  In  epi- 
gynae lateribus  sulci  similes  atque  in  H.  hirsuto  plane  desunt; 


652  VI.  Kulczynski, 

fovea  epigynae  ligula  ornatur  margini  antico  sat  anguste 
adnata,  subcirculari,  quae  tarnen  non  raro  plus  minusve 
abrupta  et  variurn  in  modum  contracta  et  corrugata  est 
(fig.  32,  33) K  Savignyi. 

Femur  I  in  latere  inferiore  antico  aculeis  nonnullis  longi- 
tudine  duplam  suam  diametrum  aequantibus  saltem  ornatum. 
Abdomen  pilis  lanuginosis  longissimis  ita  dense  tectum,  ut 
cutis  sua  difficilius  conspiciatur.  Epigyne  sulcis  lateralibus, 
similibus  atque  in  H.  hirsuio  (sed  minus  expressis)  ornata; 
eius  fovea  tuberculum  continet  pallide  coloratum,  late  triangu- 
läre, apice  anteriora  versus  directum,  pone  profunde  excavatum 
(fig.  34) H.  Buffonii. 

An  notae  supra  prolatae  constantes  sint,  ulterius  inquiren- 
dum  est,  e  speciebus  plerisque  enim  nonnisi  singula  vidi 
exempla. 

Heriaeus  a  Dre.  F.  Wernerio  ad  Constantinopolim  lectus 
manifesto  H.  hirttts  (C.  L.  Koch)  E.  Sim.  est.  —  Mas  huius 
speciei  insignis  est,  ut  Cel.  E.  Simon  olim  scripsit,1  parte 
tarsali  palporum  parva:  maris  ad  Constantinopolim  capti, 
cephalothorace  2' 2  mm  longo,  pars  tarsalis  0#68  longa  est, 
0*45  lata;  bulbus  genitalis  parvus  adeo,  ut  pars  apicalis 
laminae  tarsalis  eo  non  tecta  bulbum  dimidium  longitudine 
superet  (fig.  19).  Notandum  tarnen  est,  Heriaeum  hirtum  hac 
in  re  paullo  variare:  maris  in  Graecia  lecti,  quem  Cel.  E.  Simon 
benigne  mecum  communicavit,  cephalothorace  etiam  2*2  longo, 
lamina  tarsalis  0*68  longa,  0*48  lata  est,  bulbus  genitalis  paullo 
maior,  dupla  longitudine  rostri  laminae  laminae  tarsalis  non 
brevior  saltem  (fig.  20). 

Reliquorum  Heriaeorum,  quorum  mares  novi,  pars  tarsalis 
maior  est,  eius  rostrum  brevius,  longitudine  7»  bulbi  non 
excedit  saltem.  Heriaei  Savignyi  (ex  Italia  septentrionali) 
cephalothorax  2*6  longus,  lamina  tarsalis  1*05  longa,  0*78 
lata;  alius  exempli  (Croatici)  cephalothorax  2*2  longus,  lamina 
tarsalis  0*9  longa,  0-65  lata;  Heriaei  hirsuti  (Hungarici) 
cephalothorax  2*25  longus,  lamina  tarsalis  1*05  longa,  0*78 


1  Ann.  Soc.  entom.  de  France,  ser.  6,  vol.  4,  p.  323. 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  653 

lata;  Heriaei  setigeri  (Algerici,  a  Cel.  E.  Simonio  dono  mihi 
dati)  cephal.  2-25  longus,  lamina  0-85  longa,  0*57  lata; 
Heriaei Simonii  cephalothorax  2*2  longus,  lamina  0*85  longa, 
0-65  lata. 

Forma  laminae  tarsalis  (ut  etiam  eius  magnitudine) 
Heriaeits  hirtus  prope  ad  H.  setigerum  (O.  Cambr.)  E.  Sim. 
accedit;  in  reliquis  speciebus  margo  laminae  tarsalis,  desuper 
adspectae,  inter  apicem  eius  et  apicem  processus  tibialis 
exterioris  fere  aequabiliter  sigmoideus  dici  potest  (fig.  22, 
24,  25);  in  H.  hirto  et  H.  setigero,  propter  embolum  minus 
longe  retro  productum,  tuberculum  cum  apice  eius  contingens, 
in  lamina  tarsali  ad  marginem  exteriorem  subter  situm,  apici 
laminae  propius  est  et  margo  laminae  huius  desuper  adspectae 
ab  apice  processus  tibialis  exterioris  primo  spatio  sat  longo 
anteriora  versus  (in  H.  hirto  anteriora  versus  et  paullulo  foras) 
directus,  tum  sat  subito  angulo  rotundato  infractus  (flg.  20,  21). 
Embolus  (aut  potius  pars  emboli  Cornea  nigra)  Heriaei  hirti 
valde  tenuis,  maximam  partem  fere  in  circulum  curvatus;  apex 
emboli  omnino  tenuis,  lamella  reflexa,  quali  in  H.  setigero, 
H.  hirsuto,  H.  Simonii  ornatur  (fig.  23,  26),  caret.  —  Heriaei 
setigeri  embolus  minus  aequabiliter  curvatus,  fere  ut  in  Heriaeo 
hirsuto,  crassior;  eius  pars  apicalis  fortius  retro  curvata,  mar- 
gini  bulbi  parallela,  margine  interiore  in  lamellam  oblongam 
reflexo  et  marginem  exteriorem  emboli  occultanti,  quum  ab 
imo  adspicitur  bulbus. 

Forma  processuum  tibialium  mares  Heriaeorutn  differunt 
quidem  inter  se,  sed  non  multum.  Dens  exterior  processus 
exterioris  desuper  et  paullo  a  latere  exteriore  adspecti  minus 
prominet  in  H.  hirto  quam  in  reliquis,  in  H.  setigero  et 
H.  Simonii  magis  foras  directus  est  et  angulum  maiorem  cum 
dente  apicali  format  quam  in  H.  hirsuto  et  H.  Savignyi.  Pro- 
cessus inferior  certo  variat  paullo  forma:  in  exemplo  H.  hirti 
ad  Constantinopolim  lecto  apice  evidentissime  uncatus  est 
(fig.  35a),  in  exemplo  Graeco  e  collectione  Cel.  E.  Simonii 
apice  parum  modo  fortius  quam  ceterum  incurvatus,  neque 
uncatus  (f\g,  20). 


654  VI.  Kulczynski, 

Heriaeus  Simonii  n.  sp. 

Mas. 

Cephalothorax  2*2  mm  longus,  2*1  latus.  Oculorum  series 
posterior  ita  recurvata,  ut  margo  anticus  lateralium  circiter 
radio  oculi  pone  marginem  posticum  mediorum  situs  sit;  margo 
superior  oculorum  anticorum  mediorum  ne  radio  oculi  quidem 
demissius  situs  quam  margo  inferior  lateralium  (quum  cephalo- 
thorax, marginibus  lateralibus  libratis,  directo  a  fronte  adspici- 
tur).  Oculorum  anticorum  lateralium  diameter  circiter  Vs  rnaior 
quam  mediorum  anticorum;  reliqui  oculi  parum  inaequales: 
medii  antici  posticis  vix  maiores,  lateralibus  posticis  parum 
minores.  Palporum  processus  tibialis  inferior  apice  eviden- 
tissime  uncatus;  processus  exterioris  margo  superior  in  parte 
apicali  anteriora  versus  et  leviter  modo  sursum  directus;  pars 
haec  subter  basim  versus  in  lamellam  deorsum  et  intus 
directam  modice  dilatata  (apice  itaque  sat  gracilis,  quum  a 
latere  adspicitur);  dens  exterior  processus  exterioris  in  palpo 
desuper  adspecto  foras  fere  directus  videtur;  desuper  et  a  latere 
exteriore  adspectus  processus  exterior  apice  in  angulum  paene 
rectum  excisus  videtur.  (Nescio,  an  notae  hae  paullo  mutabiles 
sint:  in  exemplo  nostro  unico  partes  tibiales  non  plane  eadem 
forma  videntur  in  palpo  dextro  et  sinistro!).  Lamina  tarsalis 
desuper  visa  sat  insigniter  asymmetrica,  apice  leviter  sinuato 
acuminata,  ceterum  latere  interiore  fere  aequabiliter  rotundato, 
exteriore  pone  apicem  processus  tibialis  exterioris  fortius  et 
paullo  inaequabiliter  arcuato;  a  latere  exteriore  visa  paullulo 
pone  apicem  processus  commodo  commemorati  subter  in 
dentem  optime  expressum,  rectangulum  dilatata,  inter  apicem 
eius  et  apicem  suum  leviter  et  aequabiliter  excavata  est  lamina 
tarsalis.  Rostrum  laminae  breve,  tertia  parte  bulbi  genitalis 
brevius.  Emboli  pars  Cornea  sat  lata,  praesertim  in  bulbi  latere 
interiore,  parum  inaequabiliter  curvata;  apex  emboli  a  medio 
latere  exteriore  bulbi  non  longe  distans,  leviter  deorsum  flexus; 
in  parte  apicali  margo  emboli  interior  corneus,  foras  reflexus, 
lamellam  format  oblongam,  marginem  exteriorem  paullulo 
occultantem,  quum  ab  imo  adspicitur  bulbus  (fig.  25,  26). 
Pedes  I  15  mm  (a  basi  femoris:    14*7),  11  11*5  (11*2)  longi, 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  ßöö 

tibia  I  3 '7,  metatarsus  I  4*0  longus.  Abdomen  2-5  longum, 
2*1  latum.  —  Exempli  nostri,  paullo  detriti,  cephalothorax, 
abdomen,  pedes  pilis  modo  plus  minusve  rigidis,  erectis  aut 
suberectis,  inaequalibus  ornatum  fuisse,  mollibus  autem  et  plus 
minusve  flexuosis  caruisse  videtur.  Abdominis  pili  plerique 
pallide  colorati,  nonnulli  vero,  eique  longissimi,  in  parte  antica 
et  in  lateribus  pone,  nigri. 

Color  (spiritu  vini  certo  mutatus):  Cephalothorax  pallide 
fulvo-melleus,  radicibus  pilorum  fusco  punctatus,  in  parte 
cephalica  colore  fulvo  fortius  suflfusus,  tuberculis  oculorum  et 
spatio  eis  interiecto  albis;  dorsum  macula  straminea  ornatum 
in  declivitatem  posticam  non  descendenti,  aream  oculorum 
longe  non  attingenti,  subtrapezica,  posteriora  versus  insigniter 
dilatata,  marginibus  lateralibus  concavis,  margine  postico  in 
arcus  duos  paullo  procurvos  fracto,  margine  antico  exciso, 
satis  obsoleto;  in  parte  sua  media  macula  haec  1/3  cephalo- 
thoracis  fere  aequat  latitudine.  Mandibulae  dilute  melleae, 
apicem  versus  albo  maculatae;  sternum,  maxillae,  labium, 
coxae  flavido-albida,  labium  lateribus  paullulo  infuscatis.  Palpi 
flavido-albidi,  parte  tibiali  colore  fulvo  suffusa,  lamina  tarsali 
purius  alba.  Pedes  pallide  mellei,  radicibus  pilorum  et  acu- 
leorum  fusco  punctati,  femoribus  et  patellis  et  tibiis  apice 
supra  plus  minusve  albo  marginatis,  in  pedibus  anterioribus 
et  imprimis  in  anticis  praeterea  albo  sat  obsolete  variegatis; 
pedes  anteriores  in  patellis,  in  parte  apicali  tibiarum  et  meta- 
tarsorum  colore  fulvo  sat  fortiter  (praesertim  in  tibiis)  tincti. 
Abdomen  pallide  melleum,  dorso  fere  toto  adeo  dense  colore 
flavido-albo  punctato,  ut  color  hie  plane  dominet;  in  dorsi 
dimidio  posteriore  lineae  transversae  albae  circa  4,  angustae, 
parum  expressae  cernuntur;  radices  pilorum  puneta  obscura 
minus  manifesta  quam  in  cephalothorace  et  in  pedibus  formant. 

Femina  (fortasse  huius  speciei). 

Cephalothorax  3  1  mm  longus,  3*0  latus,  fronte  ca.  1*3 
lata.  Oculorum  posticorum  mediorum  margines  postici  ne  radio 
oculi  quidem  ante  margines  anticos  lateralium,  margines  supe- 
riores  oculorum  anticorum  mediorum  ne  radio  quidem  sub 
marginibus  inferioribus  lateralium  siti;  diameter  oculorum  late- 
ralium  posticorum  ca.  V5,    diameter  mediorum  anticorum   et 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  42 


656  VI.  Kulczyriski, 

posticorum  ca.  2/s  minor  quam  lateralium  anticorum;  oculi 
medii  postici  inter  se  fere  4-pla  diametro,  a  lateralibus  fere 
41/2  diametro,  medii  antici  inter  se  parum  plus  quam  4-pla,  a 
lateralibus  fere  3-pla  diametro  distant;  area  oculorum  mediorum 
paullulo  longior  quam  ante  latior,  pone  paullulo  angustior  quam 
ante.  Pedum  I  femora  supra  subterque  ornata  aculeis  dimidiam 
suam  diametrum  non  aut  vix  attingentibus;  tibiae  I,  praeter 
alios  aculeos,  subter  utrimque  serie  aculeorum  ca.  6  brevium 
et  ante  aculeis  3,  pone  2,  longioribus  (eorum  longissimi  dia- 
metrum tibiae  paullo  superant)  ornatae;  in  latere  antico  aculei 
hi  longiores  paullo  supra  seriem  breviorum,  in  postico  in  una 
serie  cum  brevioribus  siti  sunt;  metatarsi  I  subter  utrimque 
aculeis  ca.  10,  inaequalibus  (longissimis  diametrum  internodii 
sescuplo — duplo  superantibus),  in  utroque  latere  aculeis  brevi- 
bus  4  aut  6  instructi;  tarsi  I  subter  utrimque  aculeis  parvis  3 
(aut  2)  ornati;  tarsi  II  subter  ad  latus  anticum  aculeis  parvis  2 
(an  constanter?)  armati.  In  pedum  I  femoribus  pili  non  pauci 
aculeos  longitudine  superant,  quamquam  non  valde  longi  sunt, 
in  tibiis  aculei  nonnulli  pilos  etiam  longissimos  longitudine 
excedunt.  Pedes  I  12*9,  II  10*5  mm  longi  (a  basi  femoris). 
Abdomen  4*2  longum,  4-4  latum.  Epigyne  (flg.  29)  fovea 
ornatur  ca.  0  39  lata,  paullo  latiore  quam  longiore,  marginibus 
obtusis,  non  duris  mediocriter  definita,  pone  subaperta,  rotun- 
dato-triangula,  anteriora  versus  angustata,  sat  profunda,  a 
margine  postico  epigynae  paullo  minus  quam  longitudine  sua 
remota;  margines  laterales  foveae  pone  a  partibus  vicinis  sulco 
nullo  evidentiore  distincti.  Foveae  pars  anterior  maior  tuberculo 
repletur  corneo,  cuius  pars  quaedam  in  exemplo  nostro  unico 
avulsa  est  (quod  quidem  apud  Heriaeos  saepe  occurrit);  tuber- 
culum  hoc  altius  fuisse  videtur  quam  margines  foveae,  paullo 
oblongum,  anteriora  versus  angustatum,  apice  antico  tarnen  sat 
late  obtuso;  margo  posticus  tuberculi  (in  fundo  foveae  situs) 
procurvus,  utrimque  paullo  productus  et  anteriora  versus  cur- 
vatus.  —  Pili,  quibus  cephalothorax  et  abdomen  supra  ornantur 
—  pro  Heriaeol  —  mediocri  longitudine,  inaequales,  non  densi, 
suberecti;  eorum  longissimi  diametrum  femoris  I  non  aut  vix 
attingunt;  pili  hi,  exceptis  paucis  in  dimidio  posteriore  dorsi 
abdominis  sitis,  qui  in  parte  basali  paullo  infuscati  sunt,  albidi. 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  657 

Cephalothorax  (exempli  in  spiritu  vini  conservati)  melleus, 
parte  cephalica  paullulo  obscuriore  quam  latera  partis  thora- 
cicae,  area  oculorum  paene  alba;  abunde  albido  variegatus  est 
cephalothorax,  in  declivitate  postica  tota  albidus,  in  dorso  vitta 
media  albida  angusta  inaequali,  et  in  parte  cephalica  utrimque 
lineis  binis  longitudinalibus,  leviter  incurvatis,  angustissimis 
inaequalibus  ornatus.  Mandibulae  colore  cephalothoracis, 
dorso  supra  medium  albo  maculato,  in  apice  et  in  latere 
exteriore  colore  eodem  abunde  tincto.  Palpi  et  pedes 
colore  cephalothoraci  similes,  Uli  minus  evidenter,  hi  abunde 
albido  variegati;  color  albidus  in  dorso  femorum  tibiarum 
metatarsorum  I,  metatarsorum  et  tarsorum  II  lineam  plus 
minusve  manifestam  format,  subter  vero  in  femoribus  I  et  II 
in  lineam  evidentiorem  non  congestus  est;  non  omnes 
partes  pedum  albo  maculatae  sunt,  ex.  gr.  latus  posticum 
femoris  I,  latus  idem  et  dorsum  femoris  II,  femur  III  totum 
fere,  non  maculata;  femur  IV  modo  in  latere  antico  et 
subter  maculatum.  Sternum  flavo  albidum,  pedum  coxae  subter 
avellaneo-albidae.  Abdomen  supra  et  in  lateribus  dilute 
melleum,  dense  albido  variegatum;  color  albidus  in  dorsi  parte 
posteriore  in  fascias  transversas  angustas  aliquot  congestus; 
subter  abdomen  pallidius  quam  supra,  ventre  secundum 
medium  late  albido. 

Feminam  hanc,  non  sine  dubitatione,  cum  mare  supra 
descripto  coniungendam  censeo,  quoniam  non  male  convenit 
cum  exemplo  non  adulto,  quod  cum  mare  eo  captum  est  et 
cum  eo  unius  esse  speciei  videtur. 

Speciem  hanc  nomine  Cel.  E.  Simonii  ornare  ausus  sum, 
arachnologi  summi,  qui  singulari  liberalitate  et  beneficentia  e 
difficultatibus  iam  non  paucis  in  araneis  dignoscendis  me 
eripuit  et  nunc  exemplis  e  thesauro  suo  benigne  communicatis 
a  confusione,  quam  in  Heriaeis  paene  commisi,  avertit 

Heriaeus  propinquus  n.  sp. 

Femina. 

Cephalothorax  3'9tntn  longus,  3*7  latus,  fronte  ca.  16 
lata.  Margines  postici  oculorum  posticorum  mediorum  fere 
oculi    diametro   ante   margines   anticos   lateralium,    margines 

42* 


()Ö8  VI.  Kulczyriski, 

superiores  anticorum  mediorum  diametro  oculi  saltem  demis- 
sius  quam  margines  inferiores  lateralium  siti.  Oculi  antici 
laterales  ca.  \b  maiores  (in  diametro)  quam  medii,  hi  lateralibus 
posticis  subaequales  et  paullulo  maiores  quam  medii  posiici; 
antici  medii  inter  se  5-pla  saltem  diametro,  a  lateralibus  fere 
31  2  diametro,  postici  medii  inter  se  fere  5-pla,  a  lateralibus 
paullulo  plus  quam  5-pla  diametro  remoti;  area  oculorum 
mediorum  circiter  1/7  longior  quam  ante  latior,  hie  paullo  latior 
quam  pone.  Femornm  I  armatura  similis  atque  in  femina 
speciei  prioris;  praeter  alios  aculeos  tibiae  I  subter  ad  latus 
anticum  aculeis  brevibus  ca.  10,  paullulo  supra  eos  ca.  6(?) 
longioribus,  subter  ad  latus  posticum  aculeis  inaequalibus 
ca.  12  instruetae  (aculei  antici  longissimi  in  exemplo  nostro, 
eheu,  defracti);  metatarsi  I  subter  aculeis  inaequalibus,  paullo 
inordinatis,  ad  latus  anticum  ca.  13-15,  ad  posticum  ca.  11—13, 
in  latere  utroque  aculeis  brevibus  4  —  6,  tarsi  I  subter  prope 
medium  modo  ad  latus  anticum  aculeo  1  instrueti;  tarsi  II 
inermes.  Pilorum,  quibus  pedes  I  ornantur,  longitudo  similis 
atque  in  priore.  Pedes  I  17*8,  II  I4'lntm  longi.  Abdomen 
6*0  longum,  5*5  latum.  Fovea  epigynae  (fig,  27)  ca.  0*3  lata, 
insigniter  latior  quam  longior  a  margine  postico  latitudine  sua 
remota,  profunda,  in  lateribus  deflnita  marginibus  corneis, 
obscure  coloratis,  subacutis,  ineurvatis,  pone  sulco  transverso 
optime  expresso  transverse  truncatis;  maximam  partem  fovea 
tubere  corneo  repletur.  quod  in  exemplo  nostro  unico  ita 
avulsum  et  dilaceratum  est,  ut  forma  eius  extricari  non  possit. 
—  Pili  cephalothoracis  et  abdominis  similes  atque  in  priore, 
omnes  pallidi. 

Color  a  colore  feminae  praecedentis  parum  distinetus. 
Cephalothorax  in  lateribus  partis  thoracicae  punetis  albidis 
paucis  modo  adspersus,  in  eius  dorso  verum  color  albidus 
maculam  format  oblongam,  latitudine  tibias  I  saltem  aequantem, 
posteriora  versus  angustatam,  pone  cum  declivitate  postica 
item  albida  coniunetam,  partem  dorsi  posteriorem  modo  oecu- 
p;  ntem,  cum  area  oculorum  vitta  media  parum  lata  et  utrimque 
lineis  binis  angustissimis  inaequalibus  coniunetam.  Mandibulae 
colore  cephalothoracis,  apicem  versus  albidae,  macula  alba 
evidentiore  supra  medium  carent.   Pedum  I  femora  et  tibiae 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  659 

modo  supra  albo  vittata,  vittis-utrimque  spatio  non  maculato 
limitatis  —  sat  evidentibus;  tibiae  II  vitta  respondens  distincta, 
femoris  II  verum  parum  expressa;  etiam  in  pedibus  posteriori- 
bus  tibiae  aut  etiam  metatarsi  supra  obsolete  albo  vittati; 
femora  posteriora  punctis  albis  carent.  Abdomen  maximam 
partem  albidum,  sulcis  modo,  quibus  latera  ornantur,  paullo 
obscurioribus. 

Mas  ignotus. 

Tarentula  Eichwaldii  Thor.  var.  bithynica  n. 

Tarentulam,  cuius  exemplum  unicum,  femininum,  lectum 
est  in  Olympo  Bithynico,  nulla  re  ad  formam  et  ad  colorem  a 
Tarentula  Eichwaldii  distinguere  scio  nisi  forma  epigynae 
paullo  alia  (flg.  36);  Tarentulae  Eichwaldii  itaque  subiungenda 
videtur  haec  aranea  (sed  mas,  eheu  ignotus,  fortasse  notas 
speciei  propriae  praeberet).  —  Margo  supra  lamellam  eam  pro- 
minens, quae  partem  posticam  mediam  epigynae  format, 
insigniter  longius  remotus  est  a  margine  postico  epigynae  in 
var.  bithynica  (ca.  0m53mm)  quam  in  T.  Eichwaldii  typica 
(0*24 — 0*36  mm).  Lamella  commodo  commemorata  itaque 
tota  conspicitur  in  illa,  in  hac  autem  (fig.  37)  ex  parte  margine 
eo  occultatur.  Sulci,  quibus  lamella  postica  definitur,  sigmoidei, 
in  sulcum  coeunt  medianum  profundum;  in  sulcum  hunc 
ingreditur  pars  antica  media  lamellae,  in  angulum  producta 
acutissimum  et  denique  evanescentem.  In  forma  typica  sulci 
epigynae  in  lineam  coniunguntur  in  Universum  modice  et 
inaequabiliter  recurvatam;  sulcus  medianus  deest;  lamellae 
apex  anticus  truncatus  videtur.  —  Exemplum  var.  bithynicae 
ca.  IS1 /9  mm  longum  est,  cephalothorace  6*5  longo,  tibia  cum 
patella  IV  62  longis. 

Philaeus  chrysops  (Po da)  var.  haemorrhoica  (C.  L.  Koch). 

Ad  formam  aranea  haec  parum  differt  a  Philaeo  chrysopi 
typico.  Lamina  tarsalis  maris  (fig.  38)  paullo  brevior  est  quam 
in  exemplis  Ph.  chrysopis  (fig.  39)  magnis  saltem:  non  duplo 
longior  quam  latior  (0*55,  0*58  mm  lata,  1-04,  1-13  longa;  in 
Ph.  chrysopi  plus  duplo  longior  quam  latior,  ex.  gr.  0-73  lata, 


660  VI.  Kulczyriski, 

1  •  62  longa),  apicem  versus  evidenter  angustata,  sat  fortiter 
foras  curvata,  quum  in  Ph.  chrysopi  parum  angustata  sit  et 
parum  curvata;  sed  in  exemplis  parvis  formae  typicae  brevior 
est,  evidentius  angustata  et  foras  curvata,  quam  in  magnis,  ita 
ut  vix  diffeiat  a  parte  respondenti  Ph.  haemorrhoici  (ex.  gr. 
0-58  lata,  1  *36  longa,  0*48  lata,  1  04  longa.  Bulbus  genitalis 
et  epigyne  in  utraque  forma  nulla  re  differre  videntur.  —  Color 
probabiliter  non  parum  variat  in  feminis  Ph.  haemorrhoici;  si 
quidem  feminae  ad  Ala  Schehir  lectae,  quae  huic  formae  sub- 
iungendae  videntur,  re  vera  ad  eam  pertinent  (cephalothorax 
earum  vittis  albis  ornatur  duabus,  in  intervallo  oculorum 
anticorum  mediorum  et  lateralium  initium  capientibus,  supra 
oculos  seriei  2-ae  et  per  oculos  seriei  3-ae  in  declivitatem 
posticam  ductis;  margo  anticus  quadranguli  oculorum  — 
magnam  partem  detritus  —  vitta  transversa  alba  potius  quam 
maculis  albis  tribus  pictus  fuisse  videtur),  tum  abdomen 
Ph.  haemorrhoici  supra  in  lateribus  non  semper  rubrum  est, 
sed  modo  obscure  fulvum,  prope  vittam  nigram  mediam  fulvo- 
albidum,  modo  cinerascenti-umbrinum,  maculis  albidis  in 
fascias  transversas  congestis  pictum.  —  In  feminis  Ph.  chrysopis 
typici  margo  anticus  quadranguli  oculorum  fortasse  nunquam 
fascia  alba  continua  sed  constanter  maculis  albis  tribus  ornatur. 
—  Mas  var.  haemorrhoicae  vittis  longitudinalibus  albis  duabus 
ornari  videtur,  quae  desunt  formae  typicae.  Ventris  color,  ruber 
in  forma  typica,  niger  in  varietate,  notam  certam  non  praebet, 
ni  fallor,  etiam  in  varietate  enim  venter  pilis  rubris  plus 
minusve  abunde  ornatur. 

Egaenus  crista  (Brülle)  anatolicus  n. 

Egaenus,  cuius  exempla  aliquot  legit  Cel.  Dr.  F.  Werner, 
Egaeno  cristae  Brülle1  subiungendus  videtur  ut  forma  propria, 


1  Phalangium  crista  Brülle  1832  in  >Expedition  scientifique  de  Moree< 
(Descriptionem  hanc  non  novi).  —  Egaenus  crista  E.  Simon  in  Bull.  Soc. 
Entom.  italiana,  1882;  neque  E.  crista  E.  Simon  in  Comptes  rendus  de  la 
Soc.  entom.  de  Belgique  1879.  —  Zackens  mordax  (et  trinotatus)  C.  L.  Koch, 
cuius  femora  supra  modo  denticulis,  minutis  quidem,  ornata  describuntur, 
species  videtur  ab  Egaeno  crista  distineta. 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  661 

ad  hoc  tempus  fortasse  non  descripta.1  —  Ni  fallor,  Egaenus 
crista  species  est  sat  late  per  terras  diffusa,  insigniter  mutabilis, 
probabiliter  in  subspecies  aut  »species  geographicas«  com- 
plures  divisa. 

Femina. 

Cephalothorax  margine  antico  medio  non  elevato,  sat 
crasse  et  dense  granulatus,  in  partibus  non  impressis  abunde 
denticulatus  (denticuli  inter  tuber  oculorum  et  marginem 
anticum  ca.  30,  in  utroque  latere  tuberis  huius  ca.  4 — 6,  supra 
sulcum  margini  parallelum  ca.  5 — 8),  eius  margines  non  solum 
ad  angulos  anticos  sed  etiam  in  lateribus  usque  ad  pedes  III  et 
supra  pedes  IV  denticulis  ornati;  segmentum  postoculare 
utrumque  serie  denticulorum  sat  conferta  instructum.  Dorsum 
abdominis  in  segmentis  anterioribus  quinque  saltem  denticulis 
minoribus,  ex  parte  minutis,  plus  minusve  in  fascias  trans- 
versas  digestis,  ornatum.  Tuber  oculorum  modice  altum  (circiter 
duplo  longius  quam  altius),  cum  oculis  ca.  */*  latius  quam 
longius,  a  margine  antico  cephalothoracis  paullo  plus  quam 
dupla  sua  longitudine  remotum,  supra  late  sulcatum  et  utrimque 
armatum  denticulis  5  (rarius  6)  modice  magnis  (eorum  maximi 
diametrum  oculi  aequant  saltem  longitudine),  acutis,  albidis, 
apice  nigris,  sub  apice  setula  nigra  ornatis  (ut  denticuli  cephalo- 
thoracis). Spatium  supramandibulare  denticulis  duobus,  setula 
subapicali  auctis,  instructum.  Mandibulae  mediocres,  desuper 
visae  ca.  1*6  longae,  forma  vulgari,  articulo  primo  supra 
denticulis  obtusis,  setulam  gerentibus,  sat  abunde  ornato, 
articulo  2-o  breviter  non  dense  piloso.  Palporum  pars  femoralis 
1  -7,  patellaris  1  #04,  tibialis  1-16,  tarsalis  2' 75 mm  longa;  pars 
femoralis  angulo  apicali  interiore  paullulo  prominenti,  subter 
tuberculis  sat  multis  dispersis,  humilibus,  piliferis,  supra  apicem 
versus  et  in  margine  apicali  interiore  denticulis  numero  varianti- 
bus,  acutis,  ex  parte  sub  apice  setula  ornatis,  instructa;  ceterum 
carent  palpi  denticulis.  Pars  patellaris  desuper  visa  paullo 
asymmetrica,   apicem    versus   sat   fortiter,   in   latere   interiore 

1  Quibus  rebus  differant  ab  Egatno  crista  anatolico  Egaeni  a  Dre. 
A.  Lendl  descripti  in  Termeszetrajzi  Füzetek,  1894:  maximus,  hungaricus, 
variegatus,  ulterius  inquirendum  est,  in  eorum  descriptionibus  enim  notas  non 
paucas,  easque  graves,  auctor  silentio  praeteriit. 


662  VI.  Kulczynski, 

paullo  fortius  quam  in  exteriore  et  paullo  inaequabiliter  dilatata; 
pars  tibialis  apicem  versus  leviter,  fere  aequabiiiter  dilatata. 
Pedes  antici  reliquis  evidenter  crassiores.  Coxae  subter  sub- 
laeves,  supra  in  apice  dente  acuto  erecto  ornatae;  femora 
angulata  (antica  mediocriter  modo),  dentibus  ornata  mediocri- 
bus  in  pedibus  anterioribus,  fortibus  in  posterioribus,  sub  apice 
piliferis,  in  series  quinas  (confertas  in  pedibus  III  et  IV)  digestis, 
femora  I  praeterea  in  utroque  latere  abunde,  II  in  latere  postico 
denticulata;  patellae  omnes  apice  dentatae,  III  et  IV  supra 
seriebus  3-bus,  IV  praeterea  in  latere  inferiore  postico  serie 
spiculorum  nigrorum  aut  dentium  parvorum  ornatae;  tibiae 
omnes  acute  pentagonae,  I  inermes,  posteriores  apice  utrimque 
minute  et  parce  breviter  aculeatae,  III  in  angulis  tribus  superiori- 
bus  spiculis  dispersis,  IV  in  angulis  eisdem  et  in  angulo  postico 
inferiore  spiculis  sat  confertis  nigris  armatae;  metatarsi  ante- 
riores inermes,  III  in  angulis  tribus  superioribus  parce  et  dis- 
perse, IV  ibidem  abunde  spiculis  nigris  instructi. 

Truncus  10  mm  longus,  inter  pedes  IV  5  latus,  pedes  I 
ca.  23,  II  36-5,  III  26-5,  IV  38,  pedum  I  femur  3  9,  patelia  1*8, 
tibia  3  #5,  metatarsus  4-5,  partes  respondentes  pedum  II  6*3, 
2-1,  5-4,  5-8,  pedum  III  4-3,  1'9,  3-5,  5-9,  IV  7-0,  2-25, 
5  •  0,  9  •  3  mm  longae. 

Colon  Maiorem  partem  dorsi  macula  occupat  umbrina 
aut  fuliginea,  margines  versus  et  in  parte  postica  obscurior,  in 
cephalothoracis  parte  anteriore  et  in  segmentis  abdominis  3-o 
et  4-o  parum,  ceterum  autem  optime  definita,  in  parte  antica 
abdominis  modice  coarctata,  ibique  quam  truncus  duplo  triplove 
angustior,  posteriora  versus  sat  fortiter  dilatata,  a  medio 
segmento  2-o  ad  medium  segmentum  4-um  fortiter  angustata, 
tum  usque  ad  segmentum  5-um,  ubi  utrimque  angulum  fere 
acutum  format,  subito  dilatata,  denique  lateribus  plus  minusve 
inaequalibus  triangulariter  angustata,  apicem  segmenti  8-vi 
attingens.  A  sulco  postoculari  macula  haec  anteriora  versus 
diffunditur  et  cephalothoracis  partem  anteriorem  modo  fere 
totam  occupat,  angulis  posticis  exceptis,  modo  ab  eius  lateribus 
spatio  pallidiore  mediocriter  lato  disiungitur.  Pars  maculae 
postica  triangularis  utrimque  vitta  avellaneo-alba  definitur; 
sinus  in  quos  margines  maculae  in  segmentis  3-o  et  4-o  excisi 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  663 

sunt,  colore  paullo  aut  parum  modo  quam  macula  ipsa 
pallidiore  replentur,  ita,  ut  hie  margines  maculae  difficilius 
cernantur.  In  parte  anteriore  abdominis  et  in  parte  posteriore 
cephalothoracis  latera  dorsi  ad  margines  maculae  mediae 
umbrino-albida  sunt  aut  umbrina,  punetis  pallidioribus  plus 
minusve  (plerumque  parum)  variegata;  inter  segmenta  cephalo- 
thoracis duo  postica  utrimque  cum  margine  maculae  mediae 
macula  parva  nigra  coniungitur.  Tuber  oculorum  supra  umbrino- 
albidum;  pone  tuber  vestigium  vittae  mediae  albidae,  non 
longum,  conspicitur.  Pars  anterior  cephalothoracis,  fuliginea 
nigro  maculata,  aut  umbrina  fuligineo  maculata,  denticulis 
albidis  paullo  variegata,  inter  tuber  oculorum  et  marginem 
anticum  ornata  in  parte  anteriore:  lineolis  duabus  nigris  inter 
se  valde  approximatis,  in  spatio  pallidiore  sitis,  in  parte 
posteriore  vero  lineola  mediana  tenui  umbrino-albida.  Margines 
trunci  umbrini  aut  fuliginei,  maculis  parvis  et  punetis  albidis 
paullo  variegati.  Subter  truneus  fuligineus  aut  umbrinus,  venter 
punetis  albidis  modo  paucis,  modo  magis  numerosis  et  in 
series  transversas  digestis  pictus;  Processus  sternalis  ventre 
pallidior,  praesertim  anteriora  versus;  pedum  coxae  subter 
modo  albido-umbrinae,  basim  versus  et  in  lateribus  umbrino 
maculatae,  modo  nigro-fuligineae  umbrino  sat  obsolete  macu- 
latae. 

Mandibularum  articulus  primus  in  lateribus  umbrinus, 
supra  avellaneo-albus,  fuligineo  maculatus;  articulus  seeundus 
umbrinus,  apicem  versus  pallidior,  basi  supra  albidus,  apice  et 
parte  media  dorsi  exceptis  abunde  fuligineo  punetatus  et 
vittatus;  digitorum  partes  apicales  nigrae.  Palpi  pallide  um- 
brini, trochantere  et  parte  tarsali  fere  avellaneis,  hac  apice 
infuscata,  illo  supra  fusco  punetato;  partes  femoralis  patellaris 
tibialis  supra  fusco  lineatae,  femoralis  subter  et  in  lateribus, 
praesertim  in  exteriore,  ante  apicem  late  infuscata,  patellaris  in 
latere  interiore  vitta,  in  exteriore  punetis  fuscis  ornata,  apice 
subter  infuscata;  tibialis  basi  in  latere  exteriore  infuscata,  in 
interiore  vitta  fusca  in  parte  basali  aut  etiam  umbra  fusca  in 
parte  apicali  pieta.  Pedes  avellanei  colore  umbrino  plus  minusve 
(saepe  fortiter)  tineti  et  colore  umbrino,  fuligineo.  aut  ex  parte 
nigro    picti,   pictura   varianti:    in    exemplis   obscure    coloratis 


664  VI.  Kulczyriski, 

trochanteres  fuliginei,  supra  albido  maculati,  pedum  I  femora 
patellae  tibiae  subter  et  in  lateribus  fuliginea,  paullo  umbrino 
maculata,  supra  umbrino-avellanea,  femora  in  latere  superiore 
exteriore  punctis  umbrinis  in  vittam  conflatis  picta,  patellae 
dorso  fere  toto,  tibiae  apice  albidae,  ceterum  latere  superiore 
antico  punctato,  posteriore  praesertim  in  dimidio  apicali  in- 
fuscato  et  punctis  paucis  picto;  pedes  IV  colore  obscuro  minus 
abunde  picti,  femur  modo  annulo  apicali  ornatum,  patellae  et 
tibiae  color  similis  atque  in  pedibus  I,  tibia  tarnen  subter  et  in 
lateribus  prope  medium  annulo  pallido  ornata;  pedes  II  colore 
magis  pedibus  I,  pedes  III  pedibus  IV  similes.  —  Exempli,  quod 
reliquis  pallidius  coloratum  est,  pedes  avellanei,  colore  umbrino 
leviter  suffusi,  supra  in  tibiis  modo,  ante  earum  apicem  umbrino 
annulati  (in  latere  superiore  postico  saltem),  ceterum  similem 
in  modum  atque  in  exemplis  obscuris  punctati,  subter  trochan- 
teribus  umbrinis  fuligineo  punctatis  (obscurioribus  quam  coxae 
et  multo  obscurioribus  quam  femora),  femora  apice  annulata 
aut  punctata  saltem,  patellae  fere  totae  umbrinae  obscurius 
punctatae,  tibiae  basi  angustius  et  apice  valde  late  annulatae, 
disperse  obsolete  punctatae,  femora  I  in  latere  antico  prope 
medium  et  prope  apicem  macula  magna  umbrina  ornata,  subter 
magis  aequabiliter  infuscata,  in  latere  postico  pone  basim 
obsolete,  prope  apicem  evidenter  infuscata,  umbrino  punctata; 
ceterum  pedum  color  in  lateribus  similis  fere  atque  infra,  femora 
plus  minusve  punctata  (in  latere  postico  pedum  II  et  III  secun- 
dum  totam  fere  longitudinem). 

Inter  exempla,  quae  vidi,  unicum  (praecipue  obscure 
coloratum)  vitta  albida  angusta  ornatur  in  dorso  trunci  a  tubere 
oculorum  usque  ad  apicem  abdominis. 

Mas  insigniter  variat  et  modo  parum  modo  valde  differt  a 
femina. 

Exempli  ad  Smyrnam  lecti  pars  anterior  cephalothoracis 
ad  angulos  anticos  tantum  dentibus  bene  evolutis,  ceterum 
denticulis  valde  humilibus  et  multo  paucioribus  quam  in  femina 
instructa;  denticuli  partis  postocularis  cephalothoracis  modice, 
abdominis  mediocriter  aut  parum  evoluti;  tuber  oculorum 
dentibus  utrimque  quatuor  evolutis  et  uno  aut  duobus  obsoletis 
ornatum.   Palpi  longiores,   parte  femorali  2*4,   patellari    1*4, 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  665 

tibiali  1*52,  tarsali  3*2  longa;  pars  femoralis  angulo  apicali 
interiore  vix  prominenti,  dorso  fere  secundum  totam  longi- 
tudinem  humiliter  denticulato;  pars  tibialis  paullo  fortius 
dilatata  (apice  ca.  3/s  latior  quam  basi),  margine  apicali  in 
lateribus  minute  denticulato,  pars  tarsalis  (ut  in  maribus 
Phalangiinorum  plerisque)  in  latere  inferiore  antico  secundum 
magnam  partem  longitudinis  dense  nigro  granulata.  Pedes  I 
fortius  incrassati,  anteriores  multo  minus  quam  in  femina 
denticulati;  pedum  I  et  II  femora  et  tibiae  subcylindrata, 
femora  III  subter  modo  leviter  quidem,  IV  subter  evidentissime, 
supra  autem  sat  obsolete  angulata;  tibiae  III  et  IV  pentagonae, 
carina  dorsuali  mediocriter  (III)  aut  modice  (IV)  expressa; 
femora  I  vix  vestigiis  ullis  denticulorum  ornata,  patellae  laeves, 
tibiae  subter  utrimque,  metatarsi  subter  vitta  granorum 
nigrorum  instructa,  metatarsorum  apex  paullulo  deflexus  aut 
subter  paullulo  incrassatus  potius  et  fortius  granulatus,  pro- 
cessu  evidentiore  non  ornatus.  Pedes  II  denticulis  evidentiori- 
bus  carent;  pedum  III  femur  subter  utrimque  dense  et  fortiter 
denticulatum,  in  latere  postico  superiore  denticulis  parvis  sub- 
adpressis  non  multis  ornatum,  tibia  in  carinis  duabus  poste- 
rioribus  (et  in  superiore  paullo),  metatarsus  supra  et  in  latere 
superiore  postico  minute  denticulata;  pedum  IV  femur  seriebus 
quinque  denticulorum  optime  evolutorum,  patella  lineis  quatuor, 
tibiae  lineis  quinque,  metatarsus  supra  lineis  tribus  denticulorum 
parvorum  sive  aculeorum  brevium  ornata.  —  Mandibulae 
forma  et  magnitudine  insignes,  desuper  visae  ca.  4' 5  mm 
longae,  trunco  modo  ca.  duplo  breviores;  articulus  basalis 
2*6  longus.  1*7  latus,  apicem  versus  leviter  et  paullo  in- 
aequabiliter  dilatatus,  dorso  insigniter  sigmoideo  quidem,  quum 
a  latere  adspicitur,  sed  in  tuber  definitum  non  elevato,  in  parte 
convexa  abunde  tuberculis  humilibus  ornato;  subter  articulus 
hie  basim  versus  tuberculis  elongatis,  ad  apicem  pilum  brevem 
gerentibus,  dense  instruetus  est;  articulus  2-us  ca.  5*7  longus, 
2-3  crassus  et  prope  basim  digitorum  latus  est,  supra  dorsum 
articuli  primi  parum  aut  non  prominet,  supra  pone  marginem 
basalem  modice  in  transversum  impressus  est,  a  fronte  visus 
deorsum  sat  fortiter  dilatatus,  latere  interiore  paullulo  coneavo, 
exteriore  modice  convexo;  a  latere  visus  ante  et  pone  modice 


666  VI.  Kulczyriski, 

et  fere  aequabiliter  convexus.  Digitus  mobilis  parum  brevior 
quam  truncus  articuli  2-di,  longior  quam  digitus  immobilis, 
cum  quo  foramen  fortasse  2x/2  longius  quam  latius  includit; 
acies  digitorum  inaequalis,  digitus  immobilis  ad  basim  dente 
forti  triangulari,  digitus  mobilis  dente  simili,  paullo  minore, 
longius  a  basi  remoto,  ornatus. 

Truncus  (paullo  contusus)  ca.  9-5  mm  longus,  inter  pedes 
IV  ca.  5-5  latus,  pedes  I  ca.  25%,  II  37,  III  268/4,  IV  371/«. 
pedum  I  femur  5*3,  patella  2*05,  tibia  4*3,  metatarsus  5, 
partes  respondentes  pedum  II  6-5,  2#3,  5*6,  5*7,  pedum  III 
4-5,  1-95,  3-6,  5-8,    IV  6-9,  2- 1,  4-9,  8«6  longae. 

E  maribus  ad  Ala  Schehir  lectis  (eheu  paullo  contusis) 
unus,  maximus,  inter  pedes  IV  58/4  mm  latus,  pedibus  I 
ca.  26V2,  II  37l  2,  III28\4,  IV408/4#ww  Iongis,  valde  similis 
est  mari  ad  Smyrnam  capti,  a  quo  non  differt  fere  nisi:  den- 
ticulis  cephalothoracis  et  abdominis  paullo  melius  evolutis 
tibiarum  I  vittis  granorum  latis  et  inter  se  fere  confusis, 
tibiae  III  carina  superiore  bene  expressa  et  paullulo  denticulata, 
femoribus  III  seriebus  denticulorum  quinque  (supra  sat  parvo- 
rum).  —  Duo  alii  feminis  similiores  sunt.  Eorum  alter  inter 
pedes  IV  ca.  5  latus,  pedibus  I  24*/4  (II  desunt),  III  26,  IV  37 1/2 
Iongis,  mandibulis  desuper  visis  2*9  Iongis,  earum  articulo 
1-mo  subter  dentibus  mediocriter  altis  sat  dense  instructo, 
articulo  2-do  4*3  longo,  1*5  lato  et  crasso,  a  medio  saltem 
apicem  versus  non  dilatato,  digitis  chelarum  inter  se  fere  con- 
tingentibus,  tibiis  pedum  etiam  I  evidentissime,  tibiis  III  ut  in 
priore  angulatis,  femoribus  I  seriebus  quinque  denticulorum 
plus  minusve  bene  evolutorum  et  in  latere  utroque  denticulis 
dispersis  (in  postico  paucis  modo  et  obsoletis),  vittis  granorum 
tibiae  I  mediocriter  evolutis,  parum  densis,  angustis,  exteriore 
basim,  interiore  ne  medium  tibiae  quidem  attingenti,  meta- 
tarso  I  apice  plane  non  deflexo,  femore  III  seriebus  quinque 
denticulorum  fortium,  patella  III  lineis  quinque,  tibia  III  linea 
una  in  carina  postica  superiore  modo,  tibia  IV  (in  carina  antica 
inferiore  fere  inermi)  lineis  quatuor  aculeorum  brevium  ornata. 
—  Tertium  exemplum  4  mm  latum,  pedibus  I  22,  II  33,  III  24, 
IV  35V4,  mandibulis  desuper  visis  2*2  Iongis,  earum  arti- 
culo 2-do  3*2  longo,  1  -0  lato,  1  -07  crasso,  latitudine  maximam 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  667 

partem  aequali,  articulo  1-mo  subter  basim  versus  denticulis 
parum  altis,  dispersis  ornato,  digitis  chelarum  similibus  atque 
in  priore.  Truncus  huius  exempli  fere  ut  in  feminis  denticulatus 
est,  femora  I  supra  leviter,  reliqua  subter  supraque  angulata, 
tibiae  omnes  angulatae,  patellae  III  et  IV  seriebus  quinque 
aculeorum  parvorum,  tibiae  I  subter  posterius  secundum  totam 
longitudinem,  anterius  ad  apicem  aculeis  paucis  minutis, 
tibiae  II  apice  subinermes,  IV  in  carina  inferiore  antica  spiculis 
minutis  dispersis  armatae,  metatarsi  III  fere  inermes;  ceterum 
pedes  ut  in  feminis  aculeati;  metatarsi  I  subter  apice  recti. 

Colore  (qui  non  satis  bene  conservatus  est)  mares  nostri  a 
feminis  pallidius  coloratis  non  multum  differunt.  Mandibularum 
articulus  1-mus  in  lateribus  et  subter  nigro-fuligineus,  supra 
prope  basim  avellaneus,  ceterum  fuligineus,  avellaneo  puncta- 
tus;  articulus  2-us  dorso  et  latere  exteriore  fuligineis,  latere 
interiore  umbrino,  nigro  striato,  digiti  apice  nigri,  basim  versus 
fuliginei,  ceterum  fulvo-umbrini;  pedes  I  magis  aequabiliter 
infuscati  quam  in  feminis. 

Platybunus  strigosus  (L.  Koch)?  olympicus  n. 

Mas,  qui  solus  notus  est,  a  Platybttno  strigoso  Cretensi 
imprimis  colore  multo  pallidiore,  forma  autem  parum  distinctus. 
Differunt  paullo  palpi  (fig.  40):  pars  patellaris  in  latere  interiore 
superiore  paullulo  minus  incrassata  et  paullo  minus  producta 
est,  angulo  paullulum  minus  (in  P.  strigoso  Cretico  paullo 
longius,  fig.  41)  anteriora  versus  pertinenti  quam  tuberculum 
illud,  quod  maginem  apicalem  medium  partis  tibialis  ornat  et 
cum  tuberculo  simili,  in  basi  partis  tibialis  sito,  contingit; 
partes  patellaris  et  tibialis  subter  inermes,  neque  illa  granis 
nigris  parce,  haec  abunde  ornata.  Articulus  secundus  mandibu- 
larum, qui  in  P.  strigoso  Cretico  supra,  sive  pone  marginem 
apicalem  articuli  1-mi  paullo  impressus  est  ita,  ut  genu  articuli 
huius  manifesto  angulatum  evadat.  non  impressus,  genu  rotun- 
dato;  paries  anticus  articuli  2-di  pilosus  modo,  neque  supra 
denticulis  paucis  ornatus.  Tibiae  modo  l  subter  spiculis  minutis 
modice  armatae,  ceterum  inermes,  in  P.  strigoso  Cretico  autem 
etiam  sex  posteriores  spiculis  parvis  mediocriter  instructae. 


068  VI.  Kulczyriski, 

Quum  dubium  videatur,  an  opilio  hie,  quem  nuper1  ut 
Platybunum  (Platylophum)  strigosum  L.  Koch  protuli,  revera 
huic  speciei  subiungendus  sit,  describendum  eum  censeo:2 

Truncus  maris  (plympici)  omm  longus,  3  latus,  dorso 
cephalothoracis  dense,  abdominis  sat  dense,  subtiliter  granulato 
in  parte  anteriore,  in  posteriore  sublaevi,  sive  hie  praeter  granula 
minutissima,  densissime  conferta,  granulis  maioribus  nullis  aut 
vix  Ullis  ornato.  Cephalothorax  denticulis  medioeribus  acutis, 
sub  apice  setulam  gerentibus  instruetus:  in  parte  media  antica 
ca.  8,  inter  sulcos  laterales  et  tuber  oculorum  utrimque  5 — 7, 
ad  angulos  anticos  3,  in  margine  laterali  4—6,  pone  tuber 
oculorum  ca.  10  in  seriem  transversam  dispositis;  segmentum 
cephalothoracis  postremum  et  dorsum  abdominis  inermia. 
Tuber  oculorum  0*8  latum  (cum  oculis),  0'65  longum,  0*42 
altum,  a  margine  antico  cephalothoracis  ca.  0*52  remotum, 
supra  profunde  et  late  sulcatum,  denticulis  modice  magnis, 
conicis,  sub  apice  setulam  gerentibus  instruetum  utrimque  6 
aut  7  et  modo  in  fronte  modo  etiam  pone  denticulo  unominuto; 
series  denticulorum,  paullo  inaequabiliter  et  sat  fortiter  foras 
curvatae,  pone  insigniter  magis  a  ce  discedunt  quam  ante. 
Spatium  supramandibulare  denticulis  duobus  inter  se  proximis 
ornatum.  Mandibtilae  medioeres,  desuper  visae  ca.  M5  longae, 
articulo  2-do  1*8  longo;  earum  forma  vulgaris;  articulus  1-mus 
supra  denticulis  similibus  atque  in  cephalothorace  ca.  8,  seeun- 
dus  in  genu  denticulo  uno  instruetus.  Palporum  pars  femoralis 
supra  1  *35,  patellaris  0*95  longa,  haec  basi  0*32,  apice  0*52 
lata  (desuper  visa),  tibialis  0*90  longa,  maximam  partem  0*42 
lata,  ipsa  basi  paullulo  angustata,  tarsalis  1*95  longa;  pars 
femoralis  basi  deorsum   producta  in  conum  ca.  0*3  longum, 


1  Bulletin  de  l'Academie  des  sciences  de  Cracovie,  1903,  p.  57. 

»  Nescio  an  non  recte  speciem  hanc  generi  Platybuno  adscripserim. 
Tuber  oculorum  magnum  quidem  est,  sed  minus  non  solum  quam  ex.  gr.  in 
PI.  bueephalo  (C.  L.  Koch),  sed  etiam  in  PI.  cornigero  (Herrn.);  forma  partis 
patellaris  et  tibialis  palporum  femina  melius  fortasse  cum  Dasylobis  convenit 
quam  cum  Platybuuis,  mas  differt  a  Dasylobis  et  a  Platybunisl  Forma  pal- 
porum (praesertim  partis  femoralis)  species  haec  ad  Dasylobum  eremitam 
E.  Simon  (Comptes  rendus  Soc.  entomol.  de  Belgique,  1878)  accedit,  qui 
item  tubere  oculorum  magno  differt  a  plerisque  Dasylobis. 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  669 

paullulo  longiorem  quam  latiorem,  angulo  apicali  interiore 
pauilo  prominenti,  in  margine  apicali  supra,  in  dorso,  praesertim 
autem  in  latere  exteriore  et  inferiore  denticulis  breviter  conicis, 
plerisque  basi  setulam  gerentibus,  dispersis  ornata;  denticulis 
similibus  paucis  pars  patellaris  supra  et  in  latere  exteriore, 
basim  versus  instructa  est;  pars  haec  in  latere  superiore 
interiore  modice  dilatata  et  maximam  partem  peniculato-pilosa, 
angulo  apicali  interiore  processum  pone  apicem  partis  pro- 
minentem non  formanti;  pars  tibialis  paene  cylindrata,  paullu- 
lum  deorsum  curvata,  inermis,  in  latere  interiore  fere  toto 
peniculato-pilosa;  pars  tarsalis  in  latere  inferiore  interiore  fere 
toto  dense  nigro  granulata,  et  granulis  similibus  in  latere 
inferiore  exteriore  prope  apicem  ornata.  Pedes  1  ca.  1972,  II  33, 
III  21s/4,  IV  ?,  pedum  I  femur  3*9,  patella  1-2,  tibia  3-1, 
metatarsus  4  •  5,  pedum  II  partes  respondentes:  6-4,  1*6,  5*5, 
7-1,  pedum  III:  41,  1-25,  3-1,  5-3,  IV:  5-8,  1-4,  4-1,  7-5 
longae.  Pedes  I  reliquis  vix  crassiores;  femora  et  metatarsi 
subcylindrata,  tibiae  pentagonae,  in  angulis  modo,  qui  sat 
obtusi  sunt,  pilosae;  margo  apicalis  superior  femorum  et  patel- 
larum  ornatus  denticulis,  parvis  in  illis,  mediocribus  in  his; 
femora  non  dense  instructa  denticulis  parvis  aut  minutis, 
breviter  triangularibus,  subadpressis,  nigricantibus,  et  ad 
denticulum  quemque  setula  parva;  in  femore  quoque  denticuli 
series  quinas  formant,  praeterea  sat  multi  latus  anticum  femo- 
ris  I,  sat  pauci  latus  posticum  femoris  I  et  IV  et  latus  utrumque 
femoris  II  et  III  ornant;  patellae  supra  subinermes,  tibiae  II 
et  IV  inermes,  I  subter  utrimque,  III  subter  ad  latus  posticum 
denticulis  minutis  non  multis  aut  paucissimis  instructae. 

Cephalothorax  melleo-albidus,  umbrino  maculatus:  in 
parte  media  antica  lineae  duae,  spatio  angustissimo  disiunctae, 
ad  marginem  anticum  angustae,  pone  pauilo  latiores,  tuber 
oculorum  fere  attingunt;  ad  eas  utrimque  lineola  brevis  ad 
ipsum  marginem  anticum  conspicitur;  ad  angulos  anticos 
macula  parva  obscurior,  in  partibus  marginalibus  maculae 
pallidiores  oblongae  utrimque  tres  (inter  pedes  paris  I  et  II, 
II  et  III,  III  et  IV),  inter  tuber  oculorum  et  sulcum  sub- 
marginalem maculae  utrimque  tres,  plus  minusve  in  puncta 
divulsae,  anticae  et  posticae  fere  in  longitudinem,  mediae  ab 


670  VI.  Kulczyriski, 

oculis  versus  orificia  glandularum  foetidarum  directae;  cum 
margine  postico  tuberis  oculorum  linea  coniungitur  transversa, 
paullo  inaequalis,  in  medio  paullo  interrupta,  in  lateribus  ab- 
breviata  et  paullo  anteriora  versus  curvata;  ad  marginem 
posticum  segmenti  postocularis  1-mi  linea  tenuis  abbreviata  et 
interrupta.  Tuber  oculorum  circa  oculos  nigrum.  Abdomen 
supra  in  Universum  dilute  umbrino-cinereum:  fulvo-cinereum, 
colore  flavido-albo  abunde  punctatum  et  variegatum  et  colore 
umbrino  leviter  pictum  praesertim  in  lateribus;  ephippii  vix 
vestigia  ulla  cernuntur:  modo  margines  eius  in  segmento  1-mo 
umbrini  distincti  sunt,  paralleli;  in  segmentis  insequentibus 
color  ephippii  perparum  differt  a  colore  laterum  et  margines 
perparum  expressi  sunt;  in  segmento  1-mo  ephippium  circiter 
%  latitudinis  trunci  occupat,  in  2-do  subito  dilatatum  est, 
in  3-o,  4-o,  5-o  angustius  quam  in  1-mo,  lateribus  subparallelis, 
pone  rotundato-truncatum.  Subter  truncus  avellaneo  albidus, 
fulvo  punctatus  in  basi  et  in  lateribus  posticis  coxarum; 
segmenta  ventralia  in  margine  antico  linea  pallide  umbrina, 
interrupta,  et  in  lateribus  punctis  umbrinis  paucis  ornata. 
Mandibttlarum  et  pedum  color  dominans  dilute  ochroleucus 
dici  podest,  palporum  magis  albidus;  mandibularum  articulus 
1-mus  supra  magis  albidus,  umbrino  punctatus,  articulus 
secundus  in  laterum  parte  superiore  umbrino  transverse 
lineatus;  palporum  partes  patellaris  et  tibialis  supra  punctis 
umbrinis  in  vittam  longitudinalem  conflatis  ornatae,  illa  in 
latere  interiore  paullulo,  praesertim  apicem  versus,  infuscata, 
et  in  latere  exteriore  apicem  versus,  haec  ad  basim  lateris 
interioris  umbrino  punctata,  latus  exterius  partis  tibialis  um- 
brino maculatum.  Pedum  femora  patellae  tibiae  apice  colore 
albo  paullo  picta;  femora  apicem  versus  obsolete  fulvo  lineata 
et  prope  medium  vestigio  annuii  fulvi  ornata;  patellae  colore 
fulvo  fortius  pictae  et  plus  minusve  umbrino  punctatae;  tibiae 
annullo  subapicali  lato  fulvo,  parum  expresso,  obscurius 
punctata,  et  posteriores  saltem  in  dimidio  basali  annulo  fulvo, 
etiam  minus  distincto,  angustiore  ornatae. 

Mas  in  insula  Creta  lectus  in  parte  media  antica  cephalo- 
thoracis  denticulis  ca.  20  ornatur.  Eius  tuber  oculorum  (paul- 
lulo maius:  0*88  latum,  0-68  longum,  a  margine  antico  O'öo 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  67 1 

remotum)  utrimque  denticulis  9 — 10  instructum  est  In  articulo 
1-mo  mandibularum  dentes  ca.  10,  in  latere  antico  articuli  2-di 
ca.  8.  Palporum  pars  femoralis  in  omnibus  fere  lateribus  denti- 
culis mediocribus  et  parvis  ornata,  pars  patellaris  supra  basim 
versus,  in  latere  exteriore,  subter  sat  abunde,  tibialis  subter 
abunde  denticulata,  denticulis  brevibus  nigris.  Tibiae  pedum 
omnes  in  angulis  plus  minusve  denticulatae,  denticulis  minutis- 
simis  aut  parvis. 

Pictura  similis  atque  maris  Bithynici,  color  multo  ob- 
scurior.  Ephippium  in  abdomine  optime  expressum,  fuligineum, 
colore  albo  inaequabiliter  limbatum,  punctis  albis  in  series 
transversas  inconditas  congestis  paullo  pictum;  etiam  pars 
ephippii  in  cephalothorace  sita  a  partibus  lateralibus  pallidiori- 
bus  (pallide  umbrinis  et  avellaneis,  variegatis)  bene  distincta, 
quamquam  pallidior  quam  in  abdomine,  umbrina,  colore  ob- 
scurius  umbrino  obsolete  variegata  et  punctis  albis  paucis 
minutis  adspersa,  fere  pentagona,  anteriora  versus  primo  leviter 
dilatata,  tum  magis  subito  angustata,  latior  quam  in  abdomine; 
pictura  evidentiore  pars  anterior  ephippii  caret,  exceptis  lineis 
duabus  obscurius  umbrinis  marginem  anticum  medium  cephalo- 
thoracis  cum  tubere  oculorum  coniungentibus  (cum  apicibus 
anticis  earum  lineolae  illae  laterales  brevissimae,  quae  in 
P.  strigoso  bithynico  distinctissimae  sunt,  confusae  videntur). 

Tuber  oculorum  umbrinum,  linea  media  et  denticulis  albidis. 
Abdominis  pars  media  pone  ephippium  sita,  cinereo-albida,  in 
segmentis  6-o  et  7-o  macula  oblonga  umbrina,  albo-punctata 
ornata,  pallidior  quam  partes  laterales  abdominis,  quae  um- 
brinae,  albo-punctatae  sunt.  Ventris  segmentum  quodque  pone 
cinereo-umbrinum,  anteriora  versus  inaequabiliter  pallidius; 
inter  se  segmenta  haec  lineis  umbrinis  interruptis  distinguuntur. 
Processus  Sternalis  avellaneus.  Coxae  subter  colore  eodem, 
abunde  fulvo  punctatae  basim  versus,  apice  sat  late  umbrinae; 
trochanteres  subter  avellanei.  Mandibularum  articulus  basalis 
supra  umbrinus  et  fuligineus,  avellaneo  variegatus,  in  lateribus 
fusco-avellaneus;  articulus  2-dus  albido-melleus,  supra  et  in 
latere  antico  supremo  colore  fuligineo  tinctus  et  vitta  media 
alba  ornatus,  ceterum  ut  in  P.  strigoso  Bithynico  pictus.  Palpi 
melleo-albidi,  parte  femorali  subter,  basi  et  apice  exceptis,  fere 

Sitzb.  d.  roathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  43 


672  VI.  Kulczynski, 

nigra,  supra  levius  infuscata,  parte  patellari  subter  leviter,  in 
processu  autem,  praesertim  apicem  versus,  insigniter  infuscata; 
partis  tibialis  latus  interius  infra  fuligineum;  ceterum  partes 
patellaris  et  tibialis  ut  in  priore  pictae.  Etiam  pedes  similem  in 
modum,  sed  colore  multo  obscuriore  picti;  eorum  femora 
apicem  versus  fuliginea,  basim  versus  umbrino-mellea,  apice 
albida,  in  dimidio  apicali  annulo  avellaneo  distinctissimo 
omata;  patellarum  color  similis  atque  partis  apicalis  femorum 
aut  paullo  obscurior;  tibiae  apice  supra  sat  anguste  albidae, 
colore  ceterum  annulos  quatuor  plus  minusve  distinctos  for- 
manti:  subapicalem  umbrinum,  subbasalem  eo  paullo  pallidio- 
rem,  submedium  umbrino-albidum,  basalem  dilute  umbrinum 
(reliquis  minus  expressum);  metatarsi  et  tarsi  pallide  fulvi, 
articulis  apicem  versus  infuscatis. 

Truncus  5*9 mm  longus,  3  latus,  pedes  I  2072>  II  37, 
III  23,  IV  32,  pedum  I  femur  4*1,  patella  1-3,  tibia  3 -4,  meta- 
tarsus  4*7,  pedum  II  partes:  7 -5,  1 -6,  6*0,  8*3,  pedum  III: 
43,  1-3,  3-4,  5-5,  IV:  6*5,  1  -45,  4*5,  8-3  longae. 

Fe m in a  (in  insula  Creta  lecta). 

Praeter  formam  trunci  paullo  aliam  et  pedes  breviores 
femina  differt  a  mare  imprimis  forma  palporum:  partis  femoralis 
angulus  apicalis  interior  (peniculato  pilosus)  fortius  prominet, 
cum  eo  pars  haec  fere  duplo  latior  est  quam  in  medio  (0*58  et 
0*32  lata,  in  mare  ne  dimidio  quidem  latior:  0*49  et  0*36); 
pars  patellaris  (fig.  42)  in  latere  superiore  interiore,  quod  totum 
peniculato  pilosum  est,  in  processum  producta  insigniter  pone 
apicem  prominentem;  pars  tibialis,  tamquam  processu  hoc 
impressa,  non  cylindrata  fere,  sed  apicem  versus  inaequabiliter 
dilatata,  latere  interiore  sigmoideo,  in  parte  apicali  maiore 
dense,  sub  processu  patellari  vero  non  peniculato  pilosa.  Den- 
ticuli  in  articulo  2-do  mandibularum  4 — 5,  in  tubere  oculorum 
utrimque  7  aut  8,  non  alti;  palporum  pars  femoralis  supra  et  in 
latere  exteriore  inferiore  denticulis  brevibus  nigris,  basi  setam 
gerentibus,  non  multis,  subter  papillis  erectis,  insigniter  longiori- 
bus  quam  latioribus,  in  apice  setula  ornatis,  inaequalibus, 
ca.  4 — 5  instructa;  partes  patellaris  tibialis  tarsalis  inermes. 
Pedum  denticuli  femorales  subter  siti  parum  evoluti,  femora  IV 
inter   series    laterales    inermia;    patellarum    dorsum    modo   in 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  673 

pedibus  III  et  IV  denticulis  paucissimis  minutis  ornatum; 
tibiae  I  inermes,  II  subinermes,  III  parum,  IV  mediocriter  denti- 
culatae. 

Truncus  71/2  mm  longus,  abdomen  4  latum,  pedes  I  17V4i 
II  32,  III  20,  IV  27 V2,  pedum  I  femur  3-2,  patella  1-2, 
tibia  3-0,  metatarsus  4 -2,  pedum  II  partes  6*4,  1  -55,  5 -6,  7*0, 
pedum  III:  3*5,  1-2,  3-0,4*9,  IV:  5-6,  1-35,4-1,  7-0  1ongae. 
Palporum  pars  femoralis  supra  1  *  4  longa,  patellaris  in  linea 
media  0-95,  in  latere  interiore  (cum  processu)  1-10  longa, 
desuper  visa  basi  0-32,  ad  apicem  0-58  lata,  tibialis  0*90  longa, 
basi  0*29,  prope  apicem  0*48  lata,  tarsalis  1*95  longa.  Man- 
dibulae  desuper  visae  1*1  longae. 

Color  feminae  unicae,  quam  vidi,  eheu  non  bene  con- 
servatus.  Ephippium  in  abdomine  optime  expressum  fuisse 
videtur,  in  cephalothorace  minus  definitum  et  in  maculas  divul- 
sum.  Tuber  oculorum  obscure  avellaneum,  partibus  vicinis 
cephalothoracis  evidenter  pallidius.  Mandibularum  color  similis 
atque  in  mare,  pallidior.  Palporum  pars  femoralis  subter  leviter 
modo  infuscata,  in  latere  exteriore  macula  oblonga,  supra  linea 
umbrina  ornata;  partis  patellaris  et  tibialis  color  similis  atque 
in  mare  Bithynico.  Pedes  pallidiores,  in  tibiis  abundius  umbrino 
punctati,  similem  in  modum  fere  atque  in  mare  annulati  (annulis 
umbrinis  obscurioribus  et  pallidioribus,  singulis  in  patellis  et 
binis  in  femoribus  et  tibiis  ornati). 

Nemastoma  Werneri  n.  sp. 

Nemastoma  hoc  valde  affine  est  Nemastomatibas:  Sillii 
O.  Herrn,  et  Kochii  Now.  (et  quadripunctato  [Perty])  et 
fortasse  cum  prioribus  ut  subspecies  coniungendum. 

A  Nemastomate  Kochii  differt  iV.  Werneri  statura  maiore 
(truncus  feminae  5— 5- 1  mm  longus,  3-6  —  3*9  latus,  exempli 
trunco  5-0  longo,  pedes  I  103/4,  II  1778,  III  ca.  11,  IV  143/4, 
pedum  I  femur  2*2,  patella  0*85,  tibia  1*6,  metatarsus  2-95, 
pedum  II  partes  3*5,  1-05,  2-65,  5*8,  pedum  III  2*5,  0-9, 
1-8,  3*2,  IV  3-5,  1  *0,  2*  1,  4*4,  palporum  pars  femoralis  1-65, 
patellaris  1  •  4,  tibialis  1*15,  tarsalis  0  •  8  longa),  dorso  plane 
inermi  aut  in  scuto  dorsuali  vix  vestigiis  ullis  tuberculorum 
modo  2,  modo  2.2  ornato,  pictura  (fig.  43):   Truncus  supra 

43* 


674  Vi.  Kulczynski, 

nigerrimus,  colore  aurato  pictus;  tuber  oculorum  linea  mediana 
ornatum,  pone  id  in  linea  mediana  inter  pedes  III  nonnunquam 
lineolae  duae  subtiles  transversae,  altera  pone  alteram  sitae, 
cernuntur;  ad  partem  anteriorem  tuberis  utrimque  initium 
capiunt  maculae  secundum  marginem  cephalothoracis  anticum 
et  lateralem  anteriorem  curvatae,  ab  eo  spatio  angusto  in- 
aequali  distinctae,  usque  ad  coxas  II  angustae,  paullo  flexuosae, 
tum  modice  dilatatae,  pone  —  ad  marginem  anticum  coxarum 
III  —  transverse  truncatae,  supra  coxas  II  puncto  nigro  ornatae, 
quod  punctum  saepe  cum  limbo  marginali  nigro  coniungitur; 
ad  angulum  posticum  utrumque  scutum  dorsuale  ornatur  fascia 
brevi  transversa  et  paullo  ante  eam,  medio  paullulo  propius, 
macula  plus  minusve  V-formi,  transversa,  apice  foras  directa, 
nonnumquam  interrupta;  non  procul  a  linea  mediana  partis 
posterioris  scuti  puncta  aurata  6,  anteriora  posterioribus  minus 
distincta,  series  formant  duas  inter  se  subparallelas;  puncta 
similia  6,  paullo  maiora  et  plus  minusve  transversa,  in  segmen- 
tis  dorsi  liberis  lineas  designant  duas  pone  a  se  paullo  dis- 
cedentes.  In  lateribus  scuti  dorsualis  puncta  aurata  parva, 
utrimque  ca.  6,  mediocriter  expressa,  nonnunquam  maximam 
partem  evanescentia,  angulum  posticum  interiorem  maculae 
anticae  cum  macula  V-formi  postica  coniungunt;  e  punctis 
plerumque  reliquis  melius  expressa  sunt  duo  prope  maculam 
anticam,  alterum  iuxta  alterum,  sita.  Margines  interiores  macu- 
larum  anticarum  arcus  formant  paullo  inaequales,  in  parte 
postica  inter  se  paene  parallelos  aut  leviter  modo  appropin- 
quantes.  Articulus  basalis  mandibularum  supra  colore  fuligineo 
fortiter  tinctus.  Palpi  basi  pallide  flavidi,  parte  femorali  apice 
plerumque  sat  fortiter  infuscata,  partibus  patellari  tibiali  tarsali 
gradatim  obscurioribus  (pars  patellaris  plerumque  manifesto 
pallidior  quam  apex  partis  femoralis,  pars  tarsalis  nonnunquam 
fuliginea). 

Nemastotnatis  Kochii  truncus  feminae  4*5—4*9  (ovis  dis- 
tentus)  longus,  3  *  0  latus,  inter  pedes  IV  pari  tuberum  ornatur 
fortium,  basi  inter  se  in  eminentiam  magnam  transversam,  in 
fronte  sulco  recurvato  deflnitam,  coniunctis;  tuberahaec  in  Uni- 
versum conica,  saepissime  evidenter  in  partes  duas  divisa  sunt: 
basalem   conicam   aut   semigloboso-conicam   et   apicalem   sat 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  675 

brevem,  paene  cylindratam,  apice  breviter  acuminatam.  Pone 
haec  tubera  scutum  dorsuale  nonnunquam  vestigiis  tubercu- 
lorum  duorum  aliorum  ornatur.  Exemplum  Nemastomatis 
Kochii  tuberibus  supra  descriptis  carens  ad  hoc  tempus  non 
vidi.  —  Trunci  partes  dorsuales,  quae  durae  sunt,  nigrae,  minus 
abunde  colore  aurato  pictae  quam  in  priore  (fig.  44);  lineolas 
medias  pone  tuber  oculorum  sitas  non  vidi;  puncta  12  (anteriora 
saepe  obsoleta)  lineae  medianae  propinqua,  in  scuti  dorsualis 
parte  posteriore  et  in  segmentis  liberis,  similia  atque  in  priore, 
sed  sex  posteriora  fortasse  constanter  rotundata,  neque  trans- 
versa; tuber  oculorum  linea  media,  saepe  evanescenti,  ornatur; 
maculae  anticae  laterales  scuti  dorsualis  modo  plane  desunt, 
modo  utraque  e  punctis  aut  vittis  parvis,  una  aut  tribus,  constat, 
supra  coxas  II  et  III  sitis,  forma  variantibus,  inter  se  saepe  plus 
minusve  et  varium  in  modum  confusis,  sed  —  ni  fallor  —  nun- 
quam  cum  tubere  oculorum  linea  aurata  coniunctis.  Pictura 
angulorum  posticorum  scuti  dorsualis  mutabilis,  e  vittis  brevi- 
bus  saepissime  constat,  posteriore  foras  et  retro,  et  anteriore 
(non  raro  evanescenti)  foras  et  anteriora  versus  directa,  inter  se 
non  raro  in  V  inaequale,  apice  intus  directum  coniunctis.  In 
lateribus  scuti  puncta  (minuta)  maculis  posticis  et  anticis 
interiecta  modo  nulla,  modo  utrimque  unum  aut  duo.  Articulus 
basalis  mandibularum  fulvus,  supra  colore  fuligineo  leviter 
aut  vix  tinctus.  Palpi  flavidi,  apicem  versus  non  aut  vix 
obscuriores. 

Difficilius  distinguitur  Nemastoma  Werneri  a  N.  Silin,1 
hoc  enim  armatura  dorsi  valde  variat  Huius  statura  media  fere 
inter  N.  Werneri  et  N.  Kochii  (truncus  feminae,  ovis  non 
distentus,  4*4— 4*8  longus,  3*4— 3*7  latus,  post  ovipositio- 
nem  (?)  3  •  0  latus).  Dorsum  tuberibus  et  forma  valde  variantibus 
ornatum.  Exemplum,  quod  tuberibus  plane  careat,  non  vidisse 
videor;  plerumque  inter  pedes  IV  tubera  duo  sita  sunt,  valde 
variantia,  modo  humilia  obtusa,  modo  plus  minusve  alta  et  fere 
cylindrata  aut  e  parte  basali  late  aut  elongate  conica,  et  e  parte 
apicali  cylindrata  fere  aut  anguste  ovata  composita;  pone  haec 

*  Huius  speciei  synonymum  est  Nemastoma  gigas  Sörensen  (Termesze- 
trajzi  Füzetek,  1894). 


676  VI.  Kulczyriski, 

tubera  plerumque  vestigia  tuberculorum  duorum  aliorum  aut 
quatuor  cernuntur;  nonnunquam  etiam  haec  tubercula  quatuor 
aut  duo  anteriora  saltem  non  male  evoluta  sunt,  quamquam 
anticis  multo  minora;  in  feminis  et  in  maribus  nonnunquam  in 
pariete  antico  tuberum  anticorum  dorsum  tuberibus  etiam  duo- 
bus,  minoribus,  sed  optime  evolutis,  inter  se  paullo  propioribus 
ornatur,  ita,  ut  dorsum  quatuor  paribus  tuberum  instructum  sit. 

Ceterum  differt  Nemastoma  Sillii  a  N.  Werneri  paullo 
sculptura  tuberis  oculorum  et  mandibularum ;  grana,  quibus 
tuber  oculorum  ornatur,  praesertim  in  parte  superiore  antica, 
insigniter  maiora  sunt  quam  granula  scuti  dorsualis  et  non  aut 
vix  minora  quam  grana  scutuli  medii  mandibulis  et  margini 
antico  cephalothoracis  interiecti;  mandibularum  articulus  1-mus 
desuper  visus  in  latere  exteriore  prope  basim  granis  ornatur 
aeque  circiter  magnis  atque  grana  scutuli  commodo  commemo- 
rati,  insigniter  itaque  inaequalis.  Nemastomatis  Werneri  tuber 
oculorum  granis  ornatur  non  aut  parum  maioribus  quam 
granula  scuti  dorsualis  et  evidenter  minoribus  quam  grana 
scutuli  supramandibularis;  latus  exterius  articuli  1-mi  mandibu- 
larum desuper  adspectum  inerme  aut  denticulis  minutis  modo 
ornatum  videtur. 

Color  Nemastomatis  Sillii  (fig.  45)  paullo  mutabilis  notas, 
quae  ad  distinguendam  hanc  speciem  a  N.  Werneri  sufficiant, 
non  praebet,  quamquam  exempla  pleraque,  quae  vidi,  differunt 
a  AT.  Werneri  paullo  forma  maculae  aureae  anticae  lateralis. 
Maculae  eae  (utrimque  duae),  quae  in  linea  transversa  margines 
posticos  coxarum  II  coniungenti  et  paullulo  pone  eam  sitae  et 
in  N.  Werneri  parvae  aut  minutae  et  neque  inter  se  neque  cum 
macula  ante  eas  sita  coniunctae  sunt  (in  exemplis  paucis 
saltem,  quae  vidi),  in  exemplis  laetius  coloratis  N.  Sillii  lineolas 
saepissime  formant  obliquas,  inter  se  in  V  obliquum,  apice 
foras  et  paullo  retro  directum  et  cum  apice  postico  interiore 
maculae  anterioris  coniunctas,  ita,  ut  macula  haec  posteriora 
versus  longius,  usque  ad  lineam  transversam  margines  posticos 
coxarum  IV  coniungentem,  producta  sit  'et  intus  fortius  ex- 
cavata  (margines  interiores  macularum  anticarum  insigniter 
inter  se  appropinquant  in  parte  postica).  Sed  omnino  non  raro 
modo    crus    posterius    solum    maculae  V-formis,   modo   crura 


Arachnoidea  in  Asia  Minore.  677 

amba  abrupta  et  plus  minusve  deleta  sunt  et  color  partis 
anterioris  trunci  idem  est  in  N.  Sillii  et  N.  Werneri.  In  exemplis 
Ar.  Sillii  minus  abunde  colore  aureo  pictis  crus  anticum  macu- 
larum  illarum  V-formium,  quae  angulos  posticos  scuti  dorsualis 
ornant,  deletum  est  et  anguli  illi  vittis  duabus  brevibus, 
posteriore  foras  et  retro,  anteriore  foras  et  anteriora  versus 
directa,  picti  sunt;  quod  quidem  in  N.  Werneri  non  vidi.  — 
Palpi  Xemastomatis  Sillii  plerumque  toti  pallidi,  nonnunquam 
tarnen  manifeste  apicem  versus  infuscati. 

Nemastoma  quadripunctatutn  secundum  exempla  pauca, 
quae  vidi,  paribus  tuberum  tribus  ornatur  in  scuto  dorsuali, 
humilibus  sed  manifestis,  posticis  melius  evolutis  quam  anticis 
(in  feminis;  in  maribus  contra  antica  maiora  sunt  et  plus 
minusve  acuta;  nonnunquam,  praesertim  in  maribus,  paria 
tuberum  quatuor  adsunt,  anticum  perparum  evolutum).  Tuber 
oculorum  granis  instructum  est  non  multo  maioribus  quam 
granula  scuti  dorsualis  et  insigniter  minoribus  quam  grana 
scutuli  supramandibularis  medii.  Pictura  pallida  dorsi  (flg.  46) 
e  maculis  imprimis  constat  quatuor  inter  pedes  parium  III  et  IV 
sitis,  mediocribus,  inter  se  per  paria  coniunctis  aut  proximis, 
paullo  variantibus,  posterioribus  lineae  medianae  paullo  pro- 
pioribus,  maioribus,  plerumque  subquadrangularibus,  anteriori- 
bus  magis  triangularibus;  prope  angulos  posticos  scuti  dor- 
sualis vittae  breves  utrimque  duae,  altera  angulo  et  margini 
postico  propior,  foras  et  paullo  retro,  altera  foras  et  paullo* 
anteriora  versus  directa.  Ad  marginem  posticum  scuti  et  in 
segmentis  dorsi  liberis  puncta  flava  aut  paullulo  aurata  utrim- 
que quatuor  (postrema  saepe  obsoleta),  in  series  duas  sub- 
parallelas  digesta.  Tuber  oculorum  macula  aut  linea  fulva, 
nonnunquam  parum  expressa  ornatum.  Ad  marginem  anticum 
scuti  dorsualis  prope  tuber  oculorum  utrimque  fascia  fulva 
transversa,  mediocriter  expressa,  plerumque  conspicitur.  Non- 
nunquam puncta  omnia  aut  etiam  maculae  posteriores  scuti 
dorsualis  et  vittae  margini  antico  proximae  evanescunt;  in  aliis 
contra  vittae  commodo  commemoratae  optime  expressae, 
aüratae,  cum  maculis  quatuor  principalibus  linea  aurata  con- 
iunguntur;  pars  haec  picturae  tum  non  parum  similis  est  parti 
respondenti  in  Nemastomatibas  Sillii  et  Werneri. 


678  VI.  Kulczyriski, 

Mas  Nemastomatis  Werntri  ignotus. 

Euscorpius  carpathicus  (L.). 

Exemplum  Constantinopoli  lectum  certo  non  adultum  est, 
pallide  coloratum,  ca.  29  mm  longum,  ab  exemplis  (adultis)  in 
Hungaria  meridionali  lectis  praesertim  distinctum  parte  femorali 
palporum  supra  subtiliter  granulata  (granulis  maioribus  paucis 
modo  prope  marginem  posticum  ornata)  et  cauda  paullo 
graciliore:  segmentum  4-um  et  5-um  1*17  alta,  subter  illud 
2*33,  hoc  3-72  longum,  4-um  itaque  duplo  longius,  5-um 
paullo  plus  triplo  longius  quam  altius ;  in  Euscorpio  carpathico 
e  Hungaria  meridionali  segmenta  respondentia:  1*33 — 1*52, 
1-39—1  -62  alta,  2-46—2-59,  3-89—4-18  longa,  4-um  itaque 
non  duplo  longius,  5-um  non  triplo  longius  quam  altius. 

Euscorpius  germanus  (C.  L.  Koch). 

Statura,  colore  obscuro,  parte  cephalothoracis  antica  et 
tubere  oculorum  laevibus,  parte  femorali  palporum  supra  modice 
subtiliter  granulata,  forma  caudae  convenit  Euscorpius  ger- 
manus ad  Adampol  lectus  cum  exemplis  typicis  (e  Tirolia 
meridionali),  differt  autem  ab  eis  parte  tibiali  subter  tricho- 
bothriis  6  (neque  5  solum)  ornata  et  forma  costae,  quae  manum 
aversam  extrinsecus  limitat;  haec  in  Euscorpio  germano  typico 
ab  imo  adspeeta  reeta  videtur,  revera  prope  digitum  mobilem 
leviter  sursum  (foras)  curvata  eius  marginem  exteriorem  attingit, 
non  raro  autem  prope  trichobothrium  quartum  ramulum  emittit 
plus  minusve  expressum,  versus  basim  mediam  digiti  mobilis 
directum  (fere  ut  in  Eu.  mingrelico  Birula!);  trichobothrium 
4-um  ita  situm  est,  ut  carina,  de  qua  agitur,  si  reeta  esset, 
trichobothrium  hoc  in  partes  duas  aequales  dissecaret;  carina 
respondens  E.  germani  ad  Adampol  lecti  paullo  mutabilis  est: 
modo  prope  trichobothrium  quartum  modice  sursum  flexa  cum 
margine  exteriore  digiti  mobilis  coniungitur,  modo  non  curvata 
versus  basim  fere  mediam  digiti  huius  extenditur  (quam  tarnen 
non  plane  attingit),  modo  denique  ad  trichobothrium  evanescit 
aut  in  eius  margin  es  elevatos  abit  potius;  si  reeta  et  non 
furcata  esset  haec  carina,  trichobothrium  quartum  non  secaret 
sed  latus  eius  interius  attingeret.    Quod  itaque  carinam  manus 


Aracbnoidea  in  Asia  Minore.  Ö79 

aversae  attinet,  similis  est  Euscorpius  germanus  noster  Eu.  cili- 
ciensi  Birula  et  Eu.  mingrelico  Kessler  (nescio,  utri  eorum 
propior!),  corporis  sculptura  similior  est  Eu.  ciliciensi,  colore  et 
trichobothriis  partis  tibialis  propius  ad  Eu.  mingrelicum  accedit. 


Explicatio  flgurarum. 

1.  Eresus  niger  (Pet.),  apex  bulbi  genitalis  sinistri  ab  imo 
visus. 

2.  Eadem  pars  a  latere  exteriore  visa. 

3.  Eresus   Walckcnaeri  Brülle,   bulbi  genitalis  sinistri 
pars  apicalis  a  latere  exteriore  visa. 

4.  Prosthesitna  Olympi  n.  sp.,  epigyne. 

5.  Prosthesitna  ialpina  L.  Koch,  epigyne. 
6  et  7.  Gnaphosa  bithyuica  n.  sp.,  epigynae. 

8.  Gnaphosa  petrobia  L.  Koch,  epigyne. 

9.  Gnaphosa  bithynica  n.  sp.,  partes  tibialis  et  tarsalis 
palpi  dextri  maris  a  latere  exteriore  visae. 

10.  Eiusdem  palpi  pars  tarsalis  ab  imo  visa. 

1 1 .  Tetragnatha  extensa  (L.),  pars  apicalis  bulbi  genitalis 
et  laminae  tarsalis  (#)  palpi  dextri,  a  latere  exteriore  visa 
{cd  =  conduetor  emboli). 

12.  Tetragnatha  Solandrii  (Scop.),  pars  apicalis  con- 
duetoris  emboli  dextri  a  latere  exteriore  visa. 

13.  Tetragnatha  nigrita  Lendl,  pars  apicalis  conduetoris 
emboli  dextri  a  latere  exteriore  visa. 

14.  Eadem  pars  ab  imo  et  paullulo  a  fronte  visa. 

15.  Tetragnatha  pinicola  L.  Koch,  pars  apicalis  con- 
duetoris emboli  a  latere  exteriore  visa. 

16.  Tetragnatha  obtusa  C.  L.  Koch,  pars  apicalis  con- 
duetoris emboli  a  latere  exteriore  visa. 

17.  Eadem  pars  ab  imo  visa  (//  =  lamina  tarsalis). 

18.  Tetragnatha  obtusa  forma  propior  Kulcz.,  pars  api- 
calis conduetoris  emboli  dextri  a  latere  exteriore  visa. 

19.  Heriaeus  hirtus  (C.  L.  Koch),  pars  tarsalis  palpi  dextri 
maris  ab  imo  visa. 

20.  Eiusdem  speciei  pars  tarsalis  et  tibialis  palpi  sinistri 
alius  exempli  ab  imo  visa. 


680  VI.  Kulczynski,  Arachnoidea  in  Asia  Minore. 

21.  Heriaeus  setiger  (O.  P.  Cambr.),  partes  tibialis  et  tar- 
salis  palpi  sinistri  maris  ab  imo  visae. 

22.  Heriaeus  hirsutus  (Walck.),  pars  tibialis  et  tarsalis 
palpi  sinistri  maris  ab  imo  visae. 

23.  Eiusdem  speciei  apex  emboli. 

24.  Heriaeus  Savignyi  E.  Sim.,  partes  tarsalis  et  tibialis 
palpi  dextri  maris  ab  imo  visae. 

25.  Heriaeus  Simonii  n.  sp.,  partes  tarsalis  et  tibialis  palpi 
sinistri  ab  imo  visae. 

26.  Eiusdem  speciei  apex  emboli. 

27.  Heriaeus  propinquus  n.  sp.,  epigyne. 

28.  Heriaeus  hirtus  (C.  L.  Koch),  epigyne. 

29.  Heriaeus  Simonii  n.  sp.,  epigyne. 

30.  Heriaeus  setiger  (O.  P.  Cambr.),  epigyne. 

31.  Heriaeus  hirsutus  (Walck.),  epigyne. 

32.  Heriaeus  Savignyi  E.  Sim.,  epigyne. 

33.  Eiusdem  speciei  ligula  epigynae  abrupta  et  corrugata. 

34.  Heriaeus  Buffonii  (Aud.  in  Sav.),  epigyne. 

35.  Heriaeus  hirtus  (C.  L.  Koch),  pars  tibialis  palpi  dextri 
maris,  a:  ab  imo,  b:  a  latere  exteriore  visa. 

36.  Tarentula  Eichrualdii  Thor,  bithynica  n.,  epigyne. 

37.  Tarentula  Eichrualdii  Thor,  typica,  epigyne. 

38.  Philaeus  chrysops  (Po da)  var.  haemorrhoica  (C.  L. 
Koch),  pars  tarsalis  palpi  sinistri  maris  ab  imo  visa. 

39.  Philaeus  chrysops  (Po da),  pars  tarsalis  palpi  sinistri 
maris  ab  imo  visa. 

40.  Platybunus  strigosus  (L.  Koch)?  olympicus  n.,  partes 
pateilaris  et  tibialis  palpi  dextri  maris  desuper  visae. 

41.  Platybunus  strigoso  (L.  Koch)?,   partes  pateilaris   et 
tibialis  palpi  dextri  maris  desuper  visae. 

42.  Eiusdem    speciei    partes    respondentes    feminae    de- 
super visae. 

43.  Nemastoma  Werneri  n.  sp.,  pictura  scuti  dorsualis. 
14.  Nemastoma  Kochii  Now.,  pictura  scuti  dorsualis» 

45.  Nemastoma  Sillii  O.  Herrn.,  pictura  scuti  dorsualis. 

46.  Nemastoma  quadripunctatum  (Perty),  pictura  scuti 
dorsualis. 


Kulczvü 


1 


i 


LI 

'  J  -  M 


681 


Zur  Physik  des  Vulkanismus 

von 

C.  Doelter. 

k.M.k.Akad. 

(Mit  1  Textfigur.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  9.  Juli  1903.) 

Anschließend  an  meine  Arbeit  über  die  Dichte  des  festen 
und  des  flüssigen  Magmas  will  ich  versuchen,  an  der  Hand  der 
physikalischen  Daten  die  Ursachen  des  Vulkanismus  zu  prüfen. 
.  Für  die  Auffassung  von  dem  physikalischen  Verhalten  des 
Magmas  bei  hohem  Druck  und  Temperatur  sind  die  Arbeiten 
von  Arrhenius  und  Tammann1  von  großer  Wichtigkeit. 

Die  neuere  Literatur  über  diesen  Gegenstand  will  ich  hier 
anführen. 

Arrhenius,  Zur  Physik  des  Vulkanismus."  Stockholm,  1903" 

—  Kosmische  Physik.  Leipzig,  1903. 

Baur,  Chemische  Kosmographie.  München,  1903. 

Branco,  Neue  Beweise  für  die  Unabhängigkeit  der  Vulkane 

von  präexistierenden  Spalten.  N.  J.  f.  M.,  1898, 1. 
Günther,  Lehrbuch  der  Geophysik.  1897. 
St  übel,  Ein  Wort  über  den  Sitz  der  vulkanischen  Kräfte  der 

Gegenwart.  Leipzig,  1901. 

—  Über   die   genetische  Verschiedenheit   der  vulkanischen 
Berge.  Leipzig,  1903. 

Sueß,  Über  heiße  Quellen.  Leipzig,  1903. 
Tammann,   Über  die  Grenzen  des  festen   Zustandes.  Pogg. 
Ann.,  N.  F.  Bd.  62,  67,  68. 


i  N.  Jahrb.  für  Mineralogie,  1901,  Bd.  II. 


682  C.  Doelter, 

Die  Veränderungen  des  Schmelzpunktes    der  Silikate  bei 
Druckvariationen. 

Das  Verhalten  einer  Substanz  bei  verschiedenem  Druck 
und  verschiedener  Temperatur  wird  durch  die  Schmelzdruck- 
kurve gegeben. 

Wenn  R  die  Schmelzwärme,  vt  und  v2  die  Volumina  des 
Körpers  im  flüssigen  und  im  festen  Zustande,  T  die  Temperatur, 
p  den  Druck  bedeuten,  so  hat  man  bekanntlich 
dT        T 
dp         R 

Bei  verschiedenen  Drucken  p  und  verschiedenen  Tempera- 
turen T  (in  absoluter  Zählung)  wird  die  Abhängigkeit  von  T 
und  p  durch  eine  Kurve  dargestellt,  durch  die  Schmelzdruck- 
kurve. Es  handelt  sich  nun  darum,  für  das  Magma  diese 
Kurve  festzustellen.  Die  Größe  vx — v2  ist  wenigstens  für 
das  wasserfreie  Magma  bestimmbar,  dagegen  ist  R  im 
allgemeinen  nicht  bestimmt,  es  hat  aber  Barus1  durch  einen 

dT 

Versuch  -^—  bestimmt  und  zwar  beim  Diabas;  bei  diesem  ist 

jt  dP 

4^  =  0-025. 

dp  dT 

Es  ist  anzunehmen,  daß  -j-  bei  den  verschiedenen  Sub- 

dp 

stanzen,  also  auch  bei  verschiedenen  Magmen  und  Mineralien 

dT 
nicht  denselben  Wert  hat,  da  -j-  besonders  von  vx — v%  abhängt. 

Nun  habe  ich  seinerzeit  bestimmt  (wenngleich  die  Zahlen  keine 
genauen  sind,  da  die  Methode  keine  Genauigkeit  zuläßt): 


des  festen  Körpers 

des  flüssigen  Körpers 

des  glasigen 

geschmolzenen 

Körpers 

Augit 

.     3-29—3-3 

2-92 

2-92—2-95 

Limburgit  , 

283 

2-55—2-568 

2-55—2-56 

Ätnalava . . 

2-83 

2-586—2-74 

2-71—2-75 

Vesuvlava 

.    2-83—2-85 

2-68—2-74 

2-69—2-75 

Nephelinit 

.  2-735-2-745 

2-70— 2-75  (?) 

2-686 

*  Philos.  Magazine,  35,  1893. 


Physik  des  Vulkanismus.  683 

Limburgit  ist  demnach  dasjenige  Gestein,  welches  die 
größte  Volumveränderung  erleidet;  sie  ist  der  des  Augits  gleich. 
N  e  p  h  e  1  i  n  i  t  erleidet  die  geringste  Änderung  und  der  Unterschied 
beider  ist  bedeutend.  Bei  letzterem  ist  die  Volumveränderung 
eine  minimale.  Frühere  Bestimmungen  ergaben  für  Diabas  eine 
Volumänderung1  von3*9%-  Bei  Granit  findet  nach  Del  esse 
eine  Herabminderung  des  spezifischen  Gewichtes  von  2  68 
auf  2-47  statt. 

Die  Volumveränderung  vx — v%  ist  also  bei  verschiedenen 

Gesteinen  verschieden  und  wird  diese  Erscheinung  auch  beim 

Erstarren  der  Erdschichten  in  Betracht  gezogen  werden  müssen. 

dT 
Bezüglich  des  Wertes  von  —  ist  aber  zu  berücksichtigen,  daß 

auch  R  sich  ändert  und  gewiß  bei  Quarz,  Orthoklas,  Nephelin 

anders  ist  als  bei  Augit,  Olivin;  allerdings  ist  nach  Tarn  mann 

die  Veränderung  von  R  bei  hohem  Druck  weit  geringer. 

dT 
Sehr  groß  dürfte  die  Verschiedenheit  für  -r-  aus  dem 

dp 

Grunde  nicht  sein,  weil  konstatiert  wurde,  allerdings  nicht  bei 

Silikaten,  sondern  bei  organischen  Verbindungen  und  bei  ein- 

dT 
zelnen   Elementen,   daß  die  Veränderungen  des  Wertes  -r— 

dp 

sich  in  nicht  allzu  großen  Grenzen  bewegen.  Immerhin  dürften 

saure  Magmen  wie  Granite  einen  etwas  anderen  Wert  geben 

wie  ein  basischer  Diabas.  T  liegt  bei  jenem  höher,  aber  auch 

die  Schmelzwärme   wird  größer;   da   aber  auch  vx — v2  sich 

dT 

ändert,  so  dürfte  —  eher  etwas  geringer  sein.   Der  kleinste 
dp 

dT 

Wert,  der  für  -j—  festgestellt  wurde,  ist  0*019  bei  Diabas.  Es 
dp 

gibt  organische  Substanzen,  bei  welchen  dieser  Wert  nur  0*007 

beträgt.  Bei  geringeren  Druckänderungen  muß  man  also,  um 

eine  Schmelztemperaturerhöhung  von  1  °  zu  erhalten,  ungefähr 

152  m  tief  gehen. 

(In  tieferen  Schichten  müssen  wir  ein  höheres  spezifisches 

Gewicht  als  das  der  oberflächlichen,  welche  man  gewöhnlich 

1  Barus,  1.  c.  Vergl.  Daly,  On  the  Mechanics  of  magmatic  Intrusion. 
Am.  J.  1903. 


684  C.  Doelter, 

mit  2*6  bis  2  7  annimmt,  annehmen;  wir  wollen  das  der  Laven 
nehmen:  2*8,  dann  entspricht  einer  Atmosphäre  eine  Gesteins- 
schicht von  3-  7  m.) 

Hiebei  darf  aber  nicht  vergessen  werden,  daß  die  Formel  (1) 
nur  für  chemische  Verbindungen  gilt  und  daß  wir  es  mit 
Gemengen  zu  tun  haben,  so  daß  wir,  strenge  genommen,  T  und  R 
nicht  bestimmen,  also  auch  nur  annähernde  Resultate  erzielen 
können. 

Für  geringere  Drucke  ist  die  Schmelzdruckkurve  gerad- 
linig, bei  höheren  nicht  mehr;  man  kann  daher  die  Barus'sche 
Mittelzahl  0*025  bei  höheren  Drucken  nicht  als  maßgebend 
erachten,  sie  wird  kleiner  werden.  Für  den  Diabas  würde  nun 
eine  Erhöhung  des  Schmelzpunktes  von  1000°  bei  einem  Druck 
von  40.000  Atmosphären  erfolgen. 

Demnach  schließen  wir,  daß  für  das  Magma  eine  Erhöhung 
des  Schmelzpunktes  um  1000°  bei  zirka  40.000  Atmosphären 
oder   150  km  Tiefe   eintritt,   wahrscheinlich   aber  infolge  des 

dT 

Umstandes,  daß   — —  schon   bei  30.000  Atmosphären  seinen 

Wert    verringert,    bei    größerer    Tiefe,    respektive    höherem 

Druck.  Demnach  dürfte  bei  XbO  km  Tiefe  der  Schmelzpunkt 

zwischen  2000  bis  1800°  sein;  das  Magma  befände  sich  also  nach 

den  ungefähren  Temperaturverhältnissen  des  Erdinnern,  welche 

wir  unten  erörtern,  in  der  Nähe  des  Schmelzpunktes  oder  wohl 

schon  über  demselben.  Bei  120  km  oder  32.000  Atmosphären 

wäre  der  Schmelzpunkt  wohl  unter  1800°. 

Somit  ist  es  kaum  wahrscheinlich,  daß  weit  über  150  km 

noch    festes   Magma    existieren    kann    und    das    selbst    dann, 

wenn  wir  für  die  geothermische  Tiefenstufe  einen   drei-  bis 

fünfmal  so   hohen  Wert  ansetzen,  als  ihn  die  oberflächlichen 

Messungen  ergeben.  Es  wird  also  von  den  uns  noch  unbekannten 

Temperaturverhältnissen    in  Tiefen    von  150  bis  200  km   an 

abhängen,  ob  in  ihnen  noch  festes  Magma  existieren  kann;  in 

größeren  Tiefen  wäre  dies  aber  kaum  denkbar,  weil 

wir  dann  schon  in  die  Nähe  des  maximalen  Schmelzpunktes 

dT 
kommen  und  —  -  einen  sehr  kleinen  Wert  hat;  genau  bestimm- 
ap 

bar  ist  die   Grenze,  über  welcher  festes  Magma  nicht  mehr 


Physik  des  Vulkanismus.  685 

existieren  kann,  nicht;  es  hängt  dies  von  den  unbekannten 
Temperaturverhältnissen  der  unter  150  bis  200  km  liegenden 
Schichten  ab. 

Der  maximale  Schmelzpunkt  und  der  dazu  gehörige' Druck. 

Von  größter  Wichtigkeit  für  die  vulkanischen  Erscheinungen 
ist  die  Lage  des  maximalen  Schmelzpunktes;  bei  dieser  Tempe- 
ratur und  entsprechendem  Druck  muß  die  Schmelzdruckkurve 
ihre  Richtung  ändern  und  gegen  P  einbiegen;  vt  —  v2  wird 
negativ,  von  diesem  Druck  an  nimmt  der  Schmelzpunkt  ab. 
Dieser  maximale  Schmelzpunkt,  dessen  Temperatur  wir  nicht 
bestimmen  können,  liegt  bei  sehr  hohem  Druck,  der  aber  bei 
verschiedenen  Substanzen  sehr  verschieden  ist. 

Tammann  gelangt  zu  dem  Resultate,  daß,  wenn  — Av  die 
Kontraktion  ist,  welche  bei  der  Krystallisation  eintritt,  so  ist 

At;  =  a  log • 

B  +  l 

AK  ist  der  Zuwachs  des  inneren  Druckes  bei  der  Krystalli- 
sation. 

Aus  obiger  Formel  und  der  Formel  zwischen  vv  v2,  AK> 
Ap,p9B  berechnet  Tammann  den  Druck  p,  der  zum  maximalen 
Schmelzpunkt  gehört: 

p  =  BAK+(AK)*—  B. 

B  hängt  von  der  Kompressibilität  ab. 
Für  Wasser  oder  einen  Stoff  von  derselben  Kompressi- 
bilität war  B  =  2500,  AK  rz  625  Atmosphären,  mithin 

p  =  2500  X  625 +6252~  2500. 

Tammann  berechnet  daraus  p  =  1,950.000  Atmosphären. 

B  wird  umso  kleiner,  je  größer  die  Kompressibilität  ist; 
diese  wächst  bei  verschiedenen  Stoffen  mit  der  Dampfspannung. 

Nun  haben  wir  kein  Mittel,  B  und  AK  bei  einem  Silikat  zu 
bestimmen;  es  ist  wohl  wahrscheinlich,  daß  AK  kleiner  ist  und 
daß  auch  B  sich  verkleinert,  da  die  Kompressibilität  des  Magmas 
größer  sein  dürfte,  daher  beide  Werte  wohl  erheblich  kleiner 
sein  dürften. 


686  C.  Doelter, 

Da  B  und  Auf  also  für  das  Magma  experimentell  nicht 
bestimmbar  sind,  so  können  wir  den  Wert  von  p,  d.  h.  den 
Druck,  der  zum  maximalen  Schmelzpunkt  gehört,  nicht  be- 
stimmen; wir  können  aber  aus  den  Arbeiten  TammannV 
Schlüsse  ziehen.  Bei  einer  Substanz,  dem  Dimethyläthyl- 
carbinol,  ist  es  ihm  gelungen,  den  Druck p,  der  dem  maximalen 
Schmelzpunkt  entspricht,  zu  erreichen;  er  betrug  4750  Atmo- 
sphären. Bei  anderen  Substanzen  gelang  dies  nicht;  man  kann 
daraus  schließen,  daß  der  Druck  des  maximalen  Schmelz- 
punktes für  die  meisten  Substanzen  so  hoch  steigt,  daß  er  mit 
unseren  Apparaten  nicht  erreichbar  ist. 

Tarn  mann  hat  aber  aus  seinen  Versuchen  durch  eine 
Interpolationsformel2  berechnet,  daß  für  Kohlensäure  dieser 
Druck  bei  1 3.000  ife£  liegen  würde,  für  Chlorcalciumhydrat  bei 
10.000  *£,  für  Phosphor  bei  14.400  J#,  für  Wasser  bei  2220  *£ 
Jedenfalls  liegt  er  für  Silikate  weit  höher. 

Für  Aufhat  Tammann  ebenfalls  sehr  verschiedene  Werte 
erhalten,3  da  die  Veränderung  des  Volumens  bei  verschiedenen 
Substanzen  eine  verschiedene  ist.  Bei  der  großen  Kompressi- 
bilität des  Magmas  beim  Schmelzpunkte  dürfte  der  Wert  vonAAT 
ein  sehr  kleiner  sein.  Aus  der  Analogie  mit  anderen  Stoffen  können 
wir  jedenfalls  den  Schluß  ziehen,  daß  zwischen  100.000  und 
höchstens  1 30.000  Atmosphären  der  notwendige  Druck  erreicht  ist. 

Er  könnte  allerdings  noch  weit  geringer  sein  und,  da  einem 
Druck  von  1000  Atmosphären  eine  Gesteinsschicht  von  zirka 
3700  m  entspricht,  so  müßte  jener  Druck  von  100.000  Atmo- 
sphären einer  Erdschicht  von  370  km  entsprechen;  genaue 
Zahlen  lassen  sich  zwar  auch  hier  nicht  angeben,  man  kann 
nur  sagen,  daß  der  dem  maximalen  Schmelzpunkt  gehörige 
Druck  sich  zwischen  200  bis  400  km  Tiefe  findet,  wahr- 
scheinlich eher  in  geringerer.  An  und  für  sich  ist  die 
Grenze  nicht  wichtig,  da  wir  nicht  annehmen  können,  die  Erde 
sei  so  weit  fest;  aber  das  Magma  wird  einen  Zustand  haben, 
der  sich  in  seinen  wichtigsten  Eigenschaften  nicht 
vom  festen  Zustande  unterscheidet 


1  Pogg.  Ann.,  62,  67,  68.  —  Zeitschrift  für  physik.  Chemie,  Bd.  XVII. 

2  ^  =  ^  =  i+a0>-1)-*(/>--i)2. 

»  Zeitschrift  für  physik.  Chemie,  Bd.  XVII. 


Physik  des  Vulkanismus.  687 

Einen  starren  Zustand  der  Erde  uns  vorzustellen  ist  aber 
nicht  nötig,  da  alle  Erscheinungen  sich  erklären  lassen,  wenn 
wir  Flüssigkeiten  oder  Gase  unter  enormem  Druck  annehmen, 
denn  dieselben  würden  in  ihrer  Haupteigenschaft,  der  Kom- 
pressibilität, die  hier  in  Betracht  kommt,  sich  wie  feste  Körper 
verhalten,1  dagegen  behält  das  Magma  unter  hohem  Druck  die 
Möglichkeit  der  Differentiation  bei.  Zu  beachten  ist  auch,  daß 
das  flüssige  Magma  allmählich  in  starres  übergeht. 

Den  maximalen  Schmelzpunkt  selbst  können  wir  nach 
Gestalt  der  Kurve  nur  vermuten,  nicht  bestimmen. 

Fest,  d.h.  krystallisiert  wird  das  Magma  in  einer  bestimmten 
Tiefe  wohl  sein,  da  in  derselben  die  Progression  des  Schmelz- 
er 
punktes  nach  der  Formel  -y-  schneller  verläuft  als  die  der 

dp 

Wärmezunahme;  da  aber  im  weiteren  Verlaufe  die  Kurve  nicht 

dT 

mehr  geradlinig  verläuft  und  -r—  gering  wird,  so  tritt  dann  das 

dp 

umgekehrte  Verhältnis  bezüglich  der  Wärmeprogression  ein 
und  es  tritt  in  größerer  Tiefe  wieder  flüssiges  Magma  auf. 
Z.  B.  bei  100  km  Tiefe  wäre  der  berechnete  Schmelzpunkt 
höchstens  1725°,  wahrscheinlich  geringer,  die  Erdtemperatur 
eher  nicht  so  hoch,  je  nach  der  geothermischen  Tiefenstufe;  von 
dieser  wird  es  abhängen,  ob  festes  Magma  bei  100  km  oder 
etwa  erst  bei  130  bis  150  km  vorhanden  ist. 

Nachstehende  Zeichnung  stellt  die  Schmelzdruckkurve  des 
Magmas  unter  der  Voraussetzung,  daß  der  maximale  Schmelz- 
punkt bei  100.000  bis  120.000  Atmosphären  sich  befindet,  dar, 
seine  Temperatur  ist  zu  etwa  2300°  angenommen. 

Verhalten  der  im  Magma  absorbierten  Gase  beim  Erstarren. 

Schon  Fournet  hat  1834  auf  die  Wichtigkeit  des  Frei- 
werdens von  Gasen  beim  Erstarren  der  Lava  aufmerksam 
gemacht  und  Reyer2  in  seiner  Physik  der  Vulkane  seine  und 
anderer  Autoren  Ansichten  gesammelt. 

Die  physikalische  Chemie  klärt  uns  über  diese  früher 
wenig  gewürdigte  Erscheinung  auf.  Bei  fallender  Temperatur 

i  Arrhenius,  Kosmische  Physik  und  Zur  Physik  des  Vulkanismus,  S.  7. 
2  L.  c,  S.  8.  Siehe  dort  auch  die  Literatur  über  diesen  Gegenstand. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  44 


688 


C.  Doelter,. 


kann  der  Gasdruck  der  im  Magma  eingeschlossenen  Gase 
steigen.  Setzen  wir  einer  Schmelze  Wasser  zu,  so  wird  ihr 
Erstarrungspunkt  proportional  erniedrigt,  bis  man  zum  elekti- 
schen Punkt  gelangt.    Betrachtet  man  die  Dampfspannungs- 


10JO0O, 


J000         9000  3000 

Die  Schmelzdruckkurve  des  Magma's. 

kurve  z.  B.  von  Silbernitrat  und  Wasser,  so  wird  dieselbe  ein 
Maximum  zeigen  und  bei  sehr  konzentrierten  Lösungen  auf  0 
herabsinken.  Bei  hohen  Salzkonzentrationen  wird  Salz  bei 
fallender  Temperatur  auskrystallisieren  und  der  Dampfdruck 
steigen.1 


*  Van  f  Hoff,  Vorlesungen,  I,  34.  Baur,  Chemische  Kosmographie,  S.86. 
Weinschenk,  Grundrüge  der  Gesteinskunde. 


Physik  des  Vulkanismus.  689 

Bei  Chlorcalcium  {CaC^+ei^O)  liegt  das  Maximum  der 
Tension  bei  28*5°;  wenn  dasselbe  sich  oberhalb  dieser  Tempe- 
ratur abkühlt,  so  steigt  die  Tension.  Das  Magma  mit  Gasen, 
insbesondere  HaO,  imprägniert,  läßt  sich  nun  mit  diesen  Salzen 
vergleichen;  bei  gewissen  Temperaturgebieten  steigt  der  Druck 
der  Gase.  Bei  der  Explosion  entweichen  sie,  hiebei  spielt  die 
Kieselsäure,  welche  bei  hoher  Temperatur  eine  schwache  Säure 
ist,  auch  eine  Rolle.1 

Leider  kennen  wir  den  Wert  des  Druckes  der  aus  dem 
Magma  entweichenden  Gase  nicht. 


Die  hier  angeführten  physikalischen  Daten  über  das  Ver- 
halten des  Magmas  bei  hoher  Temperatur  und  hohem  Druck 
wird  jeder  Vulkanologe  beachten  müssen  und  die  Nichtbeachtung 
führt  zu  falschen  Theorien.  Stübel's  Hypothese,  welche  sonst 
gewiß  sehr  viel  beachtenswerte  und  neue  Gesichtspunkte  bringt, 
welche  auch  von  bleibendem  Wert  sein  werden,  berücksichtigt 
das  Verhalten  des  Magmas  nicht  und  entbehrt  daher  der  exakten 
Basis. 

Die  geothermische  Tiefenstufe. 

Eine  der  wichtigsten  Fragen  für  die  Entstehung  der  Vulkane 
ist  die  des  Teraperaturgefäiles  des  Erdinnern. 

Man  hat  für  die  geothermische  Tiefenstufe  auch  in  ober- 
flächlichen Schichten,  die  ja  allein  untersucht  sind,  sehr  ver- 
schiedene Werte  gefunden  und  hat  aus  den  verhältnismäßig 
wenig  zahlreichen  Beobachtungen  die  Längen  von  20  bis  1 1 5  m 
ergeben,  einen  Mittelwert  von  33-3  m  berechnet;  das  ist  voll- 
kommen unrichtig,  denn  die  niederen  Werte  entstehen  durch 
besondere  Ursachen  und  eher  die  höheren  Werte  müssen  der 
Wirklichkeit  nahekommen.  Auch  der  Umstand,  daß  für  manche 
Fälle  so  hohe  Werte  gefunden  wurden,  zeigt,  daß  der  Mittelwert 
nicht  richtig  sein  kann;  in  der  Nähe  des  Meeres  könnte  aller- 
dings eine  Vergrößerung  der  Stufe  stattfinden,  meistens  wird 
aber  das  Gegenteil  eintreten. 

Schon  im  Bohrloch  von  Paruschewitz  bei  2000  m  beträgt 
der  Temperaturwert  etwas  mehr,  nämlich  69*3°  statt  60°,2  im 

*  Arrhenius,  1.  c. 

*  Credner,  Geologie,  S.  2 

44* 


690  C.  Doelter, 

Adalbertschacht  ist  die  Stufe  57  ■  5  tn.  Jedenfalls  ist  der  Mittelwert 
viel  zu  gering  und  man  muß  bedeutend  höhere  Werte  einsetzen. 
Ganz  ignorieren  kann  man  allerdings  die  geothermische  Tiefen- 
stufe nicht,  da  eine  gewisse  Progression  des  Temperaturgefälles 
sicherlich  stattfindet,  aber  eine  Extrapolation  anzuwenden  ist 
hier  unzulässig.  Über  die  Nichtzulässigkeit  der  geothermischen 
Tiefenstufe  ist  jedoch  in  älterer  wie  in  neuerer  Zeit  so  viel 
geschrieben  worden,  daß  ich  hier  nichts  hinzuzufügen  habe. 
Geologen,  welche  sonst  ganz  entgegengesetzte  Ansichten  haben, 
sind  darin  einig.  Unrichtig  wäre  es  zwar,  dieselbe  ganz  zu 
ignorieren,  man  muß  aber  zugeben,  daß  an  der  Oberfläche,  d.  h. 
einige  tausend  Meter  unter  derselben,  die  lockere  Beschaffenheit 
mancher  Schichten,  dann  die  vielen  Klüfte,  die  Oxydations-, 
Verwitterungsprozesse  anderseits  den  Wert  beeinträchtigen 
müssen  und  zwar  im  Sinne  einer  Verkleinerung;  dazu  kommt 
noch,  daß  man  bei  so  großen  Differenzen  überhaupt  nicht 
berechtigt  ist,  einen  Mittelwert  anzunehmen.  Die  geothermische 
Tiefenstufe  wird  daher  zwei-  bis  dreimal  so  groß  sein 
als  jenes  Mittel,  möglicherweise  noch  größer. 

Stübel  nimmt  daher  mit  Recht  zwei  geothermische  Tiefen- 
stufen an,  Thomson  und  Hempel  zeigten,  daß  zwar  die 
Temperaturzunahme  eine  stetige  ist,  aber  keine  gleichförmige; 
je  tiefer  man  eindringt,  je  langsamer  wird  die  Temperatur 
wachsen.  Am  besten  wird  es  daher  sein,  mehrere  Radien  an- 
zunehmen, in  welchen  die  Tiefenstufe  wechselt.1 

Wenn  man  von  den  oberflächlichen  20  km  absieht,  für 
welche  die  Tiefenstufe  von  33*3w  gelten  mag,  muß  man  zu 
dem  Resultate  kommen,  daß  letztere  dreimal,  vielleicht  sogar 
fünfmal  so  groß  ist  im  Innern,  daher  muß  bei  höchstens  200  km 
die  Schmelztemperatur  herrschen,  wenn  man  auch  einen  Wert 
von  \Q0m  einsetzen  würde,  der  aber  doch  schon  zu  hoch 
sein  wird. 

Temperatur  der  vulkanischen  Herde. 

Der  Begriff  Vulkan  her  d  ist  ein  vager  und  es  werden 
zwei  verschiedene  Dinge  als  Herde  bezeichnet,  die  auseinander- 


1  Vergl.  die  Arbeiten  D unk er's.  Die  Literatur  darüber  siehe  Günther, 
Geophysik,  S.  342. 


Physik  des  Vulkanismus.  69 1 

zuhalten  sind:  der  oberflächliche  Herd,  in  welchem  die  zur 
Eruption  führende  explosive  Tätigkeit  stattfindet,  zweitens  der 
eigentliche  vulkanische  Magmaherd  in  tiefen  Schichten  der 
Erde;  ich  bezeichne  erstere  als  sekundäre,1  letztere  als  pri- 
märe Magmaherde  und  habe  dabei  die  Vorstellung,  daß 
beide  Herde  im  Zusammenhange  stehen  oder  vor  kurzer  Zeit 
noch  standen. 

Über  die  Temperatur  der  primären  Herde  können  wir  nur 
Hypothesen  auf  Grund  der  vermeintlichen  Temperatur  des  Erd- 
innern,  der  geothermischen  Tiefenstufe  etc.  anstellen  oder  einen 
Schluß  ziehen  aus  der  Temperatur  der  sekundären;  denn  die 
Temperatur  letzterer  wird  durch  das  aus  dem  primären  Herde 
eingedrungene  Magma,  also  durch  die  Verbindung  beider  er- 
zeugt, wobei  allerdings  bereits  eine  starke  Abkühlung  statt- 
gefunden hat. 

Wüßten  wir  mehr  über  die  geothermische  Tiefenstufe,  so 
könnten  wir  auch  auf  die  Temperatur  der  primären  Herde 
Schlüsse  ziehen. 

Die  Temperatur  der  Lava.  Nach  meinen  Bestimmungen 
schmilztÄtnalava,  respektive  wird  sie  dünnflüssig  bei  zirka  1040 
bis  1060°,  Vesuvlava  bei  1090  bis  1100°.  Die  Lava  selbst 
scheint  aber  eine  geringere  Temperatur  zu  haben,  was  dem 
Wasser  und  den  Salzen  zuzuschreiben  sein  wird.  Ich  machte 
im  Jahre  1897  an  jener  Lava,  welche  am  Vesuv  ruhig  ausfloß 
und  deren  Auftürmung  zu  einer  Kuppel  von  Mercalli2  und 
Matteucci  beschrieben  wurde,  eine  allerdings  nur  sehr  un- 
genaue Temperaturbestimmung  und  es  ergab  sich  der  Schmelz- 
punkt etwas  unter  dem  des  Kupfers,  also  zirka  1050  bis  1070°. 
Da  nun  bereits  eine  Abkühlung  stattgefunden  hatte,  so  mag  im 
Herde  die  Temperatur  wohl  250  bis  350°  höher  sein,  also 
vielleicht  1400  bis  1450°. 

Aus  der  Leucitbildung,  respektive  Olivinbildung  in  den 
Laven  (sogenannte  intratellurische  Krystalle)  können  wir  einen 
Schluß  auf  die  Temperatur  ziehen,  speziell  bei  der  Vesuvlava. 


i  Man  könnte  sie  auch  peripherische  nennen;  da  aber  damit  sich  eine 
bestimmte  Vorstellung  verbindet,  so  habe  ich,  um  kein  neues  hypothetisches 
Moment  hineinzutragen,  den  Ausdruck  sekundär  gewählt. 

*  Mercalli,  Notizie  Vesuviane.  Napoli  1899. 


692  C.  Doelter, 

Leucit  schmilzt  unter  Atmosphärendruck  bei  1330°;  nehmen 

dT 
wir  —  =  0-025,  so  wäre  bei  20.000  m  Tiefe  oder  7500  Atmo- 
dp 

Sphären  Druck  daher  dieSchmelztemperatur  1330+ 187  =  1517°; 
da  die  Leucite  aber  nicht  geschmolzen  sind,  so  kann  die  Tem- 
peratur dort  nicht  1500°  betragen  haben,  zu  welchem 
Resultate  wir  auch  vorhin  aus  anderen  Gründen  gelangten;  in 
einer  Tiefe  von  20.000  m  kann  daher  eine  Temperatur  über 
1500°  nicht  herrschen;  es  ist  aber  auch  diese  Temperatur 
wahrscheinlich  noch  eine  zu  hohe,  da  das  leichtflüssigere 
Magma  die  Leucite  sonst  gelöst  hätte. 

Nach  meinen  Versuchen 1  hat  das  Magma  bei  seiner  Schmelz- 
temperatur eine  sehr  geringe  lösende  Wirkung,  200°  darüber 
aber  eine  sehr  starke;  da  das  Vesuvmagma  bei  Atmosphären- 
druck bei  1 100°  flüssig  wird,  so  entspräche  dies  bei  7500  Atmo- 

dT 

Sphären,  wenn  wir  —  wie  bei  Diabas  annehmen,  einer  Tem- 

dp 
peratur  von  höchstens  1300°.  Da  aber  die  Leucite  kaum  an- 
gegriffen sind,  so  konnte  die  Temperatur  kaum  mehr  als  100° 
über  dem  Schmelzpunkt  gelegen  sein,  wir  erhalten  also  hier 
für  den  Herd  1400°  wie  früher.  Indessen  ist  die  Tiefe  von 
28.000  m  vielleicht  eine  zu  geringe,  für  40.000  m  würde  sich 
der  entsprechende  Wert  um  zirka  90°  erhöhen,  so  daß  wir 
dann  1490  bis  1540°  erhalten  würden.  Für  den  Vesuvherd 
wäre  demnach  eine  höhere  Temperatur  als  1500°  kaum  wahr- 
scheinlich. 

Wenn  wir  also  für  den  Vesuvherd  eine  Temperatur  von 
1400  bis  1500°  berechneten,  so  wäre  für  andere  Magmen  von 
saurer  Beschaffenheit,  die  bei  ihrem  Ausbruche  eine  Tempe- 
ratur von  1200  bis  1300°  haben,  ein  Herd  anzunehmen,  der 
vielleicht  1600°  oder  etwas  mehr  besitzt;  eine  ähnliche  Über- 
legung wie  vorhin  dürfte  zu  diesem  Resultate  führen.  Daraus 
müßte  man  aber  schließen,  daß  die  letzteren  Herde  tiefer  ge- 
legen sein  müssen  als  jene,  was  nicht  recht  erklärlich  ist 

Es  ist  daher  der  obige  Wert  für  den  Vesuv  vielleicht  doch 
zu  erhöhen,  anderseits  aber  kann   das  Wasser,  welches  bei 

i  Tschermak's  min.-pctrogr.  Mitt,  Bck  XXI,  1901.  Schinelzbarkeit  der 

Mineralien  und  ihre  Löslichkeit  im  Magma. 


Physik  des  Vulkanismus.  693 

sauren  Magmen  in  größerer  Menge  vorhanden  ist,  die  Schmelz- 
temperatur herabdrücken,  ebenso  die  vielleicht  in  größerer 
Menge  vorhandenen  Mineralisatoren.  Diese  Detailverhältnisse 
bedürfen  weiterer  Aufklärung. 

Es  ist  noch  ein  weiterer  Schluß  auf  die  nicht  allzu  hohe 
Temperatur  der  Vulkanherde  (der  sekundären)  aus  der  Dis- 
soziation der  Kohlensäure  zu  ziehen,  das  ist  das  Fehlen  von 
CO  im  Gegensatz  zu  C02.  Wäre  die  Temperatur  des  Ortes, 
welchem  C08  entströmt,  3000°,  so  müßte  Kohlenoxyd  sich 
bilden.  Der  Dissoziationsgrad  ist  nach  Berechnungen  und  Beob- 
achtungen von  Le  Chatelier1  abhängig  von  Druck  und  Tem- 
peratur; je  größer  letztere,  je  größer  der  Dissoziationskoeffizient. 
Bei  3000°  müßte  die  Menge  CO  auch  bei  höherem  Druck  eine 
sehr  bedeutende  sein.  Man  könnte  allerdings  einwenden,  daß 
CO  und  O  sich  wieder  zu  C02  verbinden  werden,  aber  dies 
könnte  wohl  nur  bei  geringer  Temperatur  geschehen  und  all- 
mählich, bei  der  Plötzlichkeit  der  Eruption  müßten  merkliche 
Mengen  von  CO  zu  konstatieren  sein.  Größere  konstatierte 
Mengen  von  CO  in  einer  Eruption  würden  im  Gegenteil  auf 
eine  sehr  hohe  Temperatur  schließen  lassen. 

Nach  Le  Chatelier  (Zeitschrift  für  physik.  Chemie,  Bd. VI) 
ist  der  Dissoziationsgrad  der  COa  durch  folgende  Zahlen  ge- 
geben. In  1  Molekül  waren  zerfallen: 

Druck 

Temperatur  10  Atmosphären  tOO  Atmosphären 

Bei  1000° 0-0003  Mol.  0-0015 

»    1500 0-004  0-002 

»    2000 0-03  0-025 

»    3000 0-21  0-10 

>    4000 0-45  0-25 

Beobachtet  wurde  bei  1500°  und  1  Atmosphäre  0*01,  bei 
2000°  und  6  Atmosphären  0-05,  bei  3000°  und  1  Atmo- 
sphäre 0*4  Molek. 

Die  früheren  Temperaturdaten  beziehen  sich  aber  wohl 
nur   auf  die  Temperatur  des   oberflächlichen  Herdes;   wenn 

*  Zeitschrift  für  physik.  Chemie,  II,  1888. 


694  C.  Doelter, 

Magma  aus  großen  Tiefen  besonders  in  die  oberen  Schichten 
der  Erde  gelangt,  so  hat  es  schon  viel  an  Wärme  verloren  und 
dieser  Verlust  kann  mehrere  hundert  Grad  betragen;  das  flüssige 
Tiefmagma  wird  jedenfalls  mehr  als  2000°  haben,  wenn- 
gleich ein  zwingender  Grund,  eine  weit  höhere  Temperatur, 
etwa  über  3000°  anzunehmen,  nicht  vorliegt. 

Hätten  wir  Anhaltspunkte  aus  der  geothermischen  Tiefen- 
stufe, so  könnten  wir  aus  der  Temperatur  die  Tiefe  berechnen, 
aber  wir  haben  gesehen,  daß  jene  ganz  unzuverlässig  ist,  und 
können  sie  daher  nicht  in  unsere  Berechnung  aufnehmen;  aber 
jene  berechneten  Temperaturen  weisen  indirekt  darauf  hin,  daß 
die  Tiefenstufe  von  33*3  m  nicht  richtig  sein  kann. 

Tiefe  der  Vulkanherde. 

Über  die  Tiefe  der  Herde  wissen  wir  wenig;  dies  gilt  nicht 
nur  für  die  primären,  sondern  auch  für  die  sekundären,  peri- 
pherischen. Die  Bildung  der  Vulkane  dürfte  erklärt  werden, 
wenn  wir  Tiefe  und  Temperatur  kennen  würden.  Erstere 
irgendwie  zu  berechnen  ist  heute  unmöglich;  man  hat  aller- 
dings Versuche  dazu  gemacht  (vergl.  die  Berechnung  von  de 
Lorenzo,  Atti  Ac.  Sc.  Napoli  1902,  VoL  XI,  und  die  Ansicht 
Sabatini's),1  aber  diese  sind  von  problematischem  Werte; 
man  kann  höchstens  behaupten,  daß  die  Vulkane,  welche 
riesige  Massen  lieferten,  aus  größerer  Tiefe  stammen  und  daß 
etwa  solche  wie  der  Monte  Nuovo  aus  geringerer,  aber  jede 
Rechnung  entbehrt  einer  halbwegs  sicheren  Basis. 

Wenn  aber  Stübel2  selbst  die  aus  dem  Krakatauakrater  bei 
einer  Explosion  aufgeworfene  Masse  auf  18  Millionen  Kubik- 
meter schätzt,  so  würde  das  bei  einer  Kreisöffnung  von  500  m 
Radius  einer  sehr  bedeutenden  Tiefe  entsprechen,  jedenfalls 
mehr  als  50  km. 

Ich  stimme  übrigens  Stübel  gerne  zu,  wenn  er  auf  die 
Verschiedenheit  der  Vulkanberge  hindeutet.  Es  gibt  monogene 
Vulkane,   die  eine   oder   vielleicht   zwei   bis  drei  Eruptionen 


1  Bolletino  del  comitato  geologico  1002,  No  1.  Für  den  Monte  Nuovo 
müßte  nach  dieser  Berechnung  die  Tiefe  15  bis  60  hm  betragen.  Dieser  dürfte 
wahrscheinlich  einem  sekundären  Herd  seinen  Ursprung  verdanken. 

2  Genetische  Verschiedenheiten  vulkanischer  Berge.  Leipzig,  1903. 


Physik  des  Vulkanismus.  695 

hatten,  und  solche,  welche  eine  lang  dauernde  intermittierende 
Tätigkeit  aufweisen;  ich  glaube,  daß  beide  verschiedenen  Ur- 
sachen ihre  Entstehung  verdanken,  letztere  der  eigentlichen 
vulkanischen  Kraft,  erstere  einer  sekundären  Ursache.  Der 
Hauptsitz  der  eigentlichen  primären  Vulkanherde  muß  dort 
liegen,  wo  das  vulkanische,  noch  nicht  erstarrte  (d.  h.  nicht 
kristallinische,  wenn  auch  zähe  und  wenig  kompressible) 
Magma  an  der  Grenze  der  starren  Rinde  liegt;  dieses  Magma 
drängt  aufwärts  und,  wenn  von  außen  eine  auch  nicht  voll- 
ständige Druckentlastung  stattfindet  und  durch  Überschiebungen 
der  Rinde  die  Möglichkeit  gegeben  ist,  so  stürzt  sich  das  Magma 
in  höhere  Teile  der  Rinde,  ohne  sofort  zur  Oberfläche  zu  ge- 
langen. Einer  solchen  Tätigkeit  dürften  die  intrusiven  Eruptiv- 
massen ihre  Entstehung  verdanken;  solche  sekundäre  Magma- 
herde liegen  dann  verhältnismäßig  nahe  der  Oberfläche  10  bis 
20  km  tief,  wo  also  für  jenes  Magma  der  Schmelzpunkt  bei  ent- 
sprechendem Druck  die  Temperatur  der  Erdschicht  übersteigt. 
Hier  können  nun  die  S.  692  angegebenen  Bedingungen  eintreten, 
das  Magma  beginnt  zu  krystallisieren. 

Die  eigentlichen  primären  Vulkanherde  liegen  aber  viel  tiefer 
und  ihr  Inhalt  wird  nur  dann  zu  uns  gelangen,  wenn 
durch  Bewegungen  der  Erdrinde  von  außen  Verbin- 
dungswege nach  innen  entstehen;  man  braucht  nicht 
anzunehmen,  daß  diese  geradlinig  seien,  sie  können  eine  Zick- 
zacklinie darstellen,  die  Risse  werden  nicht  direkt  von  oben 
nach  unten  gehen.1  Das  Magma  und  seine  Gase  tendieren  nach 
oben  und,  wenn  Verschiebungen  in  der  Erdrinde  entstehen  und 
der  Druck  geringer  wird,  wird  es  in  obere  Teile  hinaufgepreßt, 
wobei  es  aber  nicht  unbedingt  bis  zur  Oberfläche  gelangen  muß. 


1  Vergl.  Löwl,  Jahrbuch  der  geologischen  Reichsanstalt.  1896.  Indessen 
wird  in  diesem  Aufsatze  dem  latenten  plastischen  Zustande  zu  viel  Wichtigkeit  für 
die  Theorie  des  Vulkanismus  zugeschrieben,  auch  dieser  ist  doch  schließlich 
nur  ein  hypothetischer. 

Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  eine  Beobachtung  erwähnen,  die  Bezug 
nimmt  auf  Krystallisation  durch  Druck.  Herrn  Prof.  Str eint z  verdanke  ich 
Stäbe,  welche  aus  amorphem  PbS,  und  aus  Ag2S  bestehen,  welche  einem  Druck 
von  10.000  Atmosphären  unterworfen  waren.  Die  Stäbe  bilden  eine  kompakte, 
metallartig  glänzende  Masse,  welche  aber,  wie  die  mikroskopische  Untersuchung 
ergab,  keine  Spur  von  Krystallisation  zeigten. 


696  C.  Doelter, 

Das  Aufsteigen  des  Magmas  braucht  also  nicht  ein  plötz- 
liches zu  sein,  es  kann  ruckweise  aufsteigen  oder  vielleicht  oft 
infolge  größerer  Viskosität  nur  langsam;  nur  die  Endbewegung, 
welche  zur  Vulkaneruption  führt,  ist  eine  explosive  und  ein- 
heitliche. 

Ob  die  tektonische  Druckentlastung  (außer  der  noch  zu 
erwähnenden  Vermehrung  des  Dampfdruckes  beim  Erstarren) 
die  einzige  Ursache  ist,  daß  das  Magma  aufsteigt,  läßt  sich 
nicht  bestimmen;  möglich  wäre  ja  noch  Temperaturerhöhung 
durch  Reibung,  chemische  Prozesse,  elektrische  Ströme  etc. 

Zu  berücksichtigen  als  Faktor  ist  jedenfalls  die  erhöhte 
Temperatur  des  Magmas,  welches  die  darüber  liegenden 
Schichten  durchschmilzt.  Diese  Durchschmelzung  scheint 
noch  wenig  gewürdigt.1 

Welches  ist  nun  die  Tiefe  dieser  eigentlichen  Vulkanherde, 
wenn  wir  von  jenen  oberflächlichen  Herden,  die  ich  als  sekun- 
däre bezeichnen  möchte,  absehen?  Letztere  können  sehr  wenig 
tief  sein,  die  eigentlichen  Vulkanherde,  die  primären,  müssen 
aber  eine  bedeutende  Tiefe,  welche  100  bis  120  km  übersteigt, 
vielleicht  noch  bedeutender  ist,  haben.  Einen  solchen  Wider- 
stand können  aber  die  Gase  nicht  überwinden,  wenn  nicht  von 
außen  Öffnungen  entstehen,  die  eine  Druckverminderung  be- 
wirken. Wir  sind  also  doch  wieder  auf  die  Gebirgsbildung 
angewiesen  und  auf  deren  Zusammenhang  mit  dem 
Vulkanismus,  auf  Einsinken  von  Schollen  und  Hinaufpressen 
des  Magmas. 

Diejenigen  Magmamassen,  welche  wir  als  Massenerup- 
tionen bezeichnen,  zeigen  geringe  Gasentwicklung,  welche  zum 
Teil  vielleicht  schon  einer  früheren  Sonderung  der  Gase  vom 
Silikat  zuzuschreiben  ist,  zum  Teil  wohl  aber  darauf  zurück- 
zuführen ist, daß  die  Spalte  direkt  inbedeutendeTiefe  hinabreicht 
und  sehr  groß  ist;  das  Magma  wird  durch  tektonische  Vorgänge 
hinaufgepreßt,2  auch  hier  dürfte  in  oberen  Schichten  das  Durch- 
schmelzen eine  Rolle  spielen.  Hiebet  ist  auch  die  Ausdehnung  des 
festgewordenen  Magma's  beim  Schmelzen  zu  berücksichtigen. 

1  Vergl.  Michel  Levy,  Soc.  geolog.  3«  Serie,  vol.  24. 

2  Vergl.  A.  C.  Laue,  Bull.  Soc.  Geol.  of  America.  5,  1894. 


Physik  des  Vulkanismus.  697 

Verhalten  der  Magmasäule  beim  Aufsteigen. 

Aus  den  vorausgeschickten  physikalischen  Daten  läßt  sich 
nun  ein  Schluß  ziehen,  wie  sich  das  Magma,  wenn  es  aus  einer 
Tiefe  von  etwa  380  bis  500  km  aufsteigen  würde,  verhalten 
müßte,  was  immer  die  Ursache  des  Auftriebes  sein  mag.  In 
jener  Tiefe  würde  das  Magma  flüssig  sein  und  sich  in  der 
Nähe  des  maximalen  Schmelzpunktes  befinden,  unter 
einem  Druck  von  100.000  bis  150.000  Atmosphären,  bei  einer 
Temperatur,  die  zwar  nicht  genau  bestimmbar  ist,  aber  vielleicht 
2300°  erreicht  oder  überschreitet  Beim  Aufsteigen  kommt  das 
Magma  in  höhere,  weniger  erhitzte  Teile  und  unter  geringeren 
Druck,  erniedrigt  seine  Temperatur  und  wird  in  eine  Schicht 
gelangen,  wo  es  an  Liquidität  verliert,  da  der  Wärmeverlust  ein 
großer  wird,  der  Schmelzpunkt  noch  aber  durch  den  Druck  be- 
deutend erhöht  ist,  es  wird  daher  in  einer  bestimmten,  nicht  näher 
zu  präzisierenden  Tiefe  viskos  werden  und  zu  erstarren  beginnen. 
Nun  können  mehrere  Fälle  eintreten:  Ist  der  Schlot  von  ge- 
ringem Durchschnitte  und  ergießt  sich  das  Magma  in  vor- 
handene oder  von  ihm  neu  gebildete  Hohlräume,  so  entsteht 
eine  Intrusivmasse  (Lakkolith,  Batholith).  Sobald  aber  das 
Magma  zu  erstarren  beginnt,  steigt  der  Gasdruck  und  es  können 
alsdann  Eruptionen  durch  die  eigene  Kraft  des  Magmas  stattfinden. 

Wenn  jedoch  die  Bewegung  der  Magmasäule  eine  raschere 
ist  oder  wenn  durch  einen  breiteren  Kanal  mehr  Wärme  zu- 
geführt wird,  so  findet  keine  totale  Erstarrung  statt,  sondern  es 
tritt  nur  Viskosität  ein;  es  bilden  sich  in  diesem  Magma  die 
sogenannten  intratellurischen  Mineralien:  Leucit,  Feldspat, 
Olivin,  Quarz;  diese  Mineralbildung  wird  begünstigt,  wenn  Druck 
und  Temperatur  sich  gerade  so  stellen,  daß  eine  Unter- 
kühlung und  damit  eine  die  Krystallisation  begünsti- 
gende Bedingung  eintritt. 

Durch  die  teilweise  Verfestigung  werden  aber 
nach  früherem  wieder  Gase  frei,  welche  den  Druck  gegen 
die  Außenschicht  erhöhen  und  dazu  beitragen,  die  Eruption  zu 
ermöglichen.  Beim  Übergang  in  die  unter  geringem  Druck  stehen- 
den Schichten  wirdderSchmelzpunktermäßigt,dasMagma  wieder 
stark  flüssig  dehnt  sich  aus  und  wird  wieder  eruptionsfähig. 


698  C.  Doelter, 

Die  Differentiation  wird  in  den  Lakkolithen  oder  auch 
im  Kanal  in  jenen  Tiefen,  respektive  Temperaturgebieten  vor 
sich  gehen,  wo  die  Krystallisation  beginnen  kann,  abgesehen 
von  der  ursprünglichen  Differenzierung  nach  dem  spezifischen 
Gewichte  vor  der  Eruption  in  großen  Tiefen. 

Selbstverständlich  brauchen  wir  nicht  anzunehmen, 
daß  Magma  direkt  in  gerader  Linie  aus  einigen  hundert 
Kilometern  Tiefe  aufsteige;  es  ist  dies  nicht  wahrscheinlich. 
Wir  kommen  aber,  wenn  wir  von  der  Oberfläche  zum  Innern 
gelangen,  zu  folgender  Vorstellung:  Unter  den  etwa  35  km 
mächtigen  Sedimenten  liegen  ältere  Eruptivmassen  zumeist 
sauren  Charakters  (Stübel's  Panzerdecke),  vielleicht  50 km} 
dann  das  infolge  seiner  Lage  noch  feste  Magma  (wegen  des 
hohen  Druckes  ist  sein  Schmelzpunkt  ein  sehr  hoher).  Die 
älteren  Eruptionen  gehen  also  in  Magma  über.2  Bei  200  £w 
oder  je  nach  der  geothermischen  Tiefenstufe,  die  uns  nicht 
bekannt  ist,  bei  300  km  gelangen  wir  zu  Magma,  welches  bereits 
in  der  Nähe  des  maximalen  Schmelzpunktes  angelangt  ist,  bei 
500  km  ist  dies  sicher  der  Fall. 

Die  weitere  Progression  der  Temperatur  über  etwa  3000° 
gegen  das  Erdinnere  zu  entzieht  sich  unserer  Schätzung. 

Die  Stübersche  Theorie. 

Gegenüber  der  Ansicht,  daß  die  Gase  durch  Druck- 
entlastung der  äußeren  Schichten  das  Magma  heben,  geht  die 
Ansicht  StübeTs  dahin,  daß  der  Vulkanismus  aus  peripheri- 
schen, erschöpflichen,  vom  feurig-flüssigen  Innern  getrennten 
Herden  seinen  Ursprung  nehme  und  zwar  durch  Volum- 
veränderung beim  Erstarren.  Nun  haben  wir  jedoch  gesehen, 
daß  tatsächlich  das  Gegenteil  eintritt  bis  zum  maximalen 
Schmelzpunkt;  da  jedoch  eine  Grundbedingung  der  neuen 
Theorie  die  Verlegung  der  Herde  in  die  Oberfläche  ist  bei  50 
bis  80£#w  Tiefe,  so  herrscht  dort  weder  eine  sehr  hohe  Tempe- 
ratur noch   der  Druck   des   maximalen   Schmelzpunktes.    Es 


1  Es  scheint  mir  dort  etwas  übertrieben,   die  Sedimentgesteine  als  Ver- 
witterungsgesteine der  Erde  zu  bezeichnen. 
«  Reyer,  1.  c,  II,  Kap.  15. 


Physik  des  Vulkanismus.  699 

kann  also  bei  jenen  Drucken  eine  Volumveränderung  des 
Magmas  im  Verlaufe  der  Erkaltung  nicht  eintreten. 
Nur  ein  Faktor  ist  denkbar,  welcher,  falls  peripherische  Herde 
existieren,  bei  der  Erstarrung  vulkanische  Eruptionen  zustande 
bringen  könnte,  dies  wäre  die  S.  688  erwähnte  Steigerung  der 
Gastension.  Diese  bringt  Schwellungen  auf  Lavaströmen  zu- 
stande, sogenannte  Hornitos;  sie  kann  kleinere  sekundäre  Krater 
erzeugen,  ebenso  Maare,  kleinere  Vulkanberge  vom  Charakter 
der  Puys  der  Auvergne.  Solche  entstehen  wahrscheinlich  beim 
Erstarren  eines  sekundären  Herdes  in  der  Tiefe. 

Aber  dieser  Druck  könnte  doch  nur  eine  geringe  Kraft 
ausüben  und  nur  dann  in  Tätigkeit  eintreten,  wenn  eine  solche 
Masse  in  verhältnismäßig  großer  Nähe  der  Oberfläche  liegt. 
Dies  ist  z.  B.  dort  der  Fall,  wo  aus  den  tieferen  Schichten  der 
Erde  sogenannte  Lakkolithe  oder  Batholithe  oder  überhaupt 
sekundäre  Herde  durch  irgendeine  Ursache  in  höhere  Teile 
gelangt  sind.  Waren  letztere,  wie  wir  es  ja  in  der  Natur  beob- 
achten, zirka  10.000m  oder  weniger  tief,  so  beträgt  der  auf  ihnen 
lastende  Druck  nur  2700  bis  2800 Atmosphären;  er  ist  also  nicht 
so  bedeutend,  daß  ihn  der  Gasdruck  nicht  überwinden  könnte, 
namentlich  da  bei  der  Bildung  des  Lakkolithen  auch  schon 
durch  Risse,  Faltensprünge  der  Zugang  erleichtert  wird.  Wenn 
nun  das  Magma  zu  krystallisieren  anfängt,  so  kann  der  Gas- 
druck den  verhältnismäßig  geringen  Widerstand  überwinden 
und  auch  aus  dem  Magma  einen  Teil  mitreißen,  umsomehr  als 
nach  der  Explosion  sich  Druckverminderung  und  in  jener 
geringen  Tiefe  Schmelzpunktrückgang  einstellen  muß;  diese 
Schmelzpunktverminderung  könnte  dann  durch  Ausdehnung 
des  Magma's  beim  Schmelzen  wieder  Anlaß  zum  Aufsteigen  des 
Magmas  geben.  Beim  Wiedererstarren  des  restlichen  Magmas 
könnte  noch  eine  zweite  kleinere  Eruption  nachfolgen. 

Die  Gasexhalationen  nach  der  Eruption  sind  jeden- 
falls auf  diese  Vorgänge  zurückzuführen;  hiebei  spielt  auch 
eine  Rolle  des  Verhalten  der  Kieselsäure  zu  dem  Wasser  bei 
verschiedenen  Temperaturen,  auf  welches  Arrhenius1  auf- 
merksam gemacht  hat.  Wasser  ist  bei  2000°  eine  viel  stärkere 

i  Arrhenius,  Zur  Physik  des  Vulkanismus,  22. 


702  C.  Doelter, 

eintreten.  Jedenfalls  sind  solche  Herde  nur  die  Aus- 
läufer der  primären  Herde.1 

Eine  längere  Tätigkeit  eines  solchen  Herdes  ist  aber  nicht 
denkbar.  Keinesfalls  könnte  man  die  Gesamtheit  aller  vulkani- 
schen Erscheinungen  auf  peripherische,  längst  vom  Erdinnern 
isolierte  Herde  zurückführen;  aus  geologischen  Gründen  ist 
diese  Anschauung  Stube l*s  schon  bekämpft  worden.2  Wären 
jene  Herde  wirklich  die  Ursache  des  Vulkanismus,  so  müßten 
sie  es  auch  schon  in  der  Tertiärzeit  gewesen  sein,  da  St  übel 
für  seine  Panzerung  eine  weit  frühere  Zeit  beansprucht,  dann 
müßte  aber  durch  Absperrung  der  Kommunikation  mit  dem 
inneren  Magma  der  Vulkanismus  aufgehört  haben. 

Da  der  Vulkanismus  entschieden  ein  periodisch  wieder- 
kehrender Vorgang  ist,  so  kann  die  Ursache  nicht  eine  solche 
sein,  welche  im  Schwinden  begriffen  ist,  sondern  eine,  welche 
fortexistiert,  die  aber  nur  zu  bestimmten  periodischen  Zeiten 
zur  Geltung  gelangen  kann. 

Ende  der  vulkanischen  Tätigkeit. 

Die  Sommaberge. 

Besonderen  Wert  legt  St  übel  auf  die  Sommaberge  und 
großen  Calderaberge.  Bei  letzteren  werden  wohl  viel  Gase  vor- 
handen gewesen  sein;  ihre  Bildung  spricht  aber  nicht  für  kleine 
erschöpfliche  Herde,  sondern  eher  für  tiefe  Kanäle. 

Ich  erkläre  mir  die  Bildung  eines  inneren  Kraters  in  einem 
äußeren  älteren  (Somma)  durch  das  Nachlassen  der  vulkani- 
schen Kraft,  veranlaßt  durch  die  Erstarrung,  welche  in  einem 
breiten  Schlot,  der  ursprünglich  die  »Somma«  lieferte,  natürlich 
von  außen  beginnt,  infolgedessen  bleibt  nur  ein  konzentrischer 
engerer  Schlot  noch  tätig,  welcher  geringere  Massen  von  Magma 
ringsum  ausgießt;  es  entsteht  ein  innerer  kleinerer  Vulkankegel. 

Die  Bildung  eines  inneren  weniger  energischen  Vulkans 
in  einem  äußeren  größeren  ist  also  durch  Erstarrung  veranlaßt; 
die  Erstarrung  wird  dort  am  meisten  Erfolg  haben,  wo  infolge 


1  Branco,  1.  c,  p.  156. 

*  Bergeat,  Zentralblatt,  1902,  Nr.  23;  Link,  Zentralblatt,  1902,  Nr.  15. 


Physik  des  Vulkanismus.  703 

entsprechenden  Druckes  und  doch  geringerer  Temperatur  der 
Schichten  der  Schmelzpunkt  ein  hoher  ist.  Das  oberste  Magma 
kann  aber  infolge  eines  entsprechend  geringeren  Schmelz- 
punktes und  infolge  der  Gasexbalation  der  unteren  erstarrenden 
Magmasäule  noch  zur  Eruption  gelangen  (wobei  auch  das 
infiltrierte  Wasser  entweichen  kann).  Nach  dieser  Eruption 
wird  der  Druck  der  Magmasäule  vermindert,  das  untere  Magma 
wieder  flüssig  und  es  kann  nun  in  Folge  Ausdehnung  beim 
Schmelzen  auch  aufsteigen  und  ausfließen.Beim  Aufsteigen  wird 
aber  unten  der  Druck  wieder  gesteigert,  eine  feste  Schicht  gebildet. 

Dieser  Vorgang  kann  sich  sehr  oft  wiederholen.  Schließlich 
wird  aber  an  den  Rändern  der  ganzen  Magmasäule  die  Er- 
starrung immer  fortschreiten  und  die  flüssige  Magmasäule 
immer  enger  werden,  bis  sie  ganz  erstarrt. 

Die  Tatsache,  daß  oft  der  Hauptvulkan  seine  Tätigkeit 
einstellt  und  die  Eruptionen  an  anderer  Stelle  ausbrechen, 
könnte  zum  Teil  auf  Bildung  neuer  kleiner  Spalten  durch  den 
Prozeß  der  Eruptionen  selbst  verursacht  sein,  möglich  ist  auch, 
daß  die  erstarrte  Lavasäule  einen  größeren  Widerstand  bietet 
als  die  benachbarten  Sedimentschichten. 

Bei  dem  allmählichen  Aufhören  der  Tätigkeit  scheint  auch 
die  petrographische  Beschaffenheit  eine  Rolle  zu  spielen.1 

Die  kleineren  rhythmischen  Bewegungen,  die  oft  bei  Vul- 
kanen beobachtet  werden,  dürften  doch  noch  auf  andere  Ur- 
sachen zurückzuführen  sein,  das  zufließende  Wasser  dürfte  bei 
ihnen  eine  Rolle  spielen,  ebenso  die  schlierige  Beschaffenheit  der 
Lava,2  ferner  die  Verdrängung  des  Wassers  durch  Kieselsäure, 
wie  oben  angeführt. 

Die  Rolle  des  Wassers. 

Arrhenius  glaubt,  daß  das  vadose  Wasser  die  Haupt- 
ursache des  Vulkanismus  sei,  es  scheint  dies  aber  sehr  un- 
wahrscheinlich, schon  im  Hinblick  auf  die  Mondvulkane,  auf  das 
Vorkommen  von  kontinentalen  Vulkanen  z.  B.  Kilimandjaro. 


i  Vergl.  Reyer,  Physik  der  Eruptionen,  II,  105. 

2  Siehe  Reyer,    Physik  der  Eruptionen,    S.  124;    Bergeat,   Äolische 
Inseln.  Abhandlungen  der  königl.  bayr.  Akad.  München,  1899. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  45 


704  C.  Doelter, 

Das  Verhalten  der  Gase  bei  verschiedenem  Druck  genügt 
ja  auch,  um  den  Vulkanismus  zu  erklären.  Nach  Bildung  eines 
Vulkans  wird  allerdings  das  Wasser  eine  Rolle  spielen,  da  aus 
den  oberen  Schichten  Wasser  zuströmen  wird  und  der  Wasser- 
dampf die  Tätigkeit  der  Gase  steigern  wird;  zur  Erneuerung 
der  Vulkaneruptionen  kann  es  also  beitragen.  Es  darf1  aber 
nicht  verkannt  werden,  daß  der  größte  Teil  des  aus  Vulkanen 
ausgeschiedenen  Wasserdampfes  kein  vadoser  ist,  sondern  aus 
den  Tiefen  stammt;  auch  das  Cl  des  Meeres  dürfte  ursprünglich 
aus  ihnen  stammen  Auch  der  Hinweis  auf  den  Vulkanismus  als 
kosmische  Erscheinung2  dürfte  darüber  belehren,  daß  Vulkane 
auch  dort  entstehen,  wo  kein  Wasser  vorhanden  ist. 

Rothpletz8  hat  die  Hypothese  aufgestellt,  daß  der  Vul- 
kanismus nicht  gleichzeitig  mit  der  Gebirgsbildung  vor  sich 
gehe,  sondern  mit  derselben  abwechsle;  das  zu  untersuchen 
wird  Gegenstand  der  speziellen  geologischen  Forschung  sein. 
Es  wird  in  diesen  und  anderen  Ausführungen  auf  die  Schwierig- 
keit aufmerksam  gemacht,  daß  ein  flüssiger  Erdkern  den  festen 
nicht  tragen  könnte,  wenn  der  erstere  sich  kontrahiert.  Hiebei 
wird  aber  vergessen,  daß  zwischen  den  festen  und  flüssigen 
Teilen  ein  allmählicher  Übergang  existiert,  da  bei  großem 
Druck  der  flüssige  Kern  so  wenig  kompressibel  ist  wie  der 
feste.4  Es  muß  auch  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  daß 
der  Erdkern  (zu  etwa  80%)  aus  Eisen  oder  Metallen  besteht, 
welche  bei  hoher  Temperatur  und  Druck  eine  Volumvergröße- 
rung beim  Erstarren  erleiden  dürften,  also  umgekehrt  wie  die 
Silikate  sich  verhalten. 

Schlußfolgerungen. 

Da  im  Innern  der  Erde  das  Magma  sich  noch  im  heiß- 
flüssigen Zustande  befindet  und  zwar  in  einer  Tiefe  von  einigen 
hundert  Kilometern,  so  kann  dasselbe,  ohne  daß  von  außen 
eine  Druckentlastung  eintritt,  nicht  aufsteigen;  wie  dieselbe 
stattfindet,   entzieht   sich  vorläufig  unserem   Urteile;    wo    der 

i  Sueß,  Heiße  Quellen.  Leipzig,  1902. 

2  G.  Tschermak,  Sitzungsber.  der  Wiener  Akademie,  Bd.  75. 

3  Sitzungsber.  der  künigl.  bayr.  Akademie,  1903. 

4  Arrhenius,  Zur  Physik  des  Vulkanismus. 


Physik  des  Vulkanismus.  705 

Druck  geringer  wird,  kann  Magma  aufsteigen.  Ohne  Wirkung 
von  gebirgsbildenden  Kräften  dürfte  Vulkanismus  schwer  er- 
klärlich sein,  denn  die  vorhandenen  peripherischen  sekundären 
Herde  sind  die  Ausläufer  des  inneren  primären  Magmaherdes. 
Beim  Aufhören  der  Verbindung  eines  peripherischen  Herdes 
mit  dem  inneren  primären  muß  bald  die  totale  Erstarrung  und 
das  Aufhören  der  vulkanischen  Tätigkeit  eintreten. 

Die  Hauptursache  des  Vulkanismus  liegt  in  der  Gas- 
imprägnation  des  tiefen  Magmas,  welche  durch  Druckverminde- 
rung explosiv  wirkt.  Die  Druckverminderung  wird  durch  tek- 
tonische  Vorgänge  hervorgebracht.  Durch  Volumvergrößerung 
des  erstarrenden  Magmas  den  Vulkanismus  zu  erklären  ist  mit 
den  physikalischen  Gesetzen  unvereinbar.  Dagegen  kann  beim 
Erstarren  des  Magmas  durch  Steigerung  des  Dampfdruckes  Gas 
frei  werden  und  explosiv  wirken.  Dies  wird  aber  nur  selten  und 
dort  möglich  sein,  wo  durch  frühere  tektonische  Vorgänge  Magma 
aus  tieferen  Schichten  hinaufgepreßt  wurde  in  die  oberen  Teile 
der  Erdrinde.  Diese  sekundären  peripherischen  Herde  können 
dann  durch  Eruptionsfähigkeit  des  Magmas  selbst  wirken;  da  aber 
ihr  Druck  nicht  sehr  groß  ist,  so  können  nur  kleinere  Vulkane, 
Maare,  Explosionskrater  auf  diese  Weise  gebildet  werden. 

Nachträgliche  Bemerkung.  Nacheiner  freundlichen  Mit- 
teilung des  Herrn  Prof.  Dr.  G.  Tarn  mann  in  Göttingen  kann  die 
Abhängigkeit  des  Schmelzpunktes  vom  Druck  durch  die  Formel 

A/  -=z  ap — bp2 

wiedergegeben  werden,  wobei  a  für  verschiedene  Stoffe  um 
ungefähr  0*02,  fc  =:  0  000001  schwankt.  Prof.  Tammann 
glaubt,  daß  auch  für  Silikate  jene  Werte  nicht  sehr  abweichen 
dürften,  und  schätzt  daher  den  maximalen  Schmelzpunkt  für 
viel  niedriger,  als  früher  angenommen.  Demnach  wäre  dieser 
Punkt  bei  zirka  40.000  Atmosphären  gelegen  in  einer  Tiefe  von 
zirka  150  km. 

Ich  habe  dieser  Anschauung  durch  eine  zweite  punktirte 
Kurve  Rechnung  getragen;  dann  würde  die  feste  Magmaschicht 
keine  sehr  mächtige  sein  können,  die  Lage  des  maximalen 
Schmelzpunktes  schwankt  also  zwischen  150  bis  350  km. 


45* 


Seite 
und  histologische  Notizen  über  Antocephalus,  Amphilina 
und  Taenia  saginata.   (Mit  4  Tafeln.)  [Preis:  1  K  70  h  = 
1  Mk.  70  Pfg.] 541 

XVTII.  Sitzung  vom  9.  Juli  1903:  Übersicht 599 

Wolf  K.„  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Gattung  Braunina  Hei  der. 

(Mit  1  Doppeltafel  und  1  Textfigur.)  [Preis:  80  h  =  80  Pfg.]  603 
Kulczynski  Vl.f  Arachnoidea  in  Asia  Minore  et  ad  Constantinopolim 

a   Dre.  F.  Werner  collecta.    (Mit  1   Doppeltafel.)    [Preis: 

1  K30h=l  Mk.  30  Pfg.] 627 

DoclUr  C,  Zur  Physik  des  Vulkanismus.  (Mit  1  Textfigur.)  [Preis : 

50  h  =  50  Pfg.] 681 

Preis  des  ganzen  Heftes:  8  K  40  h  =  8  Mk.  40  Pfg. 


Die  Sitzungsberichte  der  mathem.-naturw,  Klasse. 
erscheinen  vom  Jahre  1888  (Band  XCVII)  an  in  folgenden  vier 
gesonderten  Abteilungen,  welche  auch  einzeln  bezogen 
werden  können: 

Abteilung  L  Enthält  die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der 
Mineralogie,  Krystallographie,  Botanik,  Physio- 
logie der  Pflanzen,  Zoologie,  Paläontologie,  Geo- 
logie, Physischen  Geographie  und  Reisen. 

Abteilung  Ha.  Die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der 
Mathematik,  Astronomie,  Physik,  Meteorologie 
und  Mechanik. 

Abteilung  II  b.  Die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der 
Chemie. 

Abteilung  III.  Die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der 
Anatomie  und  Physiologie  des  Menschen  und  der 
Tiere,  sowie   aus  jenem  der  theoretischen  Medicia. 

Dem  Berichte  über  jede  Sitzung  geht  eine  Übersicht  aller 
in  derselben  vorgelegten  Manuskripte  voran. 

Von  jenen  in  den  Sitzungsberichten  enthaltenen  Abband* 
lungen,  zu  deren  Titel  im  Inhaltsverzeichnisse  ein  Preis  bei«- 
gesetzt  ist,  kommen  Separatabdrücke  in  den  Buchhandel  und* 
können  durch  die  akademische  Buchhandlung  Karl  Gerold's    lt 
Sohn   (Wien,  LT  Barbaragasse  2)   zu  dem  angegebenen   Preise  *£J 
bezogen  werden. 

Die  dem  Gebiete  der  Chemie  und  verwandter  Teile  anderer 
Wissenschaften  angehörigen  Abhandlungen  werden  auch  in 
besonderen  Heften  unter  dem  Titel:  »Monatshefte  für  Chemie 
und  verwandte  Teile  anderer  Wissenschaften«  heraus» 
erationspreis  für  einen  Jahrgang  dieser 
Monatshefte  betragt  10  K  oder  10  Mark. 

mrische  Anzeiger,  welcher  nur  Original  auszügfe..., 
sblen,  die  Titel  der  vorgelegten  Abhandlungen  .* 
5her,   acht  Tage  nach  jeder  Sitzung   auj^ 
gegeben.  Der  Preis  des  Jahrganges  ist  3  K  oder  3  Mark. 


SITZUNGSBERICHTE 


DER  KAISERLICHEN 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 

CXIL  BAND.  VIIL  BIS  X.  HEFT. 
JAHRGANG  1903.  —  OKTOBER  BIS  DEZEMBER. 


ABTEILUNG  l 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MINERALOGIE, 

KRYSTALLOGRAPHIE,  BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 

PALÄONTOLOGIE,  GEOLOGIE,  PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  UND  REISEN, 


(MIT  11  TAFELN  UND  3  TEXTFICUKEN,) 


-?S5s5s^ 


WIEN,  1903, 

^USDER  KAISERLICH-KÖNIGLICHEN  HOF-  UND  STA  ATSDRUCKEHEI. 
IN  KOMMISSION  BEI  KARL  GEROLD'S  SOHN, 

BUCH  HAN  PL  HR  UKR  KA  I  St  K  LltHES  AKALLMlfc    DEft  W 1SSBHSC KAlTlEN. 


1 


INHALT 

des  8.  bis  10.  Heftes  Okiober  bis  Dezember  1903  des  CXDL  Bandes, 
Abteilung  I  de#  Sitzungsberichte  der  mathem.-naturw.  Klasse. 

Seite 

XIX.  Sitzung  vom  15.  Oktober  1903:  Obersicht 709 

XX.  Sitzung  vom  22.  Oktober  1903:  Übersicht 714 

Handlirsch  A.,  Zur  Phylogenie  der  Hexapoden.  (Vorläufige  Mit- 

teüung.)  (Mit  1  Tafel.)  [Preis:  60  h  =  60  Pfg.] 716 

Berwerth  F.,  Der  meteorische  Eukrit  von  Peramiho.  (Mit  2  Tafeln.) 

[Preis:  1  K  60  h  =  1  Mk.  60  Pfg.] 739 

Lampa  E.ß    Untersuchungen    an    einigen   Lebermosen.    IT.    (Mit 

4  Tafeln.)  [Preis:  1  K  10  h  =  1  Mk.  10  Pfg.] 779 

Schiller  J.,  Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  (Mit  3  Tafeln.) 

[Preis :  80  h  =  80  Pfg.] 793 

XXL  Sitzung  vom  29.  Oktober  1903:  Übersicht 821 

XXII.  Sitzung  vom  5.  November  1903:  Übersicht 825 

XXIII.  Sitzung  vom  12.  November  1903:  Übersicht 828 

Mogan  L.,  Untersuchungen  über  eine  fossile  Konifere.  (Mit  1  Tafel 

und  2  Textfiguren.)  [Preis:  50  h  =  50  Pfg.] g29 

XXIV.  Sitzung  vom  19.  November  1903:  Übersicht g4i 

XXV.  Sitzung  vom  3.  Dezember  1903:  Übersicht 345 

XXVI.  Sitzung  vom  10.  Dezember  1903:  Übersicht 347 

XXVII.  Sitzung  vom  17.  Dezember  1903:  Übersicht 349 

Krasser  F.,  Konstantin  von  Ettingshausen's  Studien  über  die  fossile 

Flora  von  Ourifanga  in  Brasilien.  [Preis:  30  h  =  30  Pfg.l   .    852 

Fritsch  A.t  Bericht  über  die  mit  Unterstützung  der  kaiserlichen 
Akademie  unternommene  Reise  behufs  des  Studiums  fossiler 
Arachniden.  [Preis:  30  h  =  30  Pfg.] 861 

Müller  J.,  Über  neue  Höhlenkäfer  aus  Dalmatien.  Resultate  der  im 
Sommer  1903  unternommenen  Forschungen  in  dalmatini- 
schen Höhlen.  (Mit  1  Textfigur.)  [Preis :  50  h  =  50  Pfg.l  .        870 


Preis  des  ganzen  Heftes:  4  K  50  h  =  4  Mk.  50  Pfg. 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXIL  BAND.  VIII.  HEFT. 


ABTEILUNG  I. 

ENTHÄLT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MINERALOGIE, 

KRYSTALLOGRAPHIE,  BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 

PALÄONTOLOGIE,  GEOLOGIE,  PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  UND  REISEN. 


46 


709 


XIX.  SITZUNG  VOM  15.  OKTOBER  1903. 


Erschienen:  Sitzungsberichte:  Bd.  111,  Abt.  I,  Heft  X  (Dezember  1902);  — 
Bd.  1 12,  Abt  II  a.,  Heft  I  bis  III  (Jänner  bis  März  1903);  Heft  IV  bis  VI 
(April  bis  Juni  1903);  —  Abt.  II  b.,  Heft  I  bis  IV  (Jänner  bis  April  1903); 
Heft  V  und  VI  (Mai  und  Juni  1903).  —  Monatshefte  für  Chemie, 
Bd.  XXIV,  Heft  V  (Mai  1903);  Heft  VI  (Juni  1903);  Heft  VII  (Juli  1903).  — 
Mitteilungen  der  Erdbeben-Kommission,  Neue  Folge,  Nr.  XVII; 
Nr.  XVIII;  Nr.  XIX. 

Der  Vorsitzende,  Prof.  E.  Sueß,  begrüßt  die  Klasse 
bei  Wiederaufnahme  ihrer  Sitzungen  nach  den  akademischen 
Ferien. 

Der  Vorsitzende  macht  Mitteilung  von  dem  am  17.  Juni 
1903  erfolgten  Hinscheiden  des  wirklichen  Mitgliedes  der 
philosophisch-historischen  Klasse,  Prof.  Dr.  Engelbert  Mühl- 
bacher, und  dem  am  13.  Juli  erfolgten  Hinscheiden  des  Ehren- 
mitgliedes der  philosophisch-historischen  Klasse,  k.  und  k.  wirk- 
lichen Geheimen  Rates  und  Reichs-Finanzministers  Benjamin 
Källay  de  Nagy-Kallö. 

Weiters  gibt  derselbe  Nachricht  von  dem  Verluste,  welcher 
diese  Klasse  durch  das  am  1.  Oktober  erfolgte  Ableben  ihres 
wirklichen  Mitgliedes,  Hofrates  Prof.  Dr.  Alexander  Roliett  in 
Graz,  erlitten  hat. 

Die  anwesenden  Mitglieder  geben  ihrem  Beileide  durch 
Erheben  von  den  Sitzen  Ausdruck. 

Das  Rektorat  der  k.  k.  Universität  in  Graz  dankt  für 
die  Teilnahme,  welche  das  Präsidium  der  kaiserlichen  Akademie 
aus  Anlaß  des  Ablebens  des  Prorektors  Hofrates  Dr.  Alexander 
Roliett  zum  Ausdrucke  gebracht  hat. 

4G* 


710 

Dankschreiben  sind  eingelangt: 

Von  Prof.  Heinrich  Obersteiner  in  Wien  und  Prof.  Anton 
Wassmuth  in  Graz  für  ihre  Wahl  zu  korrespondierenden  Mit- 
gliedern im  Inlande;  von  Prof.  J.  H.  van  t'Hoff  in  Berlin  für 
seine  Wahl  zum  ausländischen  Ehrenmitgliede ;  von  Prof. 
Camillo  Golgi  in  Pavia,  Prof.  E.  J.  Marey  in  Paris,  wirklichen 
Geheimen  Rat  G.  B.  v.  Neumayer  in  Neustadt  am  Haardt, 
von  Prof.  H.  J.  Poincare  in  Paris  und  von  Prof.  W.  Ramsay 
in  London  für  ihre  Wahl  zu  korrespondierenden  Mitgliedern  im 
Auslande. 

Das  k.  k.  Ministerium  für  Kultus  und  Unterricht  über- 
mittelt den  XIII.  Band  des  Druckwerkes:  »Le  opere  di 
Galileo  Galilei«,  welches  von  dem  Ministerio  della  Istru- 
zione  pubblica  in  Rom  der  kaiserl.  Akademie  als  Geschenk 
übersendet  wurde. 

Dr.  Robert  Daublebsky  v.  Sterneck  in  Wien  dankt  für 
die  ihm  bewilligte  Subvention  zur  Herstellung  einer  die  additive 
Zusammensetzung  der  ganzen  Zahlen  aus  den  positiven  Kuben 
betreffenden  Tafel. 

Das  k.  M.  Hofrat  A.  Bauer  übersendet  eine  Arbeit  aus  dem 
chemisch-technologischen  Laboratorium  der  k.  k.  technischen 
Hochschule  in  Brunn  von  Prof.  Eduard  Donath  und  Fr. 
Bräunlich  mit  dem  Titel:  »Zur  chemischen  Kenntnis  der 
fossilen  Kohlen.« 

K.  und  k.  Hauptmann  Friedrich  Resek  in  Herzogenburg 
übersendet  ein  Exemplar  der  von  ihm  erfundenen  B rücke n- 
und  Tragfähigkeits-Berechnung  st  afein. 

Herr  Serge  Socolow  in  Moskau  übersendet  eine  Mit- 
teilung, die  Beziehungen  zwischen  den  Massen  und  den  Ent- 
fernungen der  Planeten  betreffend. 

Herr  Ernst  Eicke  in  Wien  übersendet  eine  vorläufige 
Mitteilung  über  die  Zusammensetzung  der  Elemente 
mit  Ausnahme  des  Wasserstoffes  aus  sieben  Ur- 
stoffen. 


711 

Konsul  a.  D.  Dr.  Karl  Ochsenius  in  Marburg  übersendet 
eine  Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Erdöl-  und  Erzstudien.« 

Prof.  P.  Karl  Puschl  in  Seitenstetten  übersendet  eine  Ab- 
handlung mit  dem  Titel:  Ȇber  das  Gesetz  von  Dulong 
und  Petit.« 

Prof.  Emanuel  Czuber  in  Wien  übersendet  eine  Ab- 
handlung mit  dem  Titel:  »Zur  Theorie  der  eingliedrigen 
Gruppe  in  der  Ebene  und  ihrer  Beziehungen  zu  den 
gewöhnlichen  Differentialgleichungen  erster  Ord- 
nung.« 

Der  Sekretär,  Hofrat  V.  v.  Lang,  legt  Heft  2—3  von 
Band  III8  und  Heft  3  von  Band  lVt  der  von  den  Akademien  der 
Wissenschaften  zu  München  und  Wien  und  der  Gesellschaft 
der  Wissenschaften  zu  Göttingen  herausgegebenen  »Enzyklo- 
pädie der  mathematischen  Wissenschaften  mit  Ein- 
schluß ihrer  Anwendungen«  vor. 

Prof.  P.  Franz  Schwab  übersendet  eine  Arbeit  mit  dem 
Titel:  »Bericht  über  die  Erdbebenbeobachtungen  in 
Kremsmünster  im  Jahre  1902.« 

Prof.  Dr.  W.  Laska  übersendet  eine  Arbeit  mit  dem  Titel: 
»Bericht  über  die  seismologischen  Aufzeichnungen 
des  Jahres  1902  in  Lemberg.« 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  zwei  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeiten,  die  sich  beide  auf  den- 
selben Gegenstand,  nämlich  »Einwirkung  von  Schwefel- 
säure auf  das  Butan-l,3-diol«  beziehen. 

Das  w.  M.  Hofrat  Siegm.  Exner  legt  eine  Abhandlung 
von  Dr.  J.  Hofbauer  vor,  welche  den  Titel  führt:  »Die 
Fettresorption  der  Chorionzotte,  ein  Beitrag  zur 
normalen  Anatomie  und  Physiologie  der  mensch- 
lichen Placenta.« 

Prof.  Dr.  Gustav  Gaertner  in  Wien  überreicht  eine  vor- 
läufige Mitteilung  mit  dem  Titel :  »Über  eine  Methode,  den 


712 

Blutdruck   im    rechten  Vorhof  des   Menschen   zu  be- 
stimmen.« 

Dr.  Moritz  Probst  in  Wien  legt  eine  Abhandlung  vor, 
welche  den  Titel  führt:  »Zur  Kenntnis  der  amyotrophi- 
schen Lateralsklerose  in  besonderer  Berücksichti- 
gung der  klinischen  und  pathologisch-anatomischen 
cerebralen  Veränderungen  sowie  Beiträge  zur  Kennt- 
nis der  progressiven  Paralyse.« 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Agamemnone,   G.:   Contributo   alla  storia   del   magnetismo 

terrestre  ed  alio  studio  della  correlazione  fra  i  terremoti 

e  le  perturbazioni  magnetiche.  Modena,  1903.  8°. 
Alleghäny  Observatory:    Miscellaneous   scientific    papers, 

Nr.  11  —  14;  by  F.  L.  O.  Wadsworth.  8°. 
Bonomi,  Agostino:   Quinta  contribuzione  alla  Avifauna  Tri- 

dentina.  Roveredo,  1903.  8°. 
Borredon,  Giuseppe:  La  luna  e  la  calamitä  del  mondo.  Neapel, 

1903.  8°. 
Boulanger,  Emile:  Germination  de  Tascospore  de  la  truffe 

Paris,  1903.  4°. 
Bredikhine,  Th.:  Etudes  sur  l'origine  des  meteores  cosmique 

et  la  formation  de  leurs  courants.  St.  Petersburg,  1903.  4°. 
Deutsche  akademische  Vereinigung  zu  Buenos  Aires: 

Veröffentlichungen,  I.  Band,  VII.  Heft.  Buenos  Aires.  8°. 
Du t hie,  J.  F.:  Flora  of  the  Upper  Gangetic  Piain  and  of  the 

adjacent  Siwalik  and  Sub-Himalayan  Tracts.  Vol.  I,  part  I. 

Calcutta,  1903.  8°. 
Grehant,  N.:  L'oxyde  de  carbone  (Encyclopedie  scientifique 

des  aide-memoire  —  Hygiene  experimentale).  Paris.  8°. 
—  Les  gaz  du   sang  (Encyclopedie   scientifique    des   aide- 
memoire).  Paris.  8°. 
Haardt    v.    Hartenthurn,   Vinzenz:    Die   Kartographie    der 

Balkanhalbinsel  im  XIX.  Jahrhunderte.  Wien,  1903.  8°. 


713 

Loewenthal,  Eduard:  Sechs  Thesen  zur  Neufundamentierung 

der  Kosmologie,    Biologie    und  Therapie.    Berlin -Tegel, 

1903.  4°. 
Merchich,  Matthaeo:  De  veris  geometriae  integrae  principiis 

contra  geometras  euclideos  simul  et  noneuclideos.  Agram, 

1903.  8°. 
Michigan   College    of    Mines:    Year  Book,    1902  —  1903. 

Houghton,  Michigan,  1903.  8°. 
Sociedad    Espanola    de    Historia   Natural:    Memorias, 

tomo  I,  Introducciön  y  Memoria  la.  Madrid,  1903,  8°. 
Technische  Hochschule   in  Karlsruhe:   Der  kunst- 
geschichtliche Unterricht  an  den  deutschen  Hochschulen. 

Festrede,   gehalten   von   Dr.   Adolf  v.  Oechelhaeuser. 

Karlsruhe,  1902.  4«. 
—  Verschiedene  Inauguraldissertationen  zur  Erlangung  der 

Würde  eines  Doktoringenieurs. 
Universität    in   Aberdeen:    Aberdeen   University   Studies, 

Nr.  6;  Nr.  7,  vol.  1,  vol.  2.  Aberdeen,  1902.  4°. 
Wat^of,  Spas:   Tremblements  de  terre  en  Bulgarie.   No.  3: 

Liste  des  tremblements  de  terre  observes  pendant  Tannee 

1902.  Sofia,  1903.  8°. 

Wiessner,  V.:  Das  Werden  der  Welt  und  ihre  Zukunft.  Wien, 

1903.  8°. 

Wilson  Ornithological  Club:  The  Wilson  Bulletin  No.  43. 
Oberlin,  Ohio,  1903.  8Ö. 


714 


XX.  SITZUNG  VOM  22.  OKTOBER  1903. 


Erschienen:  Sitzungsberichte,  Bd.  112,  Abt  I,  Heft  1  bis  III  (Jänner  bis 
März  1903).  —  Monatshefte  für  Chemie,  Bd. XXIV, Heft  VIII  (August 
1903).  —  Mitteilungen  der  Erdbeben-Kommission:  Neue  Folge, 
Nr.  XX. 

Das  w.  M.  Hofrat  Zd.  H.  Skraup  übersendet  eine  Abhand- 
lung des  Prof.  Dr.  F.  v.  Hemmelmayr,  Privatdozent  in  Graz, 
betitelt:  »Über  die  Einwirkung  von  Salpetersäure  auf 
ß-Resorcylsäure  und  einige  Derivate   der  letzteren.« 

Hofrat  J.  M.  Eder  und  E.  Valenta  in  Wien  übersenden 
eine  Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Unveränderlichkeit  der 
Wellenlängen  im  Funken-  und  Bogenspektrum  des 
Zinks«. 

Dr.  David  Weiß  in  Wien  übersendet  ein  versiegeltes 
Schreiben  zur  Wahrung  der  Priorität  mit  der  Aufschrift: 
»Gesetz  der  Arbeit  der  Dickdarmmuskulatur.» 

Das  w.  M.  Prof.  R.  v.  Wettstein  legt  zwei  Abhand- 
lungen vor: 

I.  »Untersuchungen    über    Stipularbildungen«,    von 

Josef  Schiller  in  Wien; 
II.  »Untersuchungen    an    einigen   Lebermoosen.    II«, 
von  Frau  Emma  Lampa  in  Wien. 

Das  w.  M.  Hofrat  Siegmund  Exner  legt  eine  in  seinem 
Institute  ausgeführte  Untersuchung  über  die  Innervation 
der  Gaumendrüsen  vom  Privatdozenten  Dr.  L.  Rethi  vor. 

Kustosadjunkt  A.  Handlirsch  in  Wien  überreicht  eine 
vorläufige  Mitteilung  über  die  Phylogenie  der  Insekten. 


715 

Dr.  Karl  Toldt  jun.  legt  eine  Abhandlung  vor,  betitelt: 
»Die  Querteilung  des  Jochbeines  und  andere  Varie- 
täten desselben.« 

Prof.  Friedrich  Berwerth  überreicht  eine  Abhandlung, 
betitelt:  »Der  meteorische  Eukrit  von  Peramiho.« 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Fr  it  sc  he,  H.:  Atlas  des  Erdmagnetismus  für  die  Epochen  1600, 
1700,  1780,  1842  und  1915.  Riga,  1903.  4°. 

Haeckel,  E.:  Anthropogenie.  Erster  Band:  Keimesgeschichte 
des  Menschen;  Zweiter  Band:  Stammesgeschichte  des 
Menschen.  Fünfte  Auflage.  Leipzig  1903.  8°. 

—  Kunstformen  der  Natur.  Neunte  Lieferung.  Leipzig  und 
Wien.  4°. 

Laouchewitch,  I.:  Solution  mathematiquement  exacte  du 
Probleme  historique  de  la  division  d'un  angle  pris  ä  volonte 
en  un  nombre  pris  ä  volonte  de  parts  egales.  8°. 

Osservatorio  Ximeniano  in  Florenz:  Bolletino  sismo- 
logico,  anno  I,  fascicoli  1,  2.  Siena,  1901,  1902;  8°.  Anno 
secondo,  Florenz,  1903;  8°. 

—  Registrazione  sismografiche,  1901;  1902;  Gennaio-Giugno 
1903. 


716 


Zur  Phylogenie  der  Hexapoden 

(vorläufige  Mitteilung) 

von 

Anton  HandKrscft. 

(Mit  1  Tafel.) 
(Vorgelegt  in  der  SiUung  am  32.  Oktober  1908.) 

Das  Streben  nach  einem  auf  phylogenetischer  Basis  auf- 
gebauten, also  natürlichen  System  der  Hexapoden  hat  in  den 
letzten  vier  Dezennien  eine  Fülle  mehr  oder  minder  beachtens- 
werter Publikationen  hervorgebracht,  die  sich  gegenseitig  in  so 
hohem  Grade  widersprechen,  daß  man  die  diesbezüglichen 
Fragen  noch  keineswegs  als  gelöst  betrachten  und  bisher  weder 
von  einer  allgemein  gebräuchlichen  Einteilung  noch  von  einem 
halbwegs  unanfechtbaren  Stammbaum  sprechen  kann. 

Warum  unter  bedeutenden  und  von  den  gleichen  darwi- 
nistischen  Grundideen  durchdrungenen  Fachzoologen  noch 
immer  so  tiefgehende  Meinungsverschiedenheiten  herrschen, 
ist  unschwer  zu  erkennen.  In  erster  Linie  trägt  wohl  auch 
hier,  wie  an  so  vielen  Gebrechen  der  Zoologie  und  der  Natur- 
wissenschaften überhaupt,  die  übergroße  Spaltung  nach  For- 
schungsrichtungen und  die  immer  weiter  gehende  Speziali- 
sierung auf  systematischem  Gebiete  bei,  denn  auf  diese  Weise 
entstanden  die  einseitigen  sogenannten  embryologischen,  ana- 
tomischen, morphologischen  oder  biologischen  Systeme.  Viele 
Autoren  vergaßen  eben  ganz,  daß  es  für  die  Feststellung  der 
Beziehungen,  welche  zwischen  den  einzelnen  Formengruppen 
herrschen,  doch  nicht  genügt,  nur  die  Flügel  oder  nur  die 
Ovarien  oder  nur  die  embryonalen  Vorgänge  zu  vergleichen, 


Phylogenie  der  Hexapoden.  717 

sondern  den  gesamten  fertigen  Organismus  und  dessen  voll- 
ständige  ontogenetische  Entwicklung.  Auch  bemerken  wir, 
daß  viele  Forscher  gerade  diejenige  Form,  welche  ihnen  oft 
nur  ein  Zufall  zur  näheren  Untersuchung  auslieferte,  als  die 
ursprünglichste  betrachteten  und  es  gleich  versuchten,  von 
ihr  viele  oder  gar  alle  anderen  Hexapoden  abzuleiten.  Eine 
zweite  Ursache  der  vielen  Irrtümer  liegt  wohl  in  der  zu  geringen 
Beachtung  der  Konvergenzerscheinungen  respektive  der  hetero- 
phyietischen  Entstehung  gewisser  Bildungen.  Man  bemühte 
sich  im  allgemeinen  viel  zu  wenig,  den  phylogenetischen 
Wert  der  Charaktere  abzuschätzen  und  sich  darüber  Rechen- 
schaft  zu  geben,  welche  Merkmale  innerhalb  einer  bestimmten 
Formengruppe  (z.  B.  einer  Ordnung)  als  ererbte  oder  primäre 
und  welche  als  erworbene  oder  sekundäre  zu  betrachten  sind. 
Auch  wäre  zu  berücksichtigen,  ob  ein  Merkmal  positiv  oder 
negativ,  ferner  ob  es  absolut  oder  relativ  ist.  Im  allgemeinen 
legte  man  viel  zu  wenig  Wert  auf  die  ganze  in  einer  Ver- 
wandtschaftsgruppe herrschende  Entwicklungsrichtung. 
Schließlich  muß  auch  noch  hervorgehoben  werden,  daß  die 
fossilen  Formen  in  der  höheren  Systematik  der  Hexapoden 
bisher  fast  gar  nicht  oder  in  ganz  unrichtiger  Weise  verwendet 
wurden,  was  seine  Erklärung  in  den  desolaten  Zuständen 
findet,  welche  bisher  auf  diesem  Zweige  der  Paläontologie 
herrschten. 

Dank  einer  Unterstützung  von  Seite  der  hohen  Akademie 
wurde  es  mir  ermöglicht,  durch  eine  gründliche  Revision  der 
paläozoischen  und  mesozoischen  Hexapoden  Resultate  zu  er- 
zielen, geeignet,  die  phylogenetische  Forschung  wesentlich  zu 
beeinflussen.  Es  gelang  mir  nicht  nur,  das  erste  Auftreten  der 
meisten  heute  noch  bestehenden  Gruppen  festzustellen,  eine 
in  den  devonischen  und  carbonischen  Schichten  verbreitete 
Gruppe  — '  die  Paläodictyoptera  —  schärfer  zu  präzisieren 
und  als  Ausgangspunkt  für  alle  älteren  Ordnungen  der  ge- 
flügelten Hexapoden  zu  erkennen,  sondern  auch  eine  Reihe 
von  Schalttypen  zwischen  heute  scharf  getrennten  Formen- 
reihen aufzufinden. 

Meine  diesbezüglichen  Arbeiten  sind  dem  Abschlüsse 
nahe  und  werden  gemeinsam  mit  den  morphologischen  Unter- 


718  A.  Handlirsch, 

suchungen  an  rezenten  Firmen  in  einer  größeren  Publikation 
niedergelegt  werden,  welche  auch  die  eingehende  Kritik  aller 
bisher  veröffentlichten  Systeme  und  die  möglichst  genaue 
Beschreibung  der  höheren  Gruppen  enthalten  wird.  Als  vor- 
läufige Mitteilung  soll  hier  nur  in  Kürze  angedeutet  werden, 
inwiefern  meine  Arbeit  die  Annahmen  meiner  Vorgänger  be- 
stätigen oder  bekämpfen  wird. 


Bevor  ich  nun  auf  die  Besprechung  der  einzelnen  systemati- 
schen Kategorien  eingehe,  muß  ich  mich  darüber  aussprechen, 
wie  ich  die  wichtigsten,  bisher  als  Basis  für  phylogenetische 
Schlußfolgerungen  benützten  biologischen  und  morphologi- 
schen Charaktere  beurteile,  welche  Zustände  ich  für  ererbte 
(primäre)  und  welche  für  erworbene  (sekundäre)  halte. 

Des  leichteren  Verständnisses  halber  beginne  ich  mit  der 
Ontogenie,  welche  in  zwei  von  den  Autoren  meist  scharf 
getrennte  Zweige  zerfallt,  je  nachdem,  ob  sich  die  betreffenden 
Vorgänge  im  Ei  oder  erst  nach  dem  Verlassen  desselben  ab- 
spielen. Tatsächlich  ist  die  Grenze  aber  eine  sehr  unsichere, 
denn  es  verlassen  viele  Formen  ihre  Eier  in  einem  viel  primi- 
tiveren Zustande  als  andere  oder  anders  ausgedrückt:  es  fallt 
die  Entwicklung  gewisser  Organe  nicht  bei  allen  Hexapoden 
in  dieselbe  Zeit,  so  daß  manche  Körperteile  (Beine  etc.)  einmal 
schon  im  Ei,  ein  andermal  erst  bei  der  letzten  Häutung  der 
Larve  plötzlich  gebildet  werden,  ja  oft  infolge  der  voraus- 
eilenden Entwicklung  der  Sexualorgane  gar  nicht  mehr  zur 
Ausbildung  gelangen.  Auch  sind  hinlänglich  Fälle  bekannt,  in 
denen  die  jungen  Tiere  nach  dem  Verlassen  des  Eies  eine 
Rückbildung  gewisser  Organe  erfahren,  die  dann  erst  in  einem 
späteren  Stadium  neuerlich  aufgebaut  werden.  Wir  sehen 
aus  diesen  Andeutungen  bereits,  wie  mannigfache' Bilder  uns 
die  gesamte  Ontogenie  der  Insekten  bieten  kann,  denn  ebenso 
verschieden  wie  die  postembryonale  ist  auch  die  embryonale 
Entwicklung.  Bereits  die  ersten  Phasen  der  Furchung  lassen 
zwei  Haupttypen  unterscheiden:  die  in  eine  superfizielle  über- 
gehende totale  und  die  von  Anfang  an  superfizielle.  Die  erst- 
genannte  Type    findet    sich    bei    den    Collembolen   und   bei 


Phylogenie  der  Hexapoden.  719 

Campodea,  während  die  zweite  allen  anderen  Hexapoden  zu- 
kommt. Im  Zusammenhange  damit  kommen  die  bei  allen 
anderen  Formen  auftretenden  Embryonalhüllen  Amnion  und 
Serosa  bei  den  Collembolen  und  bei  Campodea  nicht  zur  Aus- 
bildung. Viele  Unterschiede  bieten  die  Anlage  des  Keimstreifes, 
dessen  Lage  und  die  Umrollungsvorgänge  etc.,  doch  finden 
sich  zwischen  allen  bisher  aufgestellten  Typen  Übergänge,  so 
daß  es  unmöglich  erscheint,  nach  diesen  Merkmalen  Grenzen 
zwischen  systematischen  Gruppen  zu  ziehen.  Immerhin  kann 
man  jedoch  von  ursprünglicheren  und  höheren  Bildungen 
sprechen.  Nachdem  die  verschiedenen  Typen  in  zweifellos 
monophyletischen  Hexapodengruppen  vorkommen,  handelt  es 
sich  wohl  auch  hier  vielfach  um  Konvergenzerscheinungen. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  postembryonalen  Vorgängen, 
welche  seit  langer  Zeit  in  der  Systematik  eine  große  Rolle 
spielen  und  viel  Anlaß  zu  Kontroversen  gegeben  haben,  so 
sehen  wir  auch  hier  eine  Fülle  von  Abstufungen  einerseits 
zwischen  der  ganz  allmählichen  schrittweisen  Fortbildung  der 
Organe,  Ametabolie  genannt,  und  der  Holometabolie  anderseits, 
worunterman  jene  Fälle  zusammenfaßte,  bei  welchen  die  Larven 
auf  einer  mehr  oder  minder  unvollkommenen  Stufe  verharren,  um 
dann  in  kurzer  Zeit  während  eines  Ruhestadiums,  in  welchem 
sich  mehr  oder  minder  ausgedehnte  histolytische  Vorgänge 
beziehungsweise  Neubildungen  von  Organen  abspielen,  die 
definitive  Gestalt  anzunehmen.  Außerdem  wurde  noch  ein 
dritter  Typus  unterschieden  und  als  Hemimetabolie  bezeichnet. 
Er  bezieht  sich  auf  jene  Formen  der  Ametabolen,  deren  Larven 
irgendwelche  provisorischen  Organe  besitzen,  ist  also  ein  rein 
empirischer  Begriff.  Daß  die  Ametabolie,  bei  welcher  zwischen 
Imago  und  Larve  der  geringste  Unterschied  ist,  den  primären 
Typus  darstellt,  wird  nicht  mehr  bezweifelt  und  es  handelt 
sich  nun  in  erster  Linie  darum,  wie  die  Holometabolie  abzuleiten 
ist:  monophyletisch  oder  heterophyletisch.  Wie  schon  Brauer 
in  seinen  klassischen  Arbeiten  hervorgehoben  hat,  können  wir 
die  Ordnungen  in  der  Regel  nicht  durch  die  Larvenformen 
charakterisieren,  sondern  nur  die  Familien,  weil  sich  eben  in 
vielen  Ordnungen  ähnliche  Larventypen  wiederholen,  z.  B.  die 
sechsbeinigen  Campodeoiden,  vielbeinigen  Raupen  und  fußlosen 


720  A.  Handlirseh, 

Maden  u.  s.  w.  Von  Brauer  und  nach  ihm  von  den  meisten 
Autoren  wurde  der  campodeoide  Typus  als  der  primäre  be- 
trachtet und  erst  in  neuester  Zeit  versuchte  Lame  er  e  durch 
Aufstellung  einer  eigentümlichen  Theorie  über  die  Entstehung 
der  Metamorphosen  eine  andere  Ansicht  zu  verbreiten.  Nach 
dieser  Theorie  wären  die  Holometabolen  monophyletisch  auf 
dem  Wege  entstanden,  daß  eine  hoizbohrende  Corrodentien- 
form  die  Entwicklung  der  Flügelscheiden,  welche  bei  einer 
derartigen  Lebensweise  hinderlich  waren,  auf  ein  späteres 
Stadium  verlegte.  Auf  diese  Weise  soll  nun  das  erste  Neuro- 
pteron  entstanden  sein,  dessen  Larve  im  Holze  lebte  und  von 
diesem  Neuropteron  seien  dann  alle  Holometabolen  abzuleiten; 
die  primäre  Metaboienlarve  sei  daher  die  »eruciforme«.  Wie 
hinfällig  diese  ganze  Theorie  ist,  ergibt  sich  schon  aus  dem 
Umstände,  daß  die  holzbewohnenden  »Corrodentien«,  die  Ter- 
miten, ihre  Flügelscheiden  noch  bis  heute  behalten  haben,  daß 
es  ferner  gerade  unter  den  Neuropteren  keine  Holzbohrer  gibt 
und  daß  die  Holzbohrer  unter  den  Coleopteren,  Dipteren  und 
Lepidopteren  keineswegs  zu  den  tiefststehenden  Formen  dieser 
Gruppen  gehören. 

Als  primäre  Larven  müssen  wir  jedenfalls  diejenigen  auf- 
fassen, welche  einen  gesonderten  Kopf  und  Thorax,  Augen, 
freie,  zum  Kauen  geeignete  Kiefer  mit  Tastern,  Fühler,  sechs 
thorakale  gegliederte  Beine  und  als  Tracheenkiemen  oder 
Beine  dienende  modifizierte  Extremitäten  des  Hinterleibes  und 
Cerci besitzen.  Solche  Larven,  die  man  thysanuroide  nennen 
könnte,  finden  sich  in  verschiedener  Modifikation  tatsächlich 
in  fast  allen  Hauptgruppen  der  Hexapoden,  gleichviel  ob  sie  zu 
den  Ametabolen  oder  Holometabolen  gehören,  z.  B.  bei  Epheme- 
nden,  Sialoiden,  Coleopteren,  Hymenopteren,  Panorpaten. 
Nachdem  wir  aber  diese  letzteren  Ordnungen  aus  später  zu  er- 
örternden Gründen  nicht  voneinander  und  auch  nicht  gemeinsam 
von  einer  Ametabolenform  ableiten  können,  bleibt  uns  kein  anderer 
Weg,  als  die  Annahme  einer  heterophyletischen  Entwicklung  der 
Holometabolie,  welche  Ansicht  ja  auch  schon  von  Brauer  aus- 
gesprochen wurde.  Für  unsere  Auffassung  spricht  auch  das 
Ergebnis  der  Paläontologie:  In  der  paläozoischen  Zeit  finden 
sich  nur  Formen,  die  wir  zu  den  Ametabolen  rechnen  müssen, 


Phylogtnie  der  Hezapoden.  721 

in  der  mesozoischen  dagegen  tauchen  dann  gleichzeitig  ver- 
schiedene Metaboientypen  auf  und  es  ist  auffallend,  daß  dieses 
Ereignis  gerade  mit  gewaltigen  klimatischen  Änderungen  zu- 
sammenfällt, nämlich  mit  der  von  vielen  Geologen  angenommenen 
permischen  Eiszeit  der  südlichenHemisphäre  und  der  Ablösung 
des  gleichmäßig  warmen  und  feuchten  Carbonklimas  durch 
Wüstenklima  und  Kälte. 

Die  von  der  primären  thysanuroiden  Larvenform  abzu- 
leitenden anderen  oder  sekundären  Larvenformen  verdanken 
ihre  Gestalt  fast  ausnahmslos  einer  mehr  oder  weniger  weit- 
gehenden Reduktion  verschiedener  Organe;  sie  sind  hetero- 
phyletisch  entstanden,  also  als  Konvergenzerscheinungen  zu 
deuten  und  haben  für  die  Phylogenie  keine  hohe  Bedeutung. 
Wir  werden  auch  später  sehen,  daß  die  sogenannte  »höhere« 
Entwicklung  bei  den  Hexapoden  fast  immer  nur  auf  Modi- 
fikationen vorhandener  Organe  oder  auf  dem  Verlust  derselben 
beruht  und  nur  selten  auf  Neuerwerbungen. 

Wie  die  neuesten  Untersuchungen  übereinstimmend  fest- 
gestellt haben,  werden  im  Embryo  5  Kopfsegmente,  8  thofakaie 
und,  abgesehen  von  den  Collembolen,  fast  immer  1 1  abdominale 
Segmente  nebst  einem  Telson  angelegt  und  wir  müssen  daher 
diese  Zahl  als  die  primäre  annehmen;  ebenso  primär  ist  die 
Sonderung  der  drei  Regionen  des  Körpers.  Bei  Collembolen 
werden  (nach  Uzel)  außer  dem  Telson  nur  6  Abdominal- 
segmente angelegt,  bei  Machilis  und  Lepisma  dagegen  die 
normale  Zahl.  Später  erfolgen  dann  Reduktionen  durch  Atrophie 
oder  durch  Verschmelzung. 

Bei  allen  untersuchten  Formen  werden,  abgesehen  von 
den  Fühlern,  nur  an  drei  Kopfsegmenten  den  Beinen  gleich- 
wertige Extremitäten  angelegt,  aus  denen  die  Mundteile  hervor- 
gehen, bei  Campodea  und  bei  den  Collembolen  dagegen  (nach 
Uzel)  an  vier  Segmenten.  Abdominale  Extremitäten  werden 
bei  den  Collembolen  nur  auf  dem  1.,  3.  und  4.  (oder  5.?)  Seg- 
mente, bei  den  anderen  Insekten  auch  auf  den  meisten  anderen 
Ringen  angelegt.  Bei  den  Thysanuren  und  vielen  Larvenformen 
gehen  dann  aus  diesen  Extremitäten  teils  lokomotorische,  teils 
respiratorische  Organe  hervor,  in  den  meisten  Fällen  werden  sie 
jedoch   rückgebildet.    Das    11.  Segment    dagegen    trägt    den 


722  A.  Handlirsch, 

Fühlern  analoge  Anhänge,  die  Cerci,  welche  bei  fast  allen 
tieferstehenden  Insektengruppen  persistent  sind.  Sehr  häufig 
sind  auch  noch  die  Cerci  erhalten,  wenn  das  entsprechende 
Segment  und  selbst  wenn  das  vorhergehende  bereits  eine  weit- 
gehende Rückbildung  erfahren  hat. 

In  neuester  Zeit  hat  Verhoeff  wieder  den  Versuch  ge- 
macht, diese  durch  mühevolle  Arbeiten  von  Heymons  und 
anderen  festgestellten  Tatsachen  zu  widerlegen,  indem  er  bei 
Forficuliden  die  Existenz  von  13  Segmenten  behauptet.  Wie 
ich  mich  aber  durch  sorgfältige  Nachprüfung  überzeugt  habe, 
beruht  Verhoeff s  Annahme  jedoch  auf  einer  Täuschung, 
denn  jene  Platten,  welche  er  als  Tergit  11  und  12  bezeichnet, 
sind  nicht  getrennt  und  bilden  nur  eine  einzige  nach  unten 
umgeschlagene,  an  der  Beugungsstelle  kantenartig  verdickte 
Platte.  Was  Verhoeff  als  Segment  13  bezeichnet,  ist  demnach 
doch  nur  das  Segment  12.  Für  ebenso  mißglückt  halte  ich  die 
in  derselben  Publikation  neuerdings  versuchte  Deutung  der 
Cerci  als  Anhänge  des  10.  Segmentes.  Verhoeff  selbst  erklärt, 
daß  die  Brückenmuskeln  von  einem  Segmente  zum  anderen 
ziehen  und  schließt  trotzdem  aus  dem  Umstände,  daß  jene  des 
10.  Segmentes  in  die  Cerci  gehen,  auf  eine  Zugehörigkeit 
dieser  Anhänge  zum  10.  Ringe.  Forficuliden  sind  übrigens 
hochspezialisierte  Formen  und  eignen  sich  daher  nur  schlecht 
für  solche  Untersuchungen;  hätte  Verhoeff  die  Verhältnisse 
bei  den  Ephemeriden  untersucht,  so  zweifle  ich  nicht,  daß  auch 
er  die  Cerci  dem  11.  Segmente  zugezählt  hätte,  denn  hier 
finden  wir  noch  gut  erhaltene  Teile  dieses  Segmentes. 

Aus  dem  Gesagten  ergibt  sich  also  wieder,  daß  die  höhere 
Entwicklung  mit  Rückbildungen  und  Verlusten  von  Segmenten 
und  Extremitäten  verbunden  ist.  Solche  Verluste  wiederholen 
sich  in  allen  Verwandtschaftsreihen  und  sind  demnach  Kon- 
vergenzerscheinungen. 

Es  wird  heute  wohl  nicht  mehr  an  der  zuerst  von  Brauer 
und  dann  von  vielen  jüngeren  Forschern  festgestellten  Tat- 
sache gezweifelt,  daß  die  Hexapoden  in  zwei  Hauptgruppen 
zerfallen,  von  denen  die  eine  als  primär  ungeflügelt,  die  andere 
als  geflügelt  oder  sekundär  ungeflügelt  zu  betrachten  ist  Die 
neueren  Forschungen  von  Adolph,  Redtenbacher,  besonders 


Phylogenie  der  Hexapoden.  723 

aber  von  Comstock  und  Needham  haben  wohl  in 
unwiderleglich  klarer  Weise  gezeigt,  daß  die  Flügel  aller 
Insekten  homolog  sind,  daß  sie  aus  Imaginalscheiben  ent- 
stehen, welche  sich  früher  oder  später  sackartig  ausstülpen. 
In  diese  Säcke  wachsen  dann  zwei  starke,  an  getrennten 
Steilen  des  Tracheensystems  entspringende  Tracheenäste 
hinein,  deren  Verzweigungen  von  den  genannten  Autoren  auf 
ein  allen  Ordnungen  gemeinsames  Grundschema  zurückgeführt 
werden.  Längs  dieser  Tracheen  erfolgt  dann  bekanntlich  eine 
stärkere  Chitinausscheidung,  wodurch  die  Entstehung  der  so- 
genannten Flügeladern  oder  Rippen  gegeben  ist.  Als  ursprüng- 
lich ist  das  Vorhandensein  von  vier  gleichen  häutigen  Flügeln 
zu  betrachten,  welche  sich  unabhängig  voneinander  böwegten, 
deren  Hauptadern  sich  etwa  nach  dem  oben  genannten  Schema 
verzweigten,  während  die  Zwischenräume  durch  ein  ziemlich 
unregelmäßiges  Netzwerk  feinerer,  sogenannter  Queradern,  aus- 
gefüllt waren.  Alle  anderen  an  den  Flügeln  auftretenden  Charak- 
tere, wie  die  regelmäßige  Anordnung  gewisser  Queradern,  die 
Vergrößerung  der  Hinterflügel  zu  einem  sogenannten  Fächer, 
die  Umwandlung  der  Vorderflügel  zu  sogenannten  Flügel- 
decken, das  Auftreten  von  Gelenkfalten  und  Haftapparaten 
sowie  die  Spezialisierung  des  Geäders  durch  Ausfall  der  Quer- 
adern und  Rückbildung  oder  Verschmelzung  von  Längsadern 
ganz  so  wie  die  Rückbildung  eines  oder  beider  Flügelpaare 
wiederholen  sich  in  den  verschiedensten  Verwandtschaftsreihen, 
sind  also  auch  Konvergenzerscheinungen. 

Sehr  auffallend  tritt  auch  bei  den  Flugorganen  die  Tat- 
sache hervor,  daß  die  höhere  Entwicklung  vorwiegend  mit 
Reduktionen  verbunden  ist;  zweiflügelige  oder  sekundär  un- 
geflügelte Formen  sind  Endglieder  und  können  nicht  als  Aus- 
gangspunkt für  normalflügelige  angesehen  werden. 

Die  hier  angedeuteten  Tatsachen  scheinen  mir  geeignet, 
eine  Theorie  hinfällig  zu  machen,  welche  D.  Sharp  auf- 
gestellt hat  und  wonach  die  Insekten  in  Exopterygoten  und 
Endopterygoten  zu  trennen  wären,  je  nachdem  sich  die  Flügel 
gleich  äußerlich  oder  zuerst  im  Innern  des  Körpers  anlegen^ 
um  sich  erst  bei  der  letzten  Häutung  auszustülpen.  Die  Endo- 
pterygoten   seien  nicht  direkt  von  Exopterygoten   abzuleiten, 

Sitzb.  d.  roathem.-naturw.  Kl./  CX11.  Bd.,  Abt.  I.  47 


724  A.  Handlirsch, 

sondern  nur  durch  Vermittlung  sekundär  ungeflügelter  Formen, 
der  »Anapterygoten«,  zu  welchen  die  Mellophagen,  Anopluren 
und  Siphonapteren  gehören.  Es  werden  also  hier  durch  para- 
sitische Lebensweise  hochspezialisierte  Typen  zum  Ausgangs- 
punkte für  alle  Holometabolen  gemacht,  ganz  ohne  Rücksicht 
auf  alle  Ergebnisse  der  morphologischen,  biologischen  und 
namentlich  auch  der  paläontologischen  Forschung;  es  werden 
die  Parasiten  der  Warmblüter  als  Vorfahren  von  Formen  erklärt, 
die  schon  existierten,  als  es  noch  gar  keine  Warmblüter  gab! 

Die  Paläontologie  ist  es  auch,  welche  meine  Ansichten 
über  die  Flügel  und  deren  Geäder  in  glänzender  Weise  be- 
stätigt, denn  die  ältesten  fossilen  Pterygogenen  stimmen  ganz 
auffallend  mit  dem  oben  skizzierten  Grundtypus  der  Flügel 
überein  und  alle  hochspezialisierten  Typen  treten  erst  in  ver- 
hältnismäßig später  Zeit  auf. 

Wenden  wir  uns  nun  den  inneren  Organen  zu,  so  sind  es 
in  erster  Linie  die  Malpighischen  Gefäße,  welche  eine  Be- 
sprechung erfordern.  Paul  Mayer  und  mit  ihm  die  meisten 
neueren  Autoren  betrachten  die  Vier-  beziehungsweise  Sechs- 
zahl für  den  primären  Zustand.  Diese  Annahme  entstand 
durch  die  seither  bereits  als  irrig  erkannte  Homologisierung 
der  Harngefäße,  Stigmen  und  Speicheldrüsen  mit  Segmental- 
organen (Nephridien)  und  wurde  durch  die  Tatsache  bestätigt, 
daß  bei  Thysanuren  nur  eine  geringe  Zahl  vorhanden  ist,  daß 
ferner  die  Harngefäße  nicht  gleichzeitig  entstehen,  sondern 
erst  während  der  ontogenischen  Entwicklung  an  Zahl  zu- 
nehmen, so  daß  z.  B.  die  jungen  Blattiden  weniger  haben  als 
die  erwachsenen  Tiere.  Für  die  Thysanuren  und  für  die 
Insektenlarven  mag  denn  auch  die  Oligonephrie  der  primäre 
Zustand  sein,  für  die  Imagines  der  Pterygogenea  dagegen  müssen 
wir  aus  folgenden  Gründen  die  Polynephrie  als  den  primären 
Zustand  annehmen: 

1.  Sind  alle  im  übrigen  auf  primitiver  Organisationsstufe 
stehenden  Pterygogenen  (Ephemeren,  Odonaten,  Perliden,  Ortho- 
pteren etc.)  Polynephria,  dagegen  alle  hochspezialisierten  Formen 
wie  Dipteren,  Lepidopteren,  Coleopteren  etc.  Oligonephria. 

2.  Wenn  innerhalb  einer  Gruppe  beide  Typen  auftreten, 
so  sind  die  tieferstehenden  Formen  Polynephria,  die  höheren 


Phylogenie  der  Hexapoden.  725 

Oligonephria,  wie  es  bei  den  Hymenopteren  der  Fall  ist,  wo 
sich  gerade  parasitische  kleine  Ichneumoniden  und  die  hoch- 
spezialisierten Myrmiciden  durch  wenig  Harngefäße  aus- 
zeichnen, während  die  Tenthrediniden  typische  Polynephria 
sind. 

3.  Finden  wir  in  der  paläozoischen  Zeit  zuerst  nur  Formen, 
welche  mit  den  heute  lebenden  Polynephrien  nahe  verwandt 
sind,  während  oligonephre  Formen  erst  im  Perm  und  in  der 
mesozoischen  Periode  auftreten. 

Die  Annahme  der  Oligonephrie  als  primären  Zustand  bei 
den  Pterygogenen  ist  es,  welche  Paul  Mayer  zur  Aufstellung 
eines  ganz  verfehlten  Stammbaumes  verleitete  und  deshalb 
mußte  die  Sache  hier  näher  erörtert  werden.  Selbstverständlich 
muß  man  auch  die  Reduktion  der  Harngefäße  in  den  ver- 
schiedenen Verwandtschaftsreihen  als  Konvergenzerscheinung 
betrachten.  Als  Konvergenz  ist  ferner  auch  die  Konzentration 
des  Nervensystems  in  den  verschiedenen  Gruppen  zu  be- 
trachten, ebenso  die  höhere  Spezialisierung  der  Ovarien.  Zu 
diesem  letzten  Punkte  möchte  ich  nur  bemerken,  daß  als 
primärer  Typus  jedenfalls  der  panoistische  (holoistische)  zu 
deuten  ist,  von  welchem  beide  Haupttypen  des  meroistischen, 
der  telotrophe  und  der  polytrophe  getrennt  abzuleiten  sind. 
Sowohl  der  telotrophe  als  der  polytrophe  Typus  zeigt  mannig- 
fache Grade  der  Ausbildung  und  ist  durch  Übergangsformen 
mit  dem  Urtypus  verbunden.  Als  ursprünglich  sind  die  paarigen, 
mit  einer  mäßig  großen  Zahl  unilateral  angeordneter  Eiröhren 
versehenen  Ovarien  anzusehen,  mit  einem  einheitlichen,  un- 
paaren,  ectodermalen  Ausführungsgang  und  als  Konvergenz 
das  Auftreten  der  anderen  Typen  in  den  verschiedensten 
Gruppen.  Paarige  Ausführungsgänge  der  Genitalien  sind  auf 
eine  Rückbildung  der  ectodermalen  Einstülpung  zurückzu- 
führen. 

Von  den  hier  erörterten  Grundsätzen  ausgehend,  komme 
ich  nun  zu  folgender  Einteilung  der  Insekten. 


47* 


'26  A.  Handlirsch, 


I.  Klasse.  Collembola  (Lubbock)  m. 

1.  Ordnung.  Arthropleona  (Börner)  m. 
(Aphoruridae,  Achorutidae,  Entomobryidae). 

2.  Ordnung.  Symphypleona  (Börner)  m. 
(Smynthuridae,  MegalothoracidaeJ  m. 

Die  allgemein  verbreitete  Annahme,  wonach  die  Collem- 
bolen  durch  Vermittlung  von  Campodea  von  den  Thysanuren 
abzuleiten  wären,  scheint  mir  nicht  zutreffend,  weil  manche 
Charaktere  der  Collembolen  auf  einer  viel  tieferen  Stufe  stehen, 
während  andere  Momente  allerdings  auf  eine  weit  höhere 
Spezialisierung  hindeuten.  Zu  ersteren  gehört  z.  B.  das  gar 
nicht  oder  in  ganz  anderer  Weise  entwickelte  Tracheensystem, 
zu  letzteren  die  starke  Differenzierung  der  Körpersegmente. 
Die  Unterschiede  zwischen  den  Collembolen  und  den  übrigen 
Hexapoden  erscheinen  mir  mindestens  ebenso  bedeutend  wie 
jene  zwischen  Myriopoden  und  Thysanuren,  so  daß  ich  die  Auf- 
stellung einer  eigenen  Klasse  für  vollkommen  begründet  halte. 
Vermutlich  haben  die  Collembollen  und  Campodeoiden  gemein- 
same Vorfahren. 


II.  Klasse.  Campodeoidea  m. 

1.  Ordnung.  Dicellura  (Haliday)  m.  (Japygidae). 

2.  Ordnung.  Rhabdura  (Silvestri)  m.  (Campodeidae). 

Wie  oben  erwähnt,  dürfte  es  kaum  möglich  sein,  die 
Campodeoiden  von  Collembolen  abzuleiten.  Ebenso  unannehm- 
bar scheint  mir  aber  auch  eine  Ableitung  von  Thysanuren, 
welche  in  vieler  Beziehung  höher  organisiert  sind.  Dieser  Um- 
stand zeigt  sich  sowohl  in  der  Bildung  der  Mundteile  als 
auch  in  der  Eientwicklung. 


Phylogenie  der  Hexapoden.  727 

III.  Klasse.  Thysanura  (Latr.)  m. 

1.  Ordnung.  Macttfloidea  m. 

2.  Ordnung.  Lepismoidea  m. 

Ich  glaube  nicht,  daß  diese  Klasse  von  der  vorher- 
gehenden abgeleitet  werden  kann.  Ob  sie  den  Ausgangspunkt 
für  die  Pterypogenea  bildet  oder  nur  eine  von  ähnlichen  Vor- 
fahren abstammende  parallele  Reihe,  vermag  ich  nicht  zu 
entscheiden.  Die.  Palaeontologie  bietet  vorläufig  keinen 
Anhaltspunkt. 

IY.  Klasse.  Pterygagenea  Brauer. 

I.  Unterklasse.  Orthopteroidea  m. 
1   Ordnung.  Orthoptera  (Ol i  vi  er)  m. 

1.  Unterordnung.  Locustoidea  m. 
(Locustidae,  Gtyllidae,  Gryttotalpidae). 

2.  Unterordnung.  Acridioidea  m. 

(Acridiidae  s.  1.) 
Die  Locustoidea  reichen  bis  in  die  Carbonzeit  zurück  und 
sind  durch  Zwischenglieder  mit  Palaeodictyopteren  verbunden; 
sie  bilden  den  Ausgangspunkt  für  eine  Reihe  jüngerer  Gruppen, 
von  denen  sich  die  vermutlich  erst  in  der  Kreidezeit  (mit  der 
Entstehung  der  Angiospermen  zugleich)  entstandenen  Acri- 
dioiden  am  wenigsten  von  den  Stammeltern  entfernt  haben. 

2.  Ordnung.  Phasmoidea  m. 
Im  oberen  Jura  findet  sich  eine  jedenfalls  wasserbewohnende 
Orthopteroidenform  (Chresmoda),  welche  ich  als  Zwischenglied 
zwischen  Locustoiden  und  den  Phasmoiden  betrachten  muß. 
Die  Sprungbeine  der  Locustiden  scheinen  durch  die  veränderte 
Lebensweise  rückgebildet  worden  zu  sein.  Interessant  ist  die 
Tatsache,  daß  es  heute  noch  wasserbewohnende  Phasmiden 
gibt,  welche  nicht  jenes  aberrante  Aussehen  haben,  wie  die 
meisten  durch  Anpassung  an  Zweige  und  Blätter  (jedenfalls 
erst  in  der  Tertiärzeit)  so  hoch  spezialisierten  Phasmiden. 

3.  Ordnung.  Dermaptera  (Degeer)  Kirby. 
Die  Dermapteren  werden  von  mehreren  Autoren  mit  Un- 
recht als  sehr  ursprüngliche  Formen  betrachtet,  ja  von  manchen 


728  A.  Handlirsch, 

geradezu  als  Ausgangspunkt  für  alle  anderen  Pterygogenen. 
Die  außerordentlich  hohe  Spezialisierung  der  Flügel,  der  Cerci, 
des  ganzen  Hinterleibes  und  der  Geschlechtsorgane  in  Ober- 
einstimmung mit  der  Embryonalentwicklung  lassen  jedoch  auf 
eine  verhältnismäßig  späte  Entstehung  der  Gruppe  schließen. 
Diese  Ansicht  wird  nun  auch  durch  die  Paläontologie  bestätigt, 
weil  sich  Dermapteren  erst  in  tertiären  Schichten  finden.  Es 
wird  demnach  kaum  gelingen,  die  Dermapteren  direkt  von 
Paläodictyopteren  abzuleiten  und  wir  müssen  daher  unter  den 
bereits  in  der  mesozoischen  Periode  vorhandenen  Gruppen 
Umschau  halten,  von  denen  wohl  nur  die  Blattoidea,  Ortho- 
ptera  und  Phasmoidea  in  Betracht  kommen.  Erstere  scheinen 
mir  wegen  des  verschiedenen  Thoraxbaues  und  der  damit  ver- 
bundenen Stellung  der  Beine  ausgeschlossen,  so  daß  wir  nur 
auf  die  Orthoptera  s.  str.  und  Phasmoidea  angewisen  sind,  bei 
denen  sich  auch  bereits  ganz  ähnliche  Flügelbildungen  finden. 
Daß  die  Sprungbeine  der  Rückbildung  unterliegen,  sehen  wir 
ja  bereits  bei  Grylliden,  Gryllotalpiden  und  bei  Chresmoda.  Ob 
man  nun  die  Forficuliden  von  tiefstehenden  Phasmoiden  oder 
von  dem  Stamme  der  Locustoidea  parallel  mit  den  Phasmoiden 
ableiten  soll,  muß  erst  entschieden  werden. 

4.  Ordnung.  Diploglossata  Saussure. 

Die  einzige  bisher  bekannte  Form  dieser  Gruppe  ist  in 
vielen  Beziehungen,  namentlich  anatomisch,  noch  viel  zu  wenig 
untersucht  und  kann  daher  noch  nicht  mit  den  Dermapteren 
vereinigt  werden,  wie  es  Verhoeff  vorschlägt.  Sie  kann  sich 
ebensogut  aus  gryllidenähnlichen  Formen  entwickelt  haben 
wie  aus  Dermapteren  (Hermimerus). 

5.  Ordnung.  Thysanoptera  Haliday. 

1.  Unterordnung.  Terebrantia. 

2.  Unterordnung.  Tubulifera. 

Es  wurde  wiederholt  der  Versuch  gemacht,  die  Thysano- 
pteren  wegen  ihrer  zum  Saugen  von  Pflanzensäften  eingerich- 
teten Mundteile  in  Beziehung  zu  den  Hemipteren  zu  bringen. 
Nun  sind  aber  die  Mundwerkzeuge  nach  einem  ganz  anderen 


Phylogenie  der  Hexapoden.  729 

Typus  gebaut,  der  sich,  ebensowenig  von  jenem  der  Hemi- 
pteren  ableiten  läßt  als  umgekehrt.  Ihrer  ganzen  Organisation 
nach  sind  die  Thysanopteren  hochspezialisierte  Formen  und 
jedenfalls  erst  in  später  Zeit,  als  schon  Angiospermen  vorhanden 
waren,  entstanden.  Ihre  Wurzel  ist  wie  jene  der  Phasmoiden 
und  Dermapteren  bei  den  Orthopteren  zu  suchen  und  höchst- 
wahrscheinlich direkt  bei  Locustoiden.  Fossile  Thysanopteren 
finden  sich  erst  in  der  Tertiärzeit. 

II.  Unterklasse., Blattaeformia  m. 

1 .  Ordnung.  Mantoidea  m. 

2.  Ordnung.  Blattoidea  m. 

Mantoiden  und  Blattoiden  sind  durch  eine  Reihe  paläo- 
zoischer Formen  miteinander  und  mit  den  Paläodictyopteren 
verbunden.  Die  erstgenannte  Ordnung  ist  aus  einer  Formen- 
reihe abzuleiten,  welche  sich  weniger  rasch  von  dem  Paläo- 
dictyopterentypus  entfernt  hat  und  noch  in  der  Permzeit  ver- 
treten war.  Später  erst  entwickelten  sich  die  Raubbeine.  Die 
in  vieler  Beziehung  stärker  spezialisierten  Blattoiden  hatten 
sich  bereits  in  typischer  Ausbildung  und  großer  Formenzahl 
in  der  Carbonzeit  abgetrennt.  Sie  nehmen  nach  der  Permzeit 
rapid  an  Zahl  ab. 

3.  Ordnung.  Isoptera  Com  stock. 

Die  Isopteren  oder  Termiten  sind  nach  ihrer  ganzen 
Organisation  und  auch  als  staatenbildende  polymorphe  Formen 
keineswegs  geeignet,  als  Ausgangspunkt  für  andere  Ordnungen 
angenommen  zu  werden  und  es  beruhen  alle  diesbezüglich  in 
neuerer  Zeit  gemachten  Versuche  auf  groben  Irrtümern.  Die 
scheinbare  Homonomie  der  Flügel  ist  wohl  durch  eine  Rück- 
bildung des  Analfeldes  entstanden  und  hat  mit  der  echten 
Homonomie  der  Paläodictyopterenflügel  nichts  zu  tun.  Viele 
Paläodictyopteren  wurden  ursprünglich  für  Termiten  gehalten, 
ebenso  mehrere  Locustiden  und  Neuropteren  aus  dem  Jura, 
doch  kommen  echte  Termiten  erst  im  Bernstein  vor.  Nach 
meiner  Ansicht  sind  die  Termiten  nichts  als  ein  hoch  speziali- 
sierter junger  Seitenzweig  der  Blattoiden,  mit  denen  sie  morpho- 


730  A.  Handlirsch, 

logisch  in  allen  wesentlichen  Punkten  übereinstimmen.  Inter- 
essant ist,  daß  bei  jungen  Termiten  ähnliche  Erweiterungen 
des  Prothorax  vorkommen  wie  bei  Blattiden,  daß  diese  Gebilde 
aber  später  rückgebildet  werden. 

4.  Ordnung.  Coirodentia  (Burmeister)  m. 

Gleich  den  Termiten  sind  auch  die  Proeiden  oder  Corro- 
dentien  keine  alte  Gruppe,  sondern  jedenfalls  ein  durch  An- 
passung an  ganz  spezielle  Lebensbedingungen  (Flechtenfresser!) 
spät  abgegliederter  Zweig.  Jedenfalls  kann  man  weder  die 
Termiten  als  Vorfahren  der  Proeiden,  noch  diese  als  Vorfahren 
jener  annehmen.  WahrscheinHch  haben  sie  sich  beide  parallel 
und  nahezu  gleichzeitig  aus  verschiedenen  Blattoidenformen 
entwickelt. 

5.  Ordnung.  Mallophaga  (Nitsch)  m. 

1.  Unterordnung.  Amblycera. 

2.  Unterordnung.  Ischnocera. 

Es  unterliegt  wohl  kaum  mehr  einem  Zweifel,  daß  die 
Mallophagen  aus  Psociden  hervorgegangen  sind,  und  zwar 
jedenfalls  zu  einer  Zeit,  als  jene  noch  nicht  einen  so  hohen 
Grad  der  Spezialisierung  erreicht  hatten.  Ihre  Entwicklung 
fällt  jedenfalls  mit  jener  der  Vögel  zusammen. 

6.  Ordnung.  Siphunculata  Meinert. 

Die  Pediculiden  oder  Siphunculaten  unterscheiden  sich 
von  den  Mallophagen  eigentlich  nur  durch  die  stärkere  Re- 
duktion der  drei  Kieferpaare  und  das  damit  zusammenfallende 
Überwiegen  von  Hypopharynx  und  Epipharynx.  Anatomie  und 
Entwicklung  bieten  kaum  Anhaltspunkte  zu  einer  Trennung 
in  höhere  Gruppen,  dafür  aber  eine  Reihe  von  Beweisen  für 
nahe  Beziehungen,  so  daß  ich  die  Pediculiden  für  Mallophagen 
halte,  welche  sich  das  Blutsaugen  angewöhnt  haben.  Daß  die 
Pediculiden  nicht  zu  den  Hemipteren  gehören  können,  wo  man 
sie  allgemein  unterbrachte,  hat  schon  Meinert  nachgewiesen. 


Phylogenie  der  Hexapoden.  731 

HI.  Unterklasse.  Hymenopteroidefc  m. 

1.  Ordnung.  Hymenoptera  L. 

1.  Unterordnung.  Symphyta  (Gerst.)  m. 

2.  Unterordnung.  Apocrita  (Gerst.)  m. 

Die  ersten  fossilen  Hymenopteren  sind  äirexähnliche  Tiere 
und  finden  sich  im  oberen  Jura.  Ihre  Flügel  zeigen  noch 
nicht  jene  vollkommene  Entwicklung  wie  die  unserer  rezenten 
Formen,  sie  scheinen  auch  noch  derber  gewesen  zu  sein  und 
man  sieht  außer  den  dicken  Adern  des  Hymenopterenflügels 
auch  noch  eine  Menge  aderartiger  Streifen,  welche  den  höher 
entwickelten  Hymenopteren  verloren  gegangen  sind  und  welche 
ich  daher  als  Rudimente  eines  früheren  Geäders  deuten  möchte. 
Weder  im  Lias,  noch  in  den  tieferen  Schichten  wurden 
bisher  irgendwelche  Formen  gefunden,  welche  einen  Übergang 
zu  den  Paläodictyopteren  andeuten  würden  und  es  bleibt  uns 
dahernichts  übrig,  als  entweder  solche  hypothetische  Formen  zu 
konstruieren  oder  einen  Anschluß  an  andere  Ordnungen  zu  ver- 
suchen, welche  schon  in  den  obengenannten  älteren  Perioden 
existierten.  Man  hat  auch  bereits  Versuche  in  der  letzteren 
Richtung  gemacht  und  dabei  von  Panorpaten,  Neuropteren 
oder  Corroderrtien  etc.  gesprochen,  Formen,  welche  teils  in 
vieler  Beziehung  bereits  damals  höher  spezialisiert  waren  als 
die  Hymenopteren,  teils  aber  damals  noch  nicht  existierten. 
Wenn  überhaupt  ein  Anschluß  an  eine  der  heute  noch  exi- 
stierenden Gruppen  möglich  ist,  so  sind  dies  nach  meiner 
Ansicht  nur  die  Blattoiden  oder  die  Orthopteren,  doch  spricht 
die  größere  Wahrscheinlichkeit  für  erstere  Ordnung,  unter 
welcher  sich  auch  rezente  Formen  finden,  welche  uns  beweisen, 
daß  aus  einem  Blattrdengeäder  ähnliche  Bildungen  hervor- 
gehen können,  wie  wir  sie  bei  den  ersten  Hymenopteren 
finden.  Versuchen  wir  nun  anderseits  ein  »Protohymdndpteromc 
zu  konstruieren,  so  dürfte  sich  immerhin  auch  eine  Form 
ergeben,  welche  nicht  wesentlich  von  Blattoiden  abweicht. 
Die  Erwerbung  einer  vollkommenen  Metamorphose  macht  uns 
übrigens    so    manche    scheinbar    große   Differenz    zwischen 


732  A.  Handlirsch. 

Hymenopteren  und  Blattenden  leichter  verständlich,  weil  ja 
während  der  Puppenruhe  der  größte  Teil  des  Individuums 
ganz  neu  aufgebaut  wird.  Die  Larven  der  tiefstehenden  Hymeno- 
pteren lassen  sich  leicht  auf  den  primären  Larventypus  zurück- 
führen. Jedenfalls  hat  sich  die  Kluft,  welche  durch  divergente 
Entwicklung  zwischen  Hymenopteren  und  den  anderen  Gruppen 
entstand,  so  gewaltig  ausgebildet,  daß  wir  hier  berechtigt  sind, 
eine  eigene  Unterklasse  anzunehmen. 

IV.  Unterklasse.  Coleopteroidea  m. 
1.  Ordnung.  Coleoptera  (L.)  Degeer. 

1.  Unterordnung.  Adephaga. 

2.  Unterordnung.  Polyphaga. 

Die  ältesten  bisher  aufgefundenen  Coleopteren  gehören 
der  unteren  Trias  an ;  von  da  an  nehmen  sie  ebenso  rapid  an 
Formenzahl  zu,  wie  die  Blattoiden  abnehmen.  Obergänge 
zwischen  Paläodictyopteren  und  Coleopteren  sind  nicht  be- 
kannt. Bei  der  Ableitung  der  Coleopteren  bleibt  uns  infolge 
ihres  frühen  Auftretens  nur  die  Wahl  zwischen  Paläodictyo- 
pteren, Orthopteren  und  Blattiden,  weil  alle  anderen  alten 
Gruppen  aus  morphologischen  Gründen  ausgeschlossen  sind. 
Zu  einer  direkten  Ableitung  von  Paläodictyopteren  erscheinen 
mir  die  Coleopteren  viel  zu  hoch  spezialisiert  und  man  müßte 
hier  wieder  eine  Zwischenform  voraussetzen,  die  jedenfalls 
wie  bei  den  Hymenopteren,  sehr  »blattoid«  ausfallen  würde. 
Tatsache  ist,  daß  in  keiner  anderen  Insektenordnung  (ab- 
gesehen von  Hemipteren)  die  Tendenz  zur  Bildung  von  Flügel- 
decken so  stark  entwickelt  ist,  wie  bei  Blattoiden  (cf.  Euthyr- 
rhapha  etc.),  so  daß  man  einen  Unterschied  hier  kaum  mehr 
konstatieren  kann.  Auffallend  ist  ferner  die  bei  Käfern  und 
namentlich  bei  älteren  Formen  sowie  bei  Larven  stark  hervor- 
tretende Neigung  zu  einer  Vergrößerung  und  flachen  Aus- 
breitung des  Prothorax.  Ich  brauche  hier  nur  an  viele  Cara- 
biden,  Silphiden,  an  Lampyris  u.  s.  w.  zu  erinnern.  Auffallend 
ist  endlich  auch  die  Übereinstimmung  im  Bau  des  Thorax  und 


Phylogenie  der  Hexapoden.  733 

in  der  Stellung  der  Hüften.  Nachdem  sich  alle  morphologischen 
und  anatomischen  Charaktere  der  Coieopteren  ohne  Zwang 
von  solchen  der  Blattoiden  ableiten  lassen,  glaube  ich  nicht 
fehlzugehen,  wenn  ich  annehme,  daß  auch  die  Coieopteren 
als  stark  divergierender  Seitenzweig  der  Blattoiden  zu  be- 
trachten sind,  dem  man  aber,  so  wie  den  Hymenopteren,  wohl 
den  Rang  einer  Unterklasse  einräumen  kann. 

2.  Ordnung.  Strepsiptera  Kirby. 

Obwohl  diese  durch  parasitische  Lebensweise  in  hohem 
Grade  spezialisierte  Gruppe  noch  keineswegs  genügend  unter- 
sucht ist,  glaube  ich  doch  annehmen  zu  können,  daß  die  von 
den  meisten  Autoren  angenommene  Abstammung  von  Coieo- 
pteren den  Tatsachen  entspricht.  Die  Strepsipteren  leben  durch- 
wegs parasitisch  in  hochentwickelten  Hymenopterenformen, 
welche  vor  der  Tertiärzeit  noch  nicht  existierten;  sie  müssen 
also  als  ganz  junge  Gruppe  betrachtet  werden  und  können 
unmöglich  als  die  Vorläufer  der  Coieopteren  hingestellt  werden, 
wie  dies  in  neuester  Zeit  (von  A.  Porta)  geschah. 

V.  Unterklasse.  Embioidea  m. 

1.  Ordnung.  Embiaria  m. 

Die  Embiden  müssen  wohl  als  eine  im  Aussterben  be- 
griffene Gruppe  betrachtet  werden,  die  ihrer  durchaus  ursprüng- 
lichen Organisation  wegen  von  keiner  anderen  Ordnung  als 
von  Paläodictyopteren  abgeleitet  werden  kann.  Mit  Corro- 
dentien  und  Isopteren  haben  sie  nach  meiner  Ansicht  nichts 
gemein. 

VI.  Unterklasse.  Perloidea  m. 

1.  Ordnung.  Perlaria  m. 

Gleich  den  Embiden  muß  ich  auch  die  Perliden  direkt 
von  Paläodictyopteren  ableiten.  Der  in  letzter  Zeit  für  diese 
Gruppe  gebrauchte  Name  Plecoptera  ist  präokkupiert. 


734  A.  Handlirsch, 

VII.  Unterklasse.  Libelluloidea  m. 

1.  Ordnung.  Odonata  Fabr. 

Die  Odonaten  sind  in  ihrer  heutigen  Form  bis  zum  Lias 
zu  verfolgen  und  sind  direkt  aus  den  von  Paläodictiopteren 
herzuleitenden  Protodonaten  der  Carbon-  und  Permzeit  hervor- 
gegangen. 

VIII.  Unterklasse.  Ephemeroidea  m. 

1.  Ordnung.  Plectoptera  Pack. 

Diese  Gruppe  findet  sich  schon  im  Jura  durch  Formen 
vertreten,  welche  einen  Übergang  zu  den  paläozoischen  Prot- 
ephemeriden  darstellen;  diese  sind  von  den  Paläodictyopteren 
nicht  scharf  zu  trennen. 

IX.  Unterklasse.  Neuropteroidea  m. 

1.  Ordnung.  Megaloptera  (Latr.)  m. 

Die  Megalopteren  oder  Sialiden  können  infolge  der  noch 
vorhandenen  Cerci  und  der  ursprünglicheren  polypoden  Larve 
mit  ihren  einfachen  beißenden  Mundteilen  nicht  von  einer  der 
zwei  folgenden  Ordnungen  abgeleitet  werden.  Die  ältesten 
Sialiden  wurden  in  der  Trias  gefunden  und  sie  schließen  sich 
dem  Geäder  nach  so  eng  an  gewisse  Formen  der  Paläodictyo- 
pteren, daß  man  an  einer  direkten  Abstammung  kaum 
zweifeln  kann. 

2.  Ordnung.  Raphidioidea  m. 

Durch  den  Mangel  der  Cerci  und  die  Flügelbildung  schließt 
sich  diese  Gruppe  eng  die  folgende  an,  während  sie  wieder 
durch  die  einfachen  beißenden  Mundteile  der  Larve  davon  ab- 
weicht. Jedenfalls  kann  man  die  Raphidien  nicht  von  Neuro- 
pteren  (im  engeren  Sinne)  ableiten,  sondern  vermutlich  von 
eigenen  Paläodictyopterenformen,  welche  mit  denen  der  Sia- 
loiden  sehr  nahe  verwandt  waren. 


Phylogcnie  der  Hexapoden.  735 

3.  Ordnung.  Neuroptera  (L.)  m. 

Dem  Flügelgeäder  nach  ließen  sich  die  Formen  dieser 
Gruppe  direkt  von  Paläodictyopteren  ableiten,  welche  jedoch 
durch  ihren  Körperbau  noch  wesentlich  tiefer  standen,  so  daß 
es  mir  nötig  erscheint,  Zwischenformen  anzunehmen,  die  sich 
in  der  Perm-  und  Triasformation  finden  müßten.  Die  Neuro- 
pteren  selbst  waren  in  der  ganzen  Juraperiode  sehr  reich  ent- 
wickelt und  durch  riesige  Formen  vertreten.  Jedenfalls  dürften 
ihre  Vorfahren  mit  jenen  der  Sialiden  nahe  verwandt  gewesen 
sein. 

X.  Unterklasse.  Panorpoidea  m. 

1.  Ordnung.  Panorpata  Brauer. 

Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  daß  die  Panorpaten 
nicht  von  der  Neuropteroidenreihe  abzuleiten  sind,  weil  sie  in 
vieler  Beziehung  ursprünglicher  organisfert  und  in  ganz  anderer 
Richtung  entwickelt  erscheinen.  Unter  ihren  nächsten  Ver- 
wandten sind  sie  als  die  ältesten  zu  betrachten  und  tatsächlich 
schon  zu  Beginn  der  Juraperiode  in  der  heutigen  Form  vor- 
handen. Unter  den  Paläodictyopteren  gibt  es  eine  Formenreihe, 
die  Megasecopteriden,  welche  durch  manche  Eigenschaften 
lebhaft  an  Panorpaten  erinnert,  so  daß  ich  es  nicht  für  gewagt 
halte,  hier  einen  Anschluß  anzunehmen.  Zwischenformen 
müßten  in  der  Perm-  und  Triasformation  zu  finden  sein. 

2.  Ordnung.  Phryganoidea  m. 

Bereits  in  der  Liasperiode  finden  sich  zahlreiche  Formen, 
welche  wir  als  Phryganoiden  bezeichnen  können,  obwohl  sie 
sich  von  den  gleichzeitig  vorhandenen  Panorpaten  noch  nicht 
so  stark  unterscheiden  wie  die  rezenten  Formen  beider  Gruppen. 
Der  Name  »Trichoptera«  ist  als  präokkupiert  besser  aufzu- 
lassen. 

3.  Ordnung.  Lepidoptera  L. 

Die  nahen  Beziehungen  zwischen  Lepidopteren  und  Phry- 
ganoiden wurden  schon  oft  erörtert,  so  daß  an  einer  wirklichen 


736  A.  Handlirsch, 

Verwandtschaft  kaum  mehr  gezweifelt  wird.  Die  ältesten  sicher 
als  Lepidopteren  zu  deutenden  Formen  finden  sich  im  oberen 
und  mittleren  Jura,  also  zu  einer  Zeit,  in  welcher  bereits 
Panorpaten  und  Phryganoiden  vorhanden  waren  aber  ihr  Aus- 
sehen gibt  uns  keine  Handhabe  zur  Entscheidung  der  Ab- 
stammungsfrage. Nachdem,  wie  erwähnt,  Panorpaten  und  Phry- 
ganoiden damals  noch  nicht  sehr  scharf  geschieden  waren, 
können  wir  uns  wohl  damit  begnügen,  die  drei  Ordnungen 
als  Zweige  eines  Stammes  aufzufassen. 


4.  Ordnung.  Diptera  L. 

1.  Unterordnung.  Orthorrhapha  Brauer. 

2.  Unterordnung.  Cyclorrhapha  Brauer. 

Dipteren  finden  sich  fossil  gleichzeitig  mit  Panorpaten 
und  alle  mesozoischen  Formen  gehören  der  ersten  Unter- 
ordnung an.  Nachdem  an  der  nahen  Verwandtschaft  der  Di- 
pteren und  Panorpiden  kaum  zu  zweifeln  sein  dürfte,  glaube 
ich  die  erstere,  in  ihren  Endgliedern  so  hoch  spezialisierte 
Gruppe  als  alten,  stark  divergenten  Seitenast  der  wenig  und 
in  gerader  Richtung  entwickelten  Panorpiden  bezeichnen  zu 
können. 

5.  Ordnung.  Suctoria  Degeer. 

Die  Suctorien  (oder  Siphonapteren)  bildeten  bisher  ein 
beliebtes  Streitobjekt  für  die  Phylogenetiker.  Wiederholt  hat 
man  sie  den  Dipteren  angereiht  und  fast  ebenso  oft  wurden 
wieder  Stimmen  laut,  welche  für  eine  nähere  Verwandtschaft 
mit  Coleopteren  eintraten.  Es  würde  zu  weit  führen,  hier  alle 
in  dem  großen  Streite  angeführten  Argumente  zu  besprechen 
und  ich  begnüge  mich  mit  der  Feststellung  folgender  Tat- 
sachen : 

Die  Larve  der  Suctorien  hat  die  größte  Ähnlichkeit  mit 
jener  tiefstehender  Orthorrhaphen,  z.  B.  der  Mycetophiliden. 
Die  Stellung  der  Fühler  hinter  den  Augen  ist  nicht  abnorm, 


Phylogenie  der  Hexapoden.  737 

weil  die  Augen  den  Stirnaugen  anderer  Insekten  entsprechen 
und  nicht  den  Komplexaugen.  Stirnaugen  fehlen  den  höher 
entwickelten  Coleopteren,  von  denen  ausschließlich  man  die 
Flöhe  ableiten  könnte,  sind  dagegen  bei  den  Dipteren  gut 
entwickelt.  Die  getrennten  Thoraxsegmente  sind  nicht  maß- 
gebend, weil  diese  Trennung  offenbar  eine  sekundäre,  durch 
den  Verlust  der  Flügel  bedingte  Erscheinung  ist.  Übrigens 
haben  ja  die  Coleopteren  ebenso  fest  verbundenen  Meso-  und 
Metathorax  wie  die  Dipteren.  Die  Reduktion  des  ersten  Sterniten 
hängt  mit  der  mächtigen  Entwicklung  des  dritten  Beinpaares 
zusammen  und  findet  sich  in  den  verschiedensten  Entwicklungs- 
reihen. Die  panoistischen  Ovarien  sind  nicht  von  den  hoch- 
spezialisierten Typen,  die  wir  bei  Coleopteren  finden,  abzu- 
leiten, dagegen  viel  eher  von  jenen  tiefstehender  Dipteren,  wo 
der  meroistische,  polytrophe  Typus  noch  kaum  angedeutet  ist. 
Die  Segmentierung  des  Hinterleibes  ist  namentlich  inbezug 
auf  die  letzten  Glieder  bei  den  Flöhen  viel  ursprünglicher  als 
bei  den  Käfern  und  leicht  an  den  Typus  der  Dipteren  anzu- 
reihen, bei  welchen  die  Cerci  in  ähnlicher  Form  erhalten  sind« 
Die  Fühler  der  Flöhe  sind  nicht,  wie  es  Lameere  behauptet» 
aus  elf  Gliedern  zusammengesetzt,  sondern  aus  mindestens 
zwölf.  Es  steht  übrigens  keineswegs  fest,  daß  die  Zahl  von 
elf  Gliedern  als  typisch  für  die  Coleopteren  aufzufassen  ist. 

Wenn  wir  alle  diese  Momente  in  Betracht  ziehen,  so 
kommen  wir  zu  dem  Resultate,  daß  die  Suctorien  mindestens 
ebensogut  von  Dipteren  abstammen  können  wie  von  Coleo- 
pteren. Wenn  wir  sie  von  Coleopteroiden  ableiten  wollten, 
so  müßten  wir  weit  zurückgehen  in  die  Permformation,  in 
welcher  aber  die  Grundbedingung  für  die  Existenz  der  Flöhe 
—  die  Säugetiere  —  noch  nicht  vorhanden  waren.  Leiten  wir 
sie  von  Dipteren  ab,  so  brauchen  wir  nur  höchstens  in  den 
Schluß  des  Mesozoicums  hinabzusteigen,  wo  bereits  Säuge- 
tiere vorhanden  waren.  Bemerkenswert  ist  wohl  auch,  daß 
in  den  verschiedensten  Gruppen  der  Dipteren  blutsaugende 
Formen  auftreten,  namentlich  aber  unter  den  tiefstehenden 
Gruppen  und  daß  sich  endlich  die  Mundteile  der  Flöhe  viel 
leichter  von  jenen  der  Dipteren  ableiten  lassen  als  von  jenen 
der  Käfer. 


738  A.  Handlirsch,  Phylogcnic  der  Hoxapodcn. 

XL  Unterklasse.  Hemipteroidea  m. 

1.  Ordnung.  Hemiptera  (L.)  m. 

1.  Unterordnung.  Gymnocerata  (Fieb.)  m. 

2.  Unterordnung.  Cryptocerata  (Fteb.)  m. 

2.  Ordnung.  Homoptera  (Leach)  m. 
1.  Unterordnung.  Auchenorhyncha  (Dum)  m. 

2.  Unterordnung.  Psylloidea  m. 
3.  Unterordnung.  Aleurodoidea  m. 

4.  Unterordnung.  Aphidoidea  m. 
5.  Unterordnung.  Coccoidea  m. 

Hemiptera  und  Homoptera  sind  durch  permische  Zwischen- 
formen verbunden  und  leiten  sich  durch  Vermittlung  des  Euge-V 
reon  von  Paläodictyopteren  ab. 

Schematisch  läßt  sich  die  Gliederung  des  Pterygogenen- 
stammes  etwa  in  nachstehender  Weise  darstellen  (siehe  Stamm- 
baum). 

Ich  kann  meine  Ausführungen  nicht  schließen,  ohne  mit 
Freude  und  Genugtuung  hervorzuheben,  daß  von  allen  ge- 
bräuchlichen Insektensystemen  jenes,  welches  mein  verehrter 
Lehrer,  Hofrat  Brauer,  vor  18  Jahren  der  hohen  Akademie 
vorgelegt  hat,  dem  obenstehenden  Systeme  am  nächsten  kommt, 
so  daß  viele  damals  ausgesprochene  Ansichten  durch  meine 
Arbeit  neuerdings  bestätigt  werden. 


739 


Der  meteorische  Eukrit  von  Peramiho 

von 
Friedrich  Berwerth. 

(Mit  2  Tafeln.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  22.  Oktober  1903.) 


Die  aus  wenigen  Fällen  gebildete  Gruppe  der  meteorischen 
Eukrite  erhält  durch  den  Stein  von  Peramiho  einen  erwünschten 
Zuwachs.  Das  einzige  bisher  aufgefundene  Exemplar  des  Stein- 
falles gelangte  durch  Dekan  A.  v.  Hörmann,  in  den  Besitz 
der  Meteoritensammlung  im  naturhistorischen  Hofmuseum. 
Die  Entschließung  v.  Hörmann's,  den  Stein  der  Wiener 
Meteoritensammlung  zu  überlassen,  wo  er  der  Untersuchung 
und  der  Wissenschaft  allgemein  zugänglich  geworden  ist, 
macht  es  mir  zur  angenehmen  Pflicht,  demselben  für  diese 
wertvolle  Bereicherung  unserer  Sammlung  auch  an  dieser  Stelle 
den  allerherzlichsten  Dank  zum  Ausdruck  zu  bringen. 

v.  Hörmann  hatte  den  Stein  von  dem  Superior  der 
Benediktinermission  in  Peramiho,  P.  Cassian  Spieß,  erhalten. 
Der  Meteoritenfall  wurde  beobachtet  und  hat  sich  den 
24.  Oktober  1899,  7  Uhr  morgens  in  nordwestlicher  Richtung 
und  3  Stunden  weit  von  der  Missionsstation  Peramiho  (zirka 
10°  3<y  südlicher  Breite  und  35°  3(/  östlicher  Länge  von  Green- 
wich)  im  Gebiete  von  Ungoni,  Bezirk  Songea,  Deutsch-Ost- 
afrika ereignet.  Eine  kurze  Mitteilung  über  das  Ereignis  ent- 
hält die  illustrierte  Missionsjugendschrift   »Das   Heidenkind« 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  KL;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  48 


740  F.  Berwerth, 

(Nr.  8,  13.  Jahrgang,  1900),  die  ich  dem  freundlichen  Entgegen- 
kommen von  P.  Cassian  Spieß,  seither  katholischer  Bischof 
von  Deutsch-Ostafrika,  verdanke.  Es  heißt  dort  auf  p.  94, 
daß  P.  Cassian  aus  Peramiho  folgendes  Interessantes 
schreibt: 

»Es  war  am  2.  November,  7  Uhr  früh,1  als  bei  heiterem 
Himmel  in  nordwestlicher  Richtung  ein  donner-  oder  kanonen- 
ähnlicher Knall  ertönte,  dem  in  immer  rascherer  Folge  ein 
zweiter,  dritter...  zehnter  Schlag  nachfolgte,  bis  das  immer 
schneller  werdende  Dröhnen  in  eine  regelrechte  Kanonade 
überzugehen  schien,  um  plötzlich  wieder  zu  enden.  Da  nun 
aber  in  jener  Gegend  kein  Feind  stehen  konnte  und  es  über- 
haupt in  ganz  Ungoni  keine  Kanone  gibt,  waren  wir  lange 
ratlos  ob  der  ungewohnten  Naturerscheinung  und  konnten 
auch  den  verwundert  fragenden  Schwarzen  keinen  sicheren 
Aufschluß  geben;  wir  selbst  dachten  an  einen  vulkanischen 
Ausbruch.  Nach  wenigen  Tagen  hörten  wir  von  Schwarzen 
das  Gerücht,  es  seien  in  jener  Richtung,  3  Stunden  von  Pera- 
miho entfernt,  Steine  vom  Himmel  gefallen,  und  in  der  Tat 
brachte  man  mir  einen  kinderfaustgroßen  Stein,  den  der  Über- 
bringer auf  einem  Acker  gefunden  hatte  und  der  seinem 
Äußern  nach  sehr  wohl  ein  Meteor  sein  kann.  Eine  kleine 
Bruchfläche  sah  aus  wie  Gneis,  während  die  übrige  Außen- 
seite glänzend  schwarz  war,  was  fast  nur  aus  dem  flüssig 
heißen  Zustande  des  Gesteines  zu  erklären  ist  Mehr  als  dies 
eine  Stück  ist  bis  jetzt  leider  nicht  gefunden  worden.« 

Der  Meteoritenfall  hat  sich  nach  dieser  Mitteilung  unter 
Auftreten  der  bekannten  gewöhnlichen  Licht-  und  Schall- 
erscheinungen abgewickelt  und  nach  der  stattgefundenen 
»Kanonade«  dürften  auch  diesmal,  wie  anderwärts,  eine  große 
Zahl    von  Steinen   gefallen   sein,    deren   Auffinden,    wie   mir 


1  Da  die  Zeitangabe  im  »Heidenkind«  mit  der  Angabe  auf  dem  Begleit- 
zettel des  Steines  nicht  übereinstimmt,  befrug  ich  P.  Cassian  Spieß  über 
diesen  Widerspruch  und  erhielt  von  ihm  die  freundlichst  gegebene  Auf- 
klärung, daß  der  24.  Oktober  1899  die  richtige  Fallzeit  des  Steines  sei  und 
diese  Angabe  der  von  ihm  geführten  Peramiho-Chronik  entnommen  sei.  Er 
bemerkt  noch  dazu,  daß  die  falsche  Zeitangabe  »2.  November  1900«  sich  auf 
eine  ihm  unaufgeklärte  Weise  in  das  »Heidenkind«  eingeschlichen  habe. 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  74 1 

P.  Cassian  berichtet,  in  der  afrikanischen  Steppe  mit  beson- 
deren Schwierigkeiten  verbunden  ist. 

Der  vorhandene  Stein  ist  kinderfaustgroß  und  wog  ur- 
sprünglich 165  £.  Nach  der  Entnahme  von  Untersuchungs- 
material wiegt  er  jetzt  150  £.  Die  Gestalt  des  Steines  ist 
knollig.  In  seiner  Form  und  seinem  Aussehen  an  der  Ober- 
fläche zeigt  er  viel  Übereinstimmung  mit  den  Steinen  von 
Stannern.  Auf  Taf.  I  ist  seine  Gestalt  von  vier  Seiten  dar- 
gestellt. Die  Bilder  bringen  deutlich  zum  Ausdruck,  daß  der 
Stein  nach  den  Oberflächenerscheinungen  in  zwei  Hälften 
zerfällt.  Die  eine  Hälfte  (Bild  ä)  zeigt  infolge  starker  Ab- 
schmelzung  eine  mehr  glatte  Oberfläche  und  gehört  der  Vorder- 
seite oder  Brustseite  des  Steines  an,  während  die  andere 
Hälfte  (Bild  V)  eine  unebene  und  mehr  schollige  Oberfläche 
trägt;  sie  entspricht  der  Rücken-  oder  Dorsalseite  des  Steines. 
Die  verschiedene  Ausbildung  der  Vorder-  und  Rückenfläche 
bringen  die  beiden  Profilzeichnungen  des  Steines  (Bilder  c 
und  d)  deutlich  zur  Ansicht.  Gegenüber  der  Vorderseite,  die 
sich  durch  eine  glatte,  netzige  Verteilung  der  Schmelzrinde 
und  einen  kantigen  Buckel  kennzeichnet,  ist  die  schollige 
Rückenfläche  eine  sekundäre  Fläche,  das  ist  eine  frische 
Bruchfläche,  die  durch  Zerteilung  oder  vielleicht  nur  stärkere 
Abbröckelung  des  Steines  in  einem  späten  Stadium  der  atmo- 
sphärischen Flugbahn  entstanden  ist,  dabei  aber  noch  genü- 
gend Zeit  gefunden  hat,  sich  neuerlich  und  vollständig  mit 
Schmelzrinde  zu  überziehen. 

Die  Berindung  des  Steines  besteht  aus  einer  schwarzen, 
leicht  geflossenen,  glänzenden  und  stellenweise  bis  zur  Ver- 
glasung gediehenen  Schmelze.  Auf  der  Brustseite  ist  selbe  von 
dem  die  Mitte  der  Fläche  einnehmenden  stumpf  kantigen  Buckel 
nach  den  Rändern  abgeflossen.  Am  Buckel  selbst  ist  die  Rinde 
sehr  dünn,  verdickt  sich  gegen  die  Ränder,  zieht  sich  zu 
glasigen  Wülsten  zusammen,  die  wieder  untereinander  in  Ver- 
bindung treten  und  die  ganze  Fläche  netzartig  überziehen. 
Eine  Verschlackung  des  Schmelzproduktes  ist  nur  in  Spuren 
vorhanden.  Auf  der  Grenzscheide  zwischen  Vorder-  und  Rücken- 
seite hat  sich  die  alte  Rinde  der  Vorderfläche  durch  neuen 
Zufluß    an   Schmelze    über   die    sekundäre   Rückenfläche    in 

48* 


742  F.  Berwerth, 

einem  schmalen  Wulste  dachförmig  überhangend  vorgebaut. 
Wegen  der  verhältnismäßig  leichten  Schmelzbarkeit  der  Stein- 
masse ist  es  auch  auf  der  Rückenfläche  zur  vollständigen 
Neuberindung  der  in  unserer  Atmosphäre  entstandenen  Brucfri- 
fläche  gekommen.  Die  Ausgleichung  der  Unebenheiten,  das 
Verschwinden  der  Kanten  und  Mulden  wurde  aber  nicht  mehr 
erreicht  und  die  Fläche  hat  ihren  beim  Abbruch  entstandenen 
ursprünglichen  scholligen  Zustand  behalten.  Wie  es  bei 
Schmelzungen  an  festen  Körpern  gewöhnlich  zu  geschehen 
pflegt,  sehen  wir  auch  hier  die  Kanten  immer  zuerst  der 
Schmelzung  verfallen,  während  in  den  Mulden  kaum  erst  die 
Verschlackung  begonnen  hat. 

Ihren  starken  Glanz  verdankt  die  Rinde  der  raschen  Ver- 
glasung der  Schmelze,  deren  rasches  Eintreten  ihrerseits 
wieder  auf  der  verhältnismäßig  leichten  Schmelzbarkeit  der 
beiden  Hauptgemengteile,  des  Anorthit  und  Pyroxens,  beruht. 
Die  Eukrite  unterscheiden  sich  darum  durch  ihre  glänzenden, 
glasigen  Rinden  auch  äußerlich  von  fast  allen  übrigen  Meteor- 
steinen, die  zufolge  der  schwereren  Schmelzbarkeit  ihrer  Be- 
standteile, des  Broncits  und  Olivins,  mehr  schlackige  und 
zugleich  glanzlose  Rinden  tragen. 

Kann  man  also  schon  aus  dem  Glänze  des  äußeren 
Gewandes  im  Steine  von  Peramiho  einen  Eukrit  vermuten,  so 
wird  dies  aus  der  Betrachtung  der  frischen  Bruchfläche  offen- 
kundig. 

Die  frische  unebene  Bruchfläche  zeigt  ein  feinkörniges 
Gemenge  von  weißem  Anorthit  und  bräunlichgelbem  Pyroxen, 
so  daß  die  Steinmasse  im  allgemeinen  hellfarbig  aussieht  mit 
einem  vorwaltenden  weißen  Farbenton,  der  durch  Vorhanden- 
sein ganz  weißer  Flecken  und  solcher  von  grauer  Farbe  und 
Mischzonen  beider  variiert  wird.  Das  nur  scheinbar  homogene 
körnige  Gefüge  der  Masse  läßt  sich  bei  schärferer  Betrachtung 
mit  der  Lupe  in  mehrere  Teile  auseinandersondern,  von  denen 
die  am  reinsten  weißen  Teile  jene  Verbindungsart  zwischen 
Anorthit  und  Pyroxen  zeigen,  wie  man  sie  auch  an  irdischen 
Gesteinen  findet  und  die  als  »ophitische  Struktur«  bekannt 
ist.  Nebst  der  Zusammensetzung  war  auch  dieser  Umstand 
seinerzeit  für  Rose  maßgebend,  die  meteorischen  Eufcrite  mit 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  743 

den  irdischen  Doleriten  zu  parallelisieren,  von  denen  manche 
Vorkommnisse  eben  auch  die  ophitische  Struktur  besitzen. 
In  diesen  ophitischen  Eukritpartien  besteht  der  Anorthit 
aus  Krystalltafeln  mit  Leistenform  auf  den  Querbrüchen  ebenso 
wie  in  den  ähnlich  struierten  irdischen  Diabasen  und  Doleriten. 
Zweimal  konnte  auf  Spaltflächen  nach  P  (001)  die  feine 
Zwilliijgsriefung  nach  dem  Albitgesetze  beobachtet  werden. 
Der  Feldspat  ist  schneeweiß,  es  fehlt  ihm  fast  aller  Glanz, 
nur  einzelne  Partikel  der  Feldspatmasse  leuchten  glänzend 
aus  der  matt  schimmernden  Umgebung  hervor.  Die  Einhüllung 
glänzender  Feldspatpartikel  von  mattweißer  Feldspatmasse  ist 
die  Folge  einer  durch  hohen  Druck  herbeigeführten  Zermal- 
mung der  Feldspatkrystalle  und  deren  Aggregate.  Die  glasig 
glänzenden  Feldspatkörnchen  sind  die  der  Zerquetschung  ent- 
ronnenen Krystallsplitter,  während  die  mattschimmernden 
Teiie  einer  durch  Druck  stark  zermalmten  Feldspatmasse  ent- 
sprechen. Die  gelben  Pyroxenkörner  der  ophitischen  Partien 
stecken  in  gleichmäßiger  Verteilung  zwischen  den  Feldspat- 
krystallen  und  Krystallformen  sind  an  ihnen  nicht  aufzufinden. 
Der  Glanz  der  Pyroxenkörner  ist  hervorstechend  und  reicht 
an  Diamantglanz  heran.  Man  kann  bemerken,  daß  neben  den 
hellen,  gelben  Pyroxenkörnern  auch  solche  von  mehr  brauner 
Farbe  auftreten.  Sie  finden  sich  vorwiegend  in  den  Randzonen 
zu  den  grauen  Gesteinspartien  und  dann  in  den  grauen  Zonen 
selbst  Diese  abgedunkelten  Pyroxenkörner,  die  dann  auch 
gewöhnlich  einen  eigenen  Oberflächenschmelz  tragen,  sind 
durch  starke  Erhitzung  in  ihrer  Farbe  verändert  worden. 

Neben  den  ophitisch  gefügten,  hellfarbigen  Gesteins- 
abschnitten sind  auf  dem  Bruche  ferner  ganz  dunkel  asch- 
graue Gesteinspartien  zu  unterscheiden.  In  diesen  dunkel- 
farbigen Gesteinsstücken  wird  kaum  eine  Krystalltafel  des 
Feldspat  angetroffen,  der  Feldspat  besteht  hier  aus  eckigen 
Bruchstückchen,  die  samt  den  Pyroxenkörnern  in  eine  ge- 
schwärzte Masse  gebettet  sind.  Der  Bruch  der  geschwärzten 
Grundmasse  ist  rauh  und  es  zeigen  sich  darin  Spuren  netzigen 
Gefüges,  aus  dessen  Maschen  die  Feldspat-  und  Pyroxen- 
körnchen  öfter  herausgefallen  sind.  Die  Verwandtschaft  dieser 
dunkelgefärbten   Partien    zu   den   Grundmassen    von    tuffigen, 


744  F.  Berwerth, 

chondritischen  Meteorsteinen  ist  unverkennbar.  Die  mikro- 
skopischen Beobachtungen  werden  es  bestätigen,  daß  die 
geschwärzten  Gesteinspartien  Schmelzherden  entsprechen,  in 
denen  ein  Schmelzprodukt  des  Pyroxens  vorzugsweise  die 
Dunkelfärbung  der  davon  betroffenen  Gesteinszonen  bewirkt. 
Die  durch  mattgraue  Farbe  gekennzeichneten  Schmelzspuren 
verbreiten  sich  in  Striemen  und  Flecken  auf  der  ganzen  Bruch- 
fläche und  verschleiern  und  verfärben  das  ursprünglich  hell- 
farbige Gesteinsbild  durch  Einmischung  grauer  Farbentöne. 
Das  Erscheinen  der  grauen,  schleierartigen  Massen  findet 
gleichmäßig  in  den  ophitisch  struierten,  wie  auch  in  den  trüm- 
merigen Gesteinsabschnitten  statt,  doch  sind  die  breccienartigen 
Teile  viel  tiefer  und  kräftiger  von  der  grauen  Verfärbung  erfaßt. 

Bei  genauer  Betrachtung  der  Bruchfläche  gliedert  sich 
also  das  scheinbar  homogene  Gestein  in  zweierlei  Arten  von 
Brocken,  in  solche  mit  ophitischer  und  in  solche  mit  Breccien- 
struktur.  Beide  zeigen  Spuren  von  strukturellen  Veränderungen, 
die  partienweise  durch  partielle  Schmelzung  der  beiden  Haupt- 
gemengteile eingeleitet  sind. 

Die  Abgrenzung  zwischen  den  einzelnen  Brocken  ist 
manchmal  deutlich,  oft  aber  nicht  festzustellen.  Einige  Er- 
leichterung für  deren  Auffinden  bieten  die  in  der  ganzen  Stein- 
masse zahlreich  auftretenden  schwarzen  Schmelzäderchen.  Sie 
bilden  mehrfach  die  Grenzscheide  zwischen  zwei  Brocken. 
Aber  nicht  alle  Adern  sind  Scheidewände  von  Brocken  zweier- 
lei Art,  sie  zerschneiden  auch  einen  kompakten  Brocken 
gleicher  Art  in  mehrere  Teile.  Man  kann  bemerken,  daß  die 
Trennungsflächen  der  Brocken  mehrfach  geradlinig  verlaufen 
oder  nicht  viel  von  einer  geraden  Linie  abweichen,  so  daß  eine 
eckig-kantige  Form  der  Bruchstücke  anzunehmen  ist.  Aus  der 
Splitterform  im  großen  und  aus  der  Zusammensetzung  der 
tuffigen  Brocken  aus  Krystallstücken  wird  man  zur  Ansicht 
geleitet,  daß  der  Stein  von  Peramiho  wahrscheinlich  eine 
Reibungsbreccie  darstellt,  die  allerdings  von  ihrem  echten 
Trümmercharakter  vieles  durch  die  allseits  im  Steine  um  sich 
greifende  Schmelzung  eingebüßt  hat. 

Die  vielen  schwarzen  Schmelzadern,  die  in  geraden  und 
bogigen  Linien  die  Steinmasse  netzartig  durchdringen,  lassen 


Meteorischer  Eukritvon  Peramiho.  745 

zur  Oberflächenschmelze  keine  Beziehungen  erkennen  und  ist 
die  schwarze  Füllmasse  der  Klüfte  nicht  auf  eine  Infiltration 
von  außen  zurückzuführen,  wie  oft  angenommen  wurde.  In 
den  Kernpartien  des  Steines  sind  die  Adern  gerade  oft  am 
kräftigsten  entwickelt  und  wo  sie  sich  der  Oberfläche  nähern, 
bleibt  die  Verbindung  mit  derselben  aus  oder  die  Kommunika- 
tion mit  der  Oberfläche  ist  eine  derartige,  daß  ein  Zuströmen 
der  Schmelze  von  außen  nach  innen  ausgeschlossen  ist. 

Die  schwarze  Ader  ist  einfach  von  der  Oberfläche  abge- 
schnitten und  sie  war  schon  vorhanden,  bevor  es  zur  Bildung 
der  Schmelzrinde  kam.  Man  muß  sich  auch  gegenwärtig  halten, 
daß  die  Abschmelzung  der  Oberfläche  in  dünnen  Zonen  vor 
sich  geht  und  die  neue  Schmelze  fortwährend  abgeschleudert 
wird,  ein  Vorgang,  bei  dem  niemals  so  viel  Schmelzfluß  vor- 
rätig ist,  um  einen  ganzen  auch  nur  mittelgroßen  Stein  in 
seinem  Inneren  damit  zu  tränken. 

Schließlich  ist  das  mürbe  Gefüge  der  Steinmasse  als  eine 
bemerkenswerte  Eigenschaft  anzuführen.  Ein  kleines  Krüm- 
chen des  Steines  läßt  sich  ohne  alle  Anstrengung  zwischen 
den  Fingern  zerbröseln.  Die  leichte  Zerbröselung  der  Masse  ist 
eine  Folge  starker  Pressungen,  denen  sie  ausgesetzt  war.  Rohe 
äußerliche  Spuren  des  stattgefundenen  Gebirgsdruckes  zeigen 
sich  in  den  zahlreichen  Klüften,  die  sich  auf  dem  Bruche 
kreuzen  und  zu  ihrem  größeren  Teile  mit  schwarzer  Schmelz- 
masse gefüllt  sind.  Die  ausgiebigen  Spuren  starken  Druckes 
in  der  Steinmasse  wird  uns  auch  der  mikroskopische 
Befund   bestätigen. 

Mineralogische  Zusammensetzung. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  wurden  als 
wesentliche  Gemengteile  A north it,  monokliner  und  rhom- 
bischer Pyroxen  gefunden,  während  Magnetkies  und 
Magnetit  in  ganz  untergeordneter  Menge  als  Nebengemengteile 
erscheinen.  Als  integrierende  Bestandteile  der  Steinmasse  sind 
dann  die  glasigen  Schmelzprodukte  des  Anorthits  und  der 
Pyroxene  aufzuführen.  In  seinen  wesentlichen  Gemengteilen 
entspricht  das  Mineralgemenge  der  normalen  Zusammen- 
setzung eines  Eukrits. 


746  F.  Berwerth, 

Anorthit  Entsprechend  dem  inhomogenen  Gefüge  der 
Steinmasse  ist  die  Form  des  Anorthits  eine  verschiedene,  je 
nachdem  er  als  Bestandteil  in  massig  gefügten,  tuffigen  oder 
deutlich  geschmolzenen  Gesteinspartien  auftritt.  Ganz  von 
Kry  stall  formen  wohl  begrenzte  Anorthitdurchschnitte  wurden 
nicht  beobachtet,  Seine  vollkommenste  Ausbildung  erlangte  er 
in  den  aus  einem  Magma  direkt  auskrystallisierten  Gesteins- 
teilen. Er  erscheint  hier  in  Krystalltafeln  nach  M  (010),  an 
denen  Durchschnitte  parallel  (001)  und  (100)  die  bekannte 
Feldspatleistenform  liefern.  Die  Dicke  der  Tafeln  geht  über 
1  mm  nicht  hinaus.  In  den  tuffigen  Gesteinspartien  erscheint 
der  Anorthit  weniger  in  Gestalt  eckig-kantiger  Splitter  von  ver- 
schiedenem Umfange,  viel  häufiger  in  Form  von  Bruchstücken 
mit  abgerundeten  Konturen.  Viele  Anorthitindividuen  des  Tuffes 
sind  allotriomorph  und  erhalten  ihre  Begrenzung  von  den 
Pyroxenen  der  Umgebung.  In  jüngeren  Schmelzherden,  wo 
Anorthit  in  größerem  Umfange  zur  Schmelzung  gelangte,  kry- 
stallisierte  er  in  Körnern  mit  buchtiger  Verzahnung.  Außerdem 
tritt  der  Anorthit  auch  in  der  Form  von  Anorthitglas  auf,  das 
kleine  Risse,  Spalten  und  Gesteinslücken  ausfüllt.  Das  Glas  ist 
nicht  immer  absolut  isotrop,  es  polarisiert  zuweilen  in  schwach 
blaugrauen  Farben.  Zu  seiner  Beobachtung  sind  stärkere  Ver- 
größerungen anzuwenden.  Von  den  ebenfalls  farblosen  Krystall- 
massen  des  Anorthits  läßt  sich  der  glasige  Anorthit  durch  die 
schwächere  Lichtbrechung  unterscheiden. 

Die  Anorthite  sind  in  allen  Formen  farblos  durchsichtig. 
In  den  Krystallen  und  den  Bruchstücken  ist  die  Zwillings- 
bildung nach  dem  Albitgesetz  eine  allgemeine  Erscheinung. 
Die  Zwillingstextur  ist  sehr  verschieden.  Die  Lamellen  sind 
ganz  fein,  dünn  und  ganz  breit.  Ganz  gleiche  Lamellen  sind  in 
einem  Individuum  selten  vorhanden,  meist  besteht  ein  Wechsel 
zwischen  verschieden  dicken  Lamellen.  Nach  dem  Periklin- 
gesetz  eingelagerte  Lamellen  sind  eine  regelmäßige  Er- 
scheinung. Gewöhnlich  ist  eine  einzige  breitere  Lamelle 
seltener  ein  System  ganz  dünner  Periklinlamellen  vorhanden.  Auf 
Schnitten  parallel  (100)  sieht  man  die  Periklinlamellen  sich  häufig 
verjüngen  und  auskeilen  (Taf.  II,  Bild  5).  Außerdem  kann 
man  sehr  oft  Doppelzwillinge  nach  dem  Albit-  und  Karlsbader 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  747 

Gesetze  beobachten.  Wahrscheinlich  verbergen  sich  in  einigen 
Zwillingsstöcken  auch  Zwillingsverwachsungen  nach  dem 
Bavenoergesetze,  deren  Orientierung  bei  der  Feinheit  der  La- 
mellen jedoch  unmöglich  war. 

Die  genaue  Bestimmung  der  Feldspate  als  Anorthit  wurde 
aus  der  Messung  der  linearen  Entfernung  de«  beiden  Achsen- 
örter  in  benachbarten,  nach  dem  Albitgesetze  verzwittingten 
Lamellen  gewonnen,  unter  Anwendung  der  von  Becke  ein- 
geführten Methode  mittels  Camera  lucida  und  drehbaren 
Zeichentisches.1 

Der  Abstand  der  Achsenpole  wurde  in  Schnitten  nahezu 
senkrecht  der  Vertikalachse  wiederholt  gleich  2*5 mm  oder 
2<p  gleich  7*5°  und  somit  <p  ==  3?/4°  gefunden.  Die  Tracen  der 
Achsenebenen  beider  Zwülingsindiividuen  kreuzen  sich  in  dem 
zwischen  der  Achse  B  und  der  Mittellinie  a  liegenden  Ab- 
schnitte. Das  Resultat  dieser  Beobachtungen  entspricht  der  Zu- 
sammensetzung eines  Anorthit,  dessen  Mischungsverhältnis 
(An  88%  >  Ab  12%)  an  der  Grenze  gegen  den  Bytownit  liegt. 
In  Durchschnitten  senkrecht  zu  (010)  und  (001)  wurde  die 
Auslöschungsschiefe  af  gegen  (010)  im  Mittel  gleich  42° 
gefunden.  Beide  Beobachtungen  bestätigen  übereinstimmend^ 
daß  der  Feldspat  des  Eukrits  ein  Anorthit  ist. 

Die  Spaltbarkeit  ist  im  allgemeinen  selbst  in  dien  großen 
Individuen  undeutlich  entwickelt.  Sie  ist  immer  nur  in  sehr 
zarten  Linien  angedeutet  und,  wie  es  scheint,  noch  M  immer 
deutlicher  als  nach  P  zu  beobachten.  Die  feinen  Spaltrisse  sind 
kurz,  absätzig  und  springen  öfter  aus  der  Richtung  ab  und 
verbinden  sich  miteinander. 

Eine  typische  Erscheinung  ist  für  die  große  Mehrzahl  der 
Anorthitkrystalle  der  große  Reichtum  an  Pyroxeneinschttlssen. 
Die  Gestalt  der  Einschlüsse  ist  zweierlei  Art.  In  ihrer  Mehrheit 
bestehen  sie  aus  runden  oder  ovalen  Körnchen,  die  sich  in 
ihren  Dimensionen  bis  zu  den  feinsten  Körnchen  abstufen.  Die 
zweite   Form    besteht   aus   kurzer^    schmalen   Stäbchen    mit 


1  Ich  fühle  mich  angenehm  veranlaßt,  Herrn  Prof.  Becke  für  die  Ein- 
führung in  den  Gebrauch  dieser  und  anderer  von  ihm  festgestellten  optischen 
Beobachtungsmethoden  meinen  herzlichsten  Dank  zum  Ausdruck  zu  bringen. 


748  F.  Berwerth, 

gewölbten  Enden.  In  manchen  Fällen  sind  die  Stäbchen  spitz 
pfriemenförmig  ausgezogen  und  verdünnen  sich  oft  bis  zur 
Faser,  während  zuweilen  auch  lappige  Formen  zu  beobachten 
sind.  Sämtliche  Pyroxeneinschlüsse  sind  farblos  durchsichtig. 
Wegen  ihrer  stärkeren  Lichtbrechung  gegenüber  dem  Anorthit 
treten  sie  aus  ihm  als  helle  Punkte  und  Linien  scharf  hervor. 
Die  Menge  der  Einschlüsse  ist  in  den  einzelnen  Krystallen  eine 
sehr  ungleichmäßige.  In  ganz  homogenen  Krystallen  fehlen  sie 
oft  vollständig  oder  erscheinen  nur  in  einem  dünnen  Schwärm 
von  wenigen  Körnern.  Gewöhnlich  ist  aber  davon  eine  dichte 
Schaar  in  den  Krystallen  angesiedelt.  In  solchen  Fällen  sind 
sie  so  dicht  angehäuft,  daß  die  Feldspatmasse  stark  schwindet 
und  an  deren  Stelle  ein  von  den  Einschlüssen  ganz  getrübter 
undurchsichtiger  Anorthitdurchschnitt  erscheint.  Die  beiden 
Hauptformen,  Körner  und  Stäbchen,  schließen  sich  gegenseitig 
nicht  aus.  In  manchen  Krystallen  herrschen  aber  die  Stäbchen 
oder  Körner  ausschließlich.  In  vielen  Fällen  entsprechen 
Körnerformen  den  Querschnitten  von  Stäbchen.  Neben  ge- 
rundeten Querschnitten  wurden  vereinzelt  viereckige  Schnitte 
mit  den  Winkeln  des  Augitquerschnittes  erkannt.  In  der  Ver- 
teilung der  Einschlüsse  in  den  einzelnen  Krystallen  ist  zu 
bemerken,  daß  für  deren  Anordnung  scheinbar  keine  bestimmte 
Regel  besteht.  Man  sieht  zwar  die  gleiche  Anordnung  in  vielen 
Krystallen  wiederkehren,  ein  für  alle  Fälle  giltiges  Ansiedlungs- 
gesetz  besteht  aber  nicht.  Die  Körnchen  verraten  eine  starke 
Neigung,  sich  perlschnurartig  anzuordnen  und  mit  Vorliebe  die 
Zwillingsgrenzen  zu  besetzen.  Auch  inmitten  der  Zwillings- 
blätter fehlen  die  Perlenschnüre  nicht  und  sind  sie  dann  eben- 
falls parallel  den  Zwillingsgrenzen  aufgereiht.  Vereinzelt  folgt 
die  Aufreihung  auch  nach  gebogenen  Linien.  In  ihrer  Überzahl 
durchschwärmen  die  Körnchen  mehr  oder  weniger  dicht  ge- 
drängt den  ganzen  Kry stall.  In  anderen  Krystallen  sind  sie 
partienweise  zu  streifigen  oder  wenn  sie  staubig  fein  sind,  zu 
wolkigen  Massen  gehäuft.  In  manchen  Beispielen  wieder  beob- 
achtet man  staubförmige  Massen,  die  wie  Nebelschweife  in  die 
sonst  reine  Krystallmasse  hineinstrahlen.  Eine  besondere  Auf- 
merksamkeit verlangt  die  randliche  Verteilung  der  Einschlüsse. 
Öfters  sieht  man  deren  Masse  an  jenen  Teilen  des  Kry  Stalls 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  749 

angesammelt,  wo  der  Rand  des  Pyroxens  seine  Schärfe  verloren 
hat  und  flackrig  wird,  während  sie  entlang  der  intakten,  glatten 
Pyroxengrenze  fehlen. 

In  vielen  Krystallen  überwiegen  oder  herrschen  voll- 
ständig die  stäbchenförmigen  Pyroxeneinschlüsse.  Man  kann 
bemerken,  daß  ihre  Lage  fast  durchwegs  nach  Krystallflächen 
des  Anorthit  orientiert  ist.  In  Querschnitten  zur  Vertikalachse 
lagern  die  Stäbchen  parallel  zur  Prismenfläche  (1 10),  wobei  sie 
sich  vorzugsweise  mit  dem  einen  schmalen  Ende  unter  einem 
Winkel  von  60°  auf  die  Zwillingsgrenze  stützen.  Bei  Wieder- 
holung dieser  Stellung  in  der  Nachbarlamelle  stoßen  dann  die 
Stäbchen  an  der  Zwillingsnaht  in  einem  Winkel  von  120° 
zusammen.  Orientieren  sich  mehrere  oder  viele  Stäbchen  längs 
der  Zwillingsnaht,  so  gleicht  das  Ganze  einer  staketenartigen 
Anordnung  (siehe  Taf.  II,  Bild  6).  Rücken  die  Stäbchen  dicht 
aufeinander,  wobei  sie  sich  gewöhnlich  bis  zur  Faser  ver- 
dünnen, so  haften  sie  wie  kleine  Fähnchen  an  der  Zwillings- 
grenze, ganz  ähnlich  wie  eine  Federfahne  am  Federkiele. 

Wenn  die  Stäbchen  isoliert  und  verstreut  auftreten  und 
nicht  an  den  Rand  der  Lamellen  gestellt  sind,  sieht  man  sehr 
häufig  Stäbchen,  die  rechts  und  links  der  Zwillingsgrenze  in 
beiden  Lamellen  aufsitzen.  In  manchen  Durchschnitten  sind 
die  Stäbchen  mit  ihren  Längskanten  parallel  der  Randzone 
gegen  M  angeordnet.  Wenn  die  Stäbchen  und  Körner  gleich- 
zeitig in  dichten  Haufen  auftreten,  so  gewinnt  ein  solcher 
Anorthitschnitt  das  Ansehen,  als  wäre  er  mit  einer  Spreu  voll- 
gestopft. 

Da  viele  Stäbchen  trotz  ihrer  geringen  Körperlichkeit  mit 
Farben  erster  Ordnung  polarisieren,  darf  man  die  Einschlüsse 
als  monoklinen  Pyroxen  ausgeben. 

Außer  den  Pyroxeneinschlüssen  beherbergen  manche 
Anorthite  ein  Heer  von  feinen,  dunklen  Punkten,  die  bei  starker 
Vergrößerung  bräunliches  Licht  durchlassen  und  Glaskörnchen 
sind.  Pyroxene  und  Glasstaub  werden  zusammen  nur  aus- 
nahmsweise angetroffen.  In  der  Regel  schließen  sie  sich  gegen- 
seitig aus. 

Von  Einschlüssen  im  Feldspat  sind  noch  die  hie  und  da 
auftretenden  gelben,  wolkigen  Punkthaufen   aufzuführen,  die 


750  F.  Berwerth, 

sich  bei  starker  Vergrößerung  als  braungefarbte  Pyroxen- 
körachen  erkennen  lassen.  Einmal  war  es  deutlich  zu  ver- 
folgen, daß  die  Körnchen  im  Feldspat  nach  einer  Kluftebene 
angeordnet  waren. 

Weiterhin  nehmen  unsere  Aufmerksamkeit  in  Anspruch 
die  kataklastischen  Erscheinungen  in  den  Anorthiten.  Die  vor- 
handenen Druckspuren  liefern  uns  neben  den  nachweislichen 
Hitzeeinwirkungen  in  den  Feldspaten  wichtige  dokumenta- 
rische Stützpunkte  zur  Aufklärung  der  Entwicklungsgeschichte 
des  Steines.  Als  untrügliche  Merkmale  stattgefundener  Pres- 
sungen im  Steine  müssen  die  Verwerfungen  und  Verlegungen 
der  Zwillingslamellen  in  den  Anorthiten  aufgeführt  werden. 
Verwerfungen  der  Lamellen  bilden  in  den  polysynthetischen 
Zwillingsindividuen  eine  allgemeine  Erscheinung.  Am  deut- 
lichsten und  auch  am  häufigsten  sind  die  Zwillingsverschie- 
bungen  in  den  einschlußfreien  Individuen  vorhanden.  Viel 
seltener,  aber  mit  Sicherheit,  lassen  sich  Verwerfungen  auch  in 
den  pyroxenreichen  Feldspaten  nachweisen. 

Außer  den  Lamellenverwerfungen  finden  sich  in  sämt- 
lichen Anorthiten  ganze  Systeme  von  Sprüngen  und  Kluft- 
netzen, die  ebenso  wie  die  Laraellenverschiebungen  im  Gefolge 
gewaltsamer  mechanischer  Vorgänge  auftreten»  Eine  absolute 
Unterscheidung  mancher  Druckspalten  von  der  durch  große 
Hitze  veranlagten  Zerklüftung  läßt  sich  nicht  treffen. 

Die  sichere  Erkennung,  ob  die  SpaJten  auf  mechanischem 
Wege  oder  durch  pyrogenen  Einfluß  entstanden  sind,  wird 
hauptsächlich  durch  den  Umstand  erschwert,  daß  auch  Druck- 
Spalten  mit  Anorthitglas  gefüllt  sind.  In  manchen  Anorthiten 
erscheinen  ganze  Systeme  kurzer,  geschlängelter  Spältchen, 
die  untereinander  parallel  gestellt,  also  nach  derselben  Richtung 
gestreckt  sind.  In  einem  Anorthit  waren  diese  Spältchen  schief 
zu  den  Zwillingslamelien  gestellt  und  so  zahlreich,  daß  der 
Durchschnitt  das  Ansehen  einer  geschieferten  Masse  erhielt.  In 
einem  solchen  Falle  liegt  zweifellos  das  Phänomen  einseitigen 
Druckes  vor.  In  größeren  Anorthitinseln,  die  sich  im  polari- 
sierten Lichte  in  mehrere  Individuen  trennen,  läßt  sich  das 
Eintreten  von  Kataklase  gut  verfolgen.  Allenthalben  ist  eine 
weitgehende  starke  Zerklüftung  vorhanden.  Neben  den  unregei- 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  75  t 

mäßigen  Sprungnetzen  erscheinen  auch  hier  in  manchen 
Körnern  Züge  von  kurzen,  feinen  Druckspältchen.  Bei  schiefer 
Beleuchtung  erreicht  man  eine  deutliche  Trennung  der  Feld- 
spatmasse in  homogene  Bruchstücke  mit  glatt  erscheinender 
Oberfläche  und  Zwischenzonen  von  trüber  Lichtdurchlässigkeit, 
in  denen  die  größeren  Bruchstücke  wie  in  einem  Netze  ver- 
fangen sind.  Die  Zwischenmasse  stellt  Quetschzonen  dar,  auf 
denen  die  Feldspatsubstanz  in  verschieden  starkem  Grade  der 
Zertrümmerung  unterlegen  ist.  Es  ist  jener  Zustand  der  Kata- 
klase,  den  man  in  irdischen  Gesteinen  als  »Mörtelstruktur« 
bezeichnet.  In  das  feine  Feldspatgewebe  ist  öfter  am  Rande  ein 
Korn  oder  Fetzchen  von  Pyroxen  eingequetscht. 

Die  Entstehung  der  mehrästigen  und  klaffenden  Spalten- 
netze und  Risse  ist  einer  Zersprengung  durch  Hitze  zuzu- 
schreiben, insbesondere  auch  dann,  wenn  die  Zwillingslamellen 
keine  Verwerfung  erfuhren. 

Alle  diese  Klüfte  charakterisieren  sich  im  polarisierten 
Licht  als  breite,  dunkle  Streifen,  die  gar  oft  nur  allmählich 
gegen  die  Feldspatsubstanz  abdunkeln.  Sie  sind  zumeist  mit 
Anorthitglas  gefüllt  und  dort,  wo  die  Spalten  keine  scharfe 
Grenze  zur  Feldspatmasse  tragen,  ist  die  Füllung  der  Spalte  an 
Ort  und  Stelle  durch  Abschmelzung  der  Feldspatwände  vor 
sich  gegangen.  In  vielen  Krystallen  ist  ein  förmliches  Netz  von 
Glasäderchen  vorhanden.  Die  Störungen  der  Molekularstruktur 
im  Anorthit  durch  Hitze  finden  ihren  Ausdruck  ferner  im  Auf- 
treten von  flackrigen  und  geflammten  Partien,  die  am  besten  im 
polarisierten  Lichte  zu  beobachten  sind.  Aber  selbst  im  ein- 
fachen Lichte  geben  sich  die  von  der  Hitze  stark  beeinflußten 
Partien  in  flimmernden  und  flammigen  Lichtzeichnungen  zu 
erkennen. 

Es  kommt  auch  vor,  daß  die  farblose  Schmelze  auf  den 
Klüften  teils  krystallinisch  körnig  und  zum  Teil  glasig  erstarrte. 

Um  sich  vor  der  Verwechslung  leerer  und  glasgefüllter 
Spalten  zu  schützen,  ist  Vorsicht  nötig.  Die  Glasstränge  zeigen 
in  der  Regel  schwach  graublaue  Polarisationsfarben.  Über  den 
Anorthit  in  den  größeren  Schmelzfeldern,  das  sind  solche 
Stellen,  wo  auf  eine  weitere  Strecke  hin  der  Feldspat  zur 
Schmelzung  kam  und  aus  der  Schmelze  wieder  krystatlmisoh 


752  F.  Berwerth, 

in  einem  Körneraggregate  erstarrte,  ist  zu  bemerken,  daß  den 
Feldspatkörnern  jede  Spur  einer  Zwillingslameüierung  fehlt, 
ebenso  fehlen  ihnen  die  für  alle  anderen  Feldspate  so  charakte- 
ristischen ZerSpaltungen  und  Klüftungen. 

Rhombischer  und  monokliner  Pyroxen.  Wenn  an 
den  Feldspaten  der  massigen  Gesteinsteile  im  allgemeinen  ein 
deutliches  Bestreben  zur  Individualisierung  zu  erkennen  ist, 
die  in  vielen  Fällen  auch  erreicht  wurde,  so  ist  der  Pyroxen  in 
seiner  Formenentwicklung  hinter  den  Feldspaten  stark  zurück- 
geblieben und  er  hat  es  nur  ganz  ausnahmsweise  zu  einer 
verkümmerten  krystallographischen  Abgrenzung  gebracht  Bei 
einem  Gesamtüberblick  einer  Dünnschliffläche  erscheint  der 
Pyroxen  sowohl  in  den  tuffigen  als  den  massigen  Feldern  als 
ein  vielfach  zerrissenes  und  zerzaustes  Netz,  das  immerhin  in 
seiner  Hauptmasse  das  Traggerüst  für  den  Anorthit  abgibt. 

In  den  ophitischen  Partien  des  Steines  herrschen  große, 
nicht  idiomorph  abgeschlossene  Individuen,  die  von  Anorthit- 
leisten  in  eckige  Teile  zerschnitten  sind  und  gleiche  optische 
Orientierung  zeigen.  In  den  tuffigen  Teilen  besteht  das  Pyroxen- 
netz  aus  einem  Aggregate  von  ganz  kleinen  bis  größeren 
Körnern  und  Bruchstückchen.  Die  Farbe  des  monoklinen 
Pyroxens  ist  in  den  dünnen  Plättchen  des  Dünnschliffes  grau- 
lichweiß und  wechselt  je  nach  der  Beeinflussung  durch  Hitze 
von  hellbraun  und  dunkelbraun  bis  rotbraun.  Die  überwiegende 
Mehrheit  der  Pyroxene  trägt  monoklinen  Krystallbau.  An  den 
wenigen  und  auch  dann  meist  nur  partiell  von  Krystallebenen 
begrenzten  Durchschnitten  wurden  folgende  Formen  beob- 
achtet: a  =  (100),  w  =  (UO),  £=(010)  und  einmal  die 
Pyramide  «zz(lll).  Die  Streckung  der  Individuen  nach  der 
Vertikalachse  ist  in  vielen  Fällen  ganz  bedeutend.  Zwillings- 
bildung nach  (100)  kehrt  besonders  an  den  großen  Krystal- 
loiden  mit  einer  gewissen  Regelmäßigkeit  wieder.  Gewöhnlich 
besteht  der  Zwilling  aus  zwei  gleichen  Zwillingshälften, 
während  die  Einschaltung  dünner  Zwillingslamellen  inmitten 
des  Krystalles  seltener  vorkommt  Neben  der  Zwillingsbildung 
nach  (100)  ist  eine  solche  auch  nach  (001)  vorhanden,  die  in 
ihrer  Wiederholung  zur  schaligen  Zusammensetzung  des  Indi- 
viduums führt  und  im  Krystallbau  eine  typische  Erscheinung 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  753 

ist.  In  Schnitten  parallel  (100)  und  (010)  ist  die  meist  breite 
Lamellierung  nach  der  Basis  immer  deutlich  zu  sehen.  Viele 
Krystalle  sind  als  Doppelzwillinge  ausgebildet.  Die  Lamellen 
nach  (001)  stoßen  dann  in  einem  Zwilling  nach  (100)  in 
Schnitten  parallel  (010)  an  der  Zwillingsnaht  in  einem  stumpfen 
Winkel  von  106°  zusammen.  Die  Zwillingsgrenzen  nach  (100) 
sind  im  einfachen  Lichte  nie  zu  erkennen,  während  die  Grenzen 
der  Lamellen  nach  (001)  immer  als  scharfe  Striche  erscheinen. 
Dieser  Unterschied  ist  in  der  verschiedenen  Entstehungsweise 
der  Zwillinge  begründet. 

Außer  der  Lamellierung  nach  (001)  wurde  an  wenigen 
Individuen  auch  eine  breitschalige  Zusammensetzung  nach 
(100)  beobachtet  (Taf.  II,  Bild  7).  Die  Lage  der  optischen 
Achsenebene  und  der  optische  Charakter  wurden  normal  ge- 
funden. Dagegen  wurde  in  einem  Schnitte  parallel  (010)  als 
Maximalauslöschung  c  gegen  ?  mit  34°  gemessen.  Mittels 
Anwendung  des  Babinet'schen  Kompensators  wurde  die  Doppel- 
brechung y — ol  gleich  0*026  gefunden.  Einmal  wurde  auch 
der  Winkel  der  optischen  Achsen  gemessen  und  2  V=  23° 
gefunden.  Der  kleine  Achsenwinkel  und  die  niedrige  Aus- 
löschungsstufe stehen  mit  einem  normalen  Diopsid  nicht  in 
Übereinstimmung. 

Die  Spaltbarkeit  nach  dem  Prisma  von  87°  zeigt  die 
gleichen  Eigenheiten  wie  die  in  den  meisten  irdischen  Augiten, 
nämlich  Reichhaltigkeit,  unterbrochenen  Verlauf  und  auch 
Rauheit  der  Spaltrisse,  denen  sich  aber  mehr  als  sonst  irgendwo 
ein  reichgegliedertes  Sprungnetz  zugesellt.  In  Schnitten  par- 
allel (010)  mit  Schalenbildung  nach  (100)  wurden  innerhalb  der 
einzelnen  Lamellen  wenige  scharfe  Linien  beobachtet,  die  mit 
den  Lamellenkanten  einen  Winkel  von  76°  einschließen,  eine 
Winkelgröße,  die  dem  Winkel  ß  entspricht.  Die  kurzen,  scharfen 
Striche  verlaufen  demnach  parallel  der  Basis  (001).  Man  darf 
vermuten,  daß  in  diesen  feinen  Strichen  Zwillingslamellierungen 
parallel  (001)  und  nicht  Spaltrisse  vorliegen. 

Eine  wichtige  typische  Eigenschaft  der  Eukritaugite  be- 
steht in  der  Inhomogenität  der  Krystalle.  Die  Störungen  in  der 
Gleichartigkeit  der  Substanz  beruhen  auf  zweierlei  verschie- 
denen Ursachen.  In  dem  einen  Falle  liegt  ihr  eine  Verwachsung 


754  F.  Berwerth, 

von  rhombischem  mit  monoklinem  Pyroxen  zugrunde  und  in 
einem  anderen  Falle  besteht  sie  in  einer  durch  Erhitzung 
hervorgerufenen  Motekularverämderung  der  Randzonen  in  den 
Pyroxenkörnern. 

Der  faserige  Zustand  der  Pyroxene  macht  sich  in  den 
größeren  Krystalloiden  am  auffälligsten  bemerkbar  und  läßt 
sich  in  seiner  Art  und  seinem  Wesen  am  besten  in  Schnitten 
parallel  der  Fläche  (010)  beobachten  und  beurteilen.  Man  findet 
kaum  einen  Pyroxenschnitt,  dessen  Substanz  nicht  äußerst 
zart  und  fein  gefasert  erscheint.  Wie  schon  oben  mitgeteilt 
wurde,  zeigen  alle  Längsschnitte  Lamellierung  oder  Bänderung 
nach  (001).  Kein  einziges  Band  ist  für  sich  einheitlich  aus- 
gebildet Jede  Lamelle  ist  femgefasert  und  die  Faserung  ist 
immer  auf  die  einzelne  Lamelle  beschränkt  und  nie  über- 
greifend. 

Bei  Einstellung  der  Faserung  parallel  und  in  45°  Stellung 
zu  den  Nikolhauptschnitten  zeigt  sich  eine  Sonderung  der 
gefaserten  Substanz  in  Felder  mit  vorwiegend  gerader  und  vor- 
wiegend stark  schiefer  Auslöschung.  Die  rhombisch  und  mono- 
klin  reagierenden  Felder  mischen  sich  an  den  Grenzen  inner- 
halb der  Lamelle  und  gehen  ineinander  über.  Die  Mischung  der 
rhombischen  und  monoklinen  Fasern  ist  aber  eine  so  innige» 
daß  kaum  ein  absolut  rhombisches  und  ein  rein  monoklines 
Pyroxenbündel  vorhanden  ist.  Die  sehr  reinen  monoklinen 
Streifen  nähern  sich  der  Homogenität  und  die  rhombischen 
sind  immer  gefasert. 

Nur  ganz  selten  findet  man  ein  kleines  Feld,  das  annähernd 
ein  ungestörtes  monoklines  oder  rhombisches  Verhalten  zeigt. 
In  manchen  Krystallen  überwiegt  die  monokline  Substanz  und 
in  anderen  herrschen  die  rhombischen  Fasern.  Schätzungs- 
weise läßt  sich  angeben,  daß  der  rhombische  Pyroxen  den 
monoklinen  an  Menge  übertrifft  Wechseln  beiderlei  Pyroxen- 
felder  ziemlich  gleichmäßig  miteinander  ab,  so  teilt  sich  im 
polarisierten  Lichte  das  ganze  Lamellensystem  in  rhomboidisch 
begrenzte,  verschiedenfarbige  Felder,  ähnlich  der  Zeichnung 
eines  Schachbrettes  (siehe  Taf.  II,  Bild  8).  In  einem  Schnitte  mit 
ziemlich  genauer  Parallellage  zu  der  Fläche  (010)  wurde  ein 
sehr  rein  rhombisches  und  monoklines  Feld   angetroffen.   Im 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  755 

rhombischen  Bündel  wurde  der  Austritt  der  Mittellinie  a  und 
im  monoklinen  telde  der  Austritt  der  optischen  Normalen  bei 
Parallelität  der  Vertikalachsen  beobachtet.  Hiernach  liegt  bei 
Annahme  der  Aufstellung  des  rhombischen  Pyroxens  nach 
Tschermak  eine  regelmäßige  Verwachsung  beider  Pyroxene 
parallel  den  Querflächen  (100//100)  vor,  die  jenem  Ver- 
wachsungsgesetze entspricht,  wie  es  zwischen  rhombischen 
und  monoklinen  Pyroxenen  sowohl  in  effusiven  als  Tiefen- 
gesteinen unserer  Erde  häufig  angetroffen  wird. 

Wir  haben  gefunden,  daß  in  der  Hauptmasse  des  Pyroxens 
eine  Verwachsung  des  rhombischen  und  monoklinen  Pyroxens 
innerhalb  des  monoklinen  Krystallbaues  stattgefunden  hat, 
wobei  der  rhombische  Pyroxen  den  größeren  Anteil  am  Ge- 
menge hat.  Was  bisher  vom  Auftreten  des  rhombischen 
Pyroxens  gesagt  wurde,  muß  aber  durch  einzelne  Beob- 
achtungen ergänzt  werden,  die  uns  beweisen,  daß  der  rhom- 
bische Pyroxen  auch  in  selbständigen  Individuen  vorkommt 
und  seine  Homogenität  nur  durch  Erscheinen  weniger  mono- 
kliner  Lamellen  gestört  erscheint.  Als  ziemlich  reiner  rhom- 
bischer Pyroxen  lassen  sich  nur  wenige  Körner  erkennen, 
so  daß  ihm  als  selbständiger  Gemengteil  eine  bescheidene 
Rolle  zufällt.  Kein  augenfälliges  Merkmal  kennzeichnet  ihn. 
Im  allgemeinen  scheint  er  mehr  hellfarbig  zu  sein  als  die 
gemischten  und  reinen  monoklinen  Pyroxene.  In  Krystall- 
massen,  die  nahezu  vollständig  aus  rhombischen  Pyroxenen 
bestehen,  erscheinen  immer  wieder  Spuren  monokliner  Fasern 
und  in  Schnitten  parallel  (100)  treten  im  einfachen  Lichte 
dunkle  Striche  auf,  die  senkrecht  auf  den  prismatischen  Rissen 
stehen  und  im  polarisierten  Lichte  sich  als  monokline  Ein- 
lagerungen nach  (001)  zu  erkennen  geben.  In  einem  Korn, 
parallel  (100)  angeschnitten,  sah  man  zwei  breite,  monokline 
Lamellen  austreten.  In  Querschnitten  wurde  zweimal  eine  Be- 
grenzung angetroffen,  die  ziemlich  genau  dem  Prisma  ent- 
sprach. Auf  einem  solchen  prismatisch  begrenzten  Basal- 
schnitt  erschien  einmal  ein  Balken  von  monoklinem  Pyroxen, 
der  inmitten  des  Querschnittes  parallel  (100)  dem  rhombischen 
Pyroxen  eingelagert  ist.  Die  optische  Achsenebene  des  rhom- 
bischen Pyroxens  liegt  parallel  der  monoklinen  Lamelle,  was 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  49 


756  F.  Berwerth, 

mit    dem   Verhalten    eines    rhombischen    Pyroxens    überein- 
stimmt 

In  einer  Mitteilung,  betitelt:  Ȇber  einen  neuen  Bestand- 
teil einiger  Meteoriten«  berichtet  Weinschenk1  über  eine  ähn- 
liche Verwachsung  zweier  Minerale  in  einem  Eukriteinschlusse 
des  Meteoriten  von  Vaca  muerta.  Die  mitgeteilten  Beob- 
achtungen und  die  Bildskizze  lassen  keinen  Zweifel  auf- 
kommen, daß  von  Wein  schenk  in  Vaca  muerta  dieselbe  Ver- 
wachsung von  rhombischem  und  monoklinem  Pyroxen  beob- 
achtet wurde,  wie  sie  hier  im  Eukrit  von  Peramiho  auftritt. 

Es  muß  noch  die  wichtige  Beobachtung  nachgetragen 
werden,  daß  in  einem  Schnitte  aus  der  Zone  010:001  eines 
gemischten  Krystalles  der  optische  Charakter  des  rhombischen 
Pyroxens  negativ  gefunden  wurde. 

Der  rhombische  Pyroxen  ist  hiernach  und  im  Zusammen- 
halte mit  dem  chemisch  nachgewiesenen  großen  Eisengehalte 
der  Pyroxensubstanz  als  Hyp ersten  zu  bezeichnen.  Der 
monokline  Pyroxen  zeigt  dagegen  bei  aller  Übereinstimmung 
der  Form  mit  diopsidischem  Augit  bemerkenswerte  Verschieden- 
heiten von  dem  normalen  Verhalten  der  Diopside.  Die  Unter- 
schiede bestehen  in  der  niedrigen  Auslöschungsschiefe  und 
einem  kleinen  Achsenwinkel.  Mit  diesen  physikalischen  Ver- 
schiedenheiten zeigt  die  chemische  Zusammensetzung  der 
Pyroxenmasse  insoweit  Übereinstimmung,  als  nach  den  stoff- 
lichen Mengenverhältnissen  eine  normale  Verbindung  der 
Diopsidreihe  nicht  vorhanden  sein  kann.  Alle  Umstände  weisen 
darauf  hin,  daß  im  monoklinen  Pyroxen  des  Eukrits  eine 
bisher  in  den  tonerdefreien  Augiten  unbekannte  Verbindung 
vorliegt. 

Die  auf  einer  Molekularveränderung  der  Pyroxenkörner 
beruhende  Inhomogenität  ist  durch  eine  partielle  Erhitzung  des 
Steines  veranlaßt.  Manche  Pyroxene  sind  aus  dieser  Ursache 
körnig  zerklüftet  und  von  den  Klüften  angeheizt  worden.  Die 
Körner  sind  dann  in  ihrem  Kerne  meist  noch  vollständig 
homogen,  dagegen    an    den   Rändern    in   ihrem    molekularen 


i  Tschermak,  Min.  petr.  Mitt.  Bd.  XVII,  p.  576. 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  757 

Bestände  verändert,  was  sich  durch  die  niedrigen  Polarisalions- 
farben  in  den  Randzonen  zu  erkennen  gibt. 

Von  den  Einschlüssen  in  den  Pyroxenen  müssen  zunächst 
die  charakteristischen  Einlagerungen  besprochen  werden,  die 
bei  schwacher  Vergrößerung  vorwiegend  in  den  größeren 
Individuen,  und  zwar  unabhängig  von  der  Natur  des  Pyroxens, 
als  dunkle,  dichte  oder  schüttere  Tupfen  auftreten,  ohne 
geschlossene  Abgrenzung  gegen  die  Pyroxensubstanz.  Bildlich 
machen  diese  Tupfen,  die  aus  vielen  winzigen  Stäbchen 
bestehen,  den  gleichen  Eindruck  wie  die  ausgeschiedenen 
Haufen  von  Mineralkörnchen  inmitten  von  Pyroxenen  und 
Hornblenden  dynamometamorpher  Gebirgsarten. 

Der  Sitz  der  dunklen,  schwammigen  Flecken  erscheint  an 
keine  bestimmte  Zone  des  Pyroxens  gebunden.  Sie  erscheinen 
einzeln  oder  mehrfach  in  einem  Individuum.  Es  kommt  auch 
vor,  daß  einzelne  Teile  eines  großen  zerklüfteten  Pyroxens 
ganz  davon  erfüllt  sind  und  der  ganze  Pyroxen  wie  von  einem 
schwarzen  Schleier  bedeckt  ist,  den  nur  die  Klüfte  zer- 
schneiden. Man  bemerkt  schon  bei  schwacher  Vergrößerung, 
daß  eine  streifige  Anordnung  die  dunkle  Masse  beherrscht.  Bei 
starker  Vergrößerung  sondert  sich  die  dunkle  Masse  und  löst 
sich  in  kurze,  an  den  Enden  abgerundete  Stäbchen  auf.  Die 
Substanz  der  Stäbchen  ist  tiefbraun  gefärbt  und  zeigt  ent- 
schieden isotropes  Verhalten.  Man  muß  demnach  die  Stäbchen- 
haufen als  Glaseinschlüsse  ansehen.  Die  Glasstäbchen  sind 
nach  zwei  Richtungen  orientiert.  Ein  Stäbchensystem  liegt 
parallel  der  Achse  c  und  das  andere  ist  parallel  der  Fläche 
(001)  gelagert.  Beide  Systeme  geben  dann  zusammen  in  einem 
Haufen  eine  gitterförmige  Anordnung.  In  seltenen  Fällen 
konnte  ich  bemerken,  daß  die  Form  der  Glaseinschlüsse  mehr 
blätterig  ist  und  auch  sonst  randliche  Ausbuchtungen  vor- 
kommen. Die  Stäbchenformen  könnten  dann  als  Querschnitte 
von  Blättern  aufgefaßt  werden,  die  in  den  Ebenen  (100)  und 
(001)  liegen.  Bei  der  großen  Seltenheit  ausgesprochener 
blätteriger  Formen,  die  bei  den  verschiedenen  Durchschnitten 
sich  doch  öfters  wiederholen  müßten,  kann  man  die  ungeheure 
Zahl  der  Stäbchen  nicht  als  Querschnitte  von  Blättern  auf- 
fassen   und  muß  ihnen   eine   echte   Stengelform    zuerkennen. 

49* 


758  F.  Berwerth, 

Zuweilen  mischen  sich  zwischen  die  schmalen,  kurzen  Stengel- 
chen größere,  rechteckige,  schwarze  Felder,  deren  Entstehung 
ich  auf  das  Zusammenfließen  mehrerer  Stäbchen  zurück- 
führe. 

Solche  kompakte,  orientierte  Felder,  die  kein  braunes 
Licht  mehr  durchlassen,  bilden  Übergänge  zu  größeren  kom- 
pakten, schwarzen  Körpern  oder  Haufen,  die  isoliert  auftreten 
oder  zuweilen  in  zusammenhängender  Masse  den  Pyroxen 
erfüllen.  An  größeren  schwarzen,  ballenartigen  Einschlüssen 
war  manchmal  deutlich  eine  haarige  oder  wollige  Oberfläche 
zu  erkennen,  woraus  man  auf  eine  Verdichtung  von  Stäbchen 
schließen  kann.  Innerhalb  zusammenhängender,  aber  noch 
nicht  völlig  geschlossener  netziger,  schwarzer  Massen  ist  die 
Orientierung  parallel  der  Achse  c  und  nach  (001)  zu  verfolgen, 
dieselbe,  wie  sie  sich  auch  an  den  isolierten  Stäbchen  fest- 
stellen ließ.  In  den  auf  diese  Weise  zustande  gekommenen 
schwarzen  Massen  in  den  Pyroxenen  sehe  ich  verschlackten 
Pyroxen.  Wiederholt  ließen  sich  Schlackenkörner  mit  einer 
Kluft  in  Beziehung  bringen.  Es  kommt  kaum  vor,  daß  ein 
Körnerschwarm  nach  allen  Richtungen  des  Krystalls  verteilt 
sei,  sie  sind  meist  in  einem  Zuge  geordnet.  In  geeigneten 
Schnitten  läßt  sich  auch  eine  Lagerung  großer  und  kleiner 
schwarzer  Körnchen  nach  den  Spaltebenen  beobachten. 
Bei  Körnerform  ist  eine  Unterscheidung  von  Erzkörnchen 
oder  Schlackenkügelchen  schon  wegen  der  Kleinheit  nicht 
möglich. 

Eine  entscheidende  Beobachtung,  ob  nicht  viele  von  den 
schwarzen  Körnchen  als  Magnetit  aufzufassen  sind,  läßt  sich 
mit  dem  Mikroskope  nicht  treffen.  Anwesenheit  von  Kies 
scheint  ausgeschlossen  nach  der  Rolle,  die  er  anderweitig  im 
Steine  innehat;  es  wurde  auch  nie  ein  Pünktchen  im  Pyroxen 
angetroffen,  das  sich  durch  seinen  gelben  Metallglanz  als  Kies 
verraten  hätte. 

Druckphänomene,  wie  sie  besonders  in  den  Zwillings- 
lamellen der  Anorthite  zum  feinsten  Ausschlage  kommen,  sind 
an  den  Pyroxenen  nicht  so  augenfällige  Erscheinungen  wie  an 
den  Anorthiten.  Man  muß  die  Druckzeichen  im  Pyroxen  auf- 
suchen, um  sie  zu  sehen  und  die  Seltenheit  von  Verwerfungen 


Meteorischer  Eulcrit  von  Peramiho.  759 

und  mechanischen  Zertrümmerungen  in  den  Pyroxenen  macht 
den  Eindruck,  als  seien  diese  gegen  die  Druckwirkungen 
weniger  empfindlich  gewesen  als  der  Anorthit,  oder  der  Druck 
hat  seine  Auslösung  in  anderen  als  den  gewöhnlichen  kata- 
klastischen  Formen  gefunden.  Echte  Kataklase  wurde  als  Ver- 
werfung an  Pyroxenleisten  beobachtet  und  als  Zertrümmerung 
größerer  Pyroxene,  die  bis  zur  Entstehung  von  Mörtelstruktur 
führt. 

Die  Entstehung  des  letzteren  Phänomens,  eine  Zer- 
quetschung  des  Pyroxens,  illustrierte  ein  größeres  Pyroxen- 
korn  mit  verschwommenen  Zwillingsbändern  nach  (001)  und 
Ansiedlungen  von  Glasstäbchen,  das  inmitten  von  Pyroxen- 
bruchstückchen  liegt.  Das  große  Mittelkorn  zeigt  nicht  eckige, 
sondern  gerundete  Konturen.  Die  umliegenden  Bruchstücke 
haben  sowohl  eckige  als  gerundete  Konturen,  je  nachdem  sie 
von  ebenen  oder  gewölbten  Flächen  begrenzt  sind.  Den  Kitt 
der  Bruchstücke  bildet  ein  Füllsel  von  gröberen  und  ganz 
feinen  Pyroxenkörnchen.  Der  so  zertrümmerte  Pyroxen  zeigt 
das  treue  Abbild  einer  irdischen  Breccie  mit  knolliger  Formung 
der  Bruchstücke  und  Entstehung  pulveriger  Füllmasse,  wenn 
eine  in  sich  gepreßte  Steinmasse  ohne  Ausweichen  in  Trümmer 
geht. 

Bei  der  von  Mügge1  experimentell  festgestellten  Tatsache, 
daß  durch  Druck  in  Diopsidkrystallen  Zwillingsumlagerungen 
oder  für  alle  Fälle  Absonderungsflächen  nach  (001)  entstehen 
und  da  ferner  die  geologischen  Verhältnisse  irdischer  Gesteine, 
in  denen  Pyroxene  die  Zwillingsbildung  nach  (001)  zeigen,  auf 
die  Wahrscheinlichkeit  hinweisen,  daß  hier  eine  Druckzwillings- 
bildung vorliege,  so  werden  die  an  den  Pyroxenen  des  Eukrit 
in  hohem  Maße  entwickelten  Zwillingslagerungen  und  Ab- 
sonderungsflächen nach  (001)  ebenfalls  auf  Druckwirkungen 
zurückzuführen  sein.  Daß  der  Stein  wirklich  starken  Pressungen 
ausgesetzt  gewesen  ist,  haben  die  Kataklaserscheinungen 
an    den    Anorthiten   und    auch    am    Pyroxen    bewiesen.    Das 


1  0.  Mügge,  Über  künstliche  Zwillingsbildung  durch  Druck  am  Anti- 
mon, Wismuth  und  Diopsid.  Neues  Jahrbuch  für  Mineralogie  etc.  1886,  I, 
p.  185. 


760  F.  Berwerth, 

Zusammentreffen  der  Zwillingsbildung  nach  (00 1 )  an  dem  Py  roxen 
in  Begleitung  von  sicheren  mechanischen  Folgeerscheinungen 
nach  Gebirgsdruck  bringt  eine  Zustandsphase  in  der  Geschichte 
des  Eukritgesteins  zu  einem  bedeutungsvollen  Ausdruck. 

Magnetkies.  Eine  Entscheidung,  ob  der  vorhandene 
Kies  als  Magnetkies  oder  Troilit  zu  bezeichnen  ist,  könnte  nur 
durch  eine  chemische  Analyse  getroffen  werden.  Der  Glanz 
der  auf  frischer  Bruchfläche  bloßgelegten  Kieskörnchen  ist  ein 
hoher,  vollkommener  Metallglanz  und  die  Farbe  der  Kies- 
körnchen ist  hellbronzegelb.  Aus  der  Betrachtung  echter 
Troilite  habe  ich  den  Eindruck  gewonnen,  als  zeige  dieser  für 
gewöhnlich  einen  weniger  vollkommenen  Glanz  als  die  Kies- 
körnchen im  Eukrit.  Ich  bezeichne  daher  die  Kieskörnchen  als 
Magnetkies.  Sein  Auftreten  ist  nach  den  mikroskopischen 
Beobachtungen  auf  die  größeren  feldspatigen  Schmelzherde 
beschränkt,  die  gleichzeitig  von  schwarzen  Magnetitkörnern 
durchsetzt  sind. 

Die  Dimensionen  der  Kiesausscheidungen  und  deren 
Formen  sind  sehr  verschieden.  Sie  tragen  meist  zackige  Aus- 
bildung und  selbst  die  kleinsten  Körner  tragen  mehr  fetzige 
als  rundum  abgeschlossene  Kugelformen.  Im  reflektierten 
Lichte  glitzern  die  Kiesflächen,  was  auf  eine  Zusammensetzung 
der  größeren  Kiesmassen  aus  sehr  feinen  Kieskörnchen  hin- 
deutet. An  den  meisten  Kiesfetzen  haftet  Magnetit  und  vielfach 
umhüllt  er  dieselben.  Niemals  umschließt  Kies  den  Magnetit. 
Aus  der  Beschränkung  des  Kieses  auf  umgeschmolzene  Ge- 
steinspartien ist  zu  schließen,  daß  er  eine  Neubildung  ist, 
deren  Entstehung  von  außen  angeregt  wurde  und  er  gewiß 
nicht  als  ein  Urbestandteil  des  Eukriten  zu  betrachten  ist.  In 
ähnlichen  Formen  erscheint  der  Magnetkies  z.  B.  im  Steine  von 
Zavid.  Hier  ist  er  aber  durch  die  ganze  Steinmasse  verbreitet, 
was  damit  zu  erklären  wäre,  daß  die  Steinmasse  gänzlich  der 
Umschmelzung  unterlag.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus 
gewinnt  die  Kiesführung  in  den  Meteorsteinen  eine  wichtige 
genetische  Bedeutung. 

Magnetit.  Kleine,  pechschwarze  Erzpartikel  von  eckigen 
bis  zackigen  Formen  ohne  jede  Annäherung  zu  Krystallformen, 
die  zuweilen  auch  zu  größeren  Aggregaten  zusammentreten, 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  76 1 

lassen  in  ihren  kompakteren  Teilen  im  auffallenden  Licht  einen 
sehr  schwachen  Metallglanz  erkennen.  Da  in  keinem  Falle, 
auch  nicht  an  Rändern  der  Körner  Lichtdurchlässigkeit  von 
brauner  Farbe  beobachtet  wurde,  so  halte  ich  die  eckigen, 
schwarzen  Erzkörner  für  Magnetit  und  nicht  für  Chromit, 
auf  dessen  Anwesenheit  man  die  bei  der  Analyse  gefundenen 
Chromitspuren  deuten  könnte.  Die  Magnetitkörner  treten  gerne 
schwarmartig  auf,  sie  begleiten  in  ihrer  Hauptmasse  die  ge- 
schmolzenen Feldspatpartien  und  sind  hier  gerne  mit  Magnet- 
kies verwachsen.  Überall  dort,  wo  der  Pyroxen  in  Mitleiden- 
schaft gezogen  wird,  bedeckt  er  ihn.  Schwarze  Körner  er- 
scheinen auch  als  Einschluß  in  den  Pyroxenen.  In  Pyroxenen 
auftretende  gerundete  Körner  mit  glatter  Oberfläche  halte  ich 
für  dunkles,  undurchsichtiges  Glas  und  nicht  für  Magnetit. 

Petrographische  Beschaffenheit. 

Als  wesentliche  Gemengteile  des  Eukrits  haben  wir  den 
Anorthit  und  rhombischen  und  monoklinen  Pyroxen  kennen 
gelernt.  Man  sollte  erwarten,  daß  aus  der  Verbindungsweise 
der  genannten  Komponenten  irgendwie  ein  Gesteinsgewebe 
resultiert,,  das  der  gesamten  Eukritmasse  als  ein  bestimmter 
petrographischer  Formentypus  zukäme.  Diese  Voraussetzung 
trifft  in  keiner  Weise  zu.  Es  fehlt  der  Eukritmasse  ein  homo- 
genes Gefüge.  An  ihrer  Zusammensetzung  beteiligen  sich  viel- 
mehr verschiedenerlei  Gesteinsformen,  die  ein  recht  wech- 
selndes und  vielfach  selbst  in  ihren  Einzelheiten  nicht  immer 
ein  scharfgeprägtes  Gesteinsbild  liefern.  Man  kann  kurzweg 
von  einer  zusammengesetzten  Struktur  des  Eukrits  sprechen. 
Aus  den  mikroskopischen  Beobachtungen  ergibt  sich  vorerst 
eine  Unterscheidung  der  Eukritmasse  in  Gesteinsteile  mit 
massiger  und  solcher  mit  Trümmerstruktur.  Sowohl  die 
massigen  als  die  tuffigen  Gesteinspartien  haben  dann  Verände- 
rungen erlitten,  die  durch  Druck  und  Erhitzung  veranlaßt 
wurden.  Insoweit  als  die  massigen  und  tuffigen  Gesteinsformen 
jetzt  im  Stein  erhalten  sind,  müssen  wir  sie  als  Reststrukturen 
auffassen,  die  aus  der  unveränderten  Eukritmasse  in  den  neuen 
Zustand  herübergebracht  wurden. 


762  F.  Berwerth, 

Die  Auseinandersonderung  der  verschiedenen  Gesteins- 
teile läßt  sich  unter  Anwendung  einiger  Einschränkung  leicht 
erreichen,  wenn  man  die  vielfach  vorhandenen,  mit  kohl- 
schwarzer Schmelzmasse  oder  schwach  braun  gefärbtem  Glase 
gefüllten  Klüfte  als  Leitlinien  benützt.  In  vielen  Fällen,  aber 
durchaus  nicht  immer,  bilden  nämlich  diese  schwarzen  oder 
glasigen  Adern  die  Grenzscheide  zwischen  zwei  verschieden 
ausgebildeten  Gesteinspartien  oder  solchen  gleicher  Art.  Im 
ersten  Falle  trennen  sie  tuffige  von  massig  ausgebildeten 
Partien  und  im  zweiten  Falle  teilen  sie  massige  oder  tuffige  in 
mehrere  gleichartige  oder  selbständige  Gesteinsfelder. 

Es  mögen  zuerst  jene  Gesteinsteile  kurz  charakterisiert 
werden,  deren  Ausbildung  direkt  auf  die  Auskrystallisierung 
aus  dem  magmatischen  Zustande  zurückzuführen  ist.  Es  sind 
dies  jene  Partien,  in  denen  zwischen  dem  Pyroxen  und  dem 
Anorthit  jene  Gewebeform  zustande  kam,  die  man  heute 
gewöhnlich  als  ophitische  Struktur  bezeichnet.  Die  annähernd 
idiomorph  ausgebildeten,  in  Schnitten,  tafel-  und  leistenförmig 
erscheinenden  und  nach  allen  Richtungen  sich  kreuzenden 
Anorthitindividuen,  sind  durch  größere,  nicht  idiomorph  be- 
grenzte Pyroxenindividuen  so  verkittet,  daß  diese  im  Durch- 
schnitte von  den  Anorthitleisten  in  eckige  Teile  zertrennt 
erscheinen  und  die  Pyroxene  wie  zerhackt  aussehen.  Dieses 
ophitische  Verbandsverhältnis  zwischen  Pyroxen  und  Anorthit 
ist  geradezu  in  typischer  Form  entwickelt  und  deckt  sich  voll- 
kommen mit  der  ophitischen  Ausbildung  in  den  irdischen 
Diabasen  und  Doleriten  (siehe  Taf.  II,  Bild  2). 

Neben  den  Gesteinsbrocken  mit  typisch  ophitischer  Aus- 
bildung beteiligen  sich  auch  Brocken  mit  echter  Trümmer- 
struktur an  der  Zusammensetzung  des  Eukrits.  Man  kann  das 
Haufwerk  von  Pyroxen  und  Anorthitbruchstücken  als  einen 
echten  Krystalltuff,  respektive  als  eine  Breccie  bezeichnen 
(Taf.  II,  Bild  3). 

Der  klastische  Charakter  wird  diesen  Gesteinsteiien  am 
deutlichsten  durch  die  Bruchstückformen  der  Anorthite  auf- 
gedrückt. Im  allgemeinen  tragen  die  Bruchstücke  der  Anorthite 
mehr  die  Gestalt  abgerundeter  Bröckchen  als  jene  scharf- 
kantiger Splitter.  Der  andere  Gemengteil,  der  Pyroxen,  erscheint 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  763 

als  Zwischenmasse  oder  als  Träger  der  Anorthitbruchstücke. 
Der  Pyroxen  überwiegt  an  Masse  den  Anorthit.  In  den  mehr 
geschlossen  auftretenden,  netzartig  verzweigten  Pyroxenmassen 
ist  der  klastische  Charakter  wenig  ausgeprägt,  obwohl  manche 
Körner  eine  ausgesprochene  Bruchstückform  tragen.  Im  ganzen 
zeigen  die  Pyroxene  doch  mehr  Körnerform.  Dieser  unent- 
schiedene zweideutige  Ausdruck  im  Trümmercharakter,  den 
auch  viele  Anorthite  bei  schärferer  Beobachtung  zur  Schau 
tragen,  wird  nur  selbstverständlich,  wenn  man  eine  weit- 
gehende Umschmelzung  des  Tufifes  annimmt.  Ein  solcher  Vor- 
gang läßt  sich  aus  folgenden  Umständen  ableiten.  Recht  viele 
Anorthite  der  tuffigen  Parzellen  haben  keine  Bruchstückform 
und  selbst  dort,  wo  diese  gewahrt  erscheint,  erweist  sie  sich 
nur  als  eine  scheinbare.  Man  findet  nämlich  viele  Anorthite, 
und  zwar  ganze  Individuen,  die  keine  Eigenform  und  dafür 
ihre  Umgrenzung  von  den  umgebenden  Pyroxenen  auf- 
gezwungen erhalten  haben.  Der  Anorthit  folgt  genau  den 
Spuren  der  Pyroxenränder,  deren  konkaven  und  konvexen 
Bogen  und  dringt  fühlerartig  in  deren  schmale  Buchten. 

Solche  weitgehende  Anschmiegung  der  Anorthite  an  die 
Pyroxenränder  läßt  sich  selbst  an  Anorthiten  mit  ausge- 
sprochener Bruchstückform  beobachten.  Es  fällt  diese  Formen- 
anpassung der  Feldspate  umso  mehr  auf,  als  in  den  ophitischen 
Teilen  gerade  die  Feldspate  die  vollkommenere  Form  zeigen. 
Derartige  Verbandsverhältnisse,  die  mehr  oder  weniger  deut- 
lich, aber  allgemein  vorhanden  sind,  lassen  sich  in  einer 
Breccie  oder  einem  Tuffe  nur  durch  eine  Stoffumlagerung 
erklären,  die  in  diesem  Falle  durch  Schmelzung  der  Anorthit- 
substanz  und  deren  Wiederkrystallisierung  an  Ort  und  Stelle 
vor  sich  gegangen  ist.  Mit  der  Umschmelzung  der  Anorthite 
steht  im  engsten  Zusammenhange  die  mehr  oder  weniger  reiche 
Anfüllung  der  Anorthite  mit  Pyroxeneinschlüssen.  Es  wurde 
schon  bei  der  Besprechung  des  Anorthits  als  Mineralgemeng- 
teil hervorgehoben,  daß  die  Verteilung  der  Pyroxeneinschlüsse 
in  Anorthiten  eine  höchst  ungleichmäßige  ist,  und  zwar  sehr 
verschieden  in  einzelnen  Gesteinspartien,  wie  im  einzelnen 
Feldspatindividuum  selbst.  Alle  unsere  Erfahrungen  bei  magma- 
tischen   Gesteinsbildungen     widersprechen    der    scheinbaren 


764  F.  Berwerth, 

Gesetzlosigkeit  im  Auftreten  der  Pyroxeneinschlüsse.  Starke 
Anhäufungen  oder  das  fast  gänzliche  Fehlen  der  Einschlüsse 
in  den  Anorthiten  zeigen  uns  an,  daß  beim  Ausscheiden  der 
Einschlüsse  an  einem  Orte  des  Steines,  im  gleichen  Augen- 
blicke an  einer  anderen  Stelle  des  Steines  die  Gelegenheit 
dazu  fehlte. 

Die  Aufnahme  der  Einschlüsse  und  die  Bedingungen  zu 
deren  Lieferung  war  an  lokale  Vorgänge  gebunden.  Das  örtlich 
wirkende  Agens  besteht  auch  in  diesem  Falle  in  der  Schmel- 
zung, die  nicht  alle  Gesteinsteile  gleich  stark  ergriffen  und 
umgewandelt  hat.  Die  Ursachen  beider  Erscheinungen,  die 
allotriomorphe  Form  der  Anorthite  im  Tuffe  und  die  lokale 
Verteilung  der  Pyroxeneinschlüsse  in  den  Feldspaten  fallen 
zusammen.  Beide  Erscheinungen  sind  in  der  Umschmelzung 
begründet.  Auch  an  den  Pyroxenen  sind  aber  die  Spuren 
starker  Erhitzung  kenntlich  geblieben.  Wo  Pyroxene  von  der 
Erhitzung  stark  alteriert  erscheinen,  was  sich  häufig  in  un- 
scharfen Grenzen  und  Zerteilung  in  Körner  kundgibt,  sind  die 
benachbarten  Feldspate  stark  mit  Pyroxen  beladen.  Vielfach 
zeigen  die  Pyroxengrenzen  weiche,  geflossene  Formen  in  der 
Nachbarschaft  zu  den  Einschlußfeldspaten  und  es  muß  hier  an 
eine  Abschmelzung  der  Oberflächenschicht  gedacht  werden. 
Die  aus  farblosen  Stäbchen  und  Körnchen  bestehenden 
Pyroxeneinschlüsse  sind  aus  Pyroxenschmelze  regenerierte 
Pyroxene. 

In  der  Entwicklungsphase  des  Steines,  wo  es  zur  Umkry- 
stallisierung  der  meisten  Feldspate  und  in  ihnen  zur  Aus- 
scheidung von  Pyroxeneinschlüssen  kam,  wurden  alle  Gesteins- 
gemengteile von  der  Erhitzung  betroffen,  aber  die  festeren 
massigen  Teile  davon  weniger  berührt  als  das  mehr  lockere 
Krystallhaufwerk.  Stellenweise  scheint  auch  Bewegung  in  die 
Masse  gekommen  zu  sein.  An  tuffige  Teile  schließen  sich 
nämlich  größere  Feldspatpartien,  in  denen  gerundete  Pyroxen- 
körner  und  zackige  Pyroxenkomplexe  schwimmend  in  die 
Schmelzmasse  des  Anorthits  geraten  siftd.  Bemerkenswert 
erscheint  es  mir,  daß  der  Anorthit  an  diesen  Stellen  mehrfach 
nicht  in  größeren  Individuen  auskrystallisiert  ist,  sondern  in 
kleinen  Körnern,  die  nach  Art  der  Albite  und  Quarze  in  den 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  765 

Gneisen  sich  buchtig  ineinander  verhacken.  Die  Tatsache 
erscheint  umso  beachtenswerter,  als  in  beiden  Fällen,  hier 
geradeso  wie  in  den  Gneisen,  eine  Um-  und  Neubildung  der 
Gemengteile  zu  der  genannten  Strukturform  führt.  Man  kann 
also  auch  die  cylopischen  Strukturfelder  im  Eukrit  als  Merk- 
male für  die  Umkrystallisierung  des  Anorthit  aufführen. 

Eine  Beteiligung  der  gesamten  Pyroxenmasse  an  der 
Schmelzung  in  dieser  Periode  des  Steines  läßt  sich  nicht  sicher 
beweisen. 

Die  großen  Pyroxenkrystalle  und  deren  Aggregate  lassen 
in  ihrer  Gestalt  keine  Anzeichen  einer  Umschmelzung  und 
Umkrystallisierung  erkennen.  Aus  einer  Schmelze,  in  die  alle 
Pyroxene  und  Anorthite  gleichmäßig  einbezogen  wurden,  müßte 
bei  der  Erstarrung  ein  mehr  gleichartiges  und  gewiß  ein 
anderes  Gefüge  als  das  vorhandene  resultieren.  Als  eine  auf- 
fällige Erscheinung  an  den  Pyroxenen  ist  aber  die  innige 
und  orientierte  Verwachsung  rhombischen  und  monoklinen 
Pyroxens  insbesonders  in  den  großen  Krystallen  zu  bezeichnen. 
Die  Vermutung,  daß  diese  Art  des  Zusammenauftretens  beider 
Pyroxene  unter  dem  Einflüsse  starker  Erhitzung  nach  einem 
uns  noch  unbekannten  Vorgange  zustande  kam,  wird  man 
nicht  von  vorneherein  ablehnen  dürfen. 

Über  Umwachsungen  von  rhombischem  durch  monoklinen 
Augit  im  Basalte  von  Burgwald  berichtet  Schwantke  und 
kommt  zu  der  Ansicht,  daß  der  verschlackte,  nach  (100)  ver- 
zwillingte  Augit  durch  Umschmelzung  aus  Enstatit  entstanden 
ist.  Auch  Lacroix  hat  die  Beobachtung  gemacht,  daß  in  Ein- 
schlüssen vulkanischer  Gesteine,  wo  rhombischer  Pyroxen 
geschmolzen  ist,  aus  dessen  Glas  monokliner  Augit  krystalli- 
sierte,  welcher  mit  dem  rhombischen  orientiert  verwachsen  ist. 

Es  ist  durch  diese  Beobachtungen  also  erwiesen,  daß 
geschmolzener  rhombischer  Pyroxen  als  monokliner  Pyroxen 
krystallisierte.  Ich  bin  der  Ansicht,  daß  die  Faserung  der 
Pyroxene  in  dem  Eukrit  und  vor  allem  das  Erscheinen  von 
schachbrettartigen  Feldern  eher  mit  sekundären  Umwandlungs- 
erscheinungen in  Übereinstimmung  zu  bringen  ist  als  mit  der 
Annahme  von  einer  direkten  Auskrystallisierung  aus  dem 
Magma. 


766  F.  Berwerth, 

Als  letzte  für  unser  Auge  noch  durchsichtige  Unterlage 
des  Steines  ist  uns  also  ein  Gemenge  von  ophitischen  und 
tuffigen  Brocken  gegeben.  Da  die  Grenzen  zwischen  den 
zweierlei  Gesteinsteilen  im  jetzigen  Zustande  nicht  mehr  scharf 
sind  und,  insoweit  sie  kenntlich  sind,  mehr  geradlinige  als 
gerundete  Konturen  besitzen,  so  möchte  ich  dem  Eukrit  eher 
den  Charakter  einer  Reibungsbreccie  als  einer  aus  Tuffknollen 
zusammengesetzten  Masse  zuschreiben.  Soweit  nun  die  mas- 
sigen und  trümmerigen  Teile  des  Steines  durch  Schmelzung 
der  Anorthite  —  und  partiell  auch  des  Pyroxens  —  eine  Ände- 
rung ihres  ursprünglichen  Zustandes  erfuhren,  die  langsam 
und  ruhig  verlaufen  sein  muß,  hat  mit  Abschluß  dieses  Aktes 
ein  neuer  Abschnitt  in  der  Geschichte  des  Steines  begonnen. 

Bei  der  Beschreibung  der  Anorthite  und  Pyroxene  habe 
ich  auf  die  zahlreichen  Kataklasspuren  hingewiesen,  die  als 
natürliche  Folge  starker  Pressungen  in  der  Steinmasse  auf- 
treten und  es  als  wahrscheinlich  hingestellt,  daß  auch  die 
Zwillingsbildungen  der  Pyroxene  parallel  (001)  nach  analogen 
irdischen  Vorkommnissen  mit  dynamometamorphen  Vorgängen 
in  Zusammenhang  gebracht  werden  können.  Für  die  Auf- 
stellung der  Reihenfolge  der  Zustandsänderungen  des  Steines 
ist  es  nun  wichtig,  die  Tatsache  festzustellen,  daß  die  Ver- 
werfungen der  Anorthitzwillingslamellen  in  zahlreichen  Fällen 
auch  in  den  mit  Pyroxeneinschlüssen  angefüllten  Anorthiten 
vorhanden  sind  und  Verwerfungen  auch  an  Feldspatstückchen 
der  Tuffmassen  vorkommen.  Die  vorhandene  Kataklase  ist  also 
nach  der  ersten  Schmelzperiode  eingetreten.  Alle  diese  Um- 
stände müssen  dahin  gedeutet  werden,  daß  die  ursprünglich 
bestandene  Breccie  im  anstehenden  Fels  einer  ruhig  vor 
sich  gehenden  Einschmelzung  verfiel  und  erst  später  Pres- 
sungen ausgesetzt  wurde. 

Außer  der  ersten  erweislichen  Einschmelzung,  die  für  den 
Stein  eine  Restitutio  in  integrum  bedeutete,  da  das  rohe  Gefüge 
des  Steines  im  vorigen  Stande  verblieb  —  und  der  Periode  der 
mechanischen  Einwirkungen,  hat  der  Stein  noch  eine  dritte 
Entwicklungsphase  durchgemacht,  in  der  der  Stein  einer 
zweiten  partiellen  Umschmelzung  verfiel.  Die  Veränderungen, 
die  der  Stein  in  dieser  Periode  in  seinem  Bestände  erlitten  hat, 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  767 

tragen  gegenüber  der  ersten  Schmelzperiode  nichts  mehr  Ver- 
borgenes an  sich.  Das  Auftreten  von  Glas  läßt  die  Schmelz- 
vorgänge nicht  mehr  fremdartig  erscheinen.  Die  bei  der  zweiten 
Anschmelzung  vorhandenen  Umstände  waren  entschieden 
ganz  andere  als  bei  der  ersten.  Dort  sehen  wir  eine  vollständige 
Rekrystallisierung  der  geschmolzenen  Teile  vor  sich  gehen, 
während  hier  der  Schmelzvorgang  sich  mehr  in  den  Anfangs- 
stadien befindet  und  vorzeitig  unterbrochen  worden  ist.  In 
dieser  Periode  ist  nur  Anorthit  einer  vollständigen  Umschmel- 
zung  anheimgefallen.  Wo  dies  in  größeren  Partien  geschehen 
ist,  ist  der  Feldspat  in  körnigen  Aggregaten  wieder  krystalli- 
siert  oder  in  beschränkteren  Partien  als  Glas  erstarrt.  Im 
ersteren  Falle  nimmt  er  mehrfach  breite  Zwickel  im  Gestein 
ein,  die  charakteristischerweise  an  den  Rand  des  Steines 
gerückt  erscheinen  (Taf.  II, Bilder  1  und  4).  Das  gekörnte  Anorthit- 
feld  ist  breit  am  Rande,  verjüngt  sich  nach  innen  und  drängt 
sich  vielfach  verzweigend  zwischen  die  nächsten  Einschluß- 
feldspate und  Pyroxene.  In  keinem  einzigen  Feldspatkorne  wurde 
eine  Verzwilligung  wahrgenommen.  Die  Lichtbrechung  der  re- 
krystallisierten  Körner  ist  schwächer  als  in  den  Einschlußfeld- 
spaten. Als  typische  Begleiter  dieser  Feldspatpartien  erscheinen 
Erzkörner  in  meist  fetzigen  Formen,  zuweilen  gehäuft  zu  zackigen 
Gebilden.  Es  sind  zweierlei  Erze.  Ein  Teil  der  Körner  gibt  bei 
Abbiendung  des  Lichtes  einen  gelben  und  der  andere  einen 
schwachen,  blaugrauen,  metallischen  Reflex.  Die  gelben  Körner 
sind  Magnetkies  und  die  schwarzen  Magnetit.  Beiderlei  Erz- 
körner mit  den  zerzausten  und  verzerrten  Gestalten  sind  mit 
Ausnahme  des  Magnetit  an  die  geschmolzenen  Feldspatfelder 
gebunden  und  haben  für  diese  eine  typische  Bedeutung.  Der 
Magnetkies  ist  auf  die  größeren,  mehr  randlichen  Schmelzherde 
beschränkt,  während  der  Magnetit  auch  in  allen  kleineren, 
mehr  im  Innern  gelegenen  Schmelztümpeln  steckt. 

Von  den  größeren  Schmelzherden  aus  sind  die  benach- 
barten Pyroxene  und  Einschlußfeldspate  in  Mitleidenschaft 
gezogen  worden.  Die  Pyroxene  werden  zunächst  durch  Er- 
hitzung stark  rissig,  am  Rande  zeigt  sich  Abbröckelung  und 
der  Feldspat  dringt  in  Buchten  und  Kanälen  in  den  Pyroxen 
ein.    Die  abgetrennten  formlosen  Pyroxenbröckchen  geraten  in 


768  F.  Berwerth, 

die  Feldspatmasse  und  werden  von  ihr  eingeschlossen.  In  voll- 
kommener Weise  haben  viele  der  Schmelzung  nicht  verfallene 
Einschlußfeldspate  ihren  Bestand  innerhalb  des  Schmelzherdes 
bewahrt.  Es  finden  sich  aber  auch  viele  von  der  Schmelzung 
ergriffene  Feldspate  darin,  die  ganz  zernagt  und  bis  zu  Skelett- 
resten deformiert  sind.  Auf  Klüften  und  Sprüngen,  die  sich  bis 
zum  feinsten  Geäder  verästeln,  durchsetzt  geschmolzener  Feld- 
spat die  Einschlußfeldspate.  Der  Gesamtanblick  eines  größeren 
Schmelzherdes  bietet  ein  Bild  der  Zerrissenheit,  als  hätten  die 
Gemengteile  bei  der  Verfestigung  nicht  Zeit  gefunden,  sich 
auch  nur  mit  dem  Scheine  einer  Ordnung  an  Ort  und  Stelle  zu 
bringen.  Schmelztümpel  von  geringem  Umfange  mit  stetiger 
Erzführung  erscheinen  ganz  gleichartig  in  massigen  und  in 
tuffigen  Teilen.  Interessant  ist  die  Variation,  wo  ein  größerer 
Pyroxen  sich  in  einen  Haufen  gerundeter,  kleiner  Körner  auf- 
löst, mit  geschmolzenem  Feldspat  als  Zwischenmasse.  Man 
meint  in  diesem  Strukturbild  inmitten  des  Eukrits  das  Stück 
eines  Chondriten  zu  sehen,  in  denen  ja  ähnliche  Bildungen 
gewöhnlich  sind. 

Bei  der  Entstehung  größerer  regenerierter  Gesteinsteile 
konnte  die  übrige  Steinmasse  nicht  unbeeinflußt  bleiben.  Man 
kann  denn  auch  von  den  feinsten  Schmelzäderchen  bis  zu  den 
größeren  Schmelzadern  Übergänge  beobachten.  Wenn  an  einer. 
Stelle  Schmelzung  bis  zum  Fluß  eintrat,  befand  sich  eine 
andere  Region  des  Steines  mehr  im  Zustande  der  Sinterung. 
An  solchen  Punkten  sieht  man  eine  allgemeine  Dissolution  des 
Gemenges  sich  vorbereiten.  Die  Klüftung  der  Pyroxene  erreicht 
ihren  Höhenpunkt  und  führt  zu  einer  weitgehenden  Körnung. 
In  den  größeren  Körnern  sind  die  Kluftnetze  mit  dunklem  Glas 
gefüllt,  von  denen  Verästelungen  ausgehen.  Die  Ränder  werden 
zausig  und  verfließen  im  Feldspat.  Die  feinsten  Körnchen 
treten  in  das  Gewebe  mit  regeneriertem,  feingekörnten  Feld- 
spat und  die  ganze  in  den  Schmelzbereich  einbezogene  Masse 
bedeckt  sich  mit  Magnetitkörnern,  unter  denen  Magnetkies  in 
dieser  Umgebung  nie  beobachtet  wurde.  Manche  Pyroxene 
überziehen  sich  mit  einer  dunklen  Wolke,  die  ihre  Entstehung 
aus  der  Vermehrung  der  im  Pyroxen  eingeschlossenen  Glas- 
stäbchen nimmt.    Bei  der  Anfüllung  des  Pyroxens  mit  diesen 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  769 

Glasstäbchen  geht  das  Auftreten  schwarzer  Körner  Hand  in 
Hand.  Die  Körner  sind  klein  und  ist  ein  metallischer  Reflex 
an  ihnen  nicht  zu  beobachten.  Ich  halte  die  Körner  für  ver- 
schlackten Pyroxen.  In  einem  Falle  war  an  einem  solchen 
scheinbar  kompakten,  geballten  Einschlüsse  deutlich  eine 
borstige  Oberfläche  zu  erkennen.  Das  Gebilde  läßt  sich  als  ein 
dichtes  Gewebe  der  mikroskopischen  Glasstäbchen  auffassen. 
Als  Schlackenkörner  möchte  ich  auch  die  Einschlüsse  be- 
zeichnen, die  z.  B.  auf  einem  Spalte  im  Pyroxen  sitzen.  Der 
Spalt  ist  schief  angeschnitten  und  beim  Heben  und  Senken  des 
Tubus  erscheint  die  ganze  Ebene  mit  schwarzen  Körnern 
besetzt,  von  denen  die  kleinen  braun  durchscheinen  und  die 
größeren  kein  Licht  durchlassen  und  schwarz  bleiben.  In  einem 
Pyroxenkrystalle  ging  die  Verschlackung  nach  dessen  regel- 
mäßigen Durchgängen  vor  sich  und  entwickelte  sich  von  den 
Spaltrissen  aus  zu  dicken,  schwarzen  Streifen. 

In  die  zweite  Schmelzperiode  ist  auch  die  randliche 
Molekularveränderung  der  Pyroxene  zu  verlegen. 

Die  in  Umschmelzung  begriffenen,  durch  Erze  und 
Schlacke  besetzten  Gesteinspartien  entsprechen  den  auf  dem 
frischen  Bruche  dunkelgrau  gefärbten  Gesteinszonen. 

Es  wurde  schon  im  Eingange  dieses  Abschnittes  des  Auf- 
tretens von  schwarzen  und  deutlich  glasigen  Adern  Erwähnung 
getan,  die  mehrfach  als  Grenzscheide  verschieden  struierter 
Gesteinsstücke  erscheinen  oder  ein  scheinbar  homogenes 
Gesteinsfeld  in  zwei  miteinander  nicht  korrespondierende 
Hälften  teilen.  Diese  Tatsache  beweist  zunächst,  daß  viele 
Adern  die  Fugen  zwischen  den  einzelnen  Gesteinsteilen  aus- 
füllen. Die  Rolle  als  Füllmaterial  kann  aber  nicht  dem  ganzen 
Adernnetz  zugeschrieben  werden.  Vorwaltend  und  am  stärksten 
sind  die  schwarzen  Adern  entwickelt.  Verfolgt  man  das  Geäder 
in  seinem  Verlaufe  nach  der  Verteilung  und  nach  seiner  Aus- 
bildungsweise, so  gewinnt  man  den  Eindruck,  daß  die  Adern 
durchwegs  ein  inmitten  des  Steines  entstandenes  Schmelz- 
produkt sind.  Stärkere  Adern,  aber  nicht  alle,  sieht  man  für 
gewöhnlich  am  Rande  des  Steines  in  der  Schmelzrinde  aus- 
laufen. Zwischen  der  Oberflächenschmelze  und  den  Adern 
läßt    sich     aber    keine    Beziehung     herstellen.     Viele    Adern 


770  F.  Berwerth, 

verjüngen  sich  sogar  gegen  den  Rand  und  stimmen  auch  sub- 
stantiell mit  der  Oberflächenschmelze  nicht  überein.  An  einer 
Berührungsstelle  beider  war  die  Ader  ganz  schwarz  und 
die  Rindenschmelze  braun  gefärbt.  Gegen  die  Zufuhr  der 
schwarzen  Schmelze  von  außen  sprechen  noch  folgende 
Beobachtungen.  Eine  starke  Ader  mit  schwarzer  Schmelze 
(Schlacke)  setzt  plötzlich  ab  und  lauft  als  Ader  mit  brauner 
Substanz  fort.  An  den  Saalbändern  vieler  Adern  bemerkt  man 
ferner  eine  Entfärbung  der  Substanz  gegen  den  benachbarten 
Pyroxen.  Man  sieht  dann  keine  scharfe  Trennung  zwischen 
beiden,  sondern  entlang  ihrer  Berührungsebene  kurze  Schmelz- 
fädchen,  ähnlich  feinen  Würzelchen,  in  den  Pyroxen  eindringen. 
Die  Adern  bilden  durchaus  keine  glatten  Maschen  im  Netze. 
Häufig  erleiden  sie  eine  Zertrümmerung.  Die  Ader  tritt  an 
einen  Pyroxenkomplex  heran,  zerschlägt  sich  in  demselben 
und  setzt  auf  der  anderen  Seite  fort.  Hauptadern  senden 
Apophysen  aus  oder  teilen  sich  auch  in  zwei  Parallelarme 
mit  Quersprossen  und  umschließen  Gesteinsmasse.  Kleine 
Adern  setzen  auch  ganz  selbständig  in  der  Masse  auf,  ohne 
Verbindung  zu  großen  Adern  oder  nach  außen. 

Äußerst  lehrreich  und  für  die  Natur  der  Adern  bestimmend 
ist  der  Substanzwechsel  in  derselben  Ader.  Eine  schmale, 
schwarze  Ader  läßt  sich  auf  weitere  Strecken  verfolgen,  plötz- 
lich bricht  der  Strich  an  einem  querliegenden  Feldspat  ab 
und  setzt  jenseits  seine  Richtung  fort  Die  Unterbrechung 
der  Ader  ist  aber  nur  eine  scheinbare,  denn  innerhalb  des  Feld- 
spates ist  die  Ader  nicht  unterbrochen  und  ihre  Kontinuität 
durch  weißes  Anorthitgias  hergestellt.  Alle  genannten  Er- 
scheinungen weisen  darauf  hin,  daß  die  Adern  innerhalb  der 
Steinmasse  durch  Erhitzung  entstanden  sind.  Zur  gleichen 
Ansicht,  daß  die  feinen,  schwarzen  Klüfte  in  den  Chondriten 
nicht  von  der  Rinde  ausgefüllt  wurden,  ist  schon  G.  v.  Rath 
und  später  Tschermak  gekommen.  Gegenüber  den  schwarzen 
Adern  ist  die  Menge  der  weißen  Adern  gering.  Sie  sind  nur 
innerhalb  der  Feldspate  vorhanden.  Gewöhnlich  ist  es  etwas 
bräunlich  gefärbt.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  ebenso 
wie  die  weißen  Adern  Anorthitgias,  die  schwarzen  Adern 
Schmelzmasse  der  Pyroxene  sind.    Wo  die   schwarze   Masse 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  771 

dünne  Stellen  zeigt,  kann  man  deutlich  Pyroxenreste  als  Unter- 
lage erkennen.  In  der  Hauptmasse  wird  sich  jedoch  auch  an 
den  schwarzen  Adern  Feldspatglas  beteiligen,  dessen  Schwarz- 
färbung bei  der  hohen  Eisenhältigkeit  der  Pyroxene  schon 
durch  eine  kleine  Beimengung  von  Pyroxenschmelze  erreicht 
werden  muß. 

Chemische  Zusammensetzung. 

Auf  meine  Bitte  hin  hat  Herr  Hofrat  E.  Ludwig  mit  großer 
Bereitwilligkeit  die  Ausführung  der  Analyse  des  Eukrits  persön- 
lich übernommen,  wofür  ich  demselben  zu  vielem  Danke  ver- 
pflichtet bleibe. 

Die  Resultate  der  Totalanalyse  wurden  aus  folgenden 
Bestimmungen  erhalten: 

I.  1-0092^  der  Substanz,  mit  kohlensaurem  Natriumkalium 

aufgeschlossen,   gaben   0'4977£  Si08,    0-2316^  Fe208, 

0-1134£  A1208,  0- 1094g  CaO,  0-1993£  P207Mg2  und 

0-0042 £  Ti02. 

II.  0-9860 £  der  Substanz  gaben  001 14^  KCl+NaCl,  ferner 

bei  der  Trennung  mit  Platinchlorid  0  0127^  K2P1C16. 
III.  0*5492^  der  Substanz  mit  Salpetersäure  oxydiert,  ergaben 
0*0090 £  BaS04,  entsprechend  0-00124  £  S. 

Das  Eisen  ist  vollständig  als  Oxydul  vorhanden. 

Aus  diesen  analytischen  Daten  erhält  man  bei  Berechnung 
der  prozentischen  Mengen  der  einzelnen  Bestandteile  folgende 
Zusammensetzung  für  den  Eukrit: 

1.     Si02 49-32% 

Ti02   0-42 

Al203 11-24 

CaO 1084 

MgO 7   15 

KeO 2065 

K20 0-25 

NagO 0-40 

S „ 0^23_ 

Summe...      100-50% 

Dem  S-Gehalt  entsprechende  O-Menge.         0*12 

100-38% 

Sitzb.  d.  mathera.-naturw.  Kl.;  CX1I.  Bd.,  Abt.  I.  50 


772 


K.  Berwerth, 


Qualitativ  wurden  Spuren  von  Mangan  und  Chrom 
nachgewiesen. 

Zur  Bestimmung  des  Volumgewichtes  verwendete  ich  ein 
Gesteinsbröckchen  im  Gewichte  von  0*5700^  und  fand  es 
zu  3-081. 

Die  Resultate  der  Analyse  von  Peramiho  zeigen  mit  jenen 
bei  den  übrigen  Eukriten  gefundenen,  ausgenommen  Shergotty 
eine  gute  Übereinstimmung,  wie  aus  folgender  Zusammen- 
stellung hervorgeht: 


Si08 

Ti02 

AlaOs 

Fe208 

CaO 

MgO 

FeO 

K20 

Na20 

Fe 0-16 

S 0-09 

FeO..   0-92 
C1308.   0-43 

p2oö 


Spez.  Gew. 


b0 

i  2 

>   • 

*    B 

-*   s 


48 
0 

12' 
1" 

10 
6- 

19 
0- 
0- 


025 


1-35 


0-28 


100-97 


3-09-3-11 


bO 


49-21 

11-05 

9-01 

8-13 

20-41 

083 

Fe     0-50 
S       0-06 

Mn  004 


99-24 


3-28 


bo 


c    — . 
c      © 

3    6 

CO       g 

a 
04 


48-30 
12-65 

11-27 
6-87 

19-32 
0-23 
0-62 

Chromit: 
0-54 

Mno  0-81 


100-61 


3-01—3-17 


O      Q.    u 

*   6  2 

CO    J    co 


5021 

5-90 

10-41 

10-00 

17-59 

057 

1-28 

Magnetit: 
427 


100-53 


3-277 


14 

I  5 


49-32 

0-42 

1P24 

10-84 
715 

20*65 
0-25 
0-40 

S  029 


100-50 
3  081 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  773 

Die  erheblichen  Abweichungen  in  der  Analyse  von  Sher- 
gotty  beruhen  auf  der  Anwesenheit  eines  labradoritischen  statt 
anorthitischen  Feldspates. 

Bei  dem  Versuche,  die  chemischen  Bestandteile  des 
Eukrits  auf  die  mineralogisch  nachgewiesenen  Gemengteile  zu 
verrechnen,  wurden  die  geringen  Mengen  von  Schwefel  und 
Titansäure  unberücksichtigt  gelassen.  Es  ist  gar  kein  Anhalts- 
punkt dafür  gegeben,  ob  die  Titansäure  als  Vertreterin  von 
Kieselsäure  im  Pyroxen  steckt  oder  als  Erzgemengteil  vor- 
handen ist.  Die  Schwefelmenge  wäre  auf  Magnetkies  zu  be- 
rechnen. Auch  hiebei  begegnet  man  Schwierigkeiten,  da  die 
Zusammensetzung  des  Magnetkieses  verschieden  angegeben 
wird.  Beide  Gemengteile  wurden  deswegen  proportional  auf 
die  übrigen  Gemengteile  verteilt  und  wegen  weiterer  Verein- 
fachung der  Berechnungen  auch  der  Kaliumgehalt  auf  Natrium 
verrechnet.  Die  so  erhaltene  Analysensumme  wurde  auf  100 
reduziert  und  ist  unter  II  zusammengestellt. 


IL     Si02 49-46°/( 

Ti02 — 

A1208 11-27 

CaO 10-85 

MgO 7-15 

FeO 20-71 

K20 — 

NajjO 0-56 

S - 


o 


100-00°/( 


o 


Macht  man  die  Annahme,  daß  der  ganze  Tonerde-  und 
Alkaligehalt  im  Feldspate  gebunden  ist,  wozu  uns  in  diesem 
Falle  die  Erfahrung  berechtigt  und  auch  die  mineralogischen 
Beobachtungen  nicht  dagegen  sprechen,  so  zerfallt  die  Analyse 
in  einen  feldspatigen  und  einen  pyroxenischen  Anteil. 

Aus  der  Rechnung  ergibt  sich  ein  Mengenverhältnis  von 
29-80%  Feldspat  und  70-20%  Pyroxen. 

Der  Feldspat  entspricht  dem  Mischungsverhältnisse 
Ab2Ann,  das  ist  ein  hart  an  der  Grenze  zwischen  Bytownit 

50* 


774  F.  Berwerth, 

und  Anorthit  stehendes  Mischungsglied.  Es  muß  bemerkt 
werden,  daß  dieses  aus  der  Analyse  gefundene  Resultat  mit 
den  physikalischen  Beobachtungen  fast  genau  übereinstimmt. 
Nach  Eliminierung  des  auf  den  Feldspat  fallenden  Analysen- 
teiles bleibt  ein  Pyroxenrest  übrig,  dessen  Zusammensetzung 
dem  Verhältnisse 

Ca0.2Mg0.3Fe0.6Si02     oder     CaMg2Fe3Si6018 

sehr  nahe  entspricht.  Bei  Verwendung  dieser  für  den  Feldspat 
und  den  Pyroxen  gefundenen  Verhältniszahlen  ergibt  sich 
folgende  Zusammensetzung  des  Eukriten: 

Berechnet  Total  Total 

'     —    — ■ — ^^ — ■**"       ^  gefunden  beobachtet 

Ab2An11  Ca.Mg2.Fe3Si6018       ^^^-^-^^       n^^^v^—  > 

Si02 13-99  35-50  49*49  4946 

A^Og   ....  10-20                     —  10-20  11*27 

CaO 5-07  5-52  1059  10*85 

MgO —  7-89  7-89  7*15 

FeO —  21-29  21-29  20*71 

NagO 054                    —  0*54  0-56 


29-80  70-20  100-00         100*00 

Für  eine  Zerlegung  des  pyroxenischen  Teiles  in  die  mono- 
kline  und  rhombische  Komponente  fehlen  alle  Grundlagen. 
Aus  dem  großen  Eisengehalt  ist  jedoch  im  Zusammenhalte  mit 
dem  negativ  gefundenen  optischen  Charakter  des  rhombischen 
Pyroxenminerals  mit  Sicherheit  zu  entnehmen,  daß  der  rhom- 
bische Pyroxen  im  Eukrit  ein  eisenreicher  Hypersten  ist. 
Der  Versuch,  die  chemische  Zusammensetzung  des  monoklinen 
Pyroxens  zu  deuten,  führt  zu  der  Erkenntnis,  daß  der  Kalk- 
gehalt nicht  ausreicht,  um  ein  Mischungsglied  der  Diopsid- 
formel  zu  bilden.  Diese  Tatsache  wurde  schon  von  Tschermak 
bei  der  Untersuchung  des  Augitminerals  im  Shergottymeteoriten 
erkannt  und  von  ihm  die  Ansicht  ausgesprochen,  »daß  das 
augitähnliche  Mineral  eine  Verbindung  darstellt,  welche  in  den 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  775 

irdischen  Mineralen  noch  nicht  aufgefunden  wurde«.  Das  Vor- 
handensein einer  vom  normalen  Diopsid  verschiedenen  Ver- 
bindung bestätigt  auch  der  auffällig  klein  gefundene  Achsen- 
winkel 2F=23°. 

Bei  seinen  Untersuchungen  über  die  Herstellung  tonerde- 
freier Augite  aus  Schmelzflüssen  hat  Vogt  *  nachgewiesen, 
daß  sich  bei  gegebenen  Bedingungen  Augite  ausscheiden,  in 
denen  ein  Oberschuß  von  CaSiOs  oder  CaCaS^Og  vorhanden 
ist.  Nach  der  Analogie  schließt  Vogt,  daß  ein  tonerdefreier 
Augit  auch  etwas  Überschuß  von  der  Verbindung  (Mg  Fe)  Si02 
enthalten  kann.  Dafür,  ob  im  Eukrit  vielleicht  der  letztere 
Fall  eingetreten  ist,  fehlt  uns  jede  Bestätigung.  Auch  der  An- 
nahme muß  man  widerstehen,  daß  sich  im  monoklinen  Pyroxen 
des  Eukrits  möglicherweise  ein  Mischungsglied  der  auf  künst- 
lichem Wege  bekanntgewordenen  monoklinen,  kalkhaltigen 
Enstatit-Hyperstenverbindung  verberge;  die  wahre  Zusammen- 
setzung des  monoklinen  Pyroxens  im  Eukrit  muß  noch  weiter- 
hin unentschieden  bleiben. 

Da  niemand  die  Ausscheidung  der  Eukritgemengteile  aus 
einem  Magma  anzweifeln  wird  und  da  selbst  bei  den  späteren 
Umwandlungsphasen  des  Steines  an  Stoffen  nichts  verloren 
gegangen  oder  hinzugekommen  ist,  so  besteht  keine  Schwierig- 
keit, das  zum  Eukrit  entwickelte  Magma  auf  seine  elemen- 
tare Konstitution  zu  prüfen.  Nach  dem  von  Rosenbusch 
befolgten  Vorgange  wurden  die  zur  Gewinnung  des  Metall- 
atomenverhältnisses  durchgeführten  Berechnungen  aus  folgen- 
den Zahlen  erhalten: 

II.  Analyse  I  mit  proportionaler  Verteilung  der  Titansäure  und 
des  Schwefels,  Kali  auf  Natron  verrechnet  und  die  Analyse 
auf  100  reduziert. 

III.  Molekularproportion  der  Analyse  II. 

IV.  Molekularproportion  der  Analyse  II,  auf  100  gerechnet. 
V.  Verhältniszahlen  der  Metallatome. 

VI.  Verhältniszahlen  der  Metallatome,  auf  100  gerechnet. 


1  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Gesetze  der  Mineralbildungen  in  Schmelz- 
massen und  in  neovulkanischen  Ergußgesteinen.  Archiv  for  Mathematik  og 
Naturvidenskab,   1890,  Bd.  XIII,  p.  34  ff. 


776  F.  Berwerth, 

II                        HI  IV                           V  VI 

SiOi 49-46  82-43  51-40  Si  85*64  48*93 

TiO, _____  __  _ 

Alj08 11-27  11-05  6-89  AI  13-33  7-62 

CaO 10-85  19-38  12-08  Ca  21-55  12-31 

MgO 7-15  17-87  1114  Mg  27*83  15*90 

FeO 20-71  28-76  17-93  Fe  24*89  14-22 

K20 —                       —  —  —  — 

Na^O 0*56                   0-90  0-56  Na  1*78  1*02 

100-00  Mol.Z.  160-39    100*00  M.A.Z.  175-02     100*00 

A.Z.  442-32 

Spezifisches  Gewicht .. .   3-081. 

Man  erkennt  aus  diesen  Zahlen,  daß  der  Eukrit  von  Pera- 
miho  bei  dem  starken  Vorwalten  des  Metallkernes  RSi  an  die 
äußerste  Grenze  der  Gabbromagmen  gegen  die  peridotitischen 
Magmen  hin  zu  liegen  kommt. 


Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho.  777 


Erklärung  zu  Tafel  IL 


1.  Allgemeines  Strukturbild  des  Eukrits.  Trümmercharakter  vorherrschend. 
Die  weißen  Anorthitstücke  werden  von  Pyroxen  getragen.  Die  fein- 
gekörnte, im  Bilde  oben  von  außen  nach  innen  trichterig  verlaufende 
Partie  ist  ein  Schmelzherd,  schwarz  gefleckt  von  Magnetit  und  Magnetkies. 
Schwarze  zerspaltene  Schmelzadern  durchsetzen  die  Steinmasse. 
(Vergr.  9X.) 

2.  Gesteinspartie  mit  ophitischer  Struktur.  (Vergr.  15X-) 

3.  Gesteinspartie  mit  Trümmerstruktur.  (Vergr.  15X-) 

4.  Vergrößerung  der  im  Bilde  1  oben  erscheinenden  umgeschmolzenen 
Gesteinspartie.  Körnig  rekristallisierte  Feldspatmasse  mit  Einschlußfeld- 
spaten, abgebröckelten  Pyroxenstückchen,  Körnern  und  Fetzen  von 
Magnetit  und  Magnetkies.  (Vergr.  15  X) 

5.  Links  oben  im  Bilde  der  Durchschnitt  eines  Anorthits  nach  der  Fläche 
(100).  Zeigt  gleichmäßige  Zwillingslamellierung  nach  dem  Albitgesetz 
und  das  Eintreten  von  Periklinlamellen,  vom  Rande  nach  innen  auskeilend. 
Der  Albitzwilling  rechts  zeigt  Verwerfung  der  Zwillingslamellen.  Auch 
sonst  kommt  in  der  Masse  deutliche  Kataklase  zum  Ausdruck.  Die 
großen  Körner  links  unten  und  in  der  Mitte  sind  gefaserte  Mischkristalle 
von  rhombischem  und  monoklinem  Piroxen.  (Vergr.  50  X  Nicols-4-.) 

6.  Anorthitkristall  aus  zwei  Zwillingshälften  bestehend.  Schnitt  quer  zur 
Vertikalachse.  Zeigt  stäbchenförmige  Pyroxeneinschlüsse,  staketenartig  auf 
die  Zwillingsgrenze  gestützt.  Die  Stäbchen  lagern  parallel  der  Prismen- 
fläche (110).  Zu  beachten  ist  die  allotriomorphe  Begrenzung  des 
Kristalls  gegenüber  den  angrenzenden  Pyroxenen.  (Vergr.  50  X  •) 

7.  Inmitten  des  Budes  ein  großes  Korn  monoklinen  Pyroxens.  Schnitt 
parallel  (010).  Schalige  Zusammensetzung  nach  (100).  (Vergr.  80X.) 

8.  Am  Schliffrande  liegender  nicht  homogener  Pyroxenkristall.  Schnitt  || 
(010).  Zeigt  Lamellierung  nach  (001).  Jede  Lamelle  ist  feingefasert  und 
im  polarisierten  Lichte  zerfällt  das  ganze  Pyroxenfeld  in  Felder  monoklinen 
und  rhombischen  Pyroxens  von  schachbrettahnlicher  Zeichnung.  Die 
hellen  Felder  entsprechen  rhombischem,  die  dunklen  Felder  monoklinem 
Pyroxen,  zwischen  beiden  auch  Mischfelder  beider  Pyroxene.  Ver- 
wachsung der  Pyroxene  (100)  ||  (100).  (Vergr.  70 X-  Nicols-K) 


F.  Berwerth:  Der  meteorische  Eukrit  von  Peramiho. 


Taf.I. 


Sitzungsberichte  d.  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.    Klasse,  Bd.CXH  Abt.I.190a 

A.SwobodaTLd.K*t-ge7..a.lith.  LrthJln*t.r  Alb.  Berger  Wien  VHI. 


Berwerth,  F.:    Meteorischer  Eukrit  von  Peramiho. 


Tafel  II. 


Autor  phot.  Lichtdruck  v.  Max  Jafte.  Wien. 

Sitzungsberichte  tl.  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Clas^e,  Bd.  CXII.  Abth.  I.    1903. 


779 


Untersuchungen  an  einigen  Lebermoosen.  II 

von 

Emma  Lampa. 

(Mit  4  Tafeln.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  22.  Oktober  1903.) 

Durch  ziemlich  ausführliche  Untersuchungen  an  Leber- 
moosen l  war  ich  zu  der  Anschauung  gekommen,  das  Leber- 
moosstämmchen,  ob  thallös  oder  beblättert,  entstehe  in  der 
Weise,  daß  in  einer  Zelle,  gewöhnlich  der  Spitzenzelle 
eines  Keimfadens,  durch  zwei  mehr  oder  weniger 
senkrecht  aufeinanderstehende  Längswände  drei 
Segmente  gebildet  würden.  Aus  dem  dritten  Segment 
wird  durch  eine  dritte  Teilungswand  eine  typische  Scheitel- 
zelle herausgeschnitten,  welche  weiterhin  Segmente  bildet,  die 
gewöhnlich  nach  drei  Richtungen  im  Räume  liegen.  Die  in  der 
Literatur  beschriebene  Quadrantenteilung,  die  Anlage  des 
Pflänzchens,  d.  i.  der  geschlechtlichen  Generation  in  einem 
Quadranten,  der  dadurch  gegenüber  den  anderen  gefördert 
erscheint,  konnte  ich  niemals  beobachten.  Dadurch 
konnte  ich  auch  der  Auffassung,  daß  zwischen  Keimfaden 
und  Moospflänzchen  ein  selbständiges  Stadium,  die  Keim- 
scheibe, eingeschoben  sei,  nicht  zustimmen. 

Auch  Campbell8  fand  bei  seiner  Untersuchung  von 
Riccia  hirta,  daß  das  Pflänzchen  aus  einer  sehr  früh  ange- 
legten Scheitelzelle  entstehe,  daß  diese  Segmente  abschneide 


i  Lampa  E.,  diese  Sitzungsberichte,  Bd.  CXI.  Vgl.  die  dort  angeführte 
Literatur. 

*  Campbell,  The  structure  and  development  of  the  Mosses  and  Ferns. 
London,  Macmillan  and  Co.,  1895. 


780  E.  Lampa, 

und  daß  das  ganze  Gebilde  in  der  Richtung  der  Wachstums- 
achse des  Keimfadens  sich  fortentwickle.  Die  zwischen  Keim- 
faden und  Moospflänzchen  eingeschobene  Keimscheibe,  an  der 
nach  Angabe  Lei tgeb's  und  anderer  Autoren  das  Pflänzchen 
seitlich  angelegt  werde,  konnte  von  diesem  Forscher  für  die 
von  ihm  untersuchte  Art  nicht  bestätigt  werden. 

Da  das  Stämmchen  aus  jenem  Quadranten  entstehen  soll, 
der  zum  Lichte  am  günstigsten  liege,  nahm  ich  an,  daß 
Kulturen,  die  unter  bestimmten  Lichtverhältnissen  gezogen 
würden,  einige  Aufschlüsse  in  diesem  Sinne  gewähren  könnten. 

Da  Chomiocarpon  quadratus  eine  deutliche  Gliederung  in 
Stamm  und  Beblätterung  in  der  jüngsten  Anlage  gezeigt  hatte, 
wurde  diese  Form  zur  Aussaat  gewählt. 

Es  wurden  folgende  Versuche  unternommen:  Die  Schalen, 
in  welchen  die  Sporen  auf  Erde  ausgesäet  worden  waren, 
sollten  in  innen  geschwärzte  Kistchen  gebracht  werden.  Bei 
dem  einen  Kistchen  konnte  das  Licht  nur  durch  eine  oben 
eingeschnittene  Öffnung  hereinfallen,  deren  vier  Seiten  je  4  cm 
lang  waren;  bei  dem  anderen  hatte  das  Licht  durch  eine  seit- 
lich angebrachte,  ungefähr  \0cm  lange,  2  cm  breite  Öffnung 
Zugang.  Die  Öffnungen  waren  mit  Glasplatten  versehen. 
Unmittelbar  nach  der  Aussaat  wurden  die  Sporen  dem  vollen 
Lichte  ausgesetzt,  da  es  sich  herausgestellt  hatte,  daß  die 
Keimung  bei  der  geringen  Lichtintensität,  die  im  Kistchen  vor- 
handen war,  überhaupt  unterblieb.  Die  Aussaaten  wurden  täg- 
lich angesehen  und,  als  sich  mehrere  einzellige  Keimlinge 
zeigten,  in  die  Kistchen  versetzt  Sorgfältig  wurde  darauf 
geachtet,  daß  Kistchen  und  Schale  immer  in  derselben  Lage 
blieben,  so  daß  die  Keimlinge  immer  die  gleiche  Stellung  zum 
Lichte  einnahmen.  Daß  anderes  Licht  als  das  von  oben  oder 
das  seitliche  auf  die  Kultur  einwirken  konnte,  darf  als  aus- 
geschlossen betrachtet  werden,  da  die  kurze  Zeit,  in  der  die 
Kulturen  aus  den  Kistchen  genommen  wurden,  um  das  Unter- 
suchungsmaterial zu  erhalten,  doch  wohl  nicht  in  Betracht 
kommt. 

Das  Wachstum  der  Keimlinge  ging  außerordentlich  lang- 
sam von  statten. 


Untersuchungen  an  Lebermoosen.  781 

In  der  Kultur  im  Oberlichte  zeigten  sich  wenig  Unter- 
schiede gegenüber  einer  Aussaat  unter  normaler  Beleuchtung 
und  sonst  wenig  günstigen  Verhältnissen.  Der  Keimschlauch 
wuchs  aufrecht.  In  einer  Spitzenzelle  wurden  wie  immer  drei 
Segmente  gebildet  und  die  Spitzenzelle  konstituiert  Zuweilen 
wurde  ein  viertes  Segment,  das  erste  der  nächsten  Blattfolge, 
abgeschnitten  oder  die  Scheitelzelle  wuchs  zu  einem  Keim- 
schlauch aus.  Gewöhnlich  erreichte  der  Keimfaden  abnormale 
Länge  und  etiolierte.  Einige  unbestimmte  Teilungen  an  solchen 
Gebilden  gaben  keinerlei  Aufschlüsse.  Die  Kulturen  gingen 
bald,  offenbar  an  den  ihnen  nicht  zusagenden  äußeren  Bedin- 
gungen zugrunde.  Hervorzuheben  ist,  daß  an  den  Segmenten 
(also  an  der  früher  genannten  Keimscheibe)  keine  Richtungs- 
änderung gegen  den  Keimfaden  zu  sehen  war  und  daß  sich 
alle  Segmente  gleichwertig  verhielten  (Taf.  I,  Fig.  1  bis  7). 

Interessanter  gestaltete  sich  die  Aussaat  unter  seitlicher 
Beleuchtung.  Die  Keimlinge  wuchsen  erst  aufrecht  vermutlich 
unter  dem  Einflüsse  des  normalen  Lichtes,  dem  sie  erst  aus- 
gesetzt waren,  damit  sie  überhaupt  keimten.  Der  Keimfaden 
war  anfangs  ungeteilt  und  chlorophyllos,  dann  bog  er  sich  in 
einem  fast  rechten  Winkel  gegen  die  seitliche  Lichtöffnung  zu. 
Die  Spitze  ergrünte  nun  lebhaft,  es  wurden  mehrere  Teil- 
wände senkrecht  zur  nun  eingeschlagenen  Wachstumsrichtung 
gebildet.  Dann  wurde  das  Pflänzchen  in  der  gewöhnlichen 
Weise  angelegt  (Abbildung  Taf.  I,  Fig.  8  bis  11).  Die  jetzt 
bestehende  Wachstumsrichtung  blieb  dem  ganzen  Pflänzchen 
erhalten,  Bevorzugung  irgend  eines  Segmentes  war  nicht  zu 
bemerken.  Und  doch  hätte  nun  müssen  die  von  verschiedenen 
Autoren  gelieferte  Angabe,  daß  das  Pflänzchen  in  dem  am 
günstigsten  zum  Licht  gelegenen  Quadranten  einer  Keim- 
scheibe angelegt  werde,  sich  bestätigen,  denn  die  seitliche 
Beleuchtung,  so  einseitig  und  ausschließlich  wie  in  diesem 
Falle,  hätte  eine  Förderung  in  diesem  Sinne,  wenn  überhaupt 
eine  solche  Tendenz  in  dieser  Entwicklung  gelegen,  nach  sich 
ziehen  sollen.  Das  war  jedoch  nicht  der  Fall.  Die  Abbildungen 
zeigen,  daß  keine  Asymmetrie  zustande  kam,  die  zu  gunsten 
der  Annahme  spräche,  daß  das  Pflänzchen  in  einem  Qua- 
dranten, dem  dem  Lichte  zugewendeten,  angelegt  würde. 


782  E.  Lampa, 

Im  Gegenteil,  die  »Quadranten«,  das  heißt  die  ersten  nach 
bestimmter  Gesetzmäßigkeit  entstandenen  Zellen  blieben  auch 
unter  diesen  Verhältnissen  vollständig  gleichwertig,  ohne 
Bevorzugung  der  einen  oder  der  anderen  in  Bezug  auf  Anlage, 
respektive  Weiterentwicklung  des  Pflänzchens.  Die  Keim- 
scheibe ist  eben  kein  Gebilde,  das  den  Obergang  vom  Keim- 
faden zum  Moospflänzchen  vermittelt,  sondern  die  Anlage  des 
Pflänzchens  selbst.  Die  Quadranten  sind  die  ersten,  einander 
gleichwertigen  Segmente  und  liefern  durch  Teilungen  nach 
innen  das  Stämmchen,  durch  das  Weiterwachsen  der  Zellen 
nach  außen  eine,  wie  dies  später  noch  einmal  gezeigt  werden 
soll,  reduzierte  Beblätterung. 

Unter  denselben  Belichtungsverhältnissen  wurden  Sporen 
von  Plagiochasma  elongatum  zur  Keimung  gebracht.  Die  nor- 
male Keimung,  die  nebenbei  beobachtet  wurde,  zu  beschreiben, 
dürfte  unnötig  sein,  da  dieselbe  mit  der  von  Plagiochasma 
rupestre  nahezu  identisch  ist.1 

Die  Keimlinge  der  Kultur  im  Oberlichte  zeigten  nach 
vielen  mißratenen  Versuchen  endlich  nach  einigen  besonders 
hellen  Tagen  zum  Teile  normales  Verhalten  (Abbildung  Taf.  I, 
Fig.  12  bis  15).  Häufig  ging  das  schon  angelegte  Pflänzchen 
in  einen  Keimschlauch  über  und  dann  zugrunde  (Fig.  16). 
Unter  dem  Einflüsse  der  seitlichen  Beleuchtung  entstanden 
unglaublich  lange,  farblose,  zunächst  ungeteilte  Keimfäden. 
Die  Anlage  des  Pflänzchens  wurde  zuweilen  durch  die  typi- 
schen Teilungen  in  der  Spitzenzelle  eingeleitet,  die  drei  Seg- 
mente mit  der  Scheitelzelle  gebildet  (Fig.  18,  19).  Meistens 
entstanden  ganz  absonderliche  Gestalten,  die  weder  für  noch 
gegen  meine  Anschauungen  zu  verwenden  waren.  Recht 
sonderbar  verhielt  sich  eine  Aussaat,  die  erst  im  Oberlichte, 
dann,  da  sie  zufallig  noch  kräftig  genug  war,  im  Seitenlichte 
gezogen  wurde.  Erst  wurde  das  Pflänzchen  in  normaler  Weise 
angelegt,  dann  entstanden  unter  dem  Einflüsse  der  seitlichen 
Beleuchtung  aus  dem  Pflänzchen  mehrere  Keimfaden,  die 
manchesmal  wieder  normale  Pflänzchen  entwickelten  (Taf.  1, 
Fig.  17,  19).  Keine  der  Kulturen  blieb  lange  genug  erhalten, 


1  Lampa,  Untersuchungen  an  einigen  Lebermoosen. 


Untersuchungen  an  Lebermoosen.  783 

um  den  Einfluß  des  mangelhaften  Lichtes  auf  das  Flächig- 
werden der  Keimlinge  erkennen  zu  lassen. 

Keineswegs  ist  das  Austreten  der  Keimfäden  aus  dem 
Pflänzchen  unter  schlechten  Beleuchtungsverhältnissen  bloß 
eine  Eigenschaft  ganz  junger  Stadien,  also  der  »Keimscheibe«. 
Ich  habe  Keimfäden  aus  ziemlich  großen  Farnprothallien  und 
an  größeren  Lebermoospflänzchen  hervorkommen  sehen,  be- 
sonders nach  plötzlichen  Wetterstürzen  im  Winter,  die  recht 
dunkle  Tage  zur  Folge  hatten.  Ich  glaube,  daß  dieser  Vor- 
gang eine  Rückschlagserscheinung  ist,  die  für  die  Auffassung 
der  Frage  nach  der  Anlage  des  Lebermoospflänzchens  un- 
wesentlich ist. 

Normal  hat  der  Keimfaden  vermutlich  die  Aufgabe,  den 
Keimling  bis  zu  dem  für  die  Anlage  des  Pflänzchens  günstigen 
Moment  zu  bringen.  Seine  Länge,  Zellenzahl  etc.  ist  deshalb 
verschieden,  auch  innerhalb  der  einzelnen  Art.  Er  kann  lang 
und  verzweigt  oder  auch  unverzweigt,  sehr  kurz,  bis  auf 
eine  Zelle  reduziert  sein  oder  ganz  fehlen.  Das  Pflänzchen 
selbst  läßt,  mindestens  in  seiner  Jugendform,  ein  Festhalten 
an  einem  bestimmten,  gesetzmäßig  vor  sich  gehenden  Ent- 
wicklungsmodus unschwer  erkennen.  Anderseits  gibt  auch  die 
Verschiedenartigkeit  der  Gestaltung  des  Keimfadens  manchen 
Aufschluß.  Bei  Formen,  welche  normal  die  Keimung  durch 
Mehrzelligwerden  der  Spore  einleiten,  kann  nichtsdestoweniger 
zuweilen  ein  Keimfaden  gebildet  werden  (Scapania).  Bei 
manchen  Jungermanniaceen  entstehen  neben  einfachen  mehr- 
zelligen Keimfäden  solche,  die  mehr  oder  weniger  reich  ver- 
zweigtsind und  sich  der  Form  nach  dem  typischen  Laubmoos- 
protonema  nähern,  z.  B.  bei  Lophocolea  heterophylla  Dum., 
Cephalozia  bicuspidata  Dum.,  Nardia  hyalina  Carr.  (Taf.  II, 
1  bis  13).  Es  besteht  demnach  zwischen  dem  Protonema  der 
Laubmoose  und  dem  Keimfaden  der  Lebermoose  nur  soweit 
ein  Unterschied,  als  letztere  gewöhnlich  stark  reduzierte 
Gebilde  im  Verhältnisse  zu  ersteren  darstellen. 


Bei   meinen  Aussaaten    im  Winter  1902/1903   habe   ich 
im    allgemeinen   wenig   Glück   gehabt.    Vielleicht   hatten   die 


784  E.  Lampa, 

zahlreichen  trüben  Tage  im  letzten  Winter  einigen  Anteil 
daran.  Es  gelang  mir  bei  wenig  Formen,  die  Kultur  bis  zum 
vollständig  ausgewachsenen  Pflänzchen  zu  bringen.  Doch 
habe  ich  in  allen  Fällen  die  erste  Anlage  des  Pflänzchens 
in  einer  Weise  sich  vollziehen  sehen,  die  eine  Gesetzmäßig- 
keit für  die  Marchantiaceen,  die  akrogynen  und  die  anakro- 
gynen  Jungermanniaceen  und  für  Anthoceros  im  gleichen  Sinne 
erkennen  ließen. 

Um  allzu  große  Einförmigkeit  zu  vermeiden,  will  ich 
mich  begnügen,  nur  die  mir  besonders  instruktiv  erschei- 
nenden Formen  zu  beschreiben. 

Duvalia  rupestris  Nees  (Taf.  II,  Fig.  14  bis  22). 

Aus  der  Spore  tritt  durch  das  gesprengte  Exosporium 
der  Keimfaden  aus.  Ganz  ähnlich  wie  bei  Chomiocarpon 
quadratus  wird  in  der  Spitzenzelle  durch  eine  Längswand 
das  erste  Segment  abgeschnitten.  Die  eine  Hälfte  der  Spitzen- 
zelle wird  von  einer  senkrecht  auf  der  ersten  Längswand 
stehenden  Wand  geteilt  Die  frühere  Spitzenzelle  enthält  nun 
drei  Segmente.  Während  in  den  Segmenten  Wachstums- 
vorgänge stattfinden,  die  diese  nicht  nur  in  der  Richtung  der 
Hauptachse  des  Keimlings  vergrößern,  wird  im  dritten  Seg- 
ment eine  median  gelegene  Scheitelzelle  konstituiert,  welche 
zunächst  ein  viertes  Segment  abschneidet,  das  ungefähr  über 
dem  ersten  Segment  zu  liegen  kommt  Wie  bei  Chomiocarpon 
quadratus  erweckt  das  Pflänzchen  in  diesem  Stadium  den 
Eindruck  eines  Gebildes,  dessen  Segmente  ähnlich  wie  bei 
den  Laubmoosen  nach  innen  das  Stämmchen  bilden,  nach 
außen  Blattanhänge  nach  drei  Richtungen  im  Räume  ent- 
wickeln. Die  Deutung  dieser  Anhänge  als  reduzierte  Blätter 
ergab  sich  auch  aus  dem  Vergleiche  mit  jungen  Entwicklungs- 
stadien weniger  reduzierter  Lebermoose,  z.  B.  von  Fossom- 
bronia. 

Übrigens  widerspricht  Duvalia  besonders  deutlich  der 
Auffassung  der  Bevorzugung  eines  Segmentes  dadurch,  daß 
dieses  zum  Pflänzchen  weiterwächst.  Die  median  gelegene 
Scheitelzelle  ist  hier  ganz  unverkennbar  (Fig.  17  bis  19). 


Untersuchungen  an  Lebermoosen.  785 

Das  Pflänzchen  geht  wie  Chomiocarpon  und  andere 
Formen  in  eine  Fläche  über.  Die  neugebildeten  Zellen  werden 
in  immer  größerem  Maße  von  dem  flächigen  Stämmchen  in 
Anspruch  genommen,  während  der  Anteil  der  Blattgebilde  an 
dem  von  der  Scheitelzelle  abgeschnittenen  Segmente  immer 
mehr  reduziert  wird  (Fig.  19  bis  21). 

An  der  Unterseite  des  erwachsenen  dorsiventralen  Pflänz- 
chens  finden  sich  Gebilde,  welche  den  im  ersten  Entwicklungs- 
stadium entstandenen  Blattanlagen  gleichen  und  gewiß  nicht 
ohne  Beziehung  zu  diesen  sind  (Fig.  22). 

Das  Verhalten  der  Scheitelzelle  beim  Obergang  in  die 
flächige  Form  festzustellen,  konnte  mir  nicht  gelingen,  da  in 
diesem  Stadium  die  jüngsten  Segmente  noch  Blattgebilde  ent- 
wickeln, die  die  Scheitelzelle  verdecken.  Die  Scheitelzelle  selbst 
ist  bei  größeren  Pflänzchen  später  oft  sehr  schön  zu  sehen 
(Taf.  IV,  Fig.  10). 

Riccia  glauca  L.  (Taf.  III,  Fig.  1  bis  13). 

Der  Spore  entspringt  eine  Zelle,  die  zunächst  zu  einem 
ziemlich  langen  ungeteilten  Faden  auswächst.  Doch  möchte 
ich  dies  nicht  als  typisch  und  notwendig  bezeichnen,  da, 
wie  ich  dies  schon  hervorgehoben  habe,  der  Keimfaden  sich 
zumeist  bei  jeder  Aussaat  anders  verhält  Das  Ende  des  Keim- 
fadens schwillt  an  und  wird  durch  eine  Wand  von  diesem 
getrennt.  Die  erste  Anlage  des  Pflänzchens  erweckt  den  Ein- 
druck der  in  der  Literatur  beschriebenen  Quadrantenteilung, 
die  »Quadranten«  stehen  in  mehreren  sogenannten  Stock- 
werken übereinander  (Fig.  1  bis  5).  Das  Pflänzchen  gleicht 
dem  zylindrischen  Körper,  der  sonst  als  erste  Anlage  aus 
Sporen  entsteht,  die  keinen  Keimfaden  entwickeln,  z.  B.  bei 
Conocephalus,  Pellia,  Blyttia  u.  a.  Auch  hier  ist  deutlich  eine 
Gliederung  in  drei  Segmente  erkennbar.  Ich  halte  übrigens 
nicht  gerade  die  Dreizahl  der  Segmentierung  für  sonderlich 
wichtig,  habe  aber  bisher  nur  diese  beobachten  können. 

Nach  Fellner 's  Angabe1  soll  nun  in  einem  Quadranten 
lebhaftere    Zellvermehrung    eintreten,    während    die    anderen 

1  Fellner,  Die  Keimung  der  Sporen  von  Riccia  gl.  Jahresber.  des  nat. 
Ver.  in  Graz,  1875. 


786  E.  Lampa, 

Quadranten  durch  stärkeres  Längenwachstum  diesen  über- 
ragen. Es  bilde  sich  dadurch  eine  mehr  oder  weniger  tiefe 
Grube,  an  deren  seichterem  Rande  die  Stelle  raschester  Zell- 
vermehrung und  somit  der  Scheitelpunkt  sei. 

Das  konnte  ich  nun  nicht  gerade  finden.  Einzelne  ganz 
junge  Pflänzchen  zeigten  eine  deutliche  median  gelegene  Scheitel- 
zelle. (Abbildung  5  bis  8.  Die  Abbildung  6b  zeigt  zur  größeren 
Klarheit  die  nach  Weglassung  des  älteren  Segmentes  freigelegte 
Scheitelzelle.)  Ein  gefördertes  Segment  gegenüber  den  anderen 
konnte  ich  nicht  erkennen,  hingegen  unschwer  auch  hier  den- 
selben Modus  der  Entwicklung  herausfinden,  den  die  ein- 
facheren Vorgänge  bei  Chomiocarpon,  Duvalia,  Plagiochasma 
etc.  klargelegt  hatten.  Die  Dorsiventralität  tritt  sehr  bald 
ein.  Das  flächig  gewordene  Pflänzchen  trägt  Blattanhänge 
von  seinem  basalen  Ende  bis  zur  Scheitelregion.  Auf  der 
Unterseite  stehen  Gebilde,  die  Blattanhänge  in  verschiedener 
Größe,  mit  oder  ohne  Papille  endigend,  darstellen  (Fig.  9 
bis  13). 

Pellia  endiviaefolia  Dum.  (Taf.  IV,  Fig.  1  bis  9  und  11). 

Die  Sporen  sind  beim  Herausfalien  aus  dem  Sporogon 
entweder  ungeteilt  oder  mehrzellig.  Bei  den  ungeteilten  Sporen 
treten  die  ersten  Teilwände  einfach  später  in  derselben  Weise 
auf  wie  bei  den  mehrzelligen.  Die  Spore  quillt  stark  auf  und 
zeigt  nun  eine  durchscheinende  und  eine  dunkle  Hälfte.  All- 
mählich ergrünt  die  ganze  Spore.  Im  durchscheinenden  Teile 
gehen  lebhaftere  Zellteilungen  vor  (Fig.  1);  der  ersten  Wand, 
die  die  Spore  in  zwei  Teile  schied,  wird  eine  schiefstehende 
Wand  aufgesetzt,  dieser  folgt  eine  zweite,  bis  eine  dritte 
schiefstehende  Wand  eine  prismatische  Scheitelzelle  heraus- 
schneidet (Fig.  2  bis  5).  Währenddem  ist  die  dunklere  Sporen- 
hälfte durch  eine  Senkrechte  auf  der  ersten  Wand  geteilt 
worden  (Fig.  3,  5,  6).  Das  junge  Pflänzchen  ist  nun  ein  zylin- 
drischer Körper,  dessen  basaler  Teil  mit  seinen  geringen 
sekundären  Wachstumsvorgängen  vielleicht  auf  den  Rest  eines 
weitgehend  reduzierten  Keimfadens  zurückgeführt  werden 
kann.    Im   oberen   Teile   des    Pflänzchens   werden   von   einer 


Untersuchungen  an  Lebermoosen.  787 

Scheitelzelle  aus  —  Hofmeister1  nimmt  deren  mehrere  an  — 
den  früher  beschriebenen  Segmenten  ähnliche  Bildungen  ent- 
wickelt und  zwar  nach  mehreren  Richtungen  im  Räume.  Diese 
Segmente  gelangen  zu  keiner  Differenzierung,  die  zur  An- 
nahme eines  gesonderten  Wachstums  außerhalb  des  zylindri- 
schen Stämmchens  Anlaß  geben  könnten  (Fig.  6  bis  7).  Das 
Pflänzchen  steht  aufrecht  —  vermutlich  wird  dies  durch  den 
kräftigen  basalen  Teil  und  das  Fehlen  des  Keimfadens  ver- 
anlaßt. Seine  zylindrische  Gestalt  geht  ziemlich  unvermittelt 
in  die  Bandform  über,  an  welcher  sich  erst  allmählich  Unter- 
schiede zwischen  Ober-  und  Unterseite  zeigen.  Am  Rande  des 
Pflänzchens  zeigen  sich  manchesmal  Papillen,  an  der  Unter- 
seite unregelmäßig  angeordnete  Ventralschuppen,  an  der  Ober- 
seite ein  mehrschichtiger  Wall  von  Zellen,  dessen  jüngste 
Zellregion  den  Eindruck  einer  sehr  reduzierten  Blattanlage 
hervorruft  (Fig.  8,  9,  11).  An  ziemlich  großen  Pflänzchen  mit 
schon  ausgebildeter  Dorsiventralität  ist  das  zylindrische  Ge- 
bilde, das  unmittelbar  aus  der  Spore  hervorging,  noch  sichtbar 
(Fig.  8).  Leitgeb  nimmt  für  Pellia  epiphylla  Quadranten- 
teilung und  Anlage  des  Pflänzchens  in  einem  durch  das  Licht 
geförderten  Quadranten  an.  Pellia  endiviaefolia  gleicht  in 
seiner  Jugendform  durchaus  der  von  P.  epiphylla.  Es  ist  nicht 
anzunehmen,  daß  bei  diesen  Arten  die  Anlage  des  Pflänzchens 
in  so  verschiedener  Weise  erfolgen  soll. 

Blyttia  Lyell«  Endl.  (Taf.  IV,  Fig.  12  bis  18). 

Die  Spore  quillt  stark  auf  und  wird  durchscheinend  und 
grün.  Tn  ihr  zeigen  sich  keinerlei  Teilungsvorgänge.  Der  Keim- 
ling schiebt  sich  durch  eine  offenbar  zerrissene  Stelle  (Fig.  12 
bis  14)  des  Exosporiums.  Neben  der  ersten  Zelle  des  Keim- 
lings kommt  ein  Rhizoid  heraus.  Die  Bildung  des  Keimfadens 
unterbleibt.  Die  Spore  und  die  erste  Zelle  vergrößern  sich 
noch  beträchtlich;  in  dem  in  der  Spore  verbliebenen  Teile  des 
Keimlings  entstehen  wenige,  gewöhnlich  vertikale  Teilwände. 
In  der  aus  der  Spore  ausgetretenen  Zelle  spielen  sich  die- 
selben Vorgänge  ab  wie  bei  Pellia. 

1  Leitgeb,  Untersuchungen  über  die  Lebermoose. 
Sitzb.  d.  mathem.-natunv.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  51 


788  E.  Lampa, 

Durch  schief  zueinander  stehende  Teilungen  wird  eine 
Scheitelzelle  herausgeschnitten,  die  dann  mit  deutlich  drei- 
zeiliger  Segmentierung  das  Wachstum  des  Pflänzchens  weiter- 
führt (Fig.  16).  Die  Segmente  enden  häufig  mit  je  einer  Papille, 
die  sich  von  dem  sonst  zylindrischen  Stämmchen  abhebt 
(Fig.  17,  18).  Denselben  Vorgang  beobachtete  ich  bei  Scapania, 
nur  mit  dem  einen  Unterschiede,  daß  der  zylindrische  Körper 
zuweilen  an  einem  kurzen  Keimfaden  entstand,  zuweilen 
gleich  aus  der  Spore  hervorging.  Die  vollständige  Entwick- 
lung bis  zur  ausgewachsenen  Pflanze  konnte^weder  bei  Blyttia 
noch  bei  Scapania  beobachtet  werden. 

Lophocolea  heterophylla  Dum.  (Taf.  II,  Fig.  6  bis  10). 

Der  Keimfaden  ist  bei  L.  heterophylla  entweder  mehr- 
zellig und  unverzweigt  oder  er  ist,  und  das  ist  der  häufigere 
Fall,  ein  ziemlich  reich  verzweigtes  Protonema.  Am  Ende 
eines  stets  mehrzelligen  Fadens  wird  das  Pflänzchen  ange- 
legt. An  den  verzweigten  Protonemen  wurden  zuweilen  zwei 
Pflänzchen  ausgebildet.  Es  ist  natürlich  nicht  unmöglich,  daß 
auch  mehrere  entstehen  können,  doch  beobachtet  wurde  dies 
nicht. 

In  einer  Spitzenzelle  werden  drei  Segmente  gebildet,  aus 
deren  Mitte  die  Scheitelzelle  entsteht.  Diese  schneidet  die 
folgenden  Segmente  in  einer  Weise  ab,  die  das  Pflänzchen 
in  diesem  Stadium  einer  Laubmoosknospe  auffallend  ähnlich 
erscheinen  läßt.  Rhizoide  werden  bis  dahin  keine  entwickelt, 
weder  an  Pflänzchen,  die  an  einem  einfachen,  noch  an  solchen, 
die  an  einem  verzweigten  Protonema  entstehen.  Ähnliche  Ver- 
hältnisse bestehen  für  Nardia  hyalina  Carr.  (Fig.  1  bis  5).  In 
mancher  Aussaat  zeigten  sich  mehr  verzweigte  Faden,  in 
mancher  mehr  unverzweigte.  Zur  Anlage  des  Stämmchens 
kam  es  nur  in  wenig  Fällen  und  auch  da  gelangten  nur  die 
jüngsten  Stadien  zur  Entwicklung.  Dieselbe  Verzweigung  des 
Protonemas  findet  sich  auch  bei  Cephalozia  bicuspidata  Dum. 
(Fig.  11  bis  13).  Zur  Vollendung  des  angefangenen  Pflänzchens 
bis  zum  erwachsenen  Zustande  kam  es  leider  bei  keiner  dieser 
Formen. 


Untersuchungen  an  Lebermoosen.  789 

Es  mag  nebensächlich  erscheinen,  ob  die  geschlechtliche 
Generation  der  Lebermoose  an  einer  Keimscheibe  angelegt 
wird  oder  an  einer  Spitzenzelle  am  Ende  eines  Fadens,  der 
bis  dahin  nur  Teilungen  nach  einer  Richtung  aufwies.  Und 
trotzdem  muß  ich  noch  einmal  darauf  zurückkommen.  Meine 
Beobachtungen  ließen  mich  in  der  Anlage  des  Lebermoos- 
pflänzchens  einen  Vorgang  erkennen,  der  sich  in  der  ganzen 
Reihe  der  Hepaticae,  bei  den  Marchantiaceen,  den  akrogynen 
und  den  anakrogynen  Jungermanniaceen  und  bei  Anthoceros 
in  derselben  Weise  abspielt. 

Die  Arten,  welche  untersucht  wurden,  waren  nicht  aus- 
gewählt in  Rücksicht  auf  morphologische  oder  sonstige  Ver- 
hältnisse derselben.  Ich  säete  die  Sporen  aus,  die  ich  erhalten 
konnte,  und  untersuchte  jene,  die  keimten.  Dabei  gelangte  ich 
zu  der  Anschauung,  daß  hier  ein  einheitliches  ßildungsgesetz 
vorliegen  müsse,  das,  bald  mehr,  bald  weniger  deutlich,  Be- 
ziehungen erschließe,  die  doch  etwas  weiter  reichen  mögen 
als  bis  zu  der  Frage  der  Zellteilungsfolge  bei  der  Anlage  eines 
Organismus. 

Die  äußere  Ähnlichkeit  des  jüngsten  Stadiums  der  ge- 
schlechtlichen Generation  einiger  akrogyner  Jungermannia- 
ceen mit  dem  gleichen  Stadium  der  Laubmoose  gestattet  viel- 
leicht einen  weiteren  Vergleich  zwischen  der  scheitelständigen 
Anlage  des  Archegoniums  dieser  Lebermoose  und  der  Anlage 
der  Geschlechtsorgane  der  Laubmoose.  Fossombronia,  nach 
der  Anlage  seiner  Geschlechtsorgane  zu  den  anakrogynen 
Jungermanniaceen  gehörend,  zeigt  dieselbe  Einleitung  des 
Wachstums  seiner  Stämmchen  wie  die  akrogynen  Formen 
und  somit  wie  die  Laubmoose.  Das  erwachsene  Pflänzchen 
besitzt  zweizeilige  Beblätterung,  die  dritte  Blattzeile  ist  als 
bauchständige  Papille  erhalten. 

Die  Jugendform  von  Fossombronia  mit  seiner  dreizeiligen 
Segmentierung,  seinen  in  diesem  Stadium  in  gleicher  Weise 
reduzierten  Blättern,  die  nach  7s  angeordnet  sind,  ergibt 
zwanglose  Beziehungen  zur  Segmentierung  bei  der  Anlage 
des  Stämmchens  von  Duvalia,  Chomiocarpon  etc.  und  erlaubt 
die  Deutung,  die  Weiterentwicklung  der  Segmente  dieser 
Formen   als   reduzierte  Beblätterung   aufzufassen.   Pellia  mit 

51* 


790  E.  Lampa, 

seinem  im  jüngsten  Stadium  blattlosen  Stämmchen  erscheint 
in  der  Gruppe  der  anakrogynen  Jungermanniaceen  morpho- 
logisch weitergehend  reduziert  als  z.  B.  Scapania,  Blyttia, 
deren  Segmente  deutliche  Blattanhänge  tragen. 

Das  fertige  Pflänzchen  weist  bei  den  Marchantiaceen 
äußerlich  die  weitesten  Reduktionserscheinungen  auf  bei  fort- 
schreitender anatomischer  Differenzierung.  Die  Jugendform  mit 
ihrer  in  den  meisten  Fällen  dreizeiligen  Beblätterung  kann  eine 
Erklärung  finden  in  dem  Hinweise  auf  ein  andeutungsweise 
erhaltenes  Bildungsgesetz,  das,  in  ihr  noch  sichtbar,  einer  nicht 
mehr  vorhandenen  Organisation  des  fertigen  Pflänzchens  ent- 
spricht. Riccia  entwickelt  an  seinem  jungen  Pflänzchen  einen 
Reichtum  an  reduzierten  Blättern,  der  mit  der  schließlichen 
Endentwicklung  dieser  Form  doch  in  keinem  kausalen  Zu- 
sammenhange steht.  Die  Anlage  der  Geschlechtsorgane  der 
Riccien,  die  exogen  entstanden,  endogen  ihrer  Vollendung 
entgegengehen,  leitet  hier  aber  zu  Anthoceros}  bei  welchen 
die  Geschlechtsorgane  endogen  entstehen  und  bei  dem  doch 
Rückschläge  auftreten,  dadurch,  daß  Antheridien  exogen  ent- 
stehen und  zur  Entwicklung  kommen  können,  ein  Beweis, 
daß  die  Anlage  der  Geschlechtsorgane  bei  Anthoceros  nicht 
ohne  Beziehung  ist  zu  diesem  Vorgange  bei  den  übrigen 
Lebermoosen. 

Die  Entwicklungs-  und  Wachstumsgeschichte  der  Farn- 
prothallien  hat  zwanglos  die  Vorstellung  ergeben,  daß  hier  ein 
Gebilde  vorliege,  welches  trotz  flächiger  Ausbreitung  Gliede- 
rung in  Stamm  und  Beblätterung  zeige.  Die  Ontogenese  einer 
Marchantiacee  zeigt  das  Zustandekommen  dieser  Reduktions- 
erscheinung, das  Übergehen  eines  körperlichen  beblätterten 
Stämmchens  in  eine  nach  anscheinend  einfachem  Wachstums- 
modus sich  vergrößernde  Fläche. 

Bei  den  Marchantiaceen  sind  gewiß  die  Wachstums- 
vorgänge so  einfache  nicht.  Die  Blattanhänge  und  Ventral- 
schuppen derselben  scheinen  nicht  ohne  Beziehung  zu  jener 


1  Lampa.  Exogene   Entstehung  der  Antheridien  von  Anthoceros.  Ost. 
Bot.  Zeitschrift.  LHI.  Jahrg.  Nr.  11. 


Untersuchungen  an  Lebermoosen.  791 

im  Jugendstadium  sichtbaren  Segmentierung  und  deren  Weiter- 
entwicklung. 


Tafelerklärung. 


Tafel  I. 

Fig.     1.  Pflänzchen  von  Chomiocarpon  quadratus.  Die  Scheitelzelle  zu 

einem  Faden  ausgewachsen. 

Fig.  2  bis  7.  Aufeinanderfolgende  Stadien  von  Chomiocarpon  quadratus,  im 
Oberlichte  kultiviert. 

Fig.  8  bis  11.  Stadien  von  Chomiocarpon  quadratus,  im  seitlichen  Lichte 
kultiviert. 

Fig.  12  bis  15.  Pflänzchen  von  Plagiochasma  elongatum,  im  Oberlichtc  ge- 
zogen. Bei  Fig.  16  wächst  die  Scheitelzelle  zu  einem  Faden  aus. 

Fig.  17.  Plagiochasma  elongatum,  erst  im  Oberlichte,  dann  im  Seiten- 

lichte kultiviert. 

Fig.  18  bis  19.   Plagiochasma  elongatum,  im  Seitenlichte  kultiviert. 

Tafel  II. 

Fig.     1  bis     5.   Verzweigte  Protonemafaden  von  Nardia  hyalina. 

Fig.    6  bis  10.  Lophocolea   heterophylla  im   Protonemastadium,   mit   einigen 

schon  angelegten  Pflänzchen. 
Fig.  11  bis  13.   Cephalozia  bicuspidata  im  selben  Stadium. 
Fig.  14  bis  21.   Aufeinanderfolgende  Entwicklungsstadien  von  Dtivalia  rupe- 

stris. 
Fig.  22.  Unterseite  eines  erwachsenen  Pflänzchens  davon  mit  Ventral - 

schuppen  (Oberseite  desselben  auf  Taf.  IV,  Fig.  10). 

Tafel  III. 

Fig.     1   bis   12.  Aufeinanderfolgende  Entwicklungsstadien  von  Riccia  glauca. 
Fig.  13.  Unterseite  eines  dorsiventralen  Pflänzchens  davon  mit  Vcntral- 

schuppen.  b  ist  eine  sekundäre  Wand. 

Tafel  IV. 

Fig.     1  bis     7.   Aufeinanderfolgende  Entwicklungsstadien  von  Ptllia  endiviae- 

folia. 
Fig.    8.  Dorsiventrales  Pflänzchen,  am  Rande  mit  einigen  Papillen.  Am 

basalen  Teile  das  zylindrische  Gebilde,  das  unmittelbar  aus 

der  Spore  hervorging,  noch  sichtbar. 


792  E.  Lampa,  Untersuchungen  an  Lebermoosen. 

Fig.    9.  Oberseite  eines  erwachsenen  Pflänzchens. 

Fig.  11.  Unterseite  eines  solchen. 

Fig.  10.  Oberseite  von  Duvalia  rupestris. 

Fig.  12  bis  18.  Aufeinanderfolgende  Stadien  von  Blyttia  Lyellii.  a  in  Fig.  12 
bezeichnet  die  Stelle,  durch  welche  sich  der  Keimling  heraus- 
schiebt, r  bezeichnet  das  Rhizoid. 

5  bedeutet  auf  allen  Tafeln  die  Scheitelzelle. 


Liuiii>a,K.:rnlersiirliuno(m  an  LobennoostMi 


Taf.l. 


I-if I .  \ri.s'     TJi  Fjii»'.. u'\<  ,w  ii 

Si  t  z  uiitf  sbori«*  lit  v  cl  k.iis.  Ak.ul.  il.  Wiss.   uialh.-n:iturw.  (1,.sm\  I  Sil.llXlI .  AImIi.I.IDIKI. 


LaiuiHi.l'.-.riitorsucliunoiMi  «in  LpImmmiioonoii 


Taf.H. 


I.itli  AnM  v  T>i  H.niii  •  nrlh  U~-n 

Sitzungsberichte  d.kais.  Akad.  cl.  Wiss..  math  -  iiaturw.  Cl.sso,  IM.CXII.  Abth.U'K):». 


Lumpa.K.  rntersiuiumoim  an  Lebormooson 


Tai.iv. 


I.ith  An.st  v  Th  Bmimwtrlli  U"i.  n 

Sitzungsberichte  tl.kais.  Ak;id.  d.  Wiss..  malh.-naturw.  Cl;iss<\  UcLC'Xll  .  Abtli.I.lOOa. 


•mjU 


793 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen 

von 
Josef  Schiller. 

(Mit  3  Tafeln.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  22.  Oktober  1003.) 

Unter  »Nebenblättern«  oder  »Stipulae«  versteht  bekannt- 
lich die  deskriptive  Morphologie  Organe,  welche  paarweise, 
d.  h.  rechts  und  links  vom  Blattgrunde  entspringen  und  in 
Anpassung  an  die  verschiedensten  Funktionen  außerordentlich 
verschiedene  Ausbildung  erlangen  können.1 

Es  ist  ferner  allgemein  bekannt,  daß  Stipulargebilde  viel- 
fach ein  so  konstantes  Auftreten  bei  Pflanzen  bestimmter 
Zugehörigkeit  zeigen,  daß  sie  geradezu  als  charakteristische 
Merkmale  ganzer  Pflanzenfamilien  angesehen  werden  können. 

Goebel2  hat  bereits  mit  voller  Sicherheit  nachgewiesen, 
daß  die  von  der  deskriptiven  Morphologie  als  Nebenblätter 
bezeichneten  Organe  entwicklungsgeschichtlich  sehr  ver- 
schiedenwertig  sind.  Er  hat  gezeigt,  daß  beispielsweise 
»Axillarstipulae«  zum  Teile  durch  Verwachsung  von  je 
zwei   rechts   und    links    angelegten   Nebenblättern    entstehen 

1  Vcrgl.  nur  beispielsweise:  Pax  Fcrd.,  Allgemeine  Morphologie  der 
Pflanzen,  1890,  p.  99  ff.;  —  Wiesner  .1.,  Organographie  und  Systematik, 
1891,  p.  49;  —  Eichler  A.  W.,  Zur  Entwicklungsgeschichte  des  Blattes, 
Marburg  1861;  —  Strasburger  in  Strasburger,  Noll,  Schenck,  Schimper, 
Lehrbuch  der  Botanik,  2.  Aufl.,  p.  26.  —  Über  Nebenblätter  und  die  sie 
behandelnde  Literatur  vergl.:  Lubbock,  Buds  and  Stipules,  London  1899. 

2  Goebel  KM  Organographie  der  Pflanzen,  II.  Teil,  p.  551  bis  571 
(1900). 


794  J.Schiller, 

können,  daß  aber  ganz  ähnliche  Bildungen  auch  ohne  jedwede 
Verwachsung  aus  der  Blattbasis  entstehen  können.  Ferner  hat 
er  dargelegt,  daß  »typische«,  d.  h.  rechts  und  links  am  Blatt- 
grunde entspringende  Stipulae  in  der  Regel  Umgestaltungen 
des  Blattgrundes  sind,  daß  aber  auch  ganz  ähnliche  Bil- 
dungen durch  Umbildungen  von  Teilen  der  Blatt- 
fläche entstehen  können. 

Auf  die  letzterwähnten  Kategorien  von  Stipulargebilden  hat 
auch  Wettstein1  hingewiesen  und  sie  zum  Unterschiede  von 
den  typischen Stipulargebil den  alsPseudostipulae  bezeichnet. 

Diese  Pseudostipulae  habe  ich  zum  Gegenstand  ein- 
gehenderer Untersuchungen  gemacht,  deren  Resultate  im 
folgenden  mitgeteilt  werden  sollen. 

Auf  die  Möglichkeit  des  Entstehens  von  nebenblattähn- 
lichen Gebilden  durch  Umbildung  von  Teilen  der  Blattfläche 
hat  L.  Celakovsky  und  Lubbock  hingewiesen.  Ersterer2 
versuchte  die  vielbesprochenen  Ranken  von  Smilax  als  basale 
in  Ranken  umgewandelte  Abschnitte  der  Laubblätter  zu  deuten, 
eine  Deutung,  der  allerdings  Goebel8  entschieden  entgegentrat. 

Lubbock4  erwähnt,  daß  man  gewisse  Teile  von  Blatt- 
schuppen und  auch  tief  am  Grunde  befindliche  Fiederpaare, 
z.  B.  bei  Cardamine  impatiens  und  bei  Kompositen  von  Neben- 
blättern schwerlich  trennen  kann  (»...can  scarcely  be  distin- 
quished  from  stipules«),  doch  verfolgt  er  den  Gegenstand  nicht 
weiter. 

Die  Unterscheidung  der  Pseudostipulae  von  den  Sti- 
pulae im  engeren  Sinne  dürfte  nicht  bloß  aus  dem  Grunde 
gerechtfertigt  erscheinen,  weil  es  sich  um  entwicklungs- 
geschichtlich verschiedene  Organe  handelt,  sondern  auch  des- 
halb, weil  das  Auftreten  der  beiden  Arten  von  Organen  ein 
recht  verschiedenes  ist. 

Stipulae  im  engeren  Sinne  sind  bekanntlich  in  ihrem  Auf- 
treten von  großer  Konstanz;  ihre  Ausbildung  wird  von  der 


1  Wettstein  R.  v.,  Verhandlungen  der  k.  k.  zoolog.  botan.  Gesellschaft 
in  Wien,  50.  Jahrg.,  1900,  p.  57. 

-  Celakowsky  J.,  Botanische  Zeitung,  55.  Jahrg.,  1897,  p.  170  ff. 

3  Goebel  K.,  a.  a.  O.,  p.  432  und  433. 

4  Lubbock,  Buds  and  Stipules,  p.  198. 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  795 

Pflanze  erblich  mit  großer  Zähigkeit  festgehalten,  wofür  das 
Vorkommen  rückgebildeter,  funktionsloser  Stipulae  bei  Formen, 
welche  mit  nebenblattragenden  verwandt  sind,  ferner  das  Vor- 
kommen an  Pflanzenteilen,  an  welchen  die  ökologische  Be- 
deutung eine  geringe  ist,  spricht. 

Pseudostipulae  dagegen  finden  sich  in  der  Regel  an 
Pflanzen,  deren  Blätter  keine  Stipulae  tragen;  sie  werden  an 
gewissen  Teilen  solcher  Pflanzen  ausgebildet,  und  zwar  dort, 
wo  ihnen  eine  bestimmte  Funktion  zukommt,  also  insbesondere 
an  jungen  Sprossen  und  in  der  Nähe  von  Blüten,  respektive 
Infloreszenzen. 

Was  die  Funktion  der  Pseudostipulae  anbelangt,  so  stimmt 
sie  mit  jener  der  meisten  Stipulae  überein:  es  sind  Schutz- 
organe, welche  zartere  Organe  (Knospen,  Blattanlagen  etc.) 
gegen  von  außen  kommende  Störungen  schützen. 

Mit  der  Unterscheidung  der  Pseudostipulae  (basale  Aus- 
gliederungen der  Blattfläche)  von  den  eigentlichen  Stipulae  (Aus- 
gliederungen des  Blattgrundes)  soll  natürlich  nicht  gesagt  sein, 
daß  letztere  (nach  Ausscheidung  der  »Ligularbildungen«)  etwas 
entwicklungsgeschichtlich  Einheitliches  sind;  es  muß  ins- 
besondere auch  die  Möglichkeit  der  phylogenetischen  Entwick- 
lung von  Ligulargebilden  aus  Pseudostipulae  ins  Auge  gefaßt 
werden,  wie  dies  schon  Goebel1  betonte. 

Betrachtet  man  im  Frühjahre  die  Knospenschuppen  einer 
austreibenden  Blattknospe  von  Rosa,  Pirus,  Prunus  oder  einer 
anderen  holzigen  Rosacee,  so  findet  man  an  ihren  Spitzen  drei 
Höcker,  zwei  seitliche  und  dazwischen  einen  mittleren,  häufig 
etwas  größeren.  Dieser  stellt  die  reduzierte  Blattfläche,  jene  die 
beiden  Stipularanlagen  vor.  Je  weiter  die  Schuppen  an  der 
Knospe  nach  oben  liegen,  desto  größer  und  deutlicher  werden 
allmählich  die  beiden  seitlichen  Höcker,  die  Stipulae,  bis  sie 
zugleich  mit  dem  Laubblatt  ihre  normale  bekannte  Ausbildung 
zu  beiden  Seiten  des  Blattgrundes  erlangt  haben. 

Solche  seitliche  Höcker,  die  also  bei  den  Rosaceae  die 
Stipulae  repräsentieren,  finden  sich  aber  auch  sonst  bei  neben- 
blattlosen Blättern.  Bei  Acer  tataricum  findet  man  am  obersten 


i  Goebel  K.,  a.  a.  0.,  p.  f>53. 


796  J.  Schiller, 

Teile  der  Niederblätter  eine  kleine  Spitze  und  zu  beiden  Seiten 
zwei  stets  deutlich  wahrnehmbare  Höcker,1  ähnlich  wie  es  in 
Fig.  46  von  Sambucus  nigra  dargestellt  ist.  Die  Ausbildung 
dieser  drei  Teile  geht  regelmäßig  weiter,  sie  werden  immer 
größer  und  der  Lamina  eines  entwickelten  Laubblattes  immer 
ähnlicher,  bis  dann  ohne  weitere  Übergänge  die  Lamina  plötz- 
lich normal  entwickelt  ist.  Ihrem  Aussehen  nach  stimmen  die 
beiden  Höcker  bei  Acer  vollkommen  mit  denen  bei  Rosa, 
Pirus  etc.  überein.  Dort  sind  es  unentwickelte  Lappen  der 
Blattfläche,  bei  diesen  Nebenblattanlagen.  Auch  darin  stimmen 
beide  Bildungen  wieder  überein,  daß  sie  die  Fläche  der 
Knospenschuppen  vergrößern  helfen  und  damit  zum  Schutze 
der  von  ihnen  bedeckten  jungen  Blattanlagen  beitragen.  Allein 
es  geht  aus  entwickiungsgeschichtlichen  Gründen  nicht  an, 
auch  die  beiden  Höcker,  die  sich  bei  allen  Acer- Arten  finden, 
als  Stipulae  im  engeren  Sinne  zu  bezeichnen.  Infolge  ihrer 
Ähnlichkeit  mit  Nebenblättern  und  infoige  gleicher  Funktion 
kann  man  sie  wohl  als  nebenblattähnliche  Organe,  als  Pseudo- 
stipulae  bezeichnen.  Sie  sind  bei  den  Bäumen  mit  gelappten 
nebenblattlosen  Blättern  an  den  Knospenschuppen  sehr  häufig 
vorhanden. 

Viel  schönere  Pseudostipularbildungen  zeigen  jedoch 
gefiederte  Blätter,  und  zwar  die  ersten  Blätter  eines  jeden 
Jahressprosses.    Betrachten  wir  zunächst  Fraxinus. 

An  der  Spitze  der  untersten  Knospenschuppen  findet  man 
eine  noch  weriig  scharf  hervortretende  Differenzierung,  die  aber 
meistens  schon  zwei  seitliche  Höcker  von  einem  mittleren 
unterscheiden  läßt.  An  den  Knospenschuppen  des  zweiten  oder 
dritten  Paares  bemerkt  man,  wie  dies  Fig.  10  von  Fraxinus 
Ornus  zeigt,  eine  Verbreiterung  nach  oben  und  die  zwei  seit- 
lichen Höcker  ps,  die  Pseudostipulae.  Der  mittlere  Teil  zeigt 
schon  eine  weitere  Ausbildung  durch  seitliche  Einschnitte  an. 
Aus  diesen  gehen  (Fig.  11)  zwei  Fiedern  hervor.  Die  Pseudo- 
stipulae haben  jetzt  ihre  schönste  Ausbildung  erlangt.  Ihre 
Form  ist  flügelartig.  Worauf  wir  diese  stipularen  Bildungen 
zurückzuführen  haben,  wird  aus  den  nächsten  Entwicklungs- 


i  Goebel,  Spezielle  Organographie,  p.  575  und  576. 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  797 

Stadien  klar.  Es  treten  nämlich  auf  den  seitlichen  Abschnitten 
jetzt  Laminarbildungen  auf  (Fig.  12,  W);  die  kleine  Lamina  ist 
nur  mit  dem  Mittelnerv  der  Unterseite  auf  ihrer  Unterlage,  die 
auf  den  stark  entwickelten  Stiel  des  Fiederblättchens  zurück- 
zuführen ist,  befestigt,  so  zwar,  daß  sich  die  beiden  Hälften  der 
kleinen  Lamina  leicht  aufrichten  lassen.  Durch  diese  Bildung 
der  Lamina  auf  den  Pseudostipulae  wird  uns  ihre  phylo- 
genetische Bedeutung  vollends  klar:  es  sind  Fiedern.  Je  mehr 
nun  die  regelmäßige  Entwicklung  der  beiden  Laminae  der 
Pseudostipulae  fortschreitet,  umsomehr  nehmen  die  primären 
Blätter  einen  den  Laubblättern  ähnlicheren  Habitus  an  und  die 
Pseudostipulae  werden  langsam  zum  normalen  untersten 
Fiederpaare  des  Laubblattes.  In  Fig.  13  sind  zwei  Paar  Fiedern 
normal  entwickelt  und  der  Blattstiel  hebt  sich  deutlich  von 
dem  häutigen,  flügelartigen  Rande  ab,  der  am  Grunde  in  zwei 
fiederähnliche  Organe,  die  Pseudostipulae,  ausgeht.  Als  Schutz- 
organ für  die  nach  innen  zu  gelegenen  jüngeren  Blätter  kommt 
jetzt  nur  noch  der  Petiolus  mit  dem  breitflügeligen  Rande  in 
Betracht,  die  beiden  Pseudostipulae  schon  weniger,  da  das 
Schutzbedürfnis  immer  kleiner  wird.  Je  mehr  der  flügelige 
Saum  schwindet,  desto  unmittelbarer  treten  nun  die  beiden 
Stipularblätter  an  den  Blattstiel  heran.  Es  kommt  bei  vielen 
anderen  Fr axinus- Arten  (Fraxinus  excelsior,  Fr.  nana,  Fr. 
Americana,  Fr.  viridissitna,  Fr.  ovata)  vor,  daß  sogar  bei  voll- 
ständig entwickelten  Laubblättern  der  flügelige  Rand  erhalten 
bleibt,  wie  dies  in  Fig.  14  bei  Fr.  excelsior  zur  Darstellung 
gebracht  worden  ist  (von  der  Rückseite  gezeichnet).  Der 
häutige  Rand  endigt  am  Mittelnerv  des  untersten  Fiederblatt- 
paares, dessen  Lamina  gewöhnlich  kleiner  und  dadurch  von 
den  anderen  Fiederpaaren  verschieden  ist,  wodurch  sie  ganz 
den  Eindruck  der  »Stipulae  adnatae«  hervorrufen  und  von  den 
Nebenblättern,  z.  B.  unserer  Rosen,  kaum  zu  unter- 
scheiden sind. 

Viele  Arten  der  Gattung  Rhus  mit  Fiederblättern,  z.  B. 
Rh.  hemialata,  Rh.  copalina,  Rh.  Toxicodendron  etc.  weisen 
eine  schöne  stipulare  Ausbildung  des  untersten  Fiederblatt- 
paares auf.  Die  an  der  Blattknospe  befindlichen  ersten  Primär- 
blätter besitzen  gleichfalls  die  dreiteilige  Spitze.    Fig.  96  Rhus 


798  J.Schiller, 

hemialata.  Die  beiden  Pseudostipulae  (Fig.  96,  ps)  biegen  sich 
nach  der  Seite  hin  (Fig.  97)  und  weisen  auf  der  oberen  Seite 
eine  seichte,  glatte  Längsfurche  auf  (Fig.  97,  /),  welche  die 
ganz  unentwickelte  Lamina  darstellt.  Die  Pseudostipulae  sitzen 
auch  hier  auf  dem  emporgehobenen  Blattgrunde  auf,  der  als 
häutiger  Rand  am  Blattstiel  entwickelt  ist  und  aus  dem  sich 
scheinbar  die  Lamina  entwickelt  hat.  Die  Pseudostipulae 
nähern  sich  ihrer  Form  nach  immer  mehr  den  Fiedern  (Fig.  98), 
der  häutige  Rand  schwindet,  bis  er  nur  noch  ganz  schwach 
entwickelt  ist  (Fig.  100)  und  am  Rücken  des  unteren  Fieder- 
blattpaares am  Mitteinerv  sich  hinaufzieht.  Mit  dem  Schwinden 
des  geflügelten  Randes  am  Blattstiele  treten  auch  die  Pseudo- 
stipulae {ps,  Fig.  99  und  100)  immer  näher  an  letzteren  heran, 
bis  sie  durch  Erlangung  der  Fiederform  ihre  Bedeutung  ver- 
loren haben  (Fig.  100,  Ft  und  F2). 

Die  primären  Blätter  von  Xanthoceras  sorbifolia  weisen 
eine  sehr  sprungweise  Entwicklung  auf  mit  typischen  Pseudo- 
stipulae. Auf  die  wenig  entwickelten  Knospenschuppen,  die  in 
Fig.  16  dargestellt  sind,  folgen  sofort  solche  mit  wohlaus- 
gebildeten Pseudostipulae  (Fig.  17).  Die  nächsten  Blätter  sind 
schon  fiederig  entwickelt.  Allein  das  untere  Fiederpaar  sitzt 
noch  am  geflügelten  Rande  auf  und  zeigt  auch  eine  abweichende 
Laminabildung,  indem  die  eine  Hälfte  des  Fiederblattes  gesägt, 
die  andere  dagegen  ganzrandig  ist  (Fig.  18). 

Ähnliche  Ausbildungsweisen  zeigt  Acer  Negundo  und 
Acer  californicus.   Für  Acer  Negundo  Fig.  19,  20,  21. 

Pseudostipulae,  weiche  den  typischen  Stipulae  auf  das 
Täuschendste  ähnlich  sind,  fand  ich  auch  bei  der  bekannten, 
häufig  an  Wänden  gezogenen  Bignoniacee  Tecoma  radicans. 
Auch  sie  besitzt  bekanntlich  Fiederblätter.  Ihre  Blattknospen 
sind  nur  von  wenigen  braunen  und  kleinen  Schuppenblättern 
am  Grunde  umgeben,  die  wie  schon  die  Schuppenblätter  der 
besprochenen  Formen  eine  einfache  dreiteilige  Spitze  auf- 
weisen. Die  beiden  Seitenhöcker  entwickeln  sich  aber  hier  zu 
spitzen,  länglichen  Zipfeln  (Fig.  l,ps9  und  Fig.  2,  ps),  die  von 
den  bereits  abgesetzten  Fiedern  gänzlich  verschieden  sind 
(Fig.  2).  Ihrem  Umrisse  nach  nähern  sich  (in  Fig.  3)  die  Pseudo- 
stipulae bereits  den  Fiedern  und  daß  es  auch  hier  tatsächlich 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  799 

nur  nach  einer  merkwürdigen  Richtung  umgebildete  Fiedern 
sind,  geht  mit  Gewißheit  aus  den  Entwicklungsstadien  hervor, 
wie  sie  in  Fig.  4  festgehalten  sind.  Sie  weichen  zwar  in  ihrem 
Habitus  immer  noch  beträchtlich  von  den  Fiedern  ab;  allein 
die  deutliche  Ausbildung  der  Gefaßbündel  weist  auf  die  Weiter- 
bildung zu  normalen  Fiedern  hin.  In  der  Tat  wiesen  die 
nächsten  Blätter  das  unterste  Fiederpaar  vollkommen  regel- 
mäßig ausgebildet  auf,  so  zwar,  daß  sie  von  den  übrigen  Fieder- 
paaren in  keiner  Beziehung  verschieden  waren.  Auffallend 
mächtig  ist  hier  bei  Tecoma  radicans  auch  der  Blattgrund 
selbst  auf  verhältnismäßig  hoher  Entwicklung  (Fig.  4)  aus- 
gebildet. Da  nur  zwei  oder  drei  sehr  kleine  braune  Knospen- 
schuppen vorhanden  sind,  hiedurch  der  nötige  Schutz  aber 
nicht  erreicht  werden  kann,  so  findet  man  das  Emporstrecken 
des  Blattgrundes  bei  den  primären  Blättern  und  auch  bei  den 
fast  entwickelten  Laubblättern  vom  ökologischen  Standpunkte 
ganz  begreiflich. 

Es  wurden  ferner  auch  Panax  sessilißorus,  Carya  arnara, 
Trichilia  undulaefolia  untersucht.  Es  ergab  sich,  daß  auch  bei 
diesen  das  unterste  Fiederpaar  bei  den  primären  Blättern  als 
Pseudostipulae  entwickelt  ist. 

Aus  den  eben  angeführten  Beispielen  dürfte  hervorgehen, 
daß  sich  pseudostipulare  Bildungen  in  der  Region  der  primären 
Blätter  sowohl  bei  gelappten  Blättern  {Acer  tataricmn,  Acer 
Psettdoplatanus  etc.)  als  insbesondere  bei  Fiederblättern  vor- 
finden. Sie  stimmten  in  ihrer  physiologischen  Bedeutung  als 
Schutzorgane  sowie  häufig  auch  in  ihrem  morphologischen 
Aussehen  mit  echten  Nebenblättern  überein,  doch  zeigt  die 
Entwicklungsgeschichte,  daß  sie  sich  auf  das  untere  Fieder- 
paar des  entwickelten  Laubblattes  zurückführen  lassen. 

Im  Gegensatze  zu  den  bisher  besprochenen  Fällen,  wo  die 
pseudostipularen  Bildungen  nur  im  Bereiche  der  primären 
Blätter  der  Sprosse  vorkamen,  gibt  es  in  sehr  vielen  Familien 
Pflanzen,  die  Stipularbildungen  nur  an  den  in  der  Nähe  der 
Blütenregion  gelegenen  Fiederblättern  aufweisen.  Es  sind  auch 
in  diesem  Falle  herabgerückte  Fiedern  und  ihr  Zweck  ist  der- 
selbe wie  bei  den  Pseudostipulae  der  primären  Blätter:  Knospen- 
schutz. Daß  die  Fiedern  nur  in  der  Infloreszenzregion  herab- 


800  J.Schiller, 

rücken  und  in  diesem  Falle  zu  schützenden  Organen  werden, 
verstehen  wir  biologisch  recht  gut.  Denn  hier  werden  in  den 
Blattachseln  Organe  gebildet,  die  eines  Schutzes  bedürfen, 
währenddem  unten  am  Stengel  keine  Organanlagen  vorkommen, 
folglich  auch  keine  Schutzorgane  vorhanden  zu  sein  brauchen. 
Denn  der  Schutz  der  Stammknospe  wird  nach  Goebel  durch 
das  ganze  Blatt  erreicht. 

Valeriana  officinalis  zeigt  unterhalb  der  Infloreszenz  an 
den  Hochblättern  zwei  kleine  Seitenlappen  und  dazwischen 
einen  vielmal  längeren  Mittellappen  (Fig.  57).  Diese  beiden 
Seitenlappen  sitzen  flügelartig  am  Grunde  des  Hochblattes  und 
bewirken  dadurch  eine  größere  flächige  Verbreiterung  des- 
selben, wodurch  dessen  Eignung  als  Schutzorgan  noch  ver- 
mehrt wird.  Die  erwähnten  seitlichen  Teile  sind  nichts  anderes 
als  umgewandelte  Fiederchen,  was  aus  den  Übergängen  von 
jenen  Lappen  bis  zu  normalen  Fiedern  an  den  weiter  nach 
unten  gelegenen  Fiederblättern  deutlich  hervorgeht  (Fig.  58 
und  59).  In  allen  Fällen  zeigt  das  zu  unterst  stehende  Fieder- 
paar ein  von  den  übrigen  Fiederchen  abweichendes  morpho- 
logisches Aussehen  dadurch,  daß  sie  auf  dem  flügeiförmig  ent- 
wickelten Blattgrunde  breit  aufsitzen.  Dazu  treten  häufig  noch 
andere  Abweichungen:  in  der  Größe,  Färbung  u.  s.  w.  Früh- 
zeitig übernehmen  sie  die  Funktion  des  Knospenschutzes  und 
treten  nur  dort  auf,  wo  Organe  in  den  Achseln  der  Blätter  zur 
Entwicklung  gelangen. 

Durch  dieses  von  den  übrigen  Fiedern  abweichende  Ver- 
halten des  untersten  Fiederpaares  dürfte  es  gerechtfertigt  sein, 
auch  hiefür  den  Begriff  Pseudostipulae  anzuwenden. 

Die  gleichen  Verhältnisse  zeigen  die  übrigen  Arten  der 
Gattung  Valeriana,  welche  fiederschnittige  Blätter  besitzen: 
Vol.  sambucifolia,  exaltata,  dioica  etc. 

Bei  den  Kompositen  kommen  analoge  Bildungen,  z.  B. 
bei  Centaurea  Scabiosa  vor.  Unter  der  Infloreszenz  trifft  man 
wie  bei  Valeriana  ein  dreiteiliges  Hochblatt  (Fig.  61),  das 
durch  die  seitlichen  Zipfel,  die  Pseudostipulae,  gleichfalls  eine 
bedeutende  Flächenvergrößerung  erfährt.  Zu  diesem  ersten 
stipular  umgewandelten  Fiederpaare  treten  bei  den  nächst 
tiefer    gelegenen    Blättern    natürlich    noch    mehrere    andere. 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  801 

normal  entwickelte  Fiederpaare  (Fig.  62).  Dieselben  Vorgänge 
wiederholen  sich  an  den  Seitensprossen,  wo  aus  den  Achseln 
der  Blätter  neue  Organe  hervorgehen.  Auch  hier  sieht  man  also 
das  Fiederpaar  zu  einem  bestimmten  Zweck  am  Blattgrunde 
sitzen  bleiben,  nämlich  um  das  aus  der  Blattachsel  hervor- 
brechende Organ  zu  schützen  (Fig.  63,  ps). 

Eine  sehr  schöne  Pseudostipularbildung  beobachtet  man 
bei  Knautia  arvensis.  Die  obersten  Hochblätter  zeigen  wieder 
die  dreiteilige  Ausbildung  an  der  Spitze  (Fig.  67).  Der  Grund 
ist  hier  besonders  breitlappig  abgerundet  und  die  lappige  oder 
flügelartige  Verbreiterung  wird  an  den  nächst  tiefer  gelegenen 
Blättern  immer  größer,  bis  endlich  jene  Ausbildung  erreicht  ist, 
wie  sie  Fig.  70  und  71  zeigt.  Es  läßt  sich  recht  gut  denken, 
daß  hier  die  Pseudostipulae  mit  ihrer  auffallend  großen,  flügei- 
förmigen Verbreiterung  nebst  dem  Schutze  der  Axillarknospe 
noch  andere  Funktionen  übernehmen.  Vielleicht  kommt  Wasser- 
ansammlung in  Betracht  ähnlich  wie  bei  Dtpsacus;  wenigstens 
findet  man  nach  einem  Regen  und  an  feuchten  Tagen  immer 
einige  Tropfen  Wasser  in  der  durch  die  Lappen  gebildeten  Ver- 
tiefung stehen. 

Bei  Achillea  filipendula  sind  schon  die  obersten  Blätter 
vielfach  fiederschnittig  (Fig.  79).  Die  nächstfolgenden  Hoch- 
blätter entwickeln  eine  große  Anzahl  von  Fiederpaaren,  von 
denen  das  unterste  sehr  abweichend  gestaltet  ist.  Während 
nämlich  alle  übrigen  Fiederpaare  symmetrisch  und  auf  beiden 
Seiten  eingeschnitten-gesägt  sind  (Fig.  80),  ist  das  untere 
Fiederpaar  auffallend  unsymmetrisch  gestaltet.  Auf  dem  oberen 
Rande  ist  es  ganzrandig,  auf  dem  unteren  eingeschnitten- 
gesägt.  Die  Pseudostipulae  liegen  anfangs  beim  Hervorbrechen 
der  axillaren  Knospe  von  beiden  Seiten  der  letzteren  an.  An 
den  Laubblättern  unten  am  Stengel  sind  die  Fiederpaare  nicht 
nur  in  die  Höhe  gerückt,  sondern  es  trat  hier  zum  Hinauf- 
rücken auch  noch  Verkümmerung  (Fig.  82).  Auffallend  ist  das 
ungleichartige  Hinaufrücken  der  Fiedern  an  Stengel  (Fig.  82, 
a  und  a',  V  und  b,  d  und  c). 

Auch  Serratula  cyanoides  hat  das  unterste  Fiederpaar 
pseudostipular  entwickelt  (Fig.  64.  ps).  Auch  hier  findet  man 
überall  das  Fiederpaar  jener  Blätter  am  Grunde   inseriert,  in 


802  J.Schiller, 

deren  Achseln  Organanlagen  sich  befinden  (Fig.  65).  Wo  solche 
nicht  vorhanden  (Fig.  66),  sind  die  Fiederpaare  vom  Blatt- 
grunde entfernt  und  gewöhnlich  noch  verkümmert.  Analoge 
Erscheinungen  bieten  Papaver  Orientale  (Fig.  76xbis  78)  und 
Artemisia  vulgaris  (Fig.  72  bis  75). 

Mit  den  bisher  besprochenen  und  zur  Darstellung  gelangten 
Beispielen  für  die  Verwendung  des  untersten  Fiederpaares  der 
Hochblätter  als  Stipularorgane,  als  Pseudostipuiae,  ist  die  An- 
zahl der  Pflanzen,  welche  die  erwähnten  Erscheinungen  bieten, 
natürlich  noch  lange  nicht  erschöpft.  Wir  finden  das  unterste 
Fiederpaar  als  Pseudostipuiae  verwendet  ferner  noch  unter  den 
Cruciferen  bei  Cardamine,1  worauf  schon  Lubbock  hinwies, 
Nasturtium  (z.  B.  Nast.  silvestre,  pyrenaicum  etc.);  unter  den 
Dipsacaceae  nebst  der  bereits  besprochenen  Knatttia  arvensis 
noch  bei  den  meisten  unserer  Scabiosa- Arten  und  besonders 
oft  bei  den  Compositen.  So  finden  wir  sie  bei  den  meisten 
Arten  der  Gattungen  Artemisia,  Achillea,  Anthemis,  Tanace- 
tutn,  ferner  bei  einigen  Cirsiutn- Arten  und  bei  vielen  anderen 
Gattungen. 

Ein  besonders  erwähnenswertes  Beispiel  für  die  Ver- 
wendung des  unteren  Fiederpaares  als  Stipularorgan  bietet 
unter  den  Papaveraceen  Chelidonium  majus.  Die  Blätter  sind 
bekanntlich  bei  dieser  allgemein  verbreiteten  Pflanze  fieder- 
schnittig mit  zwei  bis  vier  Fiederpaaren,  die  bekanntlich  in 
ihrem  Aussehen  untereinander  verschieden  sind  (Fig.  83,  a>  af,  b). 
Die  beiden  oberen  Fiedern  in  der  Abbildung  83,  a  und  a't  sind 
vor  allem  bedeutend  größer  als  das  untere  Paar  b  und  besitzen 
.auf  ihrer  unteren  Hälfte  einen  öhrchenartigen  Lappen  (Fig.  83,  L), 
der  entweder  beiden  Fiederpaaren  zukommt,  oder  nur  bei 
einem,  in  diesem  Fall  immer  beim  unteren  Fiederpaare  a!  anzu- 
treffen ist.  Diese  beiden  Fiederpaare  sind  unter  einem  spitzen 
Winkel  gegeneinander  geneigt,  so  zwar,  daß  sich  die  beiden 

1  Lubbock  John,  On  buds  and  stipules,  London  1899,  p.  198  und  199. 
In  some  Crucifers,  as  for  instance,  in  Cardamine  impatiens,  some  of  the 
lower  leaves  have  rounded  an  thickened  auricles,  which  in  the  upper  leaves 
become  prolonged  into  subulate,  obtuse,  falcate  processes  clasping  the  stem. 
These  are  often  called  stipules.  They  correspond  to  the  auricles  of  other  cruci- 
fers which  are  continous  with  the  margin  of  the  leaf. 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  803 

Läppchen  L  berühren  (Fig.  85,  L).  Auf  diese  beiden  Fieder- 
paare folgt  ein  kleines,  am  Grunde  des  Blattstieles  inseriertes 
Paar  (Fig.  83,  84  und  85,  b).  An  den  unten  am  Stengel  befind- 
lichen Blättern  kommt  an  kräftigen  Trieben  manchmal  noch 
ein  zweites  kleines  Fiederpaar,  das  im  Aussehen  mit  dem 
ersten  übereinstimmt,  zur  Entwicklung.  Auch  bei  Chelidonium 
sehen  wir  das  kleine  Fiederpaar  nur  dort  am  Grunde  des  Blatt- 
stieles inseriert,  wo  aus  den  Blattachseln  Blüten-  oder  Sproß- 
knospen entstehen.  Was  aber  diesen  Fall  so  interessant  macht, 
ist  der  Umstand,  daß  wir  hier  fast  mit  Gewißheit  einen 
bestimmten  Zweck  der  tiefen  Inserierung  des  kleinen  Fieder- 
paares zugrunde  legen  können:  Schutz  gegen  Nässe,  ohne  aber 
andere  äußere  Einflüsse  damit  auszuschließen.  Chelidonium 
gehört  bekanntlich  zu  den  typisch  hygrophoben  Pflanzen  und 
der  Schutz  der  jungen  Organanlagen  wird  dadurch  erreicht,  daß 
die  beiden  Pseudostipulae  eng  an  die  Axillarknospen  (Bl,  Fig.  84 
und  85)  sich  anlegen  und  anfangs  auch  nach  oben  hin  dachig  die 
Knospe  überdecken.  Auf  einem  späteren  Entwicklungsstadium 
der  Knospe  beugen  sich  allmählich  die  Pseudostipulae  von  der- 
selben weg,  die  Knospe  entwickelt  sich  auf  einem  langen  Stiele 
weiter  und  ragt  über  die  beiden  Pseudostipulae  hinweg,  so  daß 
sie  von  diesen  nicht  mehr  geschützt  werden  kann  (Fig.  85). 
Allein  sie  scheint  auch  jetzt  noch  des  Schutzes  gegen  Nässe 
und  Sonne  zu  bedürfen;  diesen  übernehmen  nun  die  beiden 
Lappen  L  (Fig.  85)  des  nächsten  großen  Fiederpaares,  unter 
die  die  Knospe  tritt  und  welche  eine  Art  Dach  bilden,  welches 
wohl  Regen  und  Sonne  von  den  immer  noch  sehr  zarten 
Knospen  abhalten  kann.  Möglich,  daß  von  den  stets  dicht  mit 
Blattläusen  besetzten  Knospen,  die  diesen  nicht  schädlich  zu 
sein  scheinen,  nebst  dem  Schutze  gegen  Regen  und  Sonne 
noch  in  anderer  Richtung  Schutz  verlangt  wird.  Jedenfalls 
bietet  Chelidonium  ein  schönes  Beispiel  für  die  Pseudostipulae 
sowie  dafür,  daß  noch  Teile  eines  zweiten  Blattpaares  als 
Schutzorgane  in  Verwendung  kommen. 

Ein  überaus  schönes  Beispiel  für  die  Ausbildung  und  Ver- 
wendung des  unteren  Fiederpaares  als  Pseudostipulae  be- 
schreibt Goebel,1  nämlich   Cobaea  scandens.   Das  Laubblatt 

i  Goebel,  Spezielle  Organographie,  p.  551  ff. 
Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  52 


804  J.  Schüler, 

besitzt  drei  Fiederpaare,  von  denen  das  eine  Paar  am  Grunde 
des  Blattstieles  inseriert  ist  und  durch  die  Ausbildung  eines 
länglich-rundlichen  Läppchens  auf  der  oberen  Blatthälfte  von 
den  beiden  anderen  Paaren  unterschieden  ist  Dies«  beiden 
Lappen  breiten  sich  schirmartig  über  die  Axillarknospe  aus, 
so  daß  selbe  gegen  Regen  und  Sonne,  wie  Goebel  meint, 
geschützt  ist.  Die  Natur  dieser  Stipulargebilde  als  Pseudo- 
stipulae  ist  klar.  Denn  man  findet  nebst  solchen  Fiedery  mit 
deutlich  entwickelten  Lappen  auch  solche,  welche  sie  gar  nicht 
zeigen  oder  doch  nur  sehr  schwach  entwickelt  haben,  in 
welchem  Falle  sie  sich  von  den  anderen  Fiederpaaren  ungefähr 
gar  nicht  unterscheiden.  Dazu  kommt,  daß  sie  ihre  deutlichsten 
Lappen  dort  entwickeln,  wo  in  den  Blattachseln  Knospen  ent- 
wickelt werden,  also  auch  nur  ein  gelegentliches  und  regio- 
nales Auftreten  besitzen. 

Auch  in  einem  zweiten  von  Goebel1  angeführten  Falle 
bei  einer  Quilandina  sp.  aus  Ceram  mit  doppelt  gefiederten 
Blättern,  bei  welchen  die  untersten  Fiedern  als  Stipularorgane 
entwickelt  sind,  ist  die  Zugehörigkeit  derselben  zu  den  Pseudo- 
stipularbildungen  klar. 

In  die  Kategorie  der  Pseudostipulae  gehören  wohl  auch 
die  öhrchenartigen  Bildungen  am  Grunde  der  Stengelblätter 
von  Adenostyles  albifrons,  A.  crassifolia  und  noch  anderer  ver- 
wandter Arten,  obwohl  hier  keine  gefiederten  Blätter  vor- 
kommen. Goebel1  meint,  »der  einzige  Grund,  sie  nicht  als 
Stipulae  zu  bezeichnen,  könnte  eben  nur  der  sein,  daß  die 
unteren  Blätter  damit  nicht  versehen  sind;  dafür  können  wir 
aber  leicht  einen  biologischen  Grund  angeben.  Die  unteren 
Blätter  haben  aber  nur  die  Stammknospe,  die  oberen  die 
massigeren  Infloreszenzanlagen  zu  schützen«.  Diese  Begrün- 
dung paßt,  wie  ich  glauben  möchte,  auch  für  viele  der  oben 
angeführten  Beispiele  von  Pseudostipulae.  Erinnert  sei  nur  an 
Artemisia,  Knauiia,  Centaurea.  Auch  dort  sahen  wir  an  den 
oberen  Blättern,  in  deren  Achseln  Organe  entstanden,  das 
untere  Fiederpaar  am  Blattgrunde  entwickelt,  auch  dort  waren 
an  den  unteren  Blättern  die  Fiedern  vom  Grunde  entfernt,  also 

1  Goebel,  1.  c. 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  805 

keine  Schutzorgane  vorhanden,  offenbar  aus  demselben  Grunde, 
den  Goebel  angibt,  weil  die  unteren  Blätter  eben  nur  die 
Stammknospe  zu  schützen  haben. 

In  der  Familie  der  Simarubaceae  kommen  Stipulae  im 
allgemeinen  nicht  vor.  Nur  für  einige  Arten  geben  Eng ler  und 
Prantl1  und  Bentham  und  Hoocker8  Nebenblätter  an.  Für 
die  Familie  sind  Fiederblätter  mit  bis  16  Fiederpaaren  charakte- 
ristisch. Es  konnten  also  pseudostipulare  Bildungen  mit  Sicher- 
heit erwartet  werden.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  primäre 
Blätter  bei  dem  in  Europa  allgemein  bekannten  und  kultivierten 
Baume,  bei  Ailanthus  glandulosa,  untersucht,  für  den  ich 
nirgends  Stipulae  angegeben  fand.  Große,  bis  8  cm  lange  und 
bis  3cm  breite,  grünlichgelbe  Schuppen  umgeben  die  mächtigen 
Blattknospen.  Die  Knospenschuppen  zeigen  entweder  gar  keine 
Differenzierung  an  der  Spitze  oder  nur  eine  undeutliche,  in 
Form  von  drei  schwach  entwickelten  Vorwölbungen  (Fig.  22). 
Die  ersten  primären  Blätter  weisen  einen  mittleren  Teil  mit 
deutlichen  Einkerbungen  und  zwei  seitliche  Höcker  auf 
(Fig.  23).  In  dem  nächsten  Entwicklungsstadium  der  primären 
Blätter  bemerkt  man  eine  Lamina  mit  bereits  deutlich  abge- 
setzten seitlichen  Lappen  (Fig.  24)  und  den  stark  entwickelten 
Blattgrund.  Von  der  Lamina  spalten  sich  zunächst  unten  zwei 
Fiedern  ab  (Fig.  25),  deren  Gefäöbündel  gleich  wie  die  des 
nächsten  Fiederpaares,  das  bereits  deutlich  durch  die  Ein- 
kerbungen am  Rande  der  Lamina  angedeutet  ist,  getrennt  von 
dem  mittleren  Strange  in  dem  häutigen  Rande  herablaufen 
(Fig.  24  und  25). 

Aus  dem  gesonderten  Verlaufe  der  Gefaßbündel  der  beiden 
ersten  Fiederpaare  kann  wohl  angenommen  werden,  daß  auch 
das  erste  Fiederpaar  nicht  eine  besondere  Bildung  des  Blatt- 
grundes darstellt,  sondern  denselben  phylogenetischen  Wert 
hat  wie  die  übrigen  hier  in  akropetaler  Entwicktungsfolge  an- 
gelegten Fiedern.  Das  Fiederpaar  Ft  (Fig.  24)  als  auch  das 
bereits  deutlicher  abgesetzte  in  einem  vorgeschritteneren 
Stadium  (Fig.  25,  Ft)  sind  gleich  hoch  und  in  übereinstimmender 


*  Natürliche  Pflanzenfamilien,  III,  4,  p.  202  bis  230. 
2  Genera  plantarum,  I,  p.  306  ff. 

52* 


806  J.Schiller, 

Weise  inseriert.  Sie  laufen  in  den  breiten  häutigen  Rand  des 
Blattgrundes  aus,  der  hier  in  Übereinstimmung  mit  den  großen 
Blattknospen  so  mächtig  entwickelt  ist,  um  seine  Funktion  als 
Schutzorgan  erfüllen  zu  können.  Im  weiteren  Verlaufe  der  Ent- 
wicklung tritt  auf  der  einen  Seite  eine  Förderung  in  der  Aus- 
bildung der  einzelnen  Organe  ein,  die  nicht  bloß  in  dem  einen 
Falle  beobachtet  wurde,  sondern  als  eine  ziemlich  konstante 
Regel  erkannt  werden  kann.  Rechts  ist  in  diesem  Falle  die 
Fieder  (Fig.  26,  Ft)  weit  vollständiger  ausgebildet  als  links  und 
erscheint  am  primären  Blatte  herabgerückt.  Auch  die  zweite 
rechte  Fieder  ist  weiter  entwickelt  und  ihr  Gefäßbündelstrang 
mit  dem  mittleren  bereits  vereinigt,  während  er  links  selbständig 
und  parallel  mit  dem  mittleren  Strange  herabläuft.  Im  Laufe  der 
weiteren  Entwicklung  ist  die  rechte  Fieder  vollständig  herab- 
gerückt (Fig.  27,  Ft)  und  die  zweite  rechte  Fieder  bis  auf  den 
Mittelnerv  gespalten.  Links  ist  die  zweite  Fieder  gespalten  und 
ihr  Gefäßbündelstrang  mit  dem  Hauptstrange  vereinigt.  Selten 
durch  deutlichere  Übergänge  verbunden,  folgt  dann  plötzlich 
das  nächste  Stadium  (Fig.  28),  bei  welchem  nun  auch  links  das 
Herabrücken  der  untersten  Fieder  erfolgt  ist,  wenn  auch  noch 
nicht  so  weit  wie  rechts  und  der  übrige  Teil  hat  sich  in  ein 
Endblättchen  und  zwei  seitliche  Fiederpaare  differenziert.  Die 
weitere  Entwicklung  und  Vermehrung  der  Fiedern  ist  für  den 
Gang  dieser  Untersuchung  ohne  weiteres  Interesse;  dieses  gilt 
dem  ferneren  Schicksale  des  herabgerückten  Fiederpaares,  der 
Pseudostipulae.  Sie  stehen  gleich  tief  zu  beiden  Seiten  des 
Blattgrundes  (Fig.  29)  und  machen  ganz  und  gar  den  Eindruck 
von  Stipulae.  Die  Reduktion  geht  sehr  schnell  vorwärts,  der 
Charakter  von  Fiedern  schwindet  mehr  und  mehr,  da  die  an 
die  Fiedern  noch  deutlich  gemahnenden  Zähnchen  ver- 
schwinden (Fig.  29,  30,  31,  32). 

Der  flächenartigen  Entwicklung  folgt  eine  zylindrische 
(Fig.  32,  33,  34,  35)  oder  schmal  kegelförmige,  bis  endlich  am 
Blattgrunde  der  normal  entwickelten  Laubblätter  gar  nichts 
mehr  vorhanden  ist.  Selten  bleiben  an  den  Laubblättern  junger, 
schnell  emporgeschossener  Lohdentriebe  die  Stipularorgane 
auch  an  den  Laubblättern  erhalten, 


Untersuchungen  über  Stipularbil düngen.  807 

Mit  der  äußeren  Rückbildung  hält  auch  die  innere,  ana- 
tomische, gleichen  Schritt.  Das  herabgerückte  Fiederpaar  in 
Fig.  28  zeigt  noch  annähernd  normal  entwickelte  und  in  ent- 
sprechender Anzahl  vorhandene  Spaltöffnungen.  Ein  Quer- 
schnitt durch  die  Fieder  bei  a  in  Fig.  28  läßt  eine  normal  ent- 
wickelte Oberhaut  (Fig.  55),  ein  gegen  den  Rand  einschichtiges, 
gegen  die  Mitte  aber  zweischichtiges  Palisadengewebe  er- 
kennen, das  nur  mit  sehr  wenig  Chlorophyll  versehen  ist.  Ein 
typisch  entwickeltes  Schwammparenchym  mit  zahlreichen 
Gefaßbündeln  vervollständigt  den  Eindruck  eines  Querschnittes 
durch  eine  regelrecht  gebaute  Fieder  von  den  oberen  Fieder- 
paaren in  Fig.  28.  Die  Epidermis  besitzt  einfache  Haare  und 
Köpfchenhaare.  Der  Schnitt  durch  die  Pseudostipulae  bei  a  in 
Fig.  32  gibt  einen  vollständig  veränderten  Bau.  Die  Oberhaut 
trägt  nur  einfache  Haare,  keine  Köpfchenhaare  mehr;  das 
Palisadengewebe  ist  verschwunden  und  anstatt  des  Schwamm- 
parenchyms  hat  sich  ein  parenchymatisches  Grundgewebe 
gebildet,  das  in  der  Mitte  von  einem  Gefäßbündelstrange  durch- 
setzt ist,  in  dem  das  Xylem  kaum  nachweisbar  oder  doch  nur 
schwach  entwickelt  ist  (Fig.  56). 

Die  Antwort  auf  die  Frage,  ob  man  es  hier  bei  Ailanthus 
glandulosa  mit  Stipulae  oder  Pseudostipulae  zu  tun  hat,  dürfte 
nicht  schwer  sein,  wenn  man  außer  diesen  morphologischen 
Verhältnissen  genannter  Spezies  auch  noch  die  Beschaffenheit 
anderer  Vertreter  der  Familie  in  Betracht  zieht.  Der  Familie  der 
Simarubaceae  kommen  überhaupt  eigentliche  Stipulae  nicht  zu. 
Bei  Ailanthus  finden  sich  aber  die  Stipularbüdungen  nur  bei 
den  primären  Blättern  und  auch  hier  in  den  einzelnen  Blatt- 
knospen durchaus  nicht  bei  allen  Primärblättern  und  sie  gehen 
ihrem  entwicklungsgeschichtlichen  Ursprünge  nach  auf  zweifel- 
los das  unterste  Fiederpaar  zurück.  Es  dürfte  deshalb  berechtigt 
sein,  auch  hier  von  pseudostipularen  Bildungen,  also  von 
Pseudostipulae,  zu  sprechen. 

Für  diese  Annahme  ist  weiters  bestimmend  das  Vorkommen 
von  deutlichen  pseudostipularen  Bildungen  bei  einigen  anderen 
Gattungen  der  Familie  der  Simarubaceae.  Es  sollen  nach 
Engler  und  Prantl,  Natürliche  Pflanzenfamilien,  III,  4,  p.  202 
bis  230,   und  Bentham  und  Hoocker,  Genera  plantarum,  I, 


808  J.Schiller, 

p.  306  ff.,  Stipulae  vorkommen  bei  folgenden  Gattungen,  re- 
spektive Arten:  Picrasma  javanica  Bl.,  Rigiostachys,  Irvingia, 
Brunellia,  Klainedoxa,  Cadellia  und  Harrisonia.  Ich  unter- 
suchte diesbezüglich  das  im  botanischen  Museum  der  Wiener 
Universität  vorhandene  Herbarmaterial  und  fand  bei  Picrasma 
javanica  Bl.  genau  wie  Bentham  und  Hoocker  angeben: 
»foliis  infimis  interdum  stipulaeformibus«  unten  am  Grunde 
des  Blattstieies  zwei  kurzgestielte  Fiedern  mit  einer  im  Ver- 
gleiche zu  dem  nächsten  oberen  Fiederpaare  kleineren  aber 
sonst  übereinstimmenden  Lamina  vor  (Fig.  53).  Die  Entstehung 
dieser  Pseudostipulae  wird  auf  ähnliche  Weise  zustande 
gekommen  sein  wie  bei  Aüanthus;  nur  hat  hier  nicht  die  weit- 
gehende Umbildung  und  Reduktion  des  Fiederpaares  statt- 
gefunden. Denn  wäre  bei  Aüanthus  glandulosa  das  herab- 
gerückte Fiederpaar  auf  dem  Entwicklungszustande  stehen 
geblieben,  den  Fig.  28  darstellt  —  man  denke  sich  die  linke 
Fieder  der  rechten  gleichgestaltet  und  den  Stiel  etwas  verkürzt 
und  ohne  den  häutigen  Rand  —  so  glichen  die  Pseudostipulae 
den  Fiederpaaren,  eine  kleine  Größenvariation  ausgenommen, 
vollkommen.  Und  diese  Entwicklung  wurde  bei  einigen  Arten 
der  Familie  der  Burscraceae  tatsächlich  gefunden,  worauf  ich 
später  noch  zurückkommen  werde. 

Ähnliche  Pseudostipulae,  wie  Picrasma  javanica,  scheint 
Rigiostachys  zu  haben.  Klainedoxa  ist  durch  ziemlich  lange 
und  große  Pseudostipulae  ausgezeichnet;  etwas  kleinere  besitzt 
Irvingia.  Vollkommen  dürften  mit  Aüanthus  Brunellia  und 
Cadellia  pentastylis  und  C  monostylis  übereinstimmen.  Von 
Brunellia  sp.  aus  Kuba  fand  ich  im  Herbar  ein  Exemplar,  an 
dessen  Blattstielen  sich  einige  Millimeter  von  der  Blattbasis 
nach  oben  gerückt  Pseudostipulae  von  schmal  kegelförmiger 
Form  (ungefähr  so,  wie  in  Fig.  31  bei  Aüanthus)  vorfanden, 
geradeso,  wie  ich  es  einigemale  bei  Aüanthus  an  kräftigen 
Wassertrieben  sah.  Die  beiden  Cadellia- Arten  in  Engler  und 
Prantl  sollen  kleine,  bald  abfallende  Stipulae  besitzen.  Wahr- 
scheinlich sind  es  Bildungen  wie  bei  Aüanthus. 

Pseudostipulae  dürften  auch  in  der  Familie  der  Burscraceae 
gesucht  werden;  denn  die  meisten  Arten  zeichnen  sich  durch 
den  Besitz  von  Fiederblättern   mit  zahlreichen  Fiederpaaren 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  809 

aus.  Bei  der  zugehörigen  Gattung  Canarium,  die  nach  Engler 
und  Prantl  gegen  50  Arten  umfaßt,  findet  sich  vielfach  das 
unterste  Fiederpaar  henabgefückt  und  ihr  Charakter  als  Pseudo- 
stipulae  wird  dadurch  noch  deutlicher,  daß  sie  oft  noch  eine 
merkwürdige  Umbildung  erfahren  und  dadurch  von  den 
Fiederpaaren  ein  verschiedenes  Aussehen  erhalten.  Bentham 
und  Ho ocker1  erwähnen  bei  Canarium  besonders  das  stipu- 
lare  Aussehen  des  unteren  Fiederpaares:  »Folia  exstipulata, 
vel  pinnulis  inferioribus  sessilibus  stipulaeformibus  impari- 
pinnata«;  p.  321:  »Foliola  infima  Canarii  interdum  stipulas 
simulant«.  Auch  Lubbock*  kommt  auf  diese  Bemerkung  der 
beiden  Autoren  zu  sprechen,  ohne  daß  er  sich  auf  eine  nähere 
Beschreibung  und  Untersuchung  einließe. 

Wie  Picrasma  javanica  haben  auch 3  Canarium  Boivini 
und  C.  madagascariense  Engl,  ganzrandige  und  von  den 
oberen  Fiederpaaren  nur  durch  die  Größe  verschiedene  Pseudo- 
stipulae.  Dagegen  kommen  bei  Canarium  purpurascens, 
C.  seeundum  A.  W.  Benn.  und  C.  fuscum  Engl,  zwar  auch 
noch  vielfach  ganzrandige,  daneben  jedoch  auch  geschlitzte 
Pseudostipulae  vor,  die  durch  alle  Übergangsformen  mit  den 
ganzrandigen  verbunden  sind.  Eine  solche  Übergangsform  von 
ungeschlitzten  zu  geschlitzten  Pseudostipulae  zeigt  Fig.  54 
von  Canarium  seeundum.  Tief  zerschlitzte  Pseudostipulae 
kommen  bei  Canarium  ßssistipulum  Miqu.  und  C  silvestre 
Gärtn.  vor  (C.  silvestre,  Fig.  52).  Wieder  andere  Canarium- 
Arten,  z.  B.  C.  Künstleri  King,  C.  Mehenbethense  Gärtn., 
C.  moluccanum  Bl.  sind  durch  gesägte  Pseudostipulae  leicht 
kenntlich.  Daß  aber  die  geschlitzten  Formen  von  Pseudo- 
stipulae mit  den  ganzrandigen  gleichwertig  sind,  ist  durch  die 
Übergänge  wohl  hinreichend  klar.  Wahrscheinlich  wird  auch 
diese  extreme  und  sonderbare  Ausbildung,  welche  die  ge- 
schlitzten Pseudostipulae  aufweisen,  mit  einem  besonderen 
Zweck  in  Zusammenhang  stehen,  worüber  ich  leider  in  der 
mir  bekannten   Literatur    keine   Aufklärung    gefunden   habe. 


i  Genera  plantarem,  I,  1862,  p.  324  und  321. 

2  Buds  and  stipules,  p.  200. 

8  Engler  und  Prantl,  Natürliche  Pflanzenfamilien,  III,  4,  p.  239  u.  240. 


810  J.  Schiller, 

Denn  für  den  Knospenschutz  allein,  falls  einer  notwendig  ist, 
dürfte  die  geschlitzte  Form  nicht  notwendig  sein. 

Pseudostipulae  fanden  sich  ferner  noch  in  der  Familie  der 
Meliaceae.  Sie  scheinen  nur  bei  wenigen  Gattungen  vorzu- 
kommen, sind  aber  durch  ihre  beträchtlich  von  den  Fiedern 
abweichenden  Formen  sehr  deutliche  pseudostipulare  Bil- 
dungen. Kleine,  fast  runde  Pseudostipulae  finden  sich  immer 
bei  Trichilia  pseudostipularis  C.  DC.,  Trichilia  otophorum  Miq. 
und  bei  der  Gattung  Dysoxylum. 

Nicht  unerwähnt  mögen  die  Sapindaceae  bleiben.  Auch  in 
dieser  Familie  finden  sich  bekanntlich  größtenteils  Fieder- 
blätter und  bei  mehreren  Arten  stipulare  Bildungen,  die  man 
als  Pseudostipulae  ansehen  muß.  Diese  finden  sich  bei  den  Gat- 
tungen Othophora,  Othonephelium  (z.  B.  Othonephelium  siipu- 
laceutn),  bei  Placodiscus,  und  zwar  hier  nur  bei  einer  Art 
Placodiscus  pseudostipularis,  ferner  bei  Melanodiscus  und 
Pomelia.  Bei  letzterer  Gattung  bei  allen  vier  Arten  vorhanden 
und  von  einheitlicher  rundlicher  Form. 

Da  Stipulae  und  Pseudostipulae  verschiedener  morpho- 
logischer Wertigkeit  sind,  so  muß  es  theoretisch  möglich  sein, 
daß  Stipulae  und  Pseudostipulae  an  einem  und  demselben 
Blatte  vorhanden  sind.  Und  in  der  Tat  finden  wir  dies  bei  einer 
Reihe  ganz  allgemein  verbreiteter  und  bekannter  Pflanzen,  z.  B. 
bei  AnthylliSy  Lotus  und  Tetragonolobus  siliquosus.  Diese 
Pflanzen  gehören  zu  den  Papilionaceae,  bei  denen  Stipular- 
bildung  eine  ganz  allgemeine  Erscheinung  ist. 

Bei  diesen  Gattungen  sind  die  eigentlichen  Stipulae  bis 
auf  ein  winzig  kleines,  kaum  bemerkbares  Zähnchen  reduziert, 
das  an  der  Spitze  immer  bei  allen  von  mir  untersuchten  Exem- 
plaren rot  tingiert  war  und  in  ein  ebenso  gefärbtes,  borstliches 
Haar  endigte.  Von  vielen  Autoren  wurde  dieses  Zähnchen  bis- 
her schon  für  das  eigentliche  Nebenblatt  gehalten,  während 
sich  andere  dagegen  aussprachen  und  Goebel  bemerkt,  daß 
dies  nur  durch  eine  vergleichende  Untersuchung  festzustellen 
wäre.  Diese  Untersuchungen  lassen  sich  am  besten  bei  An- 
thyllis polyphylla  Kit.  vornehmen.  Die  tief  unten  am  Stengel 
inserierten  Blätter  zeigen  das  Nebenblatt  ganz  deutlich  schei- 
dig entwickelt  (Fig.  87).  Das  vorhin  erwähnte  borstliche  Haar 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  811 

und  das  rote  Spitzchen  finden  sich  schon  hier  an  der  Spitze 
der  beiden  Stipulae  und  sie  geben  einen  ganz  guten  Anhalts- 
punkt dafür  ab,  daß  man  es  tatsächlich  immer  mit  ein  und 
demselben  Organe  zu  tun  hat  Bei  den  weiter  oben  am 
Stengel  befindlichen  Blättern  tritt  eine  schnell  fortschreitende 
Verkleinerung  der  Stipulae  ein  (Fig.  89  bis  94),  bis  endlich 
nur  noch  ein  kleines  hellrotes  Zähnchen  oder  Pünktchen,  mit 
dem  erwähnten  borstlichen  Haare  endigend,  vorhanden  ist.  Je 
mehr  aber  das  eigentliche  Nebenblatt  reduziert  wurde,  desto 
tiefer  rückt  das  unterste  Fiederpaar  herab,  die  Stellung  und 
Funktion  des  eigentlichen  Nebenblattes  übernehmend:  es  ist 
zum  Scheinnebenblatt,  zu  Pseudostipulae  geworden.  So  sind 
jetzt  Stipulae  und  Pseudostipulae  am  selben  Blatte  vorhanden. 
In  vollständig  analoger  Weise  geht  die  Reduktion  auch  bei 
Lotus  und  Tetragonolobus  von  statten;  nur  ist  es  bei  diesen 
beiden  Gattungen  nicht  an  jedem  Exemplare,  sondern  nur  an 
schnell  emporgeschossenen  sehr  kräftigen  Trieben  zu  sehen. 
Stipulae  und  Pseudostipulae  kommen  ferner  noch  bei  der 
Gattung  Sambucus  vor.  An  der  Spitze  der  kleinen,  ganz  zu 
unterst  am  Grunde  der  Blattknospen  befindlichen  braunen 
Knospenschuppen  von  Sambucus  nigra  ist  wiederum  die  uns 
schon  bekannte  Dreiteilung  zu  bemerken  (Fig.  46).  Die  beiden 
seitlichen  Höcker,  die  die  Nebenblätter  darstellen,  rücken 
schon  an  den  Knospenschuppen  herab  (Fig.  47),  ein  Verhalten, 
das  ich  nur  hier  bei  Sambucus  nigra  und  Sambucus  Ebulus 
fand,  aber  immer  in  einer  jeden  Zweifel  ausschließenden  Deut- 
lichkeit bemerkte.  .Die  Spitze  der  Knospenschuppe  differenziert 
sich  durch  seitliche  Abspaltung  eines  zweiten  Organpaares 
rechts  und  links  (Fig.  47),  zu  dem  bald  ein  drittes  Paar  folgt 
(Fig.  48).  Unterdessen  sitzt  bereits  das  erste  Stipularpaar  am 
Grunde  der  Knospenschuppe  (Fig.  48  und  49),  während  die 
nächst  höheren  seitlichen  Organe  (Fig.  49,  b)  eine  merkliche 
Verkümmerung  erfahren  ihid  an  der  Ausbildung,  die  die 
übrigen  bereits  deutlich  abgesetzten  Organe  durchmachen, 
nicht  Anteil  nehmen.  Auch  diese  rücken  in  manchen  Fällen 
—  nicht  immer  —  herab  (Fig.  50,  b)  und  so  kommt  es,  daß 
häufig  noch  ein  zweites  Paar  Stipulae  entwickelt  ist.  Bei 
Sambucus  Ebulus  kann  man  beobachten,  daß  noch  ein  drittes 


812  J.  Schiller, 

Paar  herabrückt,  wenn  auch  nicht  überall,  so  wenigstens  nicht 
in  seltenen  Fällen.  Man  sieht,  daß  auch  bei  Samtmcus  die 
Nebenblätter,  wenigstens  das  «weite  Paar,  wenn  man  das  erste 
Paar  als  auf  eine  Bildung  des  Blattgrundes  zurückgehend 
annehmen  will,  auf  Fiederanlagen  sich  zurückführen  lassen. 
Man  sieht  ja,  daß  eine  seitliche  Differenzierung  nach  der 
anderen  in  ganz  gleicher  Weise  entsteht,  von  der  ersten  in 
Fig.  46  a  angefangen  bis  d  in  Fig.  49.  Man  kann  also  auch 
die  beiden  Höcker  (In  Fig.  46,  a)  als  die  erste  und  frühzeitig 
herabrückende  und  verkümmernde  Fiederpaaranlage  ansehen. 
Dafür  spricht,  glaube  ich,  auch  die  Tatsache,  daß  selbst  bei 
Sambuais  nigra  an  kräftigen  Lohdentrieben  die  fiederige  Aus- 
bildung erhalten  oder  doch  deutlich  angedeutet  ist  und  somit 
von  dem  ersten  Nebenblattpaare  bis  zu  den  normalen,  der 
Assimilation  dienenden  Fiederpaaren  alle  Übergänge  vorhanden 
sind.  Bei  Sambucus  Etulns  ist  dies  eine  längst  bekannte  Er- 
scheinung (Fig.  86).  Auf  einen  ähnlichen  Fall  bei  Sambncus 
nigra  machte  zuerst  Fritsch1  aufmerksam.  Er  fand  junge, 
durch  übermäßige  Nahrungszufuhr  außerordentlich  kräftig  ent- 
wickelte Lohdentriebe,  bei  denen  am  Blattgrunde  zwei  bis  drei 
Paar  Stipulae  deutlich  fiedei  artig  entwickelt  waren.  Diese 
flederartige  Entwicklung  der  Stipulae  veranlaßte  Fritsch  mit 
Recht  gegen  die  irrige  Ansicht  Poulsen's,2  der  die  Stipulae 
von  Sambucns  als  selbständige  Bildungen  des  Blattgrundes, 
als  Nectarien,  und  nicht  als  zu  Nectarien  umgewandelte  Neben- 
blätter auffaßte,  vorzugehen.  Durch  die  im  vorausgehenden 
gegebene  genaue  Entwicklungsgeschichte  muß  man  die  Ansicht 
von  Fritsch  bestätigen»  sofern  es  überhaupt  noch  einer  Be- 
stätigung bedarf. 

Bei  den  Santbucus-Arten  stellen  also  die  ersten  Stipulae 
die  normalen  dar,  die  sich  am  Grunde  aller  Blätter  gewöhnlich 
finden;  das  zweite  und  eventuell  dritte  Paar  von  Stipular- 
bildungen  sind  die  Pseudostipulae,  die  sich  nur  gelegentlich 


i  Fritsch  K.,  Österr,  bot.  Zeitschrift,  39.  Jahrg.,  1830.  Über  die  Eigen- 
tümlichkeiten außerordentlich  üppig  entwickelter  Schößlinge  des  schwarzen 
Hollunders;  p.  214. 

»  Poulsen,  Om  nagle  Trikomer  og  Nectarier.  Videnskabelige  Medde- 
lesfor  fra  den  naturhistoriske  Forening  i  Kjöbenhavn  1875,  p.  264 — 267. 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  813 

finden.  Alle  Stipularbildungen  sind  auf  Fiedern  zurückzuführen 
(Fig.  51,  b;  Fig.  86,  bc).     

Hier  mächte  ich  noch  die  Erörterung  eines  Falles  an- 
schließen, der  streng  genommen  eigentlich  nicht  in  den  Rahmen 
dieser  Untersuchungen  gehört,  da  sich  bei  demselben  pseudo- 
stipulare  Bildungen  nicht  vorfinden.  Allein  aus  einem  be- 
stimmten Grunde  möge  es  erlaubt  sein,  die  Resultate  einer 
Untersuchung  der  primären  Blätter  an  den  Jahrestrieben  von 
Gymnociadns  canadensis  anzuführen.  Es  finden  sich  die  Sti- 
pulae  hier  nämlich  geradeso  wie  Pseudostipulae  nur  in  der 
Region  der  primären  Blätter.  Bei  dieser  Gattung  fehlen  bekannt- 
lich ebenso  wie  bei  Gleditschia  die  Stipulae  an  den  ent- 
wickelten Laubblättern.  Nur  selten  sieht  man  auch  an  diesen 
schwache  Andeutungen. 

Untersucht  man  im  Frühjahre  beim  Aufbrechen  der  Blatt- 
knospen die  untersten  Schuppenblätter,  so  lassen  sie  die 
bereits  oft  besprochene  dreiteilige  Spitze  erkennen.  Sie  ent- 
wickeln sich  zu  einem  fiederteiligen  Organe,  wie  es  in  Fig.  37 
dargestellt  ist,  an  dessen  Grunde  sich  keinerlei  deutliche 
stipulare  Bildungen  nachweisen  ließen.  Die  untersten  seit- 
lichen Teile,  wie  es  scheint  gleichwertig  einem  Fiederpaare 
(Fig.  37,  a),  rücken  nun,  sobald  sie  diesen  Grad  ihrer  Aus- 
bildung erlangt  haben,  herab,  auch  hier  wieder  auf  der  einen 
Seite  —  es  ist  wie  bei  Ailanthus  die  rechte  —  schneller  als 
auf  der  anderen  Seite  (Fig.  38).  Die  rechte  Fieder  sitzt  alsbald 
am  Grunde  (Fig.  39),  während  die  linke  Fieder  nur  sehr  lang- 
sam herabrückt.  Bei  den  nächsten  Primärblättern  sitzen  bereits 
beide  Fiedern  am  Grunde  als  Stipulae  auf  (Fig.  40)  und  ihre 
Reduktion  geht  nun  schnell  von  statten  (Fig.  41  bis  45).  Die 
Rückbildung  kann  bis  auf  vollständiges  Fehlen  der  Stipulae 
stattfinden.  Ohne  Zweifel  wird  man  hier  echte  Stipulae  an- 
nehmen müssen,  da  ja  in  der  Familie  der  Papilionaceae 
Stipulae  regelmäßig  vorkommen.  Wir  können  auch  einen  Grund 
für  die  Rückbildung  finden,  denn  die  Stipulae  gewähren  wohl 
durch  Vergrößerung  der  schützenden  Fläche  der  Primärblätter 
den  nach  innen  zu  gelegenen  jüngeren  Laubblättern  mthr 
Schutz;  dagegen  können  sie  in  einer  erkennbaren  Weise  den 


814  J.Schiller, 

sich  entwickelnden  Blattknospen  in  den  Achseln  der  Laub- 
blätter zu  nichts  dienen,  da  die  Knospen  sehr  klein  bleiben 
und  von  dem  stark  entwickelten  und  um  die  Knospen  aus- 
gehöhlten Blattgrunde  hinreichend  geschützt  sind. 

Bei  den  im  Wiener  botanischen  Garten  kultivierten 
Gleditschia- Arten  (Gleditschia  triacantha,  Gl.  sinensis  und  Gl. 
caspica)  konnte  ich  keine  Stipulae,  selbst  bei  Anwendung 
einer  entsprechenden  Vergrößerung  des  Blattgrundes,  erblicken. 
Doch  geht  auch  hier  die  Entstehung  der  Stipulae  bei  den 
primären  Blättern  eines  Sprosses  in  analoger  Weise  vor 
sich  wie  bei  Gymnocladus.  Es  sind  also  auch  bei  Gymnocladus 
und  Gleditschia  Stipulae  nur  bei  den  primären  Blättern  deut- 
lich entwickelt. 

Interessant  ist  ferner  die  Tatsache,  daß  bei  den  meisten 
bäum-  und  strauchartigen  Leguminosen  eine  gleiche  Rück- 
bildung der  Stipulae  statthat.  So  findet  man  bei  folgenden 
Gattungen  die  Stipulae  an  den  Laubblättern  entweder  gar 
nicht  entwickelt  oder  bis  auf  ein  kleines  Pünktchen  reduziert; 
z.  B.  bei  Pterolobium,  Acrocarpus,  Colvillea,  Princinia,  Schizo- 
lobiutn,  Martia,  Dicorynia  etc.  Man  kann  wohl  mit  Rücksicht 
auf  ihre  Zugehörigkeit  zu  den  Leguminosen  und  mit  Bezug 
auf  das  Verhalten  von  Gymnocladus  und  Gleditschia  auch  bei 
allen  diesen  Gattungen  das  Vorhandensein  der  Stipulae 
wenigstens  bei  den  primären  Blättern  und  ihre  Entstehung 
aus  Fiedern  annehmen.  Es  fällt  ihnen  auch  die  folgende  wich- 
tige Aufgabe  zu,  bei  den  Primärblättern  den  Raum  zwischen 
Blattgrund  und  dem  ersten  Fiederpaar  auszufüllen.  Auf  diese 
Weise  wird  sowohl  hier  bei  den  Stipulae  als  auch  bei  den 
Pseudostipulae  in  den  früheren  Fällen  eine  fast  lückenlos 
schließende  Fläche  (Schutzfläche)  erzielt  und  die  nach  innen 
zu  gelegenen  Organe  gegen  äußere  Einflüsse,  wie  schon 
wiederholt  oben  gezeigt  wurde,  gesichert  (vergl.  die  Lage  der 
Stipulae  an  einem  primären  Blatte  von  Robinia  hispida, 
Fig.  101). 

Ich  habe  die  Besprechung  der  Stipulae  der  primären  Sproß- 
blätter von  einigen  Leguminosen  hier  aus  einem  speziellen  Grund 
eingeschaltet.  Wir  sahen,  daß  sie  in  dem  Ort  ihres  Auftretens 
mit  den  Pseudostipularbildungen  übereinstimmen.   Anderseits 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  815 

zeigt  auch  die  Art  ihrer  Bildung  unverkennbare  Ähnlichkeiten 
mit  jener  der  Pseudostipulae.  Es  erscheint  mir  nicht  unmög- 
lich, daß  diese  Ähnlichkeit  keine  zufallige  ist,  sondern  auf 
die  Abstammung  der  Papilionaceenstipulae  von  Pseudostipulae 
hindeutet.  Zu  denselben  Vermutungen  drängen  mich  ähnliche 
Verhältnisse  bei  der  Familie  der  Rosaceen. 


Aus  den  vorstehenden  Untersuchungen  dürfte  zur  Genüge 
hervorgehen,  daß  die  Berechtigung  der  Unterscheidung  der 
»Pseudostipulae«  nicht  zu  leugnen  ist,  da  unter  diesen 
Begriff  tatsächlich  Bildungen  fallen,  die  zwar,  wie  gezeigt 
wurde,  mit  »echten«  Stipulae  vieles  gemeinsam  haben  können, 
dagegen  mit  diesen  gerade  in  wichtigen  Merkmalen  nicht  über- 
einstimmen. 

Pseudostipulae  finden  sich,  soweit  meine  Beobach- 
tungen reichen,  bei  Pflanzen  mit  gelappten  oder  gefiederten 
Laubblättern,  und  zwar: 

1.  an  den  primären  Blättern  eines  Sprosses; 

2.  an  den  Hochblättern  und  bei  den  der  Blütenregion 
mehr  oder  weniger  genäherten  Laubblättern; 

3.  seltener  an  den  Blättern  der  ganzen  Pflanze;  dann  aber 
sind  sie  gewöhnlich  nicht  am  Grunde  eines  jeden  Blattes  vor- 
handen (Canarium). 

In  allen  Fällen  sind  diese  Pseudostipulae  die  speziellen 
Aufgaben  adaptierten  und  mehr  oder  weniger  an  den  Blatt- 
grund herabgerückten  basalen  Abschnitte  der  Blattfläche.  Ihre 
Aufgabe  ist  in  allen  von  mir  untersuchten  Fällen  die  des 
Schutzes  für  jugendliche  Organe.  Es  sind  Anhaltspunkte  vor- 
handen, welche  die  Annahme  Goebel's,  daß  Stipulae  phylo- 
genetisch vielfach  aus  Pseudostipulae  hervorgegangen  sind, 
stützen. 

Zum  Schlüsse  erlaube  ich  mir,  meinem  verehrten  Herrn 
Lehrer,  Prof.  Dr.  Richard  R.  v.  Wettstein,  für  die  mir  zuteil 
gewordene  Unterstützung  meinen  besten  Dank  abzustatten. 


816  J.Schiller, 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel  I. 


Fig.  1,  2,  3,  4     Tecoma  radicans. 

ps  Pseudostipulae. 
flg.  1,  Z  und  3  Primärblätter.  Nat  Größe. 

Fig.  5,  6,  7,  8,  9    Juglans  regia. 

Fig.  5  stellt  ein  ganz  unten  an  der  Blattknospenschuppe  befindliches,  braunes 

ScJuippeoblatt  vor; 
Fig.  6  ein  Machst  hoher  gelegenes. 
Fig.  7  und  8    Obergangsformen   von   Schuppen biättarn   zu   Laubblättern.  — 

ps  Pseudostipulae;  psl  (Fig.  7)  Pseudostipulae  mit  Lamina.  Die  letztere  in 
Fig.  8  und  9    deutlich  entwickelt.   Der  häutige  Saum  in  Fig.  9,  h,  noch  am 

Petioras  vorhanden.  —  Fig.  5,  6,  7  etwas  verkleinert.  Fig.  8, 9  nat  Größe. 

Fig.  10,  11,  12,  13     Fraxtnus  Ornus. 

ps  Pseudostipulae. 
In  Fig.  10  zeigt  der  mittlere  Teil  eine  weitere  Differenzierung  durch  Einschnitte 
an.  —  In  Fig.  12,  W,  tritt  auf  den  ps  wieder  Laminarbitdtmg  auf.  — 
Fig.  10  dem  ersten,  Fig.  1 1  dem  zweiten,  Fig.  12  dem  dritten  Schuppen- 
paar an  der  Blattknospe  angehörend.  Alle  Figuren  in  nat.  Große. 

Fig.  14     Fraxmus  txcelsier. 

Vollständig  entwickeltes  Laubblatt  von  rückwärts  gezeichnet   —  h  flügeliger 
Rand,  am  Mittelnerv  des  unteren  Fiederpaares  endigend.  Verkleinert 

Fig.  15,  16,  17,  18     Xanthoceras  sorbifolia. 
Bezeichnung  wie  früher.  —  Fig.  15,  16,  17  Blattschuppen.  Natürl.  Größe. 

Fig.  19,  20,  21     Acer  Negundo. 

Bezeichnung  wie  früher.  —  Fig.  19  und  20  Blattschuppen.  Fig.  19  und  20  etwas 
vergrößert.  Fig.  21  natürl.  Größe. 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  8 1 7 

Fig.  22,  23,  24,  25,  26  bis  36     Ailanthns  glandnlosa. 

Fig.  22  kleines  Schüppchen  am  Grunde  einer  großen  Blattknospe. 

Fig.  23  etwas  höher  inseriertes  Schuppenblatt. 

Fig.  24  ein   primäres  Blatt  mit  deutlich  abgesetztem  ersten  Fiederpaar  Fl; 

h  häutiger  Rand. 
Fig.  25  F1  deutlicher  abgesetzt. 
Fig.  26  rechts  F1  kerabrückend. 
Fig.  27  Ft  herabgerückt  (rechts);  F2  zweites  Fiederpaar  mit  fast  vollständig 

entwickelter  rechter  Fieder. 
Fig.  28  das  erste  Fiederpaar  beiderseits  fast  ganz  zum  Grunde  herabgerückt. 
Fig.  29  bis  36  die  Pseudostipulae  ps  verkümmern  immer  mehr.    Alle  Figuren 

nat.  Größe. 


Taf.  I,  Fig.  37;   Taf.  II,  Fig.  38  bis  45. 
Gymnocladus  canadensis. 

Fig.  37  a  Stipulae. 

Fig.  38  und  39  zeigen  wiederum  das  rascher«  HetabrOcken  an  der  rechten 

Seite.  In  Fig.  45  von  Stipulae  nichts  mehr  zu  sehen. 
Fig.  37,  38  und  39  PrimärbULtter.  Nat  Größe. 

Tafel  lt. 

Fig.  46  bis  51     Sambucus  nigra. 

Fig.  46  a  Stipulae. 

Fig.  47  und  die  folgenden:   b  Pseudostipulae;  c  und  d  Fiedern;  t  zum  Teile 
verkümmert.  Nat.  Größe. 

Fig.  52     Canariutn  silvestre. 
Nach  Herbarmaterial  gezeichnet.  /«Pseudostipulae.  Etwas  verkleinert. 

Fig.  53     Picrasma  javanica. 
Nach  Herbarmaterial  gezeichnet,  ps  wie  oben.  Etwas  verkleinert. 

Fig.  54    Canarium  seeundwm. 

Nach  Herbarmaterial  gezeichnet.    Stellt  die  Obergangsform  von  geschlitzten 
(Fig.  52)  zu  ganzrandigen  (Fig.  53)  Pseudostipulae  dar.  Etwas  verkleinert. 

Fig.  55     Ailanthns  glandulosa. 

Querschnitt  durch  die  P&eudoatipula  bei  ä  in  Fig.  28  von  Ailamtkus gkwdulosa* 
zur  Hälfte  gezeichnet  mit  drei  GefäÜbünde Isträngen. 


818  J.  Schiller, 

Fig.  56     Ailanthus  glatt dulosa. 

Querschnitt  durch  die  stark  reduzierte  Pseudostipula  von  Ailanthus  glandulosa 
in  Fig.  32  bei  a.  In  der  Mitte  ein  Gefäßbündelstrang  vorhanden. 

Fig.  57  bis  60     Valeriana  officinalis. 

ps  wie  früher. 
Fig.  57  und  58  aus  der  Blütenregion;   die  folgenden  weiter  nach  unten  am 
Stengel  inseriert.  Nat  Größe. 

Fig.  61  bis  63     Centaurea  Scabiosa. 

ps  wie  früher. 
Fig.  61   und  62  unmittelbar  der  Blütenregion  angehörend.  Nat.  Größe. 

Fig.  64  bis  66     Serratula  cyanoides. 

ps  wie  früher. 
Fig.  64  aus  der  Nähe  der  Blütenregion.  —  In 
Fig.  66  die  unteren  Fiedern  verkümmert  und  hinaufrückend.  Nat.  Größe. 

Fig.  67  bis  7 1     Knautia  arvensis. 

Fig.  67  der  Infloreszenzregion  angehörend. 

Fig.  68  und  69  unter  der  Infloreszenz  gelegen,    ps  siehe  oben. 

Fig.  7 1    Z  flügeiförmiger  Lappen.  Etwas  verkleinert. 

Taf.  II,  Fig.  72  bis  74;  Taf.  III,  Fig.  75. 
Artemisia  vulgaris. 

ps  wie  früher.  Etwas  verkleinert. 

Tafel  III. 
Fig.  76  bis  78     Papaver  Orientale, 
ps  wie  früher.  Etwas  verkleinet. 

Fig.  79  bis  82     Achillea  filipendula. 

ps  wie  früher. 
Fig.  80  ps  unsymmetrisch. 
Fig.  82  zeigt  das  ungleichartige  Hinaufrücken  der  verkümmerten  Fiedern.  Nat. 

Größe. 

Fig.  83  bis  85     Chelidonium  majus. 

Fig.  83  bis  85,  b  Laubblätter  mit  den  Pseudostipulae  und  den  Lappen  Ly  unter 
welche  in  Fig.  85  die  Infloreszenz  Bl  tritt.  Zwischen  den  Pseudo- 
stipulae in  Fig.  84  die  junge  Infloreszenz  Bl.  Verkleinert. 


Untersuchungen  über  Stipularbildungen.  b  1 0 

Fig.  86     Santbucus  Ebnlus. 
Ein  entwickeltes  Blatt,     a  Stipulae,    b  Pscudostipulae.  Verkleinert. 

Fig.  87  bis  95     Anthyllis  polyphylla. 

Fig.  87  Blatt  vom  Stengelgrunde.  Die  übrigen  Blätter  aus  einer  höheren  Lage 
am  Stengel,    st  Stipulae;  ps  Pseudostipulae.  Nat.  Größe. 

Fig.  96  bis  100     Rhus  hemialata. 

Fig.  96  Blattschuppe. 

Fig.  97  noch  nicht  normal  entwickeltes  Laubblatt  ps  Pseudostipulae,  /  Längs- 
furche auf  den  Pseudostipulae  mit  Laminabildung.  F  Fiedern  mit 
starkem  Mittelnerv  auf  der  unteren  Seite.  Fig.  97  etwas  vergrößert,  die 
übrigen  nat.  Größe. 

Fig.  101     Robinia  hispida. 

Si  Stipulae,  welche  den  Raum  zwischen  Blattgrund  und  dem  ersten  Fieder- 
paar ausfüllen.  Nat.  Größe. 


Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXU.  Bd.,  Abt.  1.  53 


Tafel  I. 


Schiller,  J.:  Untersuchungen  über  Stipularbildungcn. 


Sitzungsberichte  d.  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Classe,  Bd.  CXII,  Abth.  I.  1903. 


Tafel  II. 


Schiller,  J. :  Untersuchungen  über  Stipularbildungen. 


Sitzungsberichte  d.  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.naturw.  Classe,  Bd.  CXI1.  Abth.  I.  1903. 


Tafel  III. 


Schiller,  J. :  Untersuchungen  über  Süpularbildungen. 


Sitzungsberichte  d.  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Classe,  Bd.  CXI1.  Abth.  I.  1903. 


821 


XXI.  SITZUNG  VOM  29.  OKTOBER   1903. 


Das  k.  M.  Hofrat  Prof.  L.  v.  Graff  in  Graz  übersendet 
sechs  Exemplare  seines  Werkes:  »Die  Turbellarien  als 
Parasiten  und  Wirte«,  welches  derselbe  als  erste  Frucht 
seiner  mit  Unterstützung  der  kaiserlichen  Akademie  aus  dem 
Legate  Wedl  unternommenen  Reise  verfaßt  hat. 

Das  w.  M.  Prof.  O.  Stolz  übersendet  eine  Abhandlung 
von  W.  H.  Young  in  Göttingen  mit  dem  Titel:  »Über  die 
Einteilung  der  unstetigen  Funktionen  und  die  Ver- 
teilung ihrer  Stetigkeitspunkte.« 

Versiegelte  Schreiben  zur  Wahrung  der  Priorität 
sind  eingelangt: 

1.  Von  Dr.  Franz  Malina  in  Wien  mit  der  Aufschrift:  »Zur 
Bahnberechnung  der  Sterne«; 

2.  von  Dr.  techn.  Josef  Hecht  in  Berlin  mit  der  Aufschrift: 
»Verfahren  zur  Darstellung  von  blauen,  violetten 
und  rötlichen  Schwefelfarbstoffen«; 

3.  von  stud.  phil.  Paul  Camill  Taussig  in  Wien  mit  der  Auf- 
schrift: »Verfahren  zur  Darstellung  von  Methyl- 
amin.« 

Das  w.  M.  Hofrat  V.  v.  Ebner  legt  zwei  Abhandlungen 
von  Herrn  Franz  Fuhrmann  vor: 

I.  Ȇber  Virulenzsteigerung  eines  Stammes  des 
Vibrio  Chol,  as.«  (aus  dem  Institute  für  allgemeine  Patho- 
logie in  Graz;  Vorstand:  Prof.  R.  Klemensiewicz). 
II.  Über  die  Abnahme  der  Lysinwirkung  alter  Lysin- 
sera«  (aus  dem  Institute  für  allgemeine  Pathologie  in 
Graz;  Vorstand:  Prof.  R.  Klemensiewicz). 

53* 


822 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  zwei  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeiten: 

I.  *Über  Einwirkung  verdünnter  Schwefelsäure  auf 

Butyronpinakon«,  von  Karl  Zumpfe. 
II.  »Über  Einwirkung  von  Blausäure  auf  Methylol- 
dimethylacetaldehyd«,  von  Dr.  Erhard  Glaser. 

Dr.  Alfred  Exner  legt  eine  Abhandlung  vor,  betitelt: 
»Bericht  über  die  bisher  gemachten  Erfahrungen 
bei  der  Behandlung  von  Carcinomen  und  Sarkomen 
mit  Radiumstrahlen.« 


SITZUNGSBERICHTE 

DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXII.  BAND.  IX.  HEFT. 


ABTEILUNG  I. 

ENTHALT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MINERALOGIE, 
KRYSTALLOGRAPHIE,  BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 
PALÄONTOLOGIE,  GEOLOGIE,  PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  UND  REISEN. 


825 


XXII.  SITZUNG  VOM  5.  NOVEMBER  1903. 


Der  Vorsitzende,  Prof.  E.  Sueß,  macht  Mitteilung  von 
dem  Verluste,  welchen  die  kaiserliche  Akademie  durch  das  am 
1.  November  1903  erfolgte  Ableben  des  auswärtigen  Ehren- 
mitgliedes der  philosophisch-historischen  Klasse,  Prof.  Dr. 
Theodor  Mommsenin  Berlin,  erlitten  hat. 

Die  anwesenden  Mitglieder  geben  ihrem  Beileide  durch 
Erheben  von  den  Sitzen  Ausdruck. 

Der  Niederösterreichische  Gewerbeverein  über- 
sendet Einladungen  zu  der  am  Samstag,  7.  November,  statt- 
findenden Eröffnung  der  vom  österreichischen  Photographen- 
vereine unter  der  Ägide  des  Niederösterreichischen  Gewerbe- 
vereines veranstalteten  Photographischen  Ausstellung. 

Dr.  Josef  Müller  in  Triest  übersendet  eine  Arbeit  mit  dem 
Titel:  »Über  neue  Höhlenkäfer  aus  Dalmatien.  Resul- 
tate derim  Sommer  1903  unternommenen  Forschungen 
in  dalmatinischen  Höhlen.« 

Dr.  techn.  Richard  Silberberger  übersendet  eine  Ab- 
handlung mit  dem  Titel:  »Studien  über  die  quantitative 
Bestimmung  von  Schwefelsäure.« 

Dr.  Ernst  Murmann  in  Pilsen  übersendet  ein  versiegeltes 
Schreiben  zur  Wahrung  der  Priorität  mit  der  Aufschrift:  »Neue 
Elemente«. 

Dr.  Friedrich  Wielsch  in  Wien  übersendet  ein  ver- 
siegeltes Schreiben  zur  Wahrung  der  Priorität  mit  der  Auf- 
schrift: »Über  radioaktive  Präparate.« 


826 

Das  w.  M.  Prof.  F.  Becke  überreicht  den  zweiten  Teil  des 
Berichtes  über  die  petrographischen  Untersuchungen  an  den 
krystallinischen  Gesteinen  der  Zentralkette  der  Ostalpen,  be- 
titelt: »Optische  Untersuchungsmethoden.« 

Prof.  F.  Beckp  überreicht  einen  Bericht  über  den  Fort- 
gang der  geologischen  Beobachtungen  auf  der  Nord- 
seite des  Tauerntunnels. 

Das  w.  M.  Hofrat  Siegmund  Exner  legt  eine  Abhandlung 
vom  k.  u.  k.  Stabsarzt  Dr.  Alois  Pick  vor  mit  dem  Titel:  Ȇber 
den  Einfluß  verschiedener  Stoffe  auf  die  Pepsin- 
verdauung.« 

Hofrat  Siegmund  Exner  überreicht  weiter  eine  Arbeit 
des  k.  M.  Dr.  J.  Breuer,  welche  den  Titel  führt:  »Studien 
über  den  Vestibular-Apparat.« 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  zwei  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeiten: 

I.  »Der     synthetische     Isopropylacetaldehyd     und 

seine  Kondensationsprodukte«,  von  M.  Cihlar. 
II.  »Über    einige    Derivate    des    Diacetonalkamins«, 
von  Moritz  Kohn. 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Komitee  des  allgemeinen  Bergmannstages  1903  in 
Wien:  Die  Mineralkohlen  Österreichs.  Wien,  1903.  8°. 
(Mit  12  Karten.) 

Kraus,  Herman  T.  C:  Motion.  The  fundamental  principles 
of  mechanics;  or,  the  mechanics  of  the  universe. 

Mathias,  E.:  Le  point  critique  des  corps  purs.  Paris,  1904.  8°. 

Ochsenius,  Karl:  Erdöl-  und  Erzstudien.  (Abdruck  aus  der 
»Allgemeinen  österreichischen  Chemiker-  und  Techniker- 
Zeitung,  1903.«) 


827 

Ochsenius,  Karl:  Steinsalz  und  Kalisalze.  (Sonderabdruck  aus 
der  »Zeitschrift  der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft, 
1902.«) 

—  Über  den  Untergrund  von  Venedig.  (Sonderabdruck  aus 
der  »Zeitschrift  der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft, 
1903.«) 

—  Wasserkissen.  (Briefliche  Mitteilung  aus  der  »»Zeitschrift 
für  praktische  Zoologie,  1903«.) 

Wilson  Ornithological  Club  in  Oberlin:  The  Wilson 
Bulletin  No  44.  Oberlin,  Ohio,  September  1903.  8°. 


823 


XXIII.  SITZUNG  VOM  12.  NOVEMBER  1903. 


Das  w.  M.  Prof.  R.  v.  Wettstein  überreicht  eine  Ab- 
handlung von  Herrn  Leopold  Mo  gan,  betitelt:  »Untersuchun- 
gen über  eine  fossile  Konifere.« 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  eine  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeit  »Über  die  Einwirkung 
von  Kalkmilch  auf  Isobutyraldehyd«  von  Peter  Herr- 
mann. 

Herr  Franz  Karl  Lukas  in  Mauer  bei  Wien  legt  eine 
Mitteilung  mit  dem  Titel  vor:  Ȇber  eine  neue  Art  von 
Kettenbrüchen.« 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Albert  Ier,  Prince  souverain  de  Monaco:  Resultats  des 
Campagnes  scientifiques  accomplies  sur  son  yacht,  fasc. 
XXIII;  fasc.  XXIV.  Monaco,  1903.  4°. 

Königl.  Statistisches  Landesamt  in  Stuttgart:  Die  erd- 
magnetischen Elemente  von  Württemberg  und  Hohen- 
zollern.  Gemessen  und  berechnet  für  1.  Januar  1901  im 
Auftrage  und  unter  Mitwirkung  der  königl.  württembergi- 
schen meteorologischen  Zentralstation  von  K.  Hauss- 
mann. Stuttgart,  1903.  4°. 

Universität  in  Basel:  Akademische  Publikationen  1902  bis 
1903. 


829 


Untersuchungen  über  eine  fossile  Konifere 

von 
Leopold  Mogan. 

(Mit  1  Tafel  und  2  Textfiguren.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  12.  November  1903.) 

Die  wissenschaftliche  Phytopaläontologie,  welche  die 
Pflanzenfossilien  zum  Gegenstande  ihrer  Forschung  macht, 
hat  die  Aufgabe,  fossil  auftretende  Pflanzenreste  zunächst  zu 
bestimmen  und  sodann,  entsprechend  der  herrschenden  phylo- 
genetischen Richtung,  den  Zusammenhang  dieser  Formen  mit 
den  heute  lebenden  nachzuweisen;  der  letztere  Zweck,  der  die 
angestrebte  Aufstellung  eines  Stammbaumes  mitherbeiführen 
helfen  soll,  wird  erreicht,  wenn  fossile  Funde  sich  als  Zwischen- 
oder Übergangsformen  in  die  systematisch  angeordneten  Reihen 
der  rezenten  Flora  einstellen  lassen,  oder  aber,  was  besondere 
Hervorhebung  verdient,  sich  als  die  Stammformen  von  rezenten 
Pflanzenformen  erweisen.  Diesen  gestellten  Forderungen  der 
Phytopaläontologie  in  einem  speziellen  Falle  gerecht  zu 
werden,  ist  in  vorliegender  Arbeit  versucht  worden. 

In  einem  Ziegelwerke  bei  Leobersdorf  nächst  Baden  in 
Niederösterreich  wurden  fossile  Zapfen  zu  Tage  gefördert,  die 
Herr  Karl  Tech  et  dem  botanischen  Museum  der  Wiener 
Universität  als  Geschenk  überreichte. 

Das  schöne  im  besten  Erhaltungszustande  befindliche 
Material,  welches  der  zweiten  Mediterranstufe  der  Tertiär- 
formation angehört,  läßt  sehr  deutlich  hervortretende  äußere 
morphologische  Verhältnisse  erkennen,  ohne  indes  irgend 
welche  Anhaltspunkte  für  die  vollständige  Identifizierung  mit 
einer  rezenten  Konifere  zu  bieten. 


830  L.  Mogan, 

Die  Abbildungen  der  Tafel  I  sollen  diese  morphologischen 
Eigentümlichkeiten  zur  Anschauung  bringen,  die  bei  aller 
Verschiedenheit  der  Zapfen  dennoch  dafür  sprechen,  daß  ihre 
Zugehörigkeit  zu  einer  Art  angenommen  werden  kann. 

Zur  näheren  Untersuchung  wurde  ein  der  mit  Nummer  5 
bezeichneten  Form  sehr  ähnlicher  Zapfen  herangezogen. 

Die  allgemeine  Form  des  Zapfens  gleicht  einigermaßen 
dem  Fruchtzapfen  von  Pinus  halepensis  und  auch  die  Größe 
ist  annähernd  damit  übereinstimmend.  Die  Abflachung  infolge 
des  Druckes  der  darüber  gelagerten  Gesteinsmassen  ist  eine 
sehr  bedeutende.  Die  allgemeine  morphologische  Betrachtung 
gestattet  es,  mit  Gewißheit  zu  beurteilen,  daß  es  eine  Pinus-Art 
ist,  deren  Fruchtzapfen  sich  in  dem  Fossil  erhalten  hat;  diese 
Deutung  stützt  sich  insbesondere  darauf,  daß  die  vorhandenen 
Fruchtschuppen-Apophysen  sich  mit  voller  Klarheit  an  den 
Enden  der  Fruchtschuppen  abheben.  Der  gewaltige  Druck  hat 
wohl  eine  Verflachung  der  Apophysen  bewirkt,  doch  ist  eine 
Verwischung  ihres  rhombischen  Umrisses  dadurch  nicht 
eingetreten,  und  auch  der  zentral  gelegene  Höcker,  sowie 
vier  in  die  Ecken  verlaufende  Rippen  bieten  sich  der  Beob- 
achtung dar. 

Mit  Rücksicht  auf  diese  Merkmale  konnte  nun  die 
Zugehörigkeit  des  Fossils  zur  Sectio  Pinaster  ausgesprochen 
werden  und  der  Ausschluß  der  Sektio  Strobus  erfolgen; 1  eine 
Identifizierung  aber  mit  einer  rezenten  Pinus- Art  dieser  Gruppe 
war  auf  Grund  des  morphologischen  Vergleiches  nicht  möglich. 
Um  in  dieser  Hinsicht  die  Untersuchung  erfolgreich  zu 
gestalten,  bedurfte  es  erst  einer  vergleichend  anatomischen 
Betrachtung,  welcher  die  Fruchtschuppen  der  in  Beziehung 
stehenden  rezenten  Formen,  sowie  die  des  Fossils  unterworfen 
wurden.  Besonders  eignen  sich  für  diesen  Zweck  die  mikro- 
skopischen Querschnittsbilder,  welche  eine  gute  Übersicht 
gewähren. 

Schnitte  durch  verholzte  Fruchtschuppen  von  rezenten 
Pinus-Arten  werden  leicht  erhalten,  wenn  das  Material,  nach 


1  Vergleiche:  A.  Eich ler  in  Engl er-Pr an tl  »Natürliche Pflanzenfamilien  c 
11.  Teil,  I.  Abt.,  p.  71. 


Untersuchungen  über  eine  fossile  Konifere.  83 1 

vorherigem  Kochen  in  Wasser,  während  eines  Zeitraumes  von 
zwei  bis  drei  Tagen  in  eine  Mischung  von  gleichen  Teilen 
Alkohol  und  Glyzerin  gelegt  wird.1 

Diese  Methode  stellt  sich  indes  bei  der  versteinerten 
Schuppe  als  unwirksam  heraus,  weil  die  vorhandenen  Inkru- 
stationen den  Aufweichungsvorgang  behindern.  Wiederholte 
Versuche  ergaben  jedoch,  daß  nach  Einlegen  des  Objektes  in 
verdünnte  Salzsäure  durch  wenige  Tage  hindurch,  diese 
Zeitdauer  ist  eben  eine  Funktion  des  Konzentrationsgrades 
der  Säure,  ein  Zustand  erreicht  wird,  bei  dem  sich  unter  Beob- 
achtung einiger  Vorsicht  sehr  brauchbare  Schnitte  erzielen  ließen. 

Die  Natur  des  Lösungsmittels,  sowie  die  Erscheinung  des 
Aufbrausens  bei  Berührung  mit  der  Säure  weisen  auf  eine 
Verkalkung  des  karbonisierten  Fossils  hin. 

Der  allgemeine  Bauplan  der  Pmws-Fruchtschuppen  ist  im 
wesentlichen  bei  allen  Arten  ein  analoger  und  soll  in  seinen 
Grundzügen  am  Querschnittsbilde  von  Pinus  montana  erläutert 
werden.  (Siehe  Abbildung,  Fig.  1.) 

Die  für  jedes  Abietineenblatt  charakteristischen  Merkmale 
der  Symmetrie  und  Dorsiventralität  treten  auch  hier  typisch 
hervor.  Von  den  zwei  in  der  Ebene  des  Querschnitts  möglichen 
normalen  Axen  ist  die  von  vorn  nach  hinten  gerichtete  kurz 
und  heteropol,  während  die  von  rechts  nach  links  verlaufende 
bedeutend  länger  und  homopol  ist.  Die  Dorsalseite,  in  der 
natürlichen  Lage  am  Zapfen  nach  außen  gewendet,  zeigt  eine 
sanfte  Wölbung,  die  Ventral-Innenseite  nimmt  einen  geraden 
Verlauf;  die  größte  Breite  erreicht  das  Blatt  in  der  Mitte,  gegen 
beide  Seiten  tritt  Verjüngung  ein.  An  der  Ventralseite  erkennt 
•man  eine  hypodermale  Sklerenchymschicht,  der  eine  an  der 
reifen  Schuppe  nur  mehr  in  wenigen  Fragmenten  erhaltene 
Epidermoidalschicht  vorlagert;  das  Sklerenchym  wechselt  an 
einzelnen  Stellen  an  Mächtigkeit,  setzt  sich  aber  meist  aus 
zwei  Zellreihen  zusammen,  deren  Elemente  polygonale  Quer- 
schnittsform haben  und  selten  eine  so  weitgehende  Wand- 
verdickung erfahren,  daß  die  Zellumina  zur  Gänze  ver- 
schwinden. Daran  reiht  sich  das  Grundparenchym  mit  Zellen 

1  E.  Strasburger:  Großes* botanisches  Praktikum,  S.  43,  III.  Aufl. 


832 


L.  Mogan, 


von  teils  rundlicher,  teils  polygonaler  Gestalt,  die  bald  lücken- 
los, bald  durch  weite  Intercellularen  getrennt  angeordnet  sind 
und  Inhaltsreste  führen,  welche  sich  als  hellgelbe  bis  bräunliche 
Masse  darstellen.  Nach  der  Dorsalseite  wird  das  Parenchym 
von    einem    hypodermalen   Sklerenchymgewebe    abgegrenzt, 


j-' 


vh    " 


P«  * 


Fig.  1. 

Stück    eines    Querschnittes    durch    die    Fruchtschuppe   von  Pinus  moniana\ 
100  fach  vergrößert 


dessen  Elemente  im  Bau  mit  denen  der  Ventralseite  überein- 
stimmen, oft  jedoch,  eine  mehr  längliche  Querschnittsform 
annehmend,  viel  dichter  und  mächtiger  gelagert  sind,  so  daß 
nicht  selten  fünf  bis  sechs  Zellreihen  unterschieden  werden 
können.  Immer  findet  sich  an  dieser  Seite  die  Epidermoidal- 
schicht  ganz  erhalten,  bestehend  aus  Zellen,  deren  Lumen 
vollständig  von  einer  dunkelbraunen  Masse  erfüllt  ist  und  die 
deshalb   total   undurchsichtig   erscheinen.  Gewöhnlich   in  der 


Untersuchungen  über  eine  fossile  Konifere.  833 

Mittelschicht  des  Mesophylls  treten  die  kollateralen  Gefäß- 
bündel auf,  von  nahezu  kreisrunder  Gestalt  im  Querschnitt, 
meist  sieben  bis  neun  an  der  Zahl  und  einen  wenig  diver- 
gierenden Verlauf  nehmend;  sie  sind  von  einer  einschichtigen 
Gefäßbündelscheide  umschlossen.  Die  Elemente  des  bedeutend 
überwiegenden  Xylems  sind  dickwandig,  radiär  gestellt, 
während  der  nach  außen  gelegene  Phloemteil  nur  von  geringer 
Mächtigkeit  ist.  Im  ganzen  Parenchym  sind  Harzgänge  ein- 
gebettet, deren  Anordnung  insoferne  als  gesetzmäßig  bezeichnet 
werden  kann,  als  sich  stets  ein  großer  Gang  zentral  zwischen 
zwei  Gefaßbündel  einschaltet,  und  die  anderen,  kleineren,  an 
der  Dorsalseite  häufiger  sind.  Die  Harzgänge  gehören  dem 
Typus,  welcher  den  Blättern  der  Pinus-Arten  eigen  ist,  an, 
indem  sie  an  der  Peripherie  eine  Lage  von  dickwandigen 
Zellen  führen,  deren  Querdurchmesser  relativ  gering  ist. 

Ein  Vergleich  der  Querschnittsbilder  von  Fruchtschuppen 
der  wichtigsten  rezenten  Pinus-Formen  ergab  nicht  unwesent- 
liche Differenzen  in  Bezug  auf  den  anatomischen  Bau,  weshalb 
eine  kurze  Übersicht  der  hauptsächlichsten  Unterschiede  mit 
dem  Bemerken  gegeben  wird,  daß  nur  Schuppen  völlig  reifer 
Zapfen  und  zwar  an  analogen  Stellen  zur  Untersuchung 
gelangten. 

Pinus  silvestris  zeigt,  mit  Rücksicht  auf  die  beschriebenen 
Verhältnisse  von  Pintis  montana,  eine  so  große  Annäherung 
der  Gefäßbündel,  daß  der  zentrale  Harzgang  des  öftern  die 
Scheiden  tangiert;  die  Zellen  des  Grundparenchyms  schließen 
dicht  aneinander,  fast  lückenlos  und  sind  meist  von  runder 
Gestalt;  jener  braune  InhaltsstoflF,  welcher  bei  Pinus  montana 
nur  als  Wandbelag  auftritt,  erfüllt  hier  nicht  selten  das  ganze 
Zellumen.  Eine  sehr  bemerkenswerte  Abweichung  äußert  sich 
im  Sklerenchym  der  Dorsalseite  darin,  daß  es  von  größerer 
Mächtigkeit  ist,  indem  sich  an  seiner  Zusammensetzung 
sieben  bis  acht  Zellreihen  beteiligen,  und  als  besonders 
charakterisierend  für  Pinus  silvestris  sott  hervorgehoben  werden, 
daß  die  zahlreichen  Harzgänge  nicht  allein  im  Parenchym, 
sondern  auch  im  Sklerenchym  dieser  Seite  lagern. 

Für  Pinus  nigra  ergibt  sich  als  typisches  Merkmal  die  nicht 
seltene  Vereinigung  von  Gefäßbündeln  zu  Doppel-Gefäßbündeln, 


834  L.  Mogan, 

und  bei  Betrachtung  der  Harzgänge  zeigt  sich  die  Erscheinung, 
daß  der  bei  anderen  Formen  gesetzmäßig  anzutreffende  große 
zentral  gelegene  Gang  eine  Größendifferenz  gegenüber  den 
anderen  nicht  aufweist  Die  Grundgewebselemente,  nur  in  ihrer 
Minderheit  den  bereits  erwähnten  braunen  Körper  als  Wand- 
belegung führend,  schließen  sich  in  ihrer  Gruppierung  an 
Pinus  montana  an,  doch  ist  auch  hier  das  Dorsalsklerenchym 
zu  mächtigerer  Ausbildung  gekommen;  an  die  bei  der  reifen 
Schuppe  leicht  abfallende  Epidermoidalschicht  reihen  sich  als 
Sklerenchym  fünf  bis  sieben  Zellschichten  mit  Elementen,  die 
eine  auffallende  Längsstreckung  erfahren  haben. 

Bei  Pinus  halepensis  fehlen  ebenfalls  die  Epidermoidal- 
schichten,  jedoch  ist  bei  dieser  Form  zu  beobachten,  daß  jene 
dunkelbraune  Masse,  welche  sonst  nur  den  Dorsalepidermoidal- 
zellen  eigen  ist,  auch  in  den  Elementen  des  Sklerenchyms  dieser 
Seite  sich  findet.  Die  Sklerenchyme  sind  schwach  ausgebildet, 
die  Wandverdickung  an  vielen  Stellen  ist  so  gering,  daß 
namentlich  an  der  Ventralseite  eine  Abgrenzung  gegen  das 
Parenchym  nahezu  verwischt  ist.  Das  Grundparenchym,  aus 
dünnwandigen,  polygonalen  Zellen  bestehend,  die  recht 
spärliche  Wandbelegung  haben,  ist  locker,  und  Gefäßbündel, 
sowie  Harzgänge  bieten  im  Vergleiche  mit  den  vorerwähnten 
Arten  nichts  von  besonderer  Auffälligkeit. 

Obwohl  die  Sectio  Strobus  schon  im  voraus  aus  allgemein 
morphologischen  Gründen  auszuschalten  war,  so  wurde  doch 
der  Vollständigkeit  wegen  in  Pinus  Peuce  auch  ein  Vertreter 
dieser  Gruppe  untersucht.  Da  ist  zunächst  der  meist  voll- 
ständige Mangel  auch  der  Dorsalepidermoidalschichte  zu 
konstatieren.  Die  Sklerenchymgewebe  an  beiden  Seiten  sind 
nur  schwach  entwickelt,  wobei  die  Wandverdickung  ihrer 
Zellen  eine  mäßige  ist,  so  daß  die  Lumina  immer  recht  deutlich 
wahrgenommen  werden.  In  den  Vordergrund  tritt  das  Grund- 
gewebe, mit  locker  angeordneten  polygonalen  Zellen,  in 
welchen  wohl  auch  die  braune  Masse  bemerkt  wird,  eine 
Ausfüllung  des  Lumens  aber  nie  vorkommt.  Die  Gefäßbündel 
sind  verhältnismäßig  klein,  dadurch  erscheint  der  zentrale 
Harzgang  relativ  sehr  groß,  und  es  gehört  nicht  zur  Seltenheit, 
daß  dieser  Gang  die  Gefäßbündel  an  Größe  übertrifft. 


Untersuchungen  über  eine  fossile  Konifere. 


835 


Von  der  fossilen  Form  ist  zunächst  hervorzuheben,  daß 
schon  äußerlich  an  der  Schuppe,  so  wie  bei  der  Gesamlionii 
des  Zapfens,  die  Einwirkung  der  stattgehabten  Kompression 
sehr  merkbar  ist;  ihr  stärkster  Einfluß  macht  sich  jedoch  in 
den  Geweben  geltend,  indem  fast  sämtliche  Rundformen  eine 
Längsstreckung  in  der  auf  die  Druckrichtung  senkrechten 
Ebene  erfahren  haben.  Die  Betrachtung  des  anatomischen 
Baues  der  Schuppe  läßt  in  Bezug  auf  Bau  und  Orientierung 
der  Elemente  Verhältnisse  erkennen,  welche  denen  von  Pinus 


Mb  soll 


Fig.  2. 

Stück  eines  Querschnittes  durch  die  Fruchtschuppe  von  Pinus  prac-moniana\ 

120  fach  vergrößert. 


montana  vollkommen  analog  sind,  wenn  die  infolge  der 
Kompression  eingetretenen  sekundären  Veränderungen  in 
entsprechende  Berücksichtigung  gezogen  werden.  Die  Schuppe 
erscheint  fast  gleichbreit  im  Querschnittsbild,  da  die  bei 
rezenten  Formen  auffallende  Wölbung  der  Dorsalseite  vom 
Drucke  so  ziemlich  ausgeglichen  wurde,  und  der  sicheren 
Bestimmung  dieser  Seite  dient  die  stets  vorhandene,  undurch- 
sichtige Epidermoidalschichte,  welche  der  Ventralseite  immer 
fehlt.  Die  Epidermoidalschicht  setzt  sich  aus  relativ  dünn- 
wandigen Elementen  zusammen,  die  im  ganzen  Lumen  von 

Sit'/b.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  ßd.,  Abt.  1.  54 


836  L.  Mogan, 

der  bereits  angeführten  dunkelbraunen,  undurchsichtigen 
Masse  erfüllt  sind.  Das  Dorsalsklerenchym,  aus  drei  bis  vier 
Zellreihen  gebildet,  läßt  Zellen  erkennen,  die  ursprünglich  wohl 
parallel  dem  Querdurchmesser  des  Bildes  längsgestreckt  waren, 
jetzt  aber,  infolge  Drucks,  eine  derartige  Verschiebung  erlitten, 
daß  die  wegen  starker  Wandverdickung  nur  strichförmigen 
Zellumina  parallel  dem  Längsdurchmesser  gestellt  sind.  Das 
hypodermale  Sklerenchym  an  der  Ventralseite  zeigt  längliche 
Zellenquerschnitte  neben  solchen,  welche  die  primäre  Poly- 
gonalform beibehielten  und  eine  bestimmte  gleichartige  Orien- 
tierung der  Lumina,  wie  sie  die  Dorsalseite  zeigt,  ist  nicht 
bemerkbar.  Im  Grundgewebe  hat  sich  überall  der  Übergang 
von  Rundformen  in  langgestreckte  vollzogen;  die  dünn- 
wandigen, weitlumigen  Zellen  sind  locker  gelagert,  an  manchen 
Stellen  treten  große  Interzellularräume  auf,und  die  als  Wandbelag 
vorkommenden  spärlichen  Inhaltsreste  entsprechen  genau 
jener  gelb-bräunlichen  Masse  rezenter  Formen.  Bei  vielen 
Elementen  ist  die  infolge  Kompression  hervorgerufene  De- 
formation eine  so  weitgehende,  daß  die  ursprünglich  polygonale 
Zelle  in  eine  längliche,  mehrfach  gewundene  überführt  wurde, 
bei  der  zwei  gegenüberliegende  Wandstellen  zur  Berührung 
kamen  und  so  der  Eindruck  erweckt  wird,  als  hätte  man 
mehrere  kleinere  Zellen  vor  sich.  Eine  starke  Veränderung 
erfuhren  die  in  der  Mesophyll-Mittelschichte  eingebetteten 
Gefäßbündel.  Zahl  und  Anordnung  stimmen  zwar  recht  gut 
mit  den  Verhältnissen  bei  Pinus  montana  überein,  doch  hat 
die  Druckwirkung  eine  Gestaltsumwandlung  hervorgerufen; 
im  Querschnitte  ist  die  Kreisform  zur  schmalelliptischen 
geworden,  bei  der  die  große  Axe,  in  Parallelstellung  zum 
Bildlängsdurchmesser,  die  kleine  fünf  bis  sechsfach  an  Größe 
übertrifft.  Die  aus  einer  Zellreihe  hervorgegangene  Scheide 
hebt  sich  deutlich  ab,  während  eine  Abgrenzung  der  einzelnen 
Xylemelemente  gegeneinander  nicht  wahrnehmbar  ist,  so  daß 
das  Xylem  den  Anblick  einer  ganz  undifferenzierten  hellgelben 
Masse  bietet,  in  welcher  häufig  nahezu  parallel  zum  Längs- 
durchmesser verlaufende  Markstrahlen  auftreten,  die  bei 
rezenten  Formen  ausgesprochen  radiär  verlaufen.  Das  Phloem, 
in    der    für    collaterale    Gefäßbündel    typischen   Stellung   ist 


Untersuchungen  über  eine  fossile  Konifere.  837 

zuweilen  lateral  verschoben;  seine  Elemente  sind  gut  aus- 
gebildet, deutlich  abgegrenzt  und  an  Zahl  den  rezenten  Formen 
überlegen;  gegenüber  dem  Xylemteil  tritt  das  Phloem  stark 
zurück.  Harzgänge  finden  sich  im  ganzen  Grundparenchym 
und  wird  von  der  durch  Druck  hervorgerufenen  Formänderung 
abgesehen,  so  haben  die  bezüglichen  Angaben  für  Pinus 
montana  Geltung. 

Ein  Vergleich  dieses  Baues  mit  den  beschriebenen  ana- 
tomischen Verhältnissen  bei  den  rezenten  Formen  ergibt  das 
zweifellose  Resultat,  daß  unter  den  zur  Untersuchung  heran- 
gezogenen Formen  eine  Ähnlichkeit  nur  zwischen  dem  Fossil 
und  Pinus  montana  nachweisbar  ist.  Dabei  ist  die  konstatierte 
Ähnlichkeit  nicht  bloß  relativ  zu  nehmen,  sondern  absolut  so 
groß,  daß  es  eines  Vergleiches  mit  anderen  der  Betrachtung 
nicht  unterworfenen  Pinus-Arten  nicht  mehr  bedarf. 

Haben  die  vorangegangenen  Ausführungen  bezweckt,  der 
ersten  phytopaläontologischen  Forderung,  das  ist  der  Bestim- 
mung des  Fossils,  zu  genügen,  so  soll  nun  die  Aufgabe  auch  in 
ihrem  zweiten  Teil  und  zwar  in  dem  Sinne  einer  Lösung 
zugeführt  werden,  daß  die  Erbringung  eines  Wahrscheinlich- 
keitsbeweises für  den  genetischen  Zusammenhang  des  Fossils 
mit  einer  rezenten  Form  versucht  wird. 

Hiezu  sei  bemerkt,  daß  die  folgende  Darstellung  in 
pflanzengeographischer  Hinsicht  sich  auf  die  Schlüsse  stützt, 
welche  Herr  Prof.  Dr.  Richard  v.  Wettstein  in  seiner  mono- 
graphischen Studie  über  Picea  omorica  zieht.1 

Mit  Rücksicht  auf  die  Beziehungen  der  geschilderten 
Form  zu  anderen  bisher  beschriebenen  fossilen  Pinus-Arten 
wird  erwähnt,  daß  aus  der  großen  Zahl  von  Arbeiten  nur 
diejenigen  Berücksichtigung  finden  konnten,  die  mit  der 
vorliegenden  Untersuchung  in  engerem  Zusammenhang  stehen, 
und  zwar: 

H.  Potonie,  Lehrbuch  der  Pflanzenpaläontologie,  p.  311. 

A.  Schenk,  Die  fossilen  Pflanzenreste  in:  Handbuch  der 
Botanik,  IV.  Bd. 

1  Picea  Omorica,  eine  monographische  Studie  von  Dr.  R.  v.  Wettstein, 
S.  45  bis  55  des  Separatabdruckes  a.  d.  Sitzungsberichten  der  kaiserl.  Akademie 
der  Wissenschaften  in  Wien,  mathem.-naturw.  Klasse,  Bd.  XCIX,  1891. 

54* 


83-°»  L.    Mogan, 

A.  Eichler,  a.  a.  O.,  p.  73. 

C.  v.  Ettingshausen,  Beiträge  zur  Erforschung  der 
Phylogenie  der  Pflanzenarten. 

F.  Unger,  Sylloge  plantarum  fossilium. 

Von  allen  in  diesen  Werken  zur  Beschreibung  gebrachten 
Formen  käme  in  erster  Linie  die  Pinus  prae-pumilio  Ett.  in 
Betracht,  welche  Ettingshausen  aus  den  tertiären  Ablage- 
rungen von  Fohnsdorf  undParschlug  erwähnt.  Doch  erfolgte 
die  Aufstellung  auf  Grund  von  Nadelpaaren,  Fruchtschuppen 
und  Samen,  die  eine  Deutung  mit  Sicherheit  kaum  zulassen,  eine 
Identifizierung  aber  mit  unserer  Form  bestimmt  ausschließen. 

Pinus  pinastroides  U ng.  mit  Zapfen,  welche  gleichfalls  den 
tertiären  Schichten  von  Fohnsdorf  in  Steiermark  entstammen, 
zeigt  solche  Unterschiede  im  Bau  und  in  der  Größe  des  Zapfens, 
daß  eine  Gemeinschaft  mit  dem  untersuchten  Fossil  gewiß 
nicht  anzunehmen  ist. 

Die  anderen  in  den  zitierten  Werken  besprochenen 
Formen  sind  außer  jeden  Betracht. 

Überblickt  man  die  Grade  der  Annäherung,  welche  die  der 
Untersuchung  unterzogenen  rezenten  Formen,  sowie  die  bezeich- 
neten Fossilien,  zu  unserer  beschriebenen  Form  erkennen  lassen, 
so  ergibt  sich  die  Tatsache,  daß  es  sich  um  eine  Pflanze  handelt, 
welche  Pinus  montana  sehr  nahe  steht  und  mit  Recht  als  Pinus 
prae-montana  bezeichnet  werden  darf.  Die  Reste  wurden  nur  des- 
halb nicht  direkt  sdsPinus  montana  angesprochen,  weil  die  Größen- 
unterschiede zwischen  dem  rezenten  und  fossilen  Zapfen  zu  er- 
heblich sind;  es  ergaben  nämlich  die  Messungen  am  Zapfen  von 
Pinus prae-montana  eine  durchschnittliche  Länge  von  7  •  bem  bei 
einer  Breite  von  3  cm,  wobei  letztere  infolge  der  Lateral-Kom- 
pression  noch  vermehrt  wurde ;  das  sind  Dimensionen,  welche  mit 
den  entsprechenden  von  Pinus  montana  nicht  im  Einklang  stehen. 

Wenn  stets  die  Bezeichnung  Pinus  montana  gewählt 
wurde,  so  erfolgte  dies  in  der  Absicht,  einen  Sammelnamen  für 
die  mitteleuropäischen  Krummholzkiefern  zu  verwenden.1 

1  Vergleiche:  Willkomm  M.,  Versuch  einer  Monogr.  der  europ.  Krumm- 
holzkiefer in  Tharand.  Jahrb.  XIV.  p.  166.  —  Beck  G.,  v.,  Die  Nadelhölzer 
Niederösterreichs,  aus  den  Blättern  des  Vereines  für  Landeskunde  v.  Nieder- 
öst.,  Jahrg.  1890,  p.  34  bis  87. 


Untersuchungen  über  eine  fossile  Konifere  839 

Von  besonderem  pflanzengeographischen  Interesse  wäre 
es,  wenn  andere  Funde  die  Richtigkeit  der  in  hohem  Maße 
wahrscheinlichen  Behauptung  bestätigen  würden,  daß  zur 
Tertiärzeit  am  Ostrande  der  Alpen  eine  Pinus-Art  vegetierte, 
welche  durch  bedeutendere  Dimensionen  der  Fruchtzapfen  von 
der  rezenten  Pinus  montana  abwich.  Die  unter  dem  Namen 
Pinus  montana  zusammengefaßten  Krummholzkiefern  sind 
gegenwärtig  in  ihrer  Verbreitung  auf  die  alpine  und  subalpine 
Region  der  Gebirge  Mittel-  und  Südeuropas  beschränkt;  sie 
stehen  keiner  der  heutigen  Pinus- Arten  so  nahe,  daß  eine  phylo- 
genetische Ableitung  ohne  besondere  Schwierigkeit  möglich 
wäre.  Das  Vorkommen  im  Süden  Europas,  ihr  Auftreten  in 
diluvialen  und  interglacialen  Ablagerungen  sprechen  überdies 
für  ein  relativ  hohes  Alter,  wodurch  die  Vermutung,  daß  die 
vorliegenden  Fragmente  einer  Pflanze  angehören,  die  im 
Tertiär  verbreiteter  war  und  zu  Pinus  montana  in  genetischen 
Beziehungen  steht,  nur  an  Boden  gewinnt.  Der  Eintritt  der 
Eiszeit  schränkte  wahrscheinlich  das  Vegetationsgebiet  von 
Pinus  prae-montana  immer  mehr  ein,  das  sich  zu  dieser  Zeit 
weit  über  dem  Ostabhang  der  Alpen  erstreckt  haben  dürfte. 
Fortschreitende  Vergletscherung  und  die  damit  verbundene 
ungünstige  klimatische  Veränderung  machten  in  der  Folge 
das  Vorkommen  von  Pinus  prae-montana  zur  Unmöglichkeit, 
es  trat  das  Aussterben  der  Pflanze  ein;  während  die  den 
rauheren  Verhältnissen  der  höheren  Lagen  bereits  angepaßte  von 
jener  abgeleitete  Pinus  montana  diese  Epoche  überdauern  konnte. 

Als  Resultat  der  Untersuchung  ergibt  sich  somit 
der  Nachweis  einer  der  rezentenPinusmontananahe  ver- 
wandten Pinus-Art,  deren  Auftreten  am  Nordostrande 
der  Alpen  ins  Tertiär  fällt  und  für  die  der  Name  Pinus 
prae-montana  in  Vorschlag  gebracht  werden  konnte. 

Wenn  an  dieser  Stelle  meinem  verehrten  Lehrer  Herrn 
Prof.  Dr.  R.  v.  Wettstein  für  die  im  weitestgehenden  Maße 
erteilte  Unterstützung  und  Förderung  nochmals  der  herzlichste 
Dank  ausgesprochen  wird,  so  soll  damit  nicht  nur  einer 
Verpflichtung,  sondern  auch  einem  warm  gefühlten  Bedürfnis 
entsprochen  werden. 


840 


L.  Mogan,  Untersuchungen  über  eine  fossile  Konifere. 


Tafelerklärung. 


Fig.  1  bis  5,  Zapfen  von  Pinus  prae-montana  in  natürlicher  Größe. 

Der  anatomisch  untersuchte  Zapfen  glich  der  mit  Nr.  5  bezeichneten  Form. 


Figurenerklärung 

zu  den  beiden  Abbildungen  auf  p.  4  und  7. 


a  Dorsale  Epidermoidaischicht 
b  Dorsalsklerenchym 
c  Grundparenchym 
d  Ventralsklerenchym 


x  Xylem 
ph  Phloem 
h  Harzgang 
5  Gefäßbündelscheide. 


Mo^an,L.:lInlersuchiin|en über  eine  fossüe  Coiiifere. 


A-Swoboda  lulNutui  yz  u.liäi  Lüli-Anat  v  TJi  Riuiitwiirth  .UVn 

Sitzungsberichte  d.kais.Akad.  d.  \Viss.,Tnath-iiaturw.  Ciasse,  DcLCXH.Abth. 1.1003. 


841 


XXIV.  SITZUNG  VOM   19.  NOVEMBER   1903. 


Erschienen:  Monatshefte  für  Chemie,  Bd.  XXIV,  Heft  IX  (November  1903). 

Herr  Karl  Mommsen  in  Charlottenburg  dankt  für  die 
Teilnahme  der  kaiserlichen  Akademie  anläßlich  des  Ablebens 
seines  Vaters  Prof.  Theodor  Mommsen. 

Herr  Serge  Socolow  in  Moskau  übersendet  einen  Nach- 
trag zu  seiner  Mitteilung  über  die  Beziehungen  der  Massen  und 
Entfernungen  der  Planeten. 

Prof.  Dr.  L.  Weine k  in  Prag  übersendet  eine  Abhandlung 
mit  dem  Titel:  »Zur  Theorie  der  Planetenvorübergänge 
vor  der  Sonnenscheibe.« 

Prof.  Dr.  Anton  Schell  in  Wien  übersendet  eine  Abhand- 
lung, welche  den  Titel  führt:  »Konstruktion  und  Betrach- 
tung stereoskopischer  Halbbilder.« 

Prof.  Friedrich  Berwerth  überreicht  den  vierten  Bericht 
über  den  Fortgang  der  geologisch-petrographischen 
Beobachtungen  im  Südflügel  des  Tauerntunnels. 

Das  w.  M.  Hofrat  V.  v.  Ebner  legt  eine  Abhandlung  von 
Dr.  L.  Merk,  Professor  der  Dermatologie  in  Innsbruck,  vor, 
betitelt:  »Die  Verbindung  menschlicher  Epidermis- 
zellen  unter  sich  und  mit  dem  Corium.« 

Dr.  Felix  M.  Exner  überreicht  eine  Abhandlung  mit  dem 
Titel:  Ȇber  eine  Beziehung  zwischen  Luftdruckver- 
teilung und  Bewölkung.« 


842 

Selbständige  Werke  oder  neue,   der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Katzer,  Friedrich,  Dr.:  Grundzüge  der  Geologie  des  unteren 
Amazonasgebietes  (des  Staates  Para  in  Brasilien).  Leipzig, 
1903.  8(>. 

Perina,  Adalbert:  Ergebnisse  von  siebenunddreißigjährigen 
Beobachtungen  der  Witterung  zu  Weißwasser.  Ein  Beitrag 
zur  Klimatologie  Nordböhmens.  1902.  8°. 

Schwarz,  Thiemo,  P.:  Resultate  aus  den  im  Jahre  1901  auf 
der  Sternwarte  zu  Kremsmünster  angestellten  meteorologi- 
schen Beobachtungen.  Wels,  1903.  8°. 
—  Resultate  aus  den  im  Jahre  1902  auf  der  Sternwarte  zu 
Kremsmünster  angestellten  meteorologischen  Beobach- 
tungen. Wels,  1903.  8°. 

Skraup,  Zd.  H.:  Die  Chemie  in  der  neuesten  Zeit.  Inaugurations- 
rede, gehalten  am  4.  November  1903.  Graz,  1904.  8°. 


SITZUNGSBERICHTE 

DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  KLASSE. 


CXII.  BAND.  X.  HEFT. 


ABTEILUNG  I. 

ENTHÄLT  DIE  ABHANDLUNGEN  AUS  DEM  GEBIETE  DER  MINERALOGIE, 

KRYSTALLOGRAPHIE,  BOTANIK,  PHYSIOLOGIE  DER  PFLANZEN,  ZOOLOGIE, 

PALÄONTOLOGIE,  GEOLOGIE,  PHYSISCHEN  GEOGRAPHIE  UND  REISEN. 


845 


XXV.  SITZUNG  VOM  3.  DEZEMBER  1903. 


Erschienen:    Mitteilungen    der   Erdbeben-Kommission,    Neue  Folge, 
Nr.  XXI. 

Die  Permanenzkommission  der  internationalen  bota- 
nischen Kongresse  übersendet  das  fünfte  Zirkular,  be- 
treffend die  Teilnahme  des  Permanenzbureaus  an  den  Vor- 
arbeiten zum  II.  internationalen  botanischen  Kongreß  in  Wien 
1905. 

Das  k.  M.  Prof.  J.  v.  Hepperger  übersendet  eine  Abhand- 
lung »Bahnbestimmung  des  Biela'schen  Kometen  aus 
den  Beobachtungen  während  der  Jahre  1846  und  1852.« 

Prof.  Rudolf  Andreasch  an  der  k.  k.  technischen  Hoch- 
schule in  Graz  übersendet  eine  gemeinsam  mit  Dr.  Artur 
Zipser  durchgeführte  Arbeit  »Üb  er  substituiert  eRhodanin- 
säuren  und  deren  Aldehydkondensationsprodukte«, 
II.  Mitteilung. 

Das  k.  M.  Hofrat  Prof.  E.  Ludwig  übersendet  eine  Abhand- 
lung von  Herrn  Julius  Donau  mit  dem  Titel:  Ȇber  die 
Bildung  von  Magneteisenstein  beim  Erhitzen  von 
Eisen  im  Kohlensäurestrom«  aus  dem  Laboratorium  für 
allgemeine  Chemie  an  der  k.  k.  Technischen  Hochschule  in  Graz. 

Prof.  J.  Zehenter  übersendet  eine  von  ihm  im  chemi- 
schen Laboratorium  der  k.  k.  Staatsoberrealschule  zu  Inns- 
bruck ausgeführte  Arbeit  unter  dem  Titel:  »Beiträge  zur 
Kenntnis  des  Baryumuranylacetats  und  des  Blei- 
uranylacetats  sowie  der  daraus  entstehenden  Ura- 
nate.« 

Chefgeologe  G.  Geyer  besichtigte  im  Monate  September 
d.  J.  die  neuen  Aufschlüsse  in  den  beiden  Richtstollen  des 
Bosrucktunnels  und  erstattete  hierüber  Bericht. 


846 

Dr.  Alfred  Nalepa,  Professor  am  k.  k.  Elisabeth-Gymna- 
sium im  V.  Bezirke  in  Wien,  übersendet  eine  vorläufige  Mit- 
teilung über  »Neue  Gallmilben«  (23.  Fortsetzung). 

Herr  Athanas  Thodoranoff  in  Rustschuk  übersendet  ein 
versiegeltes  Schreiben  zur  Wahrung  der  Priorität  mit  der  Auf- 
schrift: »A.  T.  L.  i?"-1  Vidra«,  welches  seiner  Angabe  nach 
die  Beschreibung  der  Erfindung  eines  Apparates  für  Fisch- 
fang enthält. 

Das  w.  M.  Prof.  Dr.  R.  v.  Wettstein  überreicht  eine 
Abhandlung  von  Dr.  Fritz  Vierhapper:  »Beiträge  zur 
Kenntnis  der  Flora  Südarabiens  und  der  Inseln 
Sokötra,  Abdal  Kuri  und  Semhah.  Bearbeitung  der 
von  Dr.  St.  Paulay  und  Prof.  Dr.  O.  Simony  während 
der  Expedition  der  kaiserl.  Akademie  der  Wissen- 
schaften nach  Südarabien  und  den  Inseln  Sokötra, 
Abdal  Kuri  und  Semhah  vom  Dezember  1898  bis  Mitte 
März  1899  gesammelten  Gefäßpflanzen.  I.« 

Das  w.  M.  Prof.  R.  v.  Wettstein  überreicht  ferner  eine 
vorläufige  Mitteilung  über  »die  geographische  Gliede- 
rung der  Flora  Südbrasiliens«. 

Das  w.  M.  Prof.  Franz  Exner  überreicht  eine  Abhandlung: 
»Beiträge  zur  Kenntnis  der  atmosphärischen  Elek- 
trizität. XIV.  Messungen  des  Potentialgefälles  in 
Kremsmünster«,  bearbeitet  von  P.  Bonifaz  Zölss. 

Derselbe  legt  ferner  eine  Arbeit  von  Dr.  E.  v.  Seh  weidler 
vor:  »Beiträge  zur  Kenntnis  der  atmosphärischen 
Elektrizität.  XV.  Weitere  luftelektrische  Beobach- 
tungen zu  Mattsee  im  Jahre  1903.« 


Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Otto,  Friedr.  Aug.:  Die  Auflösung  der  Gleichungen  mit  Berück- 
sichtigung der  neuesten  Fortschritte.  Düsseldorf,  1904.  8°. 


S-17 


XXVI.  SITZUNG  VOM   10.  DEZEMBER   1903. 


Das  k.  M.  Prof.  Philipp  Forchheimer  in  Graz  übersendet 
eine  Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Wasserbewegung  in 
Wanderwellen.« 

Herr  Jakob  Burgaritzki  in  Wien  übersendet  eine  Mit- 
teilung mit  dem  Titel:   »Hydraulischer  Motor.« 

Cand.  jur.  et  phil.  Erich  Bandl  in  Wien  übersendet  eine 
Mitteilung:  »Über  die  Form  der  gewöhnlichen  Funken- 
entladung als  Ergebnis  einer  bestimmten  Strom- 
richtung.« 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  eine  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeil:  »Einwirkung  von  Pott- 
asche auf  Isobutyraldehyd«,  von  Felix  Kirchbaum. 

Das  w.  M.  Hofrat  F.  Mertens  überreicht  eine  Abhandlung 
von  Privatdozenten  Dr.  Robert  Daublebsky  v.  Sterneck 
mit  dem  Titel:  Ȇber  die  kleinste  Anzahl  Kuben,  aus 
welchen  jede  Zahl  bis  40.000  zusammengesetzt  werden 
kann.« 

Das  k.  M.  Prof.  R.  Wegscheid  er  überreicht  eine  Arbeit 
von  Dr.  Jean  Billitzer:  »Zur  Theorie  der  kapillarelektri- 
schen Erscheinungen«,  III.  Mitteilung. 

Dr.  Moritz  Probst  in  Wien  legt  eine  Abhandlung  vor  mit 
dem  Titel:  »Zur  Kenntnis  der  Großhirnfaserung  und 
der  zerebralen  Hemiplegie.« 

Dr.  J.  Puluj,  o.  ö.  Professor  an  der  k.  k.  deutschen 
technischen  Hochschule  in  Prag,  übersendet  eine  Abhandlung 


848 

betitelt:  Ȇber  die  Leistungskurve  im  Kreisdiagramme 
der  Drehstrommotoren.« 


Selbständige  Werke  oder  neue,   der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Kossonozoff,  J.  J.:  Optische  Resonanz  als  Ursache  der  selek- 
tiven Reflexion  und  Absorption  des  Lichtes.  Kiew,  1903. 8°. 
(In  russischer  Sprache.) 

Ministerio  de  Agricultura  in  Buenos  Aires:  Clima  de 
la  Repüblica  Argentina.  Buenos  Aires,  1902.  4°. 


Mji 


849 


XXVII.  SITZUNG  VOM   17.  DEZEMBER  1903. 


Prof.  Dr.  Anton  Fritsch  in  Prag  übersendet  einen  Bericht 
über  die  mit  Subvention  der  kaiserlichen  Akademie  zum 
Studium  der  Arachniden  der  Steinkohlenformation  Böhmens 
unternommene  Reise,  dem  15  Tafeln  für  das  Werk  über  die 
paläozoischen  Arachniden  beiliegen. 

Das  k.  M.  Prof.  C.  Doelter  übersendet  eine  Notiz  über 
»Adaptierung  des  Krystallisationsmikroskopes  zum 
Studium  der  Silikatschmelzen«. 

Das  k.  M.  Prof.  Wilhelm  Wirtinger  in  Wien  übersendet 
eine  Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Eine  neue  Verallgemei- 
nerung der  hypergeometrischen  Integrale.« 

Honorardozent  an  der  k.  k.  Hochschule  für  Bodenkultur 
M.  v.  Schmidt  überreicht  zwei  Abhandlungen,  betitelt: 

I.  »Zur  Kenntnis  der  Korksubstanz.  I.  Die  Phellon- 

säure.« 
II.  »Zur  Kenntnis  der  Korksubstanz.  Il.Über  den  ver- 
meintlichen Glyzeridcharakter   der   eigentlichen 
Korksubstanz.« 

Prof.  Dr.  O.  Tumlirz  in  Czernowitz  übersendet  eine 
Abhandlung  mit  dem  Titel:  »Die  Gesamtstrahlung  der 
Hefnerlampe.« 

Herr  Heinrich  Barvik  in  Leoben  übersendet  eine  Abhand- 
lung, betitelt:  »Notiz  über  einige  Euler'sche  Integrale.« 

Prof.  Emil  Waelsch  in  Brunn  übersendet  eine  Abhand- 
lung, welche  den  Titel  führt:  »Über  Binäranalyse.«  III.  Mit- 
teilung. 


850 

Ing.  Otto  Kasdorf  in  Wien  übersendet  ein  versiegeltes 
Schreiben  zur  Wahrung  der  Priorität  mit  der  Aufschrift:  »Über 
Entrahmung  und  CaseYnausscheidung  der  Milch  auf 
elektro-mechanischem  Wege.« 

Das  w.  M.  Sigm.  Exner  überreicht  im  Namen  der 
Phonogramm-Archivskommission  den  III.  Bericht  derselben,  der 
eine  von  Herrn  Fritz  Hauser  verfaßte  Beschreibung  einer 
neuen,  speziell  für  Reisen  bestimmten  Type  des  Archivphono- 
graphen enthält.  Indem  man  darauf  verzichtete,  auf  Reisen 
Platten  zu  hobeln,  war  es  möglich,  die  Konstruktion  des  Appa- 
rates leichter  und  auch  in  mancher  Beziehung  einfacher  zu 
gestalten,  wodurch  sich  das  Gewicht  auf  zirka  10  ^verringerte. 

Das  w.  M.  Hofrat  Ad.  Lieben  überreicht  eine  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeit:  »Die  Einwirkung  von 
Wasser  auf  Trimethylenbromid  und  von  Schwefel- 
säure auf  Trimethylenglykol«,  von  Marcellus  Rix. 

Das  k.  M.  Prof.  R.  Wegs  che  i  der  überreicht  zwei  Arbeiten 
aus  seinem  Laboratorium: 

I.  »Über    das    5,  7-Dimethyl-8-Oxyfluoron«,    von    J. 

Liebschütz  und  F.  Wenzel. 
II.  »Über      die      Reaktionsfähigkeit      substituierter 
Phloroglucine      bei      der      Fluoronbildung«,     von 
A.  Schreier  und  F.  Wenzel. 

Prof.  Dr.  Johann  Sahulka  in  Wien  legt  eine  Abhandlung 
vor  mit  dem  Titel:  Ȇber  die  Ursachen  des  Erd- 
magnetismus und  des  Polarlichtes.« 

Prof.  Dr.  G.  Jäger  überreicht  eine  Abhandlung  mit  dem 
Titel:  »Die  Gummiguttspirale.« 

Prof.  Dr.  Fridolin  Krasser  überreicht  eine  Abhandlung 
mit  dem  Titel:  »Konstantin  von  Ettingshausen  Studien 
über  die  fossile  Flora  Brasiliens.« 


851 

Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Mogni  Ing.  Antonio:  Nuova  teorica  della  legge  d'oscülazione 
del  pendolo  avuto  riguardo  alla  rotazione  della  terra. 
Jesi,  1903;  8°. 

Niederländische  Botanische  Vereinigung:  Prodromus 
Florae  Batavae.  Vol.  I.  pars  IL  Nijmegen,  1902;  8°. 


Sitzt).  J.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt   I.  55 


852 


Konstantin  von  Ettingshausen's  Studien  über 
die  fossile  Flora  von  Ouricanga  in  Brasilien 

von 
Prof.  Dr.  Fridolin  Krasser  in  Wien. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  17.  Dezember  1004.) 

Die  letzte  wissenschaftliche  Arbeit,  mit  welcher  sich  Kon- 
stantin Freih.  von  Ettingshausen  beschäftigte,  war  die 
Bearbeitung  einer  von  Dr.  Hussak  in  Ouri9anga  bei  Alagoinhas 
nördlich  von  der  Stadt  Bahia  gemachten  Aufsammlung  von 
Tertiärpflanzen.1 

Ettingshausen  hat  zwar  die  ganze  Sammlung  bestimmt 
und  die  Stücke  in  einer  jeden  Zweifel  ausschließenden  Weise 
bezeichnet,  auch  eine  Skizze  der  Arbeit,  eine  Reihe  bei  der 
ausführlichen  Bearbeitung  zu  verwendender  Naturselbstdrucke 
von  Blättern  rezenter  zum  Vergleiche  herangezogener  Arten 
hinterlassen;  er  hat  jedoch  nur  mehr  wenige  Beschreibungen 
der  von  ihm  in  der  fossilen  Flora  von  Ouri9anga  unter- 
schiedenen Arten  ausführen  können,  da  ihn  schwere  Krankheit, 
von  der  er  nicht  mehr  genesen  sollte,  daran  verhinderte. 

Durch  einen  Zufall  gelangte  ich  in  den  Besitz  der  Auf- 
zeichnungen von  Ettingshausen  und  fand  so,  da  mir  auch 
die  Stücke  der  Hussak'schen  Sammlung  bekannt  waren,  den 
Schlüssel  einerseits  für  die  letztere,  anderseits  in  dieser  für  die 
erwähnten  Aufzeichnungen,  aus  welchen  direkt  nicht  zu  er- 
sehen war,  auf  welche  Sammlung  sie  sich  beziehen.  Manu- 
skriptfragment und  Sammlung  konnten  nun  durch  sorgfältige 


i  Diese  Sammlung  wird  gegenwärtig  im  Naturhistorischen  Hofmuseum 
aufbewahrt. 


Fossile  Flora  von  Ouricanga  (Brasilien).  853 

gegenseitige  Vergleichung  in  Ordnung  gebracht  werden.  Auch 
die  auf  11  Tafeln  verteilten  Naturselbstdrucke  mußten  zu 
diesem  Zwecke  auf  Grundlage  einer  vorhandenen  Liste  und 
auf  Grund  von  Vergleichungen  mit  Herbarexemplaren  identi- 
fiziert werden.  Da  die  Ausführung  der  Beschreibungen  im 
Sinne  Ettingshausens  und  die  Textierung  der  Begründung 
der  Bestimmungen  noch  einige  Zeit  in  Anspruch  nehmen 
werden,  sei  es  gestattet,  schon  jetzt  einen  Bericht  über  die  Er- 
gebnisse der  von  Ettingshausen  durchgeführten  Unter- 
suchung der  fossilen  Flora  von  Ouri9anga  zu  geben. 

Ettingshausen  hält  diese  Flora,  wie  aus  dem  Umstände 
erhellt,  daß  er  eine  Licania  pliocenica  und  eine  Guarea  plio- 
cenica  aufstellt,  für  eine  Flora  der  Pliocaenzeit. 

Schlüsse  allgemeiner  Natur  ergaben  sich  aus  einer  Über- 
sicht der  Gattungen  und  Arten  der  fossilen  Flora  unter  Berück- 
sichtigung der  rezenten  Analogien;  sie  sollen  zum  Schlüsse 
dieser  vorläufigen  Mittheilung  zusammengefaßt  werden. 

In  der  nachfolgenden  Übersicht  über  die  fossile 
Flora  von  Ouri9anga  in  Brasilien  sind  die  von  Ettings- 
hausen als  neu  bezeichneten  Arten  mit  dem  Vermerk  n.  sp. 
versehen,  und  diejenigen,  von  welchen  er  auch  Beschreibungen 
hinterlassen  hat,  durch  ein  *  gekennzeichnet. 

Pilices. 

*1.  Asplenium  prae-oligophyllwm    n.   sp.  Rezente  Analogie: 

A.  oligophyllum  Kaulf.,  Brasilien. 
*2.  Cyathea  prae-ebenica  n.  sp.  Rezente  Analogie:    C.  ebenica 

Karst.,  Venezuela. 

Cycadeae. 

*3.  Zamia  praecedens  n.  sp.  Die  rezente  in  Brasilien  vor- 
kommende Zamia  Boliviana  D.  C.  stimmt  in  der  Breite 
der  Blättchen  mit  der  fossilen  überein. 

Coniferae. 

*4.  Spuren   von    Cupressineen.  Bruchstücke  von   Zvveigchen 

nicht  selten,  nicht  näher  bestimmbar. 
*5.  Nadelfragment  von  Pinus? 


854  F.  Krasser, 

Typhaceae. 

*6  Sparganiumt  Ein  einziges  Blattbruchstück  vom  Aussehen 
des  Sparganium  acheronticum  Ung.  des  europ.  Tertiär. 

Palmae. 

*7.  Blütenspindeln  und  höchst  mangelhaft  erhaltene  Blatt- 
reste. 

Cupuliferae. 

*8.  Quercus  Pseudo-Dapknes  n.  sp.  Analoge  Blattbildung  be- 
sitzt die  rezente  Qu.  virens  Ait,  die  gleiche  Bildung  des 
Tertiärnetzes  Qu.  Dapknes. 

*9.  Qu.  brasiliensis  n.  sp.  Zeigt  den  Blatt-Typus  einer  Reihe 
von  Arten  aus  der  Abteilung  Cyclobalanus  und  Pasania. 
Unter  den  fossilen  Eichen  steht  Qu.  Hookeri  Ett.  Tertfl. 
Austr.  I.  am  nächsten. 

MO.  Qu.  Hussakii  n.  sp.  Analog  der  Qu.  Galeotti  Mart,  nur  von 
dünnerer  Textur.  Nähert  sich  einer  Reihe  amerikanischer 
Formen.  Unter  den  fossilen  Eichen  zeigen  Qu.  medüer- 
ranea  und  Zoroastri  die  meiste  Annäherung. 

*11.  Qu.  prae-mespilifolia  n.  sp.  Die  Blätter  sind  noch  ledriger 
als  bei  der  rezenten  Qu.  mespilifolia  Wall.  Von  den 
fossilen  Eichen  ist  Qu.  castaneopsis  Lesqu.  nächst  ver- 
wandt. 

Sämtliche  von  Ettingshausen  in  der  Tertiärflora 
Brasiliens  nachgewiesene  Eichen  haben  Blätter  von 
lederiger  Textur.  Ettingshausen  legt  großes  Gewicht  auf 
den  Nachweis  der  Gattung  Quercus,  »da  hiedurch  abermals 
ein  schlagender  Beweis  für  die  Mischung  der  Floren- 
elemente in  der  Tertiärflora«  geliefert  wird.  Der  sichere 
Nachweis  der  angegebenen  Quercusarten  war  nur  auf 
Grund  einer  schon  früher  von  Ettingshausen  publi- 
zierten monographischen  Bearbeitung  der  Blattformen  der 
rezenten  Quercusarten  möglich  (Vgl.  Denksch.,  Bd.  LXIII). 


Fossile  Flora  von  Ouric,anga  (Brasilien).  855 

Moreae. 

*12.  Ficus  prae-cestrifolia  n.  sp.  Es  besteht  eine  auffallende 
Übereinstimmung  mit  den  Blättern  der  brasilianischen 
Ficus  cestrifolia  Schott. 

*13.  Ficus  sp.  Blattabdrücke,  deren  Merkmale  am  meisten  mit 
Ficus  übereinstimmen.  Sie  lassen  sich  mit  Ficus  nitida 
Thunberg  vergleichen.  Unter  den  fossilen  Ficus  ist  Ficus 
multinervis  Heer  am  ähnlichsten. 

Artocarpeae. 

*  14.  Artocarpidium  brasiliense  n.  sp.    Die  Nervation  schließt 

an  Artocarpus  rigida  L.   und  Brosimum  Galactodendron 
D.  Don  an. 
*15.  A.  rectinerve  n.  sp.,  erinnert  in   manchen   Merkmalen  an 
Brosimum  Galactodendron. 

Laurineac. 

*  1 6.  Cinnamomum  brasiliense  n.  sp.  Steht  dem  rezenten  C. Mala- 

bathrum  Don  sehr  nahe. 
*I7.  C.  camphoroides  n.  sp.  Nahe  verwandt  mit  dem  rezenten 
C.  Bur mannt  Bl.  und  C.  albiflorum  Hook. 

Die  Gattung  Cinnamomum  findet  tich  fast  in  allen 
Tertiärfloren  vom  Eocän  bis  zum  Pliocän  in  Europa  und 
Nordamerika  häufig.  Auch  im  Tertiär  Australiens  und 
Neuseelands  unzweifelhaft  vorhanden,  findet  sich  diese 
Gattung  nach  Ettingshausen  auch  in  der  Tertiärflora 
von  Chili ,  da  das  von  Engelhardt  angegebene 
»Laurineenblatt«  zu  C.  gehört. 

Oleaceae. 

*18.  Oleoides.  Ceranthus  n.  sp.  Es  konnte  vorläufig  nur  die 
Sammelgattung  Oleoides  Ung.  angenommen  werden. 

Apocynaceae. 

19.  Apocynophyllum  brasiliense  n.  sp.  Analogien  finden  sich 
insbesonders  bei  Plumeria,  ferner  Alyxia,  Rauwolfia,  Aspi- 
dosperma.  Unter  den  fossilen  Arten  kommt  A.  chilense 
Engelh.  nahe. 


856  F.  Krasser, 

Myrsineae. 

20.  Myrsine  crenulata  n.  sp.  Zeigt  Beziehungen  zu  Myrsinc 
variabilis. 

21.  M.  excoecarioides  n.  sp. 

Sapotaceae. 

22.  Sapotacites  chrysophylloides  n.  sp.  Analogien  finden  sich 
in  den  Blattmerkmalen  von  Chrysophyllutn  und  Mimusops 
Cqffra. 

23.  S.  proximus  n.  sp.  Analogien  mit  Copaifera- Arten  und  mit 
tertiären  Sapotacites-Arten. 

24.  S.  bumelioides  n.  sp.  Analogien  bestehen  mit  Bumelia 
lucida  und  auch  mit  Lucuma  Bonplandii. 

25.  S.  ornatus  n.  sp. 

26.  Labatia  tertiaria  n.  sp.  Schließt  an  Labatia-  und  Lucuma- 
Arten  in  der  Nervation  an. 

Die  aus  der  Tertiärflora  von  Chili  durch  Engelhardt 
beschriebenen  »Anona«  erklärt  Ettingshausen  für 
Sapotaceenreste,  so  daß  also  auch  in  der  älteren  Tertiärzeit 
Sapotaceen  in  der  Flora  Südamerikas  vorhanden  waren. 

Styraceae. 

27.  Styrax  praecedens  n.  sp.  Unter  den  rezenten  Arten  zeigt 
besonders  St.  ferruginea  Ähnlichkeiten.  Auch  die  fossile 
St.  glabratoides  Engel h.  (Chile)  ist  ähnlich. 

Loranthaceae. 

28.  Loranthophyllnm  phoradendroides  n.  sp.  Scheint  mit 
Phoradendron  emarginatum  Mart.  (Brasilien)  verwandt 
zu  sein. 

29.  L.  dendrophtoe  n.  sp.  Bezüglich  des  Netzes  der  Sekundär- 
nerven schließt  sich  das  Fossil  an  die  rezente  Dendroph- 
thoe  tetrapetala  Bl.  (Australien)  und  bezüglich  der  Primär- 
nerven und  der  Blattform  an  Struthanthus  flexicaulis  Mart. 
(Brasilien)  an. 

30.  L.  parvttm  n.  sp.  Mit  Phthirusa  aliernifolia  Eichl. 
(Brasilien)  nach  Textur  und  Feinheit  der  Sekundärnerven, 


Fossile  Flora  von  Ourifanga  (Brasilien).  857 

mit  Dendrophthoe  cellastroides  Mart.  (Australien)  wegen 
Form,  Textur  und  Nervation  vergleichbar. 

31.  L.  ovalifolium  n.  sp.  Scheint  besonders  mit  Phthirusa 
Theobromae  Willd.  (Brasilien)  verwandt  zu  sein.  Doch 
zeigen  auch  Ph.  ovata  Pohl  (Brasilien)  und  Ph  .pyrifolia 
H.  B.  &  K.  (Trop.  Südamerika)  und  Pkrygilanihus  Tagua 
Ei chl.  (Brit.  Guiana)  große  Analogie  in  verschiedenen 
Merkmalen. 

Saxifragaceae  (Cunonieae). 

32.  Weintnannia  Bahiana  n.  sp.  Schließt  sich  an  die  rezente 
W.  glabra  M.  (Trop.  Amerika)  an. 

Myristicaceae. 

33.  Myristica  apocynophylloides  n.  sp. 

Bombaceae. 

34.  Bombaciphyllum  mtütinerve  n.  sp. 

35.  B.  tenuinerve  n.  sp. 

Clusiaceae. 

36.  Calophyllum  pliocenicum  n.  sp.  Zeigt  große  Annäherung 
an  C.  Calaba. 

Meliaceae. 

37.  Guarea  pliocenica  n.  sp.  Die  rezente  G.  trichilioides  Cav. 
(Brasilien)  ist  nahe  verwandt. 

Malpighiaceae. 

38.  Malpigkiastrum  brasiliense  n.  sp.  Die  rezente  Hiptage 
Madablota  Gaertn.  kommt  der  fossilen  Art  sehr  nahe. 

39.  M.  hiraeaefolium  n.  sp.  Erinnert  in  wesentlichen  Merk- 
malen an  Hiraea  cordata  H  ayne. 

Sapindaceae. 

40.  Sapindus  tenuinervis  n.  sp.  Klingt  an  verschiedene  Sapin- 
dus-Arten an. 


858  F.  Krasser, 

41.  Cupania  prae-iomeniosa  n.  sp.  Mit  der  rezenten  C.  tonten- 
tosa  Swartz  (Westindien)  zeigt  sich  engste  Überein- 
stimmung. 

Celastrineen. 

42.  Celastrus  n.  sp.  Analog  mit  dem  fossilen  C  europaeus 
Ung. 

43.  Celasims  n.  sp.  Mit  Frucht. 

44.  C.  avicennioides  n.  sp. 

Ilicineae. 

45  Hex  n.  sp. 

Euphorbiaceae. 

46.  Euphorbiophyllum  mabaeformis  n.  sp.  Arten  von  Mabea 
und  Actinostemon  zeigen  die  ähnlichsten  Merkmale. 

Anacardiaceae. 

47.  Anacardiophyllum  rotundifoliutn  n.  sp. 

49.  A.  parvifoliutn  n.  sp. 

50.  Spondias  prae-laurifolia  n.  sp.  Beste  Übereinstimmung 
mit  S.  laurifolia. 

Connaraceae. 

51.  Connarophyllum  crassinervium  n.  sp. 

52.  Cnestis  praecedens  n.  sp. 

53.  C.  grandifolia  n.  sp. 

Vochysiaceae. 

54.  Amphilochia  protogaea  n.  sp. 

55.  Vochysia  dubia  n.  sp. 

56.  Qualea  parvifolia  n.  sp. 

Combretaceae. 

57.  Terminalia  lauritta  n.  sd. 


~j 


Fossile  Flora  von  Ouricanga  (Brasilien).  859 

Alangieae. 

58.  Alangium  comifolium  n.  sp.  Rezente  Analogie:  A.  hexa- 
petalum  Lam. 

Melastomaceae. 

59.  Miconia  lancifolia  n.  sp.  Rezente  Analogie:  Miconia  holo- 
sericea  D.  C.  Brasilien. 

Chrysobalanaceae. 

60.  Cktysobalanus  Prae-Icaco    n.  sp.   Dem  rezenten  C.  Icaco 
nächst  verwandt. 

61.  Idcania  pliocenica  n.  sp.  Rezente  Analogie:    Verschiedene 
Licania-Arten. 

62.  Hirtella  Hussakii  n.  sp.  Rezente  Analogie:   Verschiedene 
Hirtella-Arten. 

Papilionaceae. 

63.  Dalbergiophyllum  ellipticum  n.  sp. 

64.  D.  parvulum  n.  sp. 

65.  Phaseolites  n.  sp. 

Caesalpinieae. 

66.  Copaifera  n.  sp. 

67.  Cassta.  Es  scheinen  4  n.  sp.  unterscheidbar  zu  sein. 

Mimoseae. 

68.  Inga  n.  sp.  Kommt  der  Inga ßabelliformis  Mart.  nahe. 

Es  ergeben  sich  etwa  folgende  allgemeine  Resultate: 

1.  Die  Tertiärflora  Brasiliens  zeigt  enge  Beziehungen  zur 
rezenten  Flora  dieses  Gebietes.  Sie  enthält  Arten,  welche 
den  rezenten  so  nahe  kommen,  daß  sie  als  die  unmittel- 
baren Vorläufer  derselben  betrachtet  werden  können, 
manche  vielleicht  sogar  identisch  sind.  (Vergl.  die  Arten, 
deren  Name  mit  »prae-<  zusammengesetzt  ist.) 


860  K.  Krasser,  Fossile  Flora  von  Ouricanga  (Brasilien). 

2.  Nur  wenige  Reste  mußten  in  Sammelgattungen  unter- 
gebracht werden.  (Artocarpidium,  Oleoides,  Loranlho- 
phyllutn  u.  s.  w.) 

3.  Neben  brasilianischen  und  südamerikanischen  Typen 
zeigen  sich  auch  fremde  Florenelemente.  (Qiiercus,  Cinna- 
ntotnum  u.  s.  w.) 

4.  Auch  in  der  Tertiärflora  Brasiliens  läßt  sich  daher  eine 
Mischung  der  Florenelemente  nachweisen. 

5.  Die  Tertiärflora  Brasiliens  zeigt  deutliche  Beziehungen 
auch  zur  älteren  Tertiärflora  von  Chili,  in  welcher  nach 
Ettingshausen  ebenfalls  nicht  bloß  tropisch-ameri- 
kanische Florenelemente  vorkommen,  denn  das  »Laura- 
ceenblatt«  Engelh.  =  Cinnamomum. 


861 


Berieht  über  die  mit  Unterstützung  der  kaiser- 
liehen Akademie  unternommene  Reise  be- 
hufs des  Studiums  fossiler  Araehniden 

von 
Prof.  Dr.  Anton  Fritsch  in  Prag. 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  17.  Dezember  1003.) 

Beim  Beginn  des  Studiums  der  in  den  letzten  Dezennien 
in  Böhmen  entdeckten  paläozoischen  Araehniden  erkannte 
ich  bald,  daß  es  nötig  ist,  sowohl  die  im  Ausland  befindlichen 
Exemplare  aus  Böhmen,  als  auch  die  ihnen  verwandten  aus- 
ländischen Funde  zu  untersuchen  und  mit  Fachmännern 
darüber  Rücksprache  zu  pflegen. 

Zuerst  besuchte  ich  London,  um  das  im  Britischen 
Museum  befindliche,  als  Cyclophthalmus  senior  bezeichnete 
Exemplar  aus  Rakonitz  näher  zu  untersuchen.  Nach  mehr- 
tägiger Präparation  gelang  es  mir,  das  von  Gestein  verdeckte 
Postabdomen  zu  entblößen  und  am  Negative  die  Kamm- 
organe heraus  zu  präpariren. 

Es  bestätigte  sich,  daß  dies  kein  Cyclophthalmus  ist, 
sondern  ein  Repräsentant  einer  eigenen  Gattung,  welche  ich 
Eobuthus  benannte. 

Hier  fand  ich,  daß  hinter  den  großen  Mittelaugen  kein 
Halbkreis  kleinerer  Augen  steht,  wie  ich  schon  früher  bei 
Cyclophthalmus  nachgewiesen  habe,  und  daß  hier  auch  Spuren 
von  Randaugen  wahrzunehmen  sind,  ganz  ähnlich  wie  man  es 
bei  den  rezenten  Buthiden  findet.  Von  Cyclophthalmus  weicht 
Eobuthus  durch  anderen  Scheerenbau,  sowie  durch  ein 
abweichend  geformtes  Sternum  ab. 

Außerdem  machte  ich  Prof.  Pocock  auf  zwei  neue 
Opilioniden  aus  der  Steinkohlenformation  Englands  aufmerk- 


862  Dr.  A.  Fritsch, 

sam,  welche  derselbe  seit  der  Zeit  im  Geological  Magazin 
beschrieb  als  Anthracosiro  Woodtvardi  und  Anthracosiro 
Fritschii. 

In  Paris  hatte  ich  Gelegenheit,  die  zwei  Arachniden  aus 
der  Steinkohlenformation  von  Commentry,  die  von  Thevenin 
beschrieben  wurden,  zu  untersuchen  und  fand,  daß  die 
Originale  viel  mehr  Detail  erkennen  lassen  als  die  publizierten 
Photographien. 

Bei  Nemastoides  Elaveris  fand  ich  einen  ovipositor, 
wodurch  die  Verwandtschaft  zu  den  rezenten  Opilioniden  klar 
hervortritt. 

Die  Exemplare  wurden  mir  nicht  nach  Prag  geliehen, 
aber  auf  Grund  der  mir  von  H.  Thevenin  besorgten  Photo- 
graphien werde  ich  in  meinem  im  Druck  befindlichen  Werke: 
»Monographie  der  paläozoischen  Arachniden«  dennoch  Restau- 
rationen sowohl  von  Nemastontoides  als  auch  von  Eotrogulus 
Thev.  zu  geben  Gelegenheit  haben. 

Auch  erhielt  ich  von  Herrn  Thevenin  eine  ausge- 
zeichnete Photographie  eines  mit  Kreischeria  verwandtet? 
Tieres,  das  aus  der  Steinkohlenformation  von  Valenciennes 
(Westphalien)  herrührt  und  in  der  Sammlung  der  Ecole  de 
mines  in  Paris  sich  befindet. 

Dasselbe  repräsentiert  eine  neue  Gattung,  die  ich  Hemi- 
kreischeria  zu  nennen  vorschlage  und  von  der  ich  eine 
Restauration  veröffentlichen  werde. 

In  Dresden  untersuchte  ich  die  von  Geinitz  beschriebene 
Kreischeria  Wiedei  eingehend  und  stellte  auf  Grund  von 
sechsmal  vergrößerten  Zeichnungen  eine  Restauration  her,  die 
bedeutend  von  der  bei  Haase  dargestellten  abweicht  und  eine 
bessere  Grundlage  für  die  Vergleiche  mit  verwandten  Arten 
bieten  wird.  Diese  Arbeit  wurde  mir  auch  durch  Photographien 
erleichtert,  die  ich  der  Gefälligkeit  des  Dr.  Deichmüller 
verdanke. 

Auch  fand  ich  hier  mehrere  Exemplare  der  Gattung 
Anthracomartus,  welche  mir  ermöglichten,  genaue  Darstellung 
der  Rücken-  und  Bauchseite  durchzuführen,  welche  bisher  im 
Unsicheren  waren,  da  durch  Druck  beide  zugleich  an  den 
früher  studierten  Exemplaren  zum  Vorschein  kamen. 


Fossile  Arachniden.  863 

In  Breslau  konnte  ich  zwei  ungenügend  bekannte  Arach- 
niden aus  der  schlesischen  Steinkohlenformation  untersuchen. 

Vor  allem  die  zuerst  bekannt  gewordene  paläozoische 
Spinne,  welche  Römer  als  Protolycosa  anthracophyla beschrieb 
und  abbildete. 

Dieselbe  sollte  nach  diesem  Autor  lange  Dornen  am 
Abdomen  besitzen,  aber  bei  stärkerer  Vergrößerung  und  nach 
Befeuchtung  mit  schwacher  Gummi  arabicum-Lösung  stellte 
es  sich  heraus,  daß  dies  große  gegliederte  Genitalanhänge 
sind,  wie  wir  sie  neuerer  Zeit  bei  den  in  Böhmen  gefundenen 
Steinkohlenspinnen  auch  gefunden  haben  und  wie  sie  auch 
die  rezente  Art  Liphistus  besitzt. 

Der  zweite  Arachnid  warder,  welcher  von  Römer  als 
Architarbus  Silesiacus  beschrieben,  aber  nicht  abgebildet 
wurde.  Es  stellte  sich  heraus,  daß  dies  kein  Architarbus  ist, 
sondern  eine  neue  Gattung  mit  vier  gekrümmten  Stacheln  am 
Abdomen  und  ich  nenne  dieselbe  Vratislavia  und  werde  so- 
wohl die  Originalzeichnungen  als  die  Restauration  der  Ober- 
und  Unterseite  bringen. 

In  Wien  war  es  meine  erste  Sorge,  nach  den  Originalen 
zu  Sturs  Eophrynus  Salmii  zu  fahnden.  In  der  k.  k.  Geologi- 
schen Reichsanstalt  waren  dieselben  nicht  zu  finden  und  ich 
erhielt  bloß  durch  die  Güte  des  Sektionsgeologen  Petatschek 
einen  Gipsabguß  der  gesuchten  Art,  sowie  von  dem  bisher 
nicht  abgebildeten  Eophynus  Sturii  Haase.  Alle  Bemühungen 
durch  Korrespondenz  zu  eruieren,  wo  sich  die  Originale  dieser 
zwei  wichtigen  Arten  befinden,  blieben  ohne  Erfolg. 

Die  Abgüsse  waren  so  gut,  daß  ich  sicherstellen  konnte, 
daß  beide  Arten  Repräsentanten  von  neuen  Gattungen  sind. 

Eophrynus  Salmii  gehört  der  neuen  Gattung  Stenotro- 
gultts,  Eophrynus  Sturii  zur  Gattung  Cyclotrogulns,  welche 
beide  durch  die  Stellung  der  Höcker  am  Cephalothorax  von 
Eophrynus  verschieden  sind. 

Im  Hofmuseum  zu  Wien  untersuchte  ich  ein  weiteres 
Exemplar  des  Skorpions  von  Rakonitz  und  überzeugte  mich, 
daß  es  nicht  das  Negativ  unseres  Exemplares  ist.  Übrigens 
bot  es  nichts  neues. 


864  Dr.  A.  Fritsch, 

Interessanter  war  die  Revision  einiger  Spinnen  aus  der 
Gaskohle  von  Nyran,  auf  welche  mich  Herr  Kustos  Kittl  auf- 
merksam machte. 

Das  eine  war  ein  gut  erhaltenes,  nicht  aus  Schwefelkies 
bestehendes  Exemplar  von  Promygale  boAemica,  das  die  Ober- 
seite des  Körpers  ausgezeichnet  erhalten  zeigte  und  von  mir 
auf  Taf.  15  wird  veröffentlicht  werden. 

Von  Promygale  elegans  Fr.  lag  hier  ein  Exemplar  nebst 
Gegendruck  vor,  das  mit  Erlaubnis  des  Herrn  Direktor  Prof. 
Fuchs  zur  Anfertigung  von  galvanischen  Abdrücken  ver- 
wendet wurde  und  eine  vollkommene  Herstellung  der 
Restauration  der  beiden  Körperseiten  ermöglichte. 

Dieser  kurze  Bericht  dürfte  einen  Beleg  liefern  über  die 
Verwendung  der  mir  von  der  k.  Akademie  gewährten  Boue- 
Stiftung. 

Die  unternommenen  Reisen  vervollständigten  meine  Arbeit 
über  die  paläozoischen  Arachniden,  welche  binnen  kurzem 
mit  15  Tafeln  und  etwa  100  Textfiguren  erscheinen  wird  und 
in  welchen  über  60  Arten  behandelt  werden,  von  denen  die 
Hälfte  aus  Böhmen  stammt. 

Ich  gebe  zum  Schlüsse  eine  Übersicht  über  die  bisher 
bekannten  palaeozoischen  Arachniden: 

Systematische  Obersicht  der  paläozoischen  Arachniden. 

Ordnung  Araneae  Sund. 

Unterordnung  Artharachnae  Haase. 

Familie  Arthrolycosidae  H arger. 

Gattung  Arthrolycosa  H arger. 

Arthrolycosa  antiqua  H arger,  Mazon  Creek. 
A.  (Scudderia)  carbonaria  Kt.  sp.,  Rakonitz. 
A.fortis  Fr.,  Rakonitz. 
A.  (Eolycosa)  Lorenzi  Kt.  sp.,  Rakonitz. 
A.  (Palaranea)  palaranea  Ft.,  Chomle. 
A.  Beechcri  Fr.,  Rakonitz. 


Fossile  Arachniden.  865 


Gattung  Protolycosa. 
Protolycosa  antkracophyla  Rom.,  Schlesien. 

Gattung  Geralycosa  Kt. 

Geralycosa  Fritschii  Kt.,  Rakonitz. 

Gattung  Rakovnicia  Kt. 
Rakovnicia  antiqna  Kt.,  Rakonitz. 

Unterordnung  Pleuraraneae  Fr. 

Familie  Hemiphrynidae  Fr. 

Gattung  Hemiphrynus. 

Hemiphrynus  longipes,  Nyfan. 
H.  Hofmanni  Fr.,  Nyfan. 

Familie  Promygalidae  Fr. 

Gattung  Promygale  Fr. 

Promygale  bohemica  Fr.,  Nyfan. 
P.  rotundata  Fr.,  Nyran. 
P.  elegcws  Fr.,  Nyran. 

Von  unsicherer  Stellung. 
Gattung  Eopholcus  Fr. 
Eopholcus  pedatus  Fr.,  Nyfan. 

Gattung  Pleurolycosa  Fr. 
PI eur oly cosa  prolif er a  Fr.,  Nyfan. 

Gattung  Perneria  Fr., 
Perneria  salticoides  Fr.,  Nyfan. 


866  Dr.  A.  Fritsch, 

Gattung  Brachylycosa  Fr. 
Brachylycosa  carcinoides  Fr.,  Nyfan. 

Gattung  Pyritaranea  Fr. 
Pyritanea  tubifera  Fr.  Nyfan. 

Ordnung  OpiUones  Sund. 

Unterordnung  Opionidae  veri  Fr. 
Gattung  Nemastomoides  Thev. 
Nemastomoides  Elaveris  T  h  e v  e  n  i  n ,  Commentry. 

Gattung  Dinopilio  Fr. 
Dinopilio  gigas  Fr.,  Rakonitz. 

Unterordnung  Meridogastra  Thorel. 

Familie  Poliocheridae  Scudder. 
Gattung  Poliochera. 

Poliochera  pnnctulata  Scudder,  Mazon  Creek. 

Familie  ArchiUrbidae  Kar  seh. 

Gattung  Geraphrynus  Scudder. 

Geraphrynus  carbonarius  Scudder,  Mazon  Creek. 

G.  elongatus  Scudder  sp.,  Braidwood  near  Mazon  Creek. 

Gattung  Architarbus  Scudder. 

Architarbus  rotundatus  Scudder,  Mazon  Creek. 
A.  subovalis  Woodw.,  Lancashire. 


Fossile  Ar  ach  rüden.  867 

Familie  Anthracomartidae  Haase. 

Gattung  Anthracomartus  Kars  eh. 

Anthracomartus  Kr ejcii  Kt.,  Rakonitz. 

A  minor  Kt.,  Rakonitz. 

A.  affinis  Kt.,  Rakonitz. 

(A  socius  Kt.)?,  Rakonitz. 

A.  Völkelianus  Kars  eh.,  Schlesien. 

A  granulatus  Frv  Schlesien. 

A.  trilobitus  Scudder,  Arkansas. 

A.  palatinus  Amon,  Pfalz. 

Gattung  Brachypygc  H.  Woedn. 

Brachypyge  celtica  Pocock  sp.,  Schottland. 
Brachypygc  carbonis  Woodw.,  England. 

Gattung  Anthracosire  Pocock. 

Anthracosiro  Woodwardi  Pocock,  Schottland. 
A  Fritschü  Pocock,  Schottland. 

Gattung  Eotrogulus  Thevenin. 
Estrogtilus  Fayoli  Thevenin,  Commentry. 

Gattung  Vratislavia  Fr. 
Vratislavia  silesiaca  F.  Römer,  Schlesien. 

Familie  Eophrynidae. 
Gattung  Eophrynus  H.  Woodward. 
Eophrynus  Prestwicii  Buckland  sp. 

Gattung  Stenotrogulus  Fr. 
Stenotrogulus  Salmii  Stur,  sp.,  Schlesien. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl. ;  CXD.  Bd.,  Abt.  I.  56 


868  Dr.  A.  Fritsch, 

Gattung  Cyclotrogulus  Fr. 

Cyclotrogulus  Sturii  Haasc  sp.,  Schlesien. 

Gattung  Kreischeria  Gein. 
Kreischeria  Wiedei  Gein,  Sachsen. 

Gattung  Adelocaris  Packard. 
Adelocaris  peruvianus  P  a  c  k  a  r  d ,  Perm  ? 

Gattung  Hemikreischeria  Fr. 
Hemikreischeria  Thevenini  Fr.,  Valenciennes. 

Gattung  Petrovicia  Fr. 

Petrovicia  proditoria  Fr.,  Petrovic. 

Ordnung  Pedlpalpl  Latr. 

Familie  Thelyphonidae. 

Gattung  Prothelyphonus  Fr. 

Prothelyphonus  bohemicus  Kusta  sp.,  Rakonitz. 
(Prothelyphonus  socius)  Fr.,  Chomle. 

Gattung  Geralinura  Scudder. 
Geralinura  carbonaria  Scudder,  Mazon  Creek. 

Ordnung  Scorplonldae. 

Unterordnung  Apoxypodes  Thor,  et  L.- 
Familie Palaeophonoidae  Th.  et  L. 
Gattung  Palaeophonus  Th.  et  L. 

Palaeophonns  nuncius  Th.  et  L.,  Schottland  (Silur). 
P.  Hunteri  Pocock,  Schottland  (Silur). 


Fossile  Arachniden.  869 

P.  Loudonensis  Laurie,  Schottland  (Silur). 
P.  Osborni  Whitefield  sp..  Amerika  (Silur). 

Unterordnung  Dionychopodes  Th.  et  L. 
Familie  Anthracoscorpii  Th.  et  L. 
Gattung  Cyclophthalmus  Cor  da. 
Cyclophthalmus  senior  Corda,  Chomle. 

Gattung  Microlabis  Corda. 
Microlabis  Sternbergii  Corda,  Chomle. 

Gattung  Isobuthus  Fr. 
Isobuthus  Kralupensis  Th.  et  L.  sp.,  Kralup. 

Gattung  Eobuthus  Fr. 
Eobuthus  Rakomicensis  Fr.,  Rakonitz. 

Gattung  Feistmantelia  Fr. 

Feistmantelia  ornata  Fr.,  Studnoves. 
(ßcorpio?)  Nyranensis  Fr.,  Nyfan. 

Gattung  Eoscorpius  M.  et  W. 

Eoscorpius  carbonarius  M.  et  W.,  Mazon  Creek. 
E.  anglicus  H.  Woodward,  England. 

Gattung  Mazonia  M.  et  W. 
Mazonia  Woodiana  M.  et  W.,  Mazon  Creek. 


56* 


870 


Ober  neue  Höhlenkäfer  aus  Dalmatien. 

Resultate  der  im  Sommer  1903  unternommenen  Forschungen 
in  dalmatinischen  Höhlen 


Dr.  Josef  Müller, 

Snpplenten  an  der  k.  fc.  Oberrealschule  in  Triest. 

(Mit  1  Textfigur.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  6.  November  1903.) 

Nach  anderthalbjähriger  Unterbrechung  konnte  ich  wieder- 
um eine  Reise  nach  Dalmatien  unternehmen,  um  weitere,  bis- 
her noch  nicht  untersuchte  Höhlen  hinsichtlich  ihrer  Fauna  zu 
durchforschen.  Mein  diesmaliger  Aufenthalt  in  Dalmatien 
währte  vom  13.  August  bis  zum  12.  September,  und  zwar 
besuchte  ich  in  der  zweiten  Hälfte  des  Monats  August  in 
Begleitung  meiner  verehrten  Freunde  Dr.  Hermann  Krauss 
aus  Marburg  a.  D.  und  Prof.  Dr.  Karl  Alfons  Pen  ecke  aus 
Graz  einige  Höhlen  auf  der  Insel  Brazzaundin  der  Umgebung 
vonSebenico;  im  September  bot  sich  die  Gelegenheit,  zu- 
sammen mit  meinen  Freunden  Josef  Leinweber  (Scardona) 
und  Peter  Novak  (Zara)  eine  Anzahl  von  Höhlen  in  der  Um- 
gebung von  Gjevrske  zu  erforschen. 

Bevor  ich  zur  Besprechung  der  Sammelergebnisse  über- 
gehe, sei  es  mir  erlaubt,  der  löblichen  Lloyddirektion  in  Triest 
meinen  aufrichtigsten  Dank  auszusprechen  für  die  mir  bewilligte 
Freifahrt  in  Dalmatien.  Ferner  sage  ich,  auch  im  Namen  meiner 
Reisegefährten  Dr.  Krauss  und  Prof.  Pen  ecke,  dem  Herrn 
Nicolaus  L.  Petric  aus  Bol  (Brazza)  unseren  besten  Dank  für 


Höhlenkäfer  aus  Dalmatien.  87 1 

das  Interesse,  welches  er  unseren  Höhlenuntersuchujjgen  ent- 
gegengebracht, sowie  für  die  bereitwillige  Unterstützung  durch 
Rat  und  Tat,  die  er  uns  während  unseres  Aufenthaltes  in  Bol 
angedeihen  ließ. 

Alle  die  von  uns  untersuchten  Höhlen  der  Insel  Brazza 
liegen  im  Kreidekalk,  der  fast  die  ganze  Insel  zusammensetzt.1 
Die  Höhle,  die  uns  den  ersten  neuen  Höhlenkäfer  lieferte,  heißt 
»Bazdovaca  jama«  und  liegt  auf  dem  Karstplateau  der  Insel 
nördlich  vom  Monte  S.  Vi to  (der  größten  Erhebung  der  Insel, 
778  m  hoch),  etwa  zehn  Minuten  vom  sogenannten  »Bezmek- 
stan«  entfernt. östl.  Länge  34°  17'  20",  nördl.  Breite  43°  15'  39". 
Die  Höhle  öffnet  sich,  zirka  600  m  über  dem  Meeres- 
spiegel mit  einem  breiten,  feuchten  Trichter,  der  sich 
unten  zu  einem  schief  nach  abwärts  führenden,  dunklen  Gang 
verengt.  Dieser  Gang  erweitert  sich  bald  zu  einer  rundlichen, 
hohen  Kammer,  die  zugleich  den  tiefsten  Teil  der  Höhle  bildet. 
Der  Boden  ist  hier  feucht,  lehmig;  stellenweise  sind  kleine 
Wasseransammlungen  vorhanden.  In  diesem  Teile  der  Höhle 
fanden  wir  unter  Steinen,  aber  auch  am  Boden  umherlaufend 
einige  Exemplare  einer  neuen  Anophthalmus-Art  (lucidus  mihi). 
Von  Höhlensilphiden  konnten  wir  trotz  eifrigen  Suchens  keine 
Spur  entdecken  und  auch  das  Ködern  mit  stinkenden  Knochen 
blieb  erfolglos. 

Die  Höhle  von  »Cinjadra«, drei  Viertelstunden  nordöst- 
lich von  der  Ortschaft  Neresi  entfernt,  liegt  etwa  300*w  über 
dem  Meeresspiegel.  Sie  stellt  einen  im  allgemeinen  horizontal 
verlaufenden,  nur  stellenweise  aufsteigenden,  ziemlich  engen 

i  Nur  eine  kleine,  sogenannte  Höhle,  die  wir  am  25.  August  mit  einer 
Barke  besuchten,  befindet  sich  in  einem  anderen  Gestein,  nämlich  in  einer 
harten,  rötlichen  Kalkbreccie,  die  am  Südabhange  der  Insel  in  der  Umgebung  von 
Bol  auftritt  und  von  der  Küste  bis  zu  einer  gewissen  Höhe  hinauf  zu  verfolgen 
ist.  Dieser  Besuch  fiel  aber  ganz  ergebnislos  aus,  da  es  sich  nur  um  eine  kleine, 
domartige  Auswaschung  in  dem  genannten  Gesteine  handelt,  in  die  das  Meer  und 
das  Tageslicht  eindringt,  so  daß  hier  wohl  keine  Höhlenkäfer  zu  erwarten  sind. 
Dieses  Loch  heißt  »Golubna  spilja*  (wegen  des  Vorkommens  von  Tauben) 
und  liegt  an  der  Südküste  der  Insel,  zwischen  der  Punta  lunga  und  dei  Ort- 
schaft Murvica,  östlich  von  Bol. 


872  J.  Müller. 

Gang  dar#  welcher  schätzungsweise  80 — 100  m  lang  sein  dürfte 
und  sich  längs  einer  äußerlich  sichtbaren  Verwerfungskluft 
erstreckt.  Sinterbildungen  und  Tropfsteine  sind  namentlich  im 
hinteren  Teile  der  Höhle  reichlich  vorhanden;  die  Tropfsteine 
fallen  durch  ihre  äußerst  grobkrystallinische  Struktur  auf.  Die 
Höhle  ist  ziemlich  feucht  und  der  an  den  Wänden  haftende 
Lehm  spricht  dafür,  daß  sie  in  der  Regenperiode  vom  Wasser 
ganz  durchströmt  wird.1  Beim  ersten  Besuche  fanden  wir  trotz 
eifrigen  Suchens  nicht  einen  blinden  Höhlenkäfer,  während  am 
Tage  darauf  am  ausgelegten  Köder  (stinkende  Knochen)  sich 
30  Exemplare  einer  neuen  Spelaeobates-Avt  (Peneckei  mihi) 
angesammelt  hatten.  Am  Eingang  der  Höhle  fanden  wir  zwei 
Exemplare  des  Laemosthenes  elongatus  robusttts  Seh  auf. 

Ebenfalls  in  der  Umgebung  von  Neresi  befindet  sich  eine 
andere  Höhle,  »Dobrajama«  genannt;  sie  liegt  südwestlich 
von  der  genannten  Ortschaft,  in  einer  Entfernung  von  zirka  drei 
Viertelstunden.  Die  Distanz  zwischen  dieser  Höhle  und  jener 
von  »Cinjadra«  (Luftlinie)  dürfte  etwas  über  5  km  betragen.  Sie 
öffnet  sich  ungefähr  400  m  über  dem  Meeresspiegel  mit  einem 
tiefen,  von  steilen  Wänden  umgebenen  Trichter,  in  den  man 
ohne  Seil  nur  sehr  schwer  hinabklettern  kann.  Dieser  Trichter 
führt  zu  einem  schief  nach  abwärts  gerichteten  Gang,  der  in 
seinem  Verlaufe  zwei  senkrechte  Abstürze  bildet.  Unten 
erweitert  sich  die  Höhle  zu  einem  größeren  Raum,  dessen 
feuchter  Lehmboden  stellenweise  mit  Wasser  bedeckt  war,  das 
kleine,  seichte  Pfützen  ausfüllte.  In  diesem  unteren  Teile  der 
Höhle  wurde  eine  neue  Spelaeobates-Art  (Kraussi  m.)  entdeckt, 


1  Es  ist  ziemlich  allgemein  die  Meinung  verbreitet,  daß  in  engen,  lang- 
gestreckten Höhlen,  die  zu  gewissen  Jahreszeiten  von  einem  unterirdischen 
Wasserlauf  durchströmt  werden,  keine  Höhlensilphiden  vorkommen.  Daß 
diese  Ansicht  den  Tatsachen  nicht  entspricht,  beweist  das  Vorkommen  einer 
Spclatobatcs- Art  in  der  Höhle  von  »Öinjadra«,  ferner  das  Vorkommen  einer 
ApholeuoHUs- Art  (pubescens)  in  einer  Höhle  bei  Vrlika,  die  ebenfalls  einen 
langgestreckten,  unterirdischen  Gang  darstellt,  welcher  bei  Hochwasser  fast 
ganz  von  Wasser  durchströmt  wird.  Die  in  solchen  Höhlenräumen  lebenden 
Käfer  werden  sich  wahrscheinlich  zur  Zeit  der  Wasserfülle  gegen  die  Decke  der 
Höhle  flüchten,  um  sich  dort  in  hochgelegenen  Spalten  und  Löchern,  die  vom 
Wasser  nicht  ausgefüllt  werden,  zu  verstecken. 


HöhlenkÄfer  aus  Dalmatien.  873 

die  mit  der  vorher  erwähnten  Spezies  aus  der  Höhle  von 
»Öinjadra«  zwar  sehr  nahe  verwandt,  aber  doch  hinreichend 
verschieden  ist.  Letzterer  Umstand  ist  bei  der  geringen  Distanz, 
die  zwischen  der  »Dobra  jama«  und  der  Höhle  von  »Cinjadra« 
besteht,  jedenfalls  beachtenswert.  Am  Grunde  des  oberwähnten 
Trichters  waren  unter  feuchtem  Moos  massenhaft  kleine  Käfer, 
namentlich  Staphyliniden,  darunter  aber  keine  blinden  Spelaeo- 
philen.  Die  Höhle  dürfte  vom  Rande  der  oberen  Trichter- 
öffnung bis  zur  entlegensten  Stelle  ihrer  unteren  Kammer  eine 
Länge  von  etwa  100  m  haben. 

Die  übrigen  uns  von  der  Landbevölkerung  angegebenen, 
zahlreichen  Höhlen  in  der  weiteren  Umgebung  von  Bol  sind 
durchwegs  senkrechte  Schlote,  in  die  man  nur  mit  Hilfe  von 
Seilen  oder  Strickleitern  eindringen  kann.  In  eine  derartige 
Höhle  ließ  ich  mich  hinabseilen.  Sie  stellt  eine  senkrechte, 
zirka  1 8  m  tiefe,  brunnenartige,  sich  nach  unten  etwas  erweiternde 
Vertiefung  dar.  Das  Tagöslicht  dringt  bis  zum  Grunde  dieses 
Brunnens;  nur  einige  seitliche  Spalten  sind  den  Lichtstrahlen 
nicht  zugänglich.  In  einer  solchen  Spalte  legte  ich  Köder  aus, 
fand  aber  bei  einem  zweiten  Besuch  nur  Atheta  spelaea.  In 
Löchern  an  den  Wänden  dieser  Höhle  nisten  zahlreiche  Tauben 
und  diesem  Umstände  verdankt  die  Höhle  ihren  Namen: 
»Golubacka1  pecina«.  Sie  liegt  in  der  nächsten  Nähe  des 
Monte  S.  Vito  etwa  700m  über  dem  Meeresspiegel. 

Wie  erwähnt,  gibt  es  auf  der  Insel  Brazza  noch  eine  große 
Zahl  von  ähnlichen,  senkrechten,  teilweise  sehr  tiefen  Höhlen, 
und  es  werden  darunter  Wahrscheinlich  auch  einige  sein,  die 
sich  in  der  Tiefe  in  horizontaler  Richtung  weiter  ausdehnen. 
Doch  fehlte  es  uns  an  Zeit  und  an  den  nötigen  Hilfsmitteln,  um 
in  diese  schwer  zugänglichen  Löcher  einzudringen  und  deren 
Fauna  zu  erforschen. 

In  der  Umgebung  von  Sebenico  besuchten  wir  drei 
Höhlen,  die  sämtlich  auf  der  Spezialkarte  (1  :  75.000)  ver- 
zeichnet sind. 

Die  eine,  von  Sebenico  in  zirka  einer  halben  Stunde  zu 
erreichende   Höhle,   liegt  im  Nummulitenkalk  am  südlichen 

1  »Golub«  (kroat.)  ist  die  Taube. 


874  J.  Müller, 

Ende  des  Hafens  von  Sebenico,  wenige  Minuten  von  der 
Küste  entfernt.  Der  in  einer  kleinen  Doiine  befindliche,  nach 
Süden  gerichtete  Eingang  führt  in  eine  weite,  domartige 
Kammer,  in  die  wenigstens  teilweise  das  Tageslicht  eindringt. 
Im  Hintergrunde  dieses  Höhlendomes  befindet  sich  ein  kleiner 
See,  den  wir  durchwaten  mußten,  um  in  die  Höhle  weiter  vor- 
zudringen. Diese  besteht  in  ihrem  weiteren  Verlaufe  aus  einem 
im  allgemeinen  horizontal  verlaufenden,  nach  Norden  (gegen 
das  Meer  zu)  gerichteten  Gang,  in  dem  das  Vorwärtskommen 
äußerst  beschwerlich  war;  denn  der  Boden  war  fast  überall  mit 
großen,  von  äußerst  schlüpfrigem  Lehm  umgebenen  Stein- 
blöcken bedeckt  und  dazwischen  waren  größere  und  kleinere 
Wasseransammlungen  vorhanden.  Wir  mochten  zirka  80  m  in 
die  Höhle  eingedrungen  sein;  ein  weiteres  Vordringen  war 
wegen  des  (trotz  der  damals  in  Dalmatien  herrschenden  großen 
Trockenheit)  zu  hohen  Wasserstandes  nicht  möglich.  Sinter- 
bildungen und  Tropfsteine  fehlen  fast  vollständig.  Ein  genaues 
Absuchen  der  Höhle  blieb  fast  erfolglos;  von  Höhlensilphiden 
keine  Spur,  im  Vorderteil  unter  Steinen  ein  Laemostenes 
cavicola  Mülleri  Gangl.1  und  eine  Falagria  thoracica.  Zum 
Auslegen  von  Köder  hatten  wir  leider  keine  Zeit. 

Die  beiden  anderen  Höhlen  sind  am  besten  von  der  Bahn- 
station Vrpolje  aus  zu  erreichen.  Die  eine  ist  sehr  klein;  sie 
liegt  wenige  Meter  von  der  Bahnstrecke  entfernt  östliche 
Länge  33°  40'  25"  nördl.  Breite  43°  40/22'.  Eine  enge  Öffnung 
führt  in  eine  äußere,  kleine  Vorhalle;  aus  dieser  gelangt  man 
in  eine  etwas  größere,  dunkle  Kammer.  Diese  beiden  Teile  der 
Höhle  sind  voneinander  durch  eine  kleine,  von  einer  künstlichen 
Türe  durchbrochene  Mauer  getrennt.  Sowohl  das  Absuchen  der 
Wände  und  des  Bodens  als  auch  das  Auslegen  von  Köder 
blieben  erfolglos. 

Die  zweite  Höhle,  die  den  Namen  »Strazbenica«  führt, 
liegt  nördlich  von  Vrpolje.  Nördl.  Breite  43°41/50//,  östl. 
Länge  33°  41/40//.  In  einer  ein  paar  Meter  breiten  Einsenkung 
befinden  sich  zwei  enge  und  niedere  Öffnungen;  die  eine  führt 


1  Vergl.  L.  Gangibaue r,  Die  Rassen  des  Laemostenes  elegans  Dej.  und 
cavicola  Schaum,  in  Münch.  Kol.  Zeitschr.,  1.  Bd.  1903,  p.  222—229. 


Höhlenkäfer  aus  Dalmatien.  875 

in  nördlicher  Richtung  zu  einem  kleinen  Höhlenraum,  in  dem 
man  sich  kaum  bewegen  kann;  die  andere  noch  kleinere,  leicht 
übersehbare,  gegenüber  der  ersten  befindliche  Öffnung  ist  der 
Eingang  zur  eigentlichen  Höhle,  die  am  Anfang  äußerst  schmal, 
nur  sehr  schwierig  passierbar  ist,  sich  aber  bald  zu  einem  etwa 
80  m  langen  schief  nach  abwärts,  in  nordwestlicher  Richtung 
verlaufenden  Gang  erweitert.  Die  Höhle  liegt  im  Nummuliten- 
kalk.  Außer  einiger  Exemplare  des  Laemostenes  cavicola  Mülleri 
war  in  dieser  Höhle  auch  durch  Ködern  nichts  zu  finden. 

Die  in  der  Umgebung  von  Gjevrske(Norddalmatien,  an 
der  Reichsstraße  Zara-Kistanje,  zirka  12 km  vor  der  letzt- 
genannten Ortschaft  gelegen)  besuchten  acht  Höhlen  liegen 
durchwegs  in  einem  eocänen  Konglomerat,  welches  in  Wechsel- 
lagerung mit  Sandstein  (Flysch)  auftritt  und  dort,  wo  es  durch 
die  Erosion  freigelegt  wurde  (wie  in  der  Umgebung  von  Gjevrske) 
der  Gegend  ein  echtes  Karstgepräge  verleiht,  ganz  so  wie  der 
gewöhnliche  Kalkfels.  Unzählige  Spalten  und  Höhlen  durch- 
setzen dieses  Konglomerat;  die  meisten  sind  aber  sehr  klein 
und  für  das  Vorkommen  von  blinden  Höhlenkäfern  wohl  nicht 
geeignet;  aber  auch  in  den  wenigen  größeren  Höhlenräumen, 
die  ich  dort  besuchte  und  worin  man  blinde  Höhlenkäfer  ganz 
gut  hätte  erwarten  können,  war  absolut  nichts  zu  finden. 

Auf  die  Details  der  einzelnen  Höhlen  aus  der  Umgebung  von 
Gjevrske  will  ich  hier  nicht  eingehen;  nur  einer  Höhle  möchte 
ich  mit  einigen  Worten  gedenken,  da  sie  sich  durch  ihren 
Gehalt  an  Kohlensäure  auszeichnet. 

Sie  liegt  zwischen  Bratiskovci  und  Gjevrske;  östl. 
Länge  zirka  33°  33;  50",  nördl.  Breite  43°55'.  Sie  beginnt 
mit  einer  etwa  4w  tiefen  Einsenkung,  die  sich  unten 
in  zwei  ziemlich  horizontal  verlaufende  Äste  gabelt,  von 
denen  der  kürzere  nach  Norden,  der  längere  und  etwas  tiefer 
gelegene  nach  Süden  verläuft.  In  diesem  erlischt  die  Kerze  all- 
mählich, wenn  sie  am  Boden  gehalten  wird;  zuerst  wird  die 
Flamme  kleiner  und  nach  zirka  20  Sekunden  ist  sie  vollständig 
erloschen.  Aus  diesem  allmählichen  Erlöschen  der  Kerzenflamme 
geht  hervor,  daß  die  Kohlensäure  jedenfalls  nur  in  geringer 
Menge  vorhanden  ist;  dafür  spricht  auch  das  Vorkommen 
lebender  Toduriden,  Acarinen  und  einer  Troglophilns- Art  am 


876  J.  Müller, 

Boden  der  Höhle.  Ein  bis  anderthalb  Meter  über  dem  Boden 
erlischt  die  Kerze  auch  nach  längerer  Zeit  nicht,  brennt  aber 
viel  schlechter  als  im  Freien. 

Fast  in  allen  auf  dieser  Reise  besuchten  Höhlen  sammelte 
ich  neben  Koleopteren  auch  andere  Spelaeophilen,  wie  Titanetes- 
Arten,  Myriapoden,  Arachnoideen  u.  s.  w.  Diese  harren  jedoch 
der  Bearbeitung  und  werden  die  Resultate  an  anderer  Stelle 
veröffentlicht  werden;  nachstehend  lasse  ich  die  Beschreibung 
der  auf  dieser  Sammeltour  neu  entdeckten  Höhlenkäfer  folgen. 

1.  Anophthalmu8  lucidus  nov.  spec. 

Rufo-ferrugineus,  impubens,  nitidissimus ;  capite  pro- 
thorace  paulo  angustiore,  sulcis  frontalibus  integris,  tempora 
amplectentibus ;  antennis  dimidio  corporis  tanlummodo  paulo 
longioribus,  articulo  tertio  secundo  fere  sesqui,  interdum 
tantam  tertia  parte  longiore,  quarto  tertio  paulo  breviore  sed 
secundo  longiore;  prothorace  longitudine  vix  latiore,  cordato, 
ante  medium  dilatato,  angulis  posticis  magnis,  acutis,  fossulis 
basalibus  profundis;  elytris  simul  sumptis  prothorace  duplo 
latioribuSy  latitudine  plus  quam  sesqui  longioribus,  lateribus 
parum  rotundatis,humerisdistinctisyobtuse  rotundato-angulatis; 
striarum  dorsalium  tantum  tribus  primis perspicuis,  subtilibusj 
externis  nullis;  interstitio  tertio  elytrorum  punctis  setigeris 
tribus  instructo;  Striae  suluralis  parte  recurva  sat  longa, 
punctum  dorsalem  tertium  antice  paullo  excedente,  extus 
plicula  terminata;  setis  submarginalibus  tribus  longissimis; 
pedibus  sat  brevibus,  tarsorum  anticorum  articulis  duobus 
basalibus  in  mare  dilatatis,  apice  extus  angulatim  productis. 

Long.  4 — 4'  3  mm. 

Habitat  in  antro  quodam  insulae  Brattiae,  »Bazdovaca 
jama«  dicto. 

Stark  glänzend,  rostrot,  mit  Ausnahme  der  langen  Tast- 
haare kahl. 

Der  Kopf  nur  wenig  schmäler  als  der  Halsschild,  bis  zum 
Vorderrande  des  Clypeus  etwa  ebenso  lang  als  breit  oder  nur 
wenig  länger,  seitlich  ziemlich  stark  gerundet,  in  der  Halsregion 
mäßig  eingeschnürt.  Die  Stirnfurchen  hinten  bogenförmig  in  die 


Höhlenkäfer  aus  Dalmatien.  877 

Einschnürung  der  Kopfbasis  übergehend,  vorne  mäßig  diver- 
gierend, tief  eingegraben,  nur  hinten  bei  ihrer  Biegung  nach 
außen  erheblich  seichter,  aber  auch  hier  scharf  ein- 
geschnitten und  daher  sehr  deutlich;  Die  Schläfen  ebenso  wie 
die  ganze  Oberseite  stark  glänzend,  glatt,  nicht  behaart.  Die 
beiden  Supraorbitalpunkte  fast  gleich  stark;  der  vordere  in  der 
Mitte  der  Seitenwülste  des  Kopfes,  der  hintere  knapp  an  der 
den  Seitenwulst  begrenzenden  Verlängerung  der  Stirnfurchen 
befindlich.  Von  den  Augen  ist  bei  flüchtiger  Betrachtung  fast 
nichts  zu  sehen;  nur  bei  genauerer  Untersuchung  bemerkt  man 
an  den  Seiten  des  Kopfes  je  ein  Augenrudiment  in  Form  eines 
schmalen,  etwas  vertieften  und  von  der  Umgebung  sich  wenig 
scharf  abhebenden  Feldchens,  welches  ungefähr  senkrecht  zur 
Längsachse  des  Kopfes  gestellt  ist.  Bei  einem  der  mir  vor- 
liegenden Individuen  ist  dieses  laterale  Feldchen  etwas 
angedunkelt;  vielleicht  ist  hier  noch  ein  wenig  Pigment  vor- 
handen. 

Die  Fühler  sind  mäßig  dick,  die  Mitte  des  Körpers  nur 
wenig  überragend;  ihr  drittes  Glied  iy3  bis  P^rcml  so  lang  als 
das  zweite1;  das  vierte  Glied  etwas  kürzer  als  das  dritte,  aber 
immerhin  noch  deutlich  länger  als  das  zweite.  Die  Länge  der 
außer  der  Pubescenz  vorhandenen  längeren  Haare  am  Ende 
der  einzelnen  Fühlerglieder  beträgt  kaum  mehr  als  die  Maximal- 
breite der  einzelnen  Glieder. 

Der  Hals schild  ist  herzförmig,  kaum  breiter  als  lang, 
vorder  Mitte  am  breitesten;  die  Hinterwinkel  groß,  etwa  ein 
Sechstel  bis  ein  Siebentel  der  Halsschildlänge  einnehmend, 
ziemlich  scharf  abgesetzt,  spitzig  vortretend,  nach  außen 
gerichtet;  die  Basis  innerhalb  der  Hinterwinkel  etwas  aus- 
gerandet.  Die  Distanz  zwischen  den  Hinterwinkeln  kaum 
geringer  als  jene  zwischen  den  Vorderecken  des  Halsschildes. 
Der  Vorderrand  nur  sehr  sanft  ausgebuchtet,  die  Vorderecken 
daher  nur  wenig  vortretend.  Die  Halsschildscheibe  ziemlich 
stark    konvex,   mit   feiner   aber  scharfer,   im    basalen  Viertel 


*  Von  den  mir  vorliegenden  fünf  Exemplaren  haben  drei  das  dritte 
Glied  P/8mal  so  lang  als  das  zweite;  bei  den  zwei  übrigen  ist  es  etwas  kürzer, 
etwa  n/3  mal  so  lang  als  das  zweite  Glied. 


878  J.  Müller, 

bedeutend  stärker  vertiefter  Mittellinie;  an  der  Basis  jederseits 
mit  einer  tiefen,  großen  Grube ;  die  fast  der  ganzen  Länge  nach 
gleichmäßig  aufgebogene  Seitenrandleiste  mäßig  breit;  in  der 
Seitenrandkehle  zwei  borstentragende  Punkte,  der  eine  im 
vorderen  Drittel,  der  andere  in  den  Hinterwinkeln. 

Die  Flügeldecken  zusammen  doppelt  so  breit  als  der 
Halsschild,  mehr  als  lV2mal  so  lang  als  zusammengenommen 
breit *,  mäßig  gewölbt,  die  Seiten  nur  sehr  wenig  gerundet,  die 
Schultern  deutlich  erkennbar,  stumpf  abgerundet;  die  Seiten- 
randleiste mäßig  breit  aufgebogen.  Die  Dorsalstreifen  sind 
schwach  ausgebildet;  die  zwei  bis  drei  inneren  (sehr 
selten  noch  teilweise  der  vierte)  als  sehr  feine  Linien 
schwach  angedeutet,  die  äußeren  sind  ganz  ge- 
schwunden. Der  dritte  Zwischenraum  mit  drei  borsten- 
tragenden Punkten,  von  denen  der  erste  von  der  Basis  und 
Naht  der  Flügeldecken  ungefähr  gleich  weit  entfernt  ist.  Das 
umgebogene  Ende  des  Nahtstreifens  ziemlich  lang, 
über  das  Niveau  des  dritten  Dorsalpunktesnach  vorne 
verlängert,  mit  der  Naht  schwach  divergierend,  am  Ende 
nicht  nach  innen  gekrümmt.  An  der  Außenseite  wird  dieses 
rücklaufende  Stück  des  Nahtstreifens  von  einem  schwach 
kielformig  hervortretenden  Fältchen  begrenzt.  Im  Verlaufe  des 
achten,  bei  dieser  Art  allerdings  gänzlich  fehlenden  Dorsal- 
streifens befinden  sich  sieben  haartragende  Punkte,  und  zwar 
die  drei  ersten  hinter  der  Schulter,  der  vierte  und  fünfte  in  der 
Mitte,  der  sechste  und  siebende  vorder  Spitze  der  Flügeldecken 
(die  beiden  letzten  außerhalb  des  oben  erwähnten,  das  um- 
gebogene Ende  des  Nahtstreifens  begrenzenden  kielartigen 
Fältchens).  Die  aus  diesen  Punkten  entspringenden  Tasthaare 
sind  sehr  fein,  feiner  als  die  auf  dem  dritten  Zwischenräume; 
daher  fehlen  sie  oft  bei  konservierten  Stücken  und  ich  besitze 


1  Die  an  drei  Exemplaren  vorgenommene  Messung  der  Länge  und  Breite 
der  Flügeldecken  ergab  folgende  Zahlen : 

Länge  Breite 


2  •  6  mm 

1  'Qmm 

2-G    » 

1-5    » 

2-3    > 

1-3   » 

Höhlenkäfer  aus  Dalmatien.  879 

nicht  ein  Exemplar,  bei  dem  alle  zugleich  vorhanden  wären. 
Ihre  Länge  ist  sehr  verschieden;  am  längsten  sind  jederseits  drei 
Haare,  und  zwar  das  des  ersten,  fünften  und  siebenten  Punktes. 
Die  Länge  dieser  drei  Tasthaare  ist  sehr  bedeutend, 
sie  beträgt  fast  soviel  als  die  Breite  beider  Flügel- 
decken zusammen;  die  anderen  Tasthaare  sind  viel  kürzer. 
Der  Punktan  derBasis  des  siebenten  (bei  der  vorliegenden 
Spezies  fehlenden)  Dorsalstreifens  ist  vom  Schulterrande 
nicht  weiter  entfernt  als  der  erste  Punkt  des  achten 
Streifens;  er  befindet  sich  also  nicht  in  der  Verlängerung  der 
Verbindungslinie  der  drei  ersten  Punkte  des  achten  Streifens, 
sondern  etwas  weiter  nach  innen. 

Die  Beine  sind  ziemlich  kurz.  Beim  Männchen  sind  die 
beiden  ersten  Glieder  der  Vordertarsen  erweitert  und  nament- 
lich das  erste  an  seiner  apikalen  Außenecke  spitzwinkelig 
vortretend. 

Die  Körperlänge  beträgt  4—4-3,  die  Maximalbreite 
1-3— 1-6  mm. 

Diese  Art  ist  durch  ihren  starken  Glanz,  die  stark 
reduzierten,  größtenteils  überhaupt  nicht  mehr  erkennbaren 
Dorsalstreifen  und  die  auffallend  langen  Tasthaare  am  Rande 
der  Flügeldecken  sehr  ausgezeichnet  und  steht  eigentlich  zu 
keiner  der  bisher  bekannten  Arten  in  näherer  Beziehung.  Die 
Kleinheit  und  die  Lage  des  Borstenpunktes  an  der  Basis  des 
siebenten  Dorsalstreifens  erinnert  an  A.  PaganettiGa.ng\.  (Verh. 
zool.  botan.  Ges.  Wien,  XL  VI,  1896,  p.  460),  ebenfalls  eine 
dalmatinische  Art,  bei  der  der  genannte  Borstenpunkt  vom 
Schulterrande  nicht  weiter  abgerückt  ist  als  der  erste  Punkt 
des  achten  Dorsalstreifens;  doch  hat  dieser  Anophthalmus  nach 
der  Originalbeschreibung  viel  längere  Fühler,  vollzählig  ge- 
streifte Flügeldecken,  das  umgebogene  Ende  des  Nahtstreifens 
ist  im  Niveau  des  dritten  Dorsalpunktes  der  Flügeldecken  nach 
innen  gekrümmt  und  mit  diesem  verbunden  etc.  etc.  Von  dem 
ebenfalls  kleinen  A.  Ganglbaueri  Padewieth  aus  dem  Velebit- 
gebirge  unterscheidet  sich  die  vorliegende  Art  durch  kürzer 
abgesetzte  Basalpartie  des  Halsschildes,  die  unvollständige 
Streifung  der  Flügeldecken,  die  Lage  des  Borstenpunktes  an 
der    Basis    des    siebenten    Dorsalstreifens,     die    Länge    des 


880  J.  Müller, 

umgebogenen  Endstückes  des  Suturalstreifens  etc.;  von  den  viel 
größeren  dalmatinus  und  suturalisy  mit  denen  die  vorliegende 
Art  das  über  das  Niveau  des  dritten  Dorsalstreifens  nach  vorn 
verlängerte  umgebogene  Ende  des  Nahtstreifens  gemeinsam  hat, 
differiert  sie  fast  in  allen  sonstigen  Merkmalen,  wie  Streifung 
der  Flügeldecken,  Größe  und  Tiefe  der  Basaleindrücke  des 
Halsschildes,  Form  desselben  und  der  Flügeldecken,  Breite  des 
Kopfes  u.  s.  w.,  von  dalmatinus  außerdem  noch  durch  den 
Mangel  jeglicher  Pubeszenz  auf  den  Flügeldecken.  (Über 
die  Unterschiede  zwischen  A.  lucidus  und  amabilis  Schau  f. 
siehe  weiter  unten.) 

Vorkommen:  Insel  Brazza  (»Bazdovaca  jama«). 

Diese  Art  ist  der  erste  bisher  bekannte  insulare  Anoph- 
thalmus  aus  Dalmatien. 

Zur  besseren  Übersicht  gebe  ich  noch  folgende  Be- 
stimmungstabelle der  dalmatinischen  Anophthalmus- 
Arten: 

1.  Das  umgebogene  Ende  des  Nahtstreifens  lang,  über 
das  Niveau  des  dritten  Dorsalpunktes  der  Flügel- 
decken nach  vorne  verlängert 2 

—  Das  umgebogene  Ende  des  Nahtstreifens  nicht  über 
das  Niveau  des  dritten  Dorsalpunktes  nach  vorne 
verlängert 4 

2.  Größere  Arten  (Körperlänge  5*5 — 6- 5 mm)  mit  voll- 
kommen verrundeten  Schultern  und  auch  außen  deut- 
lichen, wenn  auch  oft  nur  sehr  schwach  angedeuteten 
Dorsalstreifen  der  Flügeldecken;  der  Borstenpunkt  an 
der  Basis  des  siebenten  Dorsalstreifens  vom  Schulter- 
rande  meist  deutlich  weiter  abgerückt  als  der  erste 
Punkt  des  achten  Streifens 3 

—  Kleinere  Art  von  nur  4 — 4-3  mm  Länge;  Schultern 
nicht  ganz  verrundet,  stumpfwinkelig  hervortretend; 
nur  die  zwei  oder  drei  inneren  Dorsalstreifen  vor- 
handen und  auch  diese  sehr  fein;  der  Borstenpunkt 
an  der  Basis  des  siebenten  und  der  erste  Punkt  des 
achten  Dorsalstreifens  vom  Schulterrande  gleich  weit 
entfernt. 

Vorkommen:  Insel  Brazza.  A.  lucidus  Jos.  Müll. 


Höhlenkäfer  aus  Dalmatien.  881 

3.  Flügeldecken  glänzend,  nicht  pubeszent;  die  Dorsal- 
streifen, namentlich  der  Nahtstreifen,  kräftiger  und 
tiefer. 

Vorkommen:  Bei  Ragusa  (ferner  in  zahlreichen 
Höhlen  der  Herzegowina  und  in  Montenegro). 

A.  suturalis  Schauf. 

—  Flügeldecken  matt,  äußerst  fein  pubeszent;  Dorsal- 
streifen, namentlich  der  Nahtstreifen,  feiner  und 
seichter. 

Vorkommen:  Höhlen  des  Narentatales  bei 
Metkovich;  Höhle  von  Kotlenice  bei  Spalato; 
angeblich  auch  in  Höhlen  auf  der  Halbinsel  Sabbton- 
cello. (Außerdem  auch  in  der  Herzegowina.) 

A.  dalmatinus  M  i  1 1. 

4.  Der  Borstenpunkt  an  der  Basis  des  siebenten  Dorsal- 
streifens vom  Schulterrande  nicht  weiter  abgerückt 
als  der  erste  Punkt  des  achten  Streifens.  (Die  Flügel- 
decken vollzählig  und  ziemlich  tief  gestreift,  die  Fühler 
nur  wenig  kürzer  als  der  Körper;  Halsschild  vor  der 
Basis  etwa  bis  zu  einem  Siebentel  seiner  Länge 
parallelseitig;  Länge  4*7  mm.) 

Vorkommen:  Höhle  bei  Stolivo,  in  der  Nähe 
von  Castelnuovo  di  Cattaro.  Verh.  zool.  botan. 
Ges.  Wen  1896,460. 

A.  Paganettii  Gangib. 

—  Der  Borstenpunkt  an  der  Basis  des  siebenten  Dorsal- 
streifens vom  Schulterrande  weiter  abgerückt  als  der 
erste  Punkt  des  achten  Streifens 5 

5.  Halsschild  herzförmig,  die  Seiten  im  basalen  Drittel 
parallel,  die  Hinterecken  groß,  rechtwinkelig,  mit  scharf 
und  kurz  ausgezogener  Spitze.  Stirnfurchen  ziemlich 
stark  gekrümmt.  Zweites  Fühlerglied  vom  vierten  kaum 
an  Länge  verschieden.  Länge  4*5— 5  mm. 

Vorkommen:  In  Grotten  nordwestlich  von  Stari- 
grad  (Velebitgebirge). 

A.  Ganglbaueri  Padew. 

—  Halsschild  nach  hinten  allmählich  und  fast  geradlinig 
bis  zu  den  kleinen,  nur  sehr  wenig  oder  gar  nicht 


882  J.  Müller, 

vorspringenden  Hinterwinkeln  verengt.  Stirnfurchen 
lang  und  wenig  gekrümmt.  Zweites  Fühlerglied  deut- 
lich kürzer  als  das  vierte.  Länge  6  •  5 — 7  •  5  mm. 

Vorkommen:  Höhlen  im  Velebitgebirge  (Pak- 
lenicatal). 

A.  Kic8enwetteri  Schaum,  subsp.?1 
Den  angeblich  in  Dalmatien  vorkommenden  Anophthalmus 
amabilis  Schau  f.  (Verhandl.  zool.  botan.  Ges.  Wien  1863, 
1220)  kann  ich  bloß  nach  der  Originalbeschreibung  in  dieser 
Tabelle  nicht  unterbringen ;  dazu  reichen  die  Angaben  des  Autors 
nicht  hin.  Doch  lassen  sich  aus  der  Originalbeschreibung  Unter- 
schiede zwischen  dieser  Form  und  sämtlichen  in  obiger  Obersicht 
angeführten  Arten  herausfinden,  auf  die  ich  kurz  hinweisen 
möchte.  Von  A.  Kiesenwetteri,  dalmatinus  und  suturalis  differiert 
die  in  Rede  stehende  Art  ganz  erheblich  in  der  Größe  8,  von  lucidus 
durch  die  vollzählig  gestreiften  Flügeldecken ;  auf  A  Ganglbaueri 
und  Paganettii  schließlich  läßt  sich  diese  Art  wegen  der  Angabe 
»jederseitigerBasaleindruck  (des  Halsschildes)  kurz,  undeutlich« 
nicht  beziehen.  Es  scheint  somit  der  A.  amabilis  Seh  au  f.  einer 
guten  selbständigen  Art  anzugehören,  die  aber  in  neuerer  Zeit 
leider  nicht  mehr  aufgefunden  wurde. 

2.  Spelaeobates3  Peneckei  nov.  spec. 

Brunneo-ßavescens,  supra  pilis  subdepressis  sat  dense 
vestitus,  subtiis  tantum  modo  metathorace  abdomineque  pilosus ; 
capite  longitudine  sua  fere  duplo  longiore,  dimidio  basali 
confertim  sed  sttbtiliter  punetulato,  sat  nitido,  pone  frontem 
subdepresso;  antenuis  longitudine  corporis  plerumque  solum- 
modo  paullo  brevioribus,  articulis  primis  duobus  subaequalibus, 
crassiusculiSy   7°,  9°  et  10°   apice  plus  minusve  incrassatis; 


1  Ob  diese  Form  vom  Velebitgebirge  der  A.  likanensis  Sc  hau  f.  oder 
eine  andere,  vielleicht  noch  unbeschriebene  Russe  des  A.  Kiesenweiteri  ist,  kann 
ich  vorläufig  nicht  angeben ;  dazu  wäre  unbedingt  ein  genauer  Vergleich  mit 
den  Originalexemplaren  der  einzelnen  Kicsenwetteri-Y ormen  notwendig. 

-  Der  A.  amabilis  soll  nur  4  •  5  mm  lang  sein. 

3  Vergl.  Jos.  Müller:  »Beitrag  zur  Kenntnis  der  Höhlensilphiden«,  Verh. 
zool.  botan.  Ges.  Wien  1901,  p.  16-33,  Taf.  I. 


Höhlenkäfer  aus  Dalmatien.  883 

prothorace  capite  paullo  breviore,  latitudine  sua  sesqtti  longiore, 
sat  nitido,  obsolete  pukctulato,  basin  versus  tnodice  angustato, 
pone  medium  leviter  emarginato,  latitudine  maxima  a  margine 
anteriore  prothoracis  perparum  distante,  latßribus,  tantum- 
modo  dimidio  basali  marginatis;  elytris  mediocriter 
punctulaiis,  apice  singulatimsubrotundatis;  carina  mesosternali 
mediocriter  elevata,  ante  coxas  mßdias  prominentia  saepe 
vix  perspiqua  ornata;  tarsis  anticis  in  utroque  sexu 
simplicibus. 

Long.  2m 5  mm. 

Habitat  in  aniro  insulae  dalmaticae  Brattiae  (»Öinjadra«). 

Braungelb,  auf  der  Oberseite,  ferner  auf  dem  Metasternum 
und  auf  der  Ventralseite  des  Abdomens  fein  anliegend  behaart 
Die  Skulptur  des  Chitinskelettes  besteht  wie  bei  Sp.  Novaki 
und  pharensis  erstens  aus  einer  mikroskopischen  Chagrinierung 
(Netzung),  die  auf  der  Unterseite  gröber  und  weitmaschiger  ist 
als  auf  der  Oberseite,  und  zweitens  aus  eingestochenen  haar- 
tragenden Punkten,  die  an  den  oberwähnten  behaarten  Körper- 
stellen auftreten;  die  Punkte  stehen  aber  im  allgemeinen 
weniger  dicht  als  bei  Sp.  Novaki  und  pharensis  und  daher  ist 
auch  die  Behaarung  spärlicher  als  bei  diesen  beiden  Arten. 
Namentlich  auf  dem  Halsschilde  tritt  dieser  Unterschied  recht 
deutlich  hervor. 

Der  Kopf  ist  ungefähr  doppelt  so  lang  als  breit,  von  der 
Breite  des  Halsschildes;  die  Punktierung  ziemlich  fein,  im  all- 
gemeinen erheblich  feiner  und  etwas  spärlicher  als  bei 
Sp.  Novaki  und  pharensis,  daher  die  Oberfläche  des  Kopfes 
glänzender;  zwischen  den  Fühlern  macht  sich  eine  kleine 
Vertiefung  bemerkbar. 

Die  Fühler  variieren  ein  wenig  in  der  Länge;  bei  den 
meisten  Exemplaren  sind  sie  nur  wenig  kürzer  als  der  Körper. 
Die  beiden  ersten  Glieder  ungefähr  von  gleicher  Länge  .und 
Breite,  die  nächst  folgenden  erheblich  schmäler;  wie  gewöhnlich 
sind  die  Glieder  7,  9  und  10  an  der  Spitze  knotig  aufgetrieben 
und  zwar  bei  den  Individuen  mit  etwas  kürzeren  Fühlern 
deutlich  stärker  als  bei  solchen  mit  längeren  Antennen. 

Der  Halsschild  ist  1 78  mal  so  lang  als  breit,  etwas  kürzer 
als  der  Kopf;  seine  Maximalbreite  ist  sehr  weit  nach  vorne 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Kl.;  CXII.  Bd.,  Abt.  I.  57 


884  J.  Müller, 

gerückt,  ungefähr  um  ein  Fünftel  der  Halsschildlänge  von  den 
Vorderecken  entfernt;  von  da  an  nach  hinten  schwach  verengt, 
hinter  der  Mitte  sehr  sanft  ausgeschweift.  Die  Hals  seh  ild- 
seiten  sind  nur  auf  der  hinteren  Hälfte,  und  zwar  sehr 
fein  gerandet  Die  Punktierung  des  Halsschildes  ist  ziemlich 
fein  und  nicht  sehr  dicht,  so  daß  die  Oberfläche  des  Hals- 
schildes ziemlich  glänzend  erscheint  (während  bei  Sp.  Novaki 
und  pharensis  der  Halsschild  infolge  der  viel  dichteren 
Punktierung  etwas  matt  ist). 

Die  Flügeldecken  sind  in  ihrem  Umriß  variabel,  was  eine 
Verschiedenheit  in  der  allgemeinen  Körpergestalt  zur  Folge 
hat;  im  allgemeinen  sind  sie  ziemlich  langgestreckt  oval,  ihre 
größte  Breite  befindet  sich  in  der  Mitte;  an  der  Spitze  sind  sie 
einzeln  abgerundet  und  bedecken  das  Pygidium  nicht  voll- 
ständig. Die  ziemlich  schmalen  Epipleuren  sind  wie  bei 
Sp.  Novaki  und  pharensis  ganz  auf  die  Unterseite  des  Körpers 
verschoben  und  durch  eine  feine  Randleiste  abgesetzt. 

Das  Pro8ternum  hinter  den  Vorderhüften  kürzer  als  der 
größte  Querdurchmesser  derselben,  am  Hinterrande  ohne 
medianen  Einschnitt. 

Im  Baue  des  Mesosternums  läßt  sich  diese  Art  direkt  auf 
Sp.  pharensis  zurückführen.  Ebenso  wie  bei  dieser  Spezies  ist 
auch  bei  Sp.  Peneckei  die  den  vorderen  Teil  der  Mittelbrust 
absetzende  feine  Kante  in  der  Mitte  nach  hinten  spitzig  aus- 
gezogen, allerdings  etwas  schwächer  als  bei  pharensis.  Der 
Mesosternalkiel  ist  im  Vergleiche  zu  pharensis  stark  reduziert; 
doch  läßt  sich  die  bei  pharensis  vorhandene  große  zahnartige 
Erweiterung  des  Mesosternalkieles  vor  den  Mittelhüften  auch 
bei  dieser  Spezies  noch  meistens  nachweisen  in  Form  eines 
kleinen,  mehr  oder  minder  deutlichen,  an  der  entsprechenden 
Stelle  befindlichen  Vorsprungs.  Trotz  der  im  Vergleich  zu 
pharensis  ziemlich  weitgehenden  Reduktion  ist  der  Mesosternal- 
kiel dieser  Spezies  immer  noch  etwas  stärker  ausgebildet  als  bei 
Sp.  Novaki,  wo  er  sehr  niedrig,  nur  kantenartig  (nicht  lamellen- 
förmig)  vortretend  und  durchaus  einfach  ist.  Der  Mesosternalfort- 
satz  ist  nach  hinten  spitzig  ausgezogen,  ein  wenig  kürzer  als  bei 
Sp.  Novaki,  dabei  aber  immer  noch  etwas  länger  als  bei 
pharensis. 


Höhlenkäfer  aus  Dalmatien.  885 

Die  Vordertarsen  beim  <f  einfach,  4-gliedrigt  wie 
beim  Q. 

Länge:  2* 5 *m*. 

Diese  Art  ist  habituell  dem  Spelaeobates  Novaki  äußerst 
ähnlich;  die  meisten  der  mir  vorliegenden  Exemplare  sind  aber 
etwas  schlanker  gebaut  als  die  letztgenannte  Art,  die  Fühler 
und  Beine  sind  ein  wenig  länger.  Doch  gibt  es  auch  Individuen 
die  in  dieser  Beziehung  von  Spelaeobates  Novaki  fast  gar  nicht 
differieren.  Am  bequemsten  und  mit  vollkommener  Sicherheit 
ist  diese  Art  von  Novaki  und  ebenso  von  pharensis  durch  die 
nur  auf  der  hinteren  Hälfte  gerandeten  Halsschildseiten  aus- 
einanderzuhalten, von  Novaki  speziell  auch  durch  die  im 
männlichen    Geschlechte    durchaus    einfachen  -Vordertarsen. 

Vorkommen:  Insel  Brazza,  Höhle  von  Cinjadra  bei 
Skrip,  in  der  Umgebung  von  NeresL 

3.  Spelaeobates  Kraussi  nov.  spec. 

Sp.  Peneckei  affinis,  $ed  major,  supra  pube  minus  snbtili 
vestito;  prothorace  fortius  et  paullo  densius  punctato,  lateribus 
ab  angulis  posticis  usque  ad  tertiam  pariem  apicalcm  mar  gl- 
natis;  carina  mesosternali  fere  simplici. 

Long.  2  8— 3  mm. 

Häbitat  in  antra  insulae  Bratiiaef  »Dobra  jama<  diclo. 

Diese  Art  fallt  schon  durch  ihre  Größe  auf;  die  Körper- 
länge beträgt  2#8 — 3  mm  und  es  übertrifft  somit  die  vorliegende 
Spezies  an  Länge  (und  entsprechend  auch  an  Breite)  alle 
übrigen  bisher  bekannten  Spelaeobates- Arten.  Die  größte 
Anzahl  von  Merkmalen  hat  die  vorliegende  Art  mit  Sp.  Peneckei 
gemeinsam,  mit  dem  sie  auch  auf  derselben  Insel  vorkommt 
und  steht  somit  dem  Sp.  Peneckei  sowohl  morphologisch  als 
auch  geographisch  am  nächsten.  Neben  der  Größe  liefert  uns 
auch  die  Punktierung  der  Oberseite  ein  Unterscheidungs- 
merkmal; diese  ist  nämlich  bei  Sp.  Kraussi  im  allgemeinen 
kräftiger,  namentlich  auf  dem  Halsschilde.  Entsprechend  der 
stärkeren  Punktierung  ist  auch  die  Behaarung  bei  Sp.  Kraussi 
durchwegs  etwas  kräftiger  und  länger  als  bei  Sp.  Peneckei.  Die 
Halsschildseiten  sind  ebenso  wie  bei  Sp,  Peneckei  nurunvoll- 
ständig gerandet,  doch   reicht   die  feine   Randlinie   etwas 

57* 


886  J.  Müller, 

weiter  nach  vorne  als  bei  der  genannten  Art,  so  daß  etwa  nur 
das  apikale  Drittel  der  Halsschildseiten  ungerandet  bleibt.  Der 
Kiel  des  Mesosternums  ist  etwas  stärker  reduziert  als  bei 
Sp.  Peneckei;  der  bei  dieser  Spezies  meist  noch  deutlich 
hervortretende,  wenn  auch  schwache  Vorsprung  vor  den 
Mittelhüften  ist  hier  fast  völlig  geschwunden;  dabei  ist  der 
Mesosternalkiel  noch  immer  ein  wenig  stärker  hervortretend 
als  bei  Sp.  Novaki,  wo  er  nur  noch  mehr  schwach  kantenartig 
vorspringt.  Die  Vordertarsen  des  0"  sind  wie  bei  Sp.  Peneckei 
einfach. 

Von  Sp.  pharensis,  der  ebenfalls  im  männlichen  Geschlechte 
einfache  Vordertarsen  besitzt,  unterscheidet  sich  diese  Art 
schon  hinreichend  durch  den  an  den  Seiten  nur  unvollständig 
gerandeten,  weiter  vom  die  Maximalbreite  erreichenden  Hals- 
schild und  den  fast  einfachen,  niederen  Mesosternalkiel.  Von 
Sp.  Novaki  differiert  die  vorliegende  Spezies  ebenfalls  durch 
unvollständig  gerandete  Seiten  des  Halsschildes,  dessen  breiteste 
Stelle  etwas  mehr  nach  vorne  verschoben  erscheint,  ferner 
durch  die  im  männlichen  Geschlechte  einfachen  Vordertarsen. 
Andere,  geringfügigere  Unterschiede  brauche  ich  hier  nicht 
hervorzuheben. 

Länge:  2*8 — 3  mm. 

Vorkommen:  »Dobra  jama«  bei  Neresi  auf  der  Insel 
Brazza. 


Diese  beiden  neuen  Spelaeobates-Arten  erfordern  eine 
kleine  Änderung  der  von  mir  (Verhandl.  zool.  botan.  Ges. 
Wien  1901,  p.  28)  auf  Grund  der  beiden  damals  bekannten 
Spezies  aufgestellten  Gattungsdiagnose:  die  Angabe  »Hals- 
schild an  den  Seiten  vollständig  gerundet«  muß  umgeändert 
werden  in  »Halsschild  an  den  Seiten  wenigstens  teilweise 
gerandet«.  Sonst  paßt  die  dort  aufgestellte  Diagnose  auch  auf 
die  beiden  neuen  Arten  vollständig  und  es  erweist  sich  somit 
die  Gattung  Spelaeobates  trotz  des  neuen  Zuwachses  als  eine 
sehr  homogene. 

Das  männliche  Kopulationsorgan  ist  bei  den  zwei 
neuen  soeben  beschriebenen  Arten  —  abgesehen  von  der  etwas 


Höhlenkäfer  aus  Dalmatien. 


887 


verschiedenen  Größe1  —  äußerst  ähnlich;  es  ergeben  sich  nur 
minimale  Unterschiede  und  ich  habe  daher  nur  von  einer  der 
beiden  neuen  Spezies  den  männlichen  Begattungsapparat  in 
beiliegender  Figur  dargestellt.  Die  schräg  gestellte  Basalöffnung 
des  Penisrohres,  in  die  der  Ductus 
ejaculatorius  eintritt,  erscheint  von 
oben  betrachtet  etwa  ebenso  lang  als 
breit;  der  Penis  ist  an  der  Spitze 
deutlich  erweitert.  Es  erinnert  also  in 
dieser  Beziehung  das  männliche  Ko- 
pulationsorgan von  Sp.  Peneckei  und 
Kraussi  sehr  an  jenes  von  Sp. 
pharensis  (vergl.  Verh.  zool.  bot.  Ges. 
Wien,  1901,  Taf.  I,  Fig.  9);  auch  ist 
es  von  der  Seite  gesehen  ziemlich 
gleichmäßig  gebogen,  ähnlich  wie  bei 
Sp.  pharensis.  Nur  der  basale,  ring- 
förmige Teil  der  Parameren  ist  etwas 
anders  gebaut  als  bei  der  letztge- 
nannten Art,  wie  aus  einem  Ver- 
gleich der  soeben  zitierten  Abbildung 
mit  beiliegender  Textfigur  hervorgeht. 
Der  Kopulationsapparat  von  Sp.  No- 
vaki  weist  dagegen  erheblichere  Ab- 
weichungen von  jenem  der  beiden  hier  beschriebenen  Arten  auf; 
die  schräg  gestellte  Basalöffnung  des  Penisrohres  ist  viel  länger, 
der  Penis  ist  an  der  Spitze  nicht  erweitert  und  von  der  Seite 
betrachtet  erscheint  er  vor  der  Mitte  ziemlich  scharf  ein- 
geknickt.— 

Nachstehend  gebe  ich  noch  eine  Übersichtstabelle  der 
bisher  bekannten  Spelaeobates-Arten: 

1   Halsschildseiten  der  ganzen  Länge  nach  gerandet ...       2 
—  Halsschildseiten  vorne  in  größerer   oder   geringerer 

Ausdehnung  ungerandet 3 


Männlicher  Kopulations- 
apparat von  SpelaeobaUs 
Kraussi  m.  in  der  Dorsal- 
ansicht. Vergr.  155. 


1  Der  männliche  Kopulationsapparat  von  Sp.  Peneckei  ist  0*33  mm  lang, 
von  Sp.  Kraussi  0*4  mm;  bei  Sp.  Novaki  beträgt  die  Länge  ebenfalls  04  mm. 


SS«  J   Müller, 

2  Mesosternalkiel  einfach,  niedrig,  nur  kantenartig 
vortretend. 

Vorkommen:   Isola  grossa  und    Eso.  (Verh. 
zool.  bot.  Ges.  Wien,  1901,  p.  19,  Taf.  I,  Fig.  1—7). 

Sp.  Novaki  Jos.  Müll. 

—  Mesosternalkiel  stärker  ausgebildet,  lamellenartig  vor- 
tretend, vor  den  Mittelhüften  mit  einem  zahnartigen 
Vorsprung. 

Vorkommen:  Insel  Lesina.  (Verh.  zool. bot.  Ges. 
Wien  1901, p.  20, Taf.  I,  Fig. 9).  Sp.  pharensis  Jos.  Müll. 

3  Kleiner  2'bmm  lang;  Halsschildseiten  nur  auf  der 
basalen  Hälfte  gerandet;  Oberseite  feiner  punktiert 
und  behaart 

Vorkommen:  Insel  Brazza  (Höhle  von  »Cin- 
jadra«).  Sp.  Peneckei  Jos.  Müll. 

—  Größer,  2#8-3ww  lang;  Halsschildseiten  von  den 
Hinterecken  bis  ungefähr  zum  vorderen  Viertel  der 
Halsschildlänge  gerandet;  Oberseite  etwas  kräftiger 
punktiert  und  behaart. 

Vorkommen:  Insel  Brazza (»Dobra  jama«). 

Sp.  Kraus«  Jos.  Müll. 
Obige  Übersicht  der  Gattung  Spelaeobates  soll  lediglich 
zur  Bestimmung  der  Arten  dienen;  die  natürliche  Verwandt- 
schaft der  Arten  kommt  keineswegs  darin  zum  Ausdruck.  Es 
zeigt  sich  nämlich  auch  hier,  wie  in  vielen  anderen  Fällen,  daß 
die  Artengruppen,  die  sich  zu  Bestimmungszwecken  am  besten 
bilden  lassen,  nicht  zugleich  natürliche  Artengruppen  sind  und 
daß  jene  Merkmale,  die  für  die  natürliche  Gruppierung  maß- 
gebend sind,  sich  zur  Aufstellung  einer  rasch  und  sicher  zum 
Ziele  führenden  dichotomischen  Bestimmungstabelle  nicht  gut 
verwerten  lassen.  Der  phylogenetische  Zusammenhang 
der  bisher  bekannten  Spelaeobates-Arien  ist  nach  meiner 
Ansicht  folgender:  es  gehören  zu  einer  natürlichen  Gruppe  die 
drei  Arten  Sp.  pharensis,  Peneckei  und  Kraussi  und  zu  einer 
ganz  anderen  Abteilung  Sp.  Novaki.  Schon  vorher  wurde  an 
verschiedenen  Stellen  auf  die  nahen  Beziehungen  hingewiesen, 
welche  zwischen  Sp.  pharensis,  Peneckei  und  Kraussi  bestehen. 
Diese  drei  Arten  haben  sämtlich  im  männlichen  Geschlechte 


Höhlenkäfer  aus  Dal  matten .  889 

einfache  Vordertarsen,  ihr  männlicher  Kopulationsapparat  ist 
äußerst  ähnlich  gestaltet  und  auch  im  Baue  des  Mesosternums 
bilden  diese  drei  Arten  eine  einheitliche  Reihe.  In  dieser  Artenreihe 
nimmt  Sp.  pharensis  wegen  der  stärkeren  Ausbildung  des  Meso- 
sternalkieles  die  tiefste  Stellung  ein  und  auch  die  gedrungenere 
Körpergestalt  und  die  vollständige  Randung  an  den  Seiten  des 
Halsschildes  deuten  darauf  hin,  daß  in  Sp.  pharensis  ein 
ursprünglicher  Typus  vorliegt,  von  dem  die  beiden  schlanker 
gebauten  und  mit  vorne  reduzierter  Seitenrandleiste  des  Hals- 
schildes versehenen  Arten,  Peneckei  und  Kraussi,  abzuleiten 
sind.  Wollte  man  den  Versuch  machen,  den  Sp.  Novaki  \n  diese 
Artenreihe  einzuzwängen,  so  müßte  man  ihn  wegen  des  am 
stärksten  reduzierten  Mesosternalkieles  als  die  höchst 
stehende,  jüngste  Form  dieser  Reihe  betrachten.  Dagegen 
spricht  aber  entschieden  der  an  den  Seiten  vollständig 
gerandete  Halsschild,  abgesehen  von  den  Differenzen  im 
Bau  des  männlichen  Kopulationsapparates  und  den  beim  tf 
erweiterten  Vordertarsen.  Alles  dies  zwingt  uns  also  zu  der 
Annahme,  daß  in  Sp.  Novaki  ein  Glied  einer  selbständigen,  von 
der  pharensis-Gruppe  verschiedenen  Entwicklungsreihe  vorliegt. 

Damit  stimmt  auch  auffallenderweise  die  Verbreitung  der 
in  Rede  stehenden  Arten.  Sp.  pharensis,  Peneckei  und  Kraussi 
kommen  auf  zwei  zentraldalmatinischen  Inseln  (Lesina  und 
Brazza)  vor,  die  von  einander  nur  wenige  Kilometer  ent- 
fernt sind;  Sp.  Novaki  dagegen  lebt  weit  davon  entfernt  auf 
den  norddalmatinischen  Inseln  Isola  grossa  und  Eso.  Also 
auch  geographischbi  lden  Sp.  pharensis,  Peneckei  und  Kraussi 
einerseits  und  Novaki  andererseits  zwei  verschiedene  Gruppen. 

So  weit  aus  den  bisher  bekannten  Spelaeobates-Arten  zu 
entnehmen  ist,  müssen  wir  also  in  der  Phylogenie  dieser 
Gattung  zwei  Entwicklungsreihen  annehmen.  Bekannte 
Glieder  der  einen  Reihe  sind:  Sp.  pharensis,  Peneckei  und 
Kraussi,  von  denen  die  erste  Art  am  tiefsten  steht,  die  beiden 
letzteren  eine  höhere,  derivate  Stellung  einnehmen;  von  der 
anderen  Reihe  ist  bisher  eine  einzige  Art,  Sp.  Novaki,  bekannt. 


Die  Sitzungsberichte  der  mathem.-naturw.  Klasse 
erscheinen  vom  Jahre  1888  (Band  XCVII)  an  in  folgenden  vier 
gesonderten  Abteilungen,  welche  auch  einzeln  bezogen 
werden  können:' 

Abteilung  I.  Enthält  die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der 
Mineralogie,  Krystallographie,  Botanik,  Physio- 
logie der  Pflanzen,  Zoologie,  Paläontologie,  Geo- 
logie, Physischen  Geographie  und  Reisen. 

Abteilung  II  a.  Die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der 
Mathematik,  Astronomie,  Physik,  Meteorologie 
und  Mechanik. 

Abteilung  Hb.  Die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der 
Chemie. 

Abteilung  III.  Die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der 
Anatomie  und  Physiologie  des  Menschen  und  der 
Tiere,  sowie  aus  jenem  der  theoretischen  Medicin. 

Dem  Berichte  über  jede  Sitzung  geht  eine  Übersicht  aller 
in  derselben  vorgelegten  Manuskripte  voran. 

Von  jenen  in  den  Sitzungsberichten  enthaltenen  Abhand- 
lungen, zu  deren  Titel  im  Inhaltsverzeichnisse  ein  Preis  bei- 
gesetzt ist,  kommen  Separatabdrücke  in  den  Buchhandel  und 
können  durch  die  akademische  Buchhandlung  Karl  Gerold's 
Sohn  (Wien,  I.,  Barbaragasse  2)  zu  dem  angegebenen  Preise 
bezogen  werden. 

Die  dem  Gebiete  der  Chemie  und  verwandter  Teile  anderer 
Wissenschaften  angehörigen  Abhandlungen  werden  auch  in 
besonderen  Heften  unter  dem  Titel:  »Monatshefte  für  Chemie 
und  verwandte  Teile  anderer  Wissenschaften«  heraus- 
gegeben. Der  Pränumerationspreis  für  einen  Jahrgang  dieser 
Monatshefte  beträgt  10  K  oder  10  Mark. 

Der .  akademische  Anzeiger,  welcher  nur  Originalauszüge 
Oder,  wo  diese  fehlen,  die  Titel  der  vorgelegten  Abhandlungen 
enthält,  wird,  wie  bisher,  acht  Tage  nach  jeder  Sitzung  aus- 
gegeben. Der  Preis  des  Jahrganges  ist  3  K  oder  3  Mark. 


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Date  Due 


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