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OF
COMPARATIVE ZOÖLOGY,
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.
jFounttrlj bn prfbiilc sutiscrfptfon, fn 1861.
The gift of xJfub UtMM^cAyo^CL'
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Sitzungs- Berichte
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
im Jahre 1866
Nebst Register.
Beigefügt ist ein Register für die in den ßerl. Vossischen und Spenerschen Zeitungen abgedruckten Mittheilungen
der Gesellschaft aus den Jahren 1839-1859.
Berlin
in der Nicolai'schen Buchhandlung.
Sv'1867.
Akademische Buchdruckerei.
Inhalt 1866.
Ascherson. Über Ambrosia maritima und Linaria juncea als neue
Einwanderer in die deutsche Flora. März. — Lb. Senecio vernalis
als eingewandert in die Prov. Brandenburg. Mai. — Lb. Antir.haris
Endl. und Doralanlhera Benth. als gleich der Gattung Distemon
Hemp. u. Ehrenb. — Lb. einen vom Candid. Hülsen gesam-
melten Bastard von Ornithopus compressus und O. salivus und an-
dere Fremdlinge. December.
Beyrich. Über die den jetzigen lebenden Oberflächenverhältnissen
angehörten Süfswassermuscheln unter dem neuesten Berl. Infu-
sorienlager. November.
Bonche. lber Wasser und Luft durchlassende Poren in langen
Wur/.elstücken der Populus monilifera. — Lber die verschiedene
Eutwicklungsart der Palmenstamme. Januar. — L b. den Pflanzen-
schlaf bei Strephium, Pimelea und Melaleuca; üb. sich buchtig ent-
wickelnde einfache Blattformen. December.
Braun. Lb. die Steinfrucht von Cellis und deren kohlensauren Kalk-
gehalt. Juli. — Lb. Isoeies lacustris in Schlesien. October. — ■ Lb.
Schweinfurthia, eine neue Pllanzengattung der Scrophulariaceen.
November.
Dönitz. (b. eine Mifsbildung des Echinus sphaera, April. — lber
einen heizbaren Objecttisch und das Verhalten der rothen Blut-
körperchen bei erhöhter Temperatur. Juli. — Lb. eine besondere
Vorrichtung der Fische (Teut/ijes), die Flossenstacheln aufrecht zu
erhalten. November.
Ehrenberg. Lb. eine Bestätigung der hervortretenden thierischen
Bewegungsorgane bei Naviculis durch Hrn. Prof. M. Sc h ul tze. —
Lb. zu erwartende Aufschlüsse der Berliner Baugrundverhältnisse
bei der neuen Markthalle. Januar. — Wiederholtes Bedenken
gegen die Zuverlässigkeit der mikroskopischen Untersuchung auf
♦ Trichinen. Januar (vgl. Decbr. 1S65). — Lb. Herrn J. Beissels
Beob. verkicselter Bryozoen der Kreide bei Aachen. — Lb. Tricho-
desmium erjr/ira'eum nach Weingeistexemplaren des Dr Kersten. —
Lb. die Sclilammsubslanz ans dem Möwerluch auf dem Plane der
Görlitzer Eisenbahn. Februar. — Lber die angeblichen gallertigen
Feuermeteore. April. — Weitere Bemerk, über die sogenannten
Sternschnuppen-Gallerten. — Lb. Prof. Heer's eingesandte Ge-
treideproben aus den Pfahlbauten der Schweiz. Mai. — Lber das
von der Cholera unabhängige Wiedererscheinen der blutigen Fär-
bungen auf Brod und Speisen. — Vorlegen stark vergriifserter
mikroskop. Photographien des Cap. Curtis aus Nord-Amerika,
wie der Herren Neiff in Gent und Kellner in Berlin. Novbr.
Foerster. Lb. den am 12. Mai d. J. plötzlich aufflammenden Stern
zweiter Gröfse im Sternbild der Krone. Juni. — Lb. den reichen
Sternschnuppenfall am 1.3. und 1 4. November. November.
Gurlt. Über das Vorkommen von Gaslrus-Lutven im Magen des
Hundes. Januar. — Von Doppel-Nieren eines Schweines. März.
Hensel. Lb. die zwei Arten von Affen der bras. Provinz Rio grande
do Sul und deren grofse Schädelverschiedenheit im Alter. Octo-
ber. — Üb. die Schwierigkeit bei Aufstellung der Zahnformeln der
Säugethiere. December.
Hof mann. Lb. eine neue Methode zur Aufbewahrung von Fleisch
in Paraffin. Januar. — Üb. die chemische Constitution der Anilin-
farbestoffe. Juli. — Neue Beob. der Naphtylreihe, besonders der
Naphtalinsäure. December.
Jagor. Lb. Agalloche, das kostbare wohlriechende Holz der Aqui-
laria agalfocha aus Hinterindien. — Lb. die Schleim absondernden
Holzspäne des Pau-fa in China. — Lb. die Verbreitung der Cin-
chonen in Amerika und Ostindien. März.
Kersten. Üb. die Herausgabe der Reiscresultate des Barons C.von
der Decken. — Üb. s. Aufenthalt auf der Insel Reunion. März.
Lieberkühn. Üb. den Furchungsprocefs der Spongillen-Eier. Juli.
Magnus. Legte grofse Steinsalz-Oktaeder auf Carnalit von Stafs-
furt vor. October.
vonMartens. Über eine neue Art Pteraster und Achatina fulica
Ferrussac aus v. d. Decken's Sammlungen. Mai. — Über die
Lbereinslimmung von Mus rattus und Mus Alexandnnus als ein
und dieselbe Art. Juni. — l ber ein Zahnbruchstück des F.lephas
primigenius aus Frankreich, mit Bedenken üb. die Gleichzeitigkeit
des Mammnths mit dem Menschen. Juni. — Über ein spirales
Gehäuse einer Insektenlarve, vielleicht einer Psyche aus von der
D ecken's Sammlung. Juli.
C. Müller. Statistische Vergleichung der norddeutschen und west-
indischen Flora. Februar.
Peters. Gehörorgan des Chiromys madagascariensis. Juni. — Über
die Farbenbeständigkeit des Mus Alexandrinus und des M. rattus
bei Berlin. Juni.
Pritzel. Lber die Einführungszeit des Tabaks in Deutschland. —
L b. die EinführUDgszeit des Buchweizens in Deutschland. Mai.
Reichert. Üb. die Unsicherheit der mikroskopischen Untersuchung
auf Trichinen. Januar.
Sander. Üb. den gleichen Verlauf der Commismra cerebri anterior
bei den Säu^ethieren und Menschen. November.
Inhalt 1866.
Schödler. Über eine neue Sammlung von Süfswasscr-Crustaceen
aus Schweden durch den Freiherrn v. Cederström. Juli.
Schultz. I her einen mit Aphis lanigera dicht besetzten frischen
Apfelzweig. Juli.
O. Schul tzen. Üb. seine und des Dr. Graebe Versuche über das
Verhalten der aromatischen Korper im Organismus. April.
Seh weinfurth. Üb. Crossoptcrix aus Abyssinicn, als afrikanische
Fieberrinde, mit den von ihm gesammelten Exemplaren. October.
Söchting. Üb. krystallisirte Hüttenerzeugnisse. April. — Lh den
Bcssemerprocefs in der Hütte zu Horde bei Dortmund. Mai. —
Vorleg. der neuesten Berichte der Commission lydromclrique von
Prof. Fournet in Lyon. October.
von Strampf. Üb. das Infusorienlager des Baugrundes der Natio-
nalgallerie, als Fortsetzung desjenigen unter dem neuen Museum.
October.
Virchow. Über Trichinen. Januar.
Zenker. Über die kontraktilen Blasen bei den Infusorien als
\\ assergefäfse und über den Bau der Saug-Arme der Acineten.
üecember.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
am 16. Januar 1866.
Director Herr Geh. Rath Gurlt.
Herr Gurlt eröffnete die Sitzung, auf der Tafel stan-
den einige blühende Zweige der jetzt schon im Freien blü-
henden Corylus Avellana. Hierauf sprach Herr Ehrenberg
über die vorliegenden Bücher für die Bibliothek und legte
die mit dem Register abgeschlossenen Sitzungsberichte des
vorigen Jahres fertig vor.
Derselbe legte darauf der Gesellschaft einen Separat-
abdruck einer Abhandlung des Hrn. Prof. Max Schultze in
Bonn aus dessen Archiv (1865) vor, welche ihm ohne Zu-
schrift übersandt worden. Dieselbe handelt über die Struk-
tur der Bacillarien als Pflanzen, ist aber entschieden geeig-
net, den seit einem Menschenalter gegebenen Beweis zu
bestätigen, dafs die Bacillarien wahre Thiere sind. Die
durch den Nabel unterbrochene mittlere Längsspalte man-
cher Naviculae im älteren Sinne, welche vom Vortragenden
selbst später in viele Unterabtheilungen zerlegt worden sind,
so wie das Zerfallen derselben beim Querschnitt nicht in
zwei, sondern in vier Theile wurde schon 1830 in den
Abhandl. d. Akad. p. 34 mitgetheilt, ausführliche Mittheilung
über einen, bei einigen Formen aus der Spalte, bei anderen
aus der Mitte des Körpers hervortretenden Fufses und des-
sen Verhalten gegen Indigo -Trübungen im Wasser wurde
1838 in dem Werke „die Infusionsthiere" p. 178 und 520
mitgetheilt, die Ernährungsorgane sind 1838 (1837) in dem-
selben Werke p. 242 angezeigt und abgebildet. Eine andere
Form der Bewegungsorgane, als viele einziehbare seit-
liche Fäden ohne mittlere Längsspalte der Schalen wurde
bei Surirella Gernma in den Abhdl. der Akad. 1839 (vor
27 Jahren) pag. 104 mit folgender Bemerkung angezeigt:
„Übrigens habe ich mich in neuerer Zeit überzeugt , dafs
die Naviculae (also Naviculaceae) im Allgemeinen noch einen
ansehnlich verschiedenen Bau haben, indem ich, so deutlich
auch die 6 runden Schalen- Öffnungen bei vielen Arten so
wie bei Navicula viridis vorhanden sind, doch bei einigen
daneben noch klaffende Spalten und bei anderen, noch un-
beschriebenen, nur klaffende Spalten ohne runde Offnungen
erkannte. Diese vielleicht generischen, oder subgenerischen
Verschiedenheiten werden Abweichungen im Urtheil ver-
schiedener Beobachter erklären, welche aus verschiedenen
Objekten etwa verschiedene Verhältnisse ermitteln sollten."
Herr Prof. Max Schultze hat die Erläuterung der her-
vorragenden Füfse durch Indigo-Trübung in diesem Aufsatze
Herrn v. Siebold statt mir zugeschrieben, verwirft den
[1866]
Ausdruck Fufs und nennt den hervorragenden Theil ein an
der Raphe zu Tage tretendes Protoplasma der einzelligen
Bacillarien, ignorirt die nachgewiesenen vielen Nahrung auf-
nehmenden Zellen dieser Körper und hält es nicht für un-
möglich, dafs auch bei anderen Pflanzen Spalten mit
Protoplasma Aus - und Einschiebungen vorkommen können,
ohne dergleichen nachzuweisen. Das Interesse dieser Dar-
stellungen scheint dem Vortragenden nicht darin zu liegen,
dafs damit die Bacillarien als Pflanzen erwiesen wären, son-
dern vielmehr darin, dafs endlich nach 28 Jahren ein wider-
strebender Beobachter wieder die Füfse der Bacillarien und
die Aufnahme von Nahrung gesehen hat, sie nur mit ande-
ren Namen benennt, und läfst hoffen, dafs auch die hervor-
tretenden Füfse der Surirella, wenn auch erst wieder nach
30 Jahren, von eifrigen Beobachtern bestätigt werden. Die
im Jahre 1862 in den Abhandl. d. Akad. abgebildeten Prä-
parate haben noch andere Erläuterungen bereits gegeben.
Alsdann machte derselbe darauf aufmerksam, dafs die
Stelle zwischen der Karlsstrafse und dem Schiffbauerdamm
längs der Panke jetzt für den Unterbau einer grofsen Markt-
halle aufgeschlossen sei, und dafs es daher von Neuem mög-
lich sein werde, die interessanten Verhältnisse der im Jahre
1841 und 42 zuerst von ihm bekannt gemachten Infusorien-
lager in eine wissenschaftliche Übersicht zu nehmen. Der
Platz liege gerade gegenüber den Häusern Nr. 23, 23 a, 236
und 24 (jetzt Nr. 28, 29, 30 und 31) der Karlsstrafse, wo
die Lagerungsverhältnisse der Infusorienschalen 1842 beson-
ders merkwürdig wurden und wo in den Jahren 1853-54
der Wasserstrahl einer Pumpe durch ein Licht zufällig ent-
zündet wurde, weil ein Wasserreservoir, in welches Trink-
wasser von fern her zugeführt wurde, schadhaft geworden
und beim Pumpen brennbare Luft aus dem Untergrunde
aufnahm. Vielleicht erlauben die jetzigen Bauverhältnisse
zu ermitteln, wie tief überall in jener Gegend der oft von
Triebsand überlagerte Braunkohlensand als fester Boden liegt,
da die früheren Beobachtungen nur beschrankte trichter-
förmige Einsenkungen ergeben hatten.
Herr Bouche legte ein etwa 1' langes 1" dickes
Wurzelstück der Populus monilifera vor, welches zwischen
den Gefäfsbündeln eine Menge sehr grofser Poren besafs,
so dafs man Luft hindurch blasen oder Wasser dadurch in
die Höhe ziehen konnte, er bemerkte dabei, dafs er diese
Eigenschaft an anderen Pappelarten nicht beobachtet habe und
1
16. Januar 1866.
sie mit zunehmendem Alter der Wurzeln verschwinde, wäh-
rend die Porosität bei zweijährigen am bedeutendsten sei.
Im Holze finde sich diese Eigenthihnlichkeit bei der Populus
monilifera nicht.
Ferner sprach derselbe über die verschiedene Entwicke-
lungsart der Palmenstämme und legte zur Erläuterung meh-
rere Arten von Palmensämlingen und eine ältere Pflanze
der Sabal umbraculifera vor. Die Palmen entwickeln bei
der Keimung einen bald längeren bald kürzeren Strang aus
dem Samen, der sich abwärts neigt und die Plumula und
Radikula in sich birgt, deren Trennungspunkt anfänglich,
aber nicht immer, zu bemerken ist; erst nach einiger Zeit
bildet sich eine Wulst an der Stelle wo sich das erste In-
ternodium befindet, und an der die Plumula und Radikula
ihren Ursprung haben, eine Entwicklung, wie sie sich bei
vielen anderen monokotyledonischen Pflanzen findet. Bei
der ferneren Kntwickelung aber bietet das Wachsthum zwei
verschiedene Formen dar; die eine Form desselben, welche
wir bei den meisten Palmenarten, z. 15. Phoenix, Orcoclo.ta,
Livistono, Calamus, CaryotaChamaedorea, Oenocarpus u.s.w.,
finden, ist als die normale Bildung zu betrachten, indem
sich der Stamm und Gipfel nach oben entwickelt. Die
Radikula bleibt, wie bei den meisten monokotvledonischen
Pflanzen, wenn sich an den Internodien, sobald sie durch
das Absterben der den Stamm scheidenarlig umgebenden
Wedelbasen freigelegt werden, Adventiv -VVurzeln bilden
im Wachsthume zurück und verkümmert. Mit zunehmen-
dem Wachsthume erscheinen die Adventiv -Wurzeln in gi'ö-
fserer Zahl und werden nach und nach stärker; nach kür-
zerer oder längerer Zeit bildet sich alsdann der wirkliche
Stamm. Ganz anders aber verhält es sich mit dem Wachs-
thume und der Stammbildung bei Sabal, Acrocomia, Diplo-
themium, Aliolea, Sclietlea, Brohea und Maximiliana. Bei
diesen und vorzugsweise bei Sabal wendet sich der Gipfel
der Pflanze nach unten, die schcidenarligen Basen der We-
delsliele bilden eine zwiebelartige Verdickung, aus der die
etwas gekrümmten jungen Wedelchen wieder nach oben
wachsen und über der Erde in normaler Form erscheinen.
Der durch das Absterben von Wedeln sich bildende Stamm
dringt allmählig tiefer in die Erde ein, oder wird auch wohl
in die Höhe geschoben, so dafs er bisweilen mit seinem
älteren, nach und nach verwachsenden Theilc wohl einen
Fufs aus derselben hervorragt; die jüngeren Adventiv- Wur-
zeln bilden sich daher scheinbar unter der Insertion der
Radikula. Dieser sich nach oben hebende Stumpf erscheint
oft schon im dritten Jahre über der Erde. In diesem Zu-
stande des Wachsthumes verbleiben derartige Palmen so
lange bis sich ihr wirklicher, mit dem Gipfel nach oben
gerichteter Stamm bildet, oft eine lange Reihe von Jahren;
eine im hiesigen botanischen Garten befindliche Sabal um-
braculifera mochte wohl 4U Jahre alt sein als sich der nor-
male Stamm zu bilden anfing, obgleich die Pflanze seit etwa
20 Jahren mit einem solchen versehen ist, so bemerkt man
doch noch seitlich an der Basis den früher nach unten ge-
richtet gewesenen, allmählig in die Hohe gehobenen Stumpf.
Einige Jahre nach dem Erscheinen des wirklichen Stammes
bilden sich auch an dessen Basis, wie bei anderen Palmen,
zahlreiche Adventiv-W urzeln. Sehr auffallend ist es, dafs
diese Abnormität nicht einer oder mehreren Abtheilungen
der Familie der Palmen eigentümlich ist, sondern sich in
verschiedenen, bald hei der einen bald bei der anderen Gat-
tung vorfindet. Unter den Lcpidocaryinac und Borassinac
habe ich diese Bildung nicht beobachtet, wohl aber bei den
Arecinac an Keatia, den Coryphinae an Itralua, Sabal und
Trithrinax, den Cocoinae an Acrocomia, Attalea, Scheelea,
Diplothcrnium und Maximiliana, während sich die Stämme
anderer dahin gehörender Gattungen normal entwickeln.
Herr Virchow sprach über die Untersuchung auf
Trichinen. Er bemerkte, dafs die Mittheilungen des Herrn
Ehrenberg in der Sitzung vom 21. Decbr. v.J. mehrfach
mifsverstanden zu sein scheinen und den entgegengesetzten
Eindruck von dein hervorbrächten, was sie beabsichtigt hätten.
Theoretisch erscheine die Schwierigkeit, ein Schwein auf
Trichinen zu untersuchen, gröfscr, als sie sich in der Praxis
ausweise. Überall gelänge es selbst mäfsig geüblen Per-
sonen die Trichinen bei Schweinen zu finden. Von Apo-
thekern habe er in letzter Zeit mehrfach solche Fälle zur
Bestätigung erhallen. Auch Thierärzte erweisen sich an
manchen Orten als ganz zuverlässig. So habe auf dem
Gute Schwerinsberg ganz kürzlich unter 6 Schweinen, die.
zugleich geschlachtet wurden, ein Thierarzt das einzige tri-
chinische herausgefunden. Andererseits lasse es sich nicht
leugnen, dafs In thümer vorgekommen seien und wahrschein-
lich auch künftig vorkommen würden. Aber sie lassen sich
doch schon jetzt auf ein kleines Maafs zurückführen. Denn
es zeige sich mehr und mehr, dals gewisse Fleiscbtheile
vorzugsweise von Trichinen eingenommen würden, während
andere häufiger frei blieben. Die Vorderbeine und der
B.ücken seien im Ganzen am wenigsten ausgesetzt, am
meisten das Fleisch der Brust und des Kopfes. Man werde
daher vorzugsweise dieses (Zwerchfell, Zwischcnrippenmus-
keln, Kehlkopf, Augenmuskeln, Zunge, Kicfcrmuskeln) un-
tersuchen müssen, und um der Sicherheit wegen auch die
Schenkelmuskeln hinzunehmen. Ein geübter Untersucher
könne, wenn er seine Instrumente in Bereitschaft hätte,
eine solche Untersuchung in ganz kurzer Zeit anstellen.
Aber freilich sei es nöthig, dafs die Behörde sich die Sicher-
heit verschaffe, dafs die Untersucher wirklich geübte seien.
Der Vortragende legte ferner frische Darmtrichinen
vor, welche er bei dem letzten der in Hedersleben Ver-
storbenen 11 Wochen nach dem Fleischgenufs noch in ge-
schlechtlicher Thätigkeit, namentlich mit entwickelten Em-
bryonen, gefunden hatte. Auch machte er die Mittheilung,
dals er von Herrn Apotheker Werneberg in Schroalkalden
das Fleisch eines Fuchses erhalten habe, welches voll von
Trichinen ist. Die Zahl der Thiere, bei denen Trichinen
natürlich vorkommen, ist daher jetzt nicht mehr ganz
klein ; es sind das Schwein, die Katze, die Ratte, die Maus,
der Igel und der Fuchs.
Herr Reichert bemerkte dagegen, Herr Ehrenberg
habe zu rechter Zeit auf die Schwierigkeiten der mikrosko-
pischen Unter
trichinenhaltigen Fleisches und auf
pisenen Untersuchungen uiuiuEuuuugi
die grolse Unsicherheit und Unzuverlässigkeit der negativen
Ergebnisse hingewiesen. Wenn Herr Virchow behaupte,
ein Schwein, bei welchem Trichinen in den Kaumuskeln,
in der Zunge, im Zwerchfell und in einigen anderen Muskeln
(die der Extremitäten ausgenommen) nicht vorhanden oder
richtiger nicht gefunden seien, könne ohne weitere Bedenken
16. Januar 1866.
dem Nahrungsverbrauch übergeben werden , so sei dies ein
Ausspruch, der sich wissenschaftlich in keiner Weise be-
gründen lasse und bei der praktischen Anwendung nach-
theilige Folgen haben würde. Auch ein Schwein , das von
den geübtesten Mikroskopikern längere Zeit erfolglos auf
Trichinen untersucht sei, könne dessen unerachtet so viele
Trichinen enthalten, dafs der ungeregelte Genufs desselben
die Trichinenkrankheit herbeizuführen im Stande sei. Selbst-
verständlich könne und dürfe Niemand die Erklärung ab-
geben, das Schwein sei trichinenfrei; eine solche Erklärung
oder auch nur ein Verfahren, welches ein solches Vorurtheil
im Publicum verbreiten könnte, würde unter anderen sogar
den nicht zu verantwortenden Nachtheil haben, dafs das
Publicum es verabsäume, die einzigen sicheren Mittel, sich
vor Trichinenkrankheit zu schützen, — das geeignete Ko-
chen, Pökeln, Räuchern, — unter Umständen nicht in An-
wendung zu bringen.
Herr Ehrenberg bemerkte, dafs, da nach der Dar-
stellung des Herrn Virchow seine Meinung hier und da
mifsverstanden sein solle , dieses sich doch nur auf die von
ihm angezeigte Unsicherheit der mikroskopischen Unter-
suchung beziehe. Da Herr Virchow auch es für nöthig
hält, dafs die Behörden sich eine Sicherheit verschaffen über
die nöthige Zuverlässigkeit der untersuchenden Personen, so
ist derselbe in diesem Punkte mit mir einverstanden. Ich
möchte aber wohl noch Einiges hesonders hervorheben ;
zuerst, dafs die zu untersuchenden Stellen des Schweines,
so schätzenswerth auch die bisherigen Ermittelungen sind,
doch noch keinerlei Sicherheit über den Ort geben , von
dem aus sich die unfruchtbare Brut der Trichinen in so
grofsen Verhältnissen zuerst verbreitet , dafs schon nach
Leuckart's früherer Angabe und meiner eigenen Bestä-
tigung sich in jedem Loth Fleisch zuweilen viele Tausende
dieser kleinen, aber doch noch kaum des Mikroskopes be-
dürfenden Würmer finden. Theoretisch scheint es annehm-
bar, dafs die dem Munde (als Speiseaufnahme) und dem
Darme (als Brutort) zunächst liegenden inneren Muskeln
(Zunge, Zwerchfell) zuerst davon erfüllt werden mögen, weil
nur im Darme fruchttragende Trichinen gefunden worden
sind; thatsächlich schwanken noch die Ortsbestimmungen der
Beobachter und es ist noch nicht festgestellt, wie die Ein-
wanderungen in die Muskeln geschehen. Aufmerksam zu
machen auf diese Verhältnisse scheint nicht unangemessen.
Zweitens könnte es wohl scheinen, dafs die mikroskopische
Untersuchung des Schweinefleisches unnöthig sei, sobald nur
dringend empfohlen werde, das Fleisch gar zu kochen, gar
zu braten , gar zu räuchern und gar zu pökeln , und dafs
somit eine grofse Ausgabe für die mikroskopischen Fleisch-
beschauer erspart werden könne. Mir will es scheinen, als
ob diese Ersparnifs gefährlich werden könnte, gerade in
unseren Tagen hat die Rinderpest in Aegypten und Eng-
land durch Sorglosigkeit der Behörden und völlige Unthä-
tigkeit der Privatleute einen erschreckenden Umfang gewon-
nen, und es mag schwer genug halten, den wachsenden
grofsen Verlusten Einhalt zu thun, während dies im Anfang
der Seuche leicht in England, wie es bei uns geschehen,
möglich gewesen wäre. Der Genufs des wurmkranken
Schweinefleisches wird ohne Staatsaufsicht schwerlich zu
hemmen sein, und somit wäre es wohl möglich, dafs die
dadurch bedingten Todesfälle der Menschen ein pestartiges
so kolossales Verhältnifs erhielten, wie das der Rinder in
England, und es scheint wohl, dafs wir noch nicht am Ende
der Epidemie sondern noch im Zunehmen derselben sind.
Ich erinnere mich aus meiner Jugend, dafs es im elterlichen
Hause ein plötzliches Hühnersterben gab , so dafs man, ich
glaube 9 Hühner am Morgen todt im Hofe fand. Es wurde
bekannt und arme Nachbarn, welche die Tags vorher schein-
bar gesunden jetzt todten Hühner sahen, fanden das Fleisch
so fest und geniefsbar, dafs sie es sich zum Genufs aneig-
neten. So geht es häufig mit kranken Thieren, man schlach-
tet sie kurz vor dem Sterben , und wenn nicht überall
schwere Erkrankungen und Todesfälle vom Genufs des
Fleisches erfolgt sind, so mögen leichtere vorübergehende
Erkrankungen oft genug übersehen worden sein. Bei pest-
artigen Krankheiten, gegen die man Quarantainen mit gro-
fsen Kosten einrichtet, hat man oft genug diese Unkosten
und Verkehrshemmungen verwerflich gefunden, weil sich gar
keine materielle erfafsbare Grundlage der Krankheit erken-
nen und unschädlich machen liefs. Bei der Wurm-Epidemie
der Trichinen verhält sich das anders , hier kann man die
Ursache einer tödlichen Seuche erkennen und in grofsen
Verhältnissen abschneiden und zerstören, sobald man sie
erkannt hat. Die Sorglosigkeit der grofsen Volksmassen
und die gewöhnliche Nichtbeachtung dem blofsen Auge sicli
entziehender kleiner Verhältnisse, welche mit Scherz und
Laune leicht beseitigt werden, veranlassen, dafs ihre unheil-
bringenden Folgen unbeachtet bleiben und erst, wenn das
Unheil im vollen Gange ist, Schrecken und Angst sich ver-
breiten. In diesen Fällen ist das Eintreten staatlicher Für-
sorge gewils wohl begründet, man kann die Ursache solcher
Seuchen wo nicht ganz beseitigen, doch sehr vermindern,
und folglich die Zahl der Todesfälle und Siechthümer be-
schränken. Sollte von einer Aufsichtsbehörde nur angerathen
werden, alles Fleisch gar zu kochen und keine Schranke für
das verkäufliche Fleisch gezogen werden, so dürfte voraus-
sichtlich von den Wohlhabenderen der Genufs des Schweine-
fleisches ganz vermieden werden, in Folge dessen würde
unfehlbar das Schweinefleisch wohlfeiler werden und den
ärmeren zahlreichsten Klassen des Volkes, wie bei den Gur-
ken zur Cholera-Zeit, ein reichlicheres Material zur Ernäh-
rung vorliegen und benutzt werden, die Folge der Benutzung
würde voraussichtlich, wie das Essen des Gurkensalats zur
Cholera-Zeit, die Krankheit unabsehbar verbreiten und dann
noch gröfsere Opfer für ihre Beschränkung erfordern.
Wendet man gleichzeitig mit der Warnung für das häus-
liche Küchenwesen noch den Gebrauch des Mikroskops vom
Staate verpflichteter Fleischbeschauer an, wozu sehr leicht
zuverlässige Personen aus verschiedenen Ständen angelehrt
werden können, welche Alles viel oder wenig von solchen
Würmern inficirte Fleisch beseitigen, d. h. zur Seifenberei-
tung und anderen ähnlichen Dingen bestimmen, so schneidet
man damit den gröfsten Theil der Grundlage der Seuche ab.
Das regelmäfsige Kochen und Braten des nicht als inficirt
erkannten Fleisches wird noch einen wesentlichen Theil je-
ner Grundlage zerstören, und so wird die Ausdehnung und
der Einflufs der tödtlichen Epidemie sehr beschränkt werden.
Dafs man für denjenigen Theil der Bevölkerung, welcher
zum Garkochen Zeit und Feuermaterial zu sparen sich ver-
4
16. Januar 1866.
anlafst sieht, durch öffentliche wohlfeile Garküchen eine
Bevormundung einleitet, scheint mir angemessen, ein Zwang
aber dürfte weder in den häuslichen noch in den öffentlichen
Küchen ausführbar sein, wahrend eine Aufsicht für das
Schlachten des Schlachtviehes bereits bestellt und eine noch
speciellere Controlle, wenn auch mit Kosten, ausführbar ist.
Es beschränkt sich diese Mafsregel in ihrem Nutzen nicht
blofs auf die ärmeren Volksklassen , sondern auch auf die
wohlhabenderen und reichsten. Gasthöfe und Gastereien
aufser dem Hause sind nicht mehr zu umgehen, Schweine-
zungen in Fricassee und Würsten sind viel benutzte beliebte
Ingredienzen, welche von besseren Kennern der Küche noch
zahlreicher werden genannt werden können. Ob die bisheri-
gen öffentlichen Rathschläge und Warnungen ohne weiteres
Eingreifen der Behörden genügen, wird jedenfalls der Fort-
gang oder Stillstand der menschlichen Erkrankungen lehren.
Herr Hofmann, an die Trichinenfrage anknüpfend,
bemerkt, dafs in England die Verheerungen der Rinderpest
noch immer fortdauerten. Es seien dieselben bis zu einer
Höhe gestiegen, dafs man sich den ängstlichsten Besorg-
nissen hingehe und bereits durchgreifende financielle Mafs-
regeln berathe, welche in der diesjährigen Session vor das
Parlament gebracht werden sollen. Es sei ferner eine ganze
Reihe von neuen Methoden zur Aufbewahrung von Nahrungs-
mitteln und zumal von Fleisch vorgeschlagen worden, und
die Patentlisten bekunden, wie sich der englische Erfindungs-
geist mit dieser brennenden Frage beschäftige. Ein ganz
sinniges Verfahren Fleisch zu präserviren sei kürzlich von
Dr. Redwood in London patentirt worden. Es bestehe
darin, das Fleisch eine kurze Zeit lang in geschmolzenes,
vollkommen geruch- und geschmackloses Paraffin — wie es
eben in verbesserter Masse durch Destillation von Boghead
cannel coal erhalten werde — einzutauchen. Beim Heraus-
ziehen aus dem Paraffinbade sei das Fleisch mit einer dün-
nen Schicht von Paraffin bedeckt , welche alsbald erhärte.
Diese Schicht könne alsdann durch wiederholtes Eintauchen
beliebig verdickt werden. Um so präparirtes Fleisch zuzu-
bereiten, sei es nur nöthig, dasselbe in heifses Wasser zu
legen, wodurch die Paraffinschicht sich ablöse und als Flüs-
sigkeit auf die Oberfläche steige, um von dem Wasser ge-
trennt von Neuem zum Aufbewahren von Fleisch verwendet
zu werden. Nach den Erfahrungen von Dr. Redwood
und Dr. Gueneau de Mussy lasse diese Aufbewahrungs-
weise des Fleisches nichts zu wünschen übrig; auch werde
der Geschmack des Fleisches in keinerlei Weise beeinträchtigt.
Derselbe legte der Gesellschaft ein paraffin-umhülltes
Hammels- Cotelette vor, welches ihm der Patentträger vor
einigen Tagen in London eingehändigt hatte.
Herr Gurlt machte eine kurze Mittheilung über das
Vorkommen von Gasirus- Larven im Magen des Hundes.
Es war ihm der Magen eines Hundes, den man für toll
gehalten und getödtet hatte, übersandt worden, und in die-
sem Magen fanden sich drei Oastrus- Larven , welche sich
in die Häute eingebohrt hatten. Es blieb hierbei zweifel-
haft, ob die Gasirus -Fliege ihre Eier an die Haare des
Hundes abgesetzt, oder ob der Hund den Magen eines ge-
storbenen Pferdes, in welchem sich die Gastrus-Larven schon
vorfanden, verzehrt habe. Der Vortragende neigte sich zu
der letzteren Annahme, indem bei Annahme des ersten Falles
ein perverser Instinkt der Fliege, welche ihre Eier nur an
die Haare der Pferde abzusetzen pflegt, supponirt wer-
den müsse. Da der für toll gehaltene, lebende Hund von
einem Sachverständigen nicht untersucht, daher die Tollwuth
nicht festgestellt worden war, indem dies durch die Section
allein mit Sicherheit nicht geschehen kann, so hielt es Herr
Gurlt für möglich, dafs der Hund gar nicht wirklich toll
gewesen sei, sondern dafs die Einbohrung der Gas/rus-Lar-
ven in den sehr empfindlichen Magen des Hundes diesen zu
einem ganz ungewöhnlichen Benehmen gebracht haben konnte.
Er schlofs dies aus einem analogen Falle, wo nämlich die
in den Stirnhöhlen und Siebbeinzellen vorkommenden Wür-
mer (Pen/as/orna laenioides) die Schleimhaut so stark reizen,
dafs manche damit behaftete Hunde sich wie tolle zeigen
und wirklich schon für toll gehalten worden sind.
Gedruckt iu der Druckerei der Konigl. Akademie der Wissenschaften.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
am 20. Februar 1866.
Director Herr Geh. Rath Gurlt.
Herr Gurlt eröffnete die Sitzung.
Herr Ehrenberg übergab der Gesellschaft eine Schrift
des Herrn Ignaz Beissel, auswärtigen Ehrenmitgliedes
der Gesellschaft, ,,über die Bryozoen der Kreide von Aachen",
und sprach über die künstliche Steinkernbildung durch Was-
serglas, welche vom Verfasser erfunden und ihm zur Erläu-
terung der fossilen Bryozoen gedient hatte, von denen er
30 Arten, darunter 14 von ihm neu benannte, verzeichnet.
Der Vortragende machte wieder wie im Monatsberichte der
Berl. Akad. d. W. von 1859 auf das mannigfache grofse
Interesse aufmerksam, welche Herrn Beissels's Beobach-
tungsmethode noch künftig in sich schliefse, besonders auf
die Kieselsandbildungen aus sehr kleinen Kalkorganismen bis
zur quarzsandartigen scharf doppelt lichtbrechenden Umge-
staltung, auf die schon 1839 für Bryozoen (Monatsber. der
Akad. p. 157) und 1855 für Polythalamien (AbhdI. d. Ak.
p. 135) aufmerksam gemacht worden war. Derselbe legte
dann nochmals die sauberen Präparate von künstlichen Stein-
kernen in Polythalamien vor, welche Herr Beissel im
J. 1859 ihm zugesandt hatte.
Derselbe sprach hierauf über die rothen, gelben und
grünen Streifungen des Oceans. Er legte zunächst von
Herrn Dr. Kersten, dem Begleiter des hoffentlich seit-
dem geretteten so glänzend verdienstvollen Herrn von der
Decken bei dessen Besteigung des Kilimandjaro, eine kleine
Meeresprobe vor. Dieselbe wurde von ihm auf seiner Rück-
reise am 6. April 1865 westlich vom Cap der guten Hoff-
nung einer im Atlantischen Ocean beobachteten rothen
Meeresfärbung entnommen, die derselbe in einem Glas-
röhrchen unter Cognac aufbewahrt mitgebracht hat, und
welche die Schiffsmannschaft Fischroggen nannte. Der Vor-
tragende bemerkte, dafs die Substanz ganz der von ihm im
rothen Meere beobachteten , Trichodesmium erylhraeum ge-
nannten, gleiche, einer bündeiförmigen, feinen Oscillarie.
Dieselbe Substanz habe die ruhmvolle, wissenschaftliche
[1866]
österreichische Expedition der Novara aus den Gewässern
des Süd- Oceans, aus der Nähe der Nicobai en Inseln und dem
Chinesischen Meer 1861 zu seiner Kenntnifs gebracht, wo
dieselbe unter dem Schiffer-Namen von Sägespänen in mehr
gelblicher und grünlicher Färbung das Meer in vielen meilen-
langen, zuweilen parallelen, Streifen erfülle. Ein Vorkom-
men, welches wohl durch Wind- und Wellen-Richtung in
der Art bedingt sein möge, wie Wolkenstreifen durch Wind-
richtungen entstehen. Er selbst halte diese gelben Fär-
bungen , weil er auch im rothen Meere grüne Formen
unter den rothen beobachtet habe, für Jugendzustände, wie
er in Pogg. Annal. 1830 p. 506 mitgetheilt habe. Grüne
Färbungen solcher Meeresstreifungen im Atlantischen Ocean
zwischen Teneriffa und Brasilien beobachtete zuerst Adalb.
r . . a . 25. November
v. Cnamisso im J. leuu am : — (siehe hhrbre.
7. Uecember °
Inf. Thierch. p. 122). Proben davon erhielt der Vortr. von
ihm selbst, andere Proben derselben Substanz, aber von
rother Färbung, erhielt er unter dem Namen von Wallfisch-
saamen oder Verblutung eines Wallfisches vor etwa zehn
Jahren aus dem Antille'schen Meere bei Venezuela. Die
von demselben im J. 1829 in den Abhdl. d. Akad. d. W.
und 1830 in Pogg. Annal. gegebenen Erklärungen des
rothen erythräischen Meeres wurden 1844 durch Dr. Mon-
tagne bestätigend erweitert, indem er die von Evenor Du-
pont zwischen Kosseir und Tor beobachtete rothe Färbung
nach dessen mitgebrachter Probe vergleichen konnte. Der-
selbe sandte sowohl mir eine Probe der Dupont' sehen
Masse, als er auch von mir auf sein Ansuchen eine Probe
der meinigen erhielt und direkt vergleichen konnte. Er
fand sowenig als ich einen wesentlichen Unterschied in den
Fäden und Gliederungen. In den Annales des sciences na-
turelles (1844 Ser. III T. II Zoologie) erwähnt Dr. Mon-
tagne noch der Beobachtungen von Darwin im Atlant.
Ocean bei Brasilien, bei Neu-Holland (Cap Leeuwin) und
20. Februar 1866.
ganz besonders einer sehr auffallenden Erscheinung dieser
Art, welche Dr. Tl im] s im Meerbusen von Californien im
Febr. 1836 und bei San Salvador im April 1837 beobachtet
hatte. Diese letztere Substanz sondert Dr. Montagne
unter dem Namen Trichodesmium Wndsii von der Form
des rothen Meeres ab, die er TV. Ehrenbergii statt ery-
thraeum genannt, weil erstere einen sehr strengen, die
Augen afficirenden, die Schiffsmannschaft belästigenden Ge-
ruch und röthere Färbung gezeigt habe, von dem bei der
Substanz im rothen Meere keine Rede gewesen. Da aber
Dr. Montagne die mikroskopische Struktur der von ihm
ebenfalls untersuchten Californischen Substanz für ganz gleich
mit der des rothen Meeres erklärt und da der unausstehlich
strenge Geruch allen Tang und Meeresgewächsen, wo sie
gehäuft sind, nicht fehlt, namentlich auch an den Küsten
des rothen Meeres auffallend genug war und nur als selbst-
verständlich verschwiegen worden ist, so halte ich diese
sämmtlichen Erscheinungen für einer und derselben Art von
Organismen zugehörig, und sollte meinen, dafs nur der Name
Trichodesm. erythraeum für die (jung) grünen, gelben (alt)
rothen Formen dieser höchst ausgedehnten Erscheinung im
System statthaft bleiben könne. Die grofse Anhäufung
der Substanz zu intensiv blutigem Gewässer ist von Dr.
Dinds angemerkt. Der Npme Sägespäne, welchen die Ma-
trosen der gelblichen und grünen Erscheinung im Süd-Ocean
zu geben pflegen, wird auf Cook's dritter Reise zuerst er-
wähnt; ob Darvvin's Beobachtung bei den Keeling's Inseln
derselben Erscheinung angehört, bleibt zweifelhaft, da eine
ähnliche Färbung bei Brasilien nach v. Chamisso's mit-
gebrachten Zeichnungen und Proben von mir für Myriaden
einer Aslnsia zu halten waren die er als Paramecium oceani-
i um in den Act. Leop. T. X 1820 abgebildet hat.
Ein anderes Trichodesmium , das Tr. Flos aquae der
Süfswasserteiche bei Berlin, welches ich 1830 benannte,
ist von Farbe immer grün, niemals roth und neuerlich mit
anderen Dingen verwechselt worden; so sind die Namen
IAmnochlidt Flos aquae Kz. , Aphanizomenon Fl. aquae et
ineurvum Morien 1839, Oscillaria Fl. aquae, Cnnferva Fl.
aquae, Sphaerozyga Fl. aquae, die alle sich auf den Byssus
Fl. aquae Linne beziehen, auch die neueste Auffassung von
Raben borst 1865 in dem Werke „Flora europaea Al-
garum", Part II pag. 195 angiebt. Das von mir 1830 be-
zeichnete Trichodesmium Flos aquae, die Wasserblüthe der
deutschen Gewässer, war sicher keine Sphaerozyga, ist aber
unzweifelhaft eine der Formen , welche bisher in Deutsch-
land unter dem Linne'schen Namen Byssus Flos aquae ver-
standen worden sind. Die Fische tödtende Wasserblüthe
Deutschlands, welche ebenfalls von grüner Farbe ist, Pal-
mella (Coccodea) ichlhyoblabe Kunze, welche bei Leipzig und
von mir auch bei Berlin öfter beobachtet wurde, fehlt auch in
Raben borst' s Werke. Die anwesenden Mitglieder Herr
Dr. Ja gor und Dr. v. Martens gaben Erläuterungen aus
ihren eigenen Erfahrungen im Süd-Ocean, wo besonders der
erstere dem Gegenstand eine speciellere Aufmerksamkeit zu-
gewendet hatte. Er fand die Erscheinung in der Sunda
Strafse und nach seiner Mittheilung „erscheinen die einzelnen
,,Partikelchen als zierlich verflochtene Fäden; jeder einzelne
„Faden bestand aus einer Reihe von Zellen, deren Scheide-
„ wände in der Mitte flach, nach den Enden hin gewölbter
„werden, und an den Enden selbst halbkugelförmig waren.
„Jede Zelle war aufserdem noch durch eine anscheinend
„dünne, völlig flache Wand in der Mitte getheilt. Längs
„der Mittellinie lagen feine grüne Kügelchen — anscheinend
,, Chlorophyll. Beim Filtriren röthete sich das Filtrura wie
„von Jod". — Bemerkenswert!) schien noch, dafs die von
Dr. K ersten ebenfalls in vielen meilenlangcn Streifen be-
obachtete Form des Atlant. Süd-Oceans durch den Cognac
nicht ihre röthlich braune Färbung verloren und die Gestalt
auffallend schön erhalten hatte.
Herr Ehrenberg bemerkte noch, dafs er im J. 1829
und 1830 den Namen des rothen Meeres mit seiner Beobach-
tung erläutern zu können meinte, obschon verschiedene Deu-
tungen der alten Bezeichnung des erythräischen Meeres zu
verschiedenen Zeiten sich ausgesprochen hätten. Sehr zu-
stimmend sei jetzt sowohl die immer mehr die Aufmerk-
samkeit der Schiffenden in Anspruch nehmende Erscheinung
und besonders der Umstand, dafs auch das Californische
Purpur-Meer durch die Beobachtungen des Dr. Hinds und
die Analyse des Dr. Montagne zu erkennen geben, dafs
in ähnlicher Weise in dem dem arabischen vergleichbaren
grofsen Meerbusen des stillen Meeres schon im 16. Jahr-
hundert, wahrscheinlich 1532, davon seinen Namen erhalten,
und es nahe genug liegt, dafs in beiden Fällen die auffal-
lende Wasserfarbe den alten und neuen Schiffern imponirt
habe. Die alten Karten von Californien, welche in dem
Atlas der Monumenta saecularia boica publicirt worden
sind, zeigen auf der 6ten und 12ten Karte den Namen Mar
Bermeio bereits an. Im Uebrigen liegen jetzt zu dieser Be-
urtheilung 4 Proben der Erscheinung aus dem Chinesischen
Meer, 1 aus der Sunda Strafse, 2 aus dem rothen Meer,
1 aus dem südlichen Atlantischen Meer und 2 aus dem mitt-
leren Atlantischen Meere vor; die Flocken dieser Proben
haben eine Länge von 1 — 2'" und die einzelnen runden Fä-
den im Mittel von jjjj"'-
f-V
Vi 92
bis
"). Zellen 1 bis 3
mal breiter als lang.
Hiernach sprach Herr Ehrenberg noch über die beim
Bau der Eisenbahn nach Görlitz aus dem Möwerluch bei
Klein -Bester bei Wusterhausen beim Aufschütten von un-
20. Februar 1866.
geheuren immer verschwindenden Sandmassen für das Eisen-
bahnplanum hervorgequollene Schlamm -Substanz, welche
ihm durch Herrn Baumeister Orth zur Kenntnifs gebracht
wurde. Es ist in diesem Falle kein Kieseiguhr, sondern
eine mit heller Flamme brennende, stark mit kohlensaurem
Kalk gemischte, dem Baggertorf ähnliche , im trocknen Zu-
stand leichte und silbergraue Substanz, die bei wenigen Be-
obachtungen keine Bacillarien zeigte. —
Herr Carl Müller verglich die pflanzen -statistischen
Angaben des einheimischen Gebiets unserer norddeutschen
Flora, mit den pflanzenstatistischen Angaben, welche Pro-
fessor Grisebach in der vor kurzem beendigten Flora des
englischen Westindiens niedergelegt bat, um hierdurch nach-
zuweisen, dafs der Reichthum unserer eigenen bescheidenen
Flora der nördlichen gemäfsigten Zone doch nicht in allen
Beziehungen von der Vegetationsfülle der westindischen
Tropen überflügelt werde, ja sogar unsre norddeutsche Flora
noch eine Menge interessante Formenkreise der höheren
Phanerogamischen Gewächse besitze, die entweder den Tro-
pen ganz fehlen, oder in ihnen nur eine höchst untergeord-
nete Vertretung finden. Wir lassen die hier angegebenen
Zahlenwerthe hier folgen :
Grisebach führt in der Englisch -Westindischen Flora
an blühenden und blüthenlosen Gefäfs Cryptogamen 3254
Arten auf, in 1096 Gattungen und 150 Familien. Die
norddeutsche Flora erreicht etwa \ dieser Zahlenangaben,
nämlich nach den neusten Auflagen der Garcke'schen Flora
Norddeutschlands 129 Familien, 700 Gattungen und 2194
Arten. — Von diesen 150 aufgeführten brittisch- west-
indischen Pflanzenfamilien, die sich auch meist über Cuba,
Haiti und Portorico erstrecken , scheiden beinahe die Hälfte
derselben als rein tropische und subtropische Familien aus,
von denen für die westindische Flora als charakterische
hervorzuheben sind: Anonaceen mit 19 Arten, Cappariden
mit 22, Bombaceen mit 6, Guttiferen mit 22, Malpighiaceen
mit 44, Bignoniaceen mit 29, Acanthaceen mit 38, Gesne-
raeeen mit 35, Piperaceen mit 54, Myrtaceen mit 57, Me-
lastomaceen mit 104, Rizophoren mit 4, Laurineen mit 28,
Passifloren mit 33, Cacteen mit 8, Begoniaceen mit 8,
Myrsineen und Sapoteen beide mit 23 und Palmen mit 20
Arten. Familien dagegen in annährend gleicher Ausbildung
in Beziehung auf Gattungen und Arten bilden die Gräser
und Cyperaceen. Im brittischen Westindien führt Grise-
bach 59 Gattungen Gräser mit 168 Arten, und 107 Arten
Cyperaceen in 18 Gattungen auf, während in der nord-
deutschen Flora Garcke an Gräsern 50 Gattungen mit
ebenfalls 168 Arten, und an Cyperaceen 117 Arten in 8
Gattungen vertheilt. Sehr auffällig ist es hierbei, dafs nur
2 Carices von Grisebach genannt werden, die norddeutsche
Flora aber davon 78 nachweifst, die Cyperus Arten dagegen
in ähnlicher Weise vermehrt erscheinen, wie die Carices
abnehmen.
Eine bedeutend reichere Ausbildung im englischen
Westindien erhalten folgende Familien :
Farn treten im englischen Westindien mit 48 Gat-
tungen in 340 Arten auf, in Norddeutschland mit 14 Gat-
tungen in nur 32 Arten, Orchideen in 73 Gattungen in
226 Arten gegen 14 Gattungen mit 46 Arten, Legumi-
nosen in 90 Gattungen mit 262 Arten gegen 30 Gattun-
gen und 117 Arten. Aehnliche Zahlenverhältnisse stellen
dar die Euphorbien, 119 Arten gegen 21, Malvaceen 61
gegen 8, Tiliaceen 19 gegen 2, Rutaceen 31 gegen 2, Ur-
tieeen 69 gegen 5, Terebintaceen 60 gegen 3 (nur ange-
pflanzt), Lythrarieen 10 gegen 5, Cucurbitaceen 23 gegen 3,
Araliaceen 7 gegen 1, Lorantaceen 22 gegen 2, Rubiaceen
173 gegen 23, Lobeliaceen 16 gegen 1, Lentibularien 10
gegen 6, Apocyneen 48 gegen 1, Asclepiadeen 28 gegen 1,
Solaneen 67 gegen 15, Convolvulaceen 64 gegen 8, Ver-
benaeeen 52 gegen 1 , Aroideen 29 gegen 3 , Dioscoreen
11 gegen 1, Lycopodiaceen 23 gegen 8.
Dieser Präponderanz des tropischen Westindiens treten
dagegen folgende Familien gegenüber, die in Norddeutsch-
land eine reichere Ausbildung erhalten, im englischen West-
indien meist aber nur schwach vertreten sind:
Die Banunculaceen treten in Norddeutschland in 73
Arten auf gegen 4 brittisch-westindische, die Papaveraceen,
mit Einschlufs der Fumariaceen , in 23 gegen 2. Die 9
aufgeführten westindischen Cruciferen sind wahrscheinlich
sämmtlich eingewandert, während in Norddeutschland deren
115 bekannt sind, auch scheint dies der Fall mit den we-
nigen Sileneen und Alsineen der Fall zu sein, während diese
in unserer Flora die Summe von 33 und 43 erreichen.
Salix Humboldtiana ist die einzige Salix Art des brittischen
Westindiens, während Garcke in seiner Flora deren 37
aufführt.
Aehnliche Zahlenverhältnisse lassen sich auch in nach-
folgenden Familien nachweisen: Geraniaceen treten hier mit
45 Arten gegen 1 brittisch-westindische auf, Polygoneen
mit 32 Arten gegen 15, Rosaceen mit 112 gegen 7, Po-
maeeen fehlen ganz im brittischen Westindien , Onagrarien
bilden bei uns 22 gegen 14 Arten, Crassulaceen 23 ge-
gen 1 , Saxifrageen 12 gegen 1 , Umbelliferen 90 gegen 9,
Caprifoliaceen 13 gegen 2, Compositen 228 gegen 160,
Campanulaceen 20 gegen 1, Plantagineen 8 gegen 2, Plum-
bagineen 4 gegen 2, Primulaceen 22 gegen 1, Gentianeae
21 gegen 20, Scrophularinen 103 gegen 23, Labiaten 70
gegen 23, Coniferen 10 gegen 5, Alismaceen 5 gegen 4,
Hydrochariden 3 gegen 5, Typhaceen 5 gegen 1 , luneeen
8
'20. Februar 1866.
'.29 gegen 1, Liliaceen ii gegen 18, Irideen 14 gegen 3,
endlich Rbizocarpeen 2 gegen 1, und Eqniseten 9 gegen 2
Arten. Diese zuletzt aufgeführten Zahlen weisen in
einer nicht unbedeutenden Anzahl von Familien, und zwar
grade in Familien von anerkannter Formen-Schönheit, na-
mentlich in Ranunculaceen, Irideen, Primulaceen, Liliaceen
und Rosaceen, auf einen Formen-I\eichthum in unserer vater-
ländischen Flora hin, die den Tropen Westindiens versagt
ist, und auf die ich zu Gunsten unserer einheimischen
Flora hier aufmerksam machen wollte. —
Gedruckt in der Druckerei der küuisrl. Akademie der Wissenschaften.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
am 20. März 1866.
Director Herr Geli. Rath Gurlt.
Herr Gurlt eröffnete die Sitzung mit Vorlegung eines
Dankschreibens des neu erwählten Ehrenmitgliedes Herrn
Dr. Holtz und mit Uebergabe einer Druckschrift des eben-
falls neu erwählten Ehrenmitgliedes Herrn Prof. Dufour
in Lausanne.
Hierauflegte Herr Jagor Proben von Agalloche, Aqui-
laria agallocha Roxb. , vor, dem kostbaren wohlriechenden
Holz, das in den Wäldern Hinterindiens, von Arsam bis
Cochinchina und Hainan gefunden wird. Interessante No-
tizen darüber giebt Ritter, Asien Th. IV, Bch. II, Bd. III,
S. 293, 883, 933, 1097. Finlayson und neuerdings der
Reisende Mouhot, die es in Chantabun (Cambodia) sam-
meln sahen, bestätigen, dafs es sich beim Absterben des
Baumes im Innern des Stammes bilde. Der duftende Theil
ist ein verdicktes Oel oder Harz, das dem ursprünglich
weissen Holz ein schwarz geflecktes Ansehn giebt. Es
brennt wie Harz, verbreitet einen grossen Wohlgeruch und
ist deshalb seit den ältesten Zeiten ein kostbarer Handels-
artikel unter allen civilisirten Nationen Asiens, bei welchen
es einen Hauptbestandtheil der beliebtesten Parfüms aus-
macht. Ihm verdanken auch die Josssticks, Räucherstöcke
der Chinesen, und die Pastüles du Serail, die gelegentlich
zu uns kommen, ihren Duft. In Hinterindien wird es beim
Verbrennen königlicher Leichen verwendet und ist ein Regal.
Manche Arten sind so kostbar, dafs sie mit Gold aufge-
wogen werden. Das frische Holz ist rein und geruchlos,
Roxburgh, der den Raum in Arsam fand, verpflanzte ihn
in den botanischen Garten von Calcutta. Ritter giebt
eine ganze Liste von Namen, unter welchen das Holz be-
kannt ist, und sagt, dafs die Malayen den Sanscrit- Namen
aguru in agila verwandelten, woraus dann aquila und durch
Uebersetzung bois-d'aig/e, eag/ewood, Adlerholz wurde. Die
Malayen nennen es aber kayu-garu, dagegen mögen die
Chinesen, die bekanntlich das li nicht aussprechen können,
Veranlassung zu der Verwirrung gegeben haben.
[1866]
Hierauf legte Herrr Jagor Proben eines Holzes Pau-fa
vor, das aus der Provinz Sze-chuen kommen soll, aber in
ganz China in Form von dünnen Spänen käuflich ist. Es
sondert nach kurzem Einweichen im Wasser eine grofse
Menge Schleim ab, der von den chinesischen Damen, wie
der Quittenschleim von den europäischen, zum Glätten der
Haare gebraucht wird.
Endlich erwähnte derselbe die Verbreitung der bisher
auf wenige Gebiete Südamerikas beschränkten Cinchonen.
Ein Versuch der Franzosen, sie in Algier einzuführen, roifs-
glückte. Die Holländer führten sie 1854 durch Hasskarl
in Java ein , die Engländer mehrere Jahre später durch
Markham, in Britisch Indien, wo sie in den Neilgherries
so schnell vermehrt wurden, dafs sie bereits Fieberrinden
für den Handel liefern und in Privatpflanzungen gebaut
werden. Von dort wurden sie über mehrere Tlieile Vorder-
indiens, Ceylon, Trinidad, Jamaica, Mauritius, Cap der guten
Hoffnung, Queensland u. s. w. verbreitet.
Die Befürchtungen, dafs die Räume ausserhalb ihres
Vaterlandes nicht dieselben Alkaloide, oder nur sehr geringe
Mengen davon enthalten würden, sind vollständig widerlegt.
Jr. de Vry fand sogar in einer Rinde von C. succirubra
11% Alkaloide, wovon der gröfste Theil Chinin war, wäh-
rend die besten Peru Rinden selten mehr als 5% geben.
Der als Gast anwesende Herr Dr. Kersten aus Alten-
burg, der Regleiter des Barons v. d. Decken auf den Kili-
mandjaro gab folgende Mittheilung: „Nach den letzten Nach-
richten von Zanzibar kann es leider kaum noch zweifelhaft
sein, dafs der Baron C. C. v. d. Decken nicht mehr am
Leben ist. Es liegt daher kein Grund mehr vor, mit der
Herausgabe seiner Sammlungen und Beobachtungen, die er
sich für seine Rückkehr vorbehalten hatte, länger zu zögern.
Ja es scheint von der Vorsicht geboten, diese Arbeit mög-
lichst schnell in Angriff zu nehmen. Da ich den gröfsten
Theil der Sachen selbst gesammelt habe, oder wenigstens
3
10
20. Märt 1866.
Lei deren Erlangung mit zugegen gewesen bin , so kann
ich leicht alle gewünschte Auskunft darüber geben. Aufser
ausgestopften Wirbelthicren sind vorzüglich auch in Spi-
ritus conservirte vorhanden. Die Insecten aller Klassen sind
reich vertreten und meist trocken aufbewahrt worden. Von
Crustaceen und Weichthieren ist ebenfalls Verschiedenes
vorhanden. Einige Blechkistchen mit getrockneten Pflanzen
von Re"union, Grofs-Comoro und den Seychellen, vermuth-
lich auch von dem Kilimandjaro, stehen ebenfalls noch in
Melkhoff (Mecklenburg- Schwerin) bei dem Baron Jul. v. d.
Decken, dem Bruder des Reisenden. Die Pflanzen sind
vorzugsweise beim Herabsteigen von Bergen gesammelt wor-
den und bieten Repräsentanten von 8 — 10,000 Fufs an bis
herab zur Meeresflächc. Es haben sich schon einige Herrn
bereit erklärt, einzelne Theile der Sammlungen bearbeiten
zu wollen, z. B. Herr Prof. Dr. Peters hier für Fische
und Reptilien, Herr Staatsrath Prof. Dr. Grube in Breslau
für Anneliden und niedere Crustaceen. — Von Herrn Geh.
Rath Prof. Dr. Ehrenberg in diese gelehrte Gesellschaft
eingeführt, glaubte ich mir erlauben zu dürfen, die hoch-
geehrten Mitglieder auf diese Angelegenheit aufmerksam zu
machen".
Hierauf gab Herr Dr. K ersten Nachrichten über seinen
mehrmonatlichen Aufenthalt auf der Insel Reunion (Bour-
bon), schilderte die grofse vielartige Behaglichkeit des
geselligen Lebens daselbst und auch die wissenschaftliche
überraschende Thätigkeit für die durchgreifende Kenntnifs
aller Verhältnisse der Insel. Derselbe machte auf eine im
Jahre 1862 in Paris erschienene Beschreibung der Insel
aufmerksam, unter dem Titel Notes sur P He de la Reunion
(Bourbon) par L. Maillard, worin sowohl das geschicht-
liche als das statistische, topographische Verhältnifs u. s. w.
in 32 Abschnitten in Uebersicht gebracht wird ganz be-
sonders aber auch die Geologie und Naturgeschichte der
Insel ausführlich behandelt und zum Theil mit schönen Ab-
bildungen von Insecten und anderen Tbieren und Pflanzen
nach in Paris berichtigten Bestimmungen gegeben wird.
Derselbe schlofs mit einigen Bemerkungen über die Sey-
chellen, welche er ebenfalls besucht hat und die dort eigen-
tümlichen Palmen mit Riesenfrucht (Lodnicea Seschellarum).
Herr Dr. Aschers on zeigte zwei neue Einwanderer
vor, welche der brandenburgischen und überhaupt der deut-
schen Flora durch den jetzt überall verbreiteten Anbau der
Serradella zugeführt worden sind, beide vom Lehrer Vogel
in Pfaffendorf im Beeskower Kreise gefunden und ihm vom
Lehrer C. Schultze zugesandt: 1.) Ambrosia maritima L.,
einem in den wärmsten Theilen Südeuropas vorkommenden
Halbstrauch, der schon seit 1863 bei Pfaffendorf bemerkt
wurde, mithin mehrere unserer Winter bereits überdauert
zu haben scheint, da es kaum anzunehmen ist, dafs die
Früchte hier zur Reife gelangen. Diese Pflanze ist auch
bei Hamel und Hanau 1865 bemerkt worden. 2.) Linaria
juncea (L.) Desf., in Westfrankreich, Spanien und Nord-
afrika einheimisch.
Ferner theilte derselbe aus einem Briefe des Herrn Dr.
Seh wein fürt h aus Kartum, 10. Jan., Nachrichten über
dessen Reise mit.
Herr Gurlt legte die Zeichnung von Doppel -Nieren
der rechten Seite eines Schweines vor und bemerkte, dafs
bei sonst regelmäfsiger Körperbildung das Vorkommen von
2 Nieren einer Körperseite zu den Seltenheiten gehört.
Bei Mifsgeburten habe er allerdings sogar 4 Nieren , auf
jeder Körperseite 2, gefunden.
Als Geschenke wurden mit Dank empfangen:
1.) Karsten Florae Columbiae , speeimen se/ecla.
T. II. Fase. II. III. Geschenk des hohen Mi-
nisteriums der geistlichen, Unterrichts- und Medi-
cinal- Angelegenheiten.
2.) D u f o u r , recherches sur les Couranis electriques
Terreslres. Lausanne 1866.
3.) Fünfundzwanzigster Bericht des Museum Fran-
cisco Carolinum. Linz 1865.
Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
am 17. April 1866.
Director Herr Präsident v. Strampff.
Herr v. Strampff eröffnete die Sitzung und begrüfste
zunächst Hrn. Holtz als neu gewähltes anwesendes Mitglied.
Hierauf sprach Herr Ehrenberg über die angeblich
als Gallerten herabfallenden Feuermeteore. In einem Send-
schreiben eines Koryphäen der Physiologie vom Jahre
1865 an die Moskauer naturf. Gesellschaft, welches vor-
gelegt wurde, wird eine neue Ansicht über die Gallerten
der Feuerkugeln ausgesprochen, die als ausgeworfene Ge-
wölle von Fischadlern angesehen werden, und deren gal-
lertige Beschaffenheit von der Nahrung dieser Thiere her-
geleitet wird. Ein Ökonomie-Inspektor bei Königsberg hat
vor vielen Jahren dem Verfasser des Sendschreibens mit
äufserster Verwunderung ein mit einer Feuerkugel auf sei-
nen eigenen Hof vom Himmel gefallenes noch mit weichen
Theilen versehenes Froschbein vorgezeigt, das in einem
etwa zwei Eimer voll betragenden Haufen Gallerte einge-
schlossen gewesen sei. Diese Gallertmasse wurde von ihm
erst am Morgen nach der am Abend vorher gesehenen
Leuchtkugel aufgefunden. Gewifs mit Recht vermuthet der
Verfasser des Sendschreibens, dafs die grofse Menge der
Gallerte übertrieben sei, hält jedoch den Zusammenhang
derselben mit der Feuererscheinung und ihr Fallen aus der
Luft aufrecht. Die Motivirung dieser Ansicht beruht auf
der Erfahrung, dafs im Eileiter der Frösche jener bekannte
den Froschlaich umhüllende Schleim sei, welcher durch
Wasseraufsaugung zu einer weit gröfseren gallertigen Sub-
stanz aufquelle. Habe nun ein Fischadler Frösche ver-
schlungen, und quelle in dessen Magen dieser Schleim
plötzlich auf, so möge er wohl in der bekannten reich-
lichen Menge von dem in der Luft fliegenden Vogel als
Gewölle ausgeworfen werden und herabfallen. Auch möge
derselbe, wie viele andere thierische Stoffe, zuweilen phos-
phoresciren und den stets widerlichen Geruch des Magen-
inhaltes des Fischadlers theilen. Die im physikalischen Wör-
terbuch vonMuncke zusammengestellten Thatsachen werden
[1866]
in dieser Weise mit anderen in Übersicht gebracht. Der
Vortragende bemerkte hierzu, dafs bereits im Jahre 1835
(in den Schriften der Akademie) die Vorstellung, dafs Vogel-
gewöll die Basis der sogenannten Meteorgallerten bilde, in
seiner Abhandlung über das Meeresleuchten p. 106 erwähnt
wird, dafs aber ein solches, von ihm Reihergewöll benanntes
Material, nur als Boden für eine gallertige davon verschie-
dene Pflanze erkannt worden sei. Vor nun 30 Jahren (1836)
hat derselbe auch in den gedruckten Mittheilungen dieser
naturf. Gesellschaft (Januar und Februar) über die auf todten
Fröschen sich bildenden scheinbaren Meteor-Gallerten Be-
obachtungen veröffentlicht. Diese Gallerten waren von der
Farbe des gekochten Eiweifses oder des gekochten Stärke-
mehls und wurden in einem milden Winter bei Berlin
beobachtet. In einem fliefsenden Wasser daneben gab es
auf einem todten Frosch eine kopfgrofse Gallerte, wahr-
scheinlich Actinomyce Horkelii von Meyen (Linnaea 1827
p. 433), welcher dieselbe von 4 Zoll Gröfse unter Wasser
auf einem Stück thierischen Gekröses (?) beobachtet hat. An-
dererseits hat Herr Schwabe in Dessau 1835 auf feuchter
Erde eine ähnliche Substanz von weilser Farbe, dem Noslnc
commune vergleichbar, gefunden und mit dem Namen in/ia///a
Friedericae bezeichnet. Beide Formen, die weifsen Luft-
gallerten und die fast wasserhelle Wassergallerte, wurden
vom Vortragenden mikroskopisch untersucht; in beiden fan-
den sich zahlreiche verästete Gliederfäden, deren Glieder
kürzer in der Luftform, länger in der Wasserform waren.
Froscheier waren in keiner der beiden Substanzen vorhan-
den. Die auf der Wiese vielfach von ihm absichtlich hin
und her zerstreuten Stücke der Substanz vermehrten sich
zu weit gröfserem Umfange als der im Frühjahr im Wasser
liegende Froschlaich es zu thun pflegt. Die aus dem Was-
ser genommene Substanz bekam, ebenfalls auf der Wiese
zerstreut, auch eine weifse Farbe und wurde der in der
Luft entstandenen ganz ähnlich. Die damals vielfach aus-
4
12
17. April 1866.
geführten nächtlichen Beobachtungen der mit nach Hause
genommenen Substanz ergahen niemals eine Phosphorescenz.
Es erschien daher die Vorstellung als begründet: 1) dafs
jene beobachtete gallertige oft faust- oft kopfgrofse, zuwei-
len in viele kleinere Bauteilen zerstreute Substanz jedenfalls
einen pflanzlichen Struktur-Charakter habe; 2) dafs ein und
dieselbe Form im Wasser und in der Luft sich anders ent-
wickle; 3) dafs todte Frösche oft aber nicht immer die
Unterlage dieser Substanz bilden; 4) dafs am bellen Tage
Vögel, wahrscheinlich Heiher, Störche, oder im Winter
Krähen die Frösche zerhacken und verschleppen; 5) dafs
ferner solche weifse glänzende Gallerten am Abend wohl leicht
phosphorescirend erscheinen können, ohne es zu sein, und
dafs mithin die weifse Trvmelln meteorica alba L. Gmelin
(Persoon), welche bald zu den Lichenen, bald zu den Algen,
bald auch zu den Pilzen gerechnet worden, dieses nicht
nach Phosphor oder Schwefel, sondern oft nach Frosch-
Cadaver abscheulich riechende nicht meteorische Produkt sei.
Es darf auch nicht übersehen werden, dafs todte Frösche mit
ihren Eileitern sehr häufig sind, die Tremella meteorica alba
pseudn meteorica doch immer nur eine seltene Erscheinung
und zwar, wie es damals schien, die Luftform einer Wasser-
alge ist. Gegen die Vorstellung eines Gewölls fliegender
nächtlicher Raubvögel streitet der Umstand, dafs die Fisch-
adler als Tagvögel nicht des Nachts umherfliegen, und die
Eulen, welche nach Oken schon längst in dem Verdacht
waren, Sternschnuppen zu liefern (Naturgesch. I!d. III. p.521),
als Froschjäger nicht gekannt sind. So wird also doch
daran festzuhalten sein, dafs der blendende Schein einer sich
nach dem Horizonte hin senkenden Feuerkugel, auch bei
dem Ökonomen in Königsberg, wie immer bisher, den
Irrllium erweckt hat, als ob die niemals oder nur zuweilen
sehr matt phosphorescirende ruhig am Boden liegende Frosch-
Tremella solch einen Niederfall der Feuerkugel bezeichne.
Der Umstand, dafs der Ökonomie-Inspektor bei der in seinen
Hof gefallenen Feuerkugel im Hofe selbst nicht sofort das
Feuer liegen sah und genauer betrachtete, zeigt unzweifelhaft
an, dafs die am Morgen im Hofe gefundene Gallerte erst bei
ihm am andern Tage die Vorstellung einer Verbindung zwi-
schen der Feuerkugel und der Gallerte hervorgebracht hat,
während sie wahrscheinlicher gar nicht unter sich zusammen
hingen. Hiernach ist denn jetzt für ähnliche Fälle die so-
fortige Anwendung des Mikroskops ganz besonders auf die
Gallerte zu empfehlen, um zu ermitteln, ob diese stets
eine vegetabilische Struktur habe, oder zuweilen als aufge-
quollene, Strukturlose Masse erscheine. Die Übersendung
eines Theiles der Gallertmasse, nicht der Froschtheile, an
einen in der Nähe befindlichen Algen-Kenner, Professor der
Botanik oder Zoologie in einem kleinen festen Bebälter wird
die Natur solcher angeblichen Gallertmasscn der Feuerkugeln
weiter feststellen.
Herr Dr. Otto Schul tzen berichtete über Versuche,
welche von ihm in Gemeinschaft mit Dr. Graebe über das
Verhalten der aromatischen Körper im Organismus ange-
stellt wurden. Veranlassung dazu boten die widersprechen-
den Angaben über die Bildung der Hippursäuren, da nach
Bertagnini die Anissäure, nach Beilstein und Schlon
die Chlorbenzoesäure, nach II offmann und Kraut die
Cuminsäure den Organismus unverändert passiren sollen,
während Benzoesäure, Nitrobenzoesäure, Salicylsäure und
Toluylsäure die entsprecheneden Hippursäuren liefern. Nach
den vorliegenden Versuchen geben sowohl Anissäure als
auch Chlorbenzoesäure und Amidobenzoesäure die ent-
sprechenden Hippursäuren, welche nach Einführung in den
Magen aus dem nach 10 bis 12 Stunden entleerten Harne
in bekannter Weise gewonnen wurden. Analysirt wurden
folgende Verbindungen:
1. Chlorhippursaures Calcium.
C berechnet = 46,02 gefunden = 45,80
H
M
3,01
5>
3,20
H20
5»
13,40
11
13,82
Ca
?»
8,60
»»
8,64
Cl
»>
15,36
1»
|14,5
Formel = (C9H8N03)2 Ca -f- 4 H20
2. Anisursäure.
C berechnet = 57,41 gefunden = 57,82
H „ 5,27 „ 5,51
N „ 6,7 „ 6,06
3. Anisursaures Calcium.
H20 berechnet = 10,49 gefunden = 10,23
Ca „ 8,77 „ 8,63
Formel = (C10H10NO4)2 Ca -+- 3 H20
4. Anisursaures Silber.
Ag berechnet = 34,18 gefunden = 34,09
Formel = C10H10AgNO4
Nach Genufs von Phtalsäure enthält der Harn ebenfalls eine
stickstoffhaltige Säure (Phtalursäure), mit deren Untersuchung
die Verf. noch beschäftigt sind.
Herr Dönitz zeigte das aus Helgoland stammende
Hautskelct eines Seeigels (Echinus sphaera O. F. Müller)
vor, welches in eigenthümlicher Weise mifsgestaltet ist. Es
fehlt nämlich das linke vordere Interambulacralfeld fast gänz-
lich. Nur in der Nähe des dorsalen Poles tritt es als
17. April 1866.
13
schmale, buckeiförmige Erhabenheit auf. In Folge des Feh-
lens dieses Feldes sind die beiden Porenstrafsen, welche es
normaler Weise zu beiden Seiten begrenzen sollten, anein-
andergerückt und zu einem einzigen Fühlergange ver-
schmolzen, an dem sich indessen durch die nebeneinander
herlaufenden Reihen nach unten zu divergirender Porenpaare
die Zusammensetzung aus zwei Porengängen kennzeichnet.
Durch den Ausfall des Interambulacralfeldes ist indessen
keine allgemeine Verschiebung der Felder eingetreten, denn
die rechten und linken Ambulacralfelder liegen wie gewöhn-
lich symmetrisch zu einander und zur Madreporenplatte.
Dagegen ist das vordere, unpaare Ambulacralfeld nach links
bin abgewichen und an das linke vordere Ambulacralfeld
herangetreten. Auch an der linken vorderen Genitalplatte
findet sich eine Abnormität. Diese Genitalplatte ist nur
halb so hoch als die anderen und enhält keinen Porus. Die
anliegenden Ocellarplatten sind ungewöhnlich breit und sto-
fsen, begünstigt durch die geringe Höhe der Genitalplatte,
unmittelbar aneinander. Über die Weichtheile läfst sich
nichts berichten, da sie schon entfernt worden waren, als
Herr Stud. P. Magnus, dessen Güte das anatomische Mu-
seum dieses seltene Präparat verdankt, dasselbe an sich nahm.
Wollte man aus diesem, leider noch vereinzelt dastehen-
dem Befunde einen allgemeinen Schlufs ableiten, so würde
es etwa der sein, dafs bei den Seeigeln, wie wohl bei den
Echinodermen überhaupt, die von Agassiz aufgestellte
Symmetrie entweder gar nicht existirt, oder wenigstens
weit gegen den radiären Typus zurücktritt. Agassiz legte
bekanntlich durch das Centrum des dorsalen Poles und die
Madreporenplatte eine Ebene, durch welche der Organismus
in zwei seitliche Hälften getheilt wurde. Diese Ebene trifft
bei Seesternen einen Arm, bei Seeigeln ein Ambulacralfeld,
welche als unpaar bezeichnet werden und deren Lage für
die vorausgesetzte Symmetrie maafsgebend ist. Aber gerade
dieses Feld ist im vorliegenden Fall aus seiner Lage abge-
wichen; folglich kann es nicht die ihm beigemessene Be-
deutung hinsichtlich der bilateralen Symmetrie haben. Führt
man hingegen den Bau der Echinodermen auf den radiären
Typus zurück, so steht der Deutung der beschriebenen
Mifsbildung keine Schwierigkeit entgegen. Mag ein Strahl
ausfallen oder mögen neue hinzukommen, der radiäre Typus
besteht nach wie vor. Ob indessen der radiäre Typus sich
mit bilateraler Symmetrie combinirt, wie es J. Müller und
Troschel in ihrem System der Ästenden angeben, das be-
darf noch weiterer Untersuchungen, zu denen sich vor allem
die Monstrositäten empfehlen.
Herr Söchting sprach über mehrere, zum Theil kry-
stallisirte Hüttenerzeugnisse, welche er auf einer im Monat
März nach Westphalen unternommenen Reise gesammelt
hatte.
Als Geschenke wurden mit Dank empfangen:
1) Monatsbericht der Berl. Akad. d. Wissensch. 1865.
2) Dr. C. Möbius, über den Bau und die Entwicklung
der Nesselkapseln einiger Polypen u. Quallen. Ham-
burg 1866. Bes. Abdruck aus d. Abhandl. d. naturf.
Gesellsch. in Hamburg.
3) Annales des Museo publico de Buenos Ayres per Ger-
man Burmeister med. Dr. phil. Entrega primera
1864.
4) Dr. Joh. Hanstein, Pilularia globulifera generatio,
eum Marsilia comparata. Dissertatio Academica.
Bonnae 1866.
5) Dr. Joh. Hanstein, die Gesneraceen des Kgl. Her-
bariums und der Gärten zu Berlin. Abschnitt II.
Gedruckt in der Druckerei der Künigl. Akademie der Wissenschaften.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
am 15. Mai 1866.
Director Herr Präsident v. S tramp ff.
Nachdem Herr v. Strampff die Sitzung eröffnet hatte,
theilte Herr Pritzel, anknüpfend an Friederich Tiede-
mann's im Jahre 1854 erschienene Geschichte des Tabaks,
einen in Hornung's Cista medica pag. 432 abgedruckten
Brief des Nürnberger Arztes Leonhard Doldius an den
Leibarzt des Bischofs von Bamberg, Sigismund Schnitzer,
vom April 1601 mit, aus welchem klar hervorgeht, dafs die
Anfänge des Tabakrauchens, in Deutschland wenigstens, um
zwanzig Jahre früher fallen, als die Historiker und mit ihnen
Tiedemann annehmen, nach denen die englischen Hülfs-
truppen, welche der Graf Grey im Jahre 1620 dem Könige
Friedrich von der Pfalz zuführte, die ersten Raucher gewesen
sind, die man in Deutschland sah. Doldius schreibt aber
seinem Freunde, dafs eine persische Gesandtschaft, die im
April 1601 bei dem Kaiser Rudolph II. in Nürnberg ein-
traf, nicht nur für ihren Bedarf Tabak in der Stadt vorge-
funden habe, sondern dafs auch bei den Nürnbergern die
Sitte, Tabak aus Röhren (tubu/i) zu rauchen, beinahe all-
täglich geworden sei.
Ferner theilte derselbe eine Reihe von Daten mit,
welche den Belag liefern, dafs die Einführung des Buch-
weizens (Po/jgonum Fagnpyrum L.) in die deutsche Land-
wirtschaft mindestens ein Jahrhundert früher falle , als
Johann Beckmann, Link, Meyen, De Candolle und
noch neuerdings Fraas angenommen haben. Aus einer
Vergleichung aller fünfzehn deutschen vorlutherischen Bibeln
in der hiesigen Königlichen Bibliothek hat sich ergeben, dafs
die niederdeutschen Bibeln, welche bald nach 1470 in Cöln,
1492 in Lübeck und 1520, 1522 und 1523 in Halberstadt
gedruckt sind, in der Stelle Jesaias XXVIII, 25. sämmtlich
das Wort Buchweizen (boekwete, bnktveit) enthalten. Fer-
ner erscheint dasselbe beim Jahr 1456 in Johann Berck-
mann's Stralsundischer Chronik. Die früheste Erwähnung
findet sich jedoch nach Angabe des Herrn Archivrath Lisch
in Schwerin in Originalregistern des mecklenburgischen Am-
tes Gadebusch vom Jahre 1436 (Mecklenburgisches Archiv,
Heft 8, p. 136). Viel weiter hinauf wird das Erscheinen
dieser muthmafslich aus China stammenden Pflanze in
Deutschland kaum reichen, da der Name in allen bis ins
14. Jahrhundert gehenden an Kulturpflanzen überaus reichen
[1866]
Glossaren (verglichen sind die Bonner, die Trierschen, die
Prager, die Wiener, die Admonter und die Königsberger
Glossen) fehlt. Die Pflanze wird jetzt in ganz Europa bis
zum Hofe Dönnaes im Nordlande unter 66° 5' nördlicher
Breite cultivirt.
Herr Ehrenberg gab zu seinen Mittheilungen in der
letzten Sitzung über die angeblichen Sternschnuppen-Galler-
ten einige weitere Bemerkungen. Die von mir im J. 1835
angeführte Vermuthung des Leuchtens der Reihergewölle
bezog sich hauptsächlich auf die Angaben Zenneck's aus
Hohenheim, dafs solche dem gekochten Stärkemehl ähnliche
weifse Gallerten besonders an Teichufern häufig seien , wo
Reiher sich aufhalten, die er als Sternschnuppen-Materien
bezeichnet und umständlich beschrieben hat. Diese Beob-
achtungen Zenneck's waren in Oken's Isis im J. 1828
p. 530 publicirt worden. Sie wurden bei Kupferzell und
Waidenburg im Würtembergischen angestellt und ausführ-
lich in Frankfurt a. M. vorgetragen. Nach direkten Unter-
suchungen des Mageninhalts von Reihern fanden sich darin
dergleichen Gallerten nicht und das Auswerfen wurde nicht
direkt beobachtet. Die zahlreichen am Weiherufer oft darm-
artig gewundenen Gallerten mit starkem cadavrösem Geruch
hielt er für aus der Erde hervortretende Würmer oder Eier-
gallerten von Schnecken. Wahrscheinlicher mögen Aaskäfer
(Todtengräber) das Froschgedärm theilweis in die Erde ge-
zogen und die Löcher veranlafst haben. Ein Leuchten wurde
nicht beobachtet. Diese Gallerten wurden im Oktober,
November und December gesammelt, also zu einer Zeit, wo
alle Arten von Fröschen ihre Eier bereits entleert hatten.
Ganz besonders bemerkenswert!! dürfte sein, dafs die Störche
als die eigentlichen Froschjäger und als oft auf Strohhäusern
und Scheunen ihre breiten, leicht Feuer fangenden Reisig-
nester aufbauenden Hausthiere noch niemals einen Haus-
besitzer durch phosphorescireuden Auswurf erschreckt zu
haben scheinen, so dafs von keiner Seite bisher glaubwür-
dige Nachrichten über herabfallendes phosphorescirendes Ge-
wöll bekannt geworden sind. Die am schwersten in dieser
Antreleeenheit wieeende Thatsache ist aber noch eine andere.
Es sind nämlich die als Sternschnuppen oder Feuerkugel-
gallerten bezeichneten Massen, wenn sie am Boden lagen,
5
16
15. Mai 1866.
noch niemals als feurige Klumpen beschrieben worden, wäh-
rend docli alles phosphorescircnde Fleisch, organischer Schleim,
oder organische Gewehe, wenn es Oberhaupt phosphorescirt,
so sehr man es auch zerstückelt, am Boden ruhig fortleuch-
tet und sogar auf jeder neuen Bifsfläche sich verstärkt. Aus
all diesen Gründen scheint es nothwendig, die ganze Vor-
stellung herabfallender leuchtender Gallerlen als Almosphaeri-
lien sowohl als als Gewölle von Vögeln ganz fallen zu
lassen, und sie unter die Märchen zu verweisen. Die pseudo-
metcorische Gallertpflanze auf todten Fröschen aber, welche
Pflanzenstruktur zeigt, um nicht immer neue Namen zu
geben, als (Nosloc) Tremella melenrica alba nicht aufser
Acht zu lassen. Die Hauptgesichtspunkte bei dieser Ange-
legenheit scheinen folgende zu sein: Die angeblichen Me-
teorgallerten beziehen sich niemals auf Nnslnc commune und
ihre vertrockneten im Regen aufweichenden als Collema unter
den Flechten verzeichneten Formen , sondern auf die damit
verwechselte Tremella melenrica alba. Diese kann mit und
ohne faule animalische Stoffe sich auf feuchter Erde vor-
finden, gewöhnlich ist sie durch die faule animalische Grund-
lage von sehr üblem Geruch, hat aber, wie von mir 1836
zuerst nachgewiesen worden, dabei eine pflanzliche, mehr
oder weniger entwickelte Struktur. Die frischen Eingeweide
der Frösche haben so wenig eine übelriechende Beschaffen-
heit, als der von den Fröschen ausgeworfene Froschlaich,
der niemals eine Pflanzenstruktur zeigt. Die Erscheinung
der Tremella meleorica alba ist von Zenneck reichlich im
Oktober, November, December, von mir selbst im Januar
und Februar beobachtet, also zu Zeiten, wo die Frösche
keine Eier legen. Des Nachts fliegende Beiher oder Beiher-
züge und dergleichen sind im nordischen Winter so wenig
denkbar als ihr Fang lebender Frösche. Die so häufigen
Storrhnester auf Strohdächern haben niemals des Phospho-
rcscirens halber Schrecken der Feuersgefahr erregt. Die im
milden Winter auf Wiesen gesehenen Frosch -Tremellen
können wohl nur von erfrornen, durch Krähen aus dem Eise
gehackten und zerstückten Fröschen herrühren. Das Phos-
phoresriren solcher Gallerten kann mit dem Auffallen auf
die Erde nicht plötzlich aufhören, nicht wie ein Licht ver-
löschen, und ist dennoch niemals als ein stetiges Fortlench-
ten beobachtet. Dafs überhaupt die wasserreichen Gallerten
lichtartig brennen sollen, ist gegen die physikalische Natur,
und dafs wirklich brennbare und leuchtende harzige Massen,
die verlöschen können, oder verkohlte brennbare Stoffe, aus
der Luft herabfallend gefunden worden wären , ist nicht
erwiesen. Das in Curland 1686 gefallene schwarze Meteor-
ferven-Filz in den Abhdl. der Akademie erläutert worden.
Aus diesen Gründen ist die ganze bisherige Vorstellung aus
der Höhe herabfallender, leuchtender Gallerlen offenbar un-
beglaubigt, und nur historisch bei den Meteoren als unbe-
gründete Sage zu bemerken.
Derselbe zeigte dann einige d. Akad. d. W. vorgelegte
Samen von den Getreidearten der Pfahlbauten in der Schweiz
vor, welche Prof. Heer in Zürich ihm zugesandt und die
dem Kgl. Herbarium zur Aufbewahrung übergeben werden.
Hr. v. Martens zeigte einen Seestern und eine Land-
schnecke aus den Sammlungen der ostafrikanischen Expe-
dition des unglücklichen Baron von der Decken vor. Der
erstere, aus Zanzibar, ist eine neue Art der Gattung Pie-
raster und besitzt dieselbe Dupliratiir der Bückenhaut mit
dazwischen befindlicher lirulhöhle, wie sie an dem norwe-
gischen P/eraster miliiaris von Koren, Danielssen und
Sars beschrieben ist. Die letztere ist eine genabelte Aus-
artung der Achatina fulica Ferussac , von den Seychellen,
entstanden durch eine mechanische Verletzung in der Ju-
gend des Individuunis , wodurch die Umgänge eine etwas
von der Norm abweichende Spiralrichtung angenommen und
im weiteren Wachsthum constant beibehalten haben.
Hr. Ascherson legte ein frisches Exemplar der jetzt
in der Provinz Brandenburg schon ziemlich eingebürgerten
Wanderpflanze Senecio vernalis W. K. vor, welche er in
Gesellschaft mit Dr. Beinhardt auf einem Luzerneacker
bei Büdersdorf zahlreich beobachtete; ferner Linnaea bo-
realis L. aus dem Büdersdorfer Forst bei Fangschleuse und
ein Exemplar von Vaccinium T'itis idaea L. mit fast 6' lang
ausgegrabenem, horizontal in geringer Tiefe unter der Bo-
denfläche hinkriechendem Stengel, an welchen Gegenstand,
in Hinweis auf ähnlichen Wuchs bei anderen immergrünen
Waldpflanzen, wie Linnaea, die /Vro/a-Arten, er einige
biologische Remerkungen knüpfte.
Im Anschlüsse an seinen Vortrag in der letzten Sitzung
berichtete Herr Söchting zuletzt über seinen Besuch auf
der Hütte zu Horde bei Dortmund und über den daselbst
von ihm gesehenen Bessemerprocefs, dessen unter den
prächtigsten Erscheinungen stattfindender Verlauf geschildert
wurde. Zumal geschah Erwähnung auch des glänzenden
Flammenspiels und Feuerregens, welche bei dem Durch-
gange des hochgeprefsten Windes durch das in die Birne
eingelassene, geschmolzene Eisen erfolgen. Bei diesem,
einem Vulkanausbruche ähnelnden Vorgange fehlt es auch
nicht an zahlreichen, kleinen, bombenartigen Schlacken-
auswürflingen, deren Bedner eine Anzahl aufgenommen hatte
papier ist von mir 1838 als terrestrischer verrotteter Gon- i und hei dieser Gelegenheit vorlegte.
Gedruckt in der Druckerei der könijl. Akademie der \\ issensrhadfn.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
am 19. Juni 1866.
Director: Herr Präsident v. S tramp ff.
Herr v. Strampff eröffnete die Sitzung und legte
folgende, als Geschenke für die Gesellschaft eingegangene,
und m-t Dank entgegen genommene Schriften vor:
1. Monatsberichte der Kgl. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin; Januar, Februar, März 1866.
2. liecherches sur les figures d'e'quilibre par I. Plateau,
1866 ; Exlrait du lonie XXX fl des Me'moires de i'acade-
mie Bc/giaue; übergeben von Hrn. Magnus.
3. Über einen Phytoütharien-Tuff als Gebirgsart im Toluca-
Tlial von Mexico, von Ehren berg, März 1866, Aus-
zug aus den Monatsberichten der Kgl. Akademie der
Wissenschaften.
4. Jahrbuch des naturhistorischen Landesmuseums in Kärn-
then: 7. Heft. Klagenfurt, 1865.
5. Singapore. Malacca. Java. Reiseskizzen von F. Jagor.
Berlin, 1866.
6. Blasquez. Memoria sobre el Maguey Mexicano (Agave
Maximilianea). Mexico, 1865.
Herr Peters legte das Gehörorgan von Chiromjrs
rnadagascariensis vor, und zeigte, wie auch hieraus die Ver-
wandtschaft dieser Gattung mit den Halbaffen und die Ver-
schiedenheit von den Nagern, mit denen Cuvier und nach
ihm die meisten Naturforscher sie vereinigt hatten, bewie-
sen werde.
Herr v. Martens theilte die Beobachtungen und Züch-
tungs-Resultate betreffend Mus rattus und M. Alexandrinus
mit, welche Arthur de l'Isle in den Annales des scien-
ces naturelles von 1865 veröffentlicht hat, und schlofs sich
unter Vorzeigung afrikanischer und deutscher Exemplare,
erstere von Ehrenberg's Reisen, letztere von Rentier
Effeldt erhalten, der Ansicht des französischen Naturfor-
schers an , dafs zwischen beiden keine andere Verschieden-
heiten als diejenigen in der Färbung vorhanden sind, nament-
lich auch, dafs der harte und weiche Gaumen bei beiden
übereinstimmend gebildet ist. De l'Isle's Züchtungen er-
gaben eine unbeschränkte Fruchtbarkeit der beiden unterein-
ander, sowie der Mischliuge von beiden unter sich, während
derselbe von Mus rattus mit M. decumanus keine Bastarde
erhalten konnte. Die Mischlinge aus den beiden erstge-
nannten folgten in der Färbung, wenn rattus die Mutter
[1866]
und Alexandrinus der Vater war, theils der einen, theils
dem andern , oder hatten eine aus beiden zusammengesetzte
Färbung, doch war die Mehrzahl schwarz wie rattus (14
von 18); in den Fällen dagegen, wo rattus der Vater und
Alexandrinus die Mutter, hatten sie alle die schwarze Fär-
bung des Vaters (zwei und zwanzig Junge in vier ver-
schiedenen Würfen von zwei Paaren). Auf dieses auffal-
lende Überhandnehmen der schwarzen Färbung bei den
Mischlingen, sowie auf die Thatsache, dafs alle im Freien,
unabhängig von menschlichen Wohnungen lebenden Arten
der Gattung Mus (im gegenwärtigen Sinne) zweifarbig, oben
braun und unten weifs, dagegen gerade die Hausratte und
die Hausmaus fast einfarbig schwärzlich sind, gründet A rthu r
de l'Isle die Vermuthung eines Causalzusammenhangs zwi-
schen der dunkeln Färbung und dem Aufenthalt in mensch-
lichen Wohnungen, beziehungsweise dem Einwandern in
nördliche Gegenden als ihre eigentliche Heimat , vermittelst
menschlichen Verkehres, die Hypothese, dafs Mus Alexan-
drinus die ursprüngliche Färbung der Art darstelle, Mus
rattus eine schwarze Ausartung derselben ; schwarze Abarten
kommen bei vielen Säugethieren, namentlich Nagthieren
vereinzelt auch im Freien vor, bei den Eichhörnchen in ein-
zelnen Gegenden beinahe ebenso zahlreich oder selbst noch
zahlreicher als die gewöhnliche rothbraune Färbung. Rei
den Ratten und Mäusen wäre die schwarze Abart unter dem
Einflüsse der angedeuteten Umstände im Laufe vieler Gene-
rationen vorwiegend geworden, die ursprüngliche aus braun
und weifs zusammengesetzte Färbung bei der Hausmaus,
Mus masculus L., welche schon seit dem Alterthum in
Europa Mitbewohnerin der menschlichen Wohnungen ist,
gänzlich verschwunden, bei der Hausratte {Mus rattus),
welche erst im Mittelalter in Europa eingedrungen, in ihrer
afrikanischen Heimat noch unverändert fortbestehend (eben
Mus Alexandrinus) aber innerhalb Mitteleuropa jetzt zur
Seltenheit geworden, und auch der erst im vorigen Jahrhun-
dert eingewanderten Wanderratte, Mus decumanus Pall.,
dürfte im Laufe der Zeit eine ähnliche Verdunklung der
Farbe bevorstehen. De l'Isle glaubt annehmen zu dürfen,
dafs innerhalb dreier Jahrhunderte die schwarze Färbung aus
einer vereinzelten Seltenheit zur vorherrschenden Regel ge-
6
18
19. Juni 1866.
worden, indem im sechzehnten Jahrhundert Gesner die
Farbe der Ratte schwärzlich, subniger , nennt — überhaupt
die älteste Angabe über ihre Färbung — und im dreizehnten
Jahrhundert wohl schon in französischen Gedichten die Ratte
neben der Maus als Hausbewohnerin erscheine, aber in
Deutschland noch unbekannt gewesen sei, da Albertus
Magnus unter dem Namen Ratte nur den Gartenschläfer,
Mroxus quercinus L. , beschreibe, die Ausbreitung unserer
Ratte in Europa also ungefähr in diese Zeit falle. Der Vor-
tragende machte auf die Unsicherheit dieser Zeitbestimmung
aufmerksam und glaubt die fragliche Stelle des Albertus
so auffassen zu müssen, dafs derselbe neben der Ratte als
weitere Art von Mäusen den Gartenschläfer beschreibe, wo-
durch sein Zeugnifs in dieser Frage, wann innerhalb des
Mittelalters Hie Ratte in Europa allgemein geworden, sich
gerade umkehrt. In Retreff der Wanderratte, Mus decu-
rnanus, fügte der Vortragende noch hinzu, dafs Rech stein
im Anfang dieses Jahrhunderts noch von keiner schwarzen
Varietät derselben wisse, eine solche gegenwärtig aber be-
kannt und nicht ganz selten sei.
Herr Peters bemerkte durch Vorstehendes veranlafst,
dafs schwarze Wanderratten gegenwärtig im zoologischen
Garten Rerlins häufig gefangen werden, ferner, dafs Mus
Alexandrinus in ganz Ostafrika häufig in Häusern lebe ohne
Farbenänderung, endlich dafs Hasen und Kaninchen ein auffäl-
liges Reispiel fruchtbarer Rastardziichtung zwischen zwei ganz
verschiedenen Arten in der Ordnung der Nagethiere geben.
Herr v. Martens zeigte ferner vor die in demselben Rand
der Annales des sciences naturelles veröffentlichte Copie einer
Zeichnung des Mammuts, Elephas primig enius , als eines
lebenden Thieres, auf einem Zahnbruchslück desselben Thiers
im südwestlichen Frankreich gefunden, im Vergleich mit Ab-
bildungen von Elephantenschädcln und lebenden Elephanten
aus unserer Zeit. Der Schädel des Elephas primigenius und
der jetzigen indischen Art stimmen im allgemeinen Umrifs
recht gut mit einander überein. Während des Lebens ist
bei dem indischen und afrikanischen Elephanten der Kopf
nicht höher als der Rücken, eher niedriger, und die hintere
abschüssige Fläche des knöchernen Schädels derartig von
Weichtheilen bedeckt, dafs nur eine ganz seichte Einsatt-
lung im Nacken bleibt. In der fraglichen Zeichnung auf
dem Elfenbeinstück nun ist aber diese abschüssige hintere
Fläche sehr bestimmt dargestellt, die ganze Contur des obern
Theils des Kopfes gleicht damit dem Umrifs des knöchernen
Schädels von Elephas primigenius und E. indicus, aber nicht
dem des mit seinen Weichtheilen bedeckten Kopfes eines
lebenden Elephanten; die Vcrmuthung liegt daher nahe, dals
demjenigen, der diese Zeichnung entworfen, die Umrisse
eines entfleischten Elephantenschädels, vielleicht gerade die
bekannte vielkopirte Abbildung in Cuvier's ossemens fossi-
les, aber nicht ein lebender Elephantenkopf vor Augen oder
im Gedächtnisse waren. Somit ist diese Zeichnung nicht un-
verdächtig, und für die Reantwortung der Frage, ob Mensch
und Mammut gleichzeitig gelebt haben, nicht entscheidend.
Herr Foerster machte einige Mittheilungen über das
am 1'2. Mai dieses Jahres beobachtete plötzliche Aufflammen
eines Sternes zweiter Gröfse im Sternbilde der Krone.
Dieser merkwürdige Stern, der seitdem zur Helligkeit der
Sterne 9. Gröfse herabgesunken und vor etwa 10 Jahren
bereits in dem grofsen Kartenwerk des Prof. Argelander
in Ronn als ein Stern 9. bis 10. Gröfse eingetragen wor-
den sei, habe eine Veranlassung zur Anwendung der Spec-
tral-Untersuchung auf die Phänomene der plötzlichen Hel-
ligkeits-Anderungen geboten, durch welche der Einblick in
das Wesen solcher Erscheinungen bedeutsam gefördert
worden sei. Spectral - Reobachtungen in London und in
Paris, ausgeführt von Huggins und Wolf, lassen erken-
nen, «lafs das Licht jenes Sternes zwei Quellen von ver-
schiedener Intensität entströme, von denen die eine, weni-
ger intensive, eine leichte Spectral-Fläche mit dunkeln Ab-
sorptions-Linien, die andere, beträchtlich intensivere, einzelne
lichte Spectral-Linien mit breiten Zwischenräumen ergebe.
Die letztere Lichtquelle, welcher man wegen ihrer
gröfseren Energie den Hauptantheil an der plötzlichen Hel-
ligkeits -Steigerung des Sternes zuzuschreiben geneigt sei,
sei nach der bekannten Deutung der Spectral-Phänomene als
eine glühende Gasmasse zu betrachten, während die mattere
Spectralfläche von dem Körper des Sternes emanirt sein müsse.
Die Vermulhiing liege also nahe, dafs das jähe Auf-
leuchten des Sternes von der plötzlichen Erglühung grofser
Gasmassen herrühre, unter denen, wie es scheint, Wasser-
stoff einen Hauptbestandlheil gebildet habe, weil eine der
hellsten Wasserstofflinien mit einer der lichten Linien des
Sternspectrums nahe zusammengefallen sei.
Es würde nun für die richtige Deutung des ganzen
Processes viel darauf ankommen, wie sich die relative Ab-
nahme der Intensitäten der Spectralfläche und der einzelnen
lichteren Linien bei der allgemeinen und ziemlich schnellen
Licht-Abnahme des Sternes verhalten habe. Nach den bis-
herigen darüber veröffentlichten Mittheilungen habe die In-
tensität der Gas-Linien langsamer abzunehmen geschienen,
als die der matteren Fläihe; doch müsse man die endgültige
Diskussion so delikater Messungen, bei denen Empfindungs-
täuschungen möglich seien, abwarten.
Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
am 17. Juli 1866.
Director: Herr Professor Braun.
Herr Dönitz zeigte einen heizbaren Objecttisch nach
Max Schultze vor und berichtete über seine Untersuchun-
gen der rothen Blutkörperchen bei erhöhter Temparatur. Die
feuchte Kammer kann bei «liesen Untersuchungen vollkommen
entbehrt werden, denn sie verhindert keineswegs, dafs die
untersuchte Flüssigkeit am Rande des Deckgläschens ein-
trocknet. Nicht die feuchte Kammer, sondern dieser einge-
trocknete Rand ist es, welcher nachher das Präparat längere
Zeit vor Verdunstung schülzt. — Bei den Untersuchungen
der rothen Blutkörperchen des Frosches stellte sich heraus,
dafs diese sich verschieden verhalten, je nachdem das Rlut im
Y\ inter oder im Sommer den Fröschen entnommen wird. Die
normalen rothen Blutkörperchen des Frosches haben im Som-
mer das Aussehen, was Owsiannikow neuerdings so genau
beschrieben hat {Bull, de l'Acad. imp. de S. Pe'tersb. T. VIII).
V\ interfrösche hingegen, welche einer niedrigen Temperatur
ausgesetzt gewesen sind, führen nur sehr wenig normal
aussehende rothe Blutkörper. Man bemerkt fast nur einen
ziemlich scharf contourirlen Kern; der Blutfarbstoff ist ver-
schwunden, die elliptische Begrenzung des ganzen Körper-
chens schwach angedeutet oder gar nicht zu erkennen. Man
könnte glauben, nur weifse Blutkörper vor sich zu haben,
wen nicht durch verschiedene Reagentien die Anwesenheit
des elliptischen Contours (Membran) sich nachweisen liefse.
Untersucht man solche Winterfrösche, nachdem sie einen
oder mehrere Tage der Temperatur eines geheizten Zimmers
ausgesetzt waren, so nimmt die Zahl der normalen rothen
Blutkörper wieder zu. Erhöhte Temperaturen wirken im
Winter anders auf rothe Blutkörperchen als im Sommer.
Die im Sommer mit ziemlicher Sicherheit bei bestimmten
Temperaturen auftretenden Veränderungen zeigen sich im
Winter entweder gar nicht, oder häufig bei ganz anderen
Temperaturen, abgesehen davon, dafs Veränderungen, die
bei gewissen Wärmegraden auftreten, sich nicht selten schon
bei etwas niederer Temperatur einstellen, wenn das Präparat
längere Zeit auf dieser erhalten wird. Im Sommer schiefsen
bei 3'2-* Cels. manchmal aus einzelnen ganz normal erschei-
nenden rothen Blutkörpern plötzlich unter den Augen des
Beobachters lange Fortsätze heraus, welche sich unmittelbar
darauf oder erst späterhin abschnüren und Kugelgestalt an-
nehmen; eine Erscheinung, die auch Preyer, freilich an
vorher schon veränderten Blutkörperchen in Extravasatblut,
beobachtete (firchow's Archiv XXX S. 426). Im Winter
bekommt man diesen Vorgang selten zu Gesicht, und dann
gewöhnlich bei 34°. Bei Erwärmung auf 36° pflegen im
Sommer die bis dahin noch nicht veränderten Körperchen
zu erblassen und sich aufzublähen, die Contouren des gan-
zen Körperchens zu verschwimmen, die des Kernes scharf
hervorzutreten. Im Winter ist diese Veränderung nicht
[1866]
selten bei 34 oder 35°. Neu mann bat dieselbe Erschei-
nung durch electrische Ströme hervorgerufen (Reichert's und
du Bois- Beymond's Archiv 1865). Sind bei steigender Tem-
peratur noch wenig veränderte rothe Blutkörper übrig ge-
blieben, so bekommen diese, hauptsächlich im Winter, bei
bei 45° Einkerbungen, die bei 47° unter Aufblähen des Ge-
bildes wieder verstreichen. Dieser Vorgang läfst sich nur
verstehen, wenn man eine Membran annimmt, welche das
Körperchen umhüllt. Die Einkerbungen, die man so häufig
zu sehen Gelegenheit hat, sind nichts als regelmäfsige Falten.
Unregelmäfsiger pflegen die Falten aufzutreten, wenn man die
Blutkörperchen mechanisch mifshandelt; sehr charakteristisch
sind sie an den grofsen Blutkörpern des Holmes (Proteus),
wo der Faltenwurf an zerknitterten Seidenstoff erinnert. Das
Vorhandensein einer Membran erklärt auch das erwähnte
plötzliche Hervorschielsen langer Fortsätze, die nur dadurch
entstehen können, dafs unter dem Einfluls der Wärme (resp.
von Reagentien) die Membran an einer oder mehreren Stellen
einreifst und nun vermöge ihrer Elasticität einen Theil des
Inhalts ausprefst. Bei 50° ziehen sich die bis dahin noch
nicht zerstörten Blutkörperchen stark in die Länge, wobei
eine Depression rings um die Gegend des Kernes sehr deut-
lich hervortritt. Bei 52° verschwindet diese Depression an
dem einen Ende, indem dieses sich etwas aufbläht. Er-
wärmt man noch stärker, bis zu 60°, so verkürzen sich die
Körper wieder, werden biseuitförmig und legen sich zu gro-
fsen Gruppen aneinander. Später trennen sie sich von neuem
und blähen sich stärker auf. Der Kern wird dann manchmal
durch zwei an der weit abstehenden Membran befestigte Fäd-
chen in der Schwebe gehalten. Schliefslich folgt die Auf-
lösung, die Membranen legen sich polyedrisch aneinander,
und das ganze Gesichtsfeld wird, jedenfalls in Folge der
Gerinnung von Eiweifssubstanzen , körnig getrübt. Wenn
rothe Blutkörperchen sich aufblähen, was bei den verschie-
densten Temperaturen vorkommen kann, so schlägt sich rings
um den Kern eine Schicht körniger Substanz nieder. An
der Innenfläche der Membran des Blutkörperchens wurde kein
Niederschlag bemerkt, während Reichert dies bei Anwen-
dung von Salpetersäure beobachtete (Über die neueren Re-
formen in der Zellenlehre, Beicherl's u. du Bois-Rejmond' 's
Archiv 1863). Ahnliche Erscheinungen wie die oben be-
schriebenen treten auch beim Erwärmen von Säugethierblut
auf, wovon hauptsächlich das plötzliche Hervorschiefsen
der langen Fortsätze zu erwähnen ist. Da nun in dem
einen Falle, wo dieses Phänomen sich zeigt, beim rothen
Blutkörperchen des Frosches nämlich, eine Membran zuge-
gen ist, welche die Eigentümlichkeit der Erscheinung be-
dingt, so mufs der Rückschlufs gemacht werden, dafs auch
in dem andereii Falle , wo dasselbe Phänomen erscheint,
7
20
17. Juli 1866.
beim rotlien Blutkörperchen <Ies Säugethiercs und Menschen,
eine Membran vorhanden ist. Somit fuhren die Erscheinun-
gen, welche man beim Erwärmen der rotlien Blutkörper-
chen beobachtet, zu demselben Resultat wie die anderweiti-
gen Untersuchungen einiger neueren Beobachter, zur Reha-
bilitation der von den Anhängern der Protoplasmatheorie
geleugneten Membran.
Herr v. Martens zeigte spiralgcwundene Gehäuse einer
unbestimmten, vermuthlich mit Psyche verwandten Insekten-
larve vor, welche aus den Sammlungen des verstorbenen
Barons von der Decken stammen. Unter sieben Exempla-
ren sind vier (im Sinne der Conchyliologen) rechts, drei links
gewunden. Dieselben sind übrigens von Schneckenschalen,
neben dem allgemeinen Aussehen und dem Mangel des Kalk-
gehaltes, namentlich noch dadurch leicht zu unterscheiden,
dafs keine Spitze, aus an der Skulptur kenntlichen Embryo-
nalwindungen bestehend, vorhanden ist, sondern die Win-
dungen ziemlich grob um einen vertieften Mittelpunkt be-
ginnen.
Herr Hofmann machte Mittheilungen über die chemi-
sche Constitution der A u i 1 i n färb es to ffe.
Herr Schultz legte einen lebendigen Zweig eines Apfel-
baumes vor, der dicht besetzt war mit der sogenannten Blut-
laus (Apliis lanigera Hausmann, in Illigers Magazin für
Insektenkunde; Schiz oneura lanigera Hartig in Ger-
tnar's Zeitschrift für Entomologie III 1841 ; Kallenbach Mo-
nographie der Familie der Pßonzenliiuse, Aachen 1843. 8;
Troschel Handbuch der Zoologie S. 388). Dieses durch sei-
nen sonderbaren weifswolligen und irisirenden Überzug aus-
gezeichnete Insekt kommt alle Jahre um Berlin vor, aber in
diesem Jahre scheint es besonders häufig zu sein. Es ist
schädlich, indem es die Rinde verletzt, so dafs diese später
rissig wird; zuweilen stirbt auch der ganze Zweig ab.
Herr Lieberkiihn berichtete, dafs in der jetzigen Jah-
reszeit sich leicht die verschiedenen Stadien des Fmchungs-
processes der Eier der Spongillen beobachten lassen.
Schon mit blofsem Auge erkennt man an der untern Fläche
der Schwämme, mit welcher sie auf Pfählen oder Steinen
festsitzen, zahllose weifse Flecke, die unregelmäfsig im Kör-
perparenehym zerstreut sind ; es sind dies die Eier und Em-
bryonen. Die Eier enthalten Furchungskugeln in verschie-
denster Zahl, einige 2, andere 4, 6 oder auch so viele, dafs
man sie nicht mehr zu zählen vermag. Schneidet man kleine
Stücke aus dem Körper heraus und bewahrt sie in Wasser
auf, so läfst sich bisweilen die Vermehrung der Furchungs-
kugeln direct wahrnehmen. Das Wimperepithel der Em-
bryonen läfst sich durch verdünnte Säuren in seine einzel-
nen Zellen zerfallen; es löst sich die ganze Zellschicht in
Form von kleinern und gröfsern Eappen ab und diese zer-
fallen in cylindrische Körperchen, welche viele äufserst feine
Körnchen enthalten. Was als Zellengrenze am lebenden
Embryo erscheint, scheint nur durch die Lagerung dieser
Körnchen und die Kerne bedingt; wenn sich die Epithel-
schicht an einzelnen Stellen abhebt, so sieht man zwischen
den scheinbaren Zellen immer noch eine durchsichtige schwach
lichtbrechende Substanz. Auf die Epithelschicht folgt die con-
tractile Substanz, die hier bereits dieselben Eigenschaften hat,
wie beim ausgebildeten Schwamm. Schon Hogg und Lau-
rent hatten bemerkt, dafs sich beim Embryo in der Regel
zwei Abtheilungen unterscheiden lassen, welche beinahe
gleiche Grölse haben, nämlich eine hellere und eine dunk-
lere. Während des Schwimmens sieht die letztere nach
vorn, die erstcre nach hinten. Diese Erscheinung kommt
dadurch zu Stande, dafs in der hintern Abtheilung sich vor-
wiegend contractile Zellen mit zahlreichen stark lichtbrechen-
den Körnchen befinden, was in der vordem Abtheilung nicht
der Fall ist. Überdiefs ist der Körper vorn mit einer Höhle
versehen; diefs wird besonders dann deutlich, wenn sich die
contractile Substanz auf eine Strecke von der Epithelschicht
zurückzieht. Man erblickt alsdann einmal die nun freie In-
nenlläche der Epithelschicht, und die freie Aulsenfläche des
contractilen Parenchyms, welches die Höhle vorn umschliefst.
Von dem letzteren gehen häufig durchsichtige körnchenhal-
tige oder auch körnchenfreie Fäden an die Innenfläche der
Epithelschicht heran und werden wieder zurückgezogen. Der
von Flüssigkeit angefüllte Zwischenraum zwischen der con-
tractilen Substanz und der EpilheUchicht kann nun wieder
schwinden, indem sich der von der contractilen Substanz
gebildete Körper ausdehnt und mit seiner ganzen Aufsen-
Häche wieder an die Innenseite der Wimperzellenschicht
anlegt.
Herr Schödler theilte mit, dafs ihm vor wenigen Ta-
gen eine zweite Collection kleiner Süfswasser- Crustaceen
von dem Freiherrn C. G. Ceders tröm aus Stockholm zu-
gegangen sei, welche derselbe im Sommer v. J. in den süd-
lichen Landschaften Schwedens eingesammelt habe. Nähere
Auskunft über dieselbe einer späteren Mittheilung vorbehal-
tend, zeigte er aus derselben vor: I) die erst in neuerer
Zeit, aber nur selten, wiederaufgefundene Cladocere Latona
setifera O. F. Müll, aus dem Bunn-See in Jönköpings län
und '2) Dosmina Cederströmii , nov. sp. aus einem Binnen-
See Ost-Götalands, welche ihrer deutlich „gestreiften" Scha-
lenskulptur wegen, sowie dem ganzen Habitus nach sich an
die B. longispina, IS. obtusirosiris und IS. lacustris zunächst
anreiht, von ihnen aber durch abweichende Bildung der
Tastantennen und der Schalendornen (Mucrones) leicht zu
unterscheiden ist. Die mikrometrische Messung des Thier-
rhens ergab: eine Körperlänge von 0,66 Millimetern, als
Maximum der Schalenhöhe 0,5.5 Mm. und für den stumpfen,
schräg abwärts gerichteten Mucro des untern Schalenrandes
eine Länge von nur 0,04 Mm. Die Tastantennen sind un-
verhältnifsmäfsig lang, 25 bis 27 mal ringelartig gegliedert,
aber nur schwach gekrümmt und betragen in gestreckter
Lage 0,70 Mm, wovon etwa <, auf den Stamm (Pedunculus)
dei selben zu zählen ist.
Herr Braun sprach über die Eigenschaften der Stein-
frucht von Celtis, insbesondhre über den reichen Gehalt des
Steins derselben an kohlensaurem Kalk, wodurch das wohl-
erhallene Vorkommen im fossilen Zustande erklärlich wird.
Er führt 8 den Tertiärbildungen Deutschlands, Böhmens,
der Schweiz, Frankreichs und Großbritanniens angehörige
Fundorte fossiler Celtisfrüchte an und glaubt 3 — 4 verschie-
dene Arten derselben unterscheiden zu müssen.
Gedruckt in der Druckerei der hönigl. Akademie der Wissenschaften.
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
am 16. October 1866.
Director: Herr Geh. Regierungsratli Professor Magnus.
Nachdem der zeitige Director die Sitzung eröffnet und
die von ihren Reisen in Süd-Amerika und Afrika zurückge-
kehrten Hrrn. Hensel und Schwein furth begrüfst wor-
den, machte Hr. v. S tramp ff eine Mittheilung über ein auf
dem Bauplatze der Nationalgalcrie vor dem neuen Museum
aufgefundenes grofses Infusorienlager. Dieser Fund ist nicht
unerwartet, weil in seiner unmittelbaren Nähe bei dem Baue
des neuen Museums bereits ein grofses Infusorienlager ent-
deckt worden war — Ehrenberg in den Monatsberichten
der Königl. Academie der Wissenschaften zu Berliirfiir 1841,
S. 364 — als dessen Fortsetzung das jetzt zu Tage getre-
tene erscheint. Dasselbe erstreckt sich nach den von dem
Herrn Bauralh Erbkam, dem leitenden Architekten der
Nationalgalerie, gegebenen Notizen in der Richtung von Süd
nach Nord, über den ganzen Bauplatz in einer Lange von
-50 Fufs, bei einer Breite von 150 Fufs. 7 bis 9 Fufs un-
ter der Dammerde und dem Schutte zieht sieh die Iufusorien-
schiclit, welche in nassem Zustand ein schwarzes und letten-
artiges Aussehen hat und dem Grundwasser undurchdringlich
ist, getrocknet aber eine hellgraublaue, fast weifsliche Farbe
zeigt und überaus leicht ins Gewicht fallt, in einer Mäch-
tigkeit von 3 bis 10 Fufs hin. Unter ihr liegt eine Torf-
schicht, \\ bis 2 Fufs mächtig auf Kiessand ruhend, der bis
auf 12 Fufs und darüber erbohrt ist. Der Sand enthält etwa
3 Fufs unter der Torfschicht Spuren von Braunkohlen, je-
doch nur von 1 bis 2 Zoll Mächtigkeit.
Diese Lagerungs-Verhältnisse weichen von denen der
übrigen unter Berlin vorkommenden Infusorienschichten in-
sofern ab, als sonst die Torfschicht nicht unter, sondern über
der Infusorienschicht liegend vorgefunden ist. Auch ent-
halten, und diefs ist eine neue Erscheinung, diese Torfschicht
und der darauf folgende Kiessand Muschelfragmente.
Zugleich wurden Proben der Infusorienerde im feuchten
und im trocknen Zustande, des Torfes, der Braunkohle und
des Sandes mit Musrhelfragmenten vorgezeigt. Die mikros-
kopische Untersuchung bat bisher ergeben, dafs das Infuso-
rienlager eine grofse Zahl derjenigen Poiygastern und Phyto-
litharien enthält, welche die Tafel XIV von Ehrenberg's
Mikrogcologie und die dazu gehörige Beschreibung als die
in den Infusorienlagern unter Berlin vorkommenden Formen
[1866]
aufweist. Weitere Forschungen , insbesondere hinsichtlich
der Muschelfragmente, bleiben vorbehalten.
Herr Schwein furth legte Exemplare von Crossnpterix
vor, welche er in NW. Abyssinien an der Gendua in grofser
Menge beobachtet hatte. Diese mit Cinckona nahe verwandte
Gattung ist in zwei Arten bekannt, von denen die eine als
C. febrifuga Bth. , die andere als C. Kotschyana Fyl. be-
schrieben wurde. Von der letzten gelangten Rindenproben
nach Wien, wo sie einer Analyse unterzogen wurden, welche
die Anwesenheit von notabeln Mengen Chinin neben vielem
Cinchonin in demselben feststellte. Da jedoch die zu Ge-
bote stehenden Rindenmengen keine quantitative Analyse er-
möglichten, so wäre es sehr wünschenswerth, wenn bei einer
zukünftigen Bereisung jener Länder davon gröfsere Quanti-
täten gesammelt würden. Das Factum der Anwesenheit von
Chinin in der Rinde eines Baumes, der im obern Nilgebiete
nicht selten ist, erscheint von grofser ökonomischer Bedeu-
tung für den Sudan, woselbst dieses unentbehrliche Medi-
cament eine ungemein ausgebreitete Verwendung findet.
Von Kotschy 1837 in Benischangol am obern blauen
Nil entdeckt und von Heu gl in am Bahr-Gazal 1863 wie-
dergefunden, würde dieser Baum jedoch nimmermehr Gegen-
stand der Handelsausbeute werden, wäre die an der Gendua
ausfindig gemachte Localität nicht leichter und ungefährli-
cher zu erreichen, als jene wilden Gebiete. Auch die in
Sierra Leone einheimische C. febrifuga Bth. mag Chinin
enthalten, da die Binde derselben von den Eingebornen da-
selbst als Mittel gegen Fieber gerühmt worden ist.
Hr. Söchting legte den neuesten Bericht der Corn-
mission hydmmetrique et Cnmmission des nroges du de'par-
tement du Rhone et des parties limitrophes vor, welche ihm
für seine Jahresberichte über die Fortschritte der physikali-
schen Geographie (in den „Fortschritten der Physik") durch
Professor Fournet in Lyon zugesandt worden, und ver-
wies mit Rücksicht auf die jüngster Zeit in Frankreich statt-
gehabten Überschwemmungen auf die Wirksamkeit und Be-
deutsamkeit jenes Instituts. Die Cnmmissinn hydrome'lrique,
ursprünglich auf private Thätigkeit gegründet und von der
Stadt Lyon erweitert, erstreckt, — neuerdings durch die
Commission des orages verstärkt — ihre Beobachtungen nicht
8
22
16. October 1866.
nur auf die Gesammtheit der meteorischen Erscheinungen
im Gehiete der Rhone und Saöne von deren Quellen ah
bis an das Meer, sondern studirt auch die so einflufsreiche,
geologische Gestaltung der betreffenden Landstrecken, in-
dem sie dabei überall die Hülfe der Chemie in Anspruch
nimmt. Der erste Abschnitt eines ausführlichen Berichtes
über die ausgebildete Arbeitsleistung der Commission , von
ihrem Präsidenten Herrn Fournet, macht den bedeutend-
sten Theil des vorliegenden Berichtes aus, welcher außer-
dem u. a. dreifsigjährige Beobachtungen am Pont Morand
enthält. Redner hob die Wichtigkeit solcher Arbeiten her-
vor und sprach den NVunsch aus, dafs dergleichen auch in
ausgedehntestem Mafse zur Öffentlichkeit gebracht werden
möchten, zumal, nachdem dasselbe nun sämmtliche Haupt-
stromgebiete des nördlichen Deutschlands umschliefse.
Herr Hensel machte einige Mittheilungen über die
Affen der brasilianischen Provinz Rio grande do Sul, die
deren nur '.' Arten enthält, einen Mycetes und den Cebus
fatueüus. Der Vortragende legte mehrere Schädel der ge-
nannten Affen vor, an denen die grofsen Geschlechts- und
Alters-Unterschiede in der Ordnung der Quadrumanen be-
sonders auffallend sind, so dafs man bei vergleichenden
Messungen die Schädel verschiedenen Geschlechts vollstän-
dig trennen und vielmehr wie besondere Species behandeln
mufs. Ebenso erheblich wie bei den Affen sind die genann-
ten Unterschiede im Schädel der Raubthiere , wie sich be-
sonders aus denen der Gattung Nasua ergiebt. Die Provinz
Rio grande besitzt hiervon nur eine einzige Species, die
Nasua socia/is, welche aber in der Farbe sehr variirt, so
dafs wahrscheinlich alle übrigen Species auf diese eine zu
reduciren sind. Die Nasua soli/aria beruht nur auf alten
j Männchen der vorigen Art, die zu der Zeit, wenn die Eck-
zähne fast ihre normale Länge erreicht haben und anfangen,
sich gegenseitig abzuschleifen, den Trupp verlassen und
einsam leben. Ein Farbenunterschied läfst sich bei reichem
Material nicht nachweisen, dazu kommt noch, dafs niemals
die Weibchen der angeblichen Species aufgefunden werden.
Herr Magnus legte ein Stück von Steinsalz in schö-
nen grofsen Octaedern krystallisirt vor, das in Stafsfurt auf
Carnalib, durchwachsen mit Krystallen von Anhydrit gefun-
den worden ist.
Herr Braun sprach über die Auffindung von Tsoeles
lacusiris in Schlesien, wodurch eine neue Mittelstation
zwischen dem Vorkommen in den süddeutschen Gebircen
o
(Schwarzwald, Salzburg) und dem Norden (Westpreufsen,
Pommern, Holstein, Skandinavien) gegeben ist. Die Pflanze
wächst in dem 37;)0' über dem Meer liegenden „Grofsen
Teich" des Riesengebirgs, wo sie zuerst von Dr. I. Milde
im Juli d. J. beobachtet wurde. Unter den von demselben
eingesendeten Exemplaren befinden sich einige von unge-
wöhnlich reicher Entwicklung, deren Blätterbüschel aus mehr
als 100 Blättern besteht, so wie ein Exemplar, welches auf
einem alten Knollen , dessen Mittelrosette abgestorben und
verloren ist, zwei gegenüberliegende seitliche Rosetten
(Zweige) trägt, eine Erscheinung, die bei dieser normal un-
verzweigten Pflanze nur als seltene Ausnahme vorkommt.
Derselbe berichtete ferner über die Verheerungen, welche die
schönen Buchwälder auf Stubenitz (Rügen) durch die Rau-
pen von Bombyx pudibunda, gewöhnlich Rothschwanz
genannt, auch in diesem Jahre wieder betroffen haben, und
über das Vorkommen eines zierlichen keulenförmigen Pilzes,
Cordyceps militari?, auf den Puppen dieses Schmetterlings.
Gedruckt in der Druckerei der kiini«! Akademie der Wissenschaften
Sitzungs-Bericht
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
am 20. November 1866.
Director: Herr Geh. Regierungsrath Professor Magnus.
Nach Eröffnung der Sitzung sprach Herr Ehrenberg
zuerst über das Wiedererscheinen der blutigen Färbungen
auf Brod und Speisen auch in diesem Jahre in Berlin und
über den offenbaren Mangel aller Verbindung derselben mit
der Cholera, wovon hie und da die Rede gewesen. Er
bemerkte, dafs in den Jahren 1848 — 1851 in den Monats-
berichten der Berl. Akademie vielfach sehr umständlich über
diese Erscheinung berichtet worden ist , deren Geschichte
zu den auffallendsten und schreckhaftesten Verirrungen des
menschlichen Geistes seit vor Christi Geburt gehört, und
die schon seit 1840 — 1851 in Cholera vollen und Cholera
freien Jahren bis Paris und Neu-Holland beobachtet und
besprochen und auch in seiner Wohnung von ihm ohne
Schaden der Versuche halber vervielfältigt worden ist. Der-
selbe machte besonders darauf aufmerksam, dafs seit dem
Jahre 1850 die auf Brod getrocknete blutrothe Färbung
nach der 1848 von ihm angezeigten Methode (Monatsber.
p. 462) aufbewahrt worden sei. Die im Dunkeln in einer
Blechbüchse aufbewahrten Exemplare solchen Weifsbrodes
hatten ihre lebhafte blutrothe Färbung seit 16 Jahren auf-
fallend schön erhalten. Dagegen ein in einem Glaskästchen
aufbewahrtes Brodstück hatte in diesem Zeiträume am Lichte
eine sehr abgeschwächte, fast nur bräunliche Färbung an-
genommen , und war zum Theil ganz verblichen. Diese
Proben waren in der langen Zeit durch einen zufällig hi-
neingerathenen Käfer {Anobium paniceuml) sehr vielfach
durchlöchert worden, letztere, von der rothen Färbung unbe-
schädigt, erlagen später einigem aufgestreuten Insektenpulver.
Die 1819 von Pietro de Col in Padua aufgenommenen
sehr gerühmten Färbeversuche (Monatsber. 1848 p. 356)
von seidenen Stoffen haben seitdem eine weitere Ausbil-
dung nicht erlangt, und wird eine demnächst zu erwartende
weitere Förderung dieser Kenntnifs der so schönen Fär-
bungen voraussichtlich von grofsem Interesse sein.
[1866]
Hierauf legte derselbe ausgezeichnete Photographien
von sehr stark vergrößerten mikroskopischen Objekten vor,
welche von der Medicinal-Abtheilung des Kriegs-Departe-
ments der Vereinigten Staaten veranlafst worden sind, und
ebenfalls sehr wohlgelungene zum Theil stark vergröfserte
Photographien des Herrn Neiff in Genf und besonders des
Herrn Kellner in Berlin.
Herr Beyrich berichtete über die Muschelfragmente,
auf deren Vorkommen am Bauplatze der Nationalgallerie
Herr v. S tramp ff die Aufmerksamkeit der Gesellschaft in
der Sitzung vom 16. Oktober gelenkt hatte. Es sind Frag-
mente von Unio-Schalen, welche deutlich beweisen, dafs
der Kiessand, in dem sie angetroffen wurden, trotz seiner
tiefen Lage unter einem mächtigen Infusorien -Lager und
einer darunter befindlichen Torfschicht, doch nichts Anderes
sein könne, als eine Ablagerung im Grunde der Spree, aus
einer Zeit herrührend, in welcher der Flufs innerhalb der
breiten Thalebene noch nicht in sein jetziges Bett ein-
geengt war.
Herr Foerster machte einige Mittheilungen über das
ungewöhnlich reiche Sternschnuppen-Phänomen, welches in
der Nacht vom 13. zum 14. November von den Berliner
Astronomen in Berlin, Nauen und Brandenburg beobachtet
worden sei. Die Zahl der in dieser Nacht gesehenen Licht-
erscheinungen habe sich nach ziemlich systematischen Zäh-
lungen auf etwa 30,000 belaufen, welche fast durchgängig
durch ihre scheinbaren Bewegungs- Richtungen auf einen
Punkt im Sternbilde des Löwen als Ausgangspunkt hinge-
wiesen haben. Der Richtung vom Beobachter zu diesem
Punkte seien also fast sämmtliche Bahnen nahezu parallel
gewesen; in nahe derselben Richtung habe sich aber in je-
ner Nacht die Erde bewegt, so dafs es wahrscheinlich sei,
dafs die relative Geschwindigkeit der Erde gegen die jener
kleinen Weltkörper die weit überwiegende Componente ihrer
9
24
20. November 1866.
scheinbaren Bewegung gewesen sei. Daraus folge weiter,
dafs jene Sternschnuppen-Schaar sich wahrscheinlich in ent-
gegengesetzter Richtung wie die Erde bewege; denn wenn
die Bewegungs-Richtung um die Sonne beiden gemeinsam
sei, könne eine relative Geschwindigkeit der Erde gegen
jene Schaar nur von geringem Betrage sein und es müfsten
also neben dieser kleinen, in die Bewegungs-Richtung der
Erde fallenden Componente alle denkbaren seitlichen Be-
wegungen des ganzen Schwarmes oder innerhalb des
Srhwarmes einen sehr starken Einilufs auf die überwiegende
scheinbare Ausstrahlung desselben von einem gewissen Punkte
des Himmels haben. Da nun nach den diesmal wieder sehr
deutlichen Stralilungs -Phänomenen die seitliche Ablenkung
gegen den Einflufs der starken Voreilung der Erde selbst
fast verschwand, so mufs man wohl annehmen, dafs in dieser
die Summe der absoluten Geschwindigkeiten bei entgegen-
gesetzter Bewegungsrichtung zu erkennen war. Die Bestä-
tigung dieser bereits früher in ähnlicher Weise gezogenen
Folgerungen durch direkte Geschwindigkeits-Messungen sei
diesmal gerade durch den aufserordentlichen Reichthum des
Phänomens, trotz besonderer Vorbereitungen, nicht gelungen,
auch tritt dabei die Gröfse der Geschwindigkeiten selbst
erschwerend in den Weg. Dagegen hat man mehrere
Details beobachtet, die auf eine völlige Auflösung jener
Körperchen in Lichtwölkchen, sobald sie zu einer Höhe von
10 — 12 Meilen über der Erdoberfläche herabgedrungen sind,
hindeuten, und die ebenfalls für die grofse Geschwindigkeit
und die lose Concretion jener Sternschnuppen characteristisch
zu sein scheinen.
Herr Braun machte unter Vorlegung von Exemplaren
und Zeichnungen Mittheilungen über eine neue Pflanzen-
gattung aus der Familie der Scrophulariaceen, welche er
nach dem vor einiger Zeit aus Afrika zurückgekehrten, um
die Kenntnifs der Flora der Nilländer verdienten Botaniker,
Dr. Seh weinfurt h, benannte. Die neue Gattung Schtvein-
furthia reiht sich innerhalb der genannten Familie der Gruppe
der Löwenmäuler (Antirrhineen) an, in der Tracht den
Linaria- Arten der Abtheilung Cha en nrrhin u r», in der
spornlosen Blumenkrone mit geschlossenem Gaumen der
Gattung Antirrhinum ähnlich, von beiden Gattungen durch
die Beschaffenheit der Frucht verschieden. Die beiden
Fächer der kugelrunden Kapsel sind nämlich in einem Grade
und in einer \\ eise ungleich entwickelt, wie es bei keiner
anderen Antirrhinee vorkommt. \\ ährend bei den übrigen
Pflanzen dieser Gruppe, welche eine ungleiche Ausbildung
der Fruchtfächer zeigen, Antirrhinurn und Chaenorrhinurn,
das hintere („obere") Fach der Kapsel das vordere über-
ragt, so dafs die Kapsel an der Spitze nach vorn schief
abfällt und der Griffel auf die Vorderseite zu stehen kommt,
überragt bei Schveeinfurlhia umgekehrt das vordere Fach
das hintere und der Griffel wird nach der Hinterseite ab-
gerückt. Bei Antirrhinum und Chacnorrhinum sind beide
lächer geräumig und reich an Saamen , bei Scheveinfurthia
ist das kleinere hintere Fach meist völlig leer und in einer
Weise zusammengedrückt, dafs es leicht ganz übersehen
wird. Das Aufspringen der Kapsel ist bei Schtveinfurthia
von dem aller übrigem Gattungen abweichend: nur das vor-
dere, bauchig aufgetriebene Fach öffnet sich und zwar näher
der Basis als der Spitze mit einem nach unten gerichteten,
unregelmäfsig klappig -begrenzten Loch. Die Samen sind
durch 6 scharfe, stark vorragende Längsleisten ausgezeich-
net. Es sind bereits 2 Arten der neuen Gattung bekannt:
die eine, Srhtv. pterosperma , gehört den Küstenländern des
rothen Meeres an; sie wurde neuerlich (im März d. J.) von
Dr. Seh wein furth bei Suakin in Nubien, so wie im Wadi
Tereb Aria zwischen Suakin und Berber, in reichlichen,
zugleich Bliithe und Frucht tragenden Exemplaren gesam-
melt, findet sich aber bereits unter den noch unbearbeiteten
Schätzen der Ehrenberg-Hemprich'sehen Beise, vor 41 Jah-
ren (im J. 1825) von Ehrenberg im Wadi Djara Ara-
biens gesammelt, so wie auch an der abyssinischen Küste
des rothen Meeres bei Massana beobachtet und im Tace-
o
buch unter dem Namen Orontiurn arabicum beschrieben.
Die französischen Beisenden Quart ier-Dillon und Petit
fanden sie gleichfalls im abyssinischen Küstenlande, dem
Lande der Schoho's, und Richard zählte sie im zweiten
Bande seines Tentamen Florae Abyssinicae (1851) fraglich
zur Gattung Antirrhinum , unter dem Namen A. pterosper-
rnum. Endlich ist den Fundorten noch Aden beizufügen,
wo sie von Wichura bei Gelegenheit der Preufsischen
ost-asiatischen Expedition gesammelt wurde. Schtv. ptero-
sperma ist eine einjährige, aufrechte, meist sehr reich und
wiederholt verzweigte Pflanze, mit aufrecht -abstehenden
Zweigen , in der Tracht mit Linaria minor vergleichbar,
aber kräftiger. Die unteren Blätter sind gegenständig, die
oberen locker spiralig geordnet, die unteren breiter, die
oberen schmäler lanzetförmig oder fa>.t spateiförmig, allmählig
in den Blattstiel verschmälert, stumpf. Die Blüthen stehen
einzeln in den Achseln fast aller Laubblätter; unter der
Bliithe entwickelt sich ein accessorischer Laubzweig. Der
schlanke Blüthcnstiel erreicht fast die Länge des Blatts und
biegt sich, seitlich aus der Blattachsel hervortretend, bis zur
horizontalen Richtung, während der Fruchtreife selbst noch
weiter nach unten. Die Blüthe ist etwas gröfser als bei
20. November 1866.
25
Linaria minor, weifs und leicht rosenroth gezeichnet. Die
dünnwandige Kapsel erinnert durch ihre kugelige Form,
Gröfse und Farbe an die Kapsel von Anagallis arvensis.
Die zweite Art, Sc/uv. sphaerocarpa, befindet sich im Kgl.
Herbarium unter dem Namen Antirrhinum sphaerocarpum
Boissier und ist ohne Zweifel identiseh mit Linaria sphae-
rocarpa Bentham in De Cand. Prodromus. Sie wächst
in Afghanistan (Griffith) und dem benachbarten Sind
(Stockes), bat einfache, bogig niederliegende, ziemlich dicht
beblätterte Zweige, sehr breite, verkehrt eiförmige, spitze
Blätter, kurzgestielte Blüthen, welche, ebenso wie die Früchte,
mehr als doppelt so grofs sind, als bei der ersten Art.
Herr Dönitz sprach über eine an der Rückenflosse und
Afterflosse bei Fischen aus der Familie der Teuthyes vor-
kommende Hemmungsvorrichtung, welche geeignet ist, die
Flossenstrahlen, nachdem sie durch Muskelwirkung aufge-
richtet sind, ohne weitere Beihülfe der Musculatur in ihrer
Stellung zu erhalten. Der erste Flossenträger läuft nämlich
in zwei, durch einen tiefen Einschnitt getrennte, hinterein-
ander liegende Fortsätze aus , von denen der hintere eine
grofse Scheibe trägt, die so orienlirt ist, dafs ihre beiden
Seiten den beiden Seiten des Fisches entsprechen. Unter-
halb der Scheibe geht jederseits ein kleiner seitlicher Gelenk-
fortsatz ab, mit dem zwei seitliche Gelenkfortsätze des ersten
Flossenstrahles articuliren. Die Basis dieses letzteren ist
stark aufgetrieben und von unten und hinten her kuppei-
förmig ausgehöhlt. Diese Kuppel wölbt sich über den obe-
ren Abschnitt der Scheibe und rotirt auf der Peripherie
derselben. Ferner entspringt oberhalb der Basis des ersten
Flossenstrahles ein starkes elastisches Band, welches sich
an die Vorderseite des zweiten Strahles anheftet. Sind
nun die Strahlen durch die an die Vorderseite derselben sich
anheftenden sehr kräftigen Muskeln aufgerichtet, so tritt
dieses Band in Wirksamkeit und prefst die Kuppel des er-
sten Strahles mit solcher Energie gegen die Peripherie der
Scheibe, dafs die schwachen, zum ^Niederlegen der Flossen
bestimmten Muskeln ihre Wirksamkeit versagen. Damit die
Flossen wieder zurückgeschlagen werden können , ist es
nöthig, zuvor die Hemmungsvorrichtung aufser Thätigkeit
zu setzen, und dies geschieht durch Erschlaffung des elasti-
schen Bandes. Ein eigener, starker Muskel, welcher vom
zweiten Flossenträger entspringt, zieht schräg nach vorn
und schlägt sich über die erste von den senkrecht gestellten,
seitlichen Knochenleisten hinweg, welche in der Familie der
Teuthyes die Flossenträger so sehr auszeichnen. Da die
Sehne dieses Muskels sich wieder rückwärts wendet und an
die Vorderfläche der Basis des zweiten Flossenstrahles heftet,
so vermag sie diesen nach vorn zu ziehen und somit das
erwähnte Band zu erschlaffen. Die oberen Fasern des Li-
gaments, welche nicht zur Feststellung der Flossen beizu-
tragen scheinen , ziehen dann vermöge ihrer Elasticität den
ersten Strahl rückwärts, und nun können die hinteren Mus-
keln der Flossenstrahlen ihre Wirksamkeit entfalten und die
Flosse zurücklegen. Diese Vorrichtung wurde vorläufig bei
folgenden Fischen constatirt: Prionurus scalprum C. u. Val.
und Acanthurus nigrofuscus Forsk., beide auf der ost-asiati-
schen Expedition von den Stabsärzten Herren Friedel und
Stephany für das vergleichend -anatomische Museum ge-
sammelt. Acanthurus velifer und lineatus, von den Herren
Hemprich und Ehrenberg im rothen Meer gesammelt.
Acanthurus annu/aris und Amphacanthus (Teuthys Günth.)
abhortani C. u. Val., von Herrn Peters aus Mozambique
mitgebracht. Ferner Teuthys virgata Günth. und Naseus
unicomis. Ob dieser Apparat zur Feststellung der Rücken-
und Afterflosse allen Teuthyes zukommt, konnte wegen
Mangels an hinreichendem Material nicht entschieden werden.
Desgleichen blieb es ungewifs , ob diese Vorrichtung sich
immer an beiden genannten Flossen zugleich findet. So
viel aber geht aus dieser Beobachtung hervor, dafs die Fa-
milie der Acronuridae Günth., umfassend die Genera Acan-
thurus und Acronurus, mit Unrecht von den Teuthyes ab-
gezweigt worden ist.
Herr S. Sander machte folgende Mittheilung über den
Verlauf der Cornmissura cerebri anterior: Blainville,
Longet und Graticlet gaben an, dafs beim Menschen und
bei den Affen die vordere Hirncommissur mit allen ihren
Fasern in die mediale Wand des Schläfenlappens ausstrahle,
während sie dagegen bei allen übrigen Säugethieren sich in
die Riechlappen verfolgen lasse. Ein so verschiedenes Ver-
halten eines gleichartig angelegten Organs in verschiedenen
Ordnungen einer Thierklasse mufste höchst auffällig erschei-
nen und zu Bedenken Aulafs geben. In der That haben
deshalb angestellte, genaue Untersuchungen ergeben, dafs
dem keineswegs so ist. Von der vorderen Commissur der
niederen Säugethierordnungen zweigt sich ziemlich früh,
noch während des Verlaufs durch die Corpora striata, bevor
sie ganz nach vorn umbiegt, um in die Riechkolben zu ge-
langen , ein feines Bündel ab , das sich direct nach aufsen
wendet und bis in die mediale Wand des Schläfenlappens
zu verfolgen ist. Bei den Affen (ähnlich wird es sich auch
beim Menschen verhalten) geht zwar der Haupttheil der
Commissur in die Schläfenlappen, aber ein feiner Zweig
wendet sich nach vorn und unten und läfst sich bis in den
hier kleinen Riechkolben präpariren. Das Verhältnifs ist
'26
20. November 1866.
demnach folgendes: Die vordere Commissur geht auf beiden
Seiten des Gehirns sowohl in die Riechkolben, als auch in
die mediale Wand des Schläfenlappen« bei allen Säugethie-
ren. Da nun auch die sog. äufsere Wurzel des Olfactorius
stets nach der Spitze des Schläfenlappens hinzieht, so er-
scheint dadurch bewiesen, dafs dafs die C. anterior aus-
schliefslich oder wenigstens zum grofsen Theil für das Ge-
ruchsorgan vorhanden ist und für die Olfactorii eine gleiche
Holle spielt, wie das Chiasma für die Optici. Zu unter-
suchen bliebe noch, ob diese Commissur nicht vielleicht
(wahrscheinlich ist es so) eine Decussation darstellt zwischen
Fasern, die vom Schläfenlappen der einen Seite zum Riech-
kolben der andern Seite und umgekehrt ziehen.
Als Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen:
1) Memoire* de l'Acad. Imp, des sc. de St. Pctersbourg.
T. IX. N. 1 bis 7. T. X. N. 1. 2.
2) Bullelins de l'Acad. Imp. des sc. de St. Pctersbourg.
T. IX. N. 1 bis 4.
3) Philippo Pariatore, Le Specie dei Cotoni.
4) Ehrenberg üb. das Infusorien-Lager in Berlin. Ausz.
aus d. Monatsber. d. Ak. d. W.
5) Jahresbericht d. naturf. Gesellsch. Graubündten, neue
Folge. Jahrg. XI. 1866.
6) Abhandl. der Schles. Gesellsch. Abtheil, für Naturw.
1865. 1866. Phil. hist. Abth. 43. Jahresb.
7) Annales des Sciences phys. et nat.de Lyon. S. III. T. VIII.
8) Memoria sobre el Maguey Mexicano (Agave Max.)
9) Singapore, Malacca, Java, Reiseskizzen von Ja gor.
10) Jahrbuch des naturh. Landesmuseums von Kärnthen.
Heft 7. 1864.
11) Monatsber. der Rerl. Akad. d. W. März bis Juni 1866.
12) Über d. Durchgang d. Wärme und Lichtstrahlen durch
Platten von Dr. II. Knoblauch. 1866.
13) Berliner Entomologische Zeitschrift. Jahrg. 9. 1865.
Heft 1 bis 4. Jahrg. 10. 1866. Heft 1 bis 3.
14) Astronomische Beob. auf d. Kgl. Sternwarte v. Encke.
Bd. 1. 1840. Bd. 2. 1844. Bd. 3. 1848. Bd. 4. 1857,
überreicht von Herrn Prof. Foerster.
Gedruckt in der Druckerei der König!. Akademie der Wissenschaften.
Sit zungs-Beri clit
der
Gesellschaft naturforschender Freunde
zu Berlin
am 18. December 1866.
Director: Herr Geh. Regierungsrath Professor Magnus.
Nachdem der zeitige Direktor die Sitzung eröffnet hatte,
besprach Herr Ascherson die Scrophulariaceen- Gattung
Antkliaris Endl. Eine Art derselben wurde zuerst von
Salt in Abyssinien gefunden und von R. Brown Meisar-
rhena lomentosa genannt; die Beschreibung blieb indefs
unveröffentlicht, ebenso die Benennungen der deutschen
Reisenden Ehienberg und Hemprich, welche später die-
selbe Pflanze in Arabien fanden und Dislemun campanularis
nannten, welcher sie noch zwei Arten, D. g/andu/osus und
angusiifolius, hinzufügten. Die Salt sehe Pflanze wurde
zum dritten Male, ebenfalls in Arabien, von W. Seh im per
gesammelt und anfangs von Hochstetter und Steudel
Capraria arabica, bald aber von Endlicher als Typus
einer neuen Gattung Anticharis arabica genannt, und von
Letzterem durch eine vortreffliche Abbildung und Beschrei-
bung erläutert. Gleichzeitig führte indefs Endlicher den
Dislemon angustifolius E. u. H. als eigene Gattung Dora-
tanihera Benth. in litt, in einer anderen Tribus auf, welche,
obwohl später von Benth am in die Nachbarschaft von
Anticharis gebracht, dennoch bisher mit Unrecht wegen
angeblicher Verschiedenheiten im Bau der Staubbeutel auf-
recht erhalten wurde, welche aber viel zu gering sind, um,
bei der völligen Übereinstimmung in allen wesentlichen
Merkmalen, eine generische Trennung zu gestatten. Hoch-
stetter hat daher in einer brieflichen Mittheilung an Prof.
Braun diese Art mit Recht zu Anticharis gestellt. Die
geographische Verbreitung der bisher bekannten drei Arten,
welche mithin schon von Ehrenberg und Hemprich
entdeckt wurden, ist folgende: 1) Anticharis glandulosa
Aschs. {Dislemon g. Ehrb. U. Hempr.), bisher nicht von
A. arabica Endl. unterschieden, von der sie durch kräfti-
geren, mehr ausgebreiteten Wuchs, längere drüsige Beklei-
dung, breitere Blätter, gröfsere Blüthen und Kapseln, die
etwa V-2 so lang als der Kelch sind (bei A. arabica dop-
[1866]
pelt so lang) abweicht, bisher gesammelt: Küstenländer
des rothen Meers in Oberägypten (Seh wein furth), im
glücklichen Arabien (Ehrenb. u. Hempr.), Aden (Wi-
chura), aufserdem in Scinde (Stocks.). 2) Anticharis
arabica Endl. Nubische Küste (Seh wein f.); Abyssinien
(Salt, Ehrenb. u. Hempr.); im glücklichen Arabien (Eh-
renb. u. Hempr., Schimper). 3) A. linearis Höchst.
{Dnratanthera l. Bentham). Capverdische Inseln (Vogel,
Schmidt, Bol le); Senegal (Leprieur, Lelievre); Kordofan
(Kotschy, Cienkowski); Nubien (Grant, Schweinf.);
Arabien (Ehrenb. u. Hempr., Botta); Pendjab (Edge-
worth).
Ferner legte derselbe einen auf einem Serradella-Felde
bei Wendeberg unweit Pn'tzerbe (zwischen Brandenburg und
Rathenow) vom Cand. theol. R. Hülsen mit Ornithopus
compressus L. gesammelten Bastard dieser Art nnd der
Serradella (0. sativus Brot.) vor, welcher der letzteren Art
ähnlicher ist, sich aber durch kleinere, hellgelbe, beim Ver-
welken röthliche Blumenblätter und die Fahne, welche die
Flügel beträchtlich überragt, sofort unterscheidet. Die Glie-
der der Hülse sind nur zum Theil, nämlich die 1 — 4 un-
tersten, ausgebildet. In Gesellschaft dieses bisher noch nicht
bekannten Bastardes fand der Entdecker auch die bei uns
bisher noch nicht eingeschleppt gefundenen Arten Ornithopus
ebracteatus Brot, und Andrya/a integrifolia L.
Herr Hofmann machte einige Mittheiluneen über
neue Beobachtungen in der Naphtylreihe. Er erinnerte
zunächst an die durch Mitscherlich festgestellten Be-
ziehungen zwischen dem Kohlenwasserstoffe Benzol und der
Benzoesäure und an das Zerfallen der letzteren unter dem
Einflufs starker Basen in Benzol und Kohlensäure. Die
Idee lag nahe die Existenz einer Säure zu vermuthen, welche
zu dem Naphtalin, diesem verbreitetesten Kohlenwasserstoffe
der trocknen Destillation der Steinkohle, in demselben Ver-
10
28
18. December 1866.
hältnisse steht, wie die Benzoesäure zu «lern Benzol. Diese
Säure, welche man vielfach darzustellen versucht hat, ist
von dem Berichterstatter in jüngster Zeit aufgefunden wor-
den. Man erhält sie durch eine Reihe von Umbildungs-
processen aus dem Naphtylamin, welches für die Zwecke
der Farbenindustrie gegenwärtig fabrikmäCsig bereitet wird.
Die Säure ist eine schön krystallisirte in Wasser schwer-
lösliche Substanz, welche mit Baryt destillirt sich in Naph-
talin und Kohlensäure spaltet.
Herr Ilensel sprach über einige Schwierigkeiten, die
sich der Aufstellung der Zahnformeln für Säugethiere ent-
gegenstellen. Es ist eil) Fehler, wenn, wie gewöhnlich
geschieht, der Unterschied zwischen Praemolaren und Mo-
laren bei herbivorem und Omnivoren) Gebils festgehalten
wird, bei dein der Carnivoren dagegen der Reifszahn noch
eine besondere Berücksichtigung erfährt, da er im Ober-
kiefer zu den Praemolaren, im Unterkiefer dagegen zu den
Molaren gehört. Einige Gruppen der Säugethiere wechseln
die Zähne schon vor der Geburt. Für die Cavien ist dieses
schon von Rousseau nachgewiesen worden. Hier ist der
einzige Milchbackenzahn, obgleich rudimentär, doch ziemlich
COmplicirt, indem er noch eine Faltenbildung zeigt, die an
die des Ersalzzahnes erinnert. Für Hydrochoprus nahm
man bisher wegen der Verwandtschaft mit Cavia ein ähn-
liches Verhalten an. In der Thal findet hier auch ein
Zahnwechsel während des embryonalen Lebens statt, nur
noch viel früher als bei Cavia, ungefähr wenn der Foelus
die halbe Gröfse erreicht hat. Aul'serdem ist der einzige
Milchbackenzahn in jedem Kiefer nur ein winziges Körnchen
und bei Praeparaten in "Spiritus, wegen der Durchtränkung
mit letzterem, schwer zu finden. An foelalen Schädeln von
Cavia und Hydrochoerus wurden die Verhältnisse des Zahn-
wechsels demonstrirt.
Herr Zenker referirte seinen im Archiv für mikrosko-
pische Anatomie 1866 enthaltenen Aufsalz über Infusorien.
Er erklärte die pulsirende Blase für ein Wasser aussondern-
des Organ, welches aller Wahrscheinlichkeit der Athniung
diene und führte zur Erhärtung seiner Ansichten Beobach-
tungen, besonders an Actinaphrys Eichhornii und Bursaria
leucas, an. Er machte ferner auf den eigentümlichen Bau
der Saug-Arme der Acineten, besonders von Acineta ferrum
equinum aufmerksam, deren Bewegungen ein complicirtes
Muskelsystcm zu verrathen scheinen. Ein ähnlicher Bau
findet sich im Stiele der Vortirellen. Endlich beschrieb
derselbe ein mit den Acineten verwandtes Infusor, welches
an Cyclops Qoronalus Claus angeheftet lebt. Dasselbe zeich-
net sicli durch einen sehr langen und beweglichen Bussel
aus und ist delswegen llhyiichela Cyclo/tum genannt worden.
Herr Ron che' sprach über den Schlaf einiger Pflanzen.
Bis jetzt sei dieser eigentümliche Zustand nur an Pflanzen
mit zusammengesetzten Blättern beobachtet, in neuerer Zeit
habe man das Schlafen auch einer Graminee, des Slrephium
guianense, im Jardin des plantes in Paris wahrgenommen,
welches seine Blätter gegen Abend nach oben, gegen den
Stengel legt; ihm sei das Schlafen auch bei Pirnelea s/iecta-
bilis und einer noch unbenanuten Me/a/euca, die der eru-
bescens nahe verwandt ist, vorgekommen, indem beide
Pflanzen ihre Blätter gegen Abend dem Zweige zuneigen,
und alsdann ein ganz anderes Bild als zur Tageszeit bieten.
Diese Bewegung der Blätter sei besonders im Sommer an
jungen Zweigen wahrzunehmen, — Ferner legte derselbe
Blätter der Hulesia tetraplera vor, an denen sich einzelne
Seitennerven besonders stark ausgebildet hatten, wodurch
auch die Lamina verbreitert war und so der Anfang eines
buchtigen oder gelappten Blattes dargestellt wurde. Ähn-
liches finde sich auch bei Heus heterophylla. der in der
Begel nur mit starken Zähnen versehene Blätter habe, nur
bisweilen trete ein spitziger Lappen aus dem Rande der
Blattfläche hervor, wo alsdann der dahin gehende Seitennerv
bedeutend länger als die andern sei. — Endlich legte der-
selbe noch Ficus sti/mlacea vor und zwar die kletternde und
die fruchttragende Form.
AK Geschenke wurden mit Dank entgegengenommen:
Monatsberichte der Akad. d. Wissensch. Juliheft 1866.
Beiträge zur Naturgeschichte der Infusorien (Separatabdruck)
von Dr. W. Zenker.
Die Spiralfasern im Sympathicus des Frosches (Separat-
abdruck) von Dr. J. Sander.
Botanische Ergebnisse aus dem Dänenkriege von Dr. J.
Sander.
Gedruckt iu der Druckerei der Königl. Akademie der \\ lssenschaflen.
Date Due
-2-LJ948
HCl L
2 1951
Harvard MCZ Library
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3 "2044 066 304" 866