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Full text of "Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin"

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Cilmtru  of  %  UJuscum 

OF 

COMPARATIVE    ZOÖLOGY, 

AT  HARVARD  COLLEGE,  CAMBRIDGE,  MASS. 
jFounttrlj  bn  prfbiilc  sutiscrfptfon,  fn  1861. 


The  gift  of  xJfub  UtMM^cAyo^CL' 
No.  SjJJL 


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Sitzungs- Berichte 


der 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde 


zu  Berlin 


im  Jahre  1866 


Nebst  Register. 


Beigefügt  ist  ein  Register  für  die  in  den  ßerl.  Vossischen  und  Spenerschen  Zeitungen  abgedruckten  Mittheilungen 

der  Gesellschaft  aus  den  Jahren  1839-1859. 


Berlin 


in  der  Nicolai'schen  Buchhandlung. 
Sv'1867. 

Akademische  Buchdruckerei. 


Inhalt    1866. 


Ascherson.  Über  Ambrosia  maritima  und  Linaria  juncea  als  neue 
Einwanderer  in  die  deutsche  Flora.  März.  —  Lb.  Senecio  vernalis 
als  eingewandert  in  die  Prov.  Brandenburg.  Mai.  —  Lb.  Antir.haris 
Endl.  und  Doralanlhera  Benth.  als  gleich  der  Gattung  Distemon 
Hemp.  u.  Ehrenb.  —  Lb.  einen  vom  Candid.  Hülsen  gesam- 
melten Bastard  von  Ornithopus  compressus  und  O.  salivus  und  an- 
dere Fremdlinge.   December. 

Beyrich.  Über  die  den  jetzigen  lebenden  Oberflächenverhältnissen 
angehörten  Süfswassermuscheln  unter  dem  neuesten  Berl.  Infu- 
sorienlager.   November. 

Bonche.  lber  Wasser  und  Luft  durchlassende  Poren  in  langen 
Wur/.elstücken  der  Populus  monilifera.  —  Lber  die  verschiedene 
Eutwicklungsart  der  Palmenstamme.  Januar. —  L  b.  den  Pflanzen- 
schlaf  bei  Strephium,  Pimelea  und  Melaleuca;  üb.  sich  buchtig  ent- 
wickelnde einfache  Blattformen.   December. 

Braun.  Lb.  die  Steinfrucht  von  Cellis  und  deren  kohlensauren  Kalk- 
gehalt. Juli.  —  Lb.  Isoeies  lacustris  in  Schlesien.  October.  — ■  Lb. 
Schweinfurthia,  eine  neue  Pllanzengattung  der  Scrophulariaceen. 
November. 

Dönitz.  (b.  eine  Mifsbildung  des  Echinus  sphaera,  April.  —  lber 
einen  heizbaren  Objecttisch  und  das  Verhalten  der  rothen  Blut- 
körperchen bei  erhöhter  Temperatur.  Juli.  —  Lb.  eine  besondere 
Vorrichtung  der  Fische  (Teut/ijes),  die  Flossenstacheln  aufrecht  zu 
erhalten.   November. 

Ehrenberg.  Lb.  eine  Bestätigung  der  hervortretenden  thierischen 
Bewegungsorgane  bei  Naviculis  durch  Hrn.  Prof.  M.  Sc  h  ul  tze.  — 
Lb.  zu  erwartende  Aufschlüsse  der  Berliner  Baugrundverhältnisse 
bei  der  neuen  Markthalle.  Januar.  —  Wiederholtes  Bedenken 
gegen  die  Zuverlässigkeit  der  mikroskopischen  Untersuchung  auf 
♦  Trichinen.  Januar  (vgl.  Decbr.  1S65).  —  Lb.  Herrn  J.  Beissels 
Beob.  verkicselter  Bryozoen  der  Kreide  bei  Aachen.  —  Lb.  Tricho- 
desmium  erjr/ira'eum  nach  Weingeistexemplaren  des  Dr  Kersten. — 
Lb.  die  Sclilammsubslanz  ans  dem  Möwerluch  auf  dem  Plane  der 
Görlitzer  Eisenbahn.  Februar.  —  Lber  die  angeblichen  gallertigen 
Feuermeteore.  April.  —  Weitere  Bemerk,  über  die  sogenannten 
Sternschnuppen-Gallerten.  —  Lb.  Prof.  Heer's  eingesandte  Ge- 
treideproben aus  den  Pfahlbauten  der  Schweiz.  Mai.  —  Lber  das 
von  der  Cholera  unabhängige  Wiedererscheinen  der  blutigen  Fär- 
bungen auf  Brod  und  Speisen.  —  Vorlegen  stark  vergriifserter 
mikroskop.  Photographien  des  Cap.  Curtis  aus  Nord-Amerika, 
wie  der  Herren  Neiff  in  Gent  und  Kellner  in  Berlin.    Novbr. 


Foerster.  Lb.  den  am  12.  Mai  d.  J.  plötzlich  aufflammenden  Stern 
zweiter  Gröfse  im  Sternbild  der  Krone.  Juni.  —  Lb.  den  reichen 
Sternschnuppenfall  am  1.3.  und  1 4.  November.  November. 

Gurlt.  Über  das  Vorkommen  von  Gaslrus-Lutven  im  Magen  des 
Hundes.  Januar.  —    Von  Doppel-Nieren  eines  Schweines.    März. 

Hensel.  Lb.  die  zwei  Arten  von  Affen  der  bras.  Provinz  Rio  grande 
do  Sul  und  deren  grofse  Schädelverschiedenheit  im  Alter.  Octo- 
ber. —  Üb.  die  Schwierigkeit  bei  Aufstellung  der  Zahnformeln  der 
Säugethiere.    December. 

Hof  mann.  Lb.  eine  neue  Methode  zur  Aufbewahrung  von  Fleisch 
in  Paraffin.  Januar.  —  Üb.  die  chemische  Constitution  der  Anilin- 
farbestoffe. Juli.  —  Neue  Beob.  der  Naphtylreihe,  besonders  der 
Naphtalinsäure.   December. 

Jagor.  Lb.  Agalloche,  das  kostbare  wohlriechende  Holz  der  Aqui- 
laria  agalfocha  aus  Hinterindien.  —  Lb.  die  Schleim  absondernden 
Holzspäne  des  Pau-fa  in  China.  —  Lb.  die  Verbreitung  der  Cin- 
chonen  in  Amerika  und  Ostindien.    März. 

Kersten.  Üb.  die  Herausgabe  der  Reiscresultate  des  Barons  C.von 
der  Decken.  —  Üb.  s.  Aufenthalt  auf  der  Insel  Reunion.  März. 

Lieberkühn.    Üb.  den  Furchungsprocefs  der  Spongillen-Eier.   Juli. 

Magnus.  Legte  grofse  Steinsalz-Oktaeder  auf  Carnalit  von  Stafs- 
furt  vor.     October. 

vonMartens.  Über  eine  neue  Art  Pteraster  und  Achatina  fulica 
Ferrussac  aus  v.  d.  Decken's  Sammlungen.  Mai.  —  Über  die 
Lbereinslimmung  von  Mus  rattus  und  Mus  Alexandnnus  als  ein 
und  dieselbe  Art.  Juni.  —  l  ber  ein  Zahnbruchstück  des  F.lephas 
primigenius  aus  Frankreich,  mit  Bedenken  üb.  die  Gleichzeitigkeit 
des  Mammnths  mit  dem  Menschen.  Juni.  —  Über  ein  spirales 
Gehäuse  einer  Insektenlarve,  vielleicht  einer  Psyche  aus  von  der 
D  ecken's  Sammlung.    Juli. 

C.  Müller.  Statistische  Vergleichung  der  norddeutschen  und  west- 
indischen Flora.    Februar. 

Peters.  Gehörorgan  des  Chiromys  madagascariensis.  Juni. —  Über 
die  Farbenbeständigkeit  des  Mus  Alexandrinus  und  des  M.  rattus 
bei  Berlin.    Juni. 

Pritzel.  Lber  die  Einführungszeit  des  Tabaks  in  Deutschland.  — 
L  b.  die  EinführUDgszeit  des  Buchweizens  in  Deutschland.    Mai. 

Reichert.  Üb.  die  Unsicherheit  der  mikroskopischen  Untersuchung 
auf  Trichinen.   Januar. 

Sander.  Üb.  den  gleichen  Verlauf  der  Commismra  cerebri  anterior 
bei  den  Säu^ethieren  und  Menschen.    November. 


Inhalt  1866. 


Schödler.    Über  eine  neue  Sammlung  von  Süfswasscr-Crustaceen 

aus  Schweden  durch  den  Freiherrn  v.  Cederström.    Juli. 
Schultz.    I  her  einen  mit  Aphis  lanigera  dicht  besetzten   frischen 

Apfelzweig.    Juli. 
O.  Schul tzen.    Üb.  seine  und  des  Dr.  Graebe  Versuche  über  das 

Verhalten  der  aromatischen  Korper  im  Organismus.    April. 
Seh weinfurth.    Üb.  Crossoptcrix  aus  Abyssinicn,  als  afrikanische 

Fieberrinde,  mit  den  von  ihm  gesammelten  Exemplaren.    October. 
Söchting.    Üb.  krystallisirte  Hüttenerzeugnisse.    April.  —  Lh   den 

Bcssemerprocefs  in   der  Hütte  zu  Horde  bei  Dortmund.    Mai.  — 


Vorleg.   der  neuesten  Berichte   der  Commission  lydromclrique  von 

Prof.  Fournet  in  Lyon.    October. 
von  Strampf.    Üb.  das  Infusorienlager  des  Baugrundes  der  Natio- 

nalgallerie,  als  Fortsetzung  desjenigen  unter  dem  neuen  Museum. 

October. 
Virchow.    Über  Trichinen.    Januar. 
Zenker.     Über    die   kontraktilen    Blasen    bei    den    Infusorien   als 

\\  assergefäfse   und   über  den  Bau  der  Saug-Arme  der  Acineten. 

üecember. 


Sitzungs-Bericht 

der 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde 


zu  Berlin 
am  16.  Januar  1866. 


Director  Herr  Geh.  Rath  Gurlt. 


Herr  Gurlt  eröffnete  die  Sitzung,  auf  der  Tafel  stan- 
den einige  blühende  Zweige  der  jetzt  schon  im  Freien  blü- 
henden Corylus  Avellana.  Hierauf  sprach  Herr  Ehrenberg 
über  die  vorliegenden  Bücher  für  die  Bibliothek  und  legte 
die  mit  dem  Register  abgeschlossenen  Sitzungsberichte  des 
vorigen  Jahres   fertig  vor. 

Derselbe  legte  darauf  der  Gesellschaft  einen  Separat- 
abdruck einer  Abhandlung  des  Hrn.  Prof.  Max  Schultze  in 
Bonn  aus  dessen  Archiv  (1865)  vor,  welche  ihm  ohne  Zu- 
schrift übersandt  worden.  Dieselbe  handelt  über  die  Struk- 
tur der  Bacillarien  als  Pflanzen,  ist  aber  entschieden  geeig- 
net, den  seit  einem  Menschenalter  gegebenen  Beweis  zu 
bestätigen,  dafs  die  Bacillarien  wahre  Thiere  sind.  Die 
durch  den  Nabel  unterbrochene  mittlere  Längsspalte  man- 
cher Naviculae  im  älteren  Sinne,  welche  vom  Vortragenden 
selbst  später  in  viele  Unterabtheilungen  zerlegt  worden  sind, 
so  wie  das  Zerfallen  derselben  beim  Querschnitt  nicht  in 
zwei,  sondern  in  vier  Theile  wurde  schon  1830  in  den 
Abhandl.  d.  Akad.  p.  34  mitgetheilt,  ausführliche  Mittheilung 
über  einen,  bei  einigen  Formen  aus  der  Spalte,  bei  anderen 
aus  der  Mitte  des  Körpers  hervortretenden  Fufses  und  des- 
sen Verhalten  gegen  Indigo -Trübungen  im  Wasser  wurde 
1838  in  dem  Werke  „die  Infusionsthiere"  p.  178  und  520 
mitgetheilt,  die  Ernährungsorgane  sind  1838  (1837)  in  dem- 
selben Werke  p.  242  angezeigt  und  abgebildet.  Eine  andere 
Form  der  Bewegungsorgane,  als  viele  einziehbare  seit- 
liche Fäden  ohne  mittlere  Längsspalte  der  Schalen  wurde 
bei  Surirella  Gernma  in  den  Abhdl.  der  Akad.  1839  (vor 
27  Jahren)  pag.  104  mit  folgender  Bemerkung  angezeigt: 
„Übrigens  habe  ich  mich  in  neuerer  Zeit  überzeugt ,  dafs 
die  Naviculae  (also  Naviculaceae)  im  Allgemeinen  noch  einen 
ansehnlich  verschiedenen  Bau  haben,  indem  ich,  so  deutlich 
auch  die  6  runden  Schalen- Öffnungen  bei  vielen  Arten  so 
wie  bei  Navicula  viridis  vorhanden  sind,  doch  bei  einigen 
daneben  noch  klaffende  Spalten  und  bei  anderen,  noch  un- 
beschriebenen, nur  klaffende  Spalten  ohne  runde  Offnungen 
erkannte.  Diese  vielleicht  generischen,  oder  subgenerischen 
Verschiedenheiten  werden  Abweichungen  im  Urtheil  ver- 
schiedener Beobachter  erklären,  welche  aus  verschiedenen 
Objekten  etwa  verschiedene  Verhältnisse  ermitteln  sollten." 
Herr  Prof.  Max  Schultze  hat  die  Erläuterung  der  her- 
vorragenden Füfse  durch  Indigo-Trübung  in  diesem  Aufsatze 
Herrn  v.  Siebold    statt    mir    zugeschrieben,    verwirft   den 

[1866] 


Ausdruck  Fufs  und  nennt  den  hervorragenden  Theil  ein  an 
der  Raphe  zu  Tage  tretendes  Protoplasma  der  einzelligen 
Bacillarien,  ignorirt  die  nachgewiesenen  vielen  Nahrung  auf- 
nehmenden Zellen  dieser  Körper  und  hält  es  nicht  für  un- 
möglich, dafs  auch  bei  anderen  Pflanzen  Spalten  mit 
Protoplasma  Aus  -  und  Einschiebungen  vorkommen  können, 
ohne  dergleichen  nachzuweisen.  Das  Interesse  dieser  Dar- 
stellungen scheint  dem  Vortragenden  nicht  darin  zu  liegen, 
dafs  damit  die  Bacillarien  als  Pflanzen  erwiesen  wären,  son- 
dern vielmehr  darin,  dafs  endlich  nach  28  Jahren  ein  wider- 
strebender Beobachter  wieder  die  Füfse  der  Bacillarien  und 
die  Aufnahme  von  Nahrung  gesehen  hat,  sie  nur  mit  ande- 
ren Namen  benennt,  und  läfst  hoffen,  dafs  auch  die  hervor- 
tretenden Füfse  der  Surirella,  wenn  auch  erst  wieder  nach 
30  Jahren,  von  eifrigen  Beobachtern  bestätigt  werden.  Die 
im  Jahre  1862  in  den  Abhandl.  d.  Akad.  abgebildeten  Prä- 
parate haben  noch  andere  Erläuterungen  bereits  gegeben. 

Alsdann  machte  derselbe  darauf  aufmerksam,  dafs  die 
Stelle  zwischen  der  Karlsstrafse  und  dem  Schiffbauerdamm 
längs  der  Panke  jetzt  für  den  Unterbau  einer  grofsen  Markt- 
halle aufgeschlossen  sei,  und  dafs  es  daher  von  Neuem  mög- 
lich sein  werde,  die  interessanten  Verhältnisse  der  im  Jahre 
1841  und  42  zuerst  von  ihm  bekannt  gemachten  Infusorien- 
lager in  eine  wissenschaftliche  Übersicht  zu  nehmen.  Der 
Platz  liege  gerade  gegenüber  den  Häusern  Nr.  23,  23  a,  236 
und  24  (jetzt  Nr.  28,  29,  30  und  31)  der  Karlsstrafse,  wo 
die  Lagerungsverhältnisse  der  Infusorienschalen  1842  beson- 
ders merkwürdig  wurden  und  wo  in  den  Jahren  1853-54 
der  Wasserstrahl  einer  Pumpe  durch  ein  Licht  zufällig  ent- 
zündet wurde,  weil  ein  Wasserreservoir,  in  welches  Trink- 
wasser von  fern  her  zugeführt  wurde,  schadhaft  geworden 
und  beim  Pumpen  brennbare  Luft  aus  dem  Untergrunde 
aufnahm.  Vielleicht  erlauben  die  jetzigen  Bauverhältnisse 
zu  ermitteln,  wie  tief  überall  in  jener  Gegend  der  oft  von 
Triebsand  überlagerte  Braunkohlensand  als  fester  Boden  liegt, 
da  die  früheren  Beobachtungen  nur  beschrankte  trichter- 
förmige Einsenkungen  ergeben  hatten. 

Herr  Bouche  legte  ein  etwa  1'  langes  1"  dickes 
Wurzelstück  der  Populus  monilifera  vor,  welches  zwischen 
den  Gefäfsbündeln  eine  Menge  sehr  grofser  Poren  besafs, 
so  dafs  man  Luft  hindurch  blasen  oder  Wasser  dadurch  in 
die  Höhe  ziehen  konnte,  er  bemerkte  dabei,  dafs  er  diese 
Eigenschaft  an  anderen  Pappelarten  nicht  beobachtet  habe  und 

1 


16.  Januar  1866. 


sie  mit  zunehmendem  Alter  der  Wurzeln  verschwinde,  wäh- 
rend  die  Porosität  bei  zweijährigen  am  bedeutendsten  sei. 
Im  Holze  finde  sich  diese  Eigenthihnlichkeit  bei  der  Populus 
monilifera   nicht. 

Ferner  sprach  derselbe  über  die  verschiedene  Entwicke- 
lungsart  der  Palmenstämme  und  legte  zur  Erläuterung  meh- 
rere Arten  von  Palmensämlingen  und  eine  ältere  Pflanze 
der  Sabal  umbraculifera  vor.  Die  Palmen  entwickeln  bei 
der  Keimung  einen  bald  längeren  bald  kürzeren  Strang  aus 
dem  Samen,  der  sich  abwärts  neigt  und  die  Plumula  und 
Radikula  in  sich  birgt,  deren  Trennungspunkt  anfänglich, 
aber  nicht  immer,  zu  bemerken  ist;  erst  nach  einiger  Zeit 
bildet  sich  eine  Wulst  an  der  Stelle  wo  sich  das  erste  In- 
ternodium  befindet,  und  an  der  die  Plumula  und  Radikula 
ihren  Ursprung  haben,  eine  Entwicklung,  wie  sie  sich  bei 
vielen  anderen  monokotyledonischen  Pflanzen  findet.  Bei 
der  ferneren  Kntwickelung  aber  bietet  das  Wachsthum  zwei 
verschiedene  Formen  dar;  die  eine  Form  desselben,  welche 
wir  bei  den  meisten  Palmenarten,  z.  15.  Phoenix,  Orcoclo.ta, 
Livistono,  Calamus,  CaryotaChamaedorea,  Oenocarpus  u.s.w., 
finden,  ist  als  die  normale  Bildung  zu  betrachten,  indem 
sich  der  Stamm  und  Gipfel  nach  oben  entwickelt.  Die 
Radikula  bleibt,  wie  bei  den  meisten  monokotvledonischen 
Pflanzen,  wenn  sich  an  den  Internodien,  sobald  sie  durch 
das  Absterben  der  den  Stamm  scheidenarlig  umgebenden 
Wedelbasen  freigelegt  werden,  Adventiv -VVurzeln  bilden 
im  Wachsthume  zurück  und  verkümmert.  Mit  zunehmen- 
dem Wachsthume  erscheinen  die  Adventiv -Wurzeln  in  gi'ö- 
fserer  Zahl  und  werden  nach  und  nach  stärker;  nach  kür- 
zerer oder  längerer  Zeit  bildet  sich  alsdann  der  wirkliche 
Stamm.  Ganz  anders  aber  verhält  es  sich  mit  dem  Wachs- 
thume und  der  Stammbildung  bei  Sabal,  Acrocomia,  Diplo- 
themium,  Aliolea,  Sclietlea,  Brohea  und  Maximiliana.  Bei 
diesen  und  vorzugsweise  bei  Sabal  wendet  sich  der  Gipfel 
der  Pflanze  nach  unten,  die  schcidenarligen  Basen  der  We- 
delsliele  bilden  eine  zwiebelartige  Verdickung,  aus  der  die 
etwas  gekrümmten  jungen  Wedelchen  wieder  nach  oben 
wachsen  und  über  der  Erde  in  normaler  Form  erscheinen. 
Der  durch  das  Absterben  von  Wedeln  sich  bildende  Stamm 
dringt  allmählig  tiefer  in  die  Erde  ein,  oder  wird  auch  wohl 
in  die  Höhe  geschoben,  so  dafs  er  bisweilen  mit  seinem 
älteren,  nach  und  nach  verwachsenden  Theilc  wohl  einen 
Fufs  aus  derselben  hervorragt;  die  jüngeren  Adventiv- Wur- 
zeln bilden  sich  daher  scheinbar  unter  der  Insertion  der 
Radikula.  Dieser  sich  nach  oben  hebende  Stumpf  erscheint 
oft  schon  im  dritten  Jahre  über  der  Erde.  In  diesem  Zu- 
stande des  Wachsthumes  verbleiben  derartige  Palmen  so 
lange  bis  sich  ihr  wirklicher,  mit  dem  Gipfel  nach  oben 
gerichteter  Stamm  bildet,  oft  eine  lange  Reihe  von  Jahren; 
eine  im  hiesigen  botanischen  Garten  befindliche  Sabal  um- 
braculifera mochte  wohl  4U  Jahre  alt  sein  als  sich  der  nor- 
male Stamm  zu  bilden  anfing,  obgleich  die  Pflanze  seit  etwa 
20  Jahren  mit  einem  solchen  versehen  ist,  so  bemerkt  man 
doch  noch  seitlich  an  der  Basis  den  früher  nach  unten  ge- 
richtet gewesenen,  allmählig  in  die  Hohe  gehobenen  Stumpf. 
Einige  Jahre  nach  dem  Erscheinen  des  wirklichen  Stammes 
bilden  sich  auch  an  dessen  Basis,  wie  bei  anderen  Palmen, 
zahlreiche  Adventiv-W  urzeln.  Sehr  auffallend  ist  es,  dafs 
diese  Abnormität   nicht   einer   oder   mehreren    Abtheilungen 


der  Familie  der  Palmen  eigentümlich  ist,  sondern  sich  in 
verschiedenen,  bald  hei  der  einen  bald  bei  der  anderen  Gat- 
tung vorfindet.  Unter  den  Lcpidocaryinac  und  Borassinac 
habe  ich  diese  Bildung  nicht  beobachtet,  wohl  aber  bei  den 
Arecinac  an  Keatia,  den  Coryphinae  an  Itralua,  Sabal  und 
Trithrinax,  den  Cocoinae  an  Acrocomia,  Attalea,  Scheelea, 
Diplothcrnium  und  Maximiliana,  während  sich  die  Stämme 
anderer  dahin  gehörender  Gattungen  normal  entwickeln. 

Herr  Virchow  sprach  über  die  Untersuchung  auf 
Trichinen.  Er  bemerkte,  dafs  die  Mittheilungen  des  Herrn 
Ehrenberg  in  der  Sitzung  vom  21.  Decbr.  v.J.  mehrfach 
mifsverstanden  zu  sein  scheinen  und  den  entgegengesetzten 
Eindruck  von  dein  hervorbrächten,  was  sie  beabsichtigt  hätten. 
Theoretisch  erscheine  die  Schwierigkeit,  ein  Schwein  auf 
Trichinen  zu  untersuchen,  gröfscr,  als  sie  sich  in  der  Praxis 
ausweise.  Überall  gelänge  es  selbst  mäfsig  geüblen  Per- 
sonen die  Trichinen  bei  Schweinen  zu  finden.  Von  Apo- 
thekern habe  er  in  letzter  Zeit  mehrfach  solche  Fälle  zur 
Bestätigung  erhallen.  Auch  Thierärzte  erweisen  sich  an 
manchen  Orten  als  ganz  zuverlässig.  So  habe  auf  dem 
Gute  Schwerinsberg  ganz  kürzlich  unter  6  Schweinen,  die. 
zugleich  geschlachtet  wurden,  ein  Thierarzt  das  einzige  tri- 
chinische herausgefunden.  Andererseits  lasse  es  sich  nicht 
leugnen,  dafs  In  thümer  vorgekommen  seien  und  wahrschein- 
lich auch  künftig  vorkommen  würden.  Aber  sie  lassen  sich 
doch  schon  jetzt  auf  ein  kleines  Maafs  zurückführen.  Denn 
es  zeige  sich  mehr  und  mehr,  dals  gewisse  Fleiscbtheile 
vorzugsweise  von  Trichinen  eingenommen  würden,  während 
andere  häufiger  frei  blieben.  Die  Vorderbeine  und  der 
B.ücken  seien  im  Ganzen  am  wenigsten  ausgesetzt,  am 
meisten  das  Fleisch  der  Brust  und  des  Kopfes.  Man  werde 
daher  vorzugsweise  dieses  (Zwerchfell,  Zwischcnrippenmus- 
keln,  Kehlkopf,  Augenmuskeln,  Zunge,  Kicfcrmuskeln)  un- 
tersuchen müssen,  und  um  der  Sicherheit  wegen  auch  die 
Schenkelmuskeln  hinzunehmen.  Ein  geübter  Untersucher 
könne,  wenn  er  seine  Instrumente  in  Bereitschaft  hätte, 
eine  solche  Untersuchung  in  ganz  kurzer  Zeit  anstellen. 
Aber  freilich  sei  es  nöthig,  dafs  die  Behörde  sich  die  Sicher- 
heit verschaffe,  dafs   die   Untersucher  wirklich  geübte  seien. 

Der  Vortragende  legte  ferner  frische  Darmtrichinen 
vor,  welche  er  bei  dem  letzten  der  in  Hedersleben  Ver- 
storbenen 11  Wochen  nach  dem  Fleischgenufs  noch  in  ge- 
schlechtlicher Thätigkeit,  namentlich  mit  entwickelten  Em- 
bryonen, gefunden  hatte.  Auch  machte  er  die  Mittheilung, 
dals  er  von  Herrn  Apotheker  Werneberg  in  Schroalkalden 
das  Fleisch  eines  Fuchses  erhalten  habe,  welches  voll  von 
Trichinen  ist.  Die  Zahl  der  Thiere,  bei  denen  Trichinen 
natürlich  vorkommen,  ist  daher  jetzt  nicht  mehr  ganz 
klein  ;  es  sind  das  Schwein,  die  Katze,  die  Ratte,  die  Maus, 
der  Igel  und  der  Fuchs. 

Herr  Reichert  bemerkte  dagegen,  Herr  Ehrenberg 
habe  zu   rechter   Zeit  auf  die  Schwierigkeiten    der  mikrosko- 


pischen  Unter 


trichinenhaltigen   Fleisches    und  auf 


pisenen  Untersuchungen  uiuiuEuuuugi 
die  grolse  Unsicherheit  und  Unzuverlässigkeit  der  negativen 
Ergebnisse  hingewiesen.  Wenn  Herr  Virchow  behaupte, 
ein  Schwein,  bei  welchem  Trichinen  in  den  Kaumuskeln, 
in  der  Zunge,  im  Zwerchfell  und  in  einigen  anderen  Muskeln 
(die  der  Extremitäten  ausgenommen)  nicht  vorhanden  oder 
richtiger  nicht  gefunden  seien,  könne  ohne  weitere  Bedenken 


16.  Januar  1866. 


dem  Nahrungsverbrauch  übergeben  werden ,  so  sei  dies  ein 
Ausspruch,  der  sich  wissenschaftlich  in  keiner  Weise  be- 
gründen lasse  und  bei  der  praktischen  Anwendung  nach- 
theilige Folgen  haben  würde.  Auch  ein  Schwein ,  das  von 
den  geübtesten  Mikroskopikern  längere  Zeit  erfolglos  auf 
Trichinen  untersucht  sei,  könne  dessen  unerachtet  so  viele 
Trichinen  enthalten,  dafs  der  ungeregelte  Genufs  desselben 
die  Trichinenkrankheit  herbeizuführen  im  Stande  sei.  Selbst- 
verständlich könne  und  dürfe  Niemand  die  Erklärung  ab- 
geben, das  Schwein  sei  trichinenfrei;  eine  solche  Erklärung 
oder  auch  nur  ein  Verfahren,  welches  ein  solches  Vorurtheil 
im  Publicum  verbreiten  könnte,  würde  unter  anderen  sogar 
den  nicht  zu  verantwortenden  Nachtheil  haben,  dafs  das 
Publicum  es  verabsäume,  die  einzigen  sicheren  Mittel,  sich 
vor  Trichinenkrankheit  zu  schützen,  —  das  geeignete  Ko- 
chen,  Pökeln,  Räuchern,  —  unter  Umständen   nicht  in  An- 


wendung zu  bringen. 


Herr  Ehrenberg  bemerkte,  dafs,  da  nach  der  Dar- 
stellung des  Herrn  Virchow  seine  Meinung  hier  und  da 
mifsverstanden  sein  solle ,  dieses  sich  doch  nur  auf  die  von 
ihm  angezeigte  Unsicherheit  der  mikroskopischen  Unter- 
suchung beziehe.  Da  Herr  Virchow  auch  es  für  nöthig 
hält,  dafs  die  Behörden  sich  eine  Sicherheit  verschaffen  über 
die  nöthige  Zuverlässigkeit  der  untersuchenden  Personen,  so 
ist  derselbe  in  diesem  Punkte  mit  mir  einverstanden.  Ich 
möchte  aber  wohl  noch  Einiges  hesonders  hervorheben ; 
zuerst,  dafs  die  zu  untersuchenden  Stellen  des  Schweines, 
so  schätzenswerth  auch  die  bisherigen  Ermittelungen  sind, 
doch  noch  keinerlei  Sicherheit  über  den  Ort  geben ,  von 
dem  aus  sich  die  unfruchtbare  Brut  der  Trichinen  in  so 
grofsen  Verhältnissen  zuerst  verbreitet ,  dafs  schon  nach 
Leuckart's  früherer  Angabe  und  meiner  eigenen  Bestä- 
tigung sich  in  jedem  Loth  Fleisch  zuweilen  viele  Tausende 
dieser  kleinen,  aber  doch  noch  kaum  des  Mikroskopes  be- 
dürfenden Würmer  finden.  Theoretisch  scheint  es  annehm- 
bar, dafs  die  dem  Munde  (als  Speiseaufnahme)  und  dem 
Darme  (als  Brutort)  zunächst  liegenden  inneren  Muskeln 
(Zunge,  Zwerchfell)  zuerst  davon  erfüllt  werden  mögen,  weil 
nur  im  Darme  fruchttragende  Trichinen  gefunden  worden 
sind;  thatsächlich  schwanken  noch  die  Ortsbestimmungen  der 
Beobachter  und  es  ist  noch  nicht  festgestellt,  wie  die  Ein- 
wanderungen in  die  Muskeln  geschehen.  Aufmerksam  zu 
machen  auf  diese  Verhältnisse  scheint  nicht  unangemessen. 
Zweitens  könnte  es  wohl  scheinen,  dafs  die  mikroskopische 
Untersuchung  des  Schweinefleisches  unnöthig  sei,  sobald  nur 
dringend  empfohlen  werde,  das  Fleisch  gar  zu  kochen,  gar 
zu  braten ,  gar  zu  räuchern  und  gar  zu  pökeln ,  und  dafs 
somit  eine  grofse  Ausgabe  für  die  mikroskopischen  Fleisch- 
beschauer erspart  werden  könne.  Mir  will  es  scheinen,  als 
ob  diese  Ersparnifs  gefährlich  werden  könnte,  gerade  in 
unseren  Tagen  hat  die  Rinderpest  in  Aegypten  und  Eng- 
land durch  Sorglosigkeit  der  Behörden  und  völlige  Unthä- 
tigkeit  der  Privatleute  einen  erschreckenden  Umfang  gewon- 
nen, und  es  mag  schwer  genug  halten,  den  wachsenden 
grofsen  Verlusten  Einhalt  zu  thun,  während  dies  im  Anfang 
der  Seuche  leicht  in  England,  wie  es  bei  uns  geschehen, 
möglich  gewesen  wäre.  Der  Genufs  des  wurmkranken 
Schweinefleisches  wird  ohne  Staatsaufsicht  schwerlich  zu 
hemmen  sein,   und   somit   wäre  es  wohl    möglich,   dafs  die 


dadurch  bedingten  Todesfälle  der  Menschen  ein  pestartiges 
so  kolossales  Verhältnifs  erhielten,  wie  das  der  Rinder  in 
England,  und  es  scheint  wohl,  dafs  wir  noch  nicht  am  Ende 
der  Epidemie  sondern  noch  im  Zunehmen  derselben  sind. 
Ich  erinnere  mich  aus  meiner  Jugend,  dafs  es  im  elterlichen 
Hause  ein  plötzliches  Hühnersterben  gab ,  so  dafs  man,  ich 
glaube  9  Hühner  am  Morgen  todt  im  Hofe  fand.  Es  wurde 
bekannt  und  arme  Nachbarn,  welche  die  Tags  vorher  schein- 
bar gesunden  jetzt  todten  Hühner  sahen,  fanden  das  Fleisch 
so  fest  und  geniefsbar,  dafs  sie  es  sich  zum  Genufs  aneig- 
neten. So  geht  es  häufig  mit  kranken  Thieren,  man  schlach- 
tet sie  kurz  vor  dem  Sterben ,  und  wenn  nicht  überall 
schwere  Erkrankungen  und  Todesfälle  vom  Genufs  des 
Fleisches  erfolgt  sind,  so  mögen  leichtere  vorübergehende 
Erkrankungen  oft  genug  übersehen  worden  sein.  Bei  pest- 
artigen Krankheiten,  gegen  die  man  Quarantainen  mit  gro- 
fsen Kosten  einrichtet,  hat  man  oft  genug  diese  Unkosten 
und  Verkehrshemmungen  verwerflich  gefunden,  weil  sich  gar 
keine  materielle  erfafsbare  Grundlage  der  Krankheit  erken- 
nen und  unschädlich  machen  liefs.  Bei  der  Wurm-Epidemie 
der  Trichinen  verhält  sich  das  anders ,  hier  kann  man  die 
Ursache  einer  tödlichen  Seuche  erkennen  und  in  grofsen 
Verhältnissen  abschneiden  und  zerstören,  sobald  man  sie 
erkannt  hat.  Die  Sorglosigkeit  der  grofsen  Volksmassen 
und  die  gewöhnliche  Nichtbeachtung  dem  blofsen  Auge  sicli 
entziehender  kleiner  Verhältnisse,  welche  mit  Scherz  und 
Laune  leicht  beseitigt  werden,  veranlassen,  dafs  ihre  unheil- 
bringenden Folgen  unbeachtet  bleiben  und  erst,  wenn  das 
Unheil  im  vollen  Gange  ist,  Schrecken  und  Angst  sich  ver- 
breiten. In  diesen  Fällen  ist  das  Eintreten  staatlicher  Für- 
sorge gewils  wohl  begründet,  man  kann  die  Ursache  solcher 
Seuchen  wo  nicht  ganz  beseitigen,  doch  sehr  vermindern, 
und  folglich  die  Zahl  der  Todesfälle  und  Siechthümer  be- 
schränken. Sollte  von  einer  Aufsichtsbehörde  nur  angerathen 
werden,  alles  Fleisch  gar  zu  kochen  und  keine  Schranke  für 
das  verkäufliche  Fleisch  gezogen  werden,  so  dürfte  voraus- 
sichtlich von  den  Wohlhabenderen  der  Genufs  des  Schweine- 
fleisches ganz  vermieden  werden,  in  Folge  dessen  würde 
unfehlbar  das  Schweinefleisch  wohlfeiler  werden  und  den 
ärmeren  zahlreichsten  Klassen  des  Volkes,  wie  bei  den  Gur- 
ken zur  Cholera-Zeit,  ein  reichlicheres  Material  zur  Ernäh- 
rung vorliegen  und  benutzt  werden,  die  Folge  der  Benutzung 
würde  voraussichtlich,  wie  das  Essen  des  Gurkensalats  zur 
Cholera-Zeit,  die  Krankheit  unabsehbar  verbreiten  und  dann 
noch  gröfsere  Opfer  für  ihre  Beschränkung  erfordern. 
Wendet  man  gleichzeitig  mit  der  Warnung  für  das  häus- 
liche Küchenwesen  noch  den  Gebrauch  des  Mikroskops  vom 
Staate  verpflichteter  Fleischbeschauer  an,  wozu  sehr  leicht 
zuverlässige  Personen  aus  verschiedenen  Ständen  angelehrt 
werden  können,  welche  Alles  viel  oder  wenig  von  solchen 
Würmern  inficirte  Fleisch  beseitigen,  d.  h.  zur  Seifenberei- 
tung und  anderen  ähnlichen  Dingen  bestimmen,  so  schneidet 
man  damit  den  gröfsten  Theil  der  Grundlage  der  Seuche  ab. 
Das  regelmäfsige  Kochen  und  Braten  des  nicht  als  inficirt 
erkannten  Fleisches  wird  noch  einen  wesentlichen  Theil  je- 
ner Grundlage  zerstören,  und  so  wird  die  Ausdehnung  und 
der  Einflufs  der  tödtlichen  Epidemie  sehr  beschränkt  werden. 
Dafs  man  für  denjenigen  Theil  der  Bevölkerung,  welcher 
zum  Garkochen  Zeit  und  Feuermaterial  zu  sparen  sich  ver- 


4 


16.  Januar  1866. 


anlafst  sieht,  durch  öffentliche  wohlfeile  Garküchen  eine 
Bevormundung  einleitet,  scheint  mir  angemessen,  ein  Zwang 
aber  dürfte  weder  in  den  häuslichen  noch  in  den  öffentlichen 
Küchen  ausführbar  sein,  wahrend  eine  Aufsicht  für  das 
Schlachten  des  Schlachtviehes  bereits  bestellt  und  eine  noch 
speciellere  Controlle,  wenn  auch  mit  Kosten,  ausführbar  ist. 
Es  beschränkt  sich  diese  Mafsregel  in  ihrem  Nutzen  nicht 
blofs  auf  die  ärmeren  Volksklassen ,  sondern  auch  auf  die 
wohlhabenderen  und  reichsten.  Gasthöfe  und  Gastereien 
aufser  dem  Hause  sind  nicht  mehr  zu  umgehen,  Schweine- 
zungen in  Fricassee  und  Würsten  sind  viel  benutzte  beliebte 
Ingredienzen,  welche  von  besseren  Kennern  der  Küche  noch 
zahlreicher  werden  genannt  werden  können.  Ob  die  bisheri- 
gen öffentlichen  Rathschläge  und  Warnungen  ohne  weiteres 
Eingreifen  der  Behörden  genügen,  wird  jedenfalls  der  Fort- 
gang oder  Stillstand  der  menschlichen  Erkrankungen  lehren. 

Herr  Hofmann,  an  die  Trichinenfrage  anknüpfend, 
bemerkt,  dafs  in  England  die  Verheerungen  der  Rinderpest 
noch  immer  fortdauerten.  Es  seien  dieselben  bis  zu  einer 
Höhe  gestiegen,  dafs  man  sich  den  ängstlichsten  Besorg- 
nissen hingehe  und  bereits  durchgreifende  financielle  Mafs- 
regeln  berathe,  welche  in  der  diesjährigen  Session  vor  das 
Parlament  gebracht  werden  sollen.  Es  sei  ferner  eine  ganze 
Reihe  von  neuen  Methoden  zur  Aufbewahrung  von  Nahrungs- 
mitteln und  zumal  von  Fleisch  vorgeschlagen  worden,  und 
die  Patentlisten  bekunden,  wie  sich  der  englische  Erfindungs- 
geist mit  dieser  brennenden  Frage  beschäftige.  Ein  ganz 
sinniges  Verfahren  Fleisch  zu  präserviren  sei  kürzlich  von 
Dr.  Redwood  in  London  patentirt  worden.  Es  bestehe 
darin,  das  Fleisch  eine  kurze  Zeit  lang  in  geschmolzenes, 
vollkommen  geruch-  und  geschmackloses  Paraffin  —  wie  es 
eben  in  verbesserter  Masse  durch  Destillation  von  Boghead 
cannel  coal  erhalten  werde  —  einzutauchen.  Beim  Heraus- 
ziehen aus  dem  Paraffinbade  sei  das  Fleisch  mit  einer  dün- 
nen Schicht  von  Paraffin  bedeckt ,  welche  alsbald  erhärte. 
Diese  Schicht  könne  alsdann  durch  wiederholtes  Eintauchen 
beliebig  verdickt  werden.     Um  so  präparirtes  Fleisch  zuzu- 


bereiten, sei  es  nur  nöthig,  dasselbe  in  heifses  Wasser  zu 
legen,  wodurch  die  Paraffinschicht  sich  ablöse  und  als  Flüs- 
sigkeit auf  die  Oberfläche  steige,  um  von  dem  Wasser  ge- 
trennt von  Neuem  zum  Aufbewahren  von  Fleisch  verwendet 
zu  werden.  Nach  den  Erfahrungen  von  Dr.  Redwood 
und  Dr.  Gueneau  de  Mussy  lasse  diese  Aufbewahrungs- 
weise des  Fleisches  nichts  zu  wünschen  übrig;  auch  werde 
der  Geschmack  des  Fleisches  in  keinerlei  Weise  beeinträchtigt. 

Derselbe  legte  der  Gesellschaft  ein  paraffin-umhülltes 
Hammels-  Cotelette  vor,  welches  ihm  der  Patentträger  vor 
einigen  Tagen  in  London  eingehändigt  hatte. 

Herr  Gurlt  machte  eine  kurze  Mittheilung  über  das 
Vorkommen  von  Gasirus-  Larven  im  Magen  des  Hundes. 
Es  war  ihm  der  Magen  eines  Hundes,  den  man  für  toll 
gehalten  und  getödtet  hatte,  übersandt  worden,  und  in  die- 
sem Magen  fanden  sich  drei  Oastrus-  Larven ,  welche  sich 
in  die  Häute  eingebohrt  hatten.  Es  blieb  hierbei  zweifel- 
haft, ob  die  Gasirus  -Fliege  ihre  Eier  an  die  Haare  des 
Hundes  abgesetzt,  oder  ob  der  Hund  den  Magen  eines  ge- 
storbenen Pferdes,  in  welchem  sich  die  Gastrus-Larven  schon 
vorfanden,  verzehrt  habe.  Der  Vortragende  neigte  sich  zu 
der  letzteren  Annahme,  indem  bei  Annahme  des  ersten  Falles 
ein  perverser  Instinkt  der  Fliege,  welche  ihre  Eier  nur  an 
die  Haare  der  Pferde  abzusetzen  pflegt,  supponirt  wer- 
den müsse.  Da  der  für  toll  gehaltene,  lebende  Hund  von 
einem  Sachverständigen  nicht  untersucht,  daher  die  Tollwuth 
nicht  festgestellt  worden  war,  indem  dies  durch  die  Section 
allein  mit  Sicherheit  nicht  geschehen  kann,  so  hielt  es  Herr 
Gurlt  für  möglich,  dafs  der  Hund  gar  nicht  wirklich  toll 
gewesen  sei,  sondern  dafs  die  Einbohrung  der  Gas/rus-Lar- 
ven  in  den  sehr  empfindlichen  Magen  des  Hundes  diesen  zu 
einem  ganz  ungewöhnlichen  Benehmen  gebracht  haben  konnte. 
Er  schlofs  dies  aus  einem  analogen  Falle,  wo  nämlich  die 
in  den  Stirnhöhlen  und  Siebbeinzellen  vorkommenden  Wür- 
mer (Pen/as/orna  laenioides)  die  Schleimhaut  so  stark  reizen, 
dafs  manche  damit  behaftete  Hunde  sich  wie  tolle  zeigen 
und  wirklich  schon  für  toll  gehalten  worden  sind. 


Gedruckt  iu  der  Druckerei  der  Konigl.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Sitzungs-Bericht 


der 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde 


zu  Berlin 
am  20.  Februar  1866. 


Director  Herr  Geh.  Rath  Gurlt. 


Herr  Gurlt  eröffnete  die  Sitzung. 

Herr  Ehrenberg  übergab  der  Gesellschaft  eine  Schrift 
des  Herrn  Ignaz  Beissel,  auswärtigen  Ehrenmitgliedes 
der  Gesellschaft,  ,,über  die  Bryozoen  der  Kreide  von  Aachen", 
und  sprach  über  die  künstliche  Steinkernbildung  durch  Was- 
serglas, welche  vom  Verfasser  erfunden  und  ihm  zur  Erläu- 
terung der  fossilen  Bryozoen  gedient  hatte,  von  denen  er 
30  Arten,  darunter  14  von  ihm  neu  benannte,  verzeichnet. 
Der  Vortragende  machte  wieder  wie  im  Monatsberichte  der 
Berl.  Akad.  d.  W.  von  1859  auf  das  mannigfache  grofse 
Interesse  aufmerksam,  welche  Herrn  Beissels's  Beobach- 
tungsmethode noch  künftig  in  sich  schliefse,  besonders  auf 
die  Kieselsandbildungen  aus  sehr  kleinen  Kalkorganismen  bis 
zur  quarzsandartigen  scharf  doppelt  lichtbrechenden  Umge- 
staltung, auf  die  schon  1839  für  Bryozoen  (Monatsber.  der 
Akad.  p.  157)  und  1855  für  Polythalamien  (AbhdI.  d.  Ak. 
p.  135)  aufmerksam  gemacht  worden  war.  Derselbe  legte 
dann  nochmals  die  sauberen  Präparate  von  künstlichen  Stein- 
kernen in  Polythalamien  vor,  welche  Herr  Beissel  im 
J.  1859  ihm  zugesandt  hatte. 

Derselbe  sprach  hierauf  über  die  rothen,  gelben  und 
grünen  Streifungen  des  Oceans.  Er  legte  zunächst  von 
Herrn  Dr.  Kersten,  dem  Begleiter  des  hoffentlich  seit- 
dem geretteten  so  glänzend  verdienstvollen  Herrn  von  der 
Decken  bei  dessen  Besteigung  des  Kilimandjaro,  eine  kleine 
Meeresprobe  vor.  Dieselbe  wurde  von  ihm  auf  seiner  Rück- 
reise am  6.  April  1865  westlich  vom  Cap  der  guten  Hoff- 
nung einer  im  Atlantischen  Ocean  beobachteten  rothen 
Meeresfärbung  entnommen,  die  derselbe  in  einem  Glas- 
röhrchen unter  Cognac  aufbewahrt  mitgebracht  hat,  und 
welche  die  Schiffsmannschaft  Fischroggen  nannte.  Der  Vor- 
tragende bemerkte,  dafs  die  Substanz  ganz  der  von  ihm  im 
rothen  Meere  beobachteten  ,  Trichodesmium  erylhraeum  ge- 
nannten,  gleiche,  einer  bündeiförmigen,  feinen  Oscillarie. 
Dieselbe  Substanz  habe  die  ruhmvolle,  wissenschaftliche 
[1866] 


österreichische  Expedition  der  Novara  aus  den  Gewässern 
des  Süd- Oceans,  aus  der  Nähe  der  Nicobai  en  Inseln  und  dem 
Chinesischen  Meer  1861  zu  seiner  Kenntnifs  gebracht,  wo 
dieselbe  unter  dem  Schiffer-Namen  von  Sägespänen  in  mehr 
gelblicher  und  grünlicher  Färbung  das  Meer  in  vielen  meilen- 
langen, zuweilen  parallelen,  Streifen  erfülle.  Ein  Vorkom- 
men, welches  wohl  durch  Wind-  und  Wellen-Richtung  in 
der  Art  bedingt  sein  möge,  wie  Wolkenstreifen  durch  Wind- 
richtungen entstehen.  Er  selbst  halte  diese  gelben  Fär- 
bungen ,  weil  er  auch  im  rothen  Meere  grüne  Formen 
unter  den  rothen  beobachtet  habe,  für  Jugendzustände,  wie 
er  in  Pogg.  Annal.  1830  p.  506  mitgetheilt  habe.  Grüne 
Färbungen  solcher  Meeresstreifungen  im  Atlantischen  Ocean 
zwischen    Teneriffa  und  Brasilien    beobachtete    zuerst  Adalb. 

r         .         .                a    .            25.  November 
v.   Cnamisso  im  J.   leuu  am  : —    (siehe     hhrbre. 

7.  Uecember  ° 

Inf.  Thierch.  p.  122).  Proben  davon  erhielt  der  Vortr.  von 
ihm  selbst,  andere  Proben  derselben  Substanz,  aber  von 
rother  Färbung,  erhielt  er  unter  dem  Namen  von  Wallfisch- 
saamen  oder  Verblutung  eines  Wallfisches  vor  etwa  zehn 
Jahren  aus  dem  Antille'schen  Meere  bei  Venezuela.  Die 
von  demselben  im  J.  1829  in  den  Abhdl.  d.  Akad.  d.  W. 
und  1830  in  Pogg.  Annal.  gegebenen  Erklärungen  des 
rothen  erythräischen  Meeres  wurden  1844  durch  Dr.  Mon- 
tagne  bestätigend  erweitert,  indem  er  die  von  Evenor  Du- 
pont  zwischen  Kosseir  und  Tor  beobachtete  rothe  Färbung 
nach  dessen  mitgebrachter  Probe  vergleichen  konnte.  Der- 
selbe sandte  sowohl  mir  eine  Probe  der  Dupont' sehen 
Masse,  als  er  auch  von  mir  auf  sein  Ansuchen  eine  Probe 
der  meinigen  erhielt  und  direkt  vergleichen  konnte.  Er 
fand  sowenig  als  ich  einen  wesentlichen  Unterschied  in  den 
Fäden  und  Gliederungen.  In  den  Annales  des  sciences  na- 
turelles (1844  Ser.  III  T.  II  Zoologie)  erwähnt  Dr.  Mon- 
tagne  noch  der  Beobachtungen  von  Darwin  im  Atlant. 
Ocean    bei  Brasilien,   bei  Neu-Holland   (Cap  Leeuwin)    und 


20.  Februar  1866. 


ganz  besonders  einer  sehr  auffallenden  Erscheinung  dieser 
Art,  welche  Dr.  Tl  im]  s  im  Meerbusen  von  Californien  im 
Febr.  1836  und  bei  San  Salvador  im  April  1837  beobachtet 
hatte.  Diese  letztere  Substanz  sondert  Dr.  Montagne 
unter  dem  Namen  Trichodesmium  Wndsii  von  der  Form 
des  rothen  Meeres  ab,  die  er  TV.  Ehrenbergii  statt  ery- 
thraeum  genannt,  weil  erstere  einen  sehr  strengen,  die 
Augen  afficirenden,  die  Schiffsmannschaft  belästigenden  Ge- 
ruch und  röthere  Färbung  gezeigt  habe,  von  dem  bei  der 
Substanz  im  rothen  Meere  keine  Rede  gewesen.  Da  aber 
Dr.  Montagne  die  mikroskopische  Struktur  der  von  ihm 
ebenfalls  untersuchten  Californischen  Substanz  für  ganz  gleich 
mit  der  des  rothen  Meeres  erklärt  und  da  der  unausstehlich 
strenge  Geruch  allen  Tang  und  Meeresgewächsen,  wo  sie 
gehäuft  sind,  nicht  fehlt,  namentlich  auch  an  den  Küsten 
des  rothen  Meeres  auffallend  genug  war  und  nur  als  selbst- 
verständlich verschwiegen  worden  ist,  so  halte  ich  diese 
sämmtlichen  Erscheinungen  für  einer  und  derselben  Art  von 
Organismen  zugehörig,  und  sollte  meinen,  dafs  nur  der  Name 
Trichodesm.  erythraeum  für  die  (jung)  grünen,  gelben  (alt) 
rothen  Formen  dieser  höchst  ausgedehnten  Erscheinung  im 
System  statthaft  bleiben  könne.  Die  grofse  Anhäufung 
der  Substanz  zu  intensiv  blutigem  Gewässer  ist  von  Dr. 
Dinds  angemerkt.  Der  Npme  Sägespäne,  welchen  die  Ma- 
trosen der  gelblichen  und  grünen  Erscheinung  im  Süd-Ocean 
zu  geben  pflegen,  wird  auf  Cook's  dritter  Reise  zuerst  er- 
wähnt; ob  Darvvin's  Beobachtung  bei  den  Keeling's  Inseln 
derselben  Erscheinung  angehört,  bleibt  zweifelhaft,  da  eine 
ähnliche  Färbung  bei  Brasilien  nach  v.  Chamisso's  mit- 
gebrachten Zeichnungen  und  Proben  von  mir  für  Myriaden 
einer  Aslnsia  zu  halten  waren  die  er  als  Paramecium  oceani- 
i  um  in  den  Act.  Leop.   T.  X   1820  abgebildet  hat. 

Ein  anderes  Trichodesmium ,  das  Tr.  Flos  aquae  der 
Süfswasserteiche  bei  Berlin,  welches  ich  1830  benannte, 
ist  von  Farbe  immer  grün,  niemals  roth  und  neuerlich  mit 
anderen  Dingen  verwechselt  worden;  so  sind  die  Namen 
IAmnochlidt  Flos  aquae  Kz. ,  Aphanizomenon  Fl.  aquae  et 
ineurvum  Morien  1839,  Oscillaria  Fl.  aquae,  Cnnferva  Fl. 
aquae,  Sphaerozyga  Fl.  aquae,  die  alle  sich  auf  den  Byssus 
Fl.  aquae  Linne  beziehen,  auch  die  neueste  Auffassung  von 
Raben  borst  1865  in  dem  Werke  „Flora  europaea  Al- 
garum",  Part  II  pag.  195  angiebt.  Das  von  mir  1830  be- 
zeichnete Trichodesmium  Flos  aquae,  die  Wasserblüthe  der 
deutschen  Gewässer,  war  sicher  keine  Sphaerozyga,  ist  aber 
unzweifelhaft  eine  der  Formen ,  welche  bisher  in  Deutsch- 
land unter  dem  Linne'schen  Namen  Byssus  Flos  aquae  ver- 
standen worden  sind.  Die  Fische  tödtende  Wasserblüthe 
Deutschlands,  welche  ebenfalls  von  grüner  Farbe  ist,  Pal- 
mella (Coccodea)  ichlhyoblabe  Kunze,  welche  bei  Leipzig  und 


von  mir  auch  bei  Berlin  öfter  beobachtet  wurde,  fehlt  auch  in 
Raben  borst' s  Werke.  Die  anwesenden  Mitglieder  Herr 
Dr.  Ja  gor  und  Dr.  v.  Martens  gaben  Erläuterungen  aus 
ihren  eigenen  Erfahrungen  im  Süd-Ocean,  wo  besonders  der 
erstere  dem  Gegenstand  eine  speciellere  Aufmerksamkeit  zu- 
gewendet hatte.  Er  fand  die  Erscheinung  in  der  Sunda 
Strafse  und  nach  seiner  Mittheilung  „erscheinen  die  einzelnen 
,,Partikelchen  als  zierlich  verflochtene  Fäden;  jeder  einzelne 
„Faden  bestand  aus  einer  Reihe  von  Zellen,  deren  Scheide- 
„ wände  in  der  Mitte  flach,  nach  den  Enden  hin  gewölbter 
„werden,  und  an  den  Enden  selbst  halbkugelförmig  waren. 
„Jede  Zelle  war  aufserdem  noch  durch  eine  anscheinend 
„dünne,  völlig  flache  Wand  in  der  Mitte  getheilt.  Längs 
„der  Mittellinie  lagen  feine  grüne  Kügelchen  —  anscheinend 
,, Chlorophyll.  Beim  Filtriren  röthete  sich  das  Filtrura  wie 
„von  Jod".  —  Bemerkenswert!)  schien  noch,  dafs  die  von 
Dr.  K ersten  ebenfalls  in  vielen  meilenlangcn  Streifen  be- 
obachtete Form  des  Atlant.  Süd-Oceans  durch  den  Cognac 
nicht  ihre  röthlich  braune  Färbung  verloren  und  die  Gestalt 
auffallend  schön  erhalten  hatte. 

Herr  Ehrenberg  bemerkte  noch,  dafs  er  im  J.  1829 
und  1830  den  Namen  des  rothen  Meeres  mit  seiner  Beobach- 
tung erläutern  zu  können  meinte,  obschon  verschiedene  Deu- 
tungen der  alten  Bezeichnung  des  erythräischen  Meeres  zu 
verschiedenen  Zeiten  sich  ausgesprochen  hätten.  Sehr  zu- 
stimmend sei  jetzt  sowohl  die  immer  mehr  die  Aufmerk- 
samkeit der  Schiffenden  in  Anspruch  nehmende  Erscheinung 
und  besonders  der  Umstand,  dafs  auch  das  Californische 
Purpur-Meer  durch  die  Beobachtungen  des  Dr.  Hinds  und 
die  Analyse  des  Dr.  Montagne  zu  erkennen  geben,  dafs 
in  ähnlicher  Weise  in  dem  dem  arabischen  vergleichbaren 
grofsen  Meerbusen  des  stillen  Meeres  schon  im  16.  Jahr- 
hundert, wahrscheinlich  1532,  davon  seinen  Namen  erhalten, 
und  es  nahe  genug  liegt,  dafs  in  beiden  Fällen  die  auffal- 
lende Wasserfarbe  den  alten  und  neuen  Schiffern  imponirt 
habe.  Die  alten  Karten  von  Californien,  welche  in  dem 
Atlas  der  Monumenta  saecularia  boica  publicirt  worden 
sind,  zeigen  auf  der  6ten  und  12ten  Karte  den  Namen  Mar 
Bermeio  bereits  an.  Im  Uebrigen  liegen  jetzt  zu  dieser  Be- 
urtheilung  4  Proben  der  Erscheinung  aus  dem  Chinesischen 
Meer,  1  aus  der  Sunda  Strafse,  2  aus  dem  rothen  Meer, 
1  aus  dem  südlichen  Atlantischen  Meer  und  2  aus  dem  mitt- 
leren Atlantischen  Meere  vor;  die  Flocken  dieser  Proben 
haben  eine  Länge  von  1 — 2'"  und  die  einzelnen  runden  Fä- 


den  im   Mittel   von  jjjj"'- 


f-V 

Vi  92 


bis 


").      Zellen  1  bis  3 


mal  breiter  als   lang. 

Hiernach  sprach  Herr  Ehrenberg  noch  über  die  beim 
Bau  der  Eisenbahn  nach  Görlitz  aus  dem  Möwerluch  bei 
Klein -Bester   bei  Wusterhausen  beim  Aufschütten  von  un- 


20.  Februar  1866. 


geheuren  immer  verschwindenden  Sandmassen  für  das  Eisen- 
bahnplanum  hervorgequollene  Schlamm -Substanz,  welche 
ihm  durch  Herrn  Baumeister  Orth  zur  Kenntnifs  gebracht 
wurde.  Es  ist  in  diesem  Falle  kein  Kieseiguhr,  sondern 
eine  mit  heller  Flamme  brennende,  stark  mit  kohlensaurem 
Kalk  gemischte,  dem  Baggertorf  ähnliche ,  im  trocknen  Zu- 
stand leichte  und  silbergraue  Substanz,  die  bei  wenigen  Be- 
obachtungen keine  Bacillarien  zeigte.  — 

Herr  Carl  Müller  verglich  die  pflanzen -statistischen 
Angaben  des  einheimischen  Gebiets  unserer  norddeutschen 
Flora,  mit  den  pflanzenstatistischen  Angaben,  welche  Pro- 
fessor Grisebach  in  der  vor  kurzem  beendigten  Flora  des 
englischen  Westindiens  niedergelegt  bat,  um  hierdurch  nach- 
zuweisen, dafs  der  Reichthum  unserer  eigenen  bescheidenen 
Flora  der  nördlichen  gemäfsigten  Zone  doch  nicht  in  allen 
Beziehungen  von  der  Vegetationsfülle  der  westindischen 
Tropen  überflügelt  werde,  ja  sogar  unsre  norddeutsche  Flora 
noch  eine  Menge  interessante  Formenkreise  der  höheren 
Phanerogamischen  Gewächse  besitze,  die  entweder  den  Tro- 
pen ganz  fehlen,  oder  in  ihnen  nur  eine  höchst  untergeord- 
nete Vertretung  finden.  Wir  lassen  die  hier  angegebenen 
Zahlenwerthe  hier  folgen : 

Grisebach  führt  in  der  Englisch -Westindischen  Flora 
an  blühenden  und  blüthenlosen  Gefäfs  Cryptogamen  3254 
Arten  auf,  in  1096  Gattungen  und  150  Familien.  Die 
norddeutsche  Flora  erreicht  etwa  \  dieser  Zahlenangaben, 
nämlich  nach  den  neusten  Auflagen  der  Garcke'schen  Flora 
Norddeutschlands  129  Familien,  700  Gattungen  und  2194 
Arten.  —  Von  diesen  150  aufgeführten  brittisch-  west- 
indischen Pflanzenfamilien,  die  sich  auch  meist  über  Cuba, 
Haiti  und  Portorico  erstrecken ,  scheiden  beinahe  die  Hälfte 
derselben  als  rein  tropische  und  subtropische  Familien  aus, 
von  denen  für  die  westindische  Flora  als  charakterische 
hervorzuheben  sind:  Anonaceen  mit  19  Arten,  Cappariden 
mit  22,  Bombaceen  mit  6,  Guttiferen  mit  22,  Malpighiaceen 
mit  44,  Bignoniaceen  mit  29,  Acanthaceen  mit  38,  Gesne- 
raeeen  mit  35,  Piperaceen  mit  54,  Myrtaceen  mit  57,  Me- 
lastomaceen  mit  104,  Rizophoren  mit  4,  Laurineen  mit  28, 
Passifloren  mit  33,  Cacteen  mit  8,  Begoniaceen  mit  8, 
Myrsineen  und  Sapoteen  beide  mit  23  und  Palmen  mit  20 
Arten.  Familien  dagegen  in  annährend  gleicher  Ausbildung 
in  Beziehung  auf  Gattungen  und  Arten  bilden  die  Gräser 
und  Cyperaceen.  Im  brittischen  Westindien  führt  Grise- 
bach 59  Gattungen  Gräser  mit  168  Arten,  und  107  Arten 
Cyperaceen  in  18  Gattungen  auf,  während  in  der  nord- 
deutschen Flora  Garcke  an  Gräsern  50  Gattungen  mit 
ebenfalls  168  Arten,  und  an  Cyperaceen  117  Arten  in  8 
Gattungen  vertheilt.  Sehr  auffällig  ist  es  hierbei,  dafs  nur 
2  Carices  von  Grisebach  genannt  werden,  die  norddeutsche 


Flora  aber  davon  78  nachweifst,  die  Cyperus  Arten  dagegen 
in  ähnlicher  Weise  vermehrt  erscheinen,  wie  die  Carices 
abnehmen. 

Eine  bedeutend  reichere  Ausbildung  im  englischen 
Westindien  erhalten   folgende  Familien : 

Farn  treten  im  englischen  Westindien  mit  48  Gat- 
tungen in  340  Arten  auf,  in  Norddeutschland  mit  14  Gat- 
tungen in  nur  32  Arten,  Orchideen  in  73  Gattungen  in 
226  Arten  gegen  14  Gattungen  mit  46  Arten,  Legumi- 
nosen in  90  Gattungen  mit  262  Arten  gegen  30  Gattun- 
gen und  117  Arten.  Aehnliche  Zahlenverhältnisse  stellen 
dar  die  Euphorbien,  119  Arten  gegen  21,  Malvaceen  61 
gegen  8,  Tiliaceen  19  gegen  2,  Rutaceen  31  gegen  2,  Ur- 
tieeen  69  gegen  5,  Terebintaceen  60  gegen  3  (nur  ange- 
pflanzt), Lythrarieen  10  gegen  5,  Cucurbitaceen  23  gegen  3, 
Araliaceen  7  gegen  1,  Lorantaceen  22  gegen  2,  Rubiaceen 
173  gegen  23,  Lobeliaceen  16  gegen  1,  Lentibularien  10 
gegen  6,  Apocyneen  48  gegen  1,  Asclepiadeen  28  gegen  1, 
Solaneen  67  gegen  15,  Convolvulaceen  64  gegen  8,  Ver- 
benaeeen  52  gegen  1 ,  Aroideen  29  gegen  3 ,  Dioscoreen 
11   gegen  1,  Lycopodiaceen  23  gegen  8. 

Dieser  Präponderanz  des  tropischen  Westindiens  treten 
dagegen  folgende  Familien  gegenüber,  die  in  Norddeutsch- 
land eine  reichere  Ausbildung  erhalten,  im  englischen  West- 
indien meist  aber  nur  schwach  vertreten  sind: 

Die  Banunculaceen  treten  in  Norddeutschland  in  73 
Arten  auf  gegen  4  brittisch-westindische,  die  Papaveraceen, 
mit  Einschlufs  der  Fumariaceen ,  in  23  gegen  2.  Die  9 
aufgeführten  westindischen  Cruciferen  sind  wahrscheinlich 
sämmtlich  eingewandert,  während  in  Norddeutschland  deren 
115  bekannt  sind,  auch  scheint  dies  der  Fall  mit  den  we- 
nigen Sileneen  und  Alsineen  der  Fall  zu  sein,  während  diese 
in  unserer  Flora  die  Summe  von  33  und  43  erreichen. 
Salix  Humboldtiana  ist  die  einzige  Salix  Art  des  brittischen 
Westindiens,  während  Garcke  in  seiner  Flora  deren  37 
aufführt. 

Aehnliche  Zahlenverhältnisse  lassen  sich  auch  in  nach- 
folgenden Familien  nachweisen:  Geraniaceen  treten  hier  mit 
45  Arten  gegen  1  brittisch-westindische  auf,  Polygoneen 
mit  32  Arten  gegen  15,  Rosaceen  mit  112  gegen  7,  Po- 
maeeen  fehlen  ganz  im  brittischen  Westindien ,  Onagrarien 
bilden  bei  uns  22  gegen  14  Arten,  Crassulaceen  23  ge- 
gen 1 ,  Saxifrageen  12  gegen  1 ,  Umbelliferen  90  gegen  9, 
Caprifoliaceen  13  gegen  2,  Compositen  228  gegen  160, 
Campanulaceen  20  gegen  1,  Plantagineen  8  gegen  2,  Plum- 
bagineen  4  gegen  2,  Primulaceen  22  gegen  1,  Gentianeae 
21  gegen  20,  Scrophularinen  103  gegen  23,  Labiaten  70 
gegen  23,  Coniferen  10  gegen  5,  Alismaceen  5  gegen  4, 
Hydrochariden   3  gegen  5,    Typhaceen  5  gegen  1 ,    luneeen 


8 


'20.  Februar  1866. 


'.29  gegen  1,    Liliaceen  ii  gegen  18,    Irideen  14  gegen  3, 
endlich  Rbizocarpeen  2  gegen  1,  und  Eqniseten  9  gegen  2 

Arten.    Diese     zuletzt    aufgeführten     Zahlen    weisen    in 

einer   nicht    unbedeutenden  Anzahl  von  Familien,    und  zwar 
grade  in  Familien    von    anerkannter  Formen-Schönheit,    na- 


mentlich in  Ranunculaceen,  Irideen,  Primulaceen,  Liliaceen 
und  Rosaceen,  auf  einen  Formen-I\eichthum  in  unserer  vater- 
ländischen Flora  hin,  die  den  Tropen  Westindiens  versagt 
ist,  und  auf  die  ich  zu  Gunsten  unserer  einheimischen 
Flora  hier  aufmerksam  machen  wollte.   — 


Gedruckt  in  der  Druckerei  der  küuisrl.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Sitzungs-Bericht 


der 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde 


zu  Berlin 
am  20.  März  1866. 


Director  Herr  Geli.  Rath  Gurlt. 


Herr  Gurlt  eröffnete  die  Sitzung  mit  Vorlegung  eines 
Dankschreibens  des  neu  erwählten  Ehrenmitgliedes  Herrn 
Dr.  Holtz  und  mit  Uebergabe  einer  Druckschrift  des  eben- 
falls neu  erwählten  Ehrenmitgliedes  Herrn  Prof.  Dufour 
in  Lausanne. 

Hierauflegte  Herr  Jagor  Proben  von  Agalloche,  Aqui- 
laria  agallocha  Roxb. ,  vor,  dem  kostbaren  wohlriechenden 
Holz,  das  in  den  Wäldern  Hinterindiens,  von  Arsam  bis 
Cochinchina  und  Hainan  gefunden  wird.  Interessante  No- 
tizen darüber  giebt  Ritter,  Asien  Th.  IV,  Bch.  II,  Bd.  III, 
S.  293,  883,  933,  1097.  Finlayson  und  neuerdings  der 
Reisende  Mouhot,  die  es  in  Chantabun  (Cambodia)  sam- 
meln sahen,  bestätigen,  dafs  es  sich  beim  Absterben  des 
Baumes  im  Innern  des  Stammes  bilde.  Der  duftende  Theil 
ist  ein  verdicktes  Oel  oder  Harz,  das  dem  ursprünglich 
weissen  Holz  ein  schwarz  geflecktes  Ansehn  giebt.  Es 
brennt  wie  Harz,  verbreitet  einen  grossen  Wohlgeruch  und 
ist  deshalb  seit  den  ältesten  Zeiten  ein  kostbarer  Handels- 
artikel unter  allen  civilisirten  Nationen  Asiens,  bei  welchen 
es  einen  Hauptbestandtheil  der  beliebtesten  Parfüms  aus- 
macht. Ihm  verdanken  auch  die  Josssticks,  Räucherstöcke 
der  Chinesen,  und  die  Pastüles  du  Serail,  die  gelegentlich 
zu  uns  kommen,  ihren  Duft.  In  Hinterindien  wird  es  beim 
Verbrennen  königlicher  Leichen  verwendet  und  ist  ein  Regal. 
Manche  Arten  sind  so  kostbar,  dafs  sie  mit  Gold  aufge- 
wogen werden.  Das  frische  Holz  ist  rein  und  geruchlos, 
Roxburgh,  der  den  Raum  in  Arsam  fand,  verpflanzte  ihn 
in  den  botanischen  Garten  von  Calcutta.  Ritter  giebt 
eine  ganze  Liste  von  Namen,  unter  welchen  das  Holz  be- 
kannt ist,  und  sagt,  dafs  die  Malayen  den  Sanscrit- Namen 
aguru  in  agila  verwandelten,  woraus  dann  aquila  und  durch 
Uebersetzung  bois-d'aig/e,  eag/ewood,  Adlerholz  wurde.  Die 
Malayen  nennen  es  aber  kayu-garu,  dagegen  mögen  die 
Chinesen,  die  bekanntlich  das  li  nicht  aussprechen  können, 
Veranlassung  zu  der  Verwirrung  gegeben  haben. 
[1866] 


Hierauf  legte  Herrr  Jagor  Proben  eines  Holzes  Pau-fa 
vor,  das  aus  der  Provinz  Sze-chuen  kommen  soll,  aber  in 
ganz  China  in  Form  von  dünnen  Spänen  käuflich  ist.  Es 
sondert  nach  kurzem  Einweichen  im  Wasser  eine  grofse 
Menge  Schleim  ab,  der  von  den  chinesischen  Damen,  wie 
der  Quittenschleim  von  den  europäischen,  zum  Glätten  der 
Haare  gebraucht  wird. 

Endlich  erwähnte  derselbe  die  Verbreitung  der  bisher 
auf  wenige  Gebiete  Südamerikas  beschränkten  Cinchonen. 
Ein  Versuch  der  Franzosen,  sie  in  Algier  einzuführen,  roifs- 
glückte.  Die  Holländer  führten  sie  1854  durch  Hasskarl 
in  Java  ein ,  die  Engländer  mehrere  Jahre  später  durch 
Markham,  in  Britisch  Indien,  wo  sie  in  den  Neilgherries 
so  schnell  vermehrt  wurden,  dafs  sie  bereits  Fieberrinden 
für  den  Handel  liefern  und  in  Privatpflanzungen  gebaut 
werden.  Von  dort  wurden  sie  über  mehrere  Tlieile  Vorder- 
indiens, Ceylon,  Trinidad,  Jamaica,  Mauritius,  Cap  der  guten 
Hoffnung,   Queensland  u.   s.  w.  verbreitet. 

Die  Befürchtungen,  dafs  die  Räume  ausserhalb  ihres 
Vaterlandes  nicht  dieselben  Alkaloide,  oder  nur  sehr  geringe 
Mengen  davon  enthalten  würden,  sind  vollständig  widerlegt. 
Jr.  de  Vry  fand  sogar  in  einer  Rinde  von  C.  succirubra 
11%  Alkaloide,  wovon  der  gröfste  Theil  Chinin  war,  wäh- 
rend die  besten  Peru  Rinden  selten  mehr  als   5%  geben. 

Der  als  Gast  anwesende  Herr  Dr.  Kersten  aus  Alten- 
burg, der  Regleiter  des  Barons  v.  d.  Decken  auf  den  Kili- 
mandjaro  gab  folgende  Mittheilung:  „Nach  den  letzten  Nach- 
richten von  Zanzibar  kann  es  leider  kaum  noch  zweifelhaft 
sein,  dafs  der  Baron  C.  C.  v.  d.  Decken  nicht  mehr  am 
Leben  ist.  Es  liegt  daher  kein  Grund  mehr  vor,  mit  der 
Herausgabe  seiner  Sammlungen  und  Beobachtungen,  die  er 
sich  für  seine  Rückkehr  vorbehalten  hatte,  länger  zu  zögern. 
Ja  es  scheint  von  der  Vorsicht  geboten,  diese  Arbeit  mög- 
lichst schnell  in  Angriff  zu  nehmen.  Da  ich  den  gröfsten 
Theil  der  Sachen    selbst   gesammelt    habe,    oder  wenigstens 

3 


10 


20.  Märt  1866. 


Lei  deren  Erlangung  mit  zugegen  gewesen  bin ,  so  kann 
ich  leicht  alle  gewünschte  Auskunft  darüber  geben.  Aufser 
ausgestopften  Wirbelthicren  sind  vorzüglich  auch  in  Spi- 
ritus conservirte  vorhanden.  Die  Insecten  aller  Klassen  sind 
reich  vertreten  und  meist  trocken  aufbewahrt  worden.  Von 
Crustaceen  und  Weichthieren  ist  ebenfalls  Verschiedenes 
vorhanden.  Einige  Blechkistchen  mit  getrockneten  Pflanzen 
von  Re"union,  Grofs-Comoro  und  den  Seychellen,  vermuth- 
lich  auch  von  dem  Kilimandjaro,  stehen  ebenfalls  noch  in 
Melkhoff  (Mecklenburg- Schwerin)  bei  dem  Baron  Jul.  v.  d. 
Decken,  dem  Bruder  des  Reisenden.  Die  Pflanzen  sind 
vorzugsweise  beim  Herabsteigen  von  Bergen  gesammelt  wor- 
den und  bieten  Repräsentanten  von  8 — 10,000  Fufs  an  bis 
herab  zur  Meeresflächc.  Es  haben  sich  schon  einige  Herrn 
bereit  erklärt,  einzelne  Theile  der  Sammlungen  bearbeiten 
zu  wollen,  z.  B.  Herr  Prof.  Dr.  Peters  hier  für  Fische 
und  Reptilien,  Herr  Staatsrath  Prof.  Dr.  Grube  in  Breslau 
für  Anneliden  und  niedere  Crustaceen.  —  Von  Herrn  Geh. 
Rath  Prof.  Dr.  Ehrenberg  in  diese  gelehrte  Gesellschaft 
eingeführt,  glaubte  ich  mir  erlauben  zu  dürfen,  die  hoch- 
geehrten Mitglieder  auf  diese  Angelegenheit  aufmerksam  zu 
machen". 

Hierauf  gab  Herr  Dr.  K ersten  Nachrichten  über  seinen 
mehrmonatlichen  Aufenthalt  auf  der  Insel  Reunion  (Bour- 
bon),  schilderte  die  grofse  vielartige  Behaglichkeit  des 
geselligen  Lebens  daselbst  und  auch  die  wissenschaftliche 
überraschende  Thätigkeit  für  die  durchgreifende  Kenntnifs 
aller  Verhältnisse  der  Insel.  Derselbe  machte  auf  eine  im 
Jahre  1862  in  Paris  erschienene  Beschreibung  der  Insel 
aufmerksam,  unter  dem  Titel  Notes  sur  P  He  de  la  Reunion 
(Bourbon)  par  L.  Maillard,  worin  sowohl  das  geschicht- 
liche als  das  statistische,  topographische  Verhältnifs  u.  s.  w. 
in  32  Abschnitten  in  Uebersicht  gebracht  wird  ganz  be- 
sonders aber  auch  die  Geologie  und  Naturgeschichte  der 
Insel  ausführlich  behandelt  und  zum  Theil  mit  schönen  Ab- 
bildungen   von  Insecten    und    anderen  Tbieren   und  Pflanzen 


nach  in  Paris  berichtigten  Bestimmungen  gegeben  wird. 
Derselbe  schlofs  mit  einigen  Bemerkungen  über  die  Sey- 
chellen, welche  er  ebenfalls  besucht  hat  und  die  dort  eigen- 
tümlichen Palmen  mit  Riesenfrucht  (Lodnicea  Seschellarum). 
Herr  Dr.  Aschers  on  zeigte  zwei  neue  Einwanderer 
vor,  welche  der  brandenburgischen  und  überhaupt  der  deut- 
schen Flora  durch  den  jetzt  überall  verbreiteten  Anbau  der 
Serradella  zugeführt  worden  sind,  beide  vom  Lehrer  Vogel 
in  Pfaffendorf  im  Beeskower  Kreise  gefunden  und  ihm  vom 
Lehrer  C.  Schultze  zugesandt:  1.)  Ambrosia  maritima  L., 
einem  in  den  wärmsten  Theilen  Südeuropas  vorkommenden 
Halbstrauch,  der  schon  seit  1863  bei  Pfaffendorf  bemerkt 
wurde,  mithin  mehrere  unserer  Winter  bereits  überdauert 
zu  haben  scheint,  da  es  kaum  anzunehmen  ist,  dafs  die 
Früchte  hier  zur  Reife  gelangen.  Diese  Pflanze  ist  auch 
bei  Hamel  und  Hanau  1865  bemerkt  worden.  2.)  Linaria 
juncea  (L.)  Desf.,  in  Westfrankreich,  Spanien  und  Nord- 
afrika einheimisch. 

Ferner  theilte  derselbe  aus  einem  Briefe  des  Herrn  Dr. 
Seh  wein  fürt  h  aus  Kartum,  10.  Jan.,  Nachrichten  über 
dessen   Reise  mit. 

Herr  Gurlt  legte  die  Zeichnung  von  Doppel -Nieren 
der  rechten  Seite  eines  Schweines  vor  und  bemerkte,  dafs 
bei  sonst  regelmäfsiger  Körperbildung  das  Vorkommen  von 
2  Nieren  einer  Körperseite  zu  den  Seltenheiten  gehört. 
Bei  Mifsgeburten  habe  er  allerdings  sogar  4  Nieren ,  auf 
jeder  Körperseite  2,  gefunden. 

Als   Geschenke  wurden  mit  Dank   empfangen: 

1.)   Karsten    Florae    Columbiae ,     speeimen     se/ecla. 
T.  II.  Fase.  II.  III.     Geschenk    des    hohen  Mi- 
nisteriums der  geistlichen,   Unterrichts-  und  Medi- 
cinal- Angelegenheiten. 
2.)   D  u  f  o  u  r ,   recherches  sur  les  Couranis  electriques 

Terreslres.     Lausanne  1866. 
3.)   Fünfundzwanzigster   Bericht   des    Museum  Fran- 
cisco  Carolinum.      Linz  1865. 


Gedruckt  in  der  Druckerei  der  Königl.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Sitzungs-Bericht 

der 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde 

zu  Berlin 
am  17. April  1866. 


Director  Herr  Präsident  v.  Strampff. 


Herr  v.  Strampff  eröffnete  die  Sitzung  und  begrüfste 
zunächst  Hrn.  Holtz  als  neu  gewähltes  anwesendes  Mitglied. 

Hierauf  sprach  Herr  Ehrenberg  über  die  angeblich 
als  Gallerten  herabfallenden  Feuermeteore.  In  einem  Send- 
schreiben eines  Koryphäen  der  Physiologie  vom  Jahre 
1865  an  die  Moskauer  naturf.  Gesellschaft,  welches  vor- 
gelegt wurde,  wird  eine  neue  Ansicht  über  die  Gallerten 
der  Feuerkugeln  ausgesprochen,  die  als  ausgeworfene  Ge- 
wölle von  Fischadlern  angesehen  werden,  und  deren  gal- 
lertige Beschaffenheit  von  der  Nahrung  dieser  Thiere  her- 
geleitet wird.  Ein  Ökonomie-Inspektor  bei  Königsberg  hat 
vor  vielen  Jahren  dem  Verfasser  des  Sendschreibens  mit 
äufserster  Verwunderung  ein  mit  einer  Feuerkugel  auf  sei- 
nen eigenen  Hof  vom  Himmel  gefallenes  noch  mit  weichen 
Theilen  versehenes  Froschbein  vorgezeigt,  das  in  einem 
etwa  zwei  Eimer  voll  betragenden  Haufen  Gallerte  einge- 
schlossen gewesen  sei.  Diese  Gallertmasse  wurde  von  ihm 
erst  am  Morgen  nach  der  am  Abend  vorher  gesehenen 
Leuchtkugel  aufgefunden.  Gewifs  mit  Recht  vermuthet  der 
Verfasser  des  Sendschreibens,  dafs  die  grofse  Menge  der 
Gallerte  übertrieben  sei,  hält  jedoch  den  Zusammenhang 
derselben  mit  der  Feuererscheinung  und  ihr  Fallen  aus  der 
Luft  aufrecht.  Die  Motivirung  dieser  Ansicht  beruht  auf 
der  Erfahrung,  dafs  im  Eileiter  der  Frösche  jener  bekannte 
den  Froschlaich  umhüllende  Schleim  sei,  welcher  durch 
Wasseraufsaugung  zu  einer  weit  gröfseren  gallertigen  Sub- 
stanz aufquelle.  Habe  nun  ein  Fischadler  Frösche  ver- 
schlungen, und  quelle  in  dessen  Magen  dieser  Schleim 
plötzlich  auf,  so  möge  er  wohl  in  der  bekannten  reich- 
lichen Menge  von  dem  in  der  Luft  fliegenden  Vogel  als 
Gewölle  ausgeworfen  werden  und  herabfallen.  Auch  möge 
derselbe,  wie  viele  andere  thierische  Stoffe,  zuweilen  phos- 
phoresciren  und  den  stets  widerlichen  Geruch  des  Magen- 
inhaltes des  Fischadlers  theilen.  Die  im  physikalischen  Wör- 
terbuch vonMuncke  zusammengestellten  Thatsachen  werden 
[1866] 


in  dieser  Weise  mit  anderen  in  Übersicht  gebracht.  Der 
Vortragende  bemerkte  hierzu,  dafs  bereits  im  Jahre  1835 
(in  den  Schriften  der  Akademie)  die  Vorstellung,  dafs  Vogel- 
gewöll  die  Basis  der  sogenannten  Meteorgallerten  bilde,  in 
seiner  Abhandlung  über  das  Meeresleuchten  p.  106  erwähnt 
wird,  dafs  aber  ein  solches,  von  ihm  Reihergewöll  benanntes 
Material,  nur  als  Boden  für  eine  gallertige  davon  verschie- 
dene Pflanze  erkannt  worden  sei.  Vor  nun  30  Jahren  (1836) 
hat  derselbe  auch  in  den  gedruckten  Mittheilungen  dieser 
naturf.  Gesellschaft  (Januar  und  Februar)  über  die  auf  todten 
Fröschen  sich  bildenden  scheinbaren  Meteor-Gallerten  Be- 
obachtungen veröffentlicht.  Diese  Gallerten  waren  von  der 
Farbe  des  gekochten  Eiweifses  oder  des  gekochten  Stärke- 
mehls und  wurden  in  einem  milden  Winter  bei  Berlin 
beobachtet.  In  einem  fliefsenden  Wasser  daneben  gab  es 
auf  einem  todten  Frosch  eine  kopfgrofse  Gallerte,  wahr- 
scheinlich Actinomyce  Horkelii  von  Meyen  (Linnaea  1827 
p.  433),  welcher  dieselbe  von  4  Zoll  Gröfse  unter  Wasser 
auf  einem  Stück  thierischen  Gekröses  (?)  beobachtet  hat.  An- 
dererseits hat  Herr  Schwabe  in  Dessau  1835  auf  feuchter 
Erde  eine  ähnliche  Substanz  von  weilser  Farbe,  dem  Noslnc 
commune  vergleichbar,  gefunden  und  mit  dem  Namen  in/ia///a 
Friedericae  bezeichnet.  Beide  Formen,  die  weifsen  Luft- 
gallerten und  die  fast  wasserhelle  Wassergallerte,  wurden 
vom  Vortragenden  mikroskopisch  untersucht;  in  beiden  fan- 
den sich  zahlreiche  verästete  Gliederfäden,  deren  Glieder 
kürzer  in  der  Luftform,  länger  in  der  Wasserform  waren. 
Froscheier  waren  in  keiner  der  beiden  Substanzen  vorhan- 
den. Die  auf  der  Wiese  vielfach  von  ihm  absichtlich  hin 
und  her  zerstreuten  Stücke  der  Substanz  vermehrten  sich 
zu  weit  gröfserem  Umfange  als  der  im  Frühjahr  im  Wasser 
liegende  Froschlaich  es  zu  thun  pflegt.  Die  aus  dem  Was- 
ser genommene  Substanz  bekam,  ebenfalls  auf  der  Wiese 
zerstreut,  auch  eine  weifse  Farbe  und  wurde  der  in  der 
Luft  entstandenen   ganz   ähnlich.     Die   damals   vielfach   aus- 

4 


12 


17.  April  1866. 


geführten  nächtlichen  Beobachtungen  der  mit  nach  Hause 
genommenen  Substanz  ergahen  niemals  eine  Phosphorescenz. 
Es  erschien  daher  die  Vorstellung  als  begründet:  1)  dafs 
jene  beobachtete  gallertige  oft  faust-  oft  kopfgrofse,  zuwei- 
len in  viele  kleinere  Bauteilen  zerstreute  Substanz  jedenfalls 
einen  pflanzlichen  Struktur-Charakter  habe;  2)  dafs  ein  und 
dieselbe  Form  im  Wasser  und  in  der  Luft  sich  anders  ent- 
wickle; 3)  dafs  todte  Frösche  oft  aber  nicht  immer  die 
Unterlage  dieser  Substanz  bilden;  4)  dafs  am  bellen  Tage 
Vögel,  wahrscheinlich  Heiher,  Störche,  oder  im  Winter 
Krähen  die  Frösche  zerhacken  und  verschleppen;  5)  dafs 
ferner  solche  weifse  glänzende  Gallerten  am  Abend  wohl  leicht 
phosphorescirend  erscheinen  können,  ohne  es  zu  sein,  und 
dafs  mithin  die  weifse  Trvmelln  meteorica  alba  L.  Gmelin 
(Persoon),  welche  bald  zu  den  Lichenen,  bald  zu  den  Algen, 
bald  auch  zu  den  Pilzen  gerechnet  worden,  dieses  nicht 
nach  Phosphor  oder  Schwefel,  sondern  oft  nach  Frosch- 
Cadaver  abscheulich  riechende  nicht  meteorische  Produkt  sei. 
Es  darf  auch  nicht  übersehen  werden,  dafs  todte  Frösche  mit 
ihren  Eileitern  sehr  häufig  sind,  die  Tremella  meteorica  alba 
pseudn  meteorica  doch  immer  nur  eine  seltene  Erscheinung 
und  zwar,  wie  es  damals  schien,  die  Luftform  einer  Wasser- 
alge ist.  Gegen  die  Vorstellung  eines  Gewölls  fliegender 
nächtlicher  Raubvögel  streitet  der  Umstand,  dafs  die  Fisch- 
adler als  Tagvögel  nicht  des  Nachts  umherfliegen,  und  die 
Eulen,  welche  nach  Oken  schon  längst  in  dem  Verdacht 
waren,  Sternschnuppen  zu  liefern  (Naturgesch.  I!d.  III.  p.521), 
als  Froschjäger  nicht  gekannt  sind.  So  wird  also  doch 
daran  festzuhalten  sein,  dafs  der  blendende  Schein  einer  sich 
nach  dem  Horizonte  hin  senkenden  Feuerkugel,  auch  bei 
dem  Ökonomen  in  Königsberg,  wie  immer  bisher,  den 
Irrllium  erweckt  hat,  als  ob  die  niemals  oder  nur  zuweilen 
sehr  matt  phosphorescirende  ruhig  am  Boden  liegende  Frosch- 
Tremella  solch  einen  Niederfall  der  Feuerkugel  bezeichne. 
Der  Umstand,  dafs  der  Ökonomie-Inspektor  bei  der  in  seinen 
Hof  gefallenen  Feuerkugel  im  Hofe  selbst  nicht  sofort  das 
Feuer  liegen  sah  und  genauer  betrachtete,  zeigt  unzweifelhaft 
an,  dafs  die  am  Morgen  im  Hofe  gefundene  Gallerte  erst  bei 
ihm  am  andern  Tage  die  Vorstellung  einer  Verbindung  zwi- 
schen der  Feuerkugel  und  der  Gallerte  hervorgebracht  hat, 
während  sie  wahrscheinlicher  gar  nicht  unter  sich  zusammen 
hingen.  Hiernach  ist  denn  jetzt  für  ähnliche  Fälle  die  so- 
fortige Anwendung  des  Mikroskops  ganz  besonders  auf  die 
Gallerte  zu  empfehlen,  um  zu  ermitteln,  ob  diese  stets 
eine  vegetabilische  Struktur  habe,  oder  zuweilen  als  aufge- 
quollene, Strukturlose  Masse  erscheine.  Die  Übersendung 
eines  Theiles  der  Gallertmasse,  nicht  der  Froschtheile,  an 
einen  in  der  Nähe  befindlichen  Algen-Kenner,  Professor  der 
Botanik  oder  Zoologie  in  einem  kleinen  festen  Bebälter  wird 


die  Natur  solcher  angeblichen  Gallertmasscn  der  Feuerkugeln 
weiter  feststellen. 

Herr  Dr.  Otto  Schul  tzen  berichtete  über  Versuche, 
welche  von  ihm  in  Gemeinschaft  mit  Dr.  Graebe  über  das 
Verhalten  der  aromatischen  Körper  im  Organismus  ange- 
stellt wurden.  Veranlassung  dazu  boten  die  widersprechen- 
den Angaben  über  die  Bildung  der  Hippursäuren,  da  nach 
Bertagnini  die  Anissäure,  nach  Beilstein  und  Schlon 
die  Chlorbenzoesäure,  nach  II  offmann  und  Kraut  die 
Cuminsäure  den  Organismus  unverändert  passiren  sollen, 
während  Benzoesäure,  Nitrobenzoesäure,  Salicylsäure  und 
Toluylsäure  die  entsprecheneden  Hippursäuren  liefern.  Nach 
den  vorliegenden  Versuchen  geben  sowohl  Anissäure  als 
auch  Chlorbenzoesäure  und  Amidobenzoesäure  die  ent- 
sprechenden Hippursäuren,  welche  nach  Einführung  in  den 
Magen  aus  dem  nach  10  bis  12  Stunden  entleerten  Harne 
in  bekannter  Weise  gewonnen  wurden.  Analysirt  wurden 
folgende  Verbindungen: 

1.    Chlorhippursaures   Calcium. 
C  berechnet  =  46,02  gefunden  =  45,80 


H 

M 

3,01 

5> 

3,20 

H20 

5» 

13,40 

11 

13,82 

Ca 

?» 

8,60 

»» 

8,64 

Cl 

»> 

15,36 

1» 

|14,5 

Formel  =  (C9H8N03)2  Ca  -f-  4  H20 

2.    Anisursäure. 

C  berechnet  =  57,41  gefunden  =  57,82 
H  „  5,27  „  5,51 

N  „  6,7  „  6,06 

3.    Anisursaures   Calcium. 

H20  berechnet  =  10,49  gefunden  =  10,23 
Ca  „  8,77  „  8,63 

Formel  =  (C10H10NO4)2  Ca  -+-  3  H20 

4.    Anisursaures  Silber. 

Ag  berechnet  =  34,18  gefunden  =  34,09 
Formel  =  C10H10AgNO4 

Nach  Genufs  von  Phtalsäure  enthält  der  Harn  ebenfalls  eine 
stickstoffhaltige  Säure  (Phtalursäure),  mit  deren  Untersuchung 
die   Verf.  noch  beschäftigt  sind. 

Herr  Dönitz  zeigte  das  aus  Helgoland  stammende 
Hautskelct  eines  Seeigels  (Echinus  sphaera  O.  F.  Müller) 
vor,  welches  in  eigenthümlicher  Weise  mifsgestaltet  ist.  Es 
fehlt  nämlich  das  linke  vordere  Interambulacralfeld  fast  gänz- 
lich.    Nur    in    der   Nähe    des    dorsalen   Poles    tritt    es    als 


17.  April  1866. 


13 


schmale,  buckeiförmige  Erhabenheit  auf.  In  Folge  des  Feh- 
lens dieses  Feldes  sind  die  beiden  Porenstrafsen,  welche  es 
normaler  Weise  zu  beiden  Seiten  begrenzen  sollten,  anein- 
andergerückt und  zu  einem  einzigen  Fühlergange  ver- 
schmolzen, an  dem  sich  indessen  durch  die  nebeneinander 
herlaufenden  Reihen  nach  unten  zu  divergirender  Porenpaare 
die  Zusammensetzung  aus  zwei  Porengängen  kennzeichnet. 
Durch  den  Ausfall  des  Interambulacralfeldes  ist  indessen 
keine  allgemeine  Verschiebung  der  Felder  eingetreten,  denn 
die  rechten  und  linken  Ambulacralfelder  liegen  wie  gewöhn- 
lich symmetrisch  zu  einander  und  zur  Madreporenplatte. 
Dagegen  ist  das  vordere,  unpaare  Ambulacralfeld  nach  links 
bin  abgewichen  und  an  das  linke  vordere  Ambulacralfeld 
herangetreten.  Auch  an  der  linken  vorderen  Genitalplatte 
findet  sich  eine  Abnormität.  Diese  Genitalplatte  ist  nur 
halb  so  hoch  als  die  anderen  und  enhält  keinen  Porus.  Die 
anliegenden  Ocellarplatten  sind  ungewöhnlich  breit  und  sto- 
fsen,  begünstigt  durch  die  geringe  Höhe  der  Genitalplatte, 
unmittelbar  aneinander.  Über  die  Weichtheile  läfst  sich 
nichts  berichten,  da  sie  schon  entfernt  worden  waren,  als 
Herr  Stud.  P.  Magnus,  dessen  Güte  das  anatomische  Mu- 
seum dieses  seltene  Präparat  verdankt,  dasselbe  an  sich  nahm. 
Wollte  man  aus  diesem,  leider  noch  vereinzelt  dastehen- 
dem Befunde  einen  allgemeinen  Schlufs  ableiten,  so  würde 
es  etwa  der  sein,  dafs  bei  den  Seeigeln,  wie  wohl  bei  den 
Echinodermen  überhaupt,  die  von  Agassiz  aufgestellte 
Symmetrie  entweder  gar  nicht  existirt,  oder  wenigstens 
weit  gegen  den  radiären  Typus  zurücktritt.  Agassiz  legte 
bekanntlich  durch  das  Centrum  des  dorsalen  Poles  und  die 
Madreporenplatte  eine  Ebene,  durch  welche  der  Organismus 
in  zwei  seitliche  Hälften  getheilt  wurde.  Diese  Ebene  trifft 
bei  Seesternen  einen  Arm,  bei  Seeigeln  ein  Ambulacralfeld, 


welche  als  unpaar  bezeichnet  werden  und  deren  Lage  für 
die  vorausgesetzte  Symmetrie  maafsgebend  ist.  Aber  gerade 
dieses  Feld  ist  im  vorliegenden  Fall  aus  seiner  Lage  abge- 
wichen; folglich  kann  es  nicht  die  ihm  beigemessene  Be- 
deutung hinsichtlich  der  bilateralen  Symmetrie  haben.  Führt 
man  hingegen  den  Bau  der  Echinodermen  auf  den  radiären 
Typus  zurück,  so  steht  der  Deutung  der  beschriebenen 
Mifsbildung  keine  Schwierigkeit  entgegen.  Mag  ein  Strahl 
ausfallen  oder  mögen  neue  hinzukommen,  der  radiäre  Typus 
besteht  nach  wie  vor.  Ob  indessen  der  radiäre  Typus  sich 
mit  bilateraler  Symmetrie  combinirt,  wie  es  J.  Müller  und 
Troschel  in  ihrem  System  der  Ästenden  angeben,  das  be- 
darf noch  weiterer  Untersuchungen,  zu  denen  sich  vor  allem 
die  Monstrositäten  empfehlen. 

Herr  Söchting  sprach  über  mehrere,  zum  Theil  kry- 
stallisirte  Hüttenerzeugnisse,  welche  er  auf  einer  im  Monat 
März  nach  Westphalen  unternommenen  Reise  gesammelt 
hatte. 

Als  Geschenke  wurden  mit  Dank  empfangen: 

1)  Monatsbericht  der  Berl.  Akad.  d.  Wissensch.  1865. 

2)  Dr.   C.  Möbius,    über   den   Bau    und   die  Entwicklung 

der  Nesselkapseln  einiger  Polypen  u.  Quallen.  Ham- 
burg 1866.  Bes.  Abdruck  aus  d.  Abhandl.  d.  naturf. 
Gesellsch.  in  Hamburg. 

3)  Annales  des  Museo  publico  de  Buenos  Ayres  per  Ger- 

man  Burmeister  med.  Dr.  phil.  Entrega  primera 
1864. 

4)  Dr.    Joh.  Hanstein,     Pilularia    globulifera   generatio, 

eum  Marsilia  comparata.  Dissertatio  Academica. 
Bonnae  1866. 

5)  Dr.  Joh.  Hanstein,   die   Gesneraceen   des   Kgl.  Her- 

bariums und  der  Gärten  zu  Berlin.     Abschnitt  II. 


Gedruckt  in  der  Druckerei  der  Künigl.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Sitzungs-Bericht 


der 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde 


zu  Berlin 
am  15.  Mai  1866. 


Director  Herr  Präsident  v.  S  tramp  ff. 


Nachdem  Herr  v.  Strampff  die  Sitzung  eröffnet  hatte, 
theilte  Herr  Pritzel,  anknüpfend  an  Friederich  Tiede- 
mann's  im  Jahre  1854  erschienene  Geschichte  des  Tabaks, 
einen  in  Hornung's  Cista  medica  pag.  432  abgedruckten 
Brief  des  Nürnberger  Arztes  Leonhard  Doldius  an  den 
Leibarzt  des  Bischofs  von  Bamberg,  Sigismund  Schnitzer, 
vom  April  1601  mit,  aus  welchem  klar  hervorgeht,  dafs  die 
Anfänge  des  Tabakrauchens,  in  Deutschland  wenigstens,  um 
zwanzig  Jahre  früher  fallen,  als  die  Historiker  und  mit  ihnen 
Tiedemann  annehmen,  nach  denen  die  englischen  Hülfs- 
truppen,  welche  der  Graf  Grey  im  Jahre  1620  dem  Könige 
Friedrich  von  der  Pfalz  zuführte,  die  ersten  Raucher  gewesen 
sind,  die  man  in  Deutschland  sah.  Doldius  schreibt  aber 
seinem  Freunde,  dafs  eine  persische  Gesandtschaft,  die  im 
April  1601  bei  dem  Kaiser  Rudolph  II.  in  Nürnberg  ein- 
traf, nicht  nur  für  ihren  Bedarf  Tabak  in  der  Stadt  vorge- 
funden habe,  sondern  dafs  auch  bei  den  Nürnbergern  die 
Sitte,  Tabak  aus  Röhren  (tubu/i)  zu  rauchen,  beinahe  all- 
täglich geworden  sei. 

Ferner  theilte  derselbe  eine  Reihe  von  Daten  mit, 
welche  den  Belag  liefern,  dafs  die  Einführung  des  Buch- 
weizens (Po/jgonum  Fagnpyrum  L.)  in  die  deutsche  Land- 
wirtschaft mindestens  ein  Jahrhundert  früher  falle ,  als 
Johann  Beckmann,  Link,  Meyen,  De  Candolle  und 
noch  neuerdings  Fraas  angenommen  haben.  Aus  einer 
Vergleichung  aller  fünfzehn  deutschen  vorlutherischen  Bibeln 
in  der  hiesigen  Königlichen  Bibliothek  hat  sich  ergeben,  dafs 
die  niederdeutschen  Bibeln,  welche  bald  nach  1470  in  Cöln, 
1492  in  Lübeck  und  1520,  1522  und  1523  in  Halberstadt 
gedruckt  sind,  in  der  Stelle  Jesaias  XXVIII,  25.  sämmtlich 
das  Wort  Buchweizen  (boekwete,  bnktveit)  enthalten.  Fer- 
ner erscheint  dasselbe  beim  Jahr  1456  in  Johann  Berck- 
mann's  Stralsundischer  Chronik.  Die  früheste  Erwähnung 
findet  sich  jedoch  nach  Angabe  des  Herrn  Archivrath  Lisch 
in  Schwerin  in  Originalregistern  des  mecklenburgischen  Am- 
tes Gadebusch  vom  Jahre  1436  (Mecklenburgisches  Archiv, 
Heft  8,  p.  136).  Viel  weiter  hinauf  wird  das  Erscheinen 
dieser  muthmafslich  aus  China  stammenden  Pflanze  in 
Deutschland  kaum  reichen,  da  der  Name  in  allen  bis  ins 
14.  Jahrhundert  gehenden  an  Kulturpflanzen  überaus  reichen 
[1866] 


Glossaren  (verglichen  sind  die  Bonner,  die  Trierschen,  die 
Prager,  die  Wiener,  die  Admonter  und  die  Königsberger 
Glossen)  fehlt.  Die  Pflanze  wird  jetzt  in  ganz  Europa  bis 
zum  Hofe  Dönnaes  im  Nordlande  unter  66°  5'  nördlicher 
Breite   cultivirt. 

Herr  Ehrenberg  gab  zu  seinen  Mittheilungen  in  der 
letzten  Sitzung  über  die  angeblichen  Sternschnuppen-Galler- 
ten einige  weitere  Bemerkungen.  Die  von  mir  im  J.  1835 
angeführte  Vermuthung  des  Leuchtens  der  Reihergewölle 
bezog  sich  hauptsächlich  auf  die  Angaben  Zenneck's  aus 
Hohenheim,  dafs  solche  dem  gekochten  Stärkemehl  ähnliche 
weifse  Gallerten  besonders  an  Teichufern  häufig  seien ,  wo 
Reiher  sich  aufhalten,  die  er  als  Sternschnuppen-Materien 
bezeichnet  und  umständlich  beschrieben  hat.  Diese  Beob- 
achtungen Zenneck's  waren  in  Oken's  Isis  im  J.  1828 
p.  530  publicirt  worden.  Sie  wurden  bei  Kupferzell  und 
Waidenburg  im  Würtembergischen  angestellt  und  ausführ- 
lich in  Frankfurt  a.  M.  vorgetragen.  Nach  direkten  Unter- 
suchungen des  Mageninhalts  von  Reihern  fanden  sich  darin 
dergleichen  Gallerten  nicht  und  das  Auswerfen  wurde  nicht 
direkt  beobachtet.  Die  zahlreichen  am  Weiherufer  oft  darm- 
artig gewundenen  Gallerten  mit  starkem  cadavrösem  Geruch 
hielt  er  für  aus  der  Erde  hervortretende  Würmer  oder  Eier- 
gallerten von  Schnecken.  Wahrscheinlicher  mögen  Aaskäfer 
(Todtengräber)  das  Froschgedärm  theilweis  in  die  Erde  ge- 
zogen und  die  Löcher  veranlafst  haben.  Ein  Leuchten  wurde 
nicht  beobachtet.  Diese  Gallerten  wurden  im  Oktober, 
November  und  December  gesammelt,  also  zu  einer  Zeit,  wo 
alle  Arten  von  Fröschen  ihre  Eier  bereits  entleert  hatten. 
Ganz  besonders  bemerkenswert!!  dürfte  sein,  dafs  die  Störche 
als  die  eigentlichen  Froschjäger  und  als  oft  auf  Strohhäusern 
und  Scheunen  ihre  breiten,  leicht  Feuer  fangenden  Reisig- 
nester aufbauenden  Hausthiere  noch  niemals  einen  Haus- 
besitzer durch  phosphorescireuden  Auswurf  erschreckt  zu 
haben  scheinen,  so  dafs  von  keiner  Seite  bisher  glaubwür- 
dige Nachrichten  über  herabfallendes  phosphorescirendes  Ge- 
wöll  bekannt  geworden  sind.  Die  am  schwersten  in  dieser 
Antreleeenheit  wieeende  Thatsache  ist  aber  noch  eine  andere. 
Es  sind  nämlich  die  als  Sternschnuppen  oder  Feuerkugel- 
gallerten  bezeichneten  Massen,    wenn   sie   am  Boden  lagen, 

5 


16 


15.  Mai  1866. 


noch  niemals  als  feurige  Klumpen  beschrieben  worden,  wäh- 
rend docli  alles  phosphorescircnde  Fleisch,  organischer  Schleim, 
oder  organische  Gewehe,  wenn  es  Oberhaupt  phosphorescirt, 
so  sehr  man  es  auch  zerstückelt,  am  Boden  ruhig  fortleuch- 
tet und  sogar  auf  jeder  neuen  Bifsfläche  sich  verstärkt.  Aus 
all  diesen  Gründen  scheint  es  nothwendig,  die  ganze  Vor- 
stellung herabfallender  leuchtender  Gallerlen  als  Almosphaeri- 
lien  sowohl  als  als  Gewölle  von  Vögeln  ganz  fallen  zu 
lassen,  und  sie  unter  die  Märchen  zu  verweisen.  Die  pseudo- 
metcorische  Gallertpflanze  auf  todten  Fröschen  aber,  welche 
Pflanzenstruktur  zeigt,  um  nicht  immer  neue  Namen  zu 
geben,  als  (Nosloc)  Tremella  melenrica  alba  nicht  aufser 
Acht  zu  lassen.  Die  Hauptgesichtspunkte  bei  dieser  Ange- 
legenheit scheinen  folgende  zu  sein:  Die  angeblichen  Me- 
teorgallerten beziehen  sich  niemals  auf  Nnslnc  commune  und 
ihre  vertrockneten  im  Regen  aufweichenden  als  Collema  unter 
den  Flechten  verzeichneten  Formen ,  sondern  auf  die  damit 
verwechselte  Tremella  melenrica  alba.  Diese  kann  mit  und 
ohne  faule  animalische  Stoffe  sich  auf  feuchter  Erde  vor- 
finden, gewöhnlich  ist  sie  durch  die  faule  animalische  Grund- 
lage von  sehr  üblem  Geruch,  hat  aber,  wie  von  mir  1836 
zuerst  nachgewiesen  worden,  dabei  eine  pflanzliche,  mehr 
oder  weniger  entwickelte  Struktur.  Die  frischen  Eingeweide 
der  Frösche  haben  so  wenig  eine  übelriechende  Beschaffen- 
heit, als  der  von  den  Fröschen  ausgeworfene  Froschlaich, 
der  niemals  eine  Pflanzenstruktur  zeigt.  Die  Erscheinung 
der  Tremella  meleorica  alba  ist  von  Zenneck  reichlich  im 
Oktober,  November,  December,  von  mir  selbst  im  Januar 
und  Februar  beobachtet,  also  zu  Zeiten,  wo  die  Frösche 
keine  Eier  legen.  Des  Nachts  fliegende  Beiher  oder  Beiher- 
züge und  dergleichen  sind  im  nordischen  Winter  so  wenig 
denkbar  als  ihr  Fang  lebender  Frösche.  Die  so  häufigen 
Storrhnester  auf  Strohdächern  haben  niemals  des  Phospho- 
rcscirens  halber  Schrecken  der  Feuersgefahr  erregt.  Die  im 
milden  Winter  auf  Wiesen  gesehenen  Frosch -Tremellen 
können  wohl  nur  von  erfrornen,  durch  Krähen  aus  dem  Eise 
gehackten  und  zerstückten  Fröschen  herrühren.  Das  Phos- 
phoresriren  solcher  Gallerten  kann  mit  dem  Auffallen  auf 
die  Erde  nicht  plötzlich  aufhören,  nicht  wie  ein  Licht  ver- 
löschen, und  ist  dennoch  niemals  als  ein  stetiges  Fortlench- 
ten  beobachtet.  Dafs  überhaupt  die  wasserreichen  Gallerten 
lichtartig  brennen  sollen,  ist  gegen  die  physikalische  Natur, 
und  dafs  wirklich  brennbare  und  leuchtende  harzige  Massen, 
die  verlöschen  können,  oder  verkohlte  brennbare  Stoffe,  aus 
der  Luft  herabfallend  gefunden  worden  wären ,  ist  nicht 
erwiesen.     Das  in  Curland  1686  gefallene  schwarze  Meteor- 


ferven-Filz  in  den  Abhdl.  der  Akademie  erläutert  worden. 
Aus  diesen  Gründen  ist  die  ganze  bisherige  Vorstellung  aus 
der  Höhe  herabfallender,  leuchtender  Gallerlen  offenbar  un- 
beglaubigt, und  nur  historisch  bei  den  Meteoren  als  unbe- 
gründete Sage  zu  bemerken. 

Derselbe  zeigte  dann  einige  d.  Akad.  d.  W.  vorgelegte 
Samen  von  den  Getreidearten  der  Pfahlbauten  in  der  Schweiz 
vor,  welche  Prof.  Heer  in  Zürich  ihm  zugesandt  und  die 
dem   Kgl.  Herbarium   zur  Aufbewahrung   übergeben   werden. 

Hr.  v.  Martens  zeigte  einen  Seestern  und  eine  Land- 
schnecke aus  den  Sammlungen  der  ostafrikanischen  Expe- 
dition des  unglücklichen  Baron  von  der  Decken  vor.  Der 
erstere,  aus  Zanzibar,  ist  eine  neue  Art  der  Gattung  Pie- 
raster und  besitzt  dieselbe  Dupliratiir  der  Bückenhaut  mit 
dazwischen  befindlicher  lirulhöhle,  wie  sie  an  dem  norwe- 
gischen P/eraster  miliiaris  von  Koren,  Danielssen  und 
Sars  beschrieben  ist.  Die  letztere  ist  eine  genabelte  Aus- 
artung der  Achatina  fulica  Ferussac ,  von  den  Seychellen, 
entstanden  durch  eine  mechanische  Verletzung  in  der  Ju- 
gend des  Individuunis ,  wodurch  die  Umgänge  eine  etwas 
von  der  Norm  abweichende  Spiralrichtung  angenommen  und 
im  weiteren   Wachsthum  constant  beibehalten   haben. 

Hr.  Ascherson  legte  ein  frisches  Exemplar  der  jetzt 
in  der  Provinz  Brandenburg  schon  ziemlich  eingebürgerten 
Wanderpflanze  Senecio  vernalis  W.  K.  vor,  welche  er  in 
Gesellschaft  mit  Dr.  Beinhardt  auf  einem  Luzerneacker 
bei  Büdersdorf  zahlreich  beobachtete;  ferner  Linnaea  bo- 
realis  L.  aus  dem  Büdersdorfer  Forst  bei  Fangschleuse  und 
ein  Exemplar  von  Vaccinium  T'itis  idaea  L.  mit  fast  6'  lang 
ausgegrabenem,  horizontal  in  geringer  Tiefe  unter  der  Bo- 
denfläche hinkriechendem  Stengel,  an  welchen  Gegenstand, 
in  Hinweis  auf  ähnlichen  Wuchs  bei  anderen  immergrünen 
Waldpflanzen,  wie  Linnaea,  die  /Vro/a-Arten,  er  einige 
biologische  Remerkungen  knüpfte. 

Im  Anschlüsse  an  seinen  Vortrag  in  der  letzten  Sitzung 
berichtete  Herr  Söchting  zuletzt  über  seinen  Besuch  auf 
der  Hütte  zu  Horde  bei  Dortmund  und  über  den  daselbst 
von  ihm  gesehenen  Bessemerprocefs,  dessen  unter  den 
prächtigsten  Erscheinungen  stattfindender  Verlauf  geschildert 
wurde.  Zumal  geschah  Erwähnung  auch  des  glänzenden 
Flammenspiels  und  Feuerregens,  welche  bei  dem  Durch- 
gange des  hochgeprefsten  Windes  durch  das  in  die  Birne 
eingelassene,  geschmolzene  Eisen  erfolgen.  Bei  diesem, 
einem  Vulkanausbruche  ähnelnden  Vorgange  fehlt  es  auch 
nicht  an  zahlreichen,  kleinen,  bombenartigen  Schlacken- 
auswürflingen,  deren  Bedner  eine  Anzahl  aufgenommen  hatte 


papier  ist  von   mir  1838  als   terrestrischer  verrotteter  Gon-  i  und  hei  dieser  Gelegenheit  vorlegte. 


Gedruckt  in  der  Druckerei  der  könijl.  Akademie  der  \\  issensrhadfn. 


Sitzungs-Bericht 

der 

Gesellschaft  naturforschender  Freunde 


zu  Berlin 
am  19.  Juni  1866. 


Director:  Herr  Präsident  v.  S  tramp  ff. 


Herr  v.  Strampff  eröffnete  die  Sitzung  und  legte 
folgende,  als  Geschenke  für  die  Gesellschaft  eingegangene, 
und  m-t  Dank  entgegen  genommene  Schriften  vor: 

1.  Monatsberichte  der  Kgl.  Akademie  der  Wissenschaften 
zu   Berlin;  Januar,  Februar,   März  1866. 

2.  liecherches  sur  les  figures  d'e'quilibre  par  I.  Plateau, 
1866  ;  Exlrait  du  lonie  XXX  fl  des  Me'moires  de  i'acade- 
mie  Bc/giaue;  übergeben  von   Hrn.   Magnus. 

3.  Über  einen  Phytoütharien-Tuff  als  Gebirgsart  im  Toluca- 
Tlial  von  Mexico,  von  Ehren  berg,  März  1866,  Aus- 
zug aus  den  Monatsberichten  der  Kgl.  Akademie  der 
Wissenschaften. 

4.  Jahrbuch  des  naturhistorischen  Landesmuseums  in  Kärn- 
then:  7.   Heft.     Klagenfurt,    1865. 

5.  Singapore.  Malacca.  Java.  Reiseskizzen  von  F.  Jagor. 
Berlin,  1866. 

6.  Blasquez.  Memoria  sobre  el  Maguey  Mexicano  (Agave 
Maximilianea).  Mexico,   1865. 

Herr  Peters  legte  das  Gehörorgan  von  Chiromjrs 
rnadagascariensis  vor,  und  zeigte,  wie  auch  hieraus  die  Ver- 
wandtschaft dieser  Gattung  mit  den  Halbaffen  und  die  Ver- 
schiedenheit von  den  Nagern,  mit  denen  Cuvier  und  nach 
ihm  die  meisten  Naturforscher  sie  vereinigt  hatten,  bewie- 
sen werde. 

Herr  v.  Martens  theilte  die  Beobachtungen  und  Züch- 
tungs-Resultate betreffend  Mus  rattus  und  M.  Alexandrinus 
mit,  welche  Arthur  de  l'Isle  in  den  Annales  des  scien- 
ces  naturelles  von  1865  veröffentlicht  hat,  und  schlofs  sich 
unter  Vorzeigung  afrikanischer  und  deutscher  Exemplare, 
erstere  von  Ehrenberg's  Reisen,  letztere  von  Rentier 
Effeldt  erhalten,  der  Ansicht  des  französischen  Naturfor- 
schers an ,  dafs  zwischen  beiden  keine  andere  Verschieden- 
heiten als  diejenigen  in  der  Färbung  vorhanden  sind,  nament- 
lich auch,  dafs  der  harte  und  weiche  Gaumen  bei  beiden 
übereinstimmend  gebildet  ist.  De  l'Isle's  Züchtungen  er- 
gaben eine  unbeschränkte  Fruchtbarkeit  der  beiden  unterein- 
ander, sowie  der  Mischliuge  von  beiden  unter  sich,  während 
derselbe  von  Mus  rattus  mit  M.  decumanus  keine  Bastarde 
erhalten  konnte.  Die  Mischlinge  aus  den  beiden  erstge- 
nannten folgten  in  der  Färbung,  wenn  rattus  die  Mutter 
[1866] 


und  Alexandrinus  der  Vater  war,  theils  der  einen,  theils 
dem  andern ,  oder  hatten  eine  aus  beiden  zusammengesetzte 
Färbung,  doch  war  die  Mehrzahl  schwarz  wie  rattus  (14 
von  18);  in  den  Fällen  dagegen,  wo  rattus  der  Vater  und 
Alexandrinus  die  Mutter,  hatten  sie  alle  die  schwarze  Fär- 
bung des  Vaters  (zwei  und  zwanzig  Junge  in  vier  ver- 
schiedenen Würfen  von  zwei  Paaren).  Auf  dieses  auffal- 
lende Überhandnehmen  der  schwarzen  Färbung  bei  den 
Mischlingen,  sowie  auf  die  Thatsache,  dafs  alle  im  Freien, 
unabhängig  von  menschlichen  Wohnungen  lebenden  Arten 
der  Gattung  Mus  (im  gegenwärtigen  Sinne)  zweifarbig,  oben 
braun  und  unten  weifs,  dagegen  gerade  die  Hausratte  und 
die  Hausmaus  fast  einfarbig  schwärzlich  sind,  gründet  A  rthu  r 
de  l'Isle  die  Vermuthung  eines  Causalzusammenhangs  zwi- 
schen der  dunkeln  Färbung  und  dem  Aufenthalt  in  mensch- 
lichen Wohnungen,  beziehungsweise  dem  Einwandern  in 
nördliche  Gegenden  als  ihre  eigentliche  Heimat ,  vermittelst 
menschlichen  Verkehres,  die  Hypothese,  dafs  Mus  Alexan- 
drinus die  ursprüngliche  Färbung  der  Art  darstelle,  Mus 
rattus  eine  schwarze  Ausartung  derselben ;  schwarze  Abarten 
kommen  bei  vielen  Säugethieren,  namentlich  Nagthieren 
vereinzelt  auch  im  Freien  vor,  bei  den  Eichhörnchen  in  ein- 
zelnen Gegenden  beinahe  ebenso  zahlreich  oder  selbst  noch 
zahlreicher  als  die  gewöhnliche  rothbraune  Färbung.  Rei 
den  Ratten  und  Mäusen  wäre  die  schwarze  Abart  unter  dem 
Einflüsse  der  angedeuteten  Umstände  im  Laufe  vieler  Gene- 
rationen vorwiegend  geworden,  die  ursprüngliche  aus  braun 
und  weifs  zusammengesetzte  Färbung  bei  der  Hausmaus, 
Mus  masculus  L.,  welche  schon  seit  dem  Alterthum  in 
Europa  Mitbewohnerin  der  menschlichen  Wohnungen  ist, 
gänzlich  verschwunden,  bei  der  Hausratte  {Mus  rattus), 
welche  erst  im  Mittelalter  in  Europa  eingedrungen,  in  ihrer 
afrikanischen  Heimat  noch  unverändert  fortbestehend  (eben 
Mus  Alexandrinus)  aber  innerhalb  Mitteleuropa  jetzt  zur 
Seltenheit  geworden,  und  auch  der  erst  im  vorigen  Jahrhun- 
dert eingewanderten  Wanderratte,  Mus  decumanus  Pall., 
dürfte  im  Laufe  der  Zeit  eine  ähnliche  Verdunklung  der 
Farbe  bevorstehen.  De  l'Isle  glaubt  annehmen  zu  dürfen, 
dafs  innerhalb  dreier  Jahrhunderte  die  schwarze  Färbung  aus 
einer  vereinzelten  Seltenheit  zur  vorherrschenden  Regel  ge- 

6 


18 


19.  Juni  1866. 


worden,  indem  im  sechzehnten  Jahrhundert  Gesner  die 
Farbe  der  Ratte  schwärzlich,  subniger ,  nennt —  überhaupt 
die  älteste  Angabe  über  ihre  Färbung  —  und  im  dreizehnten 
Jahrhundert  wohl  schon  in  französischen  Gedichten  die  Ratte 
neben  der  Maus  als  Hausbewohnerin  erscheine,  aber  in 
Deutschland  noch  unbekannt  gewesen  sei,  da  Albertus 
Magnus  unter  dem  Namen  Ratte  nur  den  Gartenschläfer, 
Mroxus  quercinus  L. ,  beschreibe,  die  Ausbreitung  unserer 
Ratte  in  Europa  also  ungefähr  in  diese  Zeit  falle.  Der  Vor- 
tragende machte  auf  die  Unsicherheit  dieser  Zeitbestimmung 
aufmerksam  und  glaubt  die  fragliche  Stelle  des  Albertus 
so  auffassen  zu  müssen,  dafs  derselbe  neben  der  Ratte  als 
weitere  Art  von  Mäusen  den  Gartenschläfer  beschreibe,  wo- 
durch sein  Zeugnifs  in  dieser  Frage,  wann  innerhalb  des 
Mittelalters  Hie  Ratte  in  Europa  allgemein  geworden,  sich 
gerade  umkehrt.  In  Retreff  der  Wanderratte,  Mus  decu- 
rnanus,  fügte  der  Vortragende  noch  hinzu,  dafs  Rech  stein 
im  Anfang  dieses  Jahrhunderts  noch  von  keiner  schwarzen 
Varietät  derselben  wisse,  eine  solche  gegenwärtig  aber  be- 
kannt und  nicht  ganz  selten  sei. 

Herr  Peters  bemerkte  durch  Vorstehendes  veranlafst, 
dafs  schwarze  Wanderratten  gegenwärtig  im  zoologischen 
Garten  Rerlins  häufig  gefangen  werden,  ferner,  dafs  Mus 
Alexandrinus  in  ganz  Ostafrika  häufig  in  Häusern  lebe  ohne 
Farbenänderung,  endlich  dafs  Hasen  und  Kaninchen  ein  auffäl- 
liges Reispiel  fruchtbarer  Rastardziichtung  zwischen  zwei  ganz 
verschiedenen  Arten  in   der  Ordnung  der  Nagethiere  geben. 

Herr  v.  Martens  zeigte  ferner  vor  die  in  demselben  Rand 
der  Annales  des  sciences  naturelles  veröffentlichte  Copie  einer 
Zeichnung  des  Mammuts,  Elephas  primig enius ,  als  eines 
lebenden  Thieres,  auf  einem  Zahnbruchslück  desselben  Thiers 
im  südwestlichen  Frankreich  gefunden,  im  Vergleich  mit  Ab- 
bildungen von  Elephantenschädcln  und  lebenden  Elephanten 
aus  unserer  Zeit.  Der  Schädel  des  Elephas  primigenius  und 
der  jetzigen  indischen  Art  stimmen  im  allgemeinen  Umrifs 
recht  gut  mit  einander  überein.  Während  des  Lebens  ist 
bei  dem  indischen  und  afrikanischen  Elephanten  der  Kopf 
nicht  höher  als  der  Rücken,  eher  niedriger,  und  die  hintere 
abschüssige  Fläche  des  knöchernen  Schädels  derartig  von 
Weichtheilen  bedeckt,  dafs  nur  eine  ganz  seichte  Einsatt- 
lung im  Nacken  bleibt.  In  der  fraglichen  Zeichnung  auf 
dem  Elfenbeinstück  nun  ist  aber  diese  abschüssige  hintere 
Fläche  sehr  bestimmt  dargestellt,  die  ganze  Contur  des  obern 
Theils  des  Kopfes  gleicht  damit  dem  Umrifs  des  knöchernen 
Schädels  von  Elephas  primigenius  und  E.  indicus,  aber  nicht 
dem  des  mit  seinen  Weichtheilen  bedeckten  Kopfes  eines 
lebenden  Elephanten;   die  Vcrmuthung  liegt  daher  nahe,  dals 


demjenigen,  der  diese  Zeichnung  entworfen,  die  Umrisse 
eines  entfleischten  Elephantenschädels,  vielleicht  gerade  die 
bekannte  vielkopirte  Abbildung  in  Cuvier's  ossemens  fossi- 
les, aber  nicht  ein  lebender  Elephantenkopf  vor  Augen  oder 
im  Gedächtnisse  waren.  Somit  ist  diese  Zeichnung  nicht  un- 
verdächtig, und  für  die  Reantwortung  der  Frage,  ob  Mensch 
und   Mammut  gleichzeitig  gelebt  haben,  nicht  entscheidend. 

Herr  Foerster  machte  einige  Mittheilungen  über  das 
am  1'2.  Mai  dieses  Jahres  beobachtete  plötzliche  Aufflammen 
eines  Sternes  zweiter  Gröfse  im  Sternbilde  der  Krone. 
Dieser  merkwürdige  Stern,  der  seitdem  zur  Helligkeit  der 
Sterne  9.  Gröfse  herabgesunken  und  vor  etwa  10  Jahren 
bereits  in  dem  grofsen  Kartenwerk  des  Prof.  Argelander 
in  Ronn  als  ein  Stern  9.  bis  10.  Gröfse  eingetragen  wor- 
den sei,  habe  eine  Veranlassung  zur  Anwendung  der  Spec- 
tral-Untersuchung  auf  die  Phänomene  der  plötzlichen  Hel- 
ligkeits-Anderungen  geboten,  durch  welche  der  Einblick  in 
das  Wesen  solcher  Erscheinungen  bedeutsam  gefördert 
worden  sei.  Spectral  -  Reobachtungen  in  London  und  in 
Paris,  ausgeführt  von  Huggins  und  Wolf,  lassen  erken- 
nen, «lafs  das  Licht  jenes  Sternes  zwei  Quellen  von  ver- 
schiedener Intensität  entströme,  von  denen  die  eine,  weni- 
ger intensive,  eine  leichte  Spectral-Fläche  mit  dunkeln  Ab- 
sorptions-Linien, die  andere,  beträchtlich  intensivere,  einzelne 
lichte  Spectral-Linien   mit  breiten  Zwischenräumen  ergebe. 

Die  letztere  Lichtquelle,  welcher  man  wegen  ihrer 
gröfseren  Energie  den  Hauptantheil  an  der  plötzlichen  Hel- 
ligkeits -Steigerung  des  Sternes  zuzuschreiben  geneigt  sei, 
sei  nach  der  bekannten  Deutung  der  Spectral-Phänomene  als 
eine  glühende  Gasmasse  zu  betrachten,  während  die  mattere 
Spectralfläche  von  dem  Körper  des  Sternes  emanirt  sein  müsse. 

Die  Vermulhiing  liege  also  nahe,  dafs  das  jähe  Auf- 
leuchten des  Sternes  von  der  plötzlichen  Erglühung  grofser 
Gasmassen  herrühre,  unter  denen,  wie  es  scheint,  Wasser- 
stoff einen  Hauptbestandlheil  gebildet  habe,  weil  eine  der 
hellsten  Wasserstofflinien  mit  einer  der  lichten  Linien  des 
Sternspectrums  nahe  zusammengefallen  sei. 

Es  würde  nun  für  die  richtige  Deutung  des  ganzen 
Processes  viel  darauf  ankommen,  wie  sich  die  relative  Ab- 
nahme der  Intensitäten  der  Spectralfläche  und  der  einzelnen 
lichteren  Linien  bei  der  allgemeinen  und  ziemlich  schnellen 
Licht-Abnahme  des  Sternes  verhalten  habe.  Nach  den  bis- 
herigen darüber  veröffentlichten  Mittheilungen  habe  die  In- 
tensität der  Gas-Linien  langsamer  abzunehmen  geschienen, 
als  die  der  matteren  Fläihe;  doch  müsse  man  die  endgültige 
Diskussion  so  delikater  Messungen,  bei  denen  Empfindungs- 
täuschungen möglich  seien,  abwarten. 


Gedruckt  in  der  Druckerei  der  Königl.  Akademie  der  Wissenschaften 


Sitzungs-Bericht 


der 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde 


zu  Berlin 
am  17.  Juli  1866. 


Director:  Herr  Professor  Braun. 


Herr  Dönitz  zeigte  einen  heizbaren  Objecttisch  nach 
Max  Schultze  vor  und  berichtete  über  seine  Untersuchun- 
gen der  rothen  Blutkörperchen  bei  erhöhter  Temparatur.  Die 
feuchte  Kammer  kann  bei  «liesen  Untersuchungen  vollkommen 
entbehrt  werden,  denn  sie  verhindert  keineswegs,  dafs  die 
untersuchte  Flüssigkeit  am  Rande  des  Deckgläschens  ein- 
trocknet. Nicht  die  feuchte  Kammer,  sondern  dieser  einge- 
trocknete Rand  ist  es,  welcher  nachher  das  Präparat  längere 
Zeit  vor  Verdunstung  schülzt.  —  Bei  den  Untersuchungen 
der  rothen  Blutkörperchen  des  Frosches  stellte  sich  heraus, 
dafs  diese  sich  verschieden  verhalten,  je  nachdem  das  Rlut  im 
Y\  inter  oder  im  Sommer  den  Fröschen  entnommen  wird.  Die 
normalen  rothen  Blutkörperchen  des  Frosches  haben  im  Som- 
mer das  Aussehen,  was  Owsiannikow  neuerdings  so  genau 
beschrieben  hat  {Bull,  de  l'Acad.  imp.  de  S.  Pe'tersb.  T.  VIII). 
V\  interfrösche  hingegen,  welche  einer  niedrigen  Temperatur 
ausgesetzt  gewesen  sind,  führen  nur  sehr  wenig  normal 
aussehende  rothe  Blutkörper.  Man  bemerkt  fast  nur  einen 
ziemlich  scharf  contourirlen  Kern;  der  Blutfarbstoff  ist  ver- 
schwunden, die  elliptische  Begrenzung  des  ganzen  Körper- 
chens schwach  angedeutet  oder  gar  nicht  zu  erkennen.  Man 
könnte  glauben,  nur  weifse  Blutkörper  vor  sich  zu  haben, 
wen  nicht  durch  verschiedene  Reagentien  die  Anwesenheit 
des  elliptischen  Contours  (Membran)  sich  nachweisen  liefse. 
Untersucht  man  solche  Winterfrösche,  nachdem  sie  einen 
oder  mehrere  Tage  der  Temperatur  eines  geheizten  Zimmers 
ausgesetzt  waren,  so  nimmt  die  Zahl  der  normalen  rothen 
Blutkörper  wieder  zu.  Erhöhte  Temperaturen  wirken  im 
Winter  anders  auf  rothe  Blutkörperchen  als  im  Sommer. 
Die  im  Sommer  mit  ziemlicher  Sicherheit  bei  bestimmten 
Temperaturen  auftretenden  Veränderungen  zeigen  sich  im 
Winter  entweder  gar  nicht,  oder  häufig  bei  ganz  anderen 
Temperaturen,  abgesehen  davon,  dafs  Veränderungen,  die 
bei  gewissen  Wärmegraden  auftreten,  sich  nicht  selten  schon 
bei  etwas  niederer  Temperatur  einstellen,  wenn  das  Präparat 
längere  Zeit  auf  dieser  erhalten  wird.  Im  Sommer  schiefsen 
bei  3'2-*  Cels.  manchmal  aus  einzelnen  ganz  normal  erschei- 
nenden rothen  Blutkörpern  plötzlich  unter  den  Augen  des 
Beobachters  lange  Fortsätze  heraus,  welche  sich  unmittelbar 
darauf  oder  erst  späterhin  abschnüren  und  Kugelgestalt  an- 
nehmen; eine  Erscheinung,  die  auch  Preyer,  freilich  an 
vorher  schon  veränderten  Blutkörperchen  in  Extravasatblut, 
beobachtete  (firchow's  Archiv  XXX  S.  426).  Im  Winter 
bekommt  man  diesen  Vorgang  selten  zu  Gesicht,  und  dann 
gewöhnlich  bei  34°.  Bei  Erwärmung  auf  36°  pflegen  im 
Sommer  die  bis  dahin  noch  nicht  veränderten  Körperchen 
zu  erblassen  und  sich  aufzublähen,  die  Contouren  des  gan- 
zen Körperchens  zu  verschwimmen,  die  des  Kernes  scharf 
hervorzutreten.  Im  Winter  ist  diese  Veränderung  nicht 
[1866] 


selten  bei  34  oder  35°.  Neu  mann  bat  dieselbe  Erschei- 
nung durch  electrische  Ströme  hervorgerufen  (Reichert's  und 
du  Bois-  Beymond's  Archiv  1865).  Sind  bei  steigender  Tem- 
peratur noch  wenig  veränderte  rothe  Blutkörper  übrig  ge- 
blieben, so  bekommen  diese,  hauptsächlich  im  Winter,  bei 
bei  45°  Einkerbungen,  die  bei  47°  unter  Aufblähen  des  Ge- 
bildes wieder  verstreichen.  Dieser  Vorgang  läfst  sich  nur 
verstehen,  wenn  man  eine  Membran  annimmt,  welche  das 
Körperchen  umhüllt.  Die  Einkerbungen,  die  man  so  häufig 
zu  sehen  Gelegenheit  hat,  sind  nichts  als  regelmäfsige  Falten. 
Unregelmäfsiger  pflegen  die  Falten  aufzutreten,  wenn  man  die 
Blutkörperchen  mechanisch  mifshandelt;  sehr  charakteristisch 
sind  sie  an  den  grofsen  Blutkörpern  des  Holmes  (Proteus), 
wo  der  Faltenwurf  an  zerknitterten  Seidenstoff  erinnert.  Das 
Vorhandensein  einer  Membran  erklärt  auch  das  erwähnte 
plötzliche  Hervorschielsen  langer  Fortsätze,  die  nur  dadurch 
entstehen  können,  dafs  unter  dem  Einfluls  der  Wärme  (resp. 
von  Reagentien)  die  Membran  an  einer  oder  mehreren  Stellen 
einreifst  und  nun  vermöge  ihrer  Elasticität  einen  Theil  des 
Inhalts  ausprefst.  Bei  50°  ziehen  sich  die  bis  dahin  noch 
nicht  zerstörten  Blutkörperchen  stark  in  die  Länge,  wobei 
eine  Depression  rings  um  die  Gegend  des  Kernes  sehr  deut- 
lich hervortritt.  Bei  52°  verschwindet  diese  Depression  an 
dem  einen  Ende,  indem  dieses  sich  etwas  aufbläht.  Er- 
wärmt man  noch  stärker,  bis  zu  60°,  so  verkürzen  sich  die 
Körper  wieder,  werden  biseuitförmig  und  legen  sich  zu  gro- 
fsen Gruppen  aneinander.  Später  trennen  sie  sich  von  neuem 
und  blähen  sich  stärker  auf.  Der  Kern  wird  dann  manchmal 
durch  zwei  an  der  weit  abstehenden  Membran  befestigte  Fäd- 
chen  in  der  Schwebe  gehalten.  Schliefslich  folgt  die  Auf- 
lösung, die  Membranen  legen  sich  polyedrisch  aneinander, 
und  das  ganze  Gesichtsfeld  wird,  jedenfalls  in  Folge  der 
Gerinnung  von  Eiweifssubstanzen ,  körnig  getrübt.  Wenn 
rothe  Blutkörperchen  sich  aufblähen,  was  bei  den  verschie- 
densten Temperaturen  vorkommen  kann,  so  schlägt  sich  rings 
um  den  Kern  eine  Schicht  körniger  Substanz  nieder.  An 
der  Innenfläche  der  Membran  des  Blutkörperchens  wurde  kein 
Niederschlag  bemerkt,  während  Reichert  dies  bei  Anwen- 
dung von  Salpetersäure  beobachtete  (Über  die  neueren  Re- 
formen in  der  Zellenlehre,  Beicherl's  u.  du  Bois-Rejmond' 's 
Archiv  1863).  Ahnliche  Erscheinungen  wie  die  oben  be- 
schriebenen treten  auch  beim  Erwärmen  von  Säugethierblut 
auf,  wovon  hauptsächlich  das  plötzliche  Hervorschiefsen 
der  langen  Fortsätze  zu  erwähnen  ist.  Da  nun  in  dem 
einen  Falle,  wo  dieses  Phänomen  sich  zeigt,  beim  rothen 
Blutkörperchen  des  Frosches  nämlich,  eine  Membran  zuge- 
gen ist,  welche  die  Eigentümlichkeit  der  Erscheinung  be- 
dingt, so  mufs  der  Rückschlufs  gemacht  werden,  dafs  auch 
in    dem    andereii    Falle ,    wo    dasselbe   Phänomen    erscheint, 

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20 


17.  Juli  1866. 


beim  rotlien  Blutkörperchen  <Ies  Säugethiercs  und  Menschen, 
eine  Membran  vorhanden  ist.  Somit  fuhren  die  Erscheinun- 
gen, welche  man  beim  Erwärmen  der  rotlien  Blutkörper- 
chen beobachtet,  zu  demselben  Resultat  wie  die  anderweiti- 
gen Untersuchungen  einiger  neueren  Beobachter,  zur  Reha- 
bilitation der  von  den  Anhängern  der  Protoplasmatheorie 
geleugneten  Membran. 

Herr  v.  Martens  zeigte  spiralgcwundene  Gehäuse  einer 
unbestimmten,  vermuthlich  mit  Psyche  verwandten  Insekten- 
larve vor,  welche  aus  den  Sammlungen  des  verstorbenen 
Barons  von  der  Decken  stammen.  Unter  sieben  Exempla- 
ren sind  vier  (im  Sinne  der  Conchyliologen)  rechts,  drei  links 
gewunden.  Dieselben  sind  übrigens  von  Schneckenschalen, 
neben  dem  allgemeinen  Aussehen  und  dem  Mangel  des  Kalk- 
gehaltes, namentlich  noch  dadurch  leicht  zu  unterscheiden, 
dafs  keine  Spitze,  aus  an  der  Skulptur  kenntlichen  Embryo- 
nalwindungen bestehend,  vorhanden  ist,  sondern  die  Win- 
dungen ziemlich  grob  um  einen  vertieften  Mittelpunkt  be- 
ginnen. 

Herr  Hofmann  machte  Mittheilungen  über  die  chemi- 
sche Constitution  der  A  u  i  1  i  n  färb  es  to  ffe. 

Herr  Schultz  legte  einen  lebendigen  Zweig  eines  Apfel- 
baumes vor,  der  dicht  besetzt  war  mit  der  sogenannten  Blut- 
laus (Apliis  lanigera  Hausmann,  in  Illigers  Magazin  für 
Insektenkunde;  Schiz  oneura  lanigera  Hartig  in  Ger- 
tnar's  Zeitschrift  für  Entomologie  III  1841  ;  Kallenbach  Mo- 
nographie der  Familie  der  Pßonzenliiuse,  Aachen  1843.  8; 
Troschel  Handbuch  der  Zoologie  S.  388).  Dieses  durch  sei- 
nen sonderbaren  weifswolligen  und  irisirenden  Überzug  aus- 
gezeichnete Insekt  kommt  alle  Jahre  um  Berlin  vor,  aber  in 
diesem  Jahre  scheint  es  besonders  häufig  zu  sein.  Es  ist 
schädlich,  indem  es  die  Rinde  verletzt,  so  dafs  diese  später 
rissig  wird;  zuweilen  stirbt  auch  der  ganze  Zweig  ab. 

Herr  Lieberkiihn  berichtete,  dafs  in  der  jetzigen  Jah- 
reszeit sich  leicht  die  verschiedenen  Stadien  des  Fmchungs- 
processes  der  Eier  der  Spongillen  beobachten  lassen. 
Schon  mit  blofsem  Auge  erkennt  man  an  der  untern  Fläche 
der  Schwämme,  mit  welcher  sie  auf  Pfählen  oder  Steinen 
festsitzen,  zahllose  weifse  Flecke,  die  unregelmäfsig  im  Kör- 
perparenehym  zerstreut  sind ;  es  sind  dies  die  Eier  und  Em- 
bryonen. Die  Eier  enthalten  Furchungskugeln  in  verschie- 
denster Zahl,  einige  2,  andere  4,  6  oder  auch  so  viele,  dafs 
man  sie  nicht  mehr  zu  zählen  vermag.  Schneidet  man  kleine 
Stücke  aus  dem  Körper  heraus  und  bewahrt  sie  in  Wasser 
auf,  so  läfst  sich  bisweilen  die  Vermehrung  der  Furchungs- 
kugeln direct  wahrnehmen.  Das  Wimperepithel  der  Em- 
bryonen läfst  sich  durch  verdünnte  Säuren  in  seine  einzel- 
nen Zellen  zerfallen;  es  löst  sich  die  ganze  Zellschicht  in 
Form  von  kleinern  und  gröfsern  Eappen  ab  und  diese  zer- 
fallen in  cylindrische  Körperchen,  welche  viele  äufserst  feine 
Körnchen  enthalten.  Was  als  Zellengrenze  am  lebenden 
Embryo  erscheint,  scheint  nur  durch  die  Lagerung  dieser 
Körnchen  und  die  Kerne  bedingt;  wenn  sich  die  Epithel- 
schicht an  einzelnen  Stellen  abhebt,  so  sieht  man  zwischen 
den  scheinbaren  Zellen  immer  noch  eine  durchsichtige  schwach 
lichtbrechende  Substanz.  Auf  die  Epithelschicht  folgt  die  con- 
tractile  Substanz,  die  hier  bereits  dieselben  Eigenschaften  hat, 


wie  beim  ausgebildeten  Schwamm.  Schon  Hogg  und  Lau- 
rent hatten  bemerkt,  dafs  sich  beim  Embryo  in  der  Regel 
zwei  Abtheilungen  unterscheiden  lassen,  welche  beinahe 
gleiche  Grölse  haben,  nämlich  eine  hellere  und  eine  dunk- 
lere. Während  des  Schwimmens  sieht  die  letztere  nach 
vorn,  die  erstcre  nach  hinten.  Diese  Erscheinung  kommt 
dadurch  zu  Stande,  dafs  in  der  hintern  Abtheilung  sich  vor- 
wiegend contractile  Zellen  mit  zahlreichen  stark  lichtbrechen- 
den Körnchen  befinden,  was  in  der  vordem  Abtheilung  nicht 
der  Fall  ist.  Überdiefs  ist  der  Körper  vorn  mit  einer  Höhle 
versehen;  diefs  wird  besonders  dann  deutlich,  wenn  sich  die 
contractile  Substanz  auf  eine  Strecke  von  der  Epithelschicht 
zurückzieht.  Man  erblickt  alsdann  einmal  die  nun  freie  In- 
nenlläche  der  Epithelschicht,  und  die  freie  Aulsenfläche  des 
contractilen  Parenchyms,  welches  die  Höhle  vorn  umschliefst. 
Von  dem  letzteren  gehen  häufig  durchsichtige  körnchenhal- 
tige  oder  auch  körnchenfreie  Fäden  an  die  Innenfläche  der 
Epithelschicht  heran  und  werden  wieder  zurückgezogen.  Der 
von  Flüssigkeit  angefüllte  Zwischenraum  zwischen  der  con- 
tractilen Substanz  und  der  EpilheUchicht  kann  nun  wieder 
schwinden,  indem  sich  der  von  der  contractilen  Substanz 
gebildete  Körper  ausdehnt  und  mit  seiner  ganzen  Aufsen- 
Häche  wieder  an  die  Innenseite  der  Wimperzellenschicht 
anlegt. 

Herr  Schödler  theilte  mit,  dafs  ihm  vor  wenigen  Ta- 
gen eine  zweite  Collection  kleiner  Süfswasser-  Crustaceen 
von  dem  Freiherrn  C.  G.  Ceders  tröm  aus  Stockholm  zu- 
gegangen sei,  welche  derselbe  im  Sommer  v.  J.  in  den  süd- 
lichen Landschaften  Schwedens  eingesammelt  habe.  Nähere 
Auskunft  über  dieselbe  einer  späteren  Mittheilung  vorbehal- 
tend, zeigte  er  aus  derselben  vor:  I)  die  erst  in  neuerer 
Zeit,  aber  nur  selten,  wiederaufgefundene  Cladocere  Latona 
setifera  O.  F.  Müll,  aus  dem  Bunn-See  in  Jönköpings  län 
und  '2)  Dosmina  Cederströmii ,  nov.  sp.  aus  einem  Binnen- 
See  Ost-Götalands,  welche  ihrer  deutlich  „gestreiften"  Scha- 
lenskulptur wegen,  sowie  dem  ganzen  Habitus  nach  sich  an 
die  B.  longispina,  IS.  obtusirosiris  und  IS.  lacustris  zunächst 
anreiht,  von  ihnen  aber  durch  abweichende  Bildung  der 
Tastantennen  und  der  Schalendornen  (Mucrones)  leicht  zu 
unterscheiden  ist.  Die  mikrometrische  Messung  des  Thier- 
rhens  ergab:  eine  Körperlänge  von  0,66  Millimetern,  als 
Maximum  der  Schalenhöhe  0,5.5  Mm.  und  für  den  stumpfen, 
schräg  abwärts  gerichteten  Mucro  des  untern  Schalenrandes 
eine  Länge  von  nur  0,04  Mm.  Die  Tastantennen  sind  un- 
verhältnifsmäfsig  lang,  25  bis  27 mal  ringelartig  gegliedert, 
aber  nur  schwach  gekrümmt  und  betragen  in  gestreckter 
Lage  0,70  Mm,  wovon  etwa  <,  auf  den  Stamm  (Pedunculus) 
dei  selben  zu  zählen  ist. 

Herr  Braun  sprach  über  die  Eigenschaften  der  Stein- 
frucht von  Celtis,  insbesondhre  über  den  reichen  Gehalt  des 
Steins  derselben  an  kohlensaurem  Kalk,  wodurch  das  wohl- 
erhallene  Vorkommen  im  fossilen  Zustande  erklärlich  wird. 
Er  führt  8  den  Tertiärbildungen  Deutschlands,  Böhmens, 
der  Schweiz,  Frankreichs  und  Großbritanniens  angehörige 
Fundorte  fossiler  Celtisfrüchte  an  und  glaubt  3 — 4  verschie- 
dene Arten  derselben   unterscheiden  zu  müssen. 


Gedruckt  in  der  Druckerei  der  hönigl.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Sitzungs-Bericht 

der 

Gesellschaft  naturforschender  Freunde 

zu  Berlin 
am  16.  October  1866. 


Director:  Herr  Geh.  Regierungsratli    Professor  Magnus. 


Nachdem  der  zeitige  Director  die  Sitzung  eröffnet  und 
die  von  ihren  Reisen  in  Süd-Amerika  und  Afrika  zurückge- 
kehrten Hrrn.  Hensel  und  Schwein furth  begrüfst  wor- 
den, machte  Hr.  v.  S  tramp  ff  eine  Mittheilung  über  ein  auf 
dem  Bauplatze  der  Nationalgalcrie  vor  dem  neuen  Museum 
aufgefundenes  grofses  Infusorienlager.  Dieser  Fund  ist  nicht 
unerwartet,  weil  in  seiner  unmittelbaren  Nähe  bei  dem  Baue 
des  neuen  Museums  bereits  ein  grofses  Infusorienlager  ent- 
deckt worden  war  —  Ehrenberg  in  den  Monatsberichten 
der  Königl.  Academie  der  Wissenschaften  zu  Berliirfiir  1841, 
S.  364  —  als  dessen  Fortsetzung  das  jetzt  zu  Tage  getre- 
tene erscheint.  Dasselbe  erstreckt  sich  nach  den  von  dem 
Herrn  Bauralh  Erbkam,  dem  leitenden  Architekten  der 
Nationalgalerie,  gegebenen  Notizen  in  der  Richtung  von  Süd 
nach  Nord,  über  den  ganzen  Bauplatz  in  einer  Lange  von 
-50  Fufs,  bei  einer  Breite  von  150  Fufs.  7  bis  9  Fufs  un- 
ter der  Dammerde  und  dem  Schutte  zieht  sieh  die  Iufusorien- 
schiclit,  welche  in  nassem  Zustand  ein  schwarzes  und  letten- 
artiges Aussehen  hat  und  dem  Grundwasser  undurchdringlich 
ist,  getrocknet  aber  eine  hellgraublaue,  fast  weifsliche  Farbe 
zeigt  und  überaus  leicht  ins  Gewicht  fallt,  in  einer  Mäch- 
tigkeit von  3  bis  10  Fufs  hin.  Unter  ihr  liegt  eine  Torf- 
schicht, \\  bis  2  Fufs  mächtig  auf  Kiessand  ruhend,  der  bis 
auf  12  Fufs  und  darüber  erbohrt  ist.  Der  Sand  enthält  etwa 
3  Fufs  unter  der  Torfschicht  Spuren  von  Braunkohlen,  je- 
doch nur  von  1  bis  2  Zoll  Mächtigkeit. 

Diese  Lagerungs-Verhältnisse  weichen  von  denen  der 
übrigen  unter  Berlin  vorkommenden  Infusorienschichten  in- 
sofern ab,  als  sonst  die  Torfschicht  nicht  unter,  sondern  über 
der  Infusorienschicht  liegend  vorgefunden  ist.  Auch  ent- 
halten, und  diefs  ist  eine  neue  Erscheinung,  diese  Torfschicht 
und  der  darauf  folgende  Kiessand  Muschelfragmente. 

Zugleich  wurden  Proben  der  Infusorienerde  im  feuchten 
und  im  trocknen  Zustande,  des  Torfes,  der  Braunkohle  und 
des  Sandes  mit  Musrhelfragmenten  vorgezeigt.  Die  mikros- 
kopische Untersuchung  bat  bisher  ergeben,  dafs  das  Infuso- 
rienlager eine  grofse  Zahl  derjenigen  Poiygastern  und  Phyto- 
litharien  enthält,  welche  die  Tafel  XIV  von  Ehrenberg's 
Mikrogcologie  und  die  dazu  gehörige  Beschreibung  als  die 
in  den  Infusorienlagern  unter  Berlin  vorkommenden  Formen 
[1866] 


aufweist.  Weitere  Forschungen ,  insbesondere  hinsichtlich 
der  Muschelfragmente,  bleiben   vorbehalten. 

Herr  Schwein  furth  legte  Exemplare  von  Crossnpterix 
vor,  welche  er  in  NW.  Abyssinien  an  der  Gendua  in  grofser 
Menge  beobachtet  hatte.  Diese  mit  Cinckona  nahe  verwandte 
Gattung  ist  in  zwei  Arten  bekannt,  von  denen  die  eine  als 
C.  febrifuga  Bth. ,  die  andere  als  C.  Kotschyana  Fyl.  be- 
schrieben wurde.  Von  der  letzten  gelangten  Rindenproben 
nach  Wien,  wo  sie  einer  Analyse  unterzogen  wurden,  welche 
die  Anwesenheit  von  notabeln  Mengen  Chinin  neben  vielem 
Cinchonin  in  demselben  feststellte.  Da  jedoch  die  zu  Ge- 
bote stehenden  Rindenmengen  keine  quantitative  Analyse  er- 
möglichten, so  wäre  es  sehr  wünschenswerth,  wenn  bei  einer 
zukünftigen  Bereisung  jener  Länder  davon  gröfsere  Quanti- 
täten gesammelt  würden.  Das  Factum  der  Anwesenheit  von 
Chinin  in  der  Rinde  eines  Baumes,  der  im  obern  Nilgebiete 
nicht  selten  ist,  erscheint  von  grofser  ökonomischer  Bedeu- 
tung für  den  Sudan,  woselbst  dieses  unentbehrliche  Medi- 
cament  eine  ungemein  ausgebreitete  Verwendung  findet. 

Von  Kotschy  1837  in  Benischangol  am  obern  blauen 
Nil  entdeckt  und  von  Heu  gl  in  am  Bahr-Gazal  1863  wie- 
dergefunden, würde  dieser  Baum  jedoch  nimmermehr  Gegen- 
stand der  Handelsausbeute  werden,  wäre  die  an  der  Gendua 
ausfindig  gemachte  Localität  nicht  leichter  und  ungefährli- 
cher zu  erreichen,  als  jene  wilden  Gebiete.  Auch  die  in 
Sierra  Leone  einheimische  C.  febrifuga  Bth.  mag  Chinin 
enthalten,  da  die  Binde  derselben  von  den  Eingebornen  da- 
selbst als  Mittel  gegen  Fieber  gerühmt  worden  ist. 

Hr.  Söchting  legte  den  neuesten  Bericht  der  Corn- 
mission  hydmmetrique  et  Cnmmission  des  nroges  du  de'par- 
tement  du  Rhone  et  des  parties  limitrophes  vor,  welche  ihm 
für  seine  Jahresberichte  über  die  Fortschritte  der  physikali- 
schen Geographie  (in  den  „Fortschritten  der  Physik")  durch 
Professor  Fournet  in  Lyon  zugesandt  worden,  und  ver- 
wies mit  Rücksicht  auf  die  jüngster  Zeit  in  Frankreich  statt- 
gehabten Überschwemmungen  auf  die  Wirksamkeit  und  Be- 
deutsamkeit jenes  Instituts.  Die  Cnmmissinn  hydrome'lrique, 
ursprünglich  auf  private  Thätigkeit  gegründet  und  von  der 
Stadt  Lyon  erweitert,  erstreckt,  —  neuerdings  durch  die 
Commission    des  orages  verstärkt —  ihre  Beobachtungen  nicht 

8 


22 


16.   October    1866. 


nur  auf  die  Gesammtheit  der  meteorischen  Erscheinungen 
im  Gehiete  der  Rhone  und  Saöne  von  deren  Quellen  ah 
bis  an  das  Meer,  sondern  studirt  auch  die  so  einflufsreiche, 
geologische  Gestaltung  der  betreffenden  Landstrecken,  in- 
dem sie  dabei  überall  die  Hülfe  der  Chemie  in  Anspruch 
nimmt.  Der  erste  Abschnitt  eines  ausführlichen  Berichtes 
über  die  ausgebildete  Arbeitsleistung  der  Commission ,  von 
ihrem  Präsidenten  Herrn  Fournet,  macht  den  bedeutend- 
sten Theil  des  vorliegenden  Berichtes  aus,  welcher  außer- 
dem u.  a.  dreifsigjährige  Beobachtungen  am  Pont  Morand 
enthält.  Redner  hob  die  Wichtigkeit  solcher  Arbeiten  her- 
vor und  sprach  den  NVunsch  aus,  dafs  dergleichen  auch  in 
ausgedehntestem  Mafse  zur  Öffentlichkeit  gebracht  werden 
möchten,  zumal,  nachdem  dasselbe  nun  sämmtliche  Haupt- 
stromgebiete  des   nördlichen   Deutschlands   umschliefse. 

Herr  Hensel  machte  einige  Mittheilungen  über  die 
Affen  der  brasilianischen  Provinz  Rio  grande  do  Sul,  die 
deren  nur  '.'  Arten  enthält,  einen  Mycetes  und  den  Cebus 
fatueüus.  Der  Vortragende  legte  mehrere  Schädel  der  ge- 
nannten Affen  vor,  an  denen  die  grofsen  Geschlechts-  und 
Alters-Unterschiede  in  der  Ordnung  der  Quadrumanen  be- 
sonders auffallend  sind,  so  dafs  man  bei  vergleichenden 
Messungen  die  Schädel  verschiedenen  Geschlechts  vollstän- 
dig trennen  und  vielmehr  wie  besondere  Species  behandeln 
mufs.  Ebenso  erheblich  wie  bei  den  Affen  sind  die  genann- 
ten Unterschiede  im  Schädel  der  Raubthiere ,  wie  sich  be- 
sonders aus  denen  der  Gattung  Nasua  ergiebt.  Die  Provinz 
Rio  grande  besitzt  hiervon  nur  eine  einzige  Species,  die 
Nasua  socia/is,  welche  aber  in  der  Farbe  sehr  variirt,  so 
dafs  wahrscheinlich  alle  übrigen  Species  auf  diese  eine  zu 
reduciren    sind.     Die    Nasua   soli/aria    beruht    nur  auf  alten 


j  Männchen  der  vorigen  Art,  die  zu  der  Zeit,  wenn  die  Eck- 
zähne fast  ihre  normale  Länge  erreicht  haben  und  anfangen, 
sich  gegenseitig  abzuschleifen,  den  Trupp  verlassen  und 
einsam  leben.  Ein  Farbenunterschied  läfst  sich  bei  reichem 
Material  nicht  nachweisen,  dazu  kommt  noch,  dafs  niemals 
die  Weibchen   der  angeblichen   Species  aufgefunden  werden. 

Herr  Magnus  legte  ein  Stück  von  Steinsalz  in  schö- 
nen grofsen  Octaedern  krystallisirt  vor,  das  in  Stafsfurt  auf 
Carnalib,  durchwachsen  mit  Krystallen  von  Anhydrit  gefun- 
den  worden  ist. 

Herr  Braun  sprach  über  die  Auffindung  von  Tsoeles 
lacusiris  in  Schlesien,  wodurch  eine  neue  Mittelstation 
zwischen    dem    Vorkommen    in    den    süddeutschen    Gebircen 

o 

(Schwarzwald,  Salzburg)  und  dem  Norden  (Westpreufsen, 
Pommern,  Holstein,  Skandinavien)  gegeben  ist.  Die  Pflanze 
wächst  in  dem  37;)0'  über  dem  Meer  liegenden  „Grofsen 
Teich"  des  Riesengebirgs,  wo  sie  zuerst  von  Dr.  I.  Milde 
im  Juli  d.  J.  beobachtet  wurde.  Unter  den  von  demselben 
eingesendeten  Exemplaren  befinden  sich  einige  von  unge- 
wöhnlich reicher  Entwicklung,  deren  Blätterbüschel  aus  mehr 
als  100  Blättern  besteht,  so  wie  ein  Exemplar,  welches  auf 
einem  alten  Knollen ,  dessen  Mittelrosette  abgestorben  und 
verloren  ist,  zwei  gegenüberliegende  seitliche  Rosetten 
(Zweige)  trägt,  eine  Erscheinung,  die  bei  dieser  normal  un- 
verzweigten Pflanze  nur  als  seltene  Ausnahme  vorkommt. 
Derselbe  berichtete  ferner  über  die  Verheerungen,  welche  die 
schönen  Buchwälder  auf  Stubenitz  (Rügen)  durch  die  Rau- 
pen von  Bombyx  pudibunda,  gewöhnlich  Rothschwanz 
genannt,  auch  in  diesem  Jahre  wieder  betroffen  haben,  und 
über  das  Vorkommen  eines  zierlichen  keulenförmigen  Pilzes, 
Cordyceps  militari?,  auf  den   Puppen   dieses   Schmetterlings. 


Gedruckt  in  der  Druckerei  der  kiini«!    Akademie  der  Wissenschaften 


Sitzungs-Bericht 


der 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde 


zu  Berlin 
am  20.  November  1866. 


Director:  Herr  Geh.  Regierungsrath   Professor  Magnus. 


Nach  Eröffnung  der  Sitzung  sprach  Herr  Ehrenberg 
zuerst  über  das  Wiedererscheinen  der  blutigen  Färbungen 
auf  Brod  und  Speisen  auch  in  diesem  Jahre  in  Berlin  und 
über  den  offenbaren  Mangel  aller  Verbindung  derselben  mit 
der  Cholera,  wovon  hie  und  da  die  Rede  gewesen.  Er 
bemerkte,  dafs  in  den  Jahren  1848 — 1851  in  den  Monats- 
berichten der  Berl.  Akademie  vielfach  sehr  umständlich  über 
diese  Erscheinung  berichtet  worden  ist ,  deren  Geschichte 
zu  den  auffallendsten  und  schreckhaftesten  Verirrungen  des 
menschlichen  Geistes  seit  vor  Christi  Geburt  gehört,  und 
die  schon  seit  1840 — 1851  in  Cholera  vollen  und  Cholera 
freien  Jahren  bis  Paris  und  Neu-Holland  beobachtet  und 
besprochen  und  auch  in  seiner  Wohnung  von  ihm  ohne 
Schaden  der  Versuche  halber  vervielfältigt  worden  ist.  Der- 
selbe machte  besonders  darauf  aufmerksam,  dafs  seit  dem 
Jahre  1850  die  auf  Brod  getrocknete  blutrothe  Färbung 
nach  der  1848  von  ihm  angezeigten  Methode  (Monatsber. 
p.  462)  aufbewahrt  worden  sei.  Die  im  Dunkeln  in  einer 
Blechbüchse  aufbewahrten  Exemplare  solchen  Weifsbrodes 
hatten  ihre  lebhafte  blutrothe  Färbung  seit  16  Jahren  auf- 
fallend schön  erhalten.  Dagegen  ein  in  einem  Glaskästchen 
aufbewahrtes  Brodstück  hatte  in  diesem  Zeiträume  am  Lichte 
eine  sehr  abgeschwächte,  fast  nur  bräunliche  Färbung  an- 
genommen ,  und  war  zum  Theil  ganz  verblichen.  Diese 
Proben  waren  in  der  langen  Zeit  durch  einen  zufällig  hi- 
neingerathenen  Käfer  {Anobium  paniceuml)  sehr  vielfach 
durchlöchert  worden,  letztere,  von  der  rothen  Färbung  unbe- 
schädigt, erlagen  später  einigem  aufgestreuten  Insektenpulver. 
Die  1819  von  Pietro  de  Col  in  Padua  aufgenommenen 
sehr  gerühmten  Färbeversuche  (Monatsber.  1848  p.  356) 
von  seidenen  Stoffen  haben  seitdem  eine  weitere  Ausbil- 
dung nicht  erlangt,  und  wird  eine  demnächst  zu  erwartende 
weitere  Förderung  dieser  Kenntnifs  der  so  schönen  Fär- 
bungen voraussichtlich  von  grofsem  Interesse  sein. 
[1866] 


Hierauf  legte  derselbe  ausgezeichnete  Photographien 
von  sehr  stark  vergrößerten  mikroskopischen  Objekten  vor, 
welche  von  der  Medicinal-Abtheilung  des  Kriegs-Departe- 
ments der  Vereinigten  Staaten  veranlafst  worden  sind,  und 
ebenfalls  sehr  wohlgelungene  zum  Theil  stark  vergröfserte 
Photographien  des  Herrn  Neiff  in  Genf  und  besonders  des 
Herrn  Kellner   in  Berlin. 

Herr  Beyrich  berichtete  über  die  Muschelfragmente, 
auf  deren  Vorkommen  am  Bauplatze  der  Nationalgallerie 
Herr  v.  S tramp  ff  die  Aufmerksamkeit  der  Gesellschaft  in 
der  Sitzung  vom  16.  Oktober  gelenkt  hatte.  Es  sind  Frag- 
mente von  Unio-Schalen,  welche  deutlich  beweisen,  dafs 
der  Kiessand,  in  dem  sie  angetroffen  wurden,  trotz  seiner 
tiefen  Lage  unter  einem  mächtigen  Infusorien -Lager  und 
einer  darunter  befindlichen  Torfschicht,  doch  nichts  Anderes 
sein  könne,  als  eine  Ablagerung  im  Grunde  der  Spree,  aus 
einer  Zeit  herrührend,  in  welcher  der  Flufs  innerhalb  der 
breiten  Thalebene  noch  nicht  in  sein  jetziges  Bett  ein- 
geengt war. 

Herr  Foerster  machte  einige  Mittheilungen  über  das 
ungewöhnlich  reiche  Sternschnuppen-Phänomen,  welches  in 
der  Nacht  vom  13.  zum  14.  November  von  den  Berliner 
Astronomen  in  Berlin,  Nauen  und  Brandenburg  beobachtet 
worden  sei.  Die  Zahl  der  in  dieser  Nacht  gesehenen  Licht- 
erscheinungen habe  sich  nach  ziemlich  systematischen  Zäh- 
lungen auf  etwa  30,000  belaufen,  welche  fast  durchgängig 
durch  ihre  scheinbaren  Bewegungs-  Richtungen  auf  einen 
Punkt  im  Sternbilde  des  Löwen  als  Ausgangspunkt  hinge- 
wiesen haben.  Der  Richtung  vom  Beobachter  zu  diesem 
Punkte  seien  also  fast  sämmtliche  Bahnen  nahezu  parallel 
gewesen;  in  nahe  derselben  Richtung  habe  sich  aber  in  je- 
ner Nacht  die  Erde  bewegt,  so  dafs  es  wahrscheinlich  sei, 
dafs  die  relative  Geschwindigkeit  der  Erde  gegen  die  jener 
kleinen  Weltkörper  die  weit  überwiegende  Componente  ihrer 

9 


24 


20.  November    1866. 


scheinbaren  Bewegung  gewesen  sei.  Daraus  folge  weiter, 
dafs  jene  Sternschnuppen-Schaar  sich  wahrscheinlich  in  ent- 
gegengesetzter Richtung  wie  die  Erde  bewege;  denn  wenn 
die  Bewegungs-Richtung  um  die  Sonne  beiden  gemeinsam 
sei,  könne  eine  relative  Geschwindigkeit  der  Erde  gegen 
jene  Schaar  nur  von  geringem  Betrage  sein  und  es  müfsten 
also  neben  dieser  kleinen,  in  die  Bewegungs-Richtung  der 
Erde  fallenden  Componente  alle  denkbaren  seitlichen  Be- 
wegungen des  ganzen  Schwarmes  oder  innerhalb  des 
Srhwarmes  einen  sehr  starken  Einilufs  auf  die  überwiegende 
scheinbare  Ausstrahlung  desselben  von  einem  gewissen  Punkte 
des  Himmels  haben.  Da  nun  nach  den  diesmal  wieder  sehr 
deutlichen  Stralilungs  -Phänomenen  die  seitliche  Ablenkung 
gegen  den  Einflufs  der  starken  Voreilung  der  Erde  selbst 
fast  verschwand,  so  mufs  man  wohl  annehmen,  dafs  in  dieser 
die  Summe  der  absoluten  Geschwindigkeiten  bei  entgegen- 
gesetzter Bewegungsrichtung  zu  erkennen  war.  Die  Bestä- 
tigung dieser  bereits  früher  in  ähnlicher  Weise  gezogenen 
Folgerungen  durch  direkte  Geschwindigkeits-Messungen  sei 
diesmal  gerade  durch  den  aufserordentlichen  Reichthum  des 
Phänomens,  trotz  besonderer  Vorbereitungen,  nicht  gelungen, 
auch  tritt  dabei  die  Gröfse  der  Geschwindigkeiten  selbst 
erschwerend  in  den  Weg.  Dagegen  hat  man  mehrere 
Details  beobachtet,  die  auf  eine  völlige  Auflösung  jener 
Körperchen  in  Lichtwölkchen,  sobald  sie  zu  einer  Höhe  von 
10 — 12  Meilen  über  der  Erdoberfläche  herabgedrungen  sind, 
hindeuten,  und  die  ebenfalls  für  die  grofse  Geschwindigkeit 
und  die  lose  Concretion  jener  Sternschnuppen  characteristisch 
zu  sein  scheinen. 

Herr  Braun  machte  unter  Vorlegung  von  Exemplaren 
und  Zeichnungen  Mittheilungen  über  eine  neue  Pflanzen- 
gattung aus  der  Familie  der  Scrophulariaceen,  welche  er 
nach  dem  vor  einiger  Zeit  aus  Afrika  zurückgekehrten,  um 
die  Kenntnifs  der  Flora  der  Nilländer  verdienten  Botaniker, 
Dr.  Seh  weinfurt  h,  benannte.  Die  neue  Gattung  Schtvein- 
furthia  reiht  sich  innerhalb  der  genannten  Familie  der  Gruppe 
der  Löwenmäuler  (Antirrhineen)  an,  in  der  Tracht  den 
Linaria-  Arten  der  Abtheilung  Cha  en  nrrhin  u  r»,  in  der 
spornlosen  Blumenkrone  mit  geschlossenem  Gaumen  der 
Gattung  Antirrhinum  ähnlich,  von  beiden  Gattungen  durch 
die  Beschaffenheit  der  Frucht  verschieden.  Die  beiden 
Fächer  der  kugelrunden  Kapsel  sind  nämlich  in  einem  Grade 
und  in  einer  \\  eise  ungleich  entwickelt,  wie  es  bei  keiner 
anderen  Antirrhinee  vorkommt.  \\  ährend  bei  den  übrigen 
Pflanzen  dieser  Gruppe,  welche  eine  ungleiche  Ausbildung 
der  Fruchtfächer  zeigen,  Antirrhinurn  und  Chaenorrhinurn, 
das    hintere  („obere")  Fach    der  Kapsel   das   vordere   über- 


ragt, so  dafs  die  Kapsel  an  der  Spitze  nach  vorn  schief 
abfällt  und  der  Griffel  auf  die  Vorderseite  zu  stehen  kommt, 
überragt  bei  Schveeinfurlhia  umgekehrt  das  vordere  Fach 
das  hintere  und  der  Griffel  wird  nach  der  Hinterseite  ab- 
gerückt. Bei  Antirrhinum  und  Chacnorrhinum  sind  beide 
lächer  geräumig  und  reich  an  Saamen ,  bei  Scheveinfurthia 
ist  das  kleinere  hintere  Fach  meist  völlig  leer  und  in  einer 
Weise  zusammengedrückt,  dafs  es  leicht  ganz  übersehen 
wird.  Das  Aufspringen  der  Kapsel  ist  bei  Schtveinfurthia 
von  dem  aller  übrigem  Gattungen  abweichend:  nur  das  vor- 
dere, bauchig  aufgetriebene  Fach  öffnet  sich  und  zwar  näher 
der  Basis  als  der  Spitze  mit  einem  nach  unten  gerichteten, 
unregelmäfsig  klappig -begrenzten  Loch.  Die  Samen  sind 
durch  6  scharfe,  stark  vorragende  Längsleisten  ausgezeich- 
net. Es  sind  bereits  2  Arten  der  neuen  Gattung  bekannt: 
die  eine,  Srhtv.  pterosperma ,  gehört  den  Küstenländern  des 
rothen  Meeres  an;  sie  wurde  neuerlich  (im  März  d.  J.)  von 
Dr.  Seh  wein  furth  bei  Suakin  in  Nubien,  so  wie  im  Wadi 
Tereb  Aria  zwischen  Suakin  und  Berber,  in  reichlichen, 
zugleich  Bliithe  und  Frucht  tragenden  Exemplaren  gesam- 
melt, findet  sich  aber  bereits  unter  den  noch  unbearbeiteten 
Schätzen  der  Ehrenberg-Hemprich'sehen  Beise,  vor  41  Jah- 
ren (im  J.  1825)  von  Ehrenberg  im  Wadi  Djara  Ara- 
biens gesammelt,  so  wie  auch  an  der  abyssinischen  Küste 
des    rothen  Meeres    bei  Massana    beobachtet    und    im   Tace- 

o 

buch  unter  dem  Namen  Orontiurn  arabicum  beschrieben. 
Die  französischen  Beisenden  Quart ier-Dillon  und  Petit 
fanden  sie  gleichfalls  im  abyssinischen  Küstenlande,  dem 
Lande  der  Schoho's,  und  Richard  zählte  sie  im  zweiten 
Bande  seines  Tentamen  Florae  Abyssinicae  (1851)  fraglich 
zur  Gattung  Antirrhinum ,  unter  dem  Namen  A.  pterosper- 
rnum.  Endlich  ist  den  Fundorten  noch  Aden  beizufügen, 
wo  sie  von  Wichura  bei  Gelegenheit  der  Preufsischen 
ost-asiatischen  Expedition  gesammelt  wurde.  Schtv.  ptero- 
sperma ist  eine  einjährige,  aufrechte,  meist  sehr  reich  und 
wiederholt  verzweigte  Pflanze,  mit  aufrecht -abstehenden 
Zweigen ,  in  der  Tracht  mit  Linaria  minor  vergleichbar, 
aber  kräftiger.  Die  unteren  Blätter  sind  gegenständig,  die 
oberen  locker  spiralig  geordnet,  die  unteren  breiter,  die 
oberen  schmäler  lanzetförmig  oder  fa>.t  spateiförmig,  allmählig 
in  den  Blattstiel  verschmälert,  stumpf.  Die  Blüthen  stehen 
einzeln  in  den  Achseln  fast  aller  Laubblätter;  unter  der 
Bliithe  entwickelt  sich  ein  accessorischer  Laubzweig.  Der 
schlanke  Blüthcnstiel  erreicht  fast  die  Länge  des  Blatts  und 
biegt  sich,  seitlich  aus  der  Blattachsel  hervortretend,  bis  zur 
horizontalen  Richtung,  während  der  Fruchtreife  selbst  noch 
weiter  nach  unten.     Die    Blüthe    ist    etwas    gröfser   als    bei 


20.  November  1866. 


25 


Linaria  minor,  weifs  und  leicht  rosenroth  gezeichnet.  Die 
dünnwandige  Kapsel  erinnert  durch  ihre  kugelige  Form, 
Gröfse  und  Farbe  an  die  Kapsel  von  Anagallis  arvensis. 
Die  zweite  Art,  Sc/uv.  sphaerocarpa,  befindet  sich  im  Kgl. 
Herbarium  unter  dem  Namen  Antirrhinum  sphaerocarpum 
Boissier  und  ist  ohne  Zweifel  identiseh  mit  Linaria  sphae- 
rocarpa  Bentham  in  De  Cand.  Prodromus.  Sie  wächst 
in  Afghanistan  (Griffith)  und  dem  benachbarten  Sind 
(Stockes),  bat  einfache,  bogig  niederliegende,  ziemlich  dicht 
beblätterte  Zweige,  sehr  breite,  verkehrt  eiförmige,  spitze 
Blätter,  kurzgestielte  Blüthen,  welche,  ebenso  wie  die  Früchte, 
mehr  als   doppelt  so  grofs  sind,  als  bei  der  ersten  Art. 

Herr  Dönitz  sprach  über  eine  an  der  Rückenflosse  und 
Afterflosse  bei  Fischen  aus  der  Familie  der  Teuthyes  vor- 
kommende Hemmungsvorrichtung,  welche  geeignet  ist,  die 
Flossenstrahlen,  nachdem  sie  durch  Muskelwirkung  aufge- 
richtet sind,  ohne  weitere  Beihülfe  der  Musculatur  in  ihrer 
Stellung  zu  erhalten.  Der  erste  Flossenträger  läuft  nämlich 
in  zwei,  durch  einen  tiefen  Einschnitt  getrennte,  hinterein- 
ander liegende  Fortsätze  aus ,  von  denen  der  hintere  eine 
grofse  Scheibe  trägt,  die  so  orienlirt  ist,  dafs  ihre  beiden 
Seiten  den  beiden  Seiten  des  Fisches  entsprechen.  Unter- 
halb der  Scheibe  geht  jederseits  ein  kleiner  seitlicher  Gelenk- 
fortsatz ab,  mit  dem  zwei  seitliche  Gelenkfortsätze  des  ersten 
Flossenstrahles  articuliren.  Die  Basis  dieses  letzteren  ist 
stark  aufgetrieben  und  von  unten  und  hinten  her  kuppei- 
förmig ausgehöhlt.  Diese  Kuppel  wölbt  sich  über  den  obe- 
ren Abschnitt  der  Scheibe  und  rotirt  auf  der  Peripherie 
derselben.  Ferner  entspringt  oberhalb  der  Basis  des  ersten 
Flossenstrahles  ein  starkes  elastisches  Band,  welches  sich 
an  die  Vorderseite  des  zweiten  Strahles  anheftet.  Sind 
nun  die  Strahlen  durch  die  an  die  Vorderseite  derselben  sich 
anheftenden  sehr  kräftigen  Muskeln  aufgerichtet,  so  tritt 
dieses  Band  in  Wirksamkeit  und  prefst  die  Kuppel  des  er- 
sten Strahles  mit  solcher  Energie  gegen  die  Peripherie  der 
Scheibe,  dafs  die  schwachen,  zum  ^Niederlegen  der  Flossen 
bestimmten  Muskeln  ihre  Wirksamkeit  versagen.  Damit  die 
Flossen  wieder  zurückgeschlagen  werden  können ,  ist  es 
nöthig,  zuvor  die  Hemmungsvorrichtung  aufser  Thätigkeit 
zu  setzen,  und  dies  geschieht  durch  Erschlaffung  des  elasti- 
schen Bandes.  Ein  eigener,  starker  Muskel,  welcher  vom 
zweiten  Flossenträger  entspringt,  zieht  schräg  nach  vorn 
und  schlägt  sich  über  die  erste  von  den  senkrecht  gestellten, 
seitlichen  Knochenleisten  hinweg,  welche  in  der  Familie  der 
Teuthyes  die  Flossenträger  so  sehr  auszeichnen.  Da  die 
Sehne  dieses  Muskels  sich  wieder  rückwärts  wendet  und  an 
die  Vorderfläche  der  Basis  des  zweiten  Flossenstrahles  heftet, 


so  vermag  sie  diesen  nach  vorn  zu  ziehen  und  somit  das 
erwähnte  Band  zu  erschlaffen.  Die  oberen  Fasern  des  Li- 
gaments, welche  nicht  zur  Feststellung  der  Flossen  beizu- 
tragen scheinen  ,  ziehen  dann  vermöge  ihrer  Elasticität  den 
ersten  Strahl  rückwärts,  und  nun  können  die  hinteren  Mus- 
keln der  Flossenstrahlen  ihre  Wirksamkeit  entfalten  und  die 
Flosse  zurücklegen.  Diese  Vorrichtung  wurde  vorläufig  bei 
folgenden  Fischen  constatirt:  Prionurus  scalprum  C.  u.  Val. 
und  Acanthurus  nigrofuscus  Forsk.,  beide  auf  der  ost-asiati- 
schen  Expedition  von  den  Stabsärzten  Herren  Friedel  und 
Stephany  für  das  vergleichend -anatomische  Museum  ge- 
sammelt. Acanthurus  velifer  und  lineatus,  von  den  Herren 
Hemprich  und  Ehrenberg  im  rothen  Meer  gesammelt. 
Acanthurus  annu/aris  und  Amphacanthus  (Teuthys  Günth.) 
abhortani  C.  u.  Val.,  von  Herrn  Peters  aus  Mozambique 
mitgebracht.  Ferner  Teuthys  virgata  Günth.  und  Naseus 
unicomis.  Ob  dieser  Apparat  zur  Feststellung  der  Rücken- 
und  Afterflosse  allen  Teuthyes  zukommt,  konnte  wegen 
Mangels  an  hinreichendem  Material  nicht  entschieden  werden. 
Desgleichen  blieb  es  ungewifs ,  ob  diese  Vorrichtung  sich 
immer  an  beiden  genannten  Flossen  zugleich  findet.  So 
viel  aber  geht  aus  dieser  Beobachtung  hervor,  dafs  die  Fa- 
milie der  Acronuridae  Günth.,  umfassend  die  Genera  Acan- 
thurus und  Acronurus,  mit  Unrecht  von  den  Teuthyes  ab- 
gezweigt worden  ist. 

Herr  S.  Sander  machte  folgende  Mittheilung  über  den 
Verlauf  der  Cornmissura  cerebri  anterior:  Blainville, 
Longet  und  Graticlet  gaben  an,  dafs  beim  Menschen  und 
bei  den  Affen  die  vordere  Hirncommissur  mit  allen  ihren 
Fasern  in  die  mediale  Wand  des  Schläfenlappens  ausstrahle, 
während  sie  dagegen  bei  allen  übrigen  Säugethieren  sich  in 
die  Riechlappen  verfolgen  lasse.  Ein  so  verschiedenes  Ver- 
halten eines  gleichartig  angelegten  Organs  in  verschiedenen 
Ordnungen  einer  Thierklasse  mufste  höchst  auffällig  erschei- 
nen und  zu  Bedenken  Aulafs  geben.  In  der  That  haben 
deshalb  angestellte,  genaue  Untersuchungen  ergeben,  dafs 
dem  keineswegs  so  ist.  Von  der  vorderen  Commissur  der 
niederen  Säugethierordnungen  zweigt  sich  ziemlich  früh, 
noch  während  des  Verlaufs  durch  die  Corpora  striata,  bevor 
sie  ganz  nach  vorn  umbiegt,  um  in  die  Riechkolben  zu  ge- 
langen ,  ein  feines  Bündel  ab ,  das  sich  direct  nach  aufsen 
wendet  und  bis  in  die  mediale  Wand  des  Schläfenlappens 
zu  verfolgen  ist.  Bei  den  Affen  (ähnlich  wird  es  sich  auch 
beim  Menschen  verhalten)  geht  zwar  der  Haupttheil  der 
Commissur  in  die  Schläfenlappen,  aber  ein  feiner  Zweig 
wendet  sich  nach  vorn  und  unten  und  läfst  sich  bis  in  den 
hier    kleinen    Riechkolben    präpariren.       Das   Verhältnifs    ist 


'26 


20.  November  1866. 


demnach  folgendes:  Die  vordere  Commissur  geht  auf  beiden 
Seiten  des  Gehirns  sowohl  in  die  Riechkolben,  als  auch  in 
die  mediale  Wand  des  Schläfenlappen«  bei  allen  Säugethie- 
ren.  Da  nun  auch  die  sog.  äufsere  Wurzel  des  Olfactorius 
stets  nach  der  Spitze  des  Schläfenlappens  hinzieht,  so  er- 
scheint dadurch  bewiesen,  dafs  dafs  die  C.  anterior  aus- 
schliefslich  oder  wenigstens  zum  grofsen  Theil  für  das  Ge- 
ruchsorgan vorhanden  ist  und  für  die  Olfactorii  eine  gleiche 
Holle  spielt,  wie  das  Chiasma  für  die  Optici.  Zu  unter- 
suchen bliebe  noch,  ob  diese  Commissur  nicht  vielleicht 
(wahrscheinlich  ist  es  so)  eine  Decussation  darstellt  zwischen 
Fasern,  die  vom  Schläfenlappen  der  einen  Seite  zum  Riech- 
kolben der  andern   Seite   und  umgekehrt  ziehen. 

Als  Geschenke  wurden  mit  Dank  entgegengenommen: 

1)  Memoire*    de    l'Acad.   Imp,    des    sc.    de    St.  Pctersbourg. 

T.  IX.  N.  1  bis  7.    T.  X.  N.  1.  2. 

2)  Bullelins    de    l'Acad.    Imp.    des    sc.    de    St.  Pctersbourg. 

T.  IX.  N.  1  bis  4. 

3)  Philippo  Pariatore,    Le  Specie  dei  Cotoni. 


4)  Ehrenberg  üb.  das  Infusorien-Lager  in  Berlin.     Ausz. 
aus  d.  Monatsber.  d.  Ak.  d.  W. 

5)  Jahresbericht  d.  naturf.  Gesellsch.    Graubündten,    neue 
Folge.    Jahrg.  XI.  1866. 

6)  Abhandl.    der    Schles.   Gesellsch.     Abtheil,   für  Naturw. 
1865.  1866.    Phil.  hist.  Abth.  43.  Jahresb. 

7)  Annales  des  Sciences  phys.  et  nat.de  Lyon.  S.  III.  T.  VIII. 

8)  Memoria  sobre  el  Maguey   Mexicano    (Agave   Max.) 

9)  Singapore,  Malacca,  Java,   Reiseskizzen  von  Ja  gor. 

10)  Jahrbuch  des  naturh.  Landesmuseums  von  Kärnthen. 
Heft  7.    1864. 

11)  Monatsber.  der  Rerl.  Akad.  d.  W.    März  bis  Juni  1866. 

12)  Über  d.  Durchgang  d.  Wärme  und  Lichtstrahlen  durch 
Platten  von  Dr.  II.  Knoblauch.  1866. 

13)  Berliner  Entomologische  Zeitschrift.  Jahrg.  9.  1865. 
Heft  1  bis  4.    Jahrg.  10.  1866.  Heft  1  bis  3. 

14)  Astronomische  Beob.  auf  d.  Kgl.  Sternwarte  v.  Encke. 
Bd.  1.  1840.  Bd.  2.  1844.  Bd.  3.  1848.  Bd.  4.  1857, 
überreicht  von  Herrn  Prof.  Foerster. 


Gedruckt  in  der  Druckerei  der  König!.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Sit  zungs-Beri  clit 

der 


Gesellschaft  naturforschender  Freunde 


zu  Berlin 
am  18.  December  1866. 


Director:  Herr  Geh.  Regierungsrath   Professor  Magnus. 


Nachdem  der  zeitige  Direktor  die  Sitzung  eröffnet  hatte, 
besprach  Herr  Ascherson  die  Scrophulariaceen- Gattung 
Antkliaris  Endl.  Eine  Art  derselben  wurde  zuerst  von 
Salt  in  Abyssinien  gefunden  und  von  R.  Brown  Meisar- 
rhena  lomentosa  genannt;  die  Beschreibung  blieb  indefs 
unveröffentlicht,  ebenso  die  Benennungen  der  deutschen 
Reisenden  Ehienberg  und  Hemprich,  welche  später  die- 
selbe Pflanze  in  Arabien  fanden  und  Dislemun  campanularis 
nannten,  welcher  sie  noch  zwei  Arten,  D.  g/andu/osus  und 
angusiifolius,  hinzufügten.  Die  Salt  sehe  Pflanze  wurde 
zum  dritten  Male,  ebenfalls  in  Arabien,  von  W.  Seh  im  per 
gesammelt  und  anfangs  von  Hochstetter  und  Steudel 
Capraria  arabica,  bald  aber  von  Endlicher  als  Typus 
einer  neuen  Gattung  Anticharis  arabica  genannt,  und  von 
Letzterem  durch  eine  vortreffliche  Abbildung  und  Beschrei- 
bung erläutert.  Gleichzeitig  führte  indefs  Endlicher  den 
Dislemon  angustifolius  E.  u.  H.  als  eigene  Gattung  Dora- 
tanihera  Benth.  in  litt,  in  einer  anderen  Tribus  auf,  welche, 
obwohl  später  von  Benth  am  in  die  Nachbarschaft  von 
Anticharis  gebracht,  dennoch  bisher  mit  Unrecht  wegen 
angeblicher  Verschiedenheiten  im  Bau  der  Staubbeutel  auf- 
recht erhalten  wurde,  welche  aber  viel  zu  gering  sind,  um, 
bei  der  völligen  Übereinstimmung  in  allen  wesentlichen 
Merkmalen,  eine  generische  Trennung  zu  gestatten.  Hoch- 
stetter hat  daher  in  einer  brieflichen  Mittheilung  an  Prof. 
Braun  diese  Art  mit  Recht  zu  Anticharis  gestellt.  Die 
geographische  Verbreitung  der  bisher  bekannten  drei  Arten, 
welche  mithin  schon  von  Ehrenberg  und  Hemprich 
entdeckt  wurden,  ist  folgende:  1)  Anticharis  glandulosa 
Aschs.  {Dislemon  g.  Ehrb.  U.  Hempr.),  bisher  nicht  von 
A.  arabica  Endl.  unterschieden,  von  der  sie  durch  kräfti- 
geren, mehr  ausgebreiteten  Wuchs,  längere  drüsige  Beklei- 
dung, breitere  Blätter,  gröfsere  Blüthen  und  Kapseln,  die 
etwa  V-2    so    lang   als    der  Kelch  sind    (bei  A.  arabica  dop- 

[1866] 


pelt  so  lang)  abweicht,  bisher  gesammelt:  Küstenländer 
des  rothen  Meers  in  Oberägypten  (Seh wein furth),  im 
glücklichen  Arabien  (Ehrenb.  u.  Hempr.),  Aden  (Wi- 
chura),  aufserdem  in  Scinde  (Stocks.).  2)  Anticharis 
arabica  Endl.  Nubische  Küste  (Seh  wein  f.);  Abyssinien 
(Salt,  Ehrenb.  u.  Hempr.);  im  glücklichen  Arabien  (Eh- 
renb. u.  Hempr.,  Schimper).  3)  A.  linearis  Höchst. 
{Dnratanthera  l.  Bentham).  Capverdische  Inseln  (Vogel, 
Schmidt,  Bol  le);  Senegal  (Leprieur,  Lelievre);  Kordofan 
(Kotschy,  Cienkowski);  Nubien  (Grant,  Schweinf.); 
Arabien  (Ehrenb.  u.  Hempr.,  Botta);  Pendjab  (Edge- 
worth). 

Ferner  legte  derselbe  einen  auf  einem  Serradella-Felde 
bei  Wendeberg  unweit  Pn'tzerbe  (zwischen  Brandenburg  und 
Rathenow)  vom  Cand.  theol.  R.  Hülsen  mit  Ornithopus 
compressus  L.  gesammelten  Bastard  dieser  Art  nnd  der 
Serradella  (0.  sativus  Brot.)  vor,  welcher  der  letzteren  Art 
ähnlicher  ist,  sich  aber  durch  kleinere,  hellgelbe,  beim  Ver- 
welken röthliche  Blumenblätter  und  die  Fahne,  welche  die 
Flügel  beträchtlich  überragt,  sofort  unterscheidet.  Die  Glie- 
der der  Hülse  sind  nur  zum  Theil,  nämlich  die  1 — 4  un- 
tersten, ausgebildet.  In  Gesellschaft  dieses  bisher  noch  nicht 
bekannten  Bastardes  fand  der  Entdecker  auch  die  bei  uns 
bisher  noch  nicht  eingeschleppt  gefundenen  Arten  Ornithopus 
ebracteatus   Brot,   und   Andrya/a  integrifolia  L. 

Herr  Hofmann  machte  einige  Mittheiluneen  über 
neue  Beobachtungen  in  der  Naphtylreihe.  Er  erinnerte 
zunächst  an  die  durch  Mitscherlich  festgestellten  Be- 
ziehungen zwischen  dem  Kohlenwasserstoffe  Benzol  und  der 
Benzoesäure  und  an  das  Zerfallen  der  letzteren  unter  dem 
Einflufs  starker  Basen  in  Benzol  und  Kohlensäure.  Die 
Idee  lag  nahe  die  Existenz  einer  Säure  zu  vermuthen,  welche 
zu  dem  Naphtalin,  diesem  verbreitetesten  Kohlenwasserstoffe 
der  trocknen  Destillation  der  Steinkohle,  in  demselben  Ver- 

10 


28 


18.  December  1866. 


hältnisse  steht,  wie  die  Benzoesäure  zu  «lern  Benzol.  Diese 
Säure,  welche  man  vielfach  darzustellen  versucht  hat,  ist 
von  dem  Berichterstatter  in  jüngster  Zeit  aufgefunden  wor- 
den. Man  erhält  sie  durch  eine  Reihe  von  Umbildungs- 
processen  aus  dem  Naphtylamin,  welches  für  die  Zwecke 
der  Farbenindustrie  gegenwärtig  fabrikmäCsig  bereitet  wird. 
Die  Säure  ist  eine  schön  krystallisirte  in  Wasser  schwer- 
lösliche Substanz,  welche  mit  Baryt  destillirt  sich  in  Naph- 
talin  und  Kohlensäure  spaltet. 

Herr  Ilensel  sprach  über  einige  Schwierigkeiten,  die 
sich  der  Aufstellung  der  Zahnformeln  für  Säugethiere  ent- 
gegenstellen. Es  ist  eil)  Fehler,  wenn,  wie  gewöhnlich 
geschieht,  der  Unterschied  zwischen  Praemolaren  und  Mo- 
laren bei  herbivorem  und  Omnivoren)  Gebils  festgehalten 
wird,  bei  dein  der  Carnivoren  dagegen  der  Reifszahn  noch 
eine  besondere  Berücksichtigung  erfährt,  da  er  im  Ober- 
kiefer zu  den  Praemolaren,  im  Unterkiefer  dagegen  zu  den 
Molaren  gehört.  Einige  Gruppen  der  Säugethiere  wechseln 
die  Zähne  schon  vor  der  Geburt.  Für  die  Cavien  ist  dieses 
schon  von  Rousseau  nachgewiesen  worden.  Hier  ist  der 
einzige  Milchbackenzahn,  obgleich  rudimentär,  doch  ziemlich 
COmplicirt,  indem  er  noch  eine  Faltenbildung  zeigt,  die  an 
die  des  Ersalzzahnes  erinnert.  Für  Hydrochoprus  nahm 
man  bisher  wegen  der  Verwandtschaft  mit  Cavia  ein  ähn- 
liches Verhalten  an.  In  der  Thal  findet  hier  auch  ein 
Zahnwechsel  während  des  embryonalen  Lebens  statt,  nur 
noch  viel  früher  als  bei  Cavia,  ungefähr  wenn  der  Foelus 
die  halbe  Gröfse  erreicht  hat.  Aul'serdem  ist  der  einzige 
Milchbackenzahn  in  jedem  Kiefer  nur  ein  winziges  Körnchen 
und  bei  Praeparaten  in  "Spiritus,  wegen  der  Durchtränkung 
mit  letzterem,  schwer  zu  finden.  An  foelalen  Schädeln  von 
Cavia  und  Hydrochoerus  wurden  die  Verhältnisse  des  Zahn- 
wechsels  demonstrirt. 

Herr  Zenker  referirte  seinen  im  Archiv  für  mikrosko- 
pische Anatomie  1866  enthaltenen  Aufsalz  über  Infusorien. 
Er  erklärte  die  pulsirende  Blase  für  ein  Wasser  aussondern- 
des Organ,  welches  aller  Wahrscheinlichkeit  der  Athniung 
diene  und  führte  zur  Erhärtung  seiner  Ansichten  Beobach- 
tungen, besonders  an  Actinaphrys  Eichhornii  und  Bursaria 
leucas,    an.     Er  machte  ferner  auf  den  eigentümlichen  Bau 


der  Saug-Arme  der  Acineten,  besonders  von  Acineta  ferrum 
equinum  aufmerksam,  deren  Bewegungen  ein  complicirtes 
Muskelsystcm  zu  verrathen  scheinen.  Ein  ähnlicher  Bau 
findet  sich  im  Stiele  der  Vortirellen.  Endlich  beschrieb 
derselbe  ein  mit  den  Acineten  verwandtes  Infusor,  welches 
an  Cyclops  Qoronalus  Claus  angeheftet  lebt.  Dasselbe  zeich- 
net sicli  durch  einen  sehr  langen  und  beweglichen  Bussel 
aus  und  ist  delswegen  llhyiichela  Cyclo/tum  genannt  worden. 
Herr  Ron  che'  sprach  über  den  Schlaf  einiger  Pflanzen. 
Bis  jetzt  sei  dieser  eigentümliche  Zustand  nur  an  Pflanzen 
mit  zusammengesetzten  Blättern  beobachtet,  in  neuerer  Zeit 
habe  man  das  Schlafen  auch  einer  Graminee,  des  Slrephium 
guianense,  im  Jardin  des  plantes  in  Paris  wahrgenommen, 
welches  seine  Blätter  gegen  Abend  nach  oben,  gegen  den 
Stengel  legt;  ihm  sei  das  Schlafen  auch  bei Pirnelea  s/iecta- 
bilis  und  einer  noch  unbenanuten  Me/a/euca,  die  der  eru- 
bescens  nahe  verwandt  ist,  vorgekommen,  indem  beide 
Pflanzen  ihre  Blätter  gegen  Abend  dem  Zweige  zuneigen, 
und  alsdann  ein  ganz  anderes  Bild  als  zur  Tageszeit  bieten. 
Diese  Bewegung  der  Blätter  sei  besonders  im  Sommer  an 
jungen  Zweigen  wahrzunehmen,  —  Ferner  legte  derselbe 
Blätter  der  Hulesia  tetraplera  vor,  an  denen  sich  einzelne 
Seitennerven  besonders  stark  ausgebildet  hatten,  wodurch 
auch  die  Lamina  verbreitert  war  und  so  der  Anfang  eines 
buchtigen  oder  gelappten  Blattes  dargestellt  wurde.  Ähn- 
liches finde  sich  auch  bei  Heus  heterophylla.  der  in  der 
Begel  nur  mit  starken  Zähnen  versehene  Blätter  habe,  nur 
bisweilen  trete  ein  spitziger  Lappen  aus  dem  Rande  der 
Blattfläche  hervor,  wo  alsdann  der  dahin  gehende  Seitennerv 
bedeutend  länger  als  die  andern  sei.  —  Endlich  legte  der- 
selbe noch  Ficus  sti/mlacea  vor  und  zwar  die  kletternde  und 
die  fruchttragende  Form. 

AK   Geschenke  wurden   mit  Dank  entgegengenommen: 

Monatsberichte  der  Akad.   d.  Wissensch.     Juliheft   1866. 

Beiträge  zur  Naturgeschichte  der  Infusorien  (Separatabdruck) 
von  Dr.  W.  Zenker. 

Die    Spiralfasern    im    Sympathicus    des    Frosches    (Separat- 
abdruck)   von  Dr.  J.  Sander. 

Botanische    Ergebnisse    aus    dem    Dänenkriege    von   Dr.   J. 
Sander. 


Gedruckt  iu  der  Druckerei  der  Königl.  Akademie  der  \\  lssenschaflen. 


Date  Due 


-2-LJ948 
HCl        L 

2        1951 


Harvard   MCZ   Library 


Hl  I      I | 

3  "2044   066   304"  866