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SITZUNGSBERICHTE
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
JAHRGANG 1892.
ZWEITER HALBBAND. JUNI BIS DECEMBER.
STÜCK XXIX—LV MIT VIER TAFELN, DEM VERZEICHNISS DER EINGEGANGENEN DRUCK-
SCHRIFTEN, NAMEN- UND SACHREGISTER.
BERLIN, 1892.
VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.
IN ESET:
Ramwersperg: Über die Leueit- Nephelingruppe Re E a
CoxzeE: Jahresbericht über die Thätigkeit des Kaiserlich Deutschen aehasoloeschen Instituts
Scuraper: Die Vorstellung vom uovoxeews und ihr Ursprung (hierzu Taf. V)
v. D. GABELENTz: Zur Beurtheilung des koreanischen Schrift- und Lautwesens (hierzu Taf. vn.
Voser: Antrittsrede 5
Auwers: Antwort an Hrn. VoGEL
Damzs: Antrittsrede ER
E. ou Bors-Reymonp: Antwort an Hrn. Daumzs . NE Fat
Errichtung der Heımnorrz - Stiftung und Verleihung ihrer ersten vier © Medaillen.
Preis der Diez -Stiftung . WE
Preis der CHARLOTTEN - Stiftung für ehrlaloers
Preisausschreiben aus dem Errer’schen Legat NER ENG a I
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen und die Anfänge einer bischöflichen Chronographie in Rom
Ronpe: Muskel und Nerv bei Mermis und Amphioxus
Rosupe: Gibt es Holomyarier ? ER ETIE ng; EL rule
Wartengacn: Jahresbericht des Königlichen Historischen Tnstilnts in Rom .
Dümmter: Jahresbericht der Behtraldirechion der Monumenta Germaniae historica .
Munk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde (hierzu Taf. VII) 2%
Lanvorr u. Jaun: Über die Moleeularrefraetion einiger einfacher organischer a für Strahlen
von unendlich grosser Wellenlänge . ER Se A i A U
Adresse an Hrn. Wırnerm WATTENBAcCH zur Feier seines fünfzig; ährigon Dabin Inbilacums am 20, Juli 1892
Weser: Über den väjapeya ER e :
HırscareLn: Die aegyptische Polizei der römischen Kaisorzöit Act Papyriemikundan
Gorpsteis: Über die sogenannte Sehichtung des Kathodenlichts indueirter Entladungen
Mommsen: Rhodische Inschrift
Gorrre: Über die Entwiekelung von lag note
Kırensorr: Der Roman eines Sophisten :
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Kpokalynes 3 Beims ar ß Ar
Ansprache an Se. Excellenz Hrn. von HrrLmnuorız zur Feier seines fünfzigjährigen Doc ‚faniubilanting am
2. November 1892 ; & B
SCHWENDENER: Zur Kritik der neuesten Käterarchungen über dar Saftstergen . >
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. Zweite Mittheilung .
Vırcnow: Über den troischen Ida, die Skamander-Quelle und die Porta von Zeitunlü
NVEERESulberBahliegBahlika re ee ee ee
Adresse an Hrn. FrıEprıch von SPIEGEL zur Feier seines fünfzigjährigen Doetorjubilaeums am
8. November; 1892). MM... Re 0
VAnHtEn: Über das Saeculargedicht 1a ins ee
USENER:
Dirımann:
LADENBURG: Über das, Isoconiin,
Inhalt.
Die Unterlage des Laertius Diogenes .
Stickstoff . P
Rımsacn: Zum Keoragemicht ie: BE
DiLLmann:
von HELMHOLTZ:
Über den neugefundenen griechischen Text des ae Baches
Elektromagnetische Theorie der Farbenzerstreuung es -
Fuchs: Über die Relationen, welche die zwischen je zwei singulären Punkten erstreckten Integale
der Lösungen linearer Differentialgleichungen mit den Coeflfieienten der Fundamentalsubstitutionen
der Gruppe derselben verbinden
pu Boıs und Rurens:
von BEZoLD:
ÜurrTIUS:
LEUMANN:
Nachtrag
Die Deichbauten der Minyer (hierzu Taf. VIII)
Jinabhadra’s Jitakalpa,
mit Auszügen aus Siddhasena’s
Über den neugefundenen griechischen Text des ana Bches ARE
ein neues Isomeres des Coniins, und über den asymmetrischen
105%
. 1071
1079
Cürni.
Zweite Mittheilung
Über Polarisation ultrarother Sn beim Dehgang derch Met alldrabtgicken
Der Wärmeaustausch an der Erdoberfläche und in der Atmosphaere
Seite
. 1023
. 1039
1095
-A11s
1129
..1139
. 1181
11155)
.1271
539
1892.
XXIX.
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
2. Juni. Sitzung der philosophisch-historischen Classe.
Vorsitzender Secretar: Hr. VAuLen (1. V.).
Hr. Wemnorn las über Glücksrad und Lebensrad.
Die Mittheilung wird in den Abhandlungen erscheinen.
Ausgegeben am 11. Juni.
Sitzungsberichte 1892. 49
541
1892.
AXX.
SITZUNGSBERICHTE
| KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
2. Juni. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe.
Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers.
Hr. Rammeusgere las die umstehend folgende Mittheilung: Uber
die Leucit-Nephelingruppe.
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543
Über die Leueit-Nephelingruppe.
Von (Ü. RAMMELSBERG.
es: Mineralien, welche in den jüngeren plutonischen und in den
vulcanischen Gesteinen auftreten, Leueit und Nephelin, sind die
typischen Glieder einer Gruppe, welche wir nach ihnen als Leucit-
Nephelingruppe bezeichnen wollen.
Die Glieder einer Gruppe besitzen gleiche Krystallform, mag
auch diese Gleichheit in vielen Fällen wegen der Isomorphie keine
absolute sein.
Nun kann aber ein krystallisirender Körper heteromorph sein,
er kann in zwei Formen auftreten, und verknüpft dann zwei Reihen
von Körpern, bei denen die gleiche Heteromorphie noch nieht bekannt
ist. So verknüpft das Kalkcarbonat die Aragonitreihe mit der Kalk-
spathreihe.
In unserer Gruppe ist der Leueit der Prototypus der regulären
Glieder, zu denen der Pollueit, der Sodalith, der Hauyn, der Nosean
und der Lasurstein gehören. Oktaeder, Granatoeder und Leueitoeder
sind die herrschenden Formen.
Im Nephelin haben wir andererseits den Prototypus der sechs-
gliedrigen, zu denen der Facelith, Eukryptit, die Natronverbindung,
der Ganerinit und Mikrosommit gehören. Genaue Messungen gestattet
freilich nur der Nephelin, und es ist allerdings nur eine freilich
höchst wahrscheinliche Annahme, dass die Krystalle der übrigen sich
auf die Nephelinform beziehen. Die sehr kleinen Mikrosommite würden
nach ScaccHr eine Hauptaxe haben, welche sich zu der des Nephelins
wie 1.4:ı verhält.
Die chemische Zusammensetzung der Glieder einer Gruppe kann
eine gleiche, sie kann in anderen Fällen trotz krystallographischer
Gleichheit eine verschiedene sein.
In unserem Falle, wo es sich um eine Silicatgruppe handelt,
verstehe ich unter gleich zusammengesetzten Gliedern solche, bei
denen das Atom- bez. Aequivalentverhältniss R: Si das gleiche ist;
alle Glieder stehen auf gleicher Sättigungsstufe.
544 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 2. Juni.
Solche Gruppen sind z. B. Olivin (zweigliedrige Halbsilicate von
R), Willemit (sechsgliedrige derselben Art), Granat (reguläre Halb-
silieate von R und R), Turmalin (sechsgliedrige Drittelsilicate von
R, R und #), Epidot (zwei- und eingliedrige Verbindungen von
Halb- und Drittelsilieaten). In anderen Silieatgruppen sind die Glieder
trotz gleicher Form ungleich zusammengesetzt, sie stehen auf ver-
schiedenen Sättigungsstufen.
Es genügt, ein Beispiel dieser Art, die Feldspathgruppe, zu nennen,
deren Glieder Orthoklas und Albit saure (Trisilicate) sind, während
der Anorthit aus Halb-(Singulo-)Silicaten .besteht.
Die Constitution der Silicate ist uns unbekannt: weder künstlich
herbeigeführte Reactionen noch die in der Natur eintretenden Um-
wandlungen, die Verwitterungsprocesse, geben Aufschluss. Und doch
können wir uns mit der aus der Analyse folgenden empirischen
Formel nicht begnügen. Enthält ein Silicat, wie gewöhnlich, mehrere
verschiedenwerthige R, so ist es ein Complex von Silicaten gleichen
Sättigungsgrades, den die Analyse zu erkennen giebt. Aber dies ist
auch die einzige Annahme, die wir zu machen haben, und ich denke,
weiter dürfen wir für jetzt nicht gehen.
Wirft man aber einen Blick auf viele in neuerer Zeit construirte
Mineralformeln, so erstaunt man über die Begriffsverirrungen in den
Grundgesetzen der Chemie, welche in ihnen zu Tage treten. Dass
die Silicate Salze sind, dass zwischen dem Si und den elektropositiven
Elementen ein einfaches Atomverhältniss obwalten muss. welches in
(len Sättigungsstufen nach dem Gesetz der multiplen Proportionen
sich ändert, davon ist nicht mehr die Rede. Um die Isomorphie
ungleich zusammengesetzter Verbindungen durch analoge Formeln zu
erklären, bringt man dieselben auf gleiche Sauerstoffmengen.
Die Formel des Albits schreiben wir Na?’APSi°O", nicht aber
NaAlSPO°, weil die kleinste Menge Aluminium, welche in Verbin-
dungen eintritt, 2 At. beträgt.‘ Der dem Albit isomorphe Anorthit
CaAl’Si’O° kann nicht ı At. Al enthalten, weil auf 2 At. die kleinste
Menge Ca kommt.
Um nun die Isomorphie beider zu erklären, nahm man an, die
Anorthitformel sei zu verdoppeln, betrachtete ihn also als Ca? ASitO"
(die Moleeulargrösse ist ja nicht bekannt), und sagte nun, beide Feld-
spathe sind isomorph, weil 2 Si des Albits CaAl” des Anorthits
vertreten.
" Dass der Dampf von Al?C1% in sehr hoher Temperatur = 2 AlC]? wird, kommt
hier nicht in Betracht.
RAMMELSBERG: Über die Leueit- Nephelineruppe. 545
srup
Man begriff nicht, dass Vertretung mehr als Aequivalenz ist,
dass nur Körper von analoger Natur sich in Verbindungen vertreten
können, nicht: aber Kieselsäure die Stelle eines Aluminats GaAl’O!
einnehmen kann. Es versteht sich von selbst. dass alles, was in
den Formeln vor den 16 At. Sauerstoff steht, in beiden aequivalent
sein muss, und dass, wenn man aus ihnen aequivalente Grössen fort-
nimmt, aequivalente Mengen übrig bleiben.
Man sah nicht. zu welch absurden Folgerungen eine solche An-
nahme führt. Alle Silicate wären isomorph, da man ihre Formeln
auf eine gleiche Zahl von Sauerstoffatomen bringen kann.
Es kann nicht oft genug gesagt werden: die Isomorphie ist eine
Folge der gleichen Struetur der Krystallmoleeüle, sie steht in keinem
:ausalen Zusammenhange mit der Stellung der Atome in den einzelnen
Molecülen, wenn es auch leicht begreiflich ist. dass analog constituirte
Molecüle vorzugsweise geneigt sein werden, Complexe zu bilden,
welche sich gleichartig zu Krystallen aufbauen.
Ein Bild moderner empirischer Structurformeln findet man in
Bröscger’s und Bäckströn’s Abhandlung über die Mineralien der
Granatgruppe (zu welcher auch Leueit, Sodalith, Hauyn gestellt sind).'
Wir wollen alle hypothetischen Vorstellungen, welche der Phantasie
weiten Spielraum bieten, bei den Silieaten unberücksiehtigt lassen, vor
Allem jedes Formelspiel verwerfen, durch welches ungleich zusammen-
gesetzte isomorphe Verbindungen als analog constituirte erscheinen
sollen.
Die Glieder der Leueit-Nephelingruppe sind ungleich zusammen-
gesetzt, sie fallen also nieht unter eine allgemeine Formel. Es sind
theils normale, theils Halbsilieate.
Allen gemeinsam ist Thonerdesilicat und dieses ist verbunden
entweder mit Alkalisilicat oder mit diesem und Kalksilieat.
Normale Silicate sind die regulären Glieder Leueit und
Pollueit (Leueitreihe). Sie enthalten nur Alkalimetalle (und Wasser-
stoff‘). Alle übrigen bestehen aus Halbsilicaten (Nephelinreihe).
Facelith, Eukryptit und die bisher nur künstlich dargestellte
Natronverbindung, sämmtlich sechsgliedrig, enthalten ebenfalls
nur Alkalimetalle. Cancrinit (Davyn), gleichfalls sechsgliedrig. ist eine
isomorphe Mischung von Silicaten und Carbonaten von Natrium,
Wasserstoff und Caleium; Nephelin, der Prototypus dieser Reihe,
Natrium und Kalium enthaltend, ist chemisch von besonderem Interesse,
denn er ist eine Verbindung des Natronhalbsilicats mit dem normalen
Kalisilicat, welches in ihm sechsgliedrig, als Leucit regulär ist. Die
! Groru Zeitschr. 18, 209.
546 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 2. Juni.
übrigen Glieder sind Halbsilicate, in Verbindung mit Chloriden, Sulfaten,
selbst Sulfuriden.
Sodalith, die Natriumverbindung, enthält Chlorid.
Hauyn und Nosean, Natrium und Caleium enthaltend, führen
Sulfate und Chloride.
Sie alle sind regulär.
Mikrosommit ist dem Hauyn und Nosean gleich, jedoch sechs-
gliedrig. Es ist dies der zweite Fall von Isomorphie in der Gruppe.
Lasurstein hat dieselben Bestandtheile, ist aber durch gleich-
zeitigen Gehalt an Sulfurid ausgezeichnet. Er ist regulär.
Es mögen nun die Resultate der bisherigen Untersuchungen der
einzelnen Glieder folgen.
Pollueit.
Des CrorzEeaux und v. Rarn zeigten, dass dies von BREITHAUPT
entdeckte Mineral von Elba Combinationen von Würfel und Leueitoeder
bildet und einfach brechend ist. Pısanı wies den Gehalt an Cäsium nach,
und ich habe es gleichfalls untersucht. Zuletzt hat Weırs ein Vor-
kommen von lHebron, Maine, analysirt.
Wenn R=Cs, Na, K, so sind die gefundenen Verhältnisse:
RAS 220
‚ f 5 ers er i DER 2
Pısanı 2 RE DI LOIOEE— 2.2,0,0,0 O0.
RAMMELSBER6G 1.9 :1:4.5:0.85
WELLS 2.0.7219 74.572085
Pısası hat die Alkalien etwas zu hoch bestimmt (die Analyse zeigt
1, brocent, Überschuss), ‚Offenbar ist das‘ Verhältniss —= 2:11: 1.5208;
der Pollueit also
R*Al’Si°0”° + H’O
Das Wasser entweicht erst über 300°, und nur beim Glühen voll-
ständig, es darf daher als chemisch gebunden betrachtet, und die
Formel
H’R!APSi?O”
geschrieben werden.
!
Diese Formel, welche 3 R’SiO3 entspricht, zeigt, dass der Pollueit
aus normalen Silicaten besteht, also
3 R’SiO3 MSio!
2 ALSPOP)—| (C8’Si03)
I A1 Si30° \
/
RanmersgerG: Über die Leueit-Nephelingruppe. 547
Der Elbaer Pollueit scheint im Laufe der Zeit etwas Wasser auf-
genommen zu haben.
Das Atomverhältniss Na(K): Cs ist nach
Pısanı — 182
RAMMELSBERG — 1: 2.4
WELLS ge ERSTE)
Der Letztere fand auch 0.35 Procent Lithion (Li:K:Na= 1:3: 16)
und o.2 Kalk.
Leueit.
Die chemische Natur dieses Minerals. in welchem Krarrorn das
Kalium als Mineralbestandtheil auffand, ist durch zahlreiche Analysen
festgestellt, welche K:Al:Si= 2:1:4 ergaben, so dass er eine
Verbindung normaler Silicate
Be |
AlSI’O
ist.
Das Kalium ist wohl stets von Natrium begleitet, dessen Menge
als Na?O jedoch selten bis ı.5 Procent steigt. Bıscnor's Angaben eines
Natrongehalts von 6 Procent im vesuvischen Leueit aus neueren Laven
sind von mir als irrig nachgewiesen worden. Dagegen giebt es Natron-
Leueit in den vorhistorischen Sommalaven (s. u.).
Der Leueit ist vielfach der Zersetzung unterworfen (Rocca Monfina,
Meiches, Rieden), die sich durch Aufnahme von Natron und Wasser
zu erkennen giebt. Schliesslich verwandelt er sich in Analeimsubstanz,
wie ich an den grossen Kıystallen der Rocea Monfina zeigte, in welchen
das Kali fast ganz durch Natron ersetzt ist, ein Process, den LEMBERG
durch Behandlung des Leueits mit Chlornatriumlösung künstlich hervor-
gerufen hat, während andere Krystalle jenes Fundorts in Thon ver-
wandelt sind, und solche am Vesuv und am Kaiserstuhl vorkommen,
die sich durch einen Gehalt an Kalk auszeichnen.
Interessant sind die Pseudomorphosen aus Basalt von Oberwie-
senthal. welche offenbar ein Gemenge von Orthoklas und 'Thon dar-
stellen.
Von der merkwürdigen Verwandlung natronhaltigen Leueits wird
beim Nephelin die Rede sein.
Facelith.
In einem aus Glimmer und Augit bestehenden Gemenge von M.
Somma fand E. Scacent d. J. farblose feine regulär sechsseitige Prismen,
pe > is . . . fr .
548 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 2. Juni.
spaltbar nach der Endfläche, V.G. 2.47. mit Säuren gelatinirend. Nach
der Analyse ist K:4Al:Si=2:ı:2. Das Mineral besteht also aus
Halbsilieaten
1 RS O8 N
Ralszo 2) >
AP Si30": |
Eukryptit.
Mikroskopische sechsseitige Prismen, V. G&. 2.667. Emtstehend aus
den Zersetzung des Spodumens von Branchville, Conn., neben Albit:
schmilzt leicht und gelatinirt mit Säuren.
Penrienv’s Analyse ergiebt Li:Al:Si= 2:ı:2. Das Mineral
besteht also gleich dem Facelith aus Halbsilicaten
BL ae)
er
ven A Si50" \
Natron-Thonerdehalbsilieat.
Durch Zusammenschmelzen von Na’CO°, AlO3 und 2 SiO? erhielt
Dörrer dieses Halbsilieat
Sr \ NatSı0* |
Na’Alsı? @° — Ya Sen 12 \
Al’SB O0” \
in regulär sechsseitigen Prismen. Wir werden sehen, dass es mit dem
normalen Kali-Thonerdesilicat den Nephelin bildet.
Nephelin.
Ein sehr verbreiteter Gemengtheil älterer und jüngerer krystal-
linischer Gesteine, neben Thonerde Natron und Kali enthaltend. Nur
selten ist er bei seiner leichten Zersetzbarkeit in ursprünglicher Be-
schaffenheit anzutreffen, und von dieser Art sind eigentlich nur die
farblosen durchsichtigen Krystalle aus den Silicatgesteinen des M. Somma,
besonders der Sanidin führenden.
Er wurde lange für eine Verbindung von Halbsilicaten gehalten,
allein alle neueren Analysen beweisen, dass der Nephelin mehr Kiesel-
säure enthält. Zu diesen neueren Versuchen, betreffend den Nephelin
vom Vesuv, gehören zunächst die von SCHERER und Franxcıs in H. Roses
Laboratorium 1849 ausgeführten, sodann die meinigen, welche später
(1876) wiederholt wurden, und denen (1878) die von Raurr folgten.
Die von ScHERER mit möglichst reinem Material ausgeführte Ana-
lyse hat nieht bloss ı Procent Überschuss, sondern auch 2 Procent
Ranmeısgers: Über die Leneit-Nephelingruppe. >49
Kalk ergeben. Ich habe mich überzeugt, dass die reinsten Krystalle
frei von Kalk (Magnesia) sind, und dass die Erden von eingewach-
senen Augitpartikeln herrühren. In meinen 5 Analysen beträgt der
Kalk 0— 0.67 Procent. Auch in den 5 sonst sorgfältigen Analysen
Raurr's geht der Kalk von 1.3— 1.8 Procent, die Magnesia von o bis
0.2 Procent.
Diesem vesuvischen Nephelin möchte ich noch einen krystallisirten
von Grönland anreihen, der von LorENnzEn untersucht wurde. Auch
er enthält 0.7 Procent Kalk und 0.83 Eisenoxydul, welehe wohl gleich-
falls von Augit herrühren dürften.
Bei der Berechnung sind Ca, Mg. Fe als normale Silicate in
Abzug gebracht. Alsdann ist
R:Al:Si Na:K
RANMELSBERG
1
RB
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5),
(67,
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ERS I2ZO Se
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RaurF 14 10 BAHN a 2 4.8: 1
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5. 1,3/2.18
Mittel 1.9, 13 22 2305 Sk: 1
LoRENZEN ro HE 23a AT
Es ergiebt sich hieraus
rrdası Na KzAl=>:ı
2. dass Al: Si nicht =ı: 2, der Nephelin kein Halbsilieat ist.
Die Alkalien lassen bei mir und bei Raurr gegen die Thonerde
einen Verlust erkennen, was sich aus der analytischen Methode erklärt.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieser Fehlbetrag in der Thonerde
steckt. Ist dies aber der Fall. so wird das Verhältniss Al: Si hiervon
berührt, welches bei mir nahe ı: 2.2, bei Raurr bis ı: 2.18 liegt.
Ich glaube daher, dass die Säuremenge etwas grösser (d. h. die der
Thonerde etwas geringer) ist, als sie nach dem Verhältniss ı: 2.2 zu
sein scheint, und ziehe die Proportionen ı: 2.25 (I) und ı:2.28 (M)
in Betracht. |
Hiernach würde der Nephelin nach
I. R’ALSIO%*
I. RuAlsieo®%
550 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 2. Juni.
sein. Nach Verwandlung des Al in R ist
I. R»SioO% R:Si- SESIE
II. R4Si0" — a
Beide zeigen eine Verbindung von normalen und Halbsilicaten an,
und zwar
IE IT.
R?SiO? |
| Rısio: 3 R'SiOt
Offenbar ist II. die einfachere Formel, welcher wir den Vorzug geben
dürfen.
Im vesuvischen Nephelin ist K:Na=1ı:5.
Schreibt man die Formel II R4AI S1.50>
6 Na’Al Si?O°
K’AlSitO"
so ist das erste Glied das in allen nachfolgenden Gliedern der Gruppe
wiederkehrende, von Dörter in der Nephelinform künstlich dargestellte
Natronhalbsilicat, das zweite Glied aber das normale Kalisilicat,
welches in regulärer Form als Leueit erscheint.
Da hiernach K:Na—=1:6 wäre, in.Wirklichkeit aber = 175
ist, so darf man wohl annehmen, dass in dem Halbsilieat ar des Na
durch K ersetzt ist. |
Entspricht nun der Nephelin wirklich einem Silicat R*Si*O"5,
so entsteht durch Hinzufügung von Orthoklas R'Si3 0% Leueit
R’SiO’, da
Kusion
+ 3 R' SP0°
— 13 R? Si O3
Oder
ı Mol. Nephelin R"A17Si15 0%
6 » Orthoklas 6 R? Al Si6 0%
= 7 34 #4 Leueit 23 R: Al Sit 0%
Dieses aus der atomistischen Zusammensetzung der drei Mine-
ralien durch Rechnung abgeleitete Resultat ist aber nicht blosse Spe-
eulation, es lässt sich zeigen, dass in der Natur natronhaltiger Leueit
sich in Nephelin und Orthoklas spaltet.
RauneLsserG: Über die Leueit- Nephelingruppe. 551
Beim Leueit habe ich angeführt, dass der in den neueren Vesuv-
laven vorkommende nur geringe Natronmengen enthält. Nur AsıcH
hatte in kleinen Körnern 8.8 Procent Natron gegen 10.4 Kali gefunden,
ao RK: Na='4:5.
In den älteren Sommagesteinen finden sich aber theilweise an-
sehnliche Leucitkrystalle, besonders in den körnigen Aggregaten von
Sanidin (natronhaltigem Orthoklas oder sogenannten glasigem Feld-
spath), in denen Nephelin fehlt. ‘Diese Krystalle wurden von Scacchı,
Haıpineer und Brum für Pseudomorphosen von Sanidin nach Leueit
erklärt, von welchem zuweilen noch ein Kern sich erhalten hat.
Im Jahre 1856 hatte ich Gelegenheit, solche Leueitkrystalle zu
untersuchen, welche in Begleitung von Sanidinkrystallen in einer
grauen Lava liegen, im Innern aber aus einer grünlichweissen Masse
bestehen, welche krystallinisch, leicht zerreiblich ist und den Raum
nicht ganz ausfüllt. Durch Behandlung mit Chlorwasserstoffsäure
zerfiel sie in zwei Theile; der zersetzbare war Nephelin, der unzer-
setzbare Sanidin. @. Rose hat dann die Krystallform beider in diesen
Leueiten erkannt.'
Damals deutete ich schon an, dass hier keine Pseudomorphose,
sondern eine Spaltung eines natronhaltigen Leueits vorliege.
Leueit kann also in Nephelin und Sanidin zerfallen, und Nephelin
ist als eine Verbindung von Natron -Thonerdehalbsilicat mit normalem
Kali-Thonerdesilicat (Leueitsubstanz in sechsgliederiger Form) anzu-
sehen.
Die Nephelinformel, wie sie oben vorgeschlagen wurde, findet
in der Spaltung des Leueits ihre Bestätigung, und die Fähigkeit des
Natron-Thonerdehalbsilieats, sich mit einem anderen Salz zu ver-
binden, spricht sich in ähnlicher Art im Sodalith und den übrigen
Gliedern der Gruppe aus.
Cancrinit. Davyn.
MonricerLı und Coverıı bezeichneten als Davyn ein Mineral aus
älteren vesuvischen Gesteinen von der Form des Nephelins, welches
nach ihrer Analyse ı2 Procent Kalk und 7.4 Wasser, aber kein Alkali
enthalten sollte. Indessen sind diese Angaben sehr zweifelhaft, und
ist die Analyse mit einem Verlust von 3 Procent behaftet. Scaccht,
welcher 1852 die Krystalle genauer untersuchte, hielt sie für Nephelin.
Im Jahre 1860 analysirte ich diese von Scacenr mir mitgetheilten
Krystalle und fand, dass sie auch Natron und Kohlensäure enthalten.
! LEmBERG hat 1883 meine Versuche wiederholt.
332 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 2. Juni.
Noch während der Davyn für Nephelin gehalten wurde, fand
G. Rose bei Miask den Canerinit und in ihm dieselben Bestand-
theile, welche der Davyn enthält, und später ist er auch in Sieben-
bürgen, Scandinavien und Amerika nachgewiesen worden.
Man hat Davyn und Canerinit anfänglich für Gemenge von Ne-
phelin mit kohlensaurem Kalk gehalten, allein die Substanz ist voll-
kommen homogen auch in optischer Beziehung und enthält überdies
Wasser. Die Menge der Kohlensäure ist so gross, dass auch Natron-
carbonat vorhanden sein müsste, und die Berechnung der Analysen
lehrt, dass das mit dem Silicat verbundene wasserhaltige Kalk-Natron-
carbonat eine wechselnde Zusammensetzung haben würde. Dies folgt
aus der nachfolgenden Zusammenstellung der vorhandenen und zur
Berechnung geeigneten Cancrinitanalysen.
Atomverhältniss
Na” :7Ca €0?:H°0
Miask Raurr I 821 DEE
PusırEwWSKY I Hl DhkEI N
Liehfield Wnırney a) ) 2.0 ae
bh) 1 I ul: 8
ULARKE A) Io 7
h) ae Bet
©) BUSENT AV 5
Siksjöberg Linpström Se 1241220
Ditro 'TSCHERMAK I ee 1: 02
Brevik Pısanı I A NER
LEMBERG 2 a INS
Marienskaja PusirEwskY BIO DER
Die Carbonate Na’CO? und CaCO? wären also in sehr verschie-
denen Verhältnissen vorhanden, und der Wassergehalt der Verbindung
gleichfalls sehr verschieden. Nur bei Lemgere ergäbe sich eine dem
Gay Lussit nahe kommende Verbindung.
Das übrigbleibende Natron-Thonerdesilicat ergiebt folgendes Atom-
verhältniss:
NasFAl Si
Miask RaurF 2:05,.0,:,2.25
PusiREWSKY 1.0.07,.99.7
Lichfield Wrıtsev a) 2204,.1.:.2
2.
D
fe
D
ÜLARKE 4 1%
=
Du u
ei
on SQ
=
DD DD
Raumersgerg: Über die Leueit-Nephelingruppe. 3155)
\ Nasa Al ‚Si
Siksjöberg Linpströn a
Ditro 'ÜSCHERMAK a
Brevik Pısanı 249,1 2:151245
LEMBERG Ra a PET.
Marienskaja PusirEwskyY 2.0:1:2.3
Das Silieat nähert sich mit 2:1:2 dem reinen Halbsilicat, über-
wiegend jedoch ist mehr Säure vorhanden, so dass es ein kalifreier
Nephelin sein könnte. Indessen bleibt die Frage zweifelhaft.
Anders verhält es sich mit dem Davyn, welcher mehr Kalk
enthält, als die Kohlensäure verlangt. Man müsste in ihm CaCO’ + ag
annehmen, verbunden mit einem kalkhaltigen Silieat, welches, wenn
Ca = 2Na gesetzt wird, Na:Al:Si=2.2:1:2.2 ergiebt, und in welchem
Ca:Na=1:14 sein würde.
Die vorstehende Deutung der Natur dieser Mineralien ist offenbar
unbefriedigend.
Wenn natürliche Silieate Kohlensäure und Wasser enthalten, so
sind es in der Regel Umwandlungsproduete. Allein es giebt auch
krystallisirte Verbindungen von Silicaten und Carbonaten.
Aus Rohsodalaugen setzen sich ausser Gay Lussit wohl ausge-
bildete zweigliedrige Krystalle ab, welche SiO?: 200°, und ausserdem
Thonerde, Kalk, Natron und Wasser enthalten, mithin dem Canerinit
qualitativ gleich sind." Sie lassen sich nur als isomorphe Mischungen
normaler Silieate und Carbonate betrachten, entsprechend der Formel
(3Na? (Si,C) O?)
I2Ca (Si, 6) OS)
Faro, a
I
[8S)
Ich schlage für den Canerinit und Davyn dieselbe Annahme vor,
mit der Modifieation jedoch, dass ich das Wasser als chemisch ge-
bunden betrachte.
ı !
Verwandelt man in den Cancrinitanalysen Al in 6R, Ca in 2R,
!
fasst Na und H zusammen, und vergleicht die At. der R und des
!
Ö6+Si, so ergiebt sich R:Si,C
Miask Raurr 30072 1
PUSIREWSKY A071
Liehfield Wurrney a) SL On
b) 27081
! RAMMELSBERG im J. f. pr. Chem. (2) 35, 108.
54 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 2. Juni.
ÜLARKE A) 39 N:
b) 4.0 I
e) 3.8 I
Siksjöberg Linpström 3.0, 1
Ditro 'TscHERMAK 4.0 I
Brevik Pısanı SEO ET
LEMBERG 4.2 I
Marienskaja PusirEwsKkv 3ER
Davyn. Vesuv Re. Bro
Die Mehrzahl ergiebt also 4:ı, und die Abweichungen 3.6: 1
dürften von der Beschaffenheit des Materials und von den Fehlern
der Analyse herrühren.
Man darf daher den Canerinit als eine Verbindung von Halb-
silieaten und Garbonaten betrachten, und denselben ganz allgemein
durch
IR2SMOS
\y Ga? Sı O*
ZA SP072)
bezeichnen, wobei Si= Si und © ist.
Die einzelnen unterscheiden sich dureh das Verhältniss X :Y:Z,
sodann durch das von H:Na und 0: Sı.
Die Berechnung der Analysen führt in dieser Beziehung zu fol-
genden Mol.- und Atomverhältnissen:
EV RZE EI Na (de HS
Miask as BE A ERAEE,
Lichfield OBER A TEN? Ders
Siksjoberg. 4) 46,277:,3, ,m2 IR AS
Ditro DER EI A 2.455
Brevik Sa DALE
Marienskaja, 8 >17: 2. 77 :4466 °1.: 5
Vesuv PERS De 0) ea)
Immer ist X = 22.
In dem reinen Natron - Thonerdehalbsilicat
\ NatSı 0% |
| A SO" \
St RZ ee
Sodalith.
Dieses chlorhaltige Natron - Thonerdesilicat, welches mitunter
kleine Mengen Kali und Kalk führt, kann, seiner Bildung nach, und
überhaupt aus chemischen Gründen nur als eine Verbindung von
RAamnELSBERG: Über die Leueit- Nephelingruppe. 355)
Chlornatrium mit dem oft erwähnten Halbsilicat Na?’ Al Si”O° aufgefasst
werden, und nur aus dem Atomverhältniss Cl: Si lässt sich ersehen,
ob in allen Sodalithen dasselbe Mol.-Verhältniss beider Salze wieder-
kehrt oder nicht.
Die Analysen zeigen 7.3— 5.3 Procent Chlor gegen 36—38 Kiesel-
säure, so dass Ol :Si von ı:3 bis ı:4 varürt.
Obgleich nun die Chlorbestimmung grosser Schärfe fähig ist, so
liegt es doch in der Art der Analyse, dass seine Menge zu hoch
ausfallen kann (SiO° im Ag).
Im S. vom Vesuv habe ich 6.7 Procent, LEemgere hat 6 Procent,
ARFVEDSON 5.3 Procent Chlor gefunden.
Alle S., in. welchen C1:Si= 1:4 ist, sollten 5.67 Procent Chlor
enthalten. Sie sind
(Na Ol }
Na*Si O* (
17 SE307)
Zu ihnen gehören die S. vom Vesuv, von Ditro, Brevik, Laven, Bolivia.
Nun giebt es aber auch eine Reihe von Analysen, in welchen
CL2Sı sehr nahe ı: 3 ist, welche also
(ANaCL, |
es Na’Si Ot }\
2 Al? Ss; 0"\
wären. Sie sollten 7.33 Procent Chlor enthalten, und dazu würden
die S. von Grönland, Baikalsee, Ischia, Ilmengebirge, Lichfield u. a.
gehören.
Einstweilen muss diese zweifache Art von Sodalithmischung an-
genommen werden, obwohl Versuche an solchen chlorreichen Ab-
änderungen sehr erwünscht wären.
Ein grüner S. vom Vesuv und ein solcher von Grönland ent-
Balten mur 2. 2 Procent Chlor, so: dass Cl: Si = rY7—-9. Sind
sie zersetzte Substanzen? Jedenfalls ist in dem vesuvischen das Silicat
ganz intact geblieben.
Indessen habe ich auch ein chlorfreies Umwandlungsproduet aus
Grönland kennen gelehrt, welches Kalk und Wasser aufgenommen
hatte.
Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass Leugere und Tuusurr durch
Synthese die beiden hier angenommenen Sodalithmischungen erhalten
haben, in denen Chlornatrium und das Silicat als isomorph betrachtet
werden können.
Sitzungsberichte 1892. 50
Dr
OD
Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 2. Juni.
Hauyn.
Während Sodalith aus dem Natron-Thonerdehalbsilieat besteht,
sehen wir im Hauyn gleichzeitig das entsprechende Kalksilicat (An-
orthitmischung) und an Stelle des Chlorids in jenem hier die Sulfate
von Natron und Kalk auftreten.
Das Natron ist oft von etwas Kali begleitet (bis 5 Procent),
welches im Folgenden in sein Aequivalent Natron verwandelt ist.
Geschieht gleiches mit dem Kalk (Ca = 2R), so ergeben die
Analysen
R im
Narr: Ca#r7Sultat, „Sılieat
Baikalsee. Bäcksrtrön 202.1 u202
Laacher S. v. Rırıu DACH I
Albano. Derselbe ar DEATSE
Vesuv. RANMMELSBERG 20, ed N
Niedermendig. Lemsere 2.8 :ı 124736
Melfi. Rıccrarpı N a 18
Pico da Cruz. DöLTEr DROQESST 160
Albano. Wnıirnev 3 I 1
Isleta. SAUER 4 I es,
Niedermendig. Wuırtney 4.66: 1 12210
Melfi. RAmmELSBERG AO ee]
Antao. DÖLTER S 1 1.:42.4
ImSsilteat ist immer R JAl2Sı = 2:7:2.
Die allgemeine Formel des Hauyns ist also
Na’s0%") CasoOt?
m ee arm a
ALSO" (AS0"
Mit Rücksicht auf das Verhältniss Na:Ca ist
Nar'Ca
Baikalsee men Dt
Vesuv
Albano. v. Raru \ 5sm-+ 4n Delssgsl
Laacher S. /
Niedermendig. LEMBERG |
Melfi. Rıccrarpı
Pico da Cruz un 3
Albano. WHırney
Isleta 2m+n 4 1
Melfi. RANMELSBERG sm-+2n 5 1
Antao 4m-+n SR TEE
Tr . . . I 5,
RaunmeLsgeRG: Über die Leueit- Nephelingruppe. 557
Nosean.
Er hat die Bestandtheile des Hauyns, nur viel weniger Kalk,
dafür aber stets etwas Chlor, welches auch in einigen Hauynen
nicht fehlt.
In allen Noseanen findet sich Wasser zu 0..3—2 Procent, was
als secundär zu betrachten ist.
Was zunächst das Atomverhältniss Na : Ca betrifft, so ist dasselbe
im Nosean
ı. Siderao, Gapverd. DöLTtEr 168 : 1
2. Laacher See, blaugrau. v. RaruH TO: 4
3. Guiniguada, Canar. SAUER A
4. Laaeber S., dunkelbraun. v. Rare 36 :ı
5. Desgl. Wnrney
6
SWRER:
Desgl., grün. v. Raru LO, 21
7. Desgl., farblos. v. Rıru Bet
Der letztere, kalkreichste (4 Procent) enthält zugleich das meiste
Chlor (1.08 Procent).
Verwandelt man auch hier Ca in 2 Na, so ist R im
RCIl: R?2SO# : Silieat
ronkiTh:n Am
Bst EEr. 6.63 1880
BE TA Harzso
EN 19. 2:
SA 35m:
DHL GE 7
[80
w
[ST 2 ne |
TEE 2 S
&D
Das Silieat ist das bekannte Na’AlSi’O°, und fast kaliumfrei.
Wird die kleine Menge des Chlorids in das Aequivalent des
Sulfats verwandelt, so ist das Verhältniss des Natriums im Sulfat
und Silicat in
I TER I
2iundea. 22. .01.9
7 082
2 und 0a
5 5
und es ergiebt sich für den N. die Zusammensetzung
\m Na?’SOt*
\ NatSiO* l
n
AS O"\
at
au
eo)
Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 2. Juni.
m+n. = Yan ANTEN2.. 3
NS NT 7,
3, 9 Nr. 45.6
42.5» NT
Der farblose Nr. 7 mit dem geringsten Wassergehalt hat auch die
einfachste Zusammensetzung, welche derjenigen des Hauyns entspricht,
so dass der ursprüngliche N.
[86)
NatSı 0?
APSPO2)
mit kleinen Mengen der Kalkverbindung (Hauyn) gemischt ist, zu
denen gleichfalls geringe Mengen Sodalithsubstanz hinzutreten. Die
meisten Abänderungen verrathen durch ihren Wassergehalt, dass sie
Veränderungen erlitten haben. Hat ‘doch G. vom Rırn im N. vom
Siebengebirge nur 2.27 Procent Schwefelsäure (und 7.37 Kali) gefunden.
| Na?’SoOt* \
Mikrosommit.
Von ScacchHi 1872 in alten Vesuvlaven nachgewiesen, ist er von
ihm und später von Raurr als ein Chlor und Schwefelsäure enthal-
tendes Silicat von Thonerde, Kalk, Natron und Kali erkannt worden,
wozu nach dem Letztgenannten noch 1.2—ı.5 Procent Kohlensäure
kommen.
/
Wird in den Analysen das Ca in R verwandelt, so ist das mit
RC und R?’SO? verbundene Silicat auch hier das stets wiederkehrende
!
R-A1Sj?0°.:
!
Ferner ist das Verhältniss der R in
RC R2SO: Silicat
nach? SeAcest.an 17.02, u 215.4
» 100 ee A E
RAaurer car 05,22 7,7246
» benanegren 2, ‚2 567
also, 22:41 = 62.d. hadersM: 356
4 RÜl
R?’S0®*
|
ASI?O'
ı Die CO? ist der SiÖ? zugerechnet.
fo}
Ranwersgerg: Über die Leueit - Nephelingruppe. 550
Diese Verbindung ist mit der entsprechenden Kalkverbindung ge-
I
mischt, und R ist Na und K.
R :Ca Na :K
SCAecHT an ee DD
» DSF REN!
RAurr va) 2,8% 2A 1
» ma 70ı DET
/
Noumt man R:Ca= 3:1, so wird, der M.
| 4RU | cr
3) r.sS07 7.29 ) Cas 0%?
| R+SIOr ] | ( CaSior)
| Ar SB or >| Ar son
Die Beziehungen des M. zum Sodalith, Hauyn und Nosean ergeben
sich hiernach leicht.
Die als Skolopsid und Ittnerit bezeichneten regulären Sub-
stanzen, welche die Bestandtheile der besprochenen Glieder der Gruppe,
aber 3—ı0 Procent Wasser enthalten, wurden von mir als Umwandlungs-
produete von Hauyn und Nosean erklärt, was WERNECKE dureh mikro-
skopische Prüfung bestätigte.
Lasurstein.
Der wohlbekannte Lapis lazuli ist seit Krarrorn vielfach unter-
sucht worden. Immer waren es Gemenge und nur das stand fest,
dass das Mineral eine Schwefelverbindung enthält, von welcher ge-
fe)
ringe Mengen auch im blauen Sodalith und Hauyn vorkommen.
Es war längst bekannt, dass der L. im Dünnschliff sich als ein
weisses Mineral mit eingesprengten blauen Theilen ergiebt.
Neuerlich hat Bäckströn gut gereinigtes Material von neuem unter-
sucht, weit mehr Schwefelsäure und Natron, viel weniger Kieselsäure
gefunden.
Wir ziehen die Resultate in Betracht, ohne daran BäcksTrön's
Speculationen über die Constitution des Minerals und seine Beziehungen
zum künstlichen Ultramarin zu knüpfen.
Das Verhältniss Al:Si ist = ı:2, so dass man auch das Silieat
des L. als das stets wiederkehrende Na’AlSi?O° vermuthen darf.
Verwandelt man nun Ca in Na, so verhalten sich die Mengen
I
von R im
Chlorid : Sulfid : Sulfuret : Silieat
BER RE ON AO
560 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 2. Juni.
Im Sulfuret ist daan R:S=1:2, so dass die Natronverbindung
\ NaCl |
I (2Na®
2 ) s Na’S Ot i
(5 Nat Al? Sit 0'6\
wäre.
Daznunı Na Wa 45 Tr ist,. so: tritt
Call? )
| (2CaSı
2150980:
5 Ca? Al? Sit O!°
hinzu und zwar so, dass 5 Mol. der Na-Verbindung mit ı Mol. der
Ca-Verbindung gemischt sind. Vielleicht ist Na?S? und CaS? vorzu-
ziehen.
Natürlich giebt die Formel nur die Gesammtmischung zu erkennen,
ohne die Natur des blauen Gemengtheiles zu erklären, was nur mit
Hülfe der Speculation geschehen kann, welche von der Constitution
des Ultramarins ausgehen, worüber sich das Nähere bei BÄcKSTRÖM
findet.
Legen wir aber nur die Thatsachen zum Grunde, und versuchen,
die blaue Substanz des L. als identisch mit’ dem künstlichen Ultra-
marin zu betrachten.
Weleher Natur aber ist dieses? Zahlreiche Versuche haben er-
kennen lassen, dass es aus einem Natron -Thonerdesilieat und Schwefel-
natrium besteht. und man nimmt an, das blaue Ultramarin sei
|NatSi 0")
S r
Nas + por
Dieses Silicat ist aber das in unserer Gruppe so oft wiederkehrende,
im Lasurstein, Hauyn, Nosean, Mikrosommit, Sodalith und Nephelin
enthaltene. Es tritt in diesen Mineralien in Verbindung mit einer
oder mehreren accessorischen Verbindungen auf: mit Leueitsubstanz
im Nephelin, mit Chlornatrium im Sodalith, mit Natronsulfat im
Hauyn und Nosean, mit beiden im Mikrosommit, endlich mit beiden
und zugleich mit Schwefelnatrium im Lasurstein.
Alle, den Sodalith ausgenommen, enthalten zugleich die ent-
sprechende Kalkverbindung.
Dem künstlichen Ultramarin fehlt das Chlorid und das Sulfat.
! Grorn Ztsch. 18, 231.
RaunmELsBERG: Über die Leueit- Nephelingruppe. >61
Zieht man vom Lasurstein in Bäcksrrön’s Analyse die Werthe
für das künstliche Ultramarin ab, so bleibt eine Verbindung jenes
Silicats mit dem Sulfat und ein wenig Chlorid, nämlich
Na Cl
5 Nar 50:
8 Na? Al Si? O°
d. h. ein Hauyn.
Hiernach würde der Lasurstein aus Hauyn und Ultramarin be-
stehen.
Ausgegeben am 11. Juni.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
Pr: SU, Kon uw zu ya Ari Par ir ar A ’ Ds a FR zu. Ka re Se
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B j a I Br Ei 3 Du % di ir " Au yr on ’ v KR! rs ur
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563
1892.
XAXL
SITZUNGSBERICHTE
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
16. Juni. Gesammtsitzung.
Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers.
Die philosophisch - historische Classe hat zur Fortführung der
grösseren akademischen Unternehmungen bewilligt: für die Heraus-
gabe der politischen Correspondenz FrıEprıcn's des Grossen 6000 Mark;
für das Corpus Inseriptionum Graecarum 3000 Mark: für die Heraus-
gabe der Commentatoren des Aristoteles 5000 Mark; ferner zur Unter-
stützung anderer wissenschaftlicher Arbeiten: Hrn. Prof. FausgörrL in
Kopenhagen zur Herausgabe des 6. Bandes des Jataka-Werks 1000 Mark:
Hrn. Dr. Joun MEıEr in Halle zur Herausgabe rheinischer Sprachstudien
in kartographischer Darstellung 900 Mark.
Hr. Hermann BURMEISTER, correspondirendes Mitglied der physika-
lisch-mathematischen Classe, ist zu Buenos Aires am 2. Mai verstorben.
Sitzungsberichte 1892. 51
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BEN HE
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565
Jahresbericht über die Thätigkeit des Kaiserlich
Deutschen archaeologischen Instituts.
Von ALEXANDER Ü0ONZE.
(Vorgetragen am 5. Mai [s. oben S. 385].)
Di. ordentliche Plenarversammlung der Gentraldirection fand im
Rechnungsjahre 1891/92 am ı3.— 16. April statt.
In diesem Jahre wurden ernannt — zum Ehrenmitgliede Seine
Hoheit BernnAarn, Erbprinz von Sachsen-Meiningen; zu ordentlichen
Mitgliedern die HH. Aurr. Brückner in Berlin, J. J. BernovurLı in
Basel, BArKkLey V. Heap in London, ©. MaArruccai in Rom, F. ©. PEnrosE
in London, L. von SvseL in Marburg, G. Wıssowa in Marburg; zu
correspondirenden Mitgliedern die HH. Lovss Aupsat in Saintes,
F. BarAıBAar in Vitoria, Cmr. BeLser in Berlin, A. van BRANTESHEM
in Brüssel, S. FRANKFURTER in Wien, A. L. Frotumenuam in Princeton,
ALFR. GERCKE in Göttingen, Baron Karr von Hauser in Klagenfurt,
R. HrBerpey in Wien, H. Lucon auf dem St. Bernhard, FrıieprıcH Freih.
HıLLer von GÄRTRINGEN in Berlin, Jur. Lange in Kopenhagen, M. G. Moreno
in Granada, Morrıccnıo in Scafati, WALTER Ü. Perry in London, ÜESARE
Ruca in Bologna, B. Sauer in Leipzig, Hrrm. Skorrin in Sofia, Karı
Skorris in Rustschuk, Arrnur H. Smıtn in London, Soramı in Volterra,
Tr. Sorruuiıs in Athen, J. N. Svoroxos in Athen, Micn. WALTROwITZ
in Belgrad, A. Wırneım in Wien.
| Die Mitglieder der Centraldireetion HH. H. von Bruns und
G. B. pe Rossı begrüsste das Institut zu ihrem siebenzigsten Geburts-
‚tage am 23. Januar und am 23. Februar durch eine Adresse und zum
fünfzigjährigem Doectorjubilaeum wurden die Glückwünsche des Instituts
dem Mitgliede der Centraldireetion Hrn. Currws dargebracht, während
die Secretariate in Rom und Athen dieser Festtage auch in ihren
Sitzungen gedachten.
Wir erhielten die Nachrichten von dem Verluste folgender Mit-
glieder: F. S. Cremonese in Agnone (+ 9. Februar 1892), M. Camera
in Amalfi (F 2. December 1891), St. Frpeuı in Civita Castellana,
A. Borers DE FieuEireno in Lissabon, N. A. Gyıpen in Helsingfors,
51*
566 Gesammtsitzung vom 16. Juni. — Mittheilung vom 5. Mai.
G. Mmervinı in Neapel (+ ı8. November 1891), L. Mörter in Kopen-
hagen (F 6. September ı89 1), A. PorrioLı in Mantua, P. Rosa in Rom
(F ı5. August ı891), A. Rossı in Perugia (7 22. Februar 1891), Conte
S. Servanzı-Cornıo in Sanseverino-Marche (F 3. Juli 1891).
Das auswärtige Amt verlieh auf Vorschlag der Centraldirecetion
die Reisestipendien für 1891/92 den HH. Noack, PERNICHK, TOEPFFER,
ZIEHEN, so wie das für christliche Archaeologie dem Hrn. FÜHRER.
Der verdiente Bureaubeamte, Hr. Rechnungsrath Urrrıen, welcher
seit dem Jahre 1877 dem Vorsitzenden der Centraldirection in der
Geschäftsführung auf das Dankenswertheste zur Seite stand, hat sich
aus Gesundheitsrücksiehten genöthigt gesehen am ı. October 1891 seine
Amtsthätigkeit beim Institute einzustellen. An seine Stelle ist Hr.
Rendant SCHERINGER getreten.
Bei der Redaetion der in Berlin erscheinenden Druckschriften des
Instituts erfreute sich der Generalseeretar auch in diesem Jahre der be-
währten Unterstützung des Hrn. Dr. Korrr. Es erschien der 6. Band
des »Jahrbuchs« mit dem »Anzeiger«. Während wir bisher von Er-
werbungen ausserdeutscher Antikensammlungen nur da berichteten, wo
amtliche Jahresberichte ausgegeben werden, konnten wir dieses Mal
beginnen auch von den Vergrösserungen der Sammlungen des Aller-
höchsten Kaiserhauses und der Universität in Wien Nachricht zu geben.
Von den »Antiken Denkmälern« wurde kein Heft ausgegeben. Nach
den Erfahrungen, welche in Bezug auf Herstellungszeit und Geldmittel
bei dem ersten Bande gemacht waren, ist besehlossen vom jährlichen
Erscheinen eines Heftes abzusehen, die Hefte vielmehr in freier Folge
erscheinen zu lassen. So hoffen wir den Ansprüchen, die wir selbst
machen zu sollen glauben, besser genügen zu können. Das erste
Heft des zweiten Bandes ist so weit gefördert, dass wir darauf rechnen
dürfen es im laufenden Rechnungsjahre zu vollenden. Fünf Tafeln
werden einer Aufnahme der Tholos zu Epidauros gewidmet sein;
ausserdem wird altgriechische Seulptur und altattische Malerei an-
sehnlich vertreten sein und endlich auf einer Doppeltafel die Ansicht
Roms von Marrın HEENSKERCK geboten werden, welche pe Rossı bereits
in der letzten WINcKELMANN s-Sitzung des Instituts in Rom erläuterte.
Das römische wie das athenische Secretariat wirken zur Herstellung
des Heftes mit.
Von der »Ephemeris epigraphica« ist unter Redaction der HH.
Momnsen, or Rosst und HırscureLw das Schlussheft des 7. Bandes
zur Ausgabe gelangt: das zweite Heft des 8. Bandes ist grösstentheils
gedruckt.
Erschienen ist die bereits im vorigen Jahresberichte angekündigte
Einzelausgabe »Wand- und Deckenschmuck eines römischen Hauses
Coxze: Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts. -D64
aus der Zeit des Augustus mit Erläuterungen von Junivs Lessing und
Avsust Mav.«
Das erste Heft der »Architektonischen Studien« von SerscIıUS
ÄNDREJEWITSCH IwAnorr, Bauwerke in Griechenland umfassend, mit
Text von Rıcnarp Bonn, ist dem Erscheinen ganz nahe gebracht;
die Tafeln zum zweiten Hefte sind alle, die zum dritten grössten-
theils fertig.
‘Hr. Rogert hat von der Sammlung der »Antiken Sarkophag-
reliefs« den dritten Band weiter vorbereitet und zwar mit besonderer
Berücksichtigung der zunächst zur Herausgabe bestimmten ersten
Abtheilung (Aktaeon — Hercules). Diesem Zwecke diente vor Allem
eine Reise des Hrn. Rogert nach Rom im Frühjahr 1891, welche
Gelegenheit gab, den in Folge der starken Bauthätigkeit in Rom zu
erwartenden Ortsveränderungen des Materials nachzugehen, sowie
sämmtliche Sarkophage im Palazzo Bargermı und den Meleager-
sarkophag im Palazzo Scıarra photographiren zu lassen, wozu die
Prinzessin BArBERmIı durch Vermittlung des Hrn. von ZwenuL ge-
neigtest die Erlaubniss ertheilte und Hr. Hrusıs seine Unterstützung
in dankenswerthester Weise gewährte. In der Umgegend Roms
wurden namentlich am Albaner See ein für verschollen geltender
Sarkophag mit bakchischen Darstellungen und ein bisher unbekannter
Marsyassarkophag aufgefunden. Zur Fortsetzung des Zeiehnens ging
Hr. Ernst Fıcnter im August 1891 wieder nach Italien, nahm unter-
wegs mehrere Sarkophage auf und war dann mit zweimonatlicher
Unterbrechung in Rom thätig. Hr. Franz Winter revidirte in England
befindliche Sarkophage und Hr. O. Krrn brachte die Inventarisirung
der Sarkophage in Griechenland dem Abschlusse nahe. Nach allen
diesen Vorarbeiten darf erwartet werden, dass im laufenden Rech-
nungsjahre mit der Herstellung der Tafeln zum dritten Bande be-
gonnen werden kann.
Die Arbeiten für die Sammlung der »Antiken Terracotten«
waren unter Hrn. Krrure’s Leitung hauptsächlich auf die Förderung
des Bandes römischer Thonreliefs und auf die Weiterführung des
Typenkatalogs gerichtet. Für den Reliefband hat Hr. von RoHpEn
auf die Fertigstellung der Vorlagen hingearbeitet, selbst zu dem
Ende das Material in den Berliner Museen revidirt, während Hr.
Winter in England, Paris und Wien dafür thätig war und die
HH. Korpewey und Pucustein bei Gelegenheit ihres Aufenthalts in
Rom die architektonische Verwendung der Thonreliefs aufklären zu
helfen sich bereit fanden. Im laufenden Rechnungsjahre wird mit
der Herstellung der Tafeln und voraussichtlich mit der Drucklegung
des Textes begonnen werden können. Den Typenkatalog über den
568 Gesammtsitzung vom 16. Juni. — Mittheilung vom 5. Mai.
früheren Anschlag hinaus zu bereichern trugen die Reisen des Hrn.
Winter nach England, Paris und Wien, sowie ein Aufenthalt des
Hrn. WinsereLp in Italien erheblich bei, so dass nunmehr die Zahl
der fertigen Zeichnungen 2210 und die der fertigen Photochemie-
graphien danach 1080 beträgt, die zu gewinnende Gesammtzahl der
Typen aber jetzt auf etwa 2500 veranschlagt wird. Es wird be-
absichtigt, den Typenkatalog dieser Gestalt im Drucke herauszugeben
und es ist zu hoffen, dass die Fertigstellung sämmtlicher Zeichnungen
und Zinkstöcke im laufenden Rechnungsjahre gelingen wird.
Für die Sammlung der »etruskischen Urnenreliefs« hat Hr. Körrte
den Text so weit gefördert, dass der Beginn der Drucklegung im
laufenden Reehnungsjahre zuversichtlich erwartet werden darf. Zum
dritten Bande sind 29 Tafeln gestochen; der noch verbleibende Rest
von Kupfertafeln dürfte im laufenden Rechnungsjahre fertig werden
und da der Text keine besonderen Schwierigkeiten zu bewältigen
haben wird, rückt die Aussicht auf Abschluss des ganzen Werkes
näher.
Für die mit Unterstützung der Königlichen Akademie der Wissen»
schaften erscheinende Fortsetzung der GERHARD'schen Sammlung »etrus-
kischer Spiegelzeichnungen« nimmt Hr. KörrE erst für das laufende
Rechnungsjahr Fortgang des Erscheinens in Aussicht.
Die Arbeiten für die vom Institute unter Leitung der HH. Gvrrıvs
und KAaupert und mit Unterstützung des Königlich preussischen Unter-
richtsministeriums unternommenen »Karten von Attika« verdanken ihre
grundlegenden Fortschritte wiederum der andauernd geneigten Mit-
wirkung des grossen Generalstabs. Die HH. Hauptmann WINTERBERGER
und Premier-Lieutenant, nachher Hauptmann DenxekE waren bereits im
März 1891 zur Fortsetzung der Aufnahmen nach Attika beurlaubt. Sie
erledigten zuerst einen von Salamis noch übrigen Theil und griffen
dann die Gebirgssecetionen Phyle und Megalo-Vuni an, eine Arbeit,
die durch den Tod Hauptmann DEnerE’s eine gewaltsame Unterbrechung
fand. An die Stelle des Verstorbenen trat mit Urlaub vom grossen
Generalstabe Hr. Hauptmann WEGENER. Ausser den genannten Ge-
bieten wurde so im Laufe des Jahres noch die Section Eleusis fertig
aufgenommen und die Aufnahme der westlich von ihr gelegenen
Strecken wurde begonnen. Auch die Anfertigung der Vorlagen für
die Reproduction ist im Gange.
Von der im Auftrage der Kaiserlichen Akademie der Wissen-
schaften zu Wien und mit Unterstützung des Instituts von ÜoNnzE
besorgten Sammlung und Herausgabe der »attischen Grabreliefs« ist
zu Anfang des Rechnungsjahres das zweite Heft erschienen: das dritte
ist zur Herausgabe fertig. Dieser Fortgang ist erreicht unter Mit-
Conze: Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen archaeologischen Instituts. 569
wirkung der mit dem Herausgeber verbundenen HH. Micnaruıs, Posto-
LAKKAS, VON SCHNEIDER, LOEWY und BRÜCKNER, so wie durch wirkungs-
vollste Theilnahme des athenischen Secretariats und anderer Fach-
genossen in Athen, des Hrn. Kerv und namentlich des Hrn. Prrxicr.
Das Secretariat war auch für die Vervollständigung des Materials un-
ausgesetzt bemüht, und für Zuwendungen zu gleichem Zwecke sind
wir auch den HH. Arnprt, Mıcnon, SarLomon Reiınacn zu Danke ver-
bunden.
Fortschritte zur Herausgabe der von Hrn. Kızseriıtzky im Auf-
trage des Instituts gesammelten griechischen Grabreliefs aus Südruss-
land sind erst im laufenden Jahre zu erwarten.
Die Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in
München hat dem Institute Gelegenheit gegeben die Verwerthung
archaeologischer Forschung für den Gymnasialunterricht in Deutsch-
land im Kreise einer Anzahl von Interessenten aufs Neue zur Ver-
handlung zu bringen. Die Regierungen von Bayern, Württemberg.
Baden, Hessen, Sachsen-Coburg-Gotha, Anhalt und Reuss j. L. hatten
dazu Delegirte ernannt. In diesem Kreise wurde eine die Förderung
der angeregten Bestrebungen empfehlende Resolution gefasst und der
Absicht des Instituts Beifall geschenkt, zum Herbste 1891 deutsche
Gyımnasiallehrer zu einem Cursus der Anschauung antiker Kunst nach
Italien einzuladen. Dieser Cursus hat unter Führung des römischen
Secretariats im October 1891 stattgefunden unter Betheiligung von
zwanzig Herren aus den verschiedensten Theilen des deutschen Reichs.
Der Erfolg hat die Absicht hervorgerufen den Cursus im Herbste
dieses Jahres zu wiederholen. Gestützt auf die Verhandlungen in
München hat das Institut sodann sich gestatten dürfen, wie früher
bei der Königlich preussischen, so bei der Königlich bayerischen und
Königlich sächsischen Regierung den Versuch archaeologischer Ferien-
curse für Gymnasiallehrer zu befürworten, und je ein solcher Cursus
hat um Ostern d. J. in München und Dresden stattgefunden. In
Preussen ist er ebenfalls zu Ostern in Berlin wiederholt und wird
um Pfingsten in Bonn und Trier abermals abgehalten werden. Die
Königlichen Regierungen von Preussen, Bayern und Sachsen haben
zu ihren Cursen eine jede auch einzelne Lehrer aus andern deutschen
Staaten eingeladen. Auch ihrerseits durch eigenen Veranstaltungen
ähnlicher Art fördernd mitzuwirken haben die Regierungen von Hessen,
Mecklenburg und Braunschweig in Erwägung ziehen zu wollen erklärt.
Das Institut hat ferner für die Studienreise badischer Gymnasiallehrer,
welche von der Grossherzoglichen Regierung in diesem Frühling nach
Griechenland ausgesandt ist, durch das athenische Secretariat seine
Dienste zur Verfügung stellen dürfen.
70 Gesammitsitzung vom 16. Juni. — Mittheilung vom 5. Mai.
Von der äusserst mannigfaltigen Thätigkeit der Secretariate in
Rom und Athen in der hier gebotenen Kürze ein einigermaassen ge-
nügendes Bild zu geben ist ungemein schwer. Fast mit jedem Worte,
das dem hier gewidmet werden kann. muss sich die Vorstellung von
den mannigfachsten Bemühungen und Erfolgen verbinden.
Die Bemühungen galten zunächst der Sorge für den Bestand
und die Vermehrung des Institutsbesitzes. Die Bändezahl der römi-
schen Institutsbibliothek belief sich nach einer im August 1891 vor-
genommenen Zählung auf 22878; der Zuwachs machte mehrere Um-
stellungen nöthig. Die Zettelzahl des Hrn. Mau übertragenen Real-
katalogs stieg auf 11000. Für Schenkungen ist das Institut zu Dank
verbunden namentlich den Königl. preussischen, Grossherzogl. ba-
dischen. Königl. italiänischen Unterrichtsministerien, den Akademien
der Wissenschaften zu Berlin, München, Wien, Bukarest, der General-
verwaltung der Königl. Bibliothek und der archaeologischen Gesell-
schaft in Berlin. der griechischen Nationalbibliothek, der Ecole fran-
caise in Rom und Athen. Unter zahlreichen privaten Freunden
unserer Anstalt gewährten namentlich die HH. Prof. P. pe LA6sARDE
und F. X. Kraus grössere Reihen ihrer Schriften. Die Benutzung
beider Institutsbibliotheken war namentlich während der Winter-
monate sehr lebhaft. Die Sammlung eigener photographischer Auf-
nahmen, welche käuflich gemacht sind, hat sich besonders in Athen
ansehnlich vermehrt. Eine vom athenischen Secretariate erworbene
Sammlung von Münzabdrücken hat Hr. PostorLarkas in freundlichster
Weise zum grössesten Theile geordnet. Auch der Apparat von Zeich-
nungen hat zugenommen.
Von Publieationen erschien der sechste Band der römischen, der
der sechzehnte der athenischen Mittheilungen. Für die in Athen
beabsichtigte Herausgabe der Funde aus dem Kabirion bei Theben
liegen die Zeichnungen grösstentheils fertig vor und an dem Texte
wird gearbeitet, so dass voraussichtlich im laufenden Jahre die Druck-
legung wird beginnen können.
Erkundungsreisen machten der erste Hr. Seeretar in Rom durch
Mittel- und Oberitalien, der erste Hr. Secretar in Athen nach
Magnesia am Mäander, nach Argos und Eretria, sowie auf Anlass der
kartographischen Aufnahmen von Attika in das dortige nördliche Berg-
land: der zweite Hr. Secretar in Rom besuchte die Bibliotheken in
Florenz und Mailand und nahm in Neapel und CGapua epigraphische
Revisionen vor; Hr. Mau nahm seinen gewohnten Studienaufenthalt
im Sommer ı8g9ı in Pompeji; der zweite Hr. Secretar in Athen machte
Studien über griechische Vasen in den Sammlungen zu München und
Würzburg.
Conze: Jahresbericht des Kaiserlich Deutschen archaeologisshen Instituts. D7|
Die Sitzungen fanden in üblicher Weise in Rom und Athen unter
erfreulicher Theilnahme statt, ebenso die Vorträge vor den Denk-
mälern, welche nieht auf Rom und Athen beschränkt blieben. Im
‘April 1891 wurde die bereits bewährte Studienreise in den Peloponnes
von 24 Theilnehmern unter Führung des ersten Hrn. Secretars in
Athen ausgeführt. Dass die Expedition badischer Gymnasiallehrer
nach Griechenland unter Betheiligung des Instituts ihre Zwecke ver-
folgte, wurde bereits erwähnt, ebenso, dass im October 1891 auf
Einladung des Instituts zwanzig Gymnasiallehrer aus Deutschland zu
einem Öursus der Anschauung antiker Örtlichkeiten und Denkmälern
in Italien sich einfanden. Hr. Mau hielt seine viertägige Demonstration
in Pompeji im Sommer 1891 mit fünf Theilnehmern.
Von besonderen wissenschaftlichen Unternehmungen ist die Be-
arbeitung der auf der Akropolis von Athen gefundenen Vasenscherben
durch den zweiten Hrn. Secretar in Athen und Hrn. Dr. Grarr,
sowie die Ausgrabung in der Gegend des altathenischen Marktes unter
Leitung des ersten Hrn. Secretars in Athen zu erwähnen. Beide
Unternehmungen sind noch nicht abgeschlossen und versprechen über
das bereits Erreichte hinaus weitere Ergebnisse.
Wir dürfen den Bericht auch dieses Mal schliessen mit unserem
Danke an die Verwaltung der K. K. Österreichischen Staatsbahn , sowie
an den Verwaltungsrath der Dampfschifffahrtsgesellschaft des öster-
reichisch -ungarischen Lloyd für die fortgesetzt gewährte Erleichterung
der Reisen der Institutsmitglieder.
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2.7
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Die Vorstellung vom movökepwc und ihr
Ursprung.
Von Es. SCHRADER.
(Vorgetragen am 17. März |s. oben S. 211].)
Hierzu Taf. V.
De: Vorstellung von einem mit einem Horne auf der Stirn aus-
gestatteten T'hiere und zwar einem Quadrupeden — denn das ist die
Vorstellung vom Wovoxepws — begegnen wir, soweit wir dieses zu ver-
folgen vermögen, zuerst bei Ktesias (de rebus indieis p. 25; Aelian
II, 41; IV, 52; C. MvELLer, Ütesiae fragmm. p. 101 sq.). Sodann spricht
von einem wuevoxepws Aristoteles de partt. anim. II, 2 und histor,
animall. I, ı; sprechen endlich die LXX an 7 Stellen (Num. 23,22;
a8 Deut: 33,17 4PS. 23,,22;.29,6;92,11; Hi. 39, 9.f.), in welchen
Stellen allen das Wort dem hebr. 28% entspricht; lediglich in der
Stelle Jes. 34,7 f. wird dieses hebr. Wort (im Plur. vax) durch
aöpcoı' wiedergegeben.
Auf die eine oder andere dieser Stellen gehen direct oder indirect
jenachdem alle sonstigen Stellen bei Profan- und kirchlichen Schrift-
stellern, in welchen von einem Wovoxepws oder unicorne die Rede
ist, zurück. Wir brauchen auf diese nicht weiter einzugehen.
Es fragt sich nun, was wir unter dem wovoxepws zu verstehen
haben und welches der Ursprung dieser Vorstellung ist? — Die
Meinungen theilen sich in zwei Gruppen. Die Einen sehen darin
ein wirklich existirendes und zu irgend einer Zeit vorhanden ge-
wesenes oder auch noch vorhandenes Thier: Andere sehen darin ein
Ungethüm, das von vornherein als fabelhaft gedacht ist und in Wirk-
lichkeit niemals existirt hat. Zu jenen muss man natürlich in erster
Linie Ktesias selbst rechnen gemäss der Darstellung, die uns als auf
ihn zurückgehend überliefert ist. Er bezeichnet das betreffende Thier
als einen »wilden Esel« ovos &ypıos, der bei den Indern vorkomme;
vergleicht ihn seiner Grösse nach mit einem Pferde; Körper weiss,
ı S. die Stellen in den Concordanzen und bei RosenmüLtLer. Habch. d. bibl.
Alterthumskunde IV, 2 S. ı88 ff.
u j 4 j ; : en
574 Gesammtsitzung vom 16. Juni. — Mittheilung vom 17. März.
Kopf roth; auf der Stirne trage es ein spitziges Horn von der Grösse
einer Elle, das unten weiss, oben roth, in der Mitte aber schwarz
sei. Es übertreffe an Schnelligkeit gewöhnliche Esel, Pferde und
Hirsche u. s. w. Seine Stärke wird noch besonders hervorgehoben
(Aelian a.a. O.). Der Ausdruck Wovorepws selber findet sich in dieser Be-
schreibung nieht: ihm begegnen wir dagegen bei Aristoteles a. d. a. OO.
Desgleichen ist diese Bezeichnung den Verfassern der LXX durchaus
geläufig als Wiedergabe des hebr. ex); s. darüber oben. Dass nun
Ktesias unter dem von ihm beschriebenen Thiere ein wirklich existi-
rendes Thier auf Grund ihm gewordener Informationen hat beschreiben
wollen, geht aus dem Wortlaute bei Aelian ebenso unmittelbar her-
vor, gleichwie solches daraus erhellt, dass er desselben selber nie
ansichtig geworden ist, vielmehr seine Beschreibung auf ihm ge-
wordene — mündliche — Mittheilungen hin gegeben hat. Es ist
ihm von diesem fabelhaft ausgestattetem Thiere erzählt worden und
das Gehörte reproducirt er. Da nun ein solches Thier in Wirk-
lichkeit nicht existirt, so fragt sich, wie die. die ihm berichteten,
zu der Vorstellung von einem so eigenartigen Thiere gelangen konnten?
Das einzige, des »Hornes auf der Stirne« wegen in Betracht
kommende Thier Indiens, das Rhinoceros, passt bekanntlich seinem
sonstigen ganzen Aussehen und seiner ganzen Art nach zu der von
Ktesias gegebenen Beschreibung seines Wunderthieres verzweifelt
schlecht oder vielmehr überhaupt nicht. Ein anderes auf der Stirn
gehörntes Thier existirt aber weder in Indien, noch sonstwo. Der
Oryx, an den man bei dem wovoxepws = 2X) der Bibel gedacht hat
(wir kommen darauf zurück), hat weder seine Hörner auf der Stirne
sitzen, noch hat er eben nur ein Horn. Er ist dazu auch gar kein
Indien eigenthümliches Thier, falls er dort überhaupt vorkommt oder
vorkam; als das eigentliche Gebiet seines Vorkommens wird Africa
vom Gaplande bis zum Rothen Meere, sowie Vorderasien (Arabien bis
Persien) genannt. Wir kommen zu dem Schlusse: die Vorstellung
kann gar nicht in Indien und auf Grund der dortigen Fauna sich
gebildet haben. Aber auch ein anderswo wirklich existirendes Thier
ist uns nicht bekannt, das etwa zu dieser Vorstellung füglich aus-
reichenden und unmittelbaren Anlass gegeben haben könnte (für das
Nashorn s. o.).
Wir werden zu der Frage gedrängt: wenn die betreffende Vor-
stellung auf ein wirklich existirendes Thierwesen nicht wohl zurück-
geführt werden kann, könnte dieselbe nicht auf das Missverständniss
eines für wirklich existirend genommenen Thierbildes, auf die für
Ernst genommene, bildliche Darstellung eines Quadrupeden zurück-
gehen? — |
ScHhrADER: Die Vorstellung vom Wovoxegws und ihr Ursprung. ANA)
. Sehen wir uns von diesem Gesichtspunkte aus einmal für die
Zeit des Ktesias und für das hier in Betracht kommende geogra-
phische Gebiet um, so begegnen wir ja wiederholt auf babylonischen
und assyrischen Denkmälern Thieren mit einem Horn — Stieren
Kühen, Steinböcken, auch Hirschen —, bei denen aber das eine an-
statt der diesen Thieren zukommenden zwei Hörner lediglich auf eine
Unvollkommenheit der Zeichnung zurückzuführen ist, die wiederum mit
der bekannten Unfähigkeit dieser Völker, perspeetivisch zu zeichnen,
zusammenhängt. Gemeint waren in allen diesen Fällen von dem
Künstler Thiere mit zwei Hörnern (s. das Nähere unten).
Nun haben zwar Ktesias oder seine persischen Gewährsmänner
assyrische Sculpturen mit derartigen Darstellungen — etwa in den
Palästen der Assyrerkönige — nicht mehr gesehen: denn das assyrische
Reich war längst zerstört und Nineweh lag seit 200 Jahren in Staub
und Asche. Auch dass aus Babylon ihm selbst oder seinen persischen
Gewährsmännern Kenntniss solcher Darstellungen geworden seien, hat
wenig Wahrscheinlichkeit., Sie wird ihm oder diesen seinen Gewährs-
männern geworden sein dureh die und auf Grund der bildliehen Darstel-
lungen, der Seulpturen in den Palästen der persischen Könige zu
Susa, Persepolis oder anderswo. Begegnen wir nun unter den Relief-
bildern dieser Paläste einer entsprechenden Darstellung, die hier
herangezogen werden könnte?
Nun wissen wir, dass die persische Seulptur in ganzer Art, in
Wahl der Motive, in der Ausführung selbst des Einzelnen ganz un-
mittelbar sich anlehnt an die der Babylonier bez. Assyrer, wie wir
sie jetzt aus den Denkmälern kennen," und auf sie zurückgeht.
Es fragt sich somit zunächst: existiren unter den uns über-
kommenen persischen Seulpturen aus der Achämenidenzeit solche, auf
die etwa die Vorstellung von einem wovoxepws zurückgehen könnte,
und ist die damit verknüpfte phantastische Vorstellung als Missver-
ständniss einer solehen in ihrer Weise ganz harmlosen und ganz
naturalistisch gehaltenen und als solcher vollkommen verständlichen
Darstellung zugleich babylonisch-assyrischen Ursprungs zu erweisen?
Die hervorragendsten Eigenschaften, die dem gemeinten ovos
&ypios beigelegt werden, sind seine Grösse, seine Schnelligkeit
und Stärke, endlich das spitzige Horn auf der‘ Stirn. Von diesen
Eigenschaften vermissen wir auf den angezogenen naturalistischen
babylonisch-assyrischen Darstellungen der Stiere u. s. w. bald die
eine bald die andere auch nur mehr oder weniger angedeutet (die
bekannten geflügelten Stiercolosse sind natürlich hier nicht heranzu-
! Ich verweise in dieser Beziehung für das Weitere auf PERRoTr und Üsıriez,
histoire de l’art dans l’antiquite V p. 884 ss.
576 Gesammtsitzung vom 16. Juni. — Mittheilung vom 17. März.
ziehen). Auf diese Darstellungen kann die Schilderung des Ktesias’
bez. seiner Gewährsmänner nicht zurückgehen.
Wir wenden uns zu den in Persien selber vorhandenen Denk-
mälern, zu den Reliefdarstellungen in Persepolis, Susa und sonst in
Persien, die Ktesias oder seinen Gewährsmännern denn doch schwer-
lich unbekannt geblieben sein werden.
Schon verhältnissmässig früh hat unter den abendländischen
Reisenden und Gelehrten, die Persien besuchten, unter anderen
Seulpturen von Persepolis und sonst jene Darstellung an den Treppen-
wangen und Mauern der Paläste von Persepolis ihre Aufmerksamkeit
auf sich gezogen, welche den König im Kampfe mit einem gehörnten
Thiere darstellt, und jene andere, welche ein solches Thier gelegent-
lich von einem Löwen verfolgt und angefallen erscheinen lässt,' und
das nach seiner ganzen Haltung leicht für ein Pferd genommen werden
konnte, während nähere Betrachtung ergiebt und ergab, dass es in
Wirklichkeit einen Stier” mit einem Horn auf der Stirn vorstellt
oder vorstellen soll s. die Abbildung auf der beigegebenen Tafel Nr. 5.
Ich meine, dass es dieses Thhier ist, welches bei der betreffenden Sehil-
derung des Ktesias bez. seiner Gewährsmänner Modell gestanden hat.
Eine wirkliche und zunächst auffällige Abweichung liegt ja freilich
in dem Umstande, dass das betreffende Reliefbild das Fabelthier als Stier
(mit gespaltenen Klauen) gedacht wissen will, während Ktesias bez.
seine Gewährsmänner dasselbe als einen Esel övos bezeichnen. Aber
ich nehme keinen Anstand, dieses auf eine oberflächliche Betrachtung
der Seulptur seitens des Beschauers zurückzuführen, der zudem. dureh
die ganze dem Fabelthiere vom Künstler gegebene Haltung getäuscht,
ihn nicht an einen Stier denken liess (s. 0.).” Was sonst von dem
indischen Esel ausgesagt war, trägt so sehr den Verdacht, willkürlicher
Zusatz zu sein, an sich, dass wir uns dabei nicht aufzuhalten haben.
Die Inbeziehungsetzung des auf den Reliefs von Persepolis dar-
gestellten Thieres zu dem Movoxepws des Aristoteles bez. Ktesias, also
dem hergebrachter Weise Einhorn genannten Thiere ist nieht neu.
Bereits bei dem ersten Bekanntwerden der bezüglichen Darstellungen
! Die genauesten Abbildungen s. bei F. Srorze, Persepolis I, Berlin 1882 Blatt 31.
63 (Stier vom König durehbohrt); 42 (Löwe zertleischt «das Einhorn); ferner: Blatt 2.
7.32 (der König durchbohrt mit seinem Schwerte den beim Ohre gepackten Löwen);
4. 30. 62. 64 (der König durehbohrt das mit Krallen versehene Ungeheuer). Vergl.
noch M. Diruraroy (s. u.) II pl. XVII. XVII.
2 S, schon ('; Niesunr, Reisebeschreibung II, 126. 134. Vergl. Abbildung auf
Tafel Nr. 5. 8.
® Ich mache dazu darauf aufmerksam, dass Aristoteles (histor. animall. II, ı8
Cap. 2) (vergl. Auserr und Wımmer, Aristoteles’ Thierkunde I S. 255) dem indischen
ovos ebenfalls gespaltene Klauen beilegt.
Scenraper: Die Vorstellung vom novozeows und ihr Ursprung. ld
bezog Carsten Niesunr die bildliche Darstellung auf »das Einhorn «
s. Reisen II (1778) S. 126. Natürlich fasste er die Sache so auf, dass
der Künstler das von Ktesias- Aristoteles geschilderte 'Thier in Wirk-
liehkeit habe darstellen wollen a. a. 0. (vergl. auch RosenmÜüLver a.a. 0.
S. 191), während wir umgekehrt nach unserer Darlegung annehmen,
dass die bildliche Darstellung auf den Reliefs die Veranlassung wurde
zu der Annahme des wirklichen Vorkommens eines solchen eingehörnten
Stieres bez, eines Thieres, wie Ktesias uns dasselbe schildert. Und
jene andere Ansicht müssen wir natürlich bestreiten,
Ist dem so, so fragt sieh weiter: woher denn hat der persische
Künstler diese Vorstellung von dem von ihm dargestellten einge-
hörnten Thier, das und soweit es auf den Reliefs als ein Stier mit
gespaltenem Huf erscheint? — Fragelos aus bildlichen Darstellungen
der babylonisch-assyrischen Kunst, die ihm (oder schon heimi-
schen Vorgängern vor ihm) vorlagen, und zwar in Darstellungen, wie
wir sie in vollkommen genügender Weise noch jetzt auf den Monu-
menten aufzeigen können. Der Zusammenhang der persischen Kunst,
vor Allem der Seulptur, mit der babylonisch-assyrischen ist längst
bekannt und ist von Prrror und Cmmiez in ihrem grossen Werke‘
in ausführlicher Weise nochmals überzeugend dargethan.” Dieser Zu-
sammenhang erstreckt sich oft bis auf das Einzelnste und zwar sowohl
was die Art der Ausführung, als auch was die zu Grunde gelegten
Motive angeht, so bestimmt nach einer andern Riehtung alle diese
Darstellungen im Ganzen und im Einzelnen eine besondere, die speei-
fisch persisch-indogermanische Eigenart an sieh tragen. Ich erinnere
nur an die Triumphzüge, wie sie in und um den Palästen von Per-
sepolis und sonst zur Darstellung gelangt sind und welche unmittelbar
an die Triumphzüge gemahnen, wie sie uns auf dem Siegesrelief des
Asurbanipal zur Verherrlicehung seines Triumphes über Elam-Susiana
in Küjjundsehik, im Palaste seines Grossvaters Sanherib, entworfen
und ausgeführt sind. An desselben Königs Relief aus dem eigenen
sogenannten Nord-Palaste, den König darstellend, wie er den Löwen
bei den Ohren packt und mit eigener hoher Hand dessen Bauch mit
einem Speere durehbohrt,’ erinnert jene Darstellung zu Persepolis,
welche eine das sogenannte ahrimansche Thier hei seinem aufgesetzten
Horne (offenbar entsprechend dem zum Horne gewordenen Ohre des
ı G. Prrror et Un. Cnırıez, histoire de l’art dans l’antiquite, vol. V. Paris
1882 — 80.
? V p.884ss. und passim. Vgl. Marcerı Dirvraroy, Vart antique de la Perse II
(1885), p. 84.
®» (1. Rawuınson, five mon. 2. ed. I, 506 (s. Tafel Nr. 6); vgl. die Darstellung p. 507
(der König packt den Löwen bei der Gurgel und durchbohrt seinen Leib mit einem
Schwert).
578 Gesammtsitzung vom 16. Juni. — Mittheilung vom 17. März.
Löwen auf dem assyrischen Relief) ergreifende und mit dem Schwerte
durehbohrende Person — den König — uns vorführt:' man erkennt
in der letzteren eine Nachahmung jener beiden (6° und 6°).
Auch der sogenannte heilige Baum der babylonisch -assyrischen
Sculptur, das Wahrzeichen des babylonischen und dann auch assy-
rischen Landes erscheint” auf den Siegeleylindern der Perser, weist
doch auch der Siegeleylinder, wie wir ihn auch bei den Persern im
Gebrauch finden, in sich selber auf Babylonien als seine Heimath
hin! Auf ein solches Vorbild ging nun für uns zweifellos die in
Rede stehende Gruppe: das »Einhorn«, wie es von einem verfolgenden
Löwen angegriffen wird, zurück. Die Einzelelemente ebenso wie die
(esammtidee sind auf den assyrischen und babylonischen Monumenten
(den babylonischen hierher gehörenden Seulpturen begegnen wir aus
bekannten Gründen fast nur auf den Siegeleylindern) deutlich nach-
weisbar.
Schon der sogenannte schwarze Obelisk Salmanassars II (860 — 825
v. Chr.) bietet uns im vierten Felde ein Relief, darstellend einen
Hirsche verfolgenden Löwen (Abbild. 4). Eine Darstellung, wie auf
der Jagd ein Hund den flüchtigen Wildesel von hinten im Sprunge
angreift, treffen wir auf einem Relief aus dem Nordpalaste (Palast
Asurbanipals 668— 626) s. Rawı. fife mon. Il ed. I, 5r2.
Dem fast völligen Analogon mit unserer Darstellung begegnen wir
bereits auf einem babylonischen Cylinder aus grauem Marmor aus
der Sammlung des due de Luynes s. die Wiedergabe des Bildes bei
MEnANT, les pierres gravees de la Haute-Asie. Recherches sur la
glyptique orientale I. part. Par. 1883 p. 207; M. Dmuvrarov, l’art
antique IH, p. 85 Fig. 114: ein Löwe greift einen fliehenden ein-
hörnigen Stier von hinten an und zerfleischt ihn. Darstellung noch
ganz naturalistisch.
Einen Löwen im Kampfe mit einem Stier sehen wir auf einem
Relief aus Nimrüd (Nordwestpalast) dargestellt. Hier greift der Löwe
von vorn an: der Stier bietet nur ein Horn (s. G. Rawıısson, the
five great monarchies, sec. edit. I, 512 s. Taf. Nr. 3). Dass hier das
eine Horn nur die abgekürzte Darstellung eines Doppelhorns, also
eines Paares von Hörnern ist, geht aus dem Anblick unmittelbar her-
vor und ergiebt sich nicht minder aus einer Vergleichung anderer Dar-
stellungen (vergl. ebenda auf p.513: der König auf der Jagd auf Wild-
1G: Ruwe. aa. O- II /p: 334; "ESrorze, Persepolis I, 4.3028. Vak Abb. Nre®
Vergl. weiter die angeff. Abbildd. oben S. 576 Anm. ı.
?2 S. weiter Monatsbericht d. B. A. d. W., 1881, Sitz. vom 5. Mai, S. 426 ff.
Vergl. den heiligen Baum auf einem pers. Siegelcylinder, Titelvignette von PERRoT
und Caıriez, T.V.
a . , .
SCHRADER: Die Vorstellung vom norozeows und ihr Ursprung. 579
ochsen, vergl. mit ebendaselbst p. 346 ff. 351 (doppelt) und sonst).
Auch die auf einem Ornamente in » Wappenstellung« rechts und links
vom heiligen Baume erscheinenden geflügelten Stiere weisen ein jeder
nur ein Horn auf; ebendieses auf gemalten Friesen (Kauzen, Assyrien
und Babylonien, 4. Aufl. 248 fi.); s. noch Homnmer, babylon.-assyr.
Geschichte, S. 194 und sonst. Ein zweigehörnter Stier erscheint übrigens
beiläufig auf der Berliner Asarhaddon-Stele, Vorderseite, eine männ-
liche stehende Gottheit auf dem Rücken tragend. Vergl. die Darstellung
des Jakochsen auf dem Obelisk Salmanassar’s I. 3. Feld. Die Hörner
sind in letzteren Falle wie zwei symmetrisch einander gegenüberstehende
Mondsicheln angebracht.
Auch einen ganz nach Art des »Einhorns« von Persepolis den
Kopf nach hinten umwendenden, auf den Hinterbeinen stehenden
einhörnigen Stier begegnen wir auf der Darstellung auf dem Siegel-
eylinder eines Patısi von Lagasch (Abbildung bei J. Mexant, les pierres
gravees I p. 67 |pl. U Nr. 3], sowie bei Hommer a.a.O. 293). S. die
bbsiNr. 7; auf'd. Taf.
Die letztere Darstellung auf einem sehr alten in’s 3. Jahrtausend
zurückreichenden Cylinder mit bereits fest ausgeprägtem Typus lässt
erkennen, in wie hohe Zeit hinauf überhaupt diese ganze künstlerische
Auffassungsweise zurückreicht und wie treu sich dieselbe durch alle
Zeitläufte hindurch und selbst noch bei dem Übergange zu einem
anderen Volke, den Elamiten und weiter den Persern erhalten hat.
Welchen Sinn die Perser und ob sie überhaupt einen solehen mit
der, betr. Darstellung verbanden, muss dahimgestellt bleiben. Es ver-
hält sich damit genau so wie mit der besprochenen Darstellung des
mit der Linken das Horn packenden, mit der Rechten den Leib des
sog. ahrimanschen Thieres u. s. w. durchbohrenden König, der unver-
kennbaren Nachahmung einer babylonisch-assyrischen Darstellung, wie
sie uns auf dem Relief Asurbanipals erhalten ist, darstellend, wie der
König einen vor ihm im aufrechter Stellung auf den Hinterbeinen
stehenden Löwen beim Ohre packt und ihn mit dem Speere durch-
sticht (s. Rawı. I, 506 und vergl. Abb. Nr. 6° und 6° [s. o.)).
Wir fassen das Ergebniss unserer Untersuchung dahin zusammen,
'ı. dass die Anschauung vom uovexepws, wie sie sich bei Ktesias,
Aristoteles und Späteren findet, zuletzt zurückgeht auf die
‘ Vergl. übrigens dieselbe Stellung des mit einem Menschenangesichte, aber mit
zwei Hörnern ausgestatteten, sich umwendenden, aufrechtstehenden, im Kampfe mit
einem Menschen (Istubar?’) begriffenen Stiers auf einem Cylinder des Britischen Museums
MEnAanT a.a. O.1I p.99. Für den Stierkopf mit menschlichem Angesichte s. weiter
MEnanr a. a. 0.p.92 ss. und vergl. die dort gebotenen Abbildungen von altbabylonischen
Siegeleylindern. Zu Istubar (?) u. s. w. vergl. Pınc#es in Bab. Orient. Rec. IV, 264.
Sitzungsberichte 1892, 52
580 Gesammtsitzung vom 16. Juni. — Mittheilung vom 17. März.
persischen Gewährsmänner des Ktesias, die ihrerseits auf
den bildlichen Darstellungen an den Palastwänden zu Perse-
polis und natürlich auch sonst fussten;'
2. dass diese bildlichen Darstellungen zuletzt wiederum zurück-
gehen auf analoge Darstellungen, wie sie sich bei Babyloniern
und Assyrern und verhältnissmässig schon sehr früh finden.
Es gilt das Obige von dem Namen novexepws, wie er uns in der
griechischen Übersetzung des A. T. (LXX) entgegentritt und als gewöhn-
liche (nur einmal anders! s. o.) Wiedergabe des Hebr. a87 erscheint.
Es leidet für mich nun aber keinen Zweifel, dass dem oder den
griechischen Übersetzern, die das als ein Wunderthier beschriebene IR”
mit uovoxepws verdolmetschten, jenes eben das Wunderthier war, von
welchem sie als existirend sonst vernommen hatten. Dass der, bez. die
griechischen Übersetzer mit dem Namen Wovorepws nur diesen ganz all-
gemeinen Sinn verbanden und dabei gar nicht das 28” als ein Thier
mit nur einem Horn bezeichnen wollten, geht klar daraus hervor, dass
dieselben die Übersetzung »Einhorn« auch da in Anwendung brachten,
wo der hebräische Schriftsteller selber von »Hörnern« (im Plur.) redete
(Deuter. 33, 17; 22, 22), und in der Hauptstelle vom ax), Hiob 39, gff.,
ist von einem Horne überhaupt nicht die Rede. In der Stelle aber,
wo von einem solchen (im Singular) die Rede ist (Y 92, ı1): »Du
machest dem Reem gleich hoch mein Horn«, ist das eine Horn
lediglich bei dem Vergleich diehterisch zu suppliren, weil im Haupt-
satze figürlich vom »Horn« des Dichters die Rede ist. Der Schrift-
steller hat den Singular gar nicht ausgesprochen: die Frage nach dem
Wesen des 287 ist von der nach der Bedeutung des Ausdrucks uovoxeows
gänzlich zu trennen.
(274
mc
Darüber, was unter O8, den Lauten nach dem arabischen _=)
entsprechend, in der Bibel zu verstehen sei, uns weiter zu, ver-
breiten, haben wir hier keine Veranlassung. Wir begnügen uns zu
constatiren, dass unter demselben irgendwie eine Antilopenart zu
verstehen ist. Man denkt vielfach an die Antilope &pv£, auch an das
Wildrind, arabisch &» (Werzstem”’) oder aber an den mit rimu im
! Ich werde von befreundeter Seite auf die ganz analoge Entstehungsweise der
Vorstellung vom Vogel Phönix aufmerksam gemacht, wie sie uns Herodot in seiner
BR ine Aegyptens (Herod. ll, 73) überliefert hat. Auch er spricht a.2.0. vom
Vogel Phönix: Ey) pazv AV oUx A ei mn 67 ov year za ya on za Srenmos Emi-
arr« adız d1 "Ereuv ws “Hruomorımren rEyauzı TWEVTELOTIUW porrav de Tores darı Ereav 00
amoSam 6 arme errı 8%, 8 en yoapr magomoıos Toords zur Taorde. Folgt die Be-
schreibung nach den Bildern (S. darüber Brussch in Sreın’s deutscher Ausgabe
z. d. St.) und sodann die Legende der Heliopoliten.
2 S. bei Franz Derrrzsch, Hiob 2. A. S. 507 fle.
Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss.
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Fig. 6b.
Carı Leonu. BECKER gez.
SCHRADER: Die Vorstellung vom wovcxerws und ihr Ursprung.
N . r D r = -
SCHRADER: Die Vorstellung vom norozeows und ihr Ursprung. 581
Assyrischen bezeichneten Wildochs', nach seiner bildlichen Darstel-
lung am wahrscheinlichsten der Wisent’. Wir lassen das dahin-
gestellt. Der Curiosität wegen sei nur noch angemerkt, dass ebenso
willkürlich, wie die griechischen Übersetzer das hebräische ax durch
Movoxeows wiedergegeben haben, die Aethiopen in der Geezübersetzung
der LXX das griechische uovoxepws mit NCNZR! — arabisch Des,
assyrisch kurkizannu‘ d. i. Nashorn wiedergaben, indem diese augen-
scheinlich, unbekannt mit dem hebräischen Grundtext, an die Ety-
mologie des Wortes uovoxerws sich hielten.
ı W. Hovernon, on the mammalia of the Assyrian sculptures, in Transactions
of Bibl. Soc. V, 1877, p. 336 sq.
® S. darüber F. Hommer, die Namen der Säugethiere bei den südsemitischen
Völkern, Lpz. 1879, S. 227; SCHRADER, Keilinschrr. u. Geschichtsforschung, Giessen
ee S. 135 fle.; 137; die Keilinsehrr. u..d. A.T. 2. A. 1883, S. 160 flg.
® LuUDoLF, S. 0.; DirLLmann, s. 0.; Hommer, Namen d. Säugethiere, 328.
* SCHRADER in Zeitschr. d. Deutsch. Morg. Ges., Bd. 27 (1873) S. 708; Honmneı
a2,.0.
Ausgegeben am 23. Juni.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers.
l. Hr. Voerr las eine Abhandlung des Assistenten- am Astro-
physikalischen Observatorium zu Potsdam Hrn. J. SCHEINER: Über
den grossen Sternhaufen im Hercules (Messier 13).
2. Hr. v. Heummorrz übergab als Abdruck aus den Abhandlungen
der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen den Bericht
über eine mit Unterstützung der Akademie ausgeführte Arbeit des
Hrn. Prof. W. Vorsr: »Bestimmung der Constanten der Elektrieität und
Untersuchung der inneren Reibung für einige Metalle«.
Ausgegeben am 7. Juli.
Sitzungsberichte 1892. 993
85
1892.
AXXIN.
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
23. Juni. Sitzung der philosophisch - historischen Classe.
Vorsitzender Secretar: Hr. Momnusen.
l. Hr. v. D. GABELENTzZ las die umstehend folgende Mittheilung:
Zur Beurtheilung des koreanischen Schrift- und Lautwesens.
2. Hr. Schkaper berichtete über Dr. F. E. Prıser’s in Breslau Ver-
such einer Entzifferung der betitischen Inschriften.
3. Hr. ScumoLzLer überreichte die drei ersten Bände der acta
Borussica, enthaltend die Geschichte der preussischen Seidenindustrie
im 18. Jahrhundert.
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Zur Beurtheilung des koreanischen Schrift- und
Lautwesens.
Von G. VON DER GABELENTZ.
Hierzu Taf. VI.
Wer sich in wissenschaftlicher Absicht mit der koreanischen Sprache
beschäftigt, begegnet gleich von Anfang an sehr ärgerlichen Schwierig-
keiten. Zwar das Alphabet ist leicht erlernt, schneller vielleicht, als
irgend ein anderes; und gut gedruckte Texte buchstabirt man nach
wenigen Minuten ganz richtig. Es ist, wenn ich von gewissen moder-
nen Kunstschriften nordamericanischer Sprachen absehe, meines Wissens
das einfachste Schriftsystem, das ein Volk besitzt. Die indische Com-
bination von Alphabet und Syllabar hat hier eine sehr sach- und
sprachgemässe Umgestaltung erfahren, beeinflusst von dem Duetus des
Pinsels und von der chinesischen Schriftästhetik, der zuliebe sich die
Zeichen einer jeden Sylbe in ein gleichgrosses Oblongum hinein gruppiren
müssen. Dabei gilt die Regel, dass von den Buchstabenelementen der
Sylbe das linke vor dem rechten, das obere vor dem unteren zu lesen
22 Vergl.'Taf.], A und C.
Allein man sieht, dass mehrere dieser Zeichen doppeldeutig sind:
Die Tenues und die Mediae, /und r, der Gutteralnasal % und der Spiri-
tus lenis fallen zusammen. Dazu kommt eine Anarchie in der Wort-
schreibung und selbst in gewissen Theilen der Formenlehre, die sich
wohl erklärt, wenn man weiss, wie geringschätzig die Sprache in ihrem
eigenen Vaterlande behandelt wird. Die Japaner, die Einzigen, die es im
Punkte der sprachlichen Ausländerei allenfalls noch mit den Koreanern
aufnehmen können, besitzen doch wenigstens eine alte bodenwüchsige
Literatur, die sie in Ehren halten und philologisch durchforschen, und
an die sich hunderte von Bänden lexikalischen und grammatischen
Inhalts reihen. In Korea nichts von Alledem, kein Sprachdenkmal
aus alter Zeit, — soviel mir bekannt ist, auch keinerlei Versuch, die
. 588 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 23. Juni.
heimische Sprache in Regeln zu fassen. Nur die Etiquette hat sie,
zumal ihre Conjugation, in wunderliche Regeln gebannt. Die werden
sorgfältig beobachtet; sonst aber gilt es für fein, der Rede soviel
chinesische Fremdwörter beizumischen, wie möglich. Und alles, was
die Gebildeten füreinander schreiben, auch jedes Buch ernsteren Inhalts,
ist chinesisch. Bücher in der Landessprache werden nur für den
Unterrichtszweck und dann zur Unterhaltung und Belehrung der Frauen
und des niederen Volkes gedruckt. Wie ich aber erfahre, ist die Nach-
frage so gering, dass die Buchhändler lieber auf jedesmaliges Verlangen
von den hölzernen Stereotypplatten Abzüge machen lassen, als fertige
Exemplare auf Lager führen. Bedenkt man ferner, dass Korea erst
seit wenigen Jahren den Europäern erschlossen ist, so erklärt es sich,
dass die rauhe, schwerfällige Sprache mit ihrer dürftigen Literatur
bisher wenige Freunde bei uns gefunden hat. Das Wörterbuch und
die Grammatik der katholischen Missionare (Yokohama 1880, 1881) sind
unter den Hülfsmitteln die ausführlichsten, aber noch lange nicht er-
schöpfend. H. @. Unperwoon’s Introduction to the Korean Spoken Lan-
guage, Yokohama etc. 1890, ist ein geschickter, selbständiger Versuch,
die Sache zu vereinfachen, geht aber auch nur selten mehr in die Tiefe.
James Scorr's Corean Manual, Shanghai ı887, und C. IngauLt- HuArrT’s
Manuel de la langue coreenne parlee, Paris 1889, bieten für wissen-
schaftliche Zwecke nichts Neues. Die älteren Werke von M. Pvzırıo,
OmBimb PYCCROo - kKOpeheraro CeAoBapa, St. Petersburg 1874, und von
Jon Ross, Corean Primer, Shanghai 1877, haben noch immer einiges
Interesse, weil sie das Lautwesen selbständig, vermuthlich auf Grund
verschiedener Mundarten, darstellen.
Auf dieses, auf das Lautwesen, kommt es offenbar in erster Reihe
an, und zwar wird vor Allem der ursprüngliche Lautwerth der korea-
nischen Schriftzeichen zu erörtern sein. Zu einer solchen Untersuchung
sollen im folgenden die ersten Schritte gethan werden, soviel ich sehe
die einzigen Schritte die zur Zeit möglich sind. Und auch sie bewegen
sich schon auf schwankendem Boden.
Die politische und staatliche Abhängigkeit Koreas von China wird
bis in das ı 2. Jahrhundert v. u. Z. hinauf datirt. Nicht viel jünger mögen
gewisse Lehnwörter im Koreanischen sein, die, wie ich anderwärts (die
Sprachwissenschaft, S. 284) zu erweisen gesucht, den Auslaut / oder
wahrscheinlicher r im Altchinesischen bezeugen dürften: mal, Pferd,
chines. na, siul, Wein, chines. Zsieu, sil, Seide, chines. ss’. Gewiss
lohnte es sich, dieser Spur weiter zu folgen, auch andere der frühesten
Entlehnung verdächtige Culturwörter auf ihren möglichen chinesischen
Ursprung hin zu untersuchen. Doch damit wäre der chinesischen Laut-
geschichte mehr gedient, als der koreanischen.
® . | .p r @)
v.D. GageLentz: Zur Beurtheilung d. koreanischen Schrift- u. Lautwesens. DS9
In Letzterer ist eine der nächstliegenden Fragen die nach den
Tenues und Mediae. Das Chinesische besass noch bis weit in das vorige
Jahrtausend hinein, besitzt in gewissen Mundarten noch heute eine
vierfache Reihe von Anlautsconsonanten: nieht aspirirte Tenues, Mediae
und Nasale, dazu zwei h, zwei f, v, w, y, !, und die Zischlaute $, £, s, 2.
Das Koreanische ist viel ärmer. Wie vertheilt es nun jene drei Reihen
der Tenues und Mediae auf die zwei, über die es verfügt? Ehe ich
darauf eingehe, muss ich vorausschicken, dass auch die chinesische
Lautentwickelung noch nicht in allen Stücken ganz klar ist. Die alten
Mediae sind da, wo sie sich nicht als solche erhalten haben, meist
zu asperirten, zuweilen aber auch zu nichtasperirten Tenues geworden,
und zwar in denselben Dialekten, z.B.im Kuan-hoa und im Cantonesi-
schen. Dies deute ich an, indem ich sie bald ohne, bald mit Aspirations-
zeichen schreibe und dementsprechend benenne. Darnach wird die fol-
gende Zusammenstellung zu beurtheilen sein.
MChimesisch nicht aspirirte Tenuis — koreanischem nicht
aspirirtem Anlaute.
im, Nagel: Iyen
pin, beisammen: pyen
cun, Mitte: dyum
fin, anmuthig: pon
tan, tleischfarben: tan
v
cr, dessen, ihn: &
lun, Winter: ton
cum, erlauben: eyun
ien, Bank: tön
taö, Messer: {0
kun, Verdienst: kon
isu, helfen: co
Isik, Verdienst: dyek
cok, Löffel: eyak
cü, Herr: eyu
kieu, lange: ku
kieu, neun: ku
kan, trocken: kan
pr, Löffel: px
pek, Norden: pök
kiaö, verkehren: Ayu
kin, Hauptstadt: kyen
kim, jetzt: köm
pek, Älterer: pdik
ti, niedrig: diye
kuan, Lieht: koan
ten, Helm: tu
kun, Fürst: kon
pen, Soldat: pyen
tien, Codex: tyen
kiem, zugleich: kyem
kuan, Mütze: koan
cem, loosen: dyem
kud, Diagramm: Aoai
Isiet, siegeln: dyel
kiuen, Heft: Auen
(BEE
cao, rufen: dyo
kit, Glück: kil
klün, Fürst: kun
kuok, Staat: kuk
bi, Erde: %
— und so fast überall.
590 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 23. Juni.
II. Chinesisch nieht aspirirte Tenuis = koreanischem
kia, hinzufügen: Aa
paö, einwickeln: p'o
pu, Obstgarten: po
to, Scheibe: fa
kuai, getheilt: kuai
pu, Zeug, Leinen: po
isiom, pyramidal: E'yem
piaö, streifig: pyu
pa, nehmen: pa
pan, Brett: pan
aspirirtem Laute.
iai, Schleusse: Tdi
pa, schlagen: pa
pd, Deich: pa
ia, schlagen: ta
cok, hacken: d’ak
pit, müssen: pl
cam, zerschneiden: Cam
pi, jener: pi
pao, trocken: po
II. Chinesisch aspirirte Tenuis = koreanischer Aspirata.
sit, sieben: Cl
cn, füllen: Eyun
Cun, aufsteigen: Eyun
fik, abschaben; {yek
can, verwunden: Can
Pat, Paar: pal
isien, tausend: dyen
Cok, hoch: dak
tsiü, nehmen: Eyu
po, nicht können: pa
mi, blasen; Eyui
{än, verschlucken: fan
lu, Erde: to
fan, eben: fan
!ap, Thurm: fap
tsüm, Zoll: Eyun
fin, Saal: C'yen
isün, bedenken: don
en, zaudern: Eyun
ceü, herausnehmen: yo
tsöi, freien: C'yu
cet, wegthuen: dyel
cr. Schamgefühl: €i
fiep, Karte: Üyep
cun, Gunst: Eyun
pd, fürchten: pa
LS, Gattin: \C ye
Cat, prüfen: dal
tsiep, Kebsweib: yep
pa, Kopftuch: pa
ik, Fuss:- Eyek
fien, Himmel: {yen
fao, Bündel: To
fdi, gross, sehr: !ai
tot, nehmen: lal
isai, bunt: Ci
fik, Herzpochen: tök
ist, Kummer: eye
Isik, Axt: dyek
cün, Frühling: Eyun
IV. Chinesisch aspirirte Tenuis = koreanischer
kit, bitten: kel
peu, halbiren: pu
kiuen, ermahnen: kuen
kiü, Wohnung: ku
isut, plötzlich: dol
aspirirten.
kiok, ablehnen: kak
kon, Magnat: kyen
kiüi, weggehen: ke
keu, Mund: ku
ko, können: ka
nieht
v.. GageLeNTz: Zur Beurtheilung d. koreanischen Schrift- u. Lautwesens. D91
faö, begehren: to
kuen, hemmen: kon
ki, pflastern: ki
Ce, ausschweifend: dya
pi, Vertrag: pi
pik, spalten: pyek
küik, krumm: kuk
pok, Baumrinde: pak
ki, Vertrag: kyei
pih, damenmässig: püh
kuei, beschämt: koi
kiet, Waise: kyel
kok, Gast: käik
kok, achtsam: kak
kun, fürchten: kon
kai, Mitleid: kai
kan, edelsinnig: kan
laö, betrübt: to
kin, Heil: kyen
kan, widerstehen: kan
!sao, nehmen: co
pän, erlangen: pan
pu, allgemein: po
ki, täuschen: köi
V= Chinesisch aspirirte Media = koreanischem nicht
aspirirtem Laute.
gien, himml. Prineip: ken
din, Portieus: iyen
gieu, Feind: ku
gi, aufrecht: Av
Jü, stehen: dye
din, ausziehen: tyen
gek, können: kök
dziuen, ganz: dyen
gi, dessen: ki
gi, hoffen: köi
gik, spielen: kök
gii, Sorge: ku
gin, stark: kyen
dü, Gefäss: lo
ban, massig: pain
Jin, melden: eyen
dü, Plan, Tafel: io
dudn, rund: tan
din, Halle: tan
d’än, Teich: tan
dün, Höhle: ton
bin, Schirm: pyen
duan, Igel: tan
dü, Gefolge: to
bien, überall: pyen
bih, vertrauen: pih
dzan, zerstören: can
giän, stark: kan
ddän, Altar: tan
giuen, Faust: kuen
Jt, erfassen: &
dzin, Leidenschaft: dyen
gi, Flagge: köi
dzün, bewahren: con
dzaö, Collegium: do
gi, Zeitraum: köl
diaö, Zweig: iyo
gim, erhaben, köm
jü, Pfeiler: cyu
di, Schmutz: to
bi, Magd: pi
jet, Vorhaus: ‚di
di, anmuthig: Zyei
din, schon: Iyen
dü, schlachten: to
dün, sammeln: tun
d’än, Vorhang: tan
ban, Trommelschall: pan
dun, roth: ton
dzdi, Talent: cäi
b.än, nebenher laufen: pan
ben, Freund, pön.
392
VI
Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 23. Juni.
Chinesisch aspirirte Media —= koreanischem
aspirirtem Laute.
bin, Gesandter: pin
d’ö, tragen: to
bü, kriechen: po
baö, Kürbis: po
d’di, erhaben: tdi
d’iep, Zinne: Fyep
in, Staub: en
dzen, Geschoss: Cön
bin, eben: pyen
dziaö, erschöpft: e'yo
dın, stark: Eyen
VI
bo, altes Weib, pa
d’än, schnippen, fan
biao, verhungern: pyo
do, sicher: fa
diem, Schmach: Tyem
diöm, Behagen: Fyen
jdai, Lager: Edi
dzdm, sich schämen: dam
bao, fassen: Do
dein, hell, klar: Eyen
d’ai, gefährlich: Ua.
Chinesisch nicht aspirirte Media — koreanischem
nicht aspirirtem Laute.
jan, Waffe: cyan
jü, wohnen: eyu
buan, Genosse: pan
dan, nur: tan
jao, Million: yo
gun, zusammen: kon
giü, Geräthe: ku
vdm (bäm), alle: pam
ban, sich stützen: pan
gin, steif: kyen
dun, bewegen: ton
bik, kriechen: pok
dzian, Handwerker: cyan
guei, Kasten: Auei
duık, Kasten: tok
bien, Gesetz: pyen
VII. Chinesisch nicht aspirirte Media — koreanischer
dan, Morgen: tan
Mm, ich: cim
but, thöricht: paul
chi, hassen: tdi
dzuk, Sippe: cok
dzam, kurze Zeit: cam
giü, fürchten: ku
dit, Pflaume: tu
bit, schreiten: po
gi, geschickt: Ai
dien, ertrinken: iyen
buk, Kopftuch: pok
dzok, gestern: ak
duk, Gift: tok
dik, Feind, tyek
bien, Haube: pyen
Aspirata.
do, fallen: la
bi, Gunst: pyei
jik, Wohnung: Cäik
bit, helfen: pd
dai, träge: ai
bai, zerstören: pai
bi, schlecht: pei
bi, Seide: pyei
dzik, wählen: Caik
din, Kummer: fon
bi, gemein: pyei
m
v. o. GAgerentz: Zur Beurtheilung d. koreanischen Schrift- u. Lautwesens. 593
Es waren acht Fälle möglich, und alle acht haben sich als that-
sächlich erwiesen. Die koreanischen Aspiraten und Non -Aspiraten
können beide sowohl die Tenues als die Mediae und in beiden Fällen
sowohl die aspirirten wie die nicht aspirirten chinesischen Laute ver-
treten. Es steht z. B. sowohl t als f für t, f, d, d. Gewöhnlich
wird der nicht aspirirte Anlaut des Chinesischen dureh einen nicht
aspirirten im Koreanischen wiedergegeben: ? und d durch £. Aber
auch diese Regel erleidet Ausnahmen. Und hinsichtlich der chinesi-
schen Aspiraten herrscht völlige Unsicherheit. Man mag, — man
muss wohl annehmen, dass die Lehnwörter zu verschiedenen Zeiten
und aus verschiedenen Mundarten des Chinesischen herübergenommen
sind. Damit aber verzichtet man bis auf Weiteres auf die Erklärung
der Einzelfälle. Stellen wir heute die Frage: was hat der Koreaner
im Chinesischen stärker empfunden, den Unterschied zwischen Tenuis
und Media, oder jenen zwischen Aspirata und Non-Aspirata? — so
können wir uns nur zögernd und mit allem Vorbehalte für Letzteres
entscheiden. Denn wir wissen nicht einmal, wann sich in den ver-
schiedenen Mundarten des Nordehinesischen der Übergang von der
Media zur Tenuis vollzogen hat. Und andererseits wissen wir, dass
auch die Mandsehu und die Russen noch immer die chinesische nicht
aspirirte Tenuis durch ihre Media wiedergeben.
Unklar ist es auch, warum der Koreaner chinesisches auslautendes
{ durch / ersetzt. In seiner eigenen Sprache lautet jetzt schliessendes
s wie ?!: os, Rock wie ot u. s. w. Nun schreibt er meist auch s statt
ursprünglichen auslautenden /, z. B. skos oder kkos, Blume, statt skot
oder Akot. Das mag graphische Gründe haben; denn schliessendes
sieht genau so aus wie ön. Das /! aber ähnlich zu erklären, geht
nicht wohl an; denn es wird nach wie vor wie / ausgesprochen. Eher
mag im Nordchinesischen das auslautende 7, ehe es völlig verstummte,
in der Mundstellung und in der akustischen Wirkung einem leise an-
gedeuteten / geähnelt haben.
Nur der Vollständigkeit halber führe ich noch an, dass
chinesisches w durch 'o oder 'u,
» A und R durch ',
» mw durch m
vertreten wird, z. B.
wän, König: 'oan,
wei, machen, sein: "wi,
nin (Zin), Mensch: "in,
nit (Zi) Sonne: "il,
M (ri) zwei: 'i,
mwan (wan) zehntausend: man.
594 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 23. Juni.
Ich besitze drei buddhistische Werke aus Korea, in denen das
Sanskrit in Lanta-Charakteren, daneben, interlinear, die Aussprache
in koreanischer Schrift gegeben ist.‘ Diese wird in zweien der Bücher
durch diakritische Zeichen, links gesetzte Punkte und Doppelpunkte,
bereichert; zuweilen wird ” von AR durch runde oder dreieckige Form
des Zeichens unterschieden. Der Nasal (bez. mit Doppelpunkt) ersetzt
zugleich die nicht aspirirte Media: n oder :n —= g, das Zeichen für
den nicht aspirirten Laut (bez. mit Punkt), die aspirirte Media, ferner
steht 7 oder. .!. für 'r, p oder, .p für v, ‚s, für;g, :s oder. :s für. s, sy. We
"ya oder "ya für ya, m für Anusvära, k für Visarga. Die Silbentheilung
geschieht oft anders als im Sanskrit, und dann werden wohl aufeinander-
folgende Consonanten durch ein eingeschobenes @ getrennt a-:pa-lo-
ki-tyei-sä:pa-lak — avalokitegvarah.
Offenbar haben dem Koreaner die nicht aspirirten indischen
Mediae weicher, den Nasalen ähnlicher geklungen. als seine nicht
aspirirten Laute. Aber die aspirirte Media des Sanskrit schien ihm
der nicht aspirirten Tenuis ähnlicher, als der nicht aspirirten Media,
er 'zog .d zu n,. nicht. zu £ ‚aber d’ zu t, nicht zu d, auch’ nicht zur
Um dies zu verwerthen, müssten wir wissen:
ı. Von wem die Koreaner ihr Sanskrit gelernt, und wie es ihre
Lehrmeister ausgesprochen haben, und
2. Wann jene Umschreibungen erfolgt sind, welcher Zeit also
die sich hier ergebende Aussprache der koreanischen CGonsonanten an-
gehört. Beides wissen wir nieht, und die Transscriptionen der chine-
sischen und der indischen Laute müssten besser zusammenstimmen,
wenn sie im Zusammenhalte etwas Sicheres ergeben sollten.
Sonach scheint es, als wäre man auf die eigentliche Schriftgeschichte
angewiesen, als wäre am Ersten eine sichere Antwort dann zu erhoffen,
wenn man wüsste, woher das koreanische Alphabet stammt und bez.,
welche Zeichen seines Urbildes es in sich aufgenommen hat.
Für indischen Ursprung der koreanischen Schrift sprechen die
wiehtigsten Gründe. Dass die Zeilen von oben nach unten, von rechts
nach links laufen, ist dem chinesischen Muster zuzuschreiben und steht
nieht vereinzelt da. Auch Schriften semitischen Ursprungs, — die der
auch eine Schrift indischer Her-
kunft, die des Pa-sse-pa, hat bekanntlich das gleiche Schicksal erlitten,
und die Japaner und Koreaner drucken in ihren buddhistischen Büchern
Uiguren, Mongolen und Mandsehu,
die Silbengruppen des Lanea in senkrechten Linien untereinander. Da-
gegen entspricht die glückliche Vereinigung von Alphabet und Syllabar
! Die Texte scheinen ziemlich verderbt zu sein. Sie enthalten Verstösse gegen
den Sandhi und die Formenlehre, die wohl selbst in. dem schlechten Sanskrit der
nordbuddhistischen Litteratur unerhört sind.
v.D. GABELENTZ: Zur Beurtheilung d. koreanischen Schrift- u. Lautwesens. +) 95
in der koreanischen Schrift dem indischen Vorbilde. Nur das ist
zweifelhaft, ob sie entlehnt oder frei nachgeschaffen ist.
Kunstschriften, als deren Zeichen die Theile eines netzförmigen
Diagrammes angewandt werden, sind wenigstens den Japanern eben-
sogut bekannt, wie uns. Und es fällt nicht schwer, ein sehr einfaches
Netz aus Quadraten und Diagonalen herzustellen, worin jedes Zeichen
der mehr lapidaren Schriftform der Koreaner Platz findet. Offenbar
aber darf man zu dieser Erklärung nur im äussersten Nothfalle seine
Zuflucht nehmen.
Nun hat sich die japanische Philologie, — die einheimische —
längst mit der Geschiehte der in Japan in Gebrauch gewesenen Sehrif-
ten beschäftigt, aber dabei, soviel ich sehe, zwischen entlehnten und
erfundenen Schriften nicht genügend geschieden. Unter den mir zu-
gänglichen Werken dieser Art ist das neueste »Erörterung über die
Sehriftzeichen der alten Dynastien Japans«.' Soweit dies unsere Frage
betrifft, bestätigt es zunächst (Heft I, S. ı6h ff.) die auch sonst be-
kannte Thatsache, dass den Japanern ein dem koreanischen fast gleiches
Alphabet unter dem Namen Afiru-mozi, Schrift des Afıru, bekannt war.
Afıru soll der Name des Erfinders, eines Mannes aus dem Lande
»Tuima« sein. Es liegt nahe, dahinter das sanskrit Abhiru, der
Furehtlose, zu vermuthen. Was an dieser Stelle sonst über den Ur-
sprung der Schrift angegeben wird, ist unbrauchbar. 'Theils weist
es in mythologische Zeiten zurück, theils bezieht es sich auf Quellen,
die es nieht benennt. Die Schrift hat hier die Lapidarform. Sie be-
steht aus den Vocalen «, 0, i, e, a und den Consonanten s, h, t, r, n,
k, y, m, w, 8, hat also, dem japanischen Bedarfe gemäss, nicht die
Vocale und Diphthongen 4, ö, ya, ye, yo, yu und von den Consonanten
nicht /, € und p, auch nicht die Aspiraten. Besondere Zeichen für die
japanischen getrübten (erweichten) Laute g, d, db, z fehlen. Dagegen
zeichnet sie sich vor der Koreanischen durch den Besitz von r, y und
lo aus (vergl. B der Tafel. In der koreanischen Schrift stehen die
Vocale a, e, ya, ye stets rechts, dagegen d, ö, 0, u, yo, yu stets unter den
Consonanten (vergl. C). Die Afiru-Schrift macht diese Unterscheidung
nieht: die Vocalzeichen stehen entweder immer rechts oder immer
unten.
Auffallend ist der Gebrauch des h und der Mangel des p. Es ist
nachzuweisen, dass das Japanische in älterer Zeit und wohl noch ein
gutes Stück in unsere Zeitrechnung hinein den Laut p da gehabt hat,
wo jetzt eine Art h gesprochen wird. In gewissen Verbindungen tritt
1 H yiN a AR I .. Er von 23 nn HM Ya. Vorrede vom Jahre 1888,
in 2 Heften.
596 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 23. Juni.
dieser Laut noch heute hervor, z. B. in Nippon statt Nit-hon, Nit-pon,
und da, wo sich A zu 9, £ zu d, s zu z erweicht, »trübt« sich das A
zu b, — zwischen Vocalen wird es nach gewissen Regeln entweder zu
w, oder es verstummt ganz: aht: ai, ahase:awase. Vor noch nicht drei-
hundert Jahren hörten die Missionare fa, fe, fo statt der jetzt gebräuch-
lichen ha, he, ho. Die Silbe Au klingt noch jetzt fast ganz wie fu,
wird auch so transseribirt, und im Munde der heutigen Südjapaner
ist das 4 deutlich labial.
Unter diesen Umständen könnte man annehmen, dass die Afıru-
Schrift in Japan erst ganz neuerdings, etwa innerhalb der letzten zwei
Jahrhunderte, bekannt und gelegentlich angewandt, und dass die
Zeichen, die sie vor der koreanischen voraus hat, frei hinzuerfunden wor-
den seien. Allein auch eine zweite Deutung ist möglich: das Alphabet
war in Japan längst und zwar vollständiger bekannt, als es in den
koreanischen Schriften erscheint, nämlich so, dass es auch die Zeichen
für y, w, r und vielleicht eine Unterscheidung zwischen 8 und n besass.
Die Sache schlief aber in den Archiven, die landesüblichen Schriften
behaupteten nach wie vor die Alleinherrschaft, und nür versuchsweise
oder zum Spiele wurde gelegentlich das Afiru-mozi zum Schreiben
Japanischer Texte gebraucht.
In der That ist gar nicht anzunehmen, dass die Kenntniss der
Japaner von der koreanischen Schrift so gar jungen Datums sei. Dazu
ist der Verkehr zwischen den beiden Ländern viel zu alt und zeit-
weise auch zu lebhaft gewesen, und die Japaner haben immer für das
Ausländische offenen Sinn gehabt.
In Heft 2 Bl.ı9”—22” des angezogenen Werkes wird nun die
koreanische Schrift unter ihrem einheimischen Namen En-mun, ja-
panische Aussprache Won-mon, besprochen. Das Wichtigste, was hier
mitgetheilt wird, sind ein paar Auszüge aus koreanischen Werken,
nach deren einem die Erfindung (oder Einführung) des En-mun etwa
in das. letzte Viertel des 7. Jahrhunderts unserer Zeit fallen würde. Die
Identität mit den Afiru-mozi wird hervorgehoben. Ob die Schrift von
Japan aus nach Korea gelangt sei oder umgekehrt, wird als streitig
erwähnt. Das Ganze ist unkritisch und wäre für unseren Zweck
werthlos, wenn nicht die Zeitangabe einige Beachtung verdiente. Die
weiterhin ausgesprochene Vermuthung, es seien die koreanischen Buch-
staben, ähnlich wie das Katakana der Japaner, aus Theilen chinesischer
Schriftzeichen gebildet, mochte den Ostasiaten nahe liegen, hat aber
sonst alle Wahrscheinlichkeit gegen sich. Sie beweist höchstens, dass
wir von den asiatischen Quellen wenig Gewinn für unsern Zweck zu
erhoffen haben und um so gewisser auf den eigenen Augenschein an-
gewiesen sind.
v.o. GaseLentz: Zur Beurtheilung d. koreanischen Scehrift- u. Lautwesens. 597
Dass wir es mit einer entlehnten indischen Schrift, nicht bloss
mit einer freien Nachbildung des indischen Schriftsystems zu thun
haben, dafür spricht auf den ersten Anblick die Form des 1. Dass
wir den Ursprung dieser Schrift eben da zu suchen haben, wo das
tibetische und das ihm verwandte mongolische Alphabet (das des
Passepa) herstammt, dafür spricht die Geschichte des nördlichen Bu-
ddhismus. Das indische Alphabet, wie es sich in den Inschriften der
Gupta-Dynastie darstellt, ist im tibetischen fast unverändert erhalten,
in dem Landscha der buddhistischen Sanskrittexte doch schon ziemlich
stark entstellt. Mit jenen Schriftformen werden wir nun die korea-
nischen Zeichen zu vergleichen haben.
Das gutturale ”J erinnert am Meisten an die Form des indischen
9. Die Inschrift von Dzirnar weist freilich ein sehr ähnliches X auf.
Das palatale 7X lässt sich noch am Ersten mit Zeichen für €
vergleichen.
Das dentale [[ passt gut zu den indischen Formen des d, weniger
zu denen des .t.
Zu L=n stimmt so leidlich das n der Acoka-Schrift.
Das labiale E&J macht Schwierigkeiten, weil in den indischen
Schriften sowohl p und ph als auch 5 ähnliche Formen aufweisen.
Das (7 = m gleicht völlig den indischen Zeichen für db, jenen
für m nur entfernter.
Das 2 = ! braucht man nur zu wenden: fl), um das ent-
sprechende indische Zeichen zu haben. Andere Zeichen vertragen
allerdings diese Wendung nicht.
Das N =s endlich findet in dem gleichwerthigen Zeichen der
Dzirnar-Inschrift ein leidliches Ebenbild.
Für 2 und 4 finde ich keine Analoga.
Offenbar wäre viel gewonnen, wenn auch die der japanischen
Afiru-Schrift allein eigenen Zeichen ähnliche Übereinstimmungen böten.
Und das thuen sie allerdings.
Das 9 —w gleicht fast ganz den indischen Formen für vo. Gleiches
gilt, fast in noch höherem Grade, von
IE = Y und von
I >= 1t:
Sonach ergiebt sich Folgendes:
ı. Haben wir es zweifellos mit einer mehr oder minder ent-
stellten, so zu sagen geometrisch stilisirten Form indischen Schrift,
nieht mit einer freien Nachbildung zu thun.
=) = ; E . : r a
598 Sitzung der philosophisch- historischen Classe vom 23. Juni.
2. Dürften Y [7 und #4 ursprünglich eher Mediae als Tenues
dargestellt haben, während 7X allerdings als € anzusetzen ist. Jomn
Ross schreibt im An- und Inlaute die Nicht-aspirirten als Mediae,
die Aspirirten als einfache Tenues. Der Russe PuzıLLo giebt Erstere
im Anlaute durch Tenues, im Inlaute durch Mediae wieder. Die
französischen Grammatiker scheinen nur dem inlautenden k »manch-
mal« den Laut g zuzusprechen. Von den Aspirirten sagen sie: »ÜGes
consonnes devraient plutöt s’appeler expirees. Le terme adequat
serait: consonnes crachees, car le son que produit un gosier coreen
en les prononcant ressemble a celui de l’expeectoration. «
3. Die Voealzeichen, die Aspiraten, wahrscheinlich einschliesslich
des A. und wohl auch das oder die Zeichen für 8 und % sind ver-
muthlich einheimisch koreanische Erfindungen. Das 8-Zeichen könnte
man zur Noth mit dem indischen \7 = e vergleichen; in den semiti-
schen Schriften der Mongolen und Mandschu sind auch beide, der
Spiritus lenis und das © durch denselben Buchstaben vertreten. Die
indische Form des a mochte man ablehnen, weil sie mit dem L
zu verwechseln war. Und wenn man das A anscheinend vom 8 oder
n, vielleicht unter Zusatz eines s, ableitete, so mochte dies in dem
besondern, rauheren oder mehr pfeifenden Tone des koreanischen
Lautes seinen Grund haben.
Die Zeichen der Aspiraten X, €, f und A sind sichtlich nach
einem einheitlichen Plane geschaffen. Zu diesem passt die Form des
p nicht recht. Ein indisches Vorbild für das betreffende Zeichen
kann ieh nicht entdecken, und so ist es mir noch immer das wahr-
seheinlichste, dass IL aus &J und einem darüber liegenden Quer-
striche durch Weglassung des inneren Querstrichs gekürzt, und dass
seine Basis aus Gründen der Symmetrie verlängert worden sei.
Erinnert man sieh nun an die Art. wie die Koreaner die indischen
Texte transseribiren, so ergiebt sich ein überraschender Widerspruch.
Nasale vertraten die Mediae des Sanskrit. Dazu würde es allerdings
stimmen, wenn wirklich das koreanische »n aus indischem d entstanden
wäre. Dagegen stimmen die Buchstaben 4%, t und einigermaassen auch
p zu den indischen g, d und Ö, und sie vertraten zugleich die Tenues
und die aspirirten Mediae des Sanskrit. Letzteres ist vielleicht be-
deutsam: die koreanischen Laute mochten ähnlich knallend sein, wie
die sogenannten Mediae des Magyarischen. Und eben diese Analogie
würde es wohl auch erklären, wenn wirklich das Zeichen für p dem
der indischen Tenuis entstammen sollte.
Auch das mag kaum Wunder nehmen, dass der Buchstabe € auf
indisches €, nicht auf j, weist. Denn erstens mochte letzterer Laut,
v.D. Gaserentz: Zur Beurtheilung d. koreanischen Schrift- u. Lautwesens. 599
wie er von den Koreanern gehört wurde, ganz besonders weich sein, —
wird er doch auch nach der üblichen indischen Aussprache vor pala-
talem 2 unhörbar. Und zweitens erscheint er im Koreanischen als
ein Jodirungsproduet nieht gutturalen oder velaren, sondern dentalen
Ursprungs. Dafür spricht die Deelination der auf Z auslautenden
Substantiva: nat — Antlitz: nat-ci — anlangend das Antlitz; dagegen
öm-sik — Speise: öm-sik-i — anlangend die Speise.
Soweit, allerdings noch lange nicht bis zur Gewinnung einer
völligen Gewissheit, möchte dieser lautgeschichtlichen Grundfrage
mit den uns jetzt verfügbaren Mitteln beizukommen sein. Von den
Dialekten der Sprache, von denen wir wohl weiteren Aufschluss er-
hoffen dürften, wissen wir noch sehr wenig. Und ob es je gelingen
werde, das Koreanische mit anderen Sprachen verwandtschaftlich zu
verbinden, ist noch sehr zweifelhaft. Asrov hat es zu dem noch
ebenso vereinzelt dastehenden Japanischen ziehen wollen, aber mit
seinen Vergleichungen kaum eine Wahrscheinlichkeit, geschweige denn
eine Gewissheit erzielt. Und wäre ihm der Beweis geglückt, so wäre
der Gewinn für unsre Zwecke wohl sehr gering gewesen; denn das
Japanische gehört in seiner ältesten uns erreichbaren Gestalt zu den
lautärmsten Sprachen der Erde.
Einen Versuch, die uralaltaischen Sprachen zur Vergleichung herbeı-
zuziehen, wiederräth auf den ersten Blick so gut wie Alles. Einiger-
massen ähnlich ist nur der Satzbau und das Äusserlichste des Wortbaues.
Dagegen passen die Pronomina, die Zahlwörter und die Casuszeichen
durchaus nicht zusammen, und das Lautwesen ist fast diagonal ent-
gegengesetzt.
Hält man weiter in den Sprachen Nordostasiens Umschau, so
scheint seltsamerweise das Ainu in einigen seiner Für- und Zahlwörter
Anklänge an das Koreanische zu bieten. In anthropologischer Hinsicht
stehen aber die beiden Völker einander so fern. dass man kaum ver-
sucht sein wird, einer so schwachen Spur zu folgen.
Von den vielgestaltigen Sprachen der indochinesischen Familie end-
lich weicht das Koreanische gerade in denjenigen Theilen seines Wort-
schatzes ab, die für die Stammverwandtschaft typisch zu sein pflegen.
Mit einem Worte: nach nahen Verwandten, die man am Ersten
um Auskunft befragen könnte, sieht man sich vergebens um; man
muss abwarten, ob nicht doch bei tieferer Erforschung die Sprache
selbst einen Theil ihrer lautgeschichtlichen Geheimnisse verräth.
Und nach dieser Richtung hege ich allerdings starke Hoffnungen,
selbst wenn die koreanische Dialektforschung nicht besser gepflegt
werden sollte, als die Japanische. Eben jene anscheinend so zuchtlos will-
kürliche Wortschreibung, jene Anorthographie der koreanischen Texte
Sitzungsberichte 1892. 54
600 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 23. Juni.
kann dem Erforscher der Sprachgeschichte so förderlich werden, wie
sie dem Philologen lästig ist. Beim einzelnen Schriftsteller wenigstens
ist doch eine gewisse Öonsequenz zu vermuthen:; er wird so schreiben,
wie er es zu hören glaubt, mögen sich auch gelegentlich ihm geläufige
fremde Muster störend einmischen. So können bei näherer Betrachtung
die orthographischen Varianten zu Zeugen verschiedener Dialekte, viel-
leicht älterer Ausspracheweisen werden. Ich kann an dieser Stelle nur
einige Ausblicke eröffnen, Probleme aufstellen, deren Lösung ich von
der Zukunft erhoffe.
ı. Neben den nicht aspirirten und aspirirten besitzt das Koreanische
noch eine dritte Anlautsreihe, meist kk, pp, tt, ss oder sk, sp. st,
ss, wohl auch pk, pp, pt. ps, oder tk, ip, tt, ts geschrieben. Nach der
Beschreibung der französischen Missionäre, zu der die von Ross und
Scorr leidlieh stimmen, werden hierbei die Laute %k, p, t und s hart,
gepresst und trocken ausgesprochen, was wieder den Klang des folgen-
den Vocals verschärfen soll. Puzırro transseribirt sk, sp, st, ss, scheint
also diese Aussprache als die herrschende zu betrachten. Jene anderen
Schreibungen müssen aber auch ihren geschichtlichen Grund haben; es
ist anzunehmen, dass hier die eine, dort die andere die alte Lautform
darstelle. Man wird also untersuchen müssen, ob ältere Bücher, oder
ob etwa Wortcomposita noch Spuren dieses Unterschiedes zeigen.
2. Sehr schwankend ist auch der Vocalismus. Die beiden so zu
sagen trüben Vocale & und ö wechseln unzählige Male unter sich,
zuweilen auch mit anderen. Selbst Spuren bedeutsamen Vocalwandels
finden sich, z. B. 'a-0-lö-ta, "a-ol-ne, "a-olön — vereinigen: a-'0-
lo-ta, 'a-ol-na, 'a-0-lon — gemeinsam handeln.
3. Beim Anfügen der Suffixe treten oft Stammauslaute zu Tage,
die bei der selbständigen Stammform geschwunden sind, und auch
hierin zeigt sich zur Zeit noch verblüffende Willkür. Offenbar haben
falsche Analogien arge Verwirrung in die Formenlehre gebracht, Form-
doubletten gelten für gleichberechtigt, und es ist noch nieht abzu-
sehen, ob und wann die Wissenschaft in die Lage kommen werde,
hier Ordnung zu schaffen. Einer litteraturlosen Sprache gegenüber
kann sie kaum so sehlimm daran sein, wie gegenüber einer Sprache,
die zwar literarisch benutzt, aber nicht litterarisch gepflegt und ge-
festigt ist.
Ausgegeben am 23. Juni.
Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1892. Taf. VI.
A. Alphabet.
een 2; A
7 UV H c. en
m n m LER
.
p
d
rom
rdi
sim
hi
Ik N» ob or m
V.D. GABELENTZ: Zur Beurtheilung des koreanischen Laut- und Schriftwesens.
601
1892.
XXX.
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
30. Juni. Öffentliche Sitzung zur Feier des Leissızischen
(Gedächtnisstages.
Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers.
Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung mit einer Festrede.
Hierauf hielten die neu eingetretenen Mitglieder der physikalisch-
mathematischen Classe ihre Antrittsreden, welehe von den Ulassen-
seeretaren beantwortet wurden.
Hr. VosEL sprach:
Der heutige Tag, an welchem ich die Ehre habe, zum ersten
Male in Ihrem Kreise dieser akademischen Feier beizuwohnen, bildet
einen bedeutsamen Abschnitt in meinem Leben und gibt mir Ver-
anlassung, auf meine bisherige wissenschaftliche 'Thätigkeit zurück-
zublicken und die wenigen Bausteine, welche mir vergönnt gewesen
ist, zu dem mächtig emporstrebenden Gebäude der Astrophysik hin-
zuzufügen, auf ihren Werth zu prüfen.
Ich muss bekennen, dass meine ersten Erfolge nicht unwesent-
lich durch ein Zusammentreffen günstiger Umstände gefördert worden
sind. — Nachdem ich mich mehrere Jahre hindurch mit den Methoden
astronomischer Forschung vertraut gemacht hatte, konnte ich mich
in fast unabhängiger Stellung auf der Sternwarte des Hrn. von BüLow
auf Bothkamp mit vollem Eifer auf den sich neu entwickelnden
Zweig der Astronomie werfen, unterstützt durch vorzügliche Hülfs-
mittel und zu einer Zeit, wo noch fast jeder Blick in das Speetroskop
54*
‘
602 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni.
Neues und Unerwartetes brachte. Aber schon damals erkannte ich
die Gefahr, welche diese verhältnissmässige Leichtigkeit der Gewinnung
von Resultaten für die Astrophysik in sich barg, wie sehr dieselbe
dazu verlockte, nur immer Neues zu beobachten und mit Hülfe der
Phantasie Hypothesen auf Hypothesen zu bauen. Nieht alle Astro-
physiker haben dieser Verlockung widerstehen können, und das An-
sehen des jungen Zweiges der Astronomie hat daher wiederholt und
nieht mit Unrecht gelitten, und wenn ich bis zu diesem Augenblieke
mit allen Kräften bestrebt gewesen bin, die bewährte Exaectheit der
reinen alten Astronomie in die Astrophysik nach Möglichkeit einzufüh-
ren, wenn ich ferner in Verfolg dieses Prineips mich nicht gescheut habe,
dureh energische Kritiken andere Forscher auf den mir richtig scheinen-
den Weg zu verweisen, so glaube ich es als eine Anerkennung wesentlich
dieses Strebens, dieses guten Willens betrachten zu müssen, dass ich
nunmehr von dieser Stelle aus zu Ihnen sprechen darf.
Es würde aber nieht richtig sein. die Verleihung der akademi-
schen Mitgliedschaft nur als eine Anerkennung vergangener Leistungen
aufzufassen, vielmehr habe ich sie als eine Aufforderung anzusehen,
die betretenen Bahnen mit noch grösserm Eifer zu verfolgen, und
die nähere Verbindung mit Ihnen zur Förderung meiner Arbeiten zu
benutzen. Aus diesem Grunde fühle ieh mich verpflichtet Ihnen in
kurzen Worten eine Darlegung der wichtigsten Arbeiten zu geben,
die ich für das nächste Jahrzehnt geplant, zum Theil angefangen
habe, und im Verein mit meinen Mitarbeitern am Astrophysikalischen
Observatorium durchzuführen hoffe.
Es ist bekannt, welche epochemachende Förderung die Astro-
physik, und im besondern die Speetralanalyse der Fixsterne durch
die Anwendung der Photographie erfahren hat. Unter Benutzung
derselben optischen Hülfsmittel gewährt die Speetralphotographie etwa
die zwanzigfache Genauigkeit der Messung gegenüber der direeten
Beobachtung am Fernrohr, und als Resultat der in Potsdam zuerst
unter Zugrundelegung des DorrLer-Fizrau’schen Prineips angewandten
neuen Untersuchungsmethode habe ich zu Anfang dieses Jahres nach
Abschluss meiner mehrjährigen Untersuchungen einen Katalog der
Kigenbewegungen im Visionsradius für 5ı der hellsten Sterne des bei
uns sichtbaren Himmels aufstellen können. Es erscheint mir als eine
der vornehmsten Aufgaben der Gegenwart, diesen Katalog soweit als
die mächtigsten z. Zt. herstellbaren Fernrohre gestatten, also auf die
etwa 500 Sterne bis zur vierten Grössenclasse auszudehnen, und ich
habe die begründete Hoffnung, dass in nicht allzu langer Zeit mir die
hierzu nöthige Verbesserung der instrumentellen Hülfsmittel des Ob-
servatoriums gewährt werden wird.
h
£
VoGEr: Antrittsrede. 603
Neben ihrem Hauptzweck, der Vervollständigung unserer Kennt-
niss der Eigenbewegungen der Fixsterne, haben diese spectrographi-
schen Bewegungsbestimmungen zu dem Nachweis einer bis dahin nur
hypothetisch als ausnahmsweise vorkommend angenommenen Ülasse
von Doppelsternen geführt, deren Eigenthümlichkeit in einem ausser-
ordentlich geringen Abstande der beiden Componenten besteht, so
dass Berührungen der die Körper umgebenden Atmosphaeren fast
unvermeidlich erscheinen, und dass keine optische Vorrichtung mächtig
genug gedacht werden kann, die Componenten je einzeln zur direeten
Sichtbarkeit zu bringen. Gewisse Beziehungen dieser Systeme zu den
sogenannten neuen Sternen, vor allem auch ihre verhältnissmässige
Häufigkeit — unter den 50 hellsten Sternen des bei uns sichtbaren
Himmels sind allein 4 solcher Systeme bereits mit Sicherheit erkannt —
scheinen darauf hinzudeuten, dass diese engen Doppelsterne in der
Fixsternwelt eine weit wichtigere Rolle spielen. als man noch bis
vor kurzem annehmen konnte, und die Erforschung dieser Verhältnisse
verspricht daher von grosser Bedeutung zu werden,
Mit den soeben angeführten Beobachtungen geht Hand in Hand
eine detaillirte Untersuchung der Sternspectra selbst, von der eben-
falls wichtige Aufschlüsse erwartet werden können.
In Bezug auf die mit der Spectralanalyse eng verbundene Astro-
photometrie habe ich hervorzuheben, dass an dem Astrophysikalischen
Institut bereits seit einigen Jahren eine grundlegende Helligkeitsbe-
- stimmung aller Fixsterne des nördlichen Himmels bis zur 7. Grössen-
classe im Gange ist. Diese umfangreiche Untersuchung wird mit
dem Zörrser’schen Photometer ausgeführt, und ihre Vollendung wird
noch etwa ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen.
Auf dem im engern Sinne astrographischen Gebiet ist das Ob-
servatorium an dem internationalen Unternehmen, der Herstellung
einer allgemeinen photographischen Himmelskarte mit einer 8 Grad
breiten Zone des Himmels betheiligt; die Arbeit selbst hat vor kurzem
ihren Anfang genommen, nachdem die meisten allgemeinen hierzu
nothwendigen Vorarbeiten von uns ausgeführt worden waren. Diese
Arbeit wird voraussichtlich zehn Jahre in Anspruch nehmen, wobei
jedoch das Instrument auch nebenher zu kleineren Arbeiten von be-
sonderm Interesse benutzt werden soll; als solche werden in erster
Linie Parallaxenbestimmungen von Fixsternen und Nebelflecken und
Ausmessungen von Sternhaufen vorzunehmen sein.
Diess dürfte in Kürze das Wesentlichste der von mir und meinen
Mitarbeitern zunächst auszuführenden Forschungen sein. — Wenn es
mir vergönnt sein wird, Ihnen von Zeit zu Zeit Resultate vorlegen
zu können, so bin ich überzeugt, Ihnen auf diese Weise den Dank
604 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni.
für die mir erwiesene Anerkennung und Ehre, die mir durch die
Ernennung zum ordentlichen Mitgliede der Akademie der Wissen-
schaften zu Theil geworden ist, am besten abzustatten, besser als
diess für den Augenblick noch weitere Worte zu thun vermöchten.
Hierauf antwortete Hr. Auwers, indem er an die Einleitung der
zuvor gehaltenen Festrede anknüpfte, Folgendes:
Sie haben mit Recht hervorgehoben, Hr. VocerL, dass eine be-
sonders günstige Constellation Ihrem Eintritt in die astronomische
Forschungsthätigkeit geschienen hat. Was vor vierhundert Jahren der
alten Welt Gorumgeus Entdeekung America's war, das ist in unseren
Tagen für die Astronomie Gustav KırcHHorr s Begründung der Spectral-
analyse gewesen. Von ihr gilt gleichmässig A. v. Humsonpr's Wort:
sie vergrösserte mit einem Male die Gesammtmasse der Ideen, welche
bis dahin den Besitz der gelehrten Forschung bildeten — noch einmal
überraschte die Beobachter die Wirkung, durch welche 250 Jahre
vordem die Erfindung des Fernrohrs ihre Vorgänger in tägliches
Staunen versetzt hatte. Es konnte nicht fehlen, dass die Fülle des
Neuen zunächst Verwirrung ergab, dass die neuen Ideen sich einst-
weilen wild und in manchmal phantastischen Sprüngen durcheinander
tummelten, und zehn Jahre nach Kırcunorr's Entdeckung durfte an
hervorragender Stelle die Frage aufgeworfen werden, ob die Astro-
physik Astronomie sei, die Aussicht habe im absehbarer Zeit ein
Theil der Astronomie zu werden. Das Bedürfniss war dringend
geworden, dass sich der neuen Diseiplin Forscher zuwendeten, welche
vertraut mit den hohen Anforderungen der alten exacten Astronomie,
bewährt in der Anwendung ihrer praecisen Methoden, von Anlage
und Gewöhnung abhold jeder phantastischen Speculation, und ein-
gedenk des Bzsser’schen Ausspruchs, dass es der Astronomie auf dem
hohen Stande ihrer Ausbildung unwürdig sei noch andere als völlig
sichere Schritte vorwärts zu thun, ihre Lebensaufgabe därein setzten,
die durch das Spectroskop erschlossenen Gebiete planmässig ebenso-
wohl in weitestem Umfange umfassend als in das feinste zugängliche
Detail eingehend zu durchforschen, um den Boden für den Bau einer
neuen Wissenschaft zu ebnen und tragfähige, sichere Fundamente
für diesen Bau herzustellen.
Das war die dankbare Aufgabe, welche Sie vorfanden, zu deren
Lösung Sie so wohl befähigt waren und die Munificenz eines für
Astronomie begeisterten Mannes Ihnen in völlig unabhängiger Forscher-
stellung die besten und mächtigsten damals in unserm Vaterlande über-
haupt vorhandenen Mittel zur Verfügung stellte — wenn Sie aber
recht thun diesen günstigen Umständen dankbar zu sein, welche von
Avuwers: Antwort an Hrn. Vocrrt. 605
vornherein Ihnen grosse und glänzende Erfolge in sichere Aussicht
stellten, so hat die Wissenschaft nieht minder Ursache Ihnen wahrhaft
dankbar zu sein für die Art und Weise wie Sie diese günstigen
Umstände verwerthet, wie Sie durch Umsicht und Planmässigkeit in
der Anlage, durch Energie und Sicherheit in der Durchführung Ihrer
Forschungen im Laufe von zwei Jahrzehnten neue Gebiete von un-
ermesslicher Ausdehnung nunmehr unlöslich dem alten festbegründeten
Reiche der Astronomie einverleibt. der sicheren Herrschaft ihrer exaeten
Methoden endgültig unterworfen haben.
Diess war das einer Lebensarbeit wohl würdige Ziel, welches
Sie am Beginn Ihrer Bothkamper Thätigkeit sich stecken durften.
Aber darüber längst hinaus ist die astrophysikalische Forschung bereits
überhaupt für die Astronomie von Wichtigkeit geworden: schon hat
sie sich auf das höchste Problem derselben, auf die Erforschung der
Anordnung des Weltsystems gerichtet und den alten Methoden seiner
Behandlung neue an die Seite gestellt, welche gerade empfindliche
Lücken der bisherigen Behandlung ausgefüllt haben, und den besondern
Vortheil gewähren, .dem so überwiegend auf die Arbeit für späte Ge-
schlechter angewiesenen astronomischen Forscher mit theilweise un-
mittelbar fassbaren Ergebnissen zu lohnen. Dass diese neuen Methoden
heute wirksame und den alten ebenbürtige Hülfsmittel der Forschung
sind, auch diess ist zu wesentlichem Theile Ihr Verdienst; und bei aller
Anerkennung der ausserordentlichen Bedeutung der ungeheueren Sam-
melarbeit, für welche Hrn: Pıoxerıme’s seltenes Organisationstalent die
fast unbegrenzten der Gambridger Sternwarte zufliessenden Mittel zum
Besten der Durehforsehung des gesammten astrophysikalischen und der
angrenzenden astronomischen Gebiete zu verwerthen versteht, bin ich
nieht zweifelhaft, die soeben unter Ihrer Leitung auf dem Potsdamer
Observatorium vollendete Arbeit über die Bewegung der helleren
Sterne des nördlichen Himmels in der Gesichtslinie als die wichtigste
und werthvollste zu bezeichnen, welche in gegenwärtiger Zeit über-
haupt in der Astronomie ausgeführt werden konnte. Ebenso wenig
bin ich zweifelhaft, die Ausdehnung dieser Arbeit auf eine nach aller
Möglichkeit vervielfachte Anzahl von Sternen — und gleichmässig auf
die südliche Himmelshälfte — als die wichtigste astronomische Auf-
gabe absehbarer Zukunft zu bezeichnen.
Der reiche Arbeitsplan, welchen Sie ausserdem für das grosse
seit zehn Jahren Ihrer Leitung unterstellte Institut aufgestellt haben,
verspricht weitere wichtige Ergebnisse ebensowohl auf dem specifisch
astrophysikalischen Gebiet, als für die astronomische Beobachtungs-
kunst überhaupt durch die Ausbildung der neuen, auf die grossen
neuerlichen Fortschritte der photographischen Technik gegründeten
606 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni.
Beobachtungsmethoden, welche nicht minder wie sie sich in der Astro-
physik bereits mit überraschendem Erfolge bewährt haben, so auch
bei den alten Aufgaben der astronomischen Ortsbestimmung die bisher
angewandten Mittel sehr wirksam zu ergänzen, für manche besonders
schwierige Fälle mit sicherm Erfolg zu ersetzen berufen erscheinen.
Die Errichtung unseres Astrophysikalischen Observatoriums ist,
ebenso wie die Wissenschaft sie den Erfolgen Ihrer Bothkamper Arbeit
zu danken hat. wiederum für Ihre wissenschaftliche Laufbahn ein
besonders glücklicher Umstand gewesen, indem dieselbe Ihnen die
dauernde Möglichkeit gegeben hat. unbeansprucht von anderweitigen
Verpflichtungen Sich ganz und mit vermehrten Hülfsmitteln der Fort-
setzung Ihrer rein wissenschaftlichen Forschung hinzugeben. Aber
eine Gefahr birgt die abgeschiedene Waldeseinsamkeit. in welcher Ihr
schönes Institut Ihnen gerade diese köstliche Freiheit sichert, wiederum
in sich. die Gefahr einer wissenschaftlichen Isolirung. welche der
Astrophysiker um so schwerer empfinden muss. je innigere Berührun-
gen sein Fach mit den Arbeiten des Astronomen der alten Schule,
des Physikers, des Chemikers von Haus aus hat und in fortschreitender
Entwiekelung reichlicher gewinnt. Indem ich Sie heute als Mitglied
unseres Kreises, als Genossen unserer gemeinsamen Arbeit willkommen
heisse, darf ich diese Gefahr als verschwunden ansehen, und meine
besondere Freude darüber aussprechen, dass die Akademie. indem sie
Sie zum Mitgliede gewählt hat, nicht bloss eine einfache Schuld der
Dankbarkeit für Ihre bereits geleistete wissenschaftliche Arbeit abge-
tragen hat. sondern Ihnen zugleich für die Zukunft noch vermehrte
Gewähr weitern Erfolges in der vergrösserten Freudigkeit und Sicher-
heit der Arbeit gibt, mit welcher, wie Sie es uns sagen und wir
es gerne von Ihnen hören, die Zugehörigkeit zu unserm Verein Sie
erfüllt.
Hr. Danes sprach:
Die ersten Worte, welche ich an Sie. hochgeehrte Herren, in der
heutigen öffentlichen Sitzung richten darf, seien die des tiefgefühlten
Dankes für die so ehrenvolle Auszeichnung, welche Sie mir durch die
Wahl zum ordentlichen Mitgliede erwiesen haben.
Die wissenschaftliche Thätigkeit, welcher ich diese hohe Ehre
verdanke, ist zum grössern Theil abhängig gewesen von den reichen
Materialien der hiesigen palaeontologischen Sammlung, mit deren Be-
arbeitung ich betraut war. Es entstanden so Monographieen verschie-
dener Gruppen wirbelloser Thiere, in welchen neben der Beschreibung
neuer Formen und ihrem Vergleich mit Verwandten gleichzeitiger Faunen
das Augenmerk darauf gerichtet war, die Aufeinanderfolge in verschie-
ET
Dames: Antrittsrede. 607
denen geologischen Horizonten zu verfolgen, um so zugleich auch der
Stratigraphie zu nützen.
Daneben zog das Studium der anscheinend so eintönigen Bildungen
der norddeutschen Ebene an, namentlich nachdem von scandinavischer
Seite die Frage nach ihrer Entstehungsart von neuem aufgeworfen
war. Durch wiederholte Reisen nach Schweden und den russischen
Östseeprovinzen zu der Überzeugung gelangt. dass die analogen dorti-
gen, in ihrem glacialen Ursprung nie bezweifelten Ablagerungen mit den
unserigen vollkommen identisch seien, habe ich für letztere eine Glie-
derung erstrebt. welche mit der der übrigen nordeuropäischen Glacial-
gebiete im Einklang steht.
Auf ein wesentlich anderes Forschungsgebiet wurde ich gewiesen,
als das vielbesprochene Skelet der Archaeopteryx unserer Sammlung ein-
verleibt und mir die Untersuchung dieses ihres werthvollsten Schatzes
anvertraut wurde.
Die Entwiekelungsgeschichte. welche in der Zoologie einen ge-
waltigen Umschwung der Forschungsrichtung hervorgerufen hatte,
konnte auch auf dem Gebiete der Palaeontologie nicht unbeachtet
bleiben. Zudem brachte die geologische Erschliessung des westlichen
Nordamerica eine so ungeahnte Fülle von Stoff zur Behandlung ein-
schlägiger Fragen, dass die Palaeontologie in die Lage versetzt wurde.
an den grossen Aufgaben der Zoologie die Mitarbeiterschaft auch wirk-
lich anzutreten. Verfolgt die letztere das Individuum von seiner
ersten Anlage bis zum ausgewachsenen Thier, so die Palaeontologie
die Entwickelung der verschiedenen Thierstämme von ihrem ersten
geologischen Auftreten bis zur Jetztwelt.
Durch die Mannigfaltigkeit der Merkmale und durch die Sicher-
heit, welche dieselben in phylogenetischer Richtung gewähren, sind
die fossilen Wirbelthiere besonders ausgezeichnet, und auf ihrer Unter-
suchung beruht der grösste Theil der Ergebnisse, welche die Phylo-
genie gewonnen hat. Als auch an mich Aufgaben solcher Art heran-
traten, erkannte ich, dass der zur Lösung gewöhnlich eingeschlagene
Weg wohl nicht der zweckmässigste sei. Wenn man, wie es zumeist
geschieht, bei Versuchen die Phylogenie einer Thiergruppe zu er-
gründen, von ihren ältesten Vertretern ausgeht und deren Veränderung
während der geologischen Perioden bis heute verfolgt, so stützt man
sich lediglich auf Fragmente, man steht auf unsicherm Boden. Zu
sichereren Ergebnissen wird man meines Erachtens gelangen, wenn
man im engsten Anschluss an die Zoologie von den jetzt lebenden
Wesen ausgeht, welche in allen Theilen der Untersuchung zugänglich
sind, und die dort für die Systematik als wichtig erkannten Merkmale
an fossilen Objeeten aufsucht und in derselben Weise systematisch
608 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni.
verwerthet. Wenn man dann in der Reihenfolge der geologischen
Formationen von Zone zu Zone abwärts steigt und die in diesen
liegenden Vertreter an die jüngeren anschliesst. wird ein geologisch-
zoologisches System entstehen, das allein den Anspruch, ein natür-
liches zu sein. erheben kann. Dem Palaeontologen werden dabei
allerdings Merkmale verschiedener Art aufstossen. welche den leben-
den Thieren fehlen. Es sind diejenigen, welche zu bestimmten
geologischen Zeiten allen Mitgliedern einer und derselben Classe oder
Ordnung zukamen, später aber anderen weichen mussten. Diese
»geologischen« Merkmale, wie man sie nennen könnte, dürfen erst
in zweiter Reihe in Betracht gezogen werden, wenn die stammes-
geschichtliche Entwickelung klar hervortreten soll. Man würde, um
ein Beispiel zu wählen, bei Befolgung dieser Methode viel früher
erkannt haben, dass die verschiedenen Typen der heutigen Kroko-
dilier neben einander bis zur Juraformation zurückzuverfolgen sind.
Von diesen geologischen Merkmalen glaube ich eine andere Gruppe
schärfer als bisher geschehen trennen zu sollen: diejenige, welche
sich bei Veränderung der Lebensweise einer Thiersippe entwickelt.
Hauptsächlich gewinnt dieser Gesichtspunkt Geltung, wo es sich um
Umwandelung von Landthieren in Meeresbewohner handelt. Studien
an Zeuglodonten, welche Hr. SCHWEINFURTH in Aegypten sammelte,
haben mit zu dem Ergebnisse geführt, dass die verschiedenen Ord-
nungen der lungenathmenden Wirbelthiere — und nur auf diese er-
streekten sich meine Beobachtungen — hierin ganz bestimmten, unter
sich verschiedenen Gesetzen folgten. Hierdurch finden zahlreiche Merk-
male fossiler mariner Reptilien und Säugethiere eine einfache, bisher
vermisste Erklärung.
Arbeiten dieser Art haben Sie von mir zu erwarten. Weniger
zu allgemeinen Speeulationen geneigt lege ich in erster Reihe Gewicht
auf Beobachtung und Vergleich, da nur die aus ihnen zu ziehenden
Schlüsse in der Palaeontologie auf dauernden Werth rechnen können.
Zu meiner lebhaften Freude weiss ich mich hierin eins mit meinen
Lehrern, welche sämmtlich Mitglieder dieser Akademie sind oder
waren. — Und so darf ich vielleicht hoffen, mir das durch meine
Wahl in diese hohe Körperschaft gezeigte Wohlwollen erhalten und
den eben ausgesprochenen Dank auch bethätigen zu können, wenn
ich die von jenen erprobte Forschungsmethode auf weiteren Gebieten
der Palaeontologie zur Anwendung bringe.
Hierauf antwortete Hr. pu Boıs- Reymonp:
Es ist ein merkwürdiger Zug, Herr Dauzs, in der Geschichte dieser
Akademie, dass aus ihr eine Wissenschaft einen besonders starken An-
«
2
E. pu Boıs-Revmonnp: Antwort an Hrn. Danmes. 609
trieb erhielt, welche der Natur unserer norddeutschen Ebene. unserer
verrufenen Mark Brandenburg, eigentlich am fernsten zu liegen schien.
Die Geologie, in etwas weiterm Sinne, ist so sehr ein Lieblingskind der
Berliner Akademie gewesen, dass die drei Büsten von Akademikern,
welche diesen Saal schmücken, die einzigen, die wir im Gegensatz zu
dem Wald von Brustbildern im Vorsaal zur Academie des Sciences auf-
gestellt haben, die von drei Geologen sind. Denn wenn auch, neben
der Differentialrechnung und dem wahren Kräftemaass, die Protogaea
an Bedeutung weit zurücktritt, ist loch Leigenızens Name auch mit den
Anfängen der Geologie untrennbar verknüpft. Im Geist über unsern
Parras fort, der zuerst die gesetzmässige Übereinanderlagerung der gra-
nitischen, der geschichteten und der Kalk-Gesteine erkannte und das
sibirische Mammuthgräberfeld aufdeckte,. wendet sieh dann unser Blick
auf ALEXANDER Von HunsorLptr und LeororLn von Buch, die dort zu
Leigsizens Seite in Marmor auf uns herabsehen. Aus WERNER'sS nep-
tunistischer Schule im Erzgebirge hervorgegangen, wurden auf ver-
schiedenen Wegen und in verschiedenen Welttheilen diese beiden
Heroen die Begründer des Vulcanismus, und übten auf unsere ganze
Naturanschauung einen Einfluss aus, von dessen Grösse wir uns kaum
noch eine Vorstellung machen können.
Mit Stolz darf die Akademie auf solche Thaten zurückblicken, wo-
durch eins der wichtigsten Glieder der Gedankenkette entstand. welche
heute vom kreisenden Nebel, aus dem Sonne und Planeten sich ballten,
bis zum Bewusstsein erzeugenden Menschenhirn reicht. Auch nachdem
Üuviers mächtiges Gestaltungsvermögen die untergegangenen Thier-
geschlechter gleichsam wiederbelebt hatte, blieb unsere Akademie in
der Mitarbeit an diesem neuen Zweige der Schöpfungsgeschichte nicht
zurück, und die Ganoiden, die Zeuglodonten werden immer an die
Hingebung und den siegreichen Erfolg erinnern, womit einer unserer
grössten Todten sich daran betheiligte. Ich rede nicht von den For-
schungen im weiten Gebiete der fossilen Wirbellosen, welchen ein
unter uns Weilender sein Leben gewidmet hat.
In dieser Bahn, Herr Danzs, ist Ihnen nun weiter fortzuschreiten
vergönnt. Aber wenn schon die ältere Geologie, im Raum nach allen
Riehtungen ausschauend, in der Zeit von der negativen zur positiven
Unendlichkeit hinweisend, alle Naturwissenschaft umfassend, für unsere
Weltansieht grundlegend war, so hat sie ihre volle Bedeutung doch
erst in unseren Tagen erlangt. Seit Lyrrz und Darwıy die Schranken
niederwarfen, welche für Guvier und Jomanses MÜLLER die Abstammungs-
lehre verschlossen, seit aus der Geologie die Kataklysmen, aus der Palae-
ontologie die Schöpfungsperioden verschwanden, gibt es kaum noch
eine grössere Aufgabe als die, welcher Sie, Herr Danes, so glücklich
610 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni.
sind, Ihre rüstige Kraft zuwenden zu können. Die grosssinnige Frei-
gebigkeit eines Mitgliedes der Akademie hat Ihnen schon vor längerer
Zeit möglich gemacht. an einem der wunderbarsten Denkmäler der
Vorwelt, dem jurassischen Urvogel, Ihre Hand zu bewähren. Nicht
leicht wird ein so dankbarer Gegenstand zum zweiten Male Ihrem
Scharfsinn geboten werden. Aber wie verschwindend klein auch der
unermesslichen Fülle von Fragen gegenüber die Antwort bleibe, jeder
Schritt wird uns dankenswerth erscheinen, durch den es Ihnen gelingt,
um in Lyerv's Gleichniss zu reden, ein ausgerissenes Blatt im palae-
ontologischen Archiv zu ergänzen. ein unleserliches zu entziffern. An
Stelle der willkürlichen und schwankenden Analogien, (die sich gern in
der Phylogenie breit machen, strenge Verbindung palaeontologischen
T'hatbestandes mit vergleichend anatomischer Einsicht. das ist was wir
von Ihnen erwarten, wie es das ist, was Sie uns versprechen. Sie
haben uns soeben den wohlüberlegten methodischen Kunstgriff ent-
wickelt, mit dessen Hülfe Sie sich sicherer, als auf dem bisher ver-
suchten Wege, dem phylogenetischen Ziele zu nähern hoffen. Indem
ich Sie in unserm Kreise herzlich willkommen heisse, kann ich Sie
zugleich der warmen Theilnahme versichern. mit welcher wir Ihren
Fortschritt auf diesem Wege begleiten. und wünsche Ihnen im voraus
Glück zu den Erfolgen, die unfehlbar Ihre ernsten Bemühungen krönen
werden.
Schliesslich wurde die Verleihung von vier Medaillen der Hrın-
HOLTZ-Stiftung, die Ertheilung des Preises der Diez-Stiftung, sowie
das Ergebniss der Bewerbung um den Preis der UHARLOTTEN -Stiftung
für Philologie verkündet und eine neue Preisfrage aus dem Errer’schen
Legat gestellt.
Errichtung der HEınnortz- Stiftung und Verleihung ihrer ersten
vier Medaillen.
Aus Anlass des im vergangenen Jahre gefeierten siebzigsten Ge-
burtstages des Hrn. v. Hrımnorrz hat ein aus Fachgenossen, Freunden
und Verehrern des Gelehrten in allen Ländern zusammengesetztes
Comite ein Capital von nominell 48000 Mark 3 procentiger preussi-
scher consolidirter Anleihe mit laufenden Zinsen vom ı. October 1891
ab und nachträglich noch weitere 1185 Mark Überschuss der ver-
F
|
1
HEeLmHoLTz - Stiftung. 611
anstalteten Sammlung der Akademie zur Begründung einer ihrer
Leitung unterstellten Stiftung überwiesen, welche Hrımnorrz’ Namen
tragen und ein dauerndes Denkmal des Dankes und der Anerkennung
für seine wissenschaftliche Arbeit bilden soll.
Nachdem die Akademie durch Beschluss vom 9. Juli 1891 sich
zur Annahme und bestimmungsmässigen Verwaltung der Schenkung
bereit erklärt und Seine Majestät der Kaiser und König durch Aller-
höchsten Erlass vom ı2. Oetober 1891 der Akademie die Erlaubniss
zur Annahme ertheilt hat, ist im Einverständniss zwischen Hrn.
v. Hrımnorrz und der Akademie ein Statut für die Stiftung auf-
gestellt und mit der unter dem 22. April 1892 erfolgten Bestätigung
durch das vorgeordnete Königliche Ministerium in Kraft getreten.
Nach diesem Statut ist die HrLmnortz-Stiftung zur Auszeichnung
wissenschaftlieher Forscher aller Länder bestimmt, welche die in der
physikalisch-mathematischen Classe der Akademie vertretenen Wissen-
schaften oder die Erkenntnisslehre durch hervorragende Leistungen
gefördert haben.
Die Auszeichnung besteht in der Verleihung einer Medaille in
Gold, welche von den zur Herstellung der am 2. November 1891
Hrn. v. Hrrunonrz überreichten Medaille angefertigten Stempeln ge-
prägt wird. Eine solche Medaille soll regelmässig jedes zweite Jahr und
zwar erstmalig für das Jahr 1898 verliehen werden, durch Beschluss
der Akademie, welcher auf Grund eines von den nach näherer Maass-
gabe des Statuts stimmberechtigten Inhabern der Medaille gemachten
Vorschlages gefasst wird. Der Überschuss der Stiftungserträge soll
dazu benutzt werden, zugleich mit jeder zweiten regelmässigen Ver-
leihung der Medaille, zuerst also mit derjenigen für das Jahr 1900,
dem Verfasser einer ausgezeichneten innerhalb der letzten acht Jahre
veröffentlichten Arbeit aus den oben genannten Gebieten eine zunächst
auf ı800 Mark festgesetzte Prämie zu gewähren.
Um das Collegium zu constituiren, welches weiterhin der Akademie
den regelmäsigen Vorschlag für die Verleihung der Hernnorrz-Medaille
zu machen hat, ist bestimmt, dass einmalig sogleich nach erfolgter
Bestätigung des Statuts zugleich vier Medaillen nach Vorschlag des
Hrn. v. Herrunortz verliehen werden sollen. Seinen Vorschlägen ent-
sprechend hat die Akademie durch hiermit zu verkündenden Beschluss
vom ı6.d.M. ihre Hermnortz-Medaille verliehen an die HH.
Emın pu Boıs-Reymonv,
KArL WEIERSTRASS,
RoBERT WıLHEeLm Bunsen,
Lord Kevin (Sir WırLıam THonson).
612 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni.
Preis der Dirz-Stiflung.
Der Vorstand der Diez -Stiftung hat den statutenmässig im laufen-
den Jahre aus der genannten Stiftung zu ertheilenden Preis von Zwei-
tausend Mark dem Professor an der Universität zu Wien Hrn. Dr.
WirHeLm MEvErR-LügKE als dem Verfasser der zwei Werke: Romanische
Lautlehre, Leipzig ı890 und Italiänische Grammatik, Leipzig 1890
zuerkannt.
Preis der CnaRLoTTex- Stiftung für Philologie.
Die Akademie hat im vorigen Jahre folgende Preisaufgabe der
Charlotten-Stiftung für Philologie gestellt: »Von Damaskios de prin-
cipis II $. 204 —239 soll eine kritische Textbearbeitung gegeben und
eine knapp gefasste Einleitung über Damaskios’ Leben und Schriften
vorausgeschiekt werden. «
Es sind der Akademie zwei Bewerbungsarbeiten zur richtigen
Zeit eingeliefert worden, die eine mit dem aus Damaskios genommenen
Motto: ra utv oliv AdAndeorara mep Tourwv auroı ioacw ei Dec U. S. W.,
die andere mit dem Motto:
Was man nicht weiss. das eben brauchte man;
Und was man weiss. kann man nicht brauchen.
Die erste Arbeit zeugt von Fleiss und Belesenheit, lässt aber tiefere
Kenntniss des Gegenstandes und vor allem philologische Schulung
vermissen, so (dass sie von vornherein bei der Preisvertheilung nicht
in Betracht gezogen werden kann.
Die zweite Arbeit ist zwar nicht ganz gleichmässig ausgeführt.
verräth aber durchweg gewissenhaftes Studium und Vertrautheit mit
der philologischen Methode. Auch nach der philosophischen Seite hin
leistet der Commentar recht Tüchtiges.. Da nun ferner der Verfasser
dureh den Anhang über den Codex Mediceus des Proklos in Rem-
puhlicam bewiesen hat, dass er auch bereits das weitere von der
Akademie bezeichnete Ziel, die vollständige Herausgabe jener Schrift
des Proklos in's Auge gefasst und einen erfolgreichen Anfang gemacht
hat, so trägt die Akademie kein Bedenken, dem Verfasser der zweiten
Arbeit den Preis, bestehend in einem Stipendium von jährlich 1200 Mark
auf die Dauer von vier Jahren, zu ertheilen.
Die Eröffnung des versiegelten Umschlages mit dem Göthe’schen
Spruch ergab als Verfasser
Hrn. Dr. phil. Wırueım Krorn in Breslau
und erbrachte zugleich den Nachweis, dass die in $.3 des Stiftungs-
statuts bestimmten Voraussetzungen bei dem Bewerber zutreffen.
Der Preis ist demnach Hrn. Dr. Krorı ertheilt.
oc nen AN N €
Diez - Stiftung. — ÜHARLoTTEN - Stiftung. — Errer'sches Legat. 613
Preisausschreiben aus dem Erner'schen Legat.
ös soll entweder eine neue Methode zur Bestimmung der Inten-
sität der Sonnenstrahlung angegeben oder eine der bereits bekannten
Methoden soweit verbessert werden, dass sich der Eintluss von Sonnen-
nähe und Sonnenferne in den Beobachtungen unzweideutig erkennen
lässt.
Die gewählte Methode soll durch ausreichende, mindestens drei
Perihelien und drei Aphelien umfassende Beobachtungsreihen geprüft
werden.
Der ausgesetzte Preis beträgt Zweitausend Mark.
Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, franzö-
sischer, englischer oder italiänischer Sprache abgefasst sein. Schriften.
die in störender Weise unleserlich geschrieben sind, können dureh
Beschluss der zuständigen Olasse von der Bewerbung ausgeschlossen
werden.
Jede Bewerbungssehrift ist mit einem Spruchwort zu bezeichnen,
und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich den Namen
und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äusserlich zu wieder-
holen. Schriften, welche den Namen des Verfassers nennen oder deut-
lich ergeben, werden von der Bewerbung ausgeschlossen.
Die Bewerbungssehriften sind bis zum 31. December 1897 im Local
der Akademie, Berlin NW. Universitätsstr. 8, einzuliefern. Die Ver-
kündigung des Urtheils erfolgt in der Leissız- Sitzung des Jahres 1 898.
Ausgegeben am 7. Juli.
ses
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei
wur
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" EN wi Ki R) fi gu)
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NE mr nn Oh
615
1892.
XXXV.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
7. Juli. Gesammtsitzung.
Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers.
l. Hr. Harsack las die umstehend folgende Abhandlung: Die
ältesten christlichen Datirungen und die Anfänge einer
bischöflichen Chronologie in Rom.
2. Hr. v. Hrımnorrz überreichte einen neuen Absehnitt (VI) der
Arbeiten der HH. Prof. Kayser und Prof. Runee in Hannover über die
Speetren der Elemente. Derselbe erscheint in den Abhandlungen.
3. Hr. Scnurz£ legte zwei Mittheilungen des Hrn. Dr. E. Ronpe in
Breslau vor: I. Muskel und Nerv bei Mermis und Amphioxus;
I.: Gibt es Holomyarier? Beide Mittheilungen folgen hier.
4. Die physikalisch-mathematische Classe hat zur Unterstützung
wissenschaftlicher Arbeiten bewilligt: dem Privatdocenten an der Uni-
versität Greifswald Hrn. Dr. G. W. MÜLLER zu Untersuchungen über die
Östracoden 1000 Mark; dem Assistenten an der Zoologischen Samm-
lung des Königl. Museums für Naturkunde hierselbst Hrn. Dr. W.
WELTNER zu Untersuchungen über den Bau der Süsswasserschwämme
600 Mark; dem Professor an der Universität Halle Hrn. Dr.
TASCHENBERG zur Fortsetzung seiner » Bibliotheca zoologica« 1400 Mark;
dem Professor der Botanik an der Universität Greifswald Hrn. Fk.
Schmitz zum Abschluss seiner Bearbeitung der Florideen 600 Mark;
dem Privatdocenten an der Universität Bonn Hın. Dr. H. Scnexex zur
Herausgabe des zweiten Theils seines Werks über die Anatomie der
Lianen 1000 Mark; dem Professor an der hiesigen Universität Hrn. Dr.
Sitzungsberichte 1392. 55
£) * .
616 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
P. Ascnerson zu Vorarbeiten für eine neue Ausgabe von Kocn#’s Synopsis
der Flora von Deutschland 2000 Mark; dem Oberlehrer Hrn. Dr. E.
Kränzum hierselbst zu Untersuchungen über die Orchidaceen 900 Mark;
dem Professor an der Universität Breslau Hrn. Medieinalrath Dr. Wer-
nICKE zur Herstellung eines Atlas des Grosshirns 800 Mark; dem Privat-
docenten an der Universität Freiburg i. B. Hrn. Dr. med. ©. Röse zu
Untersuchungen über die Zahnentwickelung bei den Beutelthieren, Eden-
taten und Reptilien 1000 Mark; dem Hrn. Dr. L. Wurrr in Schwerin i.M.
zur Beschaffung von Instrumenten für krystallographische Unter-
suchungen 1000 Mark; dem Professor an der Technischen Hochschule
zu Charlottenburg Hrn. Dr. H.W. VoerL zur Instandsetzung speeto-
graphischer Apparate 1ı7ı Mark; dem Observator an der Sternwarte
zu Königsberg Hrn. Prof. Dr. J. Franz zur Anschaffung eines Apparats
zur Ausmessung der auf der Lick-Sternwarte von Hrn. Prof. HoLpen
aufgenommenen Mondphotographien 3200 Mark; dem Director der
Sternwarte zu Bamberg IIrn. Dr. E. Harrwiıe zur Fortsetzung einer Beob-
achtungsreihe über die Veränderungen der Polhöhe und zur Bestimmung
der Aberrationsconstante 1200 Mark; dem Hrn. Dr. H. BAuUmHAUER in
Lüdinghausen zu Untersuchungen über die Ätzfiguren der Krystalle
Soo Mark; dem Privatdocenten an der Universität Strassburg Hrn.
Dr. G. Lmck zum Abschluss seiner petrographischen Untersuchungen
im Veltlin 600 Mark.
617
Die ältesten christlichen Datirungen und die
Anfänge einer bischöflichen Chronographie in Rom.
Von ADporrF HARNACcK.
IE
Nicht Tacitus (Annal. XV, 44) ist der Erste gewesen, der den Tod
Jesu und damit auch die Zeit seiner Wirksamkeit auf römische Weise
datirt hat (Christus Tiberio imperitante per procuratorem Pontium Pilatum
supplicio adfectus erat). Diese Datirung hatte schon in den christlichen
Gemeinden eine Geschichte, und der Satz des römischen Bekenntnisses
»Gekreuzigt unter Pontius Pilatus«, der in die meisten christlichen
Glaubensformeln übergegangen ist, stammt aus der ältesten christlichen
Verkündigung. Zwar hat Paulus (Il. Kor. 15. 3 f.) die Hauptstücke dieser
Verkündigung noch ohne einen chronologischen Zusatz angeführt, und
die ältesten Recensionen des Evangeliums erwähnten wohl den Pontius
Pilatus, aber enthielten noch keine förmlichen Datirungen. Allein bereits
der dritte Evangelist, der (1,3) ankündigt, er wolle Alles »der Reihe
nach« beschreiben, hat sowohl die Geburt Jesu als sein öffentliches Auf-
treten chronologisch fixirt. Dort (2, ı f.) nennt er den Kaiser Augustus
und den syrischen Statthalter Quirinius; hier (3, 1) bringt er eine sechs-
fache Datirung (15. Jahr des Tiberius, Procurator Pontius Pilatus, Te-
trarchen Herodes, Philippus und Lysanias, Hohepriester Hannas und
Kaiaphas).
Die Geschichte der Ausbreitung der christlichen Religion spiegelt
sich in der Geschichte dieser Datirung. Die Tetrarchen und Hohepriester
verschwinden in der Folgezeit sofort aus den Datirungen der Kirche.
Herodes wird noch einige Male genannt auch in Glaubensformeln! —
um dann ebenfalls zu verschwinden. Nur die Datirung nach dem Kaiser
und dem Proeurator blieb in Kraft; denn die neue Religion hatte den
Jüdischen Boden verlassen und war in die grosse Welt eingezogen.
" Nicht hierher gehören Act. 4.27 und Justin, Apol. 1,40, Dial. 103, wohl aber
b) es \ , Nuke , ’ # !
Ignat. ad Smyrn. 1,2: @Andws Erı Iovriov Iırarov zu Hauoov FETIAOY,OV zaTnAusevor
© m ’ DRAN ’ N ei: ’
und Constit. App- VI, 30: rovu STEUQUNTEVTOG errı Hovrıov Ilrarov za: Hawöor.
59*
618 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
Aber hinter dem Procurator musste diesmal der Kaiser zurück-
treten. Nicht Tiberius ist in’s »Credo« gekommen, sondern Pilatus.
Die Thatsache, dass Jesus sich mit ihm persönlich berührt hat und
von ihm verurtheilt worden ist, erschien den Christen von Anfang an
höchst wichtig. Schon die ersten Jünger ahnten, dass dieses Zusammen-
treffen eine universale Bedeutung habe und als Ausdruck der welt-
geschichtlichen Stellung ihres Meisters zu benutzen sei. Bereits in
unseren Evangelien tritt ein Interesse an Pilatus sichtbar hervor! und
bald wurde es eine stehende Formel, die man auch den Versuchen,
die Geschichtlichkeit Jesu aufzulösen, entgegensetzte, »Jesus Christus,
gekreuzigt (gelitten, gestorben, auferstanden) unter Pontius Pilatus«.
Sie begegnet uns zuerst im I. Timotheusbrief und in den Ignatius-
briefen.” Bei Justin ist sie häufig,’ und zwar erkennt man, dass die
Worte »Gekreuzigt unter P. P.« nicht nur in dem Taufsymbole eine
Stelle gefunden haben, sondern auch in die Exoreismusformel auf-
genommen worden sind.” Dies wird durch die. altkatholischen Väter
Irenäus, Tertullian und Origenes bestätigt, die die Formel im Symbol
bez. bei dem Exoreismus bezeugen.“
Das wichtigste Ereigniss, auf das sich die christliche Kirche
gründete, war auf diese Weise chronologisch festgelegt und kam zu
allgemeiner Kenntniss. Das Datum der Geburt Christi aber gewann
nicht ganz die gleiche Popularität. Es kam nicht in das »Credo«
und wurde in Folge dessen auch etwas seltener erwähnt. Justin
wiederholt es augenscheinlich nach Lucas, gedenkt aber des Kaisers
Augustus nicht.” Diesen hat sein jüngerer Zeitgenosse, der Apologet
Melito, genannt, es für bedeutsam erklärend, dass die Entstehung
des Prineipats und die Entstehung des Christenthums zusammenfalle,
und darum die innere Zusammengehörigkeit beider behauptend.” Die
christlichen Chronographen haben seitdem stets wiederholt, dass das
! Im Matth.-Ev. ist Pilatus neunmal genannt, bei Marcus zehnmal, bei Lucas
>
zwölfmal, im vierten Ev. zwanzigmal, vergl. auch Act. 3,13. 4,27. 13,28. Die volle
Form » Pontius Pilatus« findet sich im N. T. nur bei Lucas (3, 1. Act. 4, 27) u. I. Tim. 6, 13.
? ]. Tim. 6,13. Ignat. ad Magn. ıı, Trall. 9, Smyrn. ı.
® Apol. 1,13. 61. 11,6. Dial. 30. 76. 85. An der ersten Stelle ist auch Tiberws
genannt. Bei Aristides fehlt Pilatus. f
Le Pesec) > ee m 5 a) N 7 /
* Apol.1,61: Er ovoneros Iysov Xarrrov rov sraupuDTerros emı Ilovriov Hirarov...
I I
6 dDwriLonsvos Aovsran.
a EN \ , \ , ER m
° Apol.11,6: Aruovodnrrous mo? AoUSs zare MaVTE FOoV HOTMOV ».. TOM 2... FW
a n 5 1% \ SEN) > RU; m m N EN ’
Xoırriavamv emopxıgovres HATR TOVU OVDOIATOS Insov Xgısrov TOoU FraUguDTEVToS eTrt Ilovrıov
IlAarov, cf. Dial. 30. 76. 85.
6 -S. z.B. Iren. IL, 32,4. IN,A,2. II; 1259. V, 12, ;.. Tertull..de vrever 70
= { oO
Al Es | ” . .
ce. Cels.I,6. Auch der Gnostiker Ptolemäus nennt den Pilatus (Iren. I, 7, 2).
77Ap01:1, 46.34. Dial. 78:
® Bei’ Euseb..h.'e. IV, 26, 7.
. .. . . . £)
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 619
Leben Jesu durch die Regierungen des Augustus und Tiberius be-
stimmt werde. Seit dem Ausgang des 2. Jahrhunderts gaben be-
sonders gelehrte Leute auch das Jahr des Augustus an, in dem Jesus
geboren sei, beriefen sich für die Schatzung desselben auf die römi-
schen Archive,' und nannten neben Pontius Pilatus auch die Consuln
(die Gemini), unter denen Jesus gelitten habe.”
>
2.
Das Interesse für die Kaiser war in den Christengemeinden des
2. Jahrhunderts sehr lebendig. Die jüdische Apokalyptik, die in
christlichen Kreisen eine grosse Rolle spielte, sowie die Sibyllistik
hatten längst die Augen der Frommen auf den römischen Staat und
die Kaiser gelenkt. Die neue Religion selbst hatte zwar kein politi-
sches Programm, aber sehr bestimmte politische Hoffnungen und
Wünsche. Ferner sahen die ältesten Christen, grösstentheils Orien-
talen und Griechen, den Kaiser in einem anderen Glanze als die
Römer und schrieben ihm, der Entwickelung vorauseilend, in der
Regel eine despotische Macht zu. Dazu kam, dass sich Nero durch
seine zwar kurze, aber unerwartete und schreckliche Christenhetze in
das Gedächtniss der Kirche eingegraben hatte, dass Vespasian und
Titus als die Vollstrecker eines Gottesgerichts über das jüdische Volk
erscheinen mussten, und dass auch die Quälereien Domitian’s nicht
vergessen wurden. Unvergessen blieb es ferner, dass die beiden
Apostel Petrus und Paulus unter Nero Märtyrer geworden waren. So
gab es schon am Anfang des 2. Jahrhunderts eine Kaisergeschichte
in christlicher Beleuchtung,® die sehr frühe mit Legenden ausgestattet
! S: Tertull. adv. Mare. IV, 7.
° S. die Datirungen von Tertullian’s und Hippolyt’s Schriften an. Aus späterer
Zeit stammen so genaue Datirungen, wie die betreffs der Taufe Christi bei Epiphanius
h.51,24. Doch vergl. schon Tertull. adv. Jud. und den Schluss der im 21. Cap. des
I. Buchs der Stromateis des Clemens enthaltenen Chronographie, die bis zum Tode des
Commodus reicht. Hier werden (8.145 sq.) verschiedene Ansätze für die Geburt und
den Tod Christi mitgetheilt und nicht nur Kaiserjahre, sondern auch Monatsdaten an-
geführt. Diese genaueren Berechnungen werden von Clemens mit den Worten ein-
geleitet: zirı de ou megLegyorsgov N yevere Tou FWrngos Yumv OU MovoVv TO 2706, @AAK HuL
Fa Nasa maosrıYEvre » Die merkwürdige Chronologie des Lebens Jesu, die Irenäus
voraussetzt, und die, welche in einer alten Hdschr. der Ambrosiana (Rourn, Relig.
S. 112 p.1ı78) auf »exemplaria apostolorum« durch Vermittelung des Alexander von
Jerusalem und sodann der Commentare des Vietorinus zurückgeführt wird, lasse ich
hier bei Seite, ebenso die Ansätze in Hippolyt’s Comment. z. Daniel.
® Die eschatologischen Erwartungen waren von frühester Zeit her (auf Grund
der Lectüre und Auslegung des Danielbuches, s. schon II. Thessal.) auf die Kaiser-
geschichte gerichtet und forderten dazu auf, unter den Kaisern nach dem Antichrist
zu suchen. Allmählich entstand so eine »christliche Kaisergeschichte«, s. z.B. die
Sibyllen.
620 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
worden ist. Bald wusste man zu erzählen, dass Tiberius sich aus
einem Bericht des Pilatus über COhristus überzeugt habe, er sei ein
Gott gewesen, und nur der Senat die Anerkennung des Christen-
thums verhindert habe,' ferner dass Domitian den Apostel Johannes
in siedendes Ol habe steeken lassen” und die Verwandten Jesu in’s
Verhör genommen habe,” und vieles Ähnliche.“ Unter solehen Um-
ständen kann es nicht auffallen, dass die Christen des 2. Jahrhunderts
mit Interesse und Spannung jeder Wandelung der Kaisergeschichte ge-
folgt sind, und dass sie demgemäss auch fortfuhren, die Ereignisse
ihrer eigenen Geschichte nach Kaiserregierungen zu datiren.
Solche Datirungen sind im 2. Jahrhundert die Regel, und zwar
nicht nur für die politische Geschichte der Gemeinden, sondern auch für
die innere. Chronologische Bestimmungen nach Gonsuljahren kommen
m. W. — vom Todesjahr Jesu abgesehen — überhaupt nicht vor,
und Datirungen nach der Amtszeit von Provineialstatthaltern oder
Stadtpraefeeten finden sich fast nur dort, wo die erzählte Geschichte
sie forderte oder nahelegte” Dagegen berichtet Justin, der Magier
Simon sei unter dem Kaiser Claudius nach Rom ee ° Hegesipp
datirt den Glemensbrief, auf die Zeit Domitian's,‘ den Tod des Simeon
von Jerusalem auf die Zeit Trajan’s (unter dem Proconsul Attieus)
und auf dieselbe Zeit den Anfang der CGorrumpirung der Kirche durch
die Haeresie.” Irenäus erzählt, der Apostel Johannes habe seine Offen-
!' Tertull., Apol. 5:
?2 Tertull., de praeser. 36.
Hegesipp bei Euseb., h. e. III, 20.
* Vergl. die Legenden über Nero.
S. die ältesten Märtyreracten und die Schrift Tertullian’s ad Scapulam, in
denen die Erwähnung der Statthalter selbstverständlich war. Ausserdem ist z.B.
Melito bei Euseb. h.e.1V, 20,3 zu vergleichen: ’Erı ZegouimAov Iavrov avSumerou
TnS Arias, > ayazıs zug0, ELugr vonsev, eye vero Onrnris mormM ev Aaodızai, s. ferner
die alte kleinasiatische Quelle Dei Euseb., h. e. V, 16, 7: Movravov zar« Doarov Arıas
avS$urerov, und den kleinasiatischen Anbirkontaaiste n Apollonius, l.c. V, ı8, 9, der den
Proconsul Aemilius Frontinus erwähnt. Nimmt man die Stellen aus der Schrift ad
Scapulam und die chronologische Angabe im Martyrium Polykarp’s hinzu, so darf man
vielleicht sagen, dass es besonders in Asien üblich gewesen ist, nach den Regierungen
der Proconsuln zu datiren, und dies ist nach der besonderen Stellung, die dem Statt-
halter Asiens zukam, wohl verständlich. Durch ihre Genauigkeit einzigartig ist die
Datirung des ‚Martyriums Polykarp's: Magrugei ö Metzegios Noruzagmos urvos ZavSırod
de suregge ITT EIKE vov, mes irre Harn Magrivw, sulgParu Yan, ng. oydon‘ Fuverd dm
Umo “Houdov emı agysege ews Pırimmov ToaAAıavod, avFumarsVovrog Nreriov Koögerov, Berı-
»eVovros de Eis wies "Mrod XgırroV. Eine Datirung nach einem augenscheinlich be-
rühmten Märtyrer in Pergamum findet sich in einem Briefe an die Christengemeinde
dieser Stadt, s. Offenb. Joh. 2, 13. Den aegyptischen Praefeeten Felix hat Justin (Apol.
I, 29) genannt; aber nicht zum Zweck der Datirung.
°7Apol:l,/26,18: nem, 23, 1
” Bei Euseb., h. e. III, 16.
> L.ie. IE 34,6.
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 621
barung gegen Ende der Regierung Domitian's geschaut! und bis zu
den Zeiten Trajan’s gelebt.” Clemens Alexandrinus sagt, dass Johannes
nach dem Tode des Tyrannen (Domitian) von Patmos zurückgekehrt
sei, und er datirt die vornehmsten Haeretiker nach den Regierungen
Hadrian’s und des älteren Antoninus.” Tertullian nennt den Mareion
5
einen » Antoninianus haereticus, sub Pio impius«’ und stellt selbst sein
erstes Buch adversus Marcionem auf das ı5. Jahr des Kaisers Severus;®
die Chronik des christlichen Schriftstellers Judas war auf das 10. Jahr
desselben Kaisers gestellt.” Der syrische Haeretiker Aleibiades pro-
dueirte in Rom am Anfang des 3. Jahrhunderts ein Offenbarungsbuch,
in dem den Gläubigen für das 3. Jahr Trajan’s eine neue Sünden-
vergebung verheissen war.“ Hippolyt hat in seiner Schrift über das
Osterfest eine Chronologie mit dem ersten Jahr des Kaiser Alexander
beschlossen und sich überhaupt um die Kaisergeschichte bemüht.”
Eusebius besass eine alte Kunde, dass im 17. Jahr des Kaisers M. Aurel
in mehreren Provinzen die Christenverfolgungen verschärft worden
seien.” Zu Epiphanius waren alte, zum Theil freilich falsche Nach-
richten gekommen, der Apostel Johannes sei unter Claudius aus der
patmischen Verbannung zurückgekehrt,'' Justin habe in Rom das Mar-
tyrium erlitten &mı "Pworixeo nyeuovos zul "Adpiavod Baoırews,” Tatian
habe im ı2. Jahr des Kaisers Pius in Mesopotamien eine eigene Schule
gegründet,” und Bardesanes habe bis zur Zeit des Kaisers Anto-
ninus gelebt, »nicht des Pius genannten, sondern des Verus«.'
:ATren: V4130;:3.
Lscs1ll,.3.4.u,. 11,22, 5.
In der Schrift »Quis dives salvetur«, s. Euseh. , h. e. III, 23, 6
Strom. VII, 17. 106: “H peu yag Tou #Uugiov are TnV TgoUrIEm MRTRRde ro
» 8 8
Adyousrau Kairugos agEan a, nEroUvrum mov Tıßeglov y,govan T I srourcn, nd ran amo-
FroruW vrod Mey gt Ye NS Iavrov 2 eirovgyias as Ne zgwvos TEre soUran, zaru) d8 mwegt Toug
Aödgıawov Tov Barırz Eewg ‚Agavous oL Tas ige Tears erworsaurss yeryoverı, zu MEyge YyE 775
Avranvou Tou mess Qur: egov drersuman Yrızlas, #0. Fcerreg D Barıraödrg . .. 0 Oladevrivog...
ö Masgziu.
° Adv. Mare.I, ı9. Voran gehen die Worte: » Marcionis salutem quoto quwidem
anno Antonini maioris de Ponto suo exhalaverit aura canicularis, non curavi westigare«.
Bisher nicht sicher erklärt sind die folgenden Worte: »A Tiberio usque ad Antoninum
anni fere CXV (UXXYV Cod. B) et dimidium anni cum dimidio mensis«.
a ER
DeBuseb.„ohre, VL,z:
® S. Hippol., Philosoph. IX, 13.
S. Euseb., h. e. VI, 22, ı und den Catal. Liberianus; vergl. auch die Bemühungen
des Theophilus von Antiochien um die Kaisergeschichte im 3. Buch ad Autolycum.
WaklsesV.praet;
DEpiph.h.51,12
ET.ie.hr 46,7
en Deren
ler h.56,7.
=
2 Ft » ? F .
622 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
Diese Übersicht ist vielleicht noch nicht erschöpfend; aber sie
wird ausreichen, um zu zeigen, wie häufig die Datirungen nach den
Kaiserregierungen in allen Theilen der Kirche in ältester Zeit gewesen
sind. Sie haben wirklich die Regel gebildet. Neben ihnen finden sich
— von der gleich zu nennenden Gruppe chronologischer Data abge-
sehen — nur noch solche relative Zeitbestimmungen, wie »Tatian
fiel nach dem Märtyrertode Justin’s von der Kirche ab«,' A lebte zur
Zeit des B oder war ein Schüler (Nachfolger) desselben, und ähnliche,
die nieht Datirungen im strengen Sinne sind.”
3.
Allein es giebt. wie eben bemerkt, noch eine Gruppe chrono-
logischer Data aus ältester Zeit, und sie nimmt ein besonderes Inter-
esse für sich in Anspruch: Die Datirungen nach Regierungen von
Bischöfen (Aposteln). Ich stelle sie zunächst zusammen:
1. Iren. OL, i,ı: ‘O we» MoarSoios... Ypauınv EEuveynev euayyeruou,
od Merpov x Tod Havrov Ev Puun evayyerlouevuv zul Semerrouvrwv TV
ERKANGIEN.
24 Iren 7ltic- Mopxos 6 HadurNs xaı Epunveurns Ilerpov META NV TOD
Tleroov xal roö Maurou eEodov Ta Umo Ileroov KNpUOGONEvd eyypasbws Aalv
mapadedwxe. (Noch in demselben Capitel folgt eine Liste der römischen
Bischöfe.)
3. Iren. IH, 3,3 (als Zusatz zu einer Liste der römischen Bischöfe
von Linus bis Eleutherus, die ausser einigen Bemerkungen zu Clemens
und der Erwähnung des herrlichen »Zeugnisses« des Telesphorus nur
die Namen enthält): ’Erl rod KAyuevros (Emioxomou) OTacews oUx dAryns
rois &v KopwIw yevouzıns AdeAdbels Emeorertev 1 &v 'Pwun Exxännıa IKavWTd-
ru Ypauanv Tois KopwYicis.
3°. Aus Euseb., h. e. II, ı6; IV, 22, ı folgt, dass Hegesipp die
»oraoıs« in Korinth auf die Zeit Domitian’s und Ölemens’ datirt und
diesen als Verfasser des römischen Gemeindeschreibens genannt hat.
4. Murat. Fragm. 73 f.: »Pastorem« nuperrime temporibus nostris
in urbe Roma Herma(s) conscripsit sedente cathedra urbis Romae ecclesiae
Pio episcopo fratre eius.
len: 128:
? Ausser Betracht können hier auch die chronologischen Berechnungen bleiben,
s. Gal. 2, Justin, Apol. 1, 46 (150 Jahre seit Christi Geburt verflossen), die merkwürdige
Angabe bei Epiphan. h. 51, 33, Apollonius bei Euseb., h.e. V,1ı8.12.14 (dazu das Ke-
rygma Petri), der Anonymus bei Euseb., h.e. V,1ı7,4, mehrere Stellen bei Tertullian,
z.B. dass seit der Abfassung der Korintherbriefe 160 Jahre verflossen seien (de monog. 3),
u. 8. w., u.S.w.
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 623
5. Catalog. Liberianus (Liste der römischen Bischöfe, die bis zum
Anfang des 3. Jahrhunderts nur Namen und Amtszeiten enthält, mit
Ausnahme folgenden Zusatzes): Sub huius (seil. Pü) episcopatu frater
eius Hermes librum scripsit, in quo mandatum continetur quod (quae) ei
praecepit angelus, cum venit ad illum in habitu pastoris.
6. Iren. II, 4, 2. 3: OvaAevrivos uev yoap 9er eis Pwunv Emı Yyivou,
Axuace de &mı Iliov xol mapsuevev Ews "Avızyrau. Kepdwv de 6 po Mapxıwvos
xal autos Em Wywov, os Av oydoos (so der Lat. vet., im Citat bei Eusebius
steht £varos) Emioxomos, eis ryv Exxanoıav &Adwv xl EEomoAoyoumsvos, oUTWs
ÖleTeAege, more uev AnSpodidanxaniv, more de mon EbomoAoyoumevos, more de
EAeyYonevos ED cis Edidanxe wars, xal dbıordusvos TAs TÜV ddeAhuv Fuvodias.
(Für das folgende fehlt der Originaltext.) Marcion autem illi succedens
invalwit sub Aniceto, decimum locum episcopatus continente. Kurz vorher
ist die Liste der römischen Bischöfe mitgetheilt, die mit den Worten
schliesst: 7 air rafaı xuı rn aurn diadouf A Te dmo Tuv dmooroAwv &v
In ERKNGIE mapddonıs nal To This AAnYEias xipuyum Karmurarev eis Muds.
7. Iren. I, 27 1: Kepdwv de nis... . Emiönuncas &v Ti Pony &mi Yywvou,
evarov (so auch der Lat. vet.) xANpov INS EmiOKomIRas diadoyis amo Tüv
KmooToAwv EWovros ... diadekdusvos de aurcv Maoxıwv 6 Hlovrızcc.
8. Cypr., ep. 74, 2: Cerdon sub Hygino episcopo, qui in urbe
nonus fuit, Romam venit, quem Marcion secutus.
9. Epiphanius, h. 41,1 (nach einer alten Quelle): "O Kepdwv &v
Wpovals Pyıvou yeyovev EMICKOMOU TU Evarov xANpov dyovTos amo Ns Tüv mepl
IexwBov x Tlerpov xaı IMaüAov dmoororuv diadoyde.
ı0. Tertull., de praeser. 30: Ubi tune Marcion, Pontieus nauclerus,
Stoicae studiosus? ubi tune Valentinus, Platonicae sectator? nam conslat
los neque adeo olim fuisse, Antonini fere principatu et in catholicae primo
doctrinam ceredidisse apud ecelesiam Romanensem sub episcopata Eleutheri (!)
benedieti, donec .ob inguwietam semper curiositatem, qua fratres quoque
viliabant, semel et iterum eiecli, Marcion quidem cum ducentis sestertüs,
quae ecclesiae intulerat, novissime in perpetuum discidium relegati venena
doctrinarum suarum disseminaverunt. postmodum Marcion paenitentiam
confessus cum occasioni datae sibi occurrit, ita pacem receplurus, si celeros
quos perditioni erudisset ecelesiae restilueret, morte praeventus est. Es folgen
von ce. 32 ab Ausführungen über origines ecelesiarum et ordinem episco-
porum per successionem ab initio decurrentem, die ce. 36 in einen Hymnus
auf die felix ecclesia Romana ausmünden und die Lehre dieser Kirche
kurz formuliren. Der in Rom erfolgte Abfall des Valentin von der
Kirche wird von Tertullian adv. Valent. 4 mit einem bischöflichen
Amtswechsel daselbst in Verbindung gebracht: Speraverat episcopatum
Valentinus,, quia et ingenio poterat et eloquio. sed alium ex martyrü prae-
rogativa loci potitum indignatus de ecclesia authenticae regulae abrupit.
624 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
ı1. Epiphanius, h. 42,1 (nach einer alten Quelle): ‘O Mapxıwv
dveıow eis ryv Pau aurmı Werd To TeAevryoaı VWyivov Tov Emioxomov Pwune.
euros de evaros Av amo Merpov za IMaurov ruv amoororwv.
ı2. Carmen Pseudotertulliani adv. Marc. IIl, 272—302: Eine
Liste der römischen Bischöfe von Petrus (Linus) bis Anicet in folgender
Reihenfolge: Linus, Cletus, Anacletus, Clemens, Euaristus, Alexander,
Sixtus, 'Telesphorus, Hyginus,. Pius, Anicet. Bei Clemens findet sich
der Zusatz: is apostolicis bene notus, bei Telesphorus: excellens hie erat
martyrque fidelis, bei Hyginus folgende, zum Theil augenscheinlich ver-
dorbene Bemerkungen ':
Post illum” socius legis cerlusgue magister,
Cum vestri sceleris socius, praecursor el auctor
Advenit Romam Cerdo, nova vulnera gestans,
Detectus, quoniam voces et verba veneni
Spargebat furtim, quapropter ab agmine pulsus
Sacrilegum genus hoc genwit spirante dracone.
Constabat pietate vigens ecclesia Romae
Composita a Petro, cuwius successor et ipse
Jamque loco nono cathedram suscepit Hyginus.
Dann fährt der Dichter fort:
Post hunc deinde Pius, Hermas cui germine frater,
Angelicus pastor, quia tradita verba locutus,
Atque Pio suscepit Anicetus ordine sorlem.
Sub quo Marcion hie veniens, nova Pontica peslis,
Nondum secretum facinus suo corde reclusum,
Passim vulgo loquens latebrosa perfidus arte.
Sed postgquam coepil mortis proferre sagitlas,
Abiectus merito lam saevi criminis auctor,
A sanclis reprobus, patwit mirabile monstrum.
13. Iren. I, 25, 5: Unde et Marcellina, quae Romam sub Anicelo
venit, cum esset huwius (Carpocralis) doctrinae, mullos exterminavüt.
ı4. Epiph., h. 27,6 (nach einer alten Quelle): °HASe uev eis yuds
non mws MapxerAiva rıs Um aurüv (von den Karpokratianern) ararıyeica
xl mWoAAcUs EAumyvaro Ev Apavaıs "Avıyrou Emioxomov Pwung, TeÜ Kara Tv
diadoynv Ilev zul Tüv dvwrepw. £v Puun yap yeyovaoı mowroı Ilerpos xoL
Tavros oi amoorora aurol xal Emioxora, eira Alvos, eira Kifros, eira Kinung,
GUypovos av Ileroov xaı H&vrov (hierauf folgt eine Ausführung darüber,
dass Clemens, obgleich von den Aposteln eingesetzt, doch erst als
der dritte in der Reihe figurire; dabei wird erwähnt, dass Linus und
I Wir besitzen keine Handschrift des alten Gedichts mehr.
®? d.h. Telesphorus.
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 625
Cletus je ı2 Jahre regiert hätten und die Apostelfürsten im ı2. Jahr
Nero’s gestorben seien. Epiphanius fährt nun also fort): "Ouws 9 ray
ev Puun Emioxomuv diadoyn Taury Eysı Tyv dmoAoudiav. Tlerpos xuı TaUros,
Alvos xal KAyros, Kanuns, Eüdpeotcs, "AneEavdoos, Zucros, Tereopcpss, Edpe-
oros', Wyivos, IMios, "Avızyros, 6 dvw &v TO Kararoyw TpodednAwuEvos . DurEy
Kpovars Tavuv, WS Ehnuev, "Avızyrou N TpodednAwmevy MapxerAuva &v "Pony
yevoneın ryv Auuyv TAs Kopmord didaoxaras Efeutvaoa moAAoUs rÜv Exeioe
Auumvanevn, Abavıoe. xaı EvYev Yeyovev 1 doym Tvworixav Tüv xarounevwv.
15. Iren. II, 3, 4: (Horuxapros) &mı "Avızyrov Emidnunoas 7 "Pwun
oAAoUs do Tov TpoEıpnILEVWV AIpETIXWV Emeorperbev Eis Tnv ExXXAnolav Tod Icon,
cf. Iren. ap. Euseb., h. e. V, 24,16: Toü uaxaplou HoAuxaprov Emıönun-
cavros m Pwun Emi 'Avızyrou. An beiden Stellen geht eine Liste der
römischen Bischöfe vorher. An der zweiten Stelle, die aus dem Brief
an den römischen Bischof Vietor entnommen ist, drückt Irenäus die
Behauptung, dass die alte römische Gemeinde ein bestimmtes Fasten
nicht beobachtet, aber Frieden mit denen gehalten hätte, die es be-
obachteten, also aus: "Ev eis xal po Zwrnpos mpeoBurepo ol mpooTavres
INS ERKAnoids, N OU vv abnyn, Avızyrov Aeyomev xl Iliov, "Wylvov TE xoı
Tereopopov ul Euorov, oUre aurol Ernpnodv oUTE Tols MET aürüv Emerpemov,
Kal oUdev EAATTOv auroL UM TNPOÜVTEs Eipyiveuov Tols dmo Tüv Tapaımıav, &v dis
ETNpEITO, Epyomevaıs Dos auToUs.
[16. Euseb., h. e. V praef. (nach einer alten Quelle): ‘O As Pu-
Halwv ExxAnoias Emioxomos Zwrnp Emi oydoov Eros Mynoansvos TEAEUTE Tov
Biov. Toürov Öwdexuros am Tüv amoororuv 'EAeuIepos diadeyeron Eros 0 Av
ETTAKUDERETOV UTOXpELTODOS "Avyrwvivou Ovypov, ev W xard TIva neon ns YyAs
obodperepoy avappımıodevros Tod xad yuav dıiwyuod].
17. Euseb. h. e. I, 25, 6: Taios... xara Zebupivov "Pwuaiwv yeyorws
Emioxomov, cf. VI, 20, 3: Toiou diaroyos mi Puuns xard Zecbupivov TrpOS
IlpoxAov xexivyusvos u. Photius Cod. 48: rodrev rev T’aiov mpeo Burepov pacı
yeyevjodaı Tis xura Puunv Exxiyoias Emı Olixropos xal Zepupivor.
7°. Anonym. 'saee.. Il. mit. bei’Euseb., h. eV, 28, 3f£.:) 4
(seil. Theodotiani) reüs uev porepous dmavras al aureüs ToUs dmooToAous
mapeırndevdı TE xal dsdiduyevaı Taure, & vüv ouroı Akyaucı, xdı Ternmodaı
nv aAySeav Tod KupLyuaros MEY,pL Tüv Kpovuv Tüv Bixropcs, 6: Av TPLIO KEL-
dexaros mo Ilerpov Ev 'Puuy Emioxomos, dmo de Tod diadoy,ov aurod Zeobupivou
Tapareyapaynaı Tyv Ay Ierav. Av 0° av Tugev mıSavov TE Asyousvov, ei uM
mpwTov Ev dvremimrov aurels ai Yelzı ypabal. xl ddsAbüv de rıvwv Eorı
Ypaumare mpeo Qureoa Tüv Kpovwv TWv Bixropos, a Exeivor Kal mpos Ta wm
Umep TuS dANIeIds xul Moos Tas Tore alpkasıs Eiypanbav, Acyw de Tovorivou
xaı MiAriddov xaı Tarızvoo xul Kiyuevros xal ErEpwV TAEIovWV, &v 06 Amacı
! Ist zu tilgen, da nur durch ein Versehen wiederholt,
)L N Ä m »
626 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
Jeoroyeiraı 6 Xpioros. Ta yap Eipnvamu Te xaı Merırwvos xaı TÜV Aoımüv
rıs ayvoei BıßAa, Ieov xl dvIpwmov xarayyeAdovra Tov KaoTov; ..... Tüs
oUv EX TOoGouTWv ETÜV HATayyErAouevou TOD EXXANDIWOTIXOU bpovmuaros Evde-
METAL, ToUs MEYpL Bixropos OUTWS WS ouroı Acyouoı KEXNPUN,EVALLS
ı9. Hippol., Philosoph. IX, 7: Erıyow naSyrevoas Käsonevns .
Expaituve TO doyua, Kar Exeivo xaıpod Zebupivou dlemeiv vomilovros av ERKANTIeV.
20. Euseb. h. e. VL 14, 10: 'O usw Ta ’Adaudvrios ... Zeoupivou
Kara Touode ToUs Wpovous Ti: "Puuaiwv ExxAynias Myovusvov Emiönufoaı TN
"Puun x alros mov Ypabeı.
21. Hegesipp bei Euseb. IV, 22, 2: xui eweuevev 1 ExxAnoie n Kopiv-
Yıuv &v TO oI@ Aoyw exp Ilpimov Emıoxomevovros &v KopvSw‘ ois Guvenıfa
mrEwv eis Pwunv xai ouvdierpnla Tois KopwYios nuspas ixavds, Ev als Ouvave-
n Y'2&8 ’ r Nearsc ! N \ \ 9\ 2 ’ 14
TmaNMEv TW opIW Aoyw. YEvouEvos oe &v Pwun diadoy,mv (?) Eromoamnv MEpIS
"Avıznrov, 00 dldxovos Av "EAeUSepos, xaı mapd "Avıznrou diadey,erdi Zwryp,
MEY ov "EreuSepos. Ev Exaorn de diadeuf xl Ev Exaorn moAeı oUrWs EWEL
Ws 0 vouos xrpvome xal ol mpobirTaı xl 6 xUpios.
Die hier zusammengestellten Datirungen nach Bischöfen beziehen
sich sämmtlich auf die älteste Zeit, nämlich auf den Zeitraum bis zum
Anfang des 3. Jahrhunderts (vor der Chronik des Julius Afrieanus).
Sie sind ausschliesslich aus Schriften excerpirt, die entweder selbst
dieser Zeit angehören oder Quellen dieses Alters zu ihrer Grundlage
haben; sie sind endlich, wie ich hoffe, vollständig gesammelt, d.h.
aus dem ganzen Gebiet der uns erhaltenen kirchlichen Litteratur der
Griechen und Römer.
Überblickt man die Tabelle nun, ohne zunächst noch die formellen
Unterschiede der einzelnen Angaben zu beachten, so ergiebt sich als
erstes und wichtigstes Resultat der Betrachtung: alle Datirungen nach
Bischöfen, die uns bis zum Anfang des 3. Jahrhunderts bekannt sind,
beziehen sich auf römische Bischöfe. Die einzige Ausnahme — Nr. 21,
wo Hegesipp mittheilt, dass die korinthische Gemeinde bis zur Re-
gierung des Bischofs Primus orthodox geblieben sei — fällt schwerlich
in’s Gewicht; denn Hegesipp war eben zur Zeit des Primus auf seiner
Romreise nach Korinth gekommen, hat aber sein Werk, dem die
Worte entnommen sind, erst geraume Zeit später geschrieben. Er wollte
nun sagen, dass bei seiner Anwesenheit in Korinth die reine Lehre
geherrscht habe, und da er, wie Eusebius berichtet, überall die Bekannt-
schaft der Bischöfe zu machen beflissen war und die Bischöfe als die
verantwortlichen Träger der Orthodoxie betrachtet hat, so nannte er
den Bischof der Korinther. Dass nach bischöflichen Regierungen in
Korinth datirt worden ist, wird man deshalb nieht schliessen dürfen.
Das zweite Resultat der Tabelle ist die Erkenntniss, dass nicht
nur römische, sondern auch ausserrömische Schriftsteller Vorgänge
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 627
in der römischen Gemeinde nach der Regierungszeit der dortigen
Bischöfe datirt haben.
Das dritte Ergebniss ist, dass einige dieser nach Bischofs-
regierungen datirten 'Thatsachen mit Listen der römischen Bischöfe
in Verbindung stehen.
Die letztere Beobachtung verlangt eine genauere Untersuchung.
Vorher sind aber die Fälle zu eliminiren, welche für die Frage, ob die
Daten mit der römischen Bischofsliste in Verbindung gestanden haben,
sicher nicht in Betracht kommen. Auszuscheiden ist zunächst die
einem Brief Cyprian’s entnommene Stelle (Nr. 8), weil sie augenscheinlich
dem Werk des Irenäus (Nr. 7) entlehnt ist. Ebenso ist über Nr. 9
(Epiphanius’ Mittheilung über Cerdo) zu urtheilen; auch sie ist aus
Irenäus geflossen.' Ferner müssen die Fälle Nr. 17— 20, welche sich
auf den Bischof Zephyrinus beziehen, unberücksichtigt bleiben. Sie
sind zwar sämmtlich nicht unwichtig, aber dass sie im Zusammenhang
mit einer Bischofsliste gestanden haben, ist unglaublich. Die Mit-
theilung des Eusebius, Cajus habe in Rom seinen Dialog gegen den
Montanisten Proklus z. Z. Zephyrin’s geschrieben (Nr. 17), ist wahr-
scheinlich aus dem Buche selbst abstrahirt. Die Angabe Hippolyt’s
über die Zeit des Monarchianers Kleomenes (Nr. 19) entstammt der
eigenen frischen Erinnerung des römischen Autors. Dass Zephyrin
Bischof in Rom war, als Origenes die Stadt besuchte (Nr. 20), hat
Origenes selbst »irgendwo« gesagt. Es ist nicht ohne Bedeutung,
dass er den Bischof ausdrücklich genannt hat; aber von einer Bischofs-
liste ist nicht die Rede. Anders steht es mit der Mittheilung des
Anonymus — wahrscheinlich Hippolyt's — in Nr.ı8. Sie zeigt uns,
dass in Rom von den Monarchianern die Wandelung der herrschenden
Ansichten nach Bischofsregierungen bestimmt und damals eine Bischofs-
liste zu Grunde gelegt wurde, in der Victor als der 13. Bischof be-
zeichnet war, sie zeigt ferner, dass der kirchliche Gegner der Mo-
narchianer mit grosser Sicherheit die berühmtesten Schriftsteller der
Kirche, und zwar ausserrömische Schriftsteller, zu datiren vermochte
— in Bezug auf die Frage, ob sie vor der Regierung Vietor's oder
nach ihr geschrieben haben —, sie beweist also, wie geläufig in
Rom am Anfang des 3. Jahrhunderts Datirungen nach den römischen
Bischöfen gewesen sind; aber der ganze Abschnitt selbst steht nicht
direct mit einer Bischofsliste in Verbindung. Endlich wird auch Nr. 16
— ich habe die Stelle bereits oben in Klammern gegeben — aus-
zuscheiden sein; denn wenn es auf den ersten Blick auch nicht zu-
ı Ob es mit der Angabe des Epiphanius Nr.ıı ebenso steht, wird unten zu
untersuchen sein.
628 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
fällig zu sein scheint, dass Eusebius vom 17. Jahr des M. Aurel und
der grossen Verfolgung unmittelbar nach dem Bericht über den Amts-
antritt des Eleutherus gesprochen hat, so lässt sich bei näherer Unter-
suchung doch nicht feststellen, dass er den Ausbruch der Verfolgung
zeitlich mit dem Amtsantritt des Eleutherus vollkommen gleichsetzen
wollte.
Es bleiben somit die Angaben des Hegesippus, Irenäus, des Ver-
fassers des Muratorischen Fragments, des Hippolytus, Tertullian, ferner
des Gewährsmanns des Epiphanius, endlich des Pseudotertullian als
solche übrig, die darauf untersucht werden müssen, ob sie mit einer
Liste römischer Bischöfe in Zusammenhang gestanden haben. Zuvor
aber ist festzustellen, was wir von der römischen Bischofsliste in der
Zeit vor Julius Africanus wissen.
4.
In meiner Schrift »Die Zeit des Ignatius und die Chronologie
der antiochenischen Bischöfe« (1878) habe ich zuerst die älteste Form
und die früheste Geschichte der antiochenischen Bischofsliste dadurch zu
ermitteln versucht, dass ich die römische Bischofsliste mit ihr combinirte.
Die Combination erwies sich für die Erforschung beider Listen als
höchst fruchtbar und bot zum ersten Male der Forschung die Möglich-
keit, die ursprüngliche römische Liste sammt den Ziffern für die Amts-
Jahre der Bischöfe mit Sicherheit bis zum Ende des 2. Jahrhunderts
hinauf zu führen. Ich suchte zu zeigen: ı. dass die ersten Ansätze der
antiochenischen Bischofsliste in der Chronik des Eusebius einfach nach
den Ansätzen der römischen Liste construirt sind, 2. dass diese Com-
bination bereits von Julius Africanus in seiner Chronik vollzogen
worden ist, Eusebius sie von dort entlehnt hat und die Namen und
Zahlen der römischen Bischofsliste des Eusebius somit die des Africanus
sind, 3. dass die bezifferte römische Bischofsliste, welche Africanus
benutzt hat, identisch gewesen ist mit der des Hippolyt (nach dem
Catal. Liberianus), dass auch Eusebius in der Kirchengeschichte und
Hieronymus in der Chronik für die ersten ı2 Bischöfe keine andere
Liste verwendet haben, dass sie bis zum Tode des Eleutherus reichte,
und dass somit die Zahlen für die Amtsjahre der einzelnen römischen
Bischöfe bis Eleutherus ungefähr so alt sind, wie die Liste des Irenäus,
die keine Zahlen aufweist, aber sich in den Namen mit jener Liste deckt.'
IS. S.73f. meiner Schrift und auch S. 22 n.ı, wo ich Folgendes geschrieben
hatte: »Richtig ist, dass die römische Bischofsliste in der KG. des Eusebius von Petrus
bis Urban theilweise eine andere ist, als die der Chronik. Es lässt sich nun aber
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 629
Diese Ergebnisse fanden vor 13 Jahren nur getheilte Zustimmung.
Die HH. GeLzErR, von GurtscumipD, Ereges und Lirsius, der um die älteste
Papstgeschichte hochverdiente Forscher, lehnten sie theils ab, theils
verfolgten sie einige der von mir gegebenen Nachweisungen in anderen
Richtungen und complieirten die Probleme. Auch Herr Ducuesne
verhielt sich skeptisch. Allein in der bewunderungswürdigen Unter-
suchung, welcher Lientroort, der verewigte Bischof von Durham, die
alte römische Bischofsliste unterzogen hat, sind die oben kurz be-
zeichneten Ergebnisse erhärtet.' Die Abhandlung des Bischofs, welche
durch Herrn Horr'’s ausgezeichnete Artikel vorbereitet war, erstreckt
sich über das ganze Gebiet der ältesten Papst-Kataloge und schliesst
an wichtigen Punkten die Untersuchungen ab, die durch Hrn. Monnsen’s
Arbeitüber den Chronographen vomJahre 354 Grundlage undZiel erhalten
hatten’. An zwei bedeutenden Stellen hat der Bischof von Durham
das Beweisverfahren, in welchem ich die oben bezeichneten Resultate
gewonnen hatte, verbessert. Er hat ı. die bisherige Annahme, dass
Eusebius in der Kirchengeschichte einer anderen Quelle für die römi-
schen Bischöfe gefolgt sei als in der Chronik, widerlegt”. Zwar hatte
ich schon gezeigt, dass die Listen in beiden Schriften gerade für die
älteste Zeit identisch sind; aber die Untersuchung blieb doch mit
grossen Schwierigkeiten behaftet, so lange man auch nur für die
übrigen Theile der Liste verschiedene Quellen annahm; 2. hat er die
Unzuverlässigkeit der Zahlen in der armenischen Übersetzung der
Chronik nachgewiesen und die Zahlen der Chronik des Hieronymus
dafür eingesetzt. Damit war ein zweiter Umstand, der die Unter-
suchung bisher unnütz complieirt und gestört hatte, beseitigt. Nun
erst konnte die Construction der antiochenischen Bischofsliste nach
der römischen wirklich einleuchtend gemacht werden. Wenn man
statt der Zahlen des Armeniers die des Hieronymus einsetzt, erscheinen
die antiochenischen Bischöfe nicht mehr um eine Olympiade den
römischen nachgesetzt, sondern ihr Amtsantritt ist jedesmal auf den
erweisen, dass gerade der Abschnitt von Petrus bis zum Amtsantritt des Vietor bei
Africanus (also auch in der Chronik des Eusebius) und in der KG. des Eusebius
identisch ist.« S. auch 8.74: »Die wesentliche Übereinstimmung von Africanus,
Hippolyt, Eusebius bis zum Amtsantritt des Vietor lehrt, dass wir in der ihnen ge-
meinsamen (bezifferten) Liste bis Eleutherus ein 2. Z. des Victor von Rom angefertigtes
Verzeichniss der römischen Bischöfe zu erkennen haben.«
\ St. Clement of Rome Vol. I (1890) p. 201— 345.
® Abhandl. der philos. -histor. Classe d. K. Sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften. 1850.
® Das Richtige hatte bereits Hr. Horr (Academy 1871, 15.Sept. p. 434 sq.) ge-
sehen; Liewrroor ist ihm gefolgt. Die Gegenbemerkungen von Hrn. Lirsivs (Jahrb. f.
protest. Theol. VI S. 262 ff.) sind nicht überzeugend.
630 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
eines römischen Bischofs datirt.‘ Dem Eindruck dieser Thatsache wird
sich Niemand mehr zu entziehen vermögen.”
Die ursprüngliche Liste, wie sie als Quelle des Julius Africanus
und Hippolyt angenommen werden muss und zunächst auf die Zeit
Vietor’s zurückzuführen ist,’ lautet:
... Dlerpos xai Iaidos ...
2 EI ! n „ ı
a EmioKomos Auvos en ıß.
ß’ » Aveyaayros » 19".
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ıß' » "EAeUSepos DaIdLE
Sicher ist, dass man in Rom am Ende des 2. Jahrhunderts Petrus
nicht als Bischof gezählt hat; denn Irenäus bezeichnet den Sixtus
ausdrücklich als den 6. Bischof und hebt den Paulus als Begründer
der römischen Kirche nicht minder hervor als den Petrus. Auch noch
am Anfang des 3. Jahrhunderts ist Petrus nicht als erster römischer
Bischof gezählt worden; denn der römische Verfasser jener Schrift,
die Eusebius h. e. V, 28 ausgeschrieben hat (s. oben Nr. 18) zählt
den Victor als ı3. Bischof, rechnet den Petrus also in die Liste nicht
ein.‘ Die Umstellung des Ölemens ferner (gleich nach Petrus), die
sich schon bei Tertull. de praeser. 32 ankündigt und später nicht
ı Hr. Horr hat dies zuerst erkannt (s. Liemrroor, Ignat. and Polye. II. p.461 sg).
Unabhängig von ihm ist Hr. Erses, vor allem aber Hr. Lirsıus (Jahrb. f. protest.
Theol. VI S. 242 ff.) dieser Erkenntniss sehr nahe gekommen. Aber erst Hr. LıiearFroor
hat durch eine erschöpfende Untersuchung des Werthes der Zahlenangaben des Arme-
niers die Untersuchung zu Ende geführt.
2 S. Liemrroor, St. Clement of Rome I p. 339: We have thus arrived at the
same result with HARNACK, viz. that the symmetrical relations of the early bishops of Rome
and Antioch, which appear in the Chronicle of Eusebius, were probably derived from ‚Julius
Africamus. But the way by which we have reached it has been quite different.
Dies vermag ich nicht zuzugeben; denn Hr. Licnrroor hat nicht einen neuen
Weg gewiesen, sondern die Nachweise, welche ich gegeben habe, aufgenommen
und an einem wichtigen Punkte das Beweisverfahren verbessert.
3 Offen muss es bleiben, dass die Liste noch älter und später ergänzt ist; Ss.
darüber unten.
* Die Bezeichnung des Hygin als 9. Bischof an zwei Stellen im Text des Irenäus
ist als absichtliche Correetur zu betrachten (Petrus sollte mitgezählt werden).
. [2 ” ” - [2]
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 63
selten ist, sowie die Spaltung des Anenkletus in einen Kletus und
Anenkletus brauchen hier nieht in Betracht gezogen zu werden, da
es sicher ist, dass die Liste so gelautet hat, wie wir sie oben wieder-
gegeben haben. Was endlich die Zahlen für die Amtsjahre betrifft,
so sind es diejenigen, welche bereits am Ende des 2. Jahrhunderts
in Rom gültig gewesen sind. Rechnet man die ı2 Ziffern — indem
man von den drei Alternativzahlen absieht — zusammen, so erhält
man die Zahl 125; addirt man diese Zahl zum Jahre 64, dem 'Todes-
jahr .des Petrus und Paulus, so erhält man das Jahr 189 für den
Amtsantritt des Vietor. Dieses Datum lässt sich durch eine rück-
läufige Rechnung controliren. Der römische Bischof Fabianus erlitt,
wie wir bestimmt wissen, am 20.Januar 250 unter Deeius den Märtyrer-
tod. Fabian regierte 13 Jahre, Anterus ı Monat, Pontian 5 (6) Jahre,
Urban 9 (8), Kallist 5, Zephyrin ı8 (19), Vietor 10 (9). Es sind dem-
nach 60 höchstens 62 Jahre vom 20. Januar 250 abzuziehen, um den
Amtsantritt Vietor’s zu gewinnen. Dieser fällt also in die Jahre 190
bis ı88. Somit gewinnt die alte römische Liste, indem sie vom Tode
des Petrus bis zum Amtsantritt des Vietor 125 Jahre rechnet, wirklich
den wesentlich riehtigen Endpunkt, nämlich das Jahr 189. Sie hat
also durch ein näher nicht mehr nachweisbares Verfahren die ge-
brochenen Jahre so ausgeglichen, dass die Rechnung auch bei Ein-
setzung von ganzen Zahlen im Schlussresultate stimmte. An diese
Liste schloss Africanus die ihm ohne Angabe der Amtsjahre überlieferte
antiochenische Bischofsliste an, indem er
Euhodius = Petrus
Ignatius — Eins
Hero
Alexander
Cornelius = Telesphorus
Eros —APims
Theophilus = Soter
Maximinus = Eleutherus setzte.'
Hr. Lientroor hat die Untersuchungen über die älteste römische
Bischofsliste in einer doppelten Richtung weiter zu führen gesucht.
! Dass diese Gleichsetzungen schon vor Africanus in einer antiochenischen Chronik
aus dem letzten Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts vorgenommen worden sind und Africanus
sie von dort übernommen hat, sucht Hr. Lırsıus a.a.O. zu erweisen. Mir scheint die
Einschiebung eines solchen Mitgliedes nicht wahrscheinlich; s. Liewrroor, laerp-333 39:
Über die Anordnung der alexandrinischen Bischöfe in der Chronik des Julius Africanus
hat Hr. Prevsc#en i. d. Theol. Lit. Zeitung 1891 Nr. ı7 die Ansicht vorgetragen, die auch
ich vertrete.
Sitzungsberichte 1892. 56
20% . .
632 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
Er hat I. die Liste auf ihre Zuverlässigkeit geprüft und will das über-
raschende Ergebniss gewonnen haben, dass sie vom Amtsantritt des
Ulemens also ec. vom Jahre 88 an — verlässlich sei,' ja dass schon
Linus und Anenkletus monarchische Bischöfe gewesen seien, und
er hat II. das Verzeichniss auf den Schriftsteller Hegesippus zurück-
geführt und damit eine noch frühere Abfassungszeit für dasselbe fest-
gestellt; denn Hegesipp habe nach Euseb., h. e. IV, 22,2 seine ehrono-
logische Arbeit zur Zeit des Anicet gemacht und unter Eleutherus
publieirt. Diese beiden Nachweisungen werden nun zu prüfen sein.
I. L. e. p. 340 schreibt Hr. Lienutroor: To Linus and Cletus (or
Anencletus) twelve years each are assigned. The symmetry of the numbers
suggests that, where no direct information was attainable, the author of the
list divided Ihe vaeant space — a rough quarter of a century — between
them. As regards Ihe names 1] see no reason to question that they not only
represent historical persons, but that they were bishops in the sense of mo-
narchical rulers of Ihe Roman Church, though their monarchy may have been
much less autocratic than the episcopate even of the succeeding century.
With Clement we seem to emerge into the dawn of history. He at all events
has a historical record independently of the catalogue. Let me add also that
I see no sufficient ground for placing the daybreak of the papal chronology
at the epoch of Xystus, whose episcopate may be dated roughly at 115 bis
125 p. Chr. Those who take up this position (Lipsivs, Chronol. 169.363;
Jahrbb. f. Protest. Theol. VI p. 119) have no other reason for their opinion
than that Irenaeus, writing to Victor in the last decade of the century and
speaking of Ihe Roman usage as regards Easter, appeals to the practice of
»the elders who before Soter presided over the Church« of Rome, » Anicetus
and Pius, Hyginus and Telesphorus and Xystus« (Buseb., h. e. V,24), but
this has reference solely to the Paschal question, in which case he does not
go beyond living memory in support of his contention. It does not in
any sense mark a period.
Zum Beweise dieser Thesen führt Hr. Lıentroor an, dass die
Zahlangaben der Liste an drei Stellen durch anderweitige chronolo-
gische Data, die sicher stehen, controlirt und bestätigt werden. ı. Nach
Hippolyt, Philosoph. IX, ı ı steht es fest, dass der nachmalige römische
Bischof Callist, als er noch Sklave war, von dem Stadtpräfeeten Fus-
cianus verurtheilt worden ist, und dass damals Commodus regierte
und Vietor römischer Bischof war. Fuscianus kann aber nicht vor dem
Jahre 189 Stadtpräfeet geworden sein und war es jedenfalls nicht mehr,
! Was die Zahlangaben betrifft, natürlich nur relativ verlässlich, da sie in ganzen
Zahlen gegeben und die Vacanzzeiten, die möglicherweise mehrmals stattgefunden haben,
nicht berücksichtigt sind.
. . . . . »6)*%
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 633
als Commodus am Ende des Jahres 192 ermordet wurde. Nach der
alten römischen Bischofsliste fällt aber der Amtsantritt des Bischofs
Vietor in die Jahre 188—ı90. Also stimmt das Datum. 2. Nach
neueren Untersuchungen ist es höchst wahrscheinlich, dass Polykarp
am 23. Februar 155 Märtyrer geworden ist. Er hat aber nach Irenäus
Rom zur Zeit des Bischofs Anicet besucht. Nach der alten römischen
Bischofsliste hat Anicet i.d.J. 154— 156 sein Amt angetreten. Ist also
Polykarp i. J.ı54 nach Rom gereist, so kann er dort wirklich den
Anicet als Bischof getroffen haben. 3. Aus inneren Gründen und auf
Grund des Berichts des Hegesipp ist der ı.Clemensbrief zur Zeit Do-
mitian’s und zwar am Ende seiner Regierungszeit i. J. 95 oder 96 ge-
schrieben. Nach der alten römischen Bischofsliste fällt die Regierungs-
zeit des Bischofs Clemens, wenn man von den sicheren Daten des
Todes des Fabian oder der Resignation des Pontian aus rückwärts
rechnet, in die Jahre 86/5 —95/6, wenn man die 9 Jahre seiner Re-
gierung aber mit Eusebius im 3.Jahr Trajan’s schliessen lässt, zwischen
91/2 und 100. Auch hier werden die Zahlenangaben der Liste, wenn
man nur einen gewissen Spielraum lässt (s. oben) bestätigt.
Zunächst lässt sich die Zahl solcher Bestätigungen noch um eine
vermehren. Nach Euseb. h. e. IV, 2ı ist Dionysius von Korinth Bischof
z. 2. des Mare Aurel gewesen. Nach h. e. IV, 23,9 hat er eine Epistel
an die Römer geschrieben, &rıoxorw rw ers Zwrip mpoodwvovox. Nach
der alten römischen Bischofsliste war Soter von 165/7—173/5 Bischof,
also in der That zur Zeit Mare Aurel’s.
Allein — selbst wenn diese »Bestätigungen« noch zahlreicher
wären — hat Hr. Liemrroor wirklich bewiesen, was er beweisen
wollte? Er behauptet, dass alle Bischöfe von Linus ab bereits mo-
narchische Bischöfe gewesen seien, und von Clemens, d. h. vom
letzten Decennium des ı. Jahrhunderts, an fühlt er sich vollends sicher.
Auch gesteht er, kein anderes Gegenargument gegen dieses Ergebniss
zu kennen, als die haltlose Annahme, die Bischöfe vor Sixtus könnten
noch nicht wirkliche Bischöfe gewesen sein, weil Irenäus bei Euseh.,
h. e.V, 24 die römischen Bischöfe rückwärts nur bis Sixtus aufzähle.
Auf dieses Argument möchte ich mich freilich auch nicht berufen,
da derselbe Irenäus im 3. Buch seines Hauptwerkes Linus, Anenkletus,
Clemens, Euarestus und Alexander ebenso als »monarchische Bischöfe «
aufführt wie ihre Nachfolger. Auch dass Irenäus die Vorgänger des
Soter nicht »Bischöfe«, sondern » Presbyter« nennt, ist nicht zu urgiren.
Aber es ist auffallend, dass Hr. Lientroor andere Argumente, die
gegen seine und die officielle römische Annahme, die Bischöfe vom
Tode des Petrus ab seien »bishops in the sense of monarchical rulers
of the Roman Church« gewesen, nicht anerkennt.
56*
634 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
ı. Das wichtigste innerhalb der römischen Gemeinde entstandene
Buch, der Hirte des Hermas, stammt aus inneren Gründen aus der
nachtrajanischen Zeit,' nach dem Zeugniss des Muratorischen Frag-
ments und des Hippolyt (Catal. Liberianus) aus der Zeit des »Bischofs
Pius«, also — auf die Liste berechnet — zwischen 139/41 und 154/6.°
Aber das Buch selbst zeigt unwiderspreehlich deutlich, dass damals
die römische Kirche von einem Presbytercollegium geleitet wurde
und wohl Bischöfe besass, dass jedoch ein monarchischer Bischof noch
fehlte. Vis. II, 4, 3 heisst es: oV de dvayvwaon eis Tauryw Tyv moA Werd
ray mpeoQurepwv ray Mpoiorausvwv TA ExxAyoias, vergl. Vis. II, 1,8. Auch
an den beiden Stellen, wo Bischöfe erwähnt werden, erscheinen sie
nur im Plural; s. Vis. III, 5,ı und Simil. IX, 27, 2 (zusammengestellt
mit dirofeva!). Dasselbe ist der Fall in Bezug auf »Hirten«. Eine
Mehrzahl von verantwortlichen Hirten wird vorausgesetzt (Sim. IX,
31,5.6). Vis. IN, 9,7 liest man: Nüy oiv vulv Acyw Tols Tponyovuevars
TNS EXXANCIAS Kal Tols mowToxaSedgirdus — also wiederum ein Collegium.
Vis. Il, 2, 6 heisst es: "Epeis oUv Tois Toonyouuevors TNS EXXANCILS vd Kor-
opdwowvraı Tas odeus auruv &v dixauonvvn xrA. Mand. XI,ı2 wird dem
falschen Propheten vorgeworfen, dass er sich »erhöhe und die rpw-
roxaSedoiw haben wolle«, und Sim. VII, 7, 4. 6 werden solche getadelt,
die da haben £&AAov ra Ev dAeAcıs Ten Tpwreiwv xl mepi doEns Tvos,
aber, fährt Hermas fort, &v rais Evrorais men mpwreiwv ” mepi doEne Tivos
cux eorw. Die zuletzt angeführten Stellen mögen darauf hinweisen,
dass der monarchische Episkopat damals im Anzug war; aber von
diesem selbst ist in dem Buche keine Spur zu finden. Ist dem so,
dann hat es in Rom noch geraume Zeit nach Trajan’s Regierung keinen
monarchischen Episkopat gegeben, dann ist aber auch die Angabe,
der Hirt des Hermas sei zur Zeit, »da Pius auf der Cathedra der
Stadt Rom sass«, geschrieben, streng genommen unrichtig und kann
nur den Werth einer ungefähren Zeitbestimmung haben, d. h. das
Buch ist verfasst zu der Zeit als Pius im regierenden Collegium der
römischen Gemeinde sass. Es kommt hinzu, dass die Zeit, welche
durch die Amtsjahre des Pius nach der Liste abgesteckt ist, 139/41
bis ı 54/6 für die Abfassung des Buchs etwas zu spät zu sein scheint;
denn hätte Hermas damals erst geschrieben, so hätte er von den
haeretischen Bewegungen in Rom anders handeln müssen, als er es
! Dies wird allerdings von Hrn. Liemrroor — auch von den HH. Casrarı und
Zaun — bestritten, aber, wie mir scheint, mit unzureichenden Gründen, s. meine
Ausgabe. Selbst wenn sie Recht hätten, wäre jedenfalls für die Zeit um das Jahr 100
bewiesen, dass es damals einen monarchischen Episkopat in Rom noch nicht ge-
geben hat.
? Spricht man dieser Datirung jede Glaubwürdigkeit ab, so erschüttert man da-
mit die ganze alte römische Überlieferung im Fundament.
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 635
in seinem Buche gethan hat. Die Haeresie steht nach dem Buche
noch sehr im Hintergrund; zwischen 139/41 und 154/6 stand sie aber
für die römische Gemeinde im Vordergrund.
2. Ignatius, der Bischof von Antiochien, schrieb in der Zeit
Hadrian's, nach der Tradition in der Zeit Trajan’s, sieben Briefe.
Sechs von ihnen sind an kleinasiatische Gemeinden geriehtet bez. an
den Bischof Polykarp von Smyrna, einer an die römische Gemeinde.
In jenen sechs B
archischen Episkopats in Kleinasien vorausgesetzt, die Autorität des
Bischofs bestärkt und mit vielen Worten der Episkopat gefeiert und
für den Halt der Gemeinde erklärt. In dem Schreiben nach Rom
dagegen fehlt jede Ermahnung zur Einigkeit mit dem Bischof, ja
Jede Erwähnung der Institution des monarchischen Episkopats. Igna-
riefen wird durchweg die Institution des mon-
tius selbst nennt sich in diesem Brief »rov Erioxorov Zupias« (c. 2, 2);
er schreibt (ce. 9, 1): »Gedenket in euerer Fürbitte der Kirche in Syrien,
die statt meiner Gott zu ihrem Hirten hat. Jesus Christus wird sie
allein überwachen (Erioxoryce) und euere Liebe«. Also auch hier ist
eines römischen Bischofs nicht gedacht und ebensowenig am Schluss.
Überall ist die ganze Gemeinde angeredet. selbst in solehen Sätzen
wie: oVderors EBaoxdvars oudeva, dAAous &didakare, wo die Erwähnung
der besonderen Verdienste ihrer monarchischen Bischöfe, wenn es
solche gegeben hätte, sehr nahe lag. Man kann einwenden, Ignatius
habe an die ganze Gemeinde und nicht an den Bischof geschrieben
und er habe eine unbekannte Gemeinde nicht ermahnen wollen. Allein
auch die übrigen Briefe sind mit Ausnahme eines einzigen an Ge-
meinden geschrieben und zeigen, dass der Verfasser in der Idee des
Episkopats lebte. Hätte er nach seiner sonstigen Art den Bischof
nicht erwähnen müssen, wenn er gewusst hätte, dass ein solcher vor-
handen sei? Diese Frage ist wohl gestattet, wenn auch zuzugeben
ist, dass das Argument nur im Zusammenhang mit dem aus Hermas
erhobenen Thatbestande von erheblichem Gewicht ist.
3. Von den drei Beweisen, die Hr. Lientroor oben für die
Zuverlässigkeit der Liste angeführt hat, unterliegt der erste keinem
Bedenken. Aber er ist auch ohne besonderen Werth; denn dass eine
Liste, die unter Victor verfasst ist, in Bezug auf den Amtsantritt
eben dieses Bischofs nicht Irrthümliches enthalten wird, ist ohne
Weiteres klar. Bedenken aber erregt das zweite Argument. Polykarp
ist am 23. Februar 155 Märtyrer geworden.‘ Er ist aber — nach
dem unumstösslichen Zeugniss des Irenäus — einmal in Rom gewesen
' Turser (Studia Bibl. et Eceles. Oxf. II p.ı05f.) sucht zu zeigen, dass das
Martyrium am 22. Februar 156 stattgefunden hat.
636 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
und hat dort mit dem Bischof Anicet verhandelt. Die Liste lässt
für den Amtsantritt des Anicet die Jahre 155 und 156 offen und viel-
leicht noch das Jahr 154. Aber jene beiden Jahre können überhaupt
nicht in Betracht kommen, da der im Februar ı 55 gemarterte Polykarp
den Anicet schon als Bischof in Rom gesprochen hat. Also lässt
sich diese Nachricht mit der Liste nur dann vereinigen, wenn Anicet
im Jahre 154 Bischof geworden ist und Polykarp in diesem Jahre
seine Reise nach Rom unternommen hat. Jeder sieht, wie peinlich
diese Chronologie wird. Man muss für die Reise des Polykarp das
letzte Jahr vor seinem Tode (154) pressen, und man muss für den
Amtsantritt des Anicet das nach der Liste früheste mögliche Datum
(154) wählen! Nur dann sind die Angaben vereinbar. Es ist eine
schlechte Methode, die sich bei einem solchen Ergebniss ohne Weiteres
beruhigt. Vielmehr erscheint es nahezu geboten, den Amtsantritt
des Anicet hinaufzusetzen, um einen Spielraum für die Reise des
Polykarp zu gewinnen. Setzt man ihn aber hinauf, so zerstört man
entweder die Ziffern der Liste für Pius oder verwirrt die Liste sonst.
Allein wir sahen oben auf Grund der Untersuchung des Hirten des
Hermas, dass auch der » Amtsantritt« des Pius wahrscheinlich zu spät
angesetzt war, und dass der Hirte wohl zu seiner Zeit geschrieben ist,
aber noch eine collegialische Leitung der römischen Gemeinde voraus-
setzt. Der naheliegende Schluss hier ist der, dass die Zahlen für
Pius und deshalb auch für den Amtsantritt des Anicet arrangirt
sind und arrangirt werden mussten, weil Pius zwar Bischof, aber
noch nicht Bischof im monarchischen Sinn des Worts gewesen ist,
sondern ein sehr einflussreiches Mitglied des leitenden Collegiums in
Rom. Das dritte Argument Hrn. Lientroor's geht von der Annahme
aus, dass der Clemensbrief im Jahre 9 5/ 6 von dem römischen Clemens
geschrieben ist, und dass die Liste für diesen Bischof auf die Jahre
86/8 — 95/6 führt. Beide Annahmen sind m. E. richtig, und man
darf auch in der Berechnung der Liste nach rückwärts bei den letzten
Daten mit Recht eine gewisse Latitüde walten lassen. Aber sehr
beruhigend ist das Ergebniss selbst dann nicht; denn man kommt
wiederum fast bis zum letzten möglichen Termin. Hr. Lienrtroor
hat sich deshalb daran erinnert, dass Eusebius das letzte Jahr der
»Regierung« des Glemens mit dem 3. Jahr Trajan’s identifieirt. Streng
genommen gehört diese Berechnung nicht hierher. Aber auch davon
abgesehen — man wusste in Rom im 2. Jahrhundert natürlich, dass
das gehaltvolle Gemeindeschreiben nach Korinth, an welches z. B.
Dionysius von Korinth die Gemeinde noch um ı70 dankbar erinnert
hat, von einem Presbyter Clemens am Ende der Regierungszeit
Domitian’s geschrieben worden ist. Dass man dieses Datum berück-
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 637
siehtigte, als man eine bezifferte Bischofsliste aufstellte, in der auch
Clemens eine Stelle fand, kann nieht auffallen, auch wenn die Be-
rücksiehtigung noch deutlicher wäre, als sie ist.'
4. Oben S. 623.624 sind zwei Stellen aus Epiphanius mitge-
theilt worden. Die erste (über Cerdo) konnte sofort auf Irenäus zurück-
geführt werden. Die zweite heisst vollständig so: 'O Mapziwv avec
eie nv Puunv auryv nerd TO rereurzoaı Wyivov rov Emioxomov Puwwns. oVros
Ö8 Evaros Av ame Ilerpov xaı Havurov Tav dmooroAuv. xal Tols erı mpsoBurdus
mepIoünı xl mo Tüv uadyrüv Tav amooToAwv Gpuwmevors ovußaruwv Yraı
Gwayivar, zul cüdeis aürw wuyreywenxe' Ama Aoımev EmapIeis ws oUX
AmeiANDE TNv Tpoedpiav TE xal EIoduoıw TYS EXXANGIds Emwoel Eaury xal Mp00-
beuyaı TH rov dmarsüvos Kepdwvos aipeveı. xal apyeraı, ws eimeiv, EE duris
TNS days Kal ws amd Supwv Tüv Inryudrwv mporeivew Tols XAT Exelvo
zaıpod mpeoQurepois Toüre ro &yryua‘ (folgt Matth. 9, 17). x ws Touro
Nxovoav oi Emieixeis Kal mavayıcı 71 Aylas rov Yeod ErxAnias mpeo Qurepou
xal dıdaozarcı ereyov xrA. Es steht fest, dass der wesentliche Inhalt
dieses Stücks. welcher sich auch bei Philastrius h. 45 (Pseudotertull.
de haeres. 17) findet, aus dem Syntagma Hippolyt’s stammt.” Also
hat Hippolyt. auf alter Überlieferung fussend. dem Marcion bei seiner
Ankunft in Rom nicht einen Bischof, sondern ein Collegium von
Presbytern und Lehrern? gegenüber gestellt. Von einem Bischof ist
nicht die Rede. Dann aber ist es wahrscheinlich, dass die Notiz: uer«
76 TeAeurioaı Wyivov Tov Emrioxomov Pupns‘ o0Tos de Evaros yv dmo Ierpov zul
HavAov rov droororwv, ein Zusatz des Epiphanius ist, der aus derselben
Quelle stammt, aus dem der formell gleichlautende ehronologisehe An-
satz für Cerdo genommen ist, nämlich aus Irenäus. Er passt nicht zu
den » rosa Burepoı za Öidaoxarcı«, und er erklärt sich auf’s Einfachste
aus der Angabe des Irenäus, Cerdo sei unter Hyginus aufgetreten und
ihm sei Marcion gefolgt. Hieraus schloss Epiphanius nieht ohne Grund,
Marcion sei uerz 76 rersurfjoaı "Vyivov nach Rom gekommen.’
I Liesse es sich erweisen, dass der im Hirten Vis. II, 4, 3 genannte Clemens
mit dem Verfasser des Gemeindeschreibens identisch ist (ygalas dvo Auragrdıc za
meumnbsıs ev Kiruevri zn Ev Toarrn. meunbsı on Kirurs eis Tas eEw mor.sıC" exsivu yag
Emrerperren), so wäre es vollends um die Glaubwürdigkeit der Zahlenangaben der
Liste geschehen; denn Klemens hätte dann noch in nachtrajanischer Zeit gelebt. Die
Annahme, der Verf. habe für einen Zeitgenossen des alten Clemens gelten wollen,
ist nicht zu begründen.
? S. Liesius, Z. Quellenkritik des Epiphanios S. 197 ff.
> S, über die Stellung und Bedeutung der »Lehrer« in der römischen Gemeinde
den Hirten des Hermas Vis. III, 5,1; Mand. IV, 3,1; Sim. IX, 15, 45 16, 55 25, 2.
* Ist dem so, dann scheidet die Stelle, die wir in unserem Verzeichniss oben
S.624 sub Nr. ıı geführt haben, aus der Zahl der Stellen von selbständigem Werthe aus.
Die Möglichkeit muss indess offen bleiben, dass Epiph. eine uns nicht bekannte Quelle
benutzte (s. den Fihrist).
638 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
5. Irenäus durchbricht die Aufzählung der Namen der römischen
Bischöfe (UI, 3. 3) nach Clemens bis zum Schluss nur ein einziges
Mal, um bei Telesphorus die Bemerkung hinzuzufügen: ds zul Evdoguws
emaprüupnoev. Nach dem damaligen Sprachgebrauch kann das sowohl
heissen »der ein herrliches Zeugniss vor der Obrigkeit abgelegt hat«,
als auch »der in herrlicher Weise Märtyrer geworden ist«.' Zu ent-
scheiden ist zunächst nicht; soviel aber ist gewiss, dass man in Rom
2.7. des Irenäus nur von einem Bischof, dem Telesphorus, wusste,
dass er ein herrliches Zeugniss vor. der Obrigkeit abgelegt hat. Nun
schreibt aber Tertullian (adv. Valent. 4): Speraverat episcopatum Valen-
limus, quia el ingenio poterat et eloguio. sed alium ex martyrü? praero-
galiva loci potitum indignatus de ecelesia authenticae regulae abrupit. Diese
Scene hat nach Tertullian de praeser. 30 in Rom stattgefunden. Hier
ist nach dem Bericht des Tertullian Valentin einem Confessor bei der
Wahl nachgesetzt worden. Dieser Confessor, der »Bischof« geworden
sein soll, kann nach dem eben Ausgeführten nur Telesphorus gewesen
sein. Telesphorus aber hat sein Amt nach der alten römischen Liste
124/6 angetreten. Dies ist jedoch nicht nur für die Ankunft Va-
lentin’s in Rom zu früh, sondern widerstreitet auch der ausdrück-
liehen Angabe des Irenäus, Valentin sei unter Hyginus, also ıı bis
15 Jahre später, nach Rom gekommen. Da nun aber die Mitthei-
lung des Tertullian, dass Valentin und Telesphorus in Rom rivalisirt
haben, gewiss auf guter Kunde beruht, so bleibt nur die Annahme
übrig, dass die alte römische Liste seine » Amtszeit«, speciell seinen
» Amtsantritt als monarchischer Bischof« zu früh angesetzt hat und
dass er wahrscheinlich ein gleichzeitiger, jedoch älterer College des
Hyginus gewesen ist, in dessen Regierungszeit Irenäus den Valentin
nach Rom kommen lässt.
Aus dem Ausgeführten ergiebt sich, dass auf die genauen Zahl-
angaben der alten römischen Bischofsliste kein Verlass ist. Weit ent-
fernt, dass sie für die 6 ersten Bischöfe zuverlässig wäre, ist sogar
! So schreiben die Verfasser des Briefes von Lyon und Vienne über die in der
= = >» > N
Verfolgung am Leben gebliebenen Confessoren (bei+ Euseb. h. e. V,2, 2): ovr auros
m
„ ’ SEE,
ugrugas Eaurous qvenmgurren, OUTE ur ai Emergemov BOTEN, 2] See Pe
D
auroUs, RAR er wor: Ti no oT ET ToAnS Y dick Aoyov Wagruges KUroVUG MOOTE TEV (das
-
scheint also das Gewöhnliche gewesen zu sein), Eee mirgws" ndeug yap = aeg
Emre
FR MIT Fu za KIEAS Ivan nagrugt. .. cu
gavv an 77 Mugrugtaes maosmyogta Tu Xasew,
Er SIMIAUNTROVTO Tu eGernnuSor. DV HÖR Magrügwv zu Epeyav- ereivon Mon Wagruges > oV6 er
mn OnoRoryige Xoısros nEinrev avardoAver, erınpowyırausvos aurav OL TG 2Eodou FyV
Morgrugiav (also; die Kagrupie ist auch ihnen das offene Bekenntniss vor der Obrigkeit,
welches durch den Tod lediglich besiegelt wird), zusis Ö2 OloAoryar mergiot zu TamEwo.
Also erst damals begann die Differenzirung im Sprachgebrauch des Wortes.
® » Martyrium« muss hier den Confessor, nicht den Märtyrer bezeichnen; unsere
in der vorigen Anmerkung begründete Ansicht bestätigt sich also.
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 639
die aus ihr zu berechnende Zeit der »Regierungen« des Telesphorus,
Hyginus und Pius und deshalb auch noch der »Amtsantritt« des
Anicet ohne wirklichen Werth." Damit ist aber auch unter Berück-
sichtigung des Hirten des Hermas erwiesen, dass diese Männer nicht
Bischöfe im späteren monarchischen Sinne des Wortes gewesen sein
können. Nur das ist zu acceptiren, dass Telesphorus, Hyginus und
Pius einflussreiche Mitglieder des römischen leitenden Collegiums in
der Zeit Hadrian's und des ersten Antoninus gewesen sind. Ob sich
etwa über diese Erkenntniss hinaus der alten Liste doch noch Zu-
verlässiges abgewinnen lässt, muss hier zunächst dahingestellt bleiben.
Aber die These Lientroor's, dass die Liste in ihren Zahlenangaben
wesentlich gesichert sei und dass der monarchische Episkopat für
Rom bis auf Linus zurückdatirt werden könne, scheint als unhaltbar
erwiesen zu sein. Erst Anicet darf von einem nicht näher zu be-
stimmenden Zeitpunkt an als Bischof im strengen Sinn betrachtet
werden, und in der That spricht nichts dagegen, dass er es ge-
wesen ist.
IH. In den in der Zeit des Eleutherus geschriebenen » Denkwürdig-
keiten« des Hegesipp findet sich (s. oben sub Nr. 21) die Mittheilung,
die Eusebius aufbewahrt hat:
"Ereuevev 4 ExxAnaıa y KopwIiwv &v TO cpIw Aoyw wexpı IIpinov Emiaxo-
WEUOVToS &v KopvIw, ois ouvenıfa mAEwv Eis Puwunv xaı ouvdieronla Tois Ko-
pwSiois uepas ixavas, Ev dis Guvavamamuev TO coIw Aoyw° Yevomevos dE &v Pwun
diadoymv Emomodunv MEX,pLG "Avızyrou, ov dldxovos Av "Ereudepos, Xal map
"Avıznrou dindeyeran Zwrnp, me$ cv 'EAeudepos" Ey Endorn de diadoyih zul Ev
Endorm more oÜTws Eye, Ws 0 vouos KpUccsı xl ol mpobhrdı Kal © xUpuos.
! Dagegen darf man sich, um die Unzuverlässlichkeit der Liste zu erweisen,
nicht darauf berufen, dass Tertullian (de praeser. 30) in einem Athemzuge Marcion
und Valentin für Haeretiker aus der Zeit Antonin’s und für Zeitgenossen des »bene-
dietus Bleutherus« erklärt, ja behauptet, unter Eleutherus seien sie noch rechtgläubig
gewesen. Denn es ist längst erkannt, dass hier ein so grober Verstoss vorliegt, dass
er schwerlich Tertullian selbst zugetraut werden kann. (Wollte man ihn doch Ter-
tullian selbst zuschreiben. so müsste man annehmen, er habe sich momentan im Irr-
thum befunden und den Eleutherus vielleicht mit Anicet verwechselt, dessen Diakon
er war.) Man kann entweder die Worte sub episcopatu Eleutheri benedicti als Glosse
streichen, oder — was wahrscheinlicher ist — einen sehr alten, aus einer verwischten
Vorlage leicht erklärlichen Schreibfehler annehmen, nämlich EPISCOPATVELEVTHERI
statt EPISCOPATVTELESPHORI. Dass Tertullian den Valentin mit Telesphorus zu-
sammengestellt har (adv. Valent. 4). haben wir oben gesehen. Ferner verlangt der Con-
text hier einen Bischof aus der frühesten Zeit Valentin’s. Das Beiwort »benedietus«
passt aber besonders gut auf den Confessor - Bischof; denn (vergl. die Schrift ad mar-
iyres) es ist das stehende Beiwort für die Märtyrer bei Tertullian. Allerdings nennt
schon der Bischof Dionysius bei Euseb. 1. ec. IV, 22,10 den Soter »uazglos« ; aber er
ist ein Grieche. ‚Tertullian dagegen hat das Wort nur noch einmal, und zwar höh-
nisch, von einem römischen Bischof — Kallist — gebraucht (de pudie. 13: benedictus
papa); aber auch Kallıst galt als Märtyrer.
640 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
Hr. Liemtroor knüpfte an diese Worte folgende Behauptungen und
suchte für sie den Beweis zu bringen: ı. dass Hegesipp in Rom eine
römische Bischofsliste bis Anicet angelegt, 2. dass er sie in seine » Denk-
würdigkeiten« aufgenommen hat, 3. dass sie uns noch bei Epiphanius
(h. 27, 6, s. oben sub Nr. ı4) erhalten ist, 4. dass sie eine bezifferte
Liste gewesen ist, 5. dass Irenäus sie benutzt hat. Die Bedeutung
dieser Nachweisungen, wenn sie richtig sind, liegt auf der Hand. Nicht
nur wird die Abfassung der römischen Liste auf einen bekannten Autor
zurückgeführt, sondern sie soll schon in der Zeit Anicet's als eine
bezifferte — entworfen worden sein, und sie ist die Wurzel der Ver-
zeichnisse, die wir bei Irenäus, Hippolyt und Julius Africanus finden.
Ad ı. Hier handelt es sich um die Worte: diadownv Eromodunv
MEXPIE "Avızyrov. So bieten alle griechischen Handschriften und, wie
Hr. Liemrroor mittheilt, auch die uralte. von dem Original nur durch
wenige Jahrzehnte getrennte syrische Übersetzung. Die Worte sollen
nach Hrn. Lientroort bedeuten: »Ich machte ein Verzeichniss der
bischöflichen Suceessionen bis Anicet«. Aber kann »diadoyr« diesen
Sinn haben? Dafür wird Euseb., h. e.V,5,9 angeführt: ' ulpnvarros Tav
emi Puuns ryv diadoyyv Emıozomwv & Tpıry Fuvrafeı rwv Moos Tas aipeoeıs
Tapa>euevos Eis "EAEUSEDoV 222. Tov xarddoyov iorycı. Allein hier steht
»erioxorwv« neben »diadoyyv«:; ferner wird dureh das nachgebrachte
»xaraAoyov« der Sinn unzweifelhaft, und endlich heisst es nieht » diadoy,yv
rasioIaı«, sondern »raparıdesIar«. Die Übersetzung, die Hr. Lienrroor
vorschlägt, ist daher aus Eusebius nicht wohl zu belegen. Noch grössere
Schwierigkeiten macht der Context. ‘Nach ihm erwartet man nicht.
dass Hegesipp hier sofort die Mittheilung über eine schriftstellerische
Arbeit, die er in Rom gemacht hat, bringen werde. Er ceonstatirt zuerst
die Orthodoxie der korinthischen Gemeinde bis zum Bischof Primus
und theilt mit, dass er damals —- auf seiner Reise nach Rom — eine
geraume Zeit in Korinth geblieben sei und sich mit den Brüdern an
der rechten Lehre erfrischt habe. Es liegt ihm also daran, sowohl
die Zeit als die Orthodoxie zu markiren. Man erwartet demgemäss,
dass er auch über die Zeit seiner Ankunft in Rom berichten und dann
das Zeugniss für die Rechtgläubigkeit der Gemeinde bringen werde.
Allein statt dessen soll er sofort gesagt haben: »Nachdem ich nach
Rom gekommen war, machte ich ein Successionenverzeichniss bis Anicet,
dessen Diakon Eleutherus war«.” Das ist — von der sprachlichen
re
2 Die folgenden Worte sagen allerdings etwas über Suecessionen aus, und auf
sie stützt sich deshalb Hr. Liemwrroor. Aber sie sind genügend begründet durch den
Zusatz »oV Ötezoros Yu "EAsuSegoc«. Um diesen zu erklären, d.h. zu erklären. warum
er den Diakon Eleutherus hier nenne, fügt Hegesipp bei »2cH map« "Anıznrou dtadey,eran
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 641
Schwierigkeit abgesehen — ganz unerträglich. Der Satz hat nur dann
einen Sinn und Alles ist plan, wenn Hegesipp geschrieben hat: » Aber
nach Rom gekommen, blieb ich bis (z. Z. des) Anicet. .... in jeder
Succession' aber und in jeder Stadt steht es so, wie das Gesetz ver-
kündet und die Propheten und der Herr«.
Dass Hegesipp so und nicht anders zu verstehen ist, dass also
— wenn »diadoymy Eromodunv neypis "Avıxyrov« nicht bedeuten kann:
»permansi usque ad Anicetum« — der Text verdorben und für
»dladoyyv« etwa »diarpudnv « zu lesen ist,” dafür sind uns Eusebius,
Nicephorus und Rufin Zeugen.
«) Hätte Eusebius den Hegesipp so verstanden, dass derselbe von
einer römischen Bischofsliste gesprochen, so hätte er den Finger auf
die Stelle gelegt und diese älteste und wichtigste Nachricht hervor-
gehoben; aber er geht stillschweigend über sie hinweg. Ferner schon
h.e. IV, ı1,7 hat Eusebius unsere Stelle, bevor er sie einige Capitel
später wörtlich eitirt, benutzt. Er schreibt: xar Avianrov Hynoımmos
10 Topei Eaurov Emidyuncaı Tr "Puur, mapaeive TE AUTOIL MEXWpL INS EMICKOMNS
"EAeuSepov. Eusebius scheint hier freilich aus Flüchtigkeit in einen
Irrthum gerathen zu sein; denn was er bei Hegesipp gelesen haben
will, steht (wenigstens jetzt) so dort nicht zu lesen. Allein dureh-
schlagend ist, dass er die Namen Anicet und Eleutherus lediglich als
chronologische Daten für den Aufenthalt des Hegesipp in Rom ver-
standen, bez. im Gedächniss NED hat. Das »dıadoynv Eroıncanyv«
hat Eusebius mit vr apaneivaı auroSı wiedergegeben. Also kann er an die
Anfertigung einer Bischofsliste nicht gedacht haben. Er erinnert sich
der Stelle, als laute sie: yevomevos de &v "Pwun zur "Aviznrov Tas dıar pas
eromoaunv auroyı meypis "ERevSspov.
ß) Nicephorus Kallisti giebt in seiner Kirchengeschichte, die auf
dem Text des Eusebius fusst, unsere Stelle also wieder (h. e. IV, 7):
Kdixeodaı TE Exeitev (scil. aus Korinth) eis "Pwunv "Avıxyrou Emioxomolvros,
Zuryg, nF ov "EAeüSegos, d.h. »der Elentherus, der jetzt in Rom Bischof ist, war
damals Diakon«. Also darf man aus diesem Zusatz nicht auf den Sinn des Hauptsatzes
(ye evomEVog 2 v "Pop dtedoy m roman 1 Ey,gıs "Avızhrov) zurückschliessen und folgern,
»ÖLRdoyn« im Hauptsatze sei ein Suecessionenverzeichniss, vielmehr hat man den H: wupt-
satz unabhängig von der untergeordneten Bemerkung »00 Öiezovog — me ov ERs UFegos«
zu erklären.
! Hier heisst »ÖLRdoyn« offenbar nicht » Verzeichniss von Suecessionen«, sondern
bedeutet die Succession selbst.
2 S. Euseb., h. e. IV, 13, ı1: Iovsrwos &mı 96 "Pauns Tas Öuerauas ErroLEiTo.
BI 109,16: 21Suw Erı Marcaurrimg Ev Kaıragsie Tas daraus eroweiro. — Dass an einigen
Stellen alle griechischen Handschriften des Eusebius unzuverlässig sind, indem sie den-
selben Fehler haben, ist längst erkannt. So bieten sie sämmtlich — ein für unseren
Fall besonders werthvolles Beispiel — in dem Irenäuseitat (h. e. V,6) »diöay,n«, aber
der Vet. lat. des Irenäus hat das Richtige bewahrt: »o«öoyn«-
642 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
0) dıdzovov Tov "EAeUJepov Aeyeı, 06 Tov Iwrnpe dıedeEaro, euros Ö& Tov Avıznrov.
Also auch Nicephorus hat nicht an die Anfertigung einer Bischofsliste ge-
dacht oder etwas dergleichen verstanden. Entweder las er die Worte
» dladoy,nv Erroınodumv« überhaupt nicht, oder — was wahrscheinlicher —
er las sie, hielt sie für unverständlich und erklärte sie sich nach
BusebrIV, 71, 7:
„) Rufin in seiner Übersetzung der Kirehengeschichte des Eusebius
giebt die Stelle also wieder: »Cum autem venissem Romam permansi
inibi donec Aniceto Soter et Soteri successit Eleutherus. sed in omnibus
istis ordinationibus etc.« Hr. Lienrroor bemerkt hierzu (p. 154): » The
general looseness of Rufinus deprives his version of any eritical weight,
and his rendering of this very passage shows that the either misunderstands
or despises the Greek. Allein zunächst ist zu bemerken, was Hrn.
Lienrtroor entgangen zu sein scheint, dass Rufin einfach das ausgelassen
hat. was im griechischen Text zwischen dem doppelten »’Avızyrou«
steht, sei es, weil es in seiner Handschrift nicht stand, sei es, weil
sein Auge bei der Leetüre abirrte. Übersetzt hat Rufin daher nur die
Worte: yevonevos de Ev Puun [diadoymv Eromoaunm| mex;gıs mac, "Avızyrou
dindeyerss Zwrip, uEI ov ’EreuSepos. Aber was las er an Stelle der
eingeklammerten Worte? Er übersetzt »permansi inibi«. Das ist keine
Übersetzung von »diadeyny Eremodunv«: vielmehr hat er aus IV, ıı jene
Worte eingesetzt. Dort schrieb er: » Cwius temporibus Egesippus referl
semelipsum Romam venisse et permansisse inibi usque ad Eleutheri epis-
copatum« (nach dem Grundtext des Eusebius s. o.: rapaueivau TE alroSı
MEXpL ING EMIOKOTNS "EAevdepov). Also hat er »diadoyyv Ereımodun« zwar
wahrscheinlich sehon vorgefunden, aber mit Recht mit dem Ausdruck
nichts anzufangen gewusst und ihn deshalb durch die andere klare
Stelle ersetzt. An ein »Successionenverzeichniss« hat er so wenig
gedacht wie später Nieephorus, und beide haben denselben Ausweg
ergriffen, die verdorbene Stelle durch die andere (IV, ıı) zu heilen,
Das Ergebniss ist demnach: Nicephorus und Rufin mögen das
»dladoynv Eremodunv« bereits vorgefunden haben, aber sie haben es als
Fehler bei Seite gelassen. Eusebius aber giebt IV, ıı eine Regeste
der Stelle, die es höchst wahrscheinlich macht, dass er die fraglichen
Worte nicht gelesen hat, sondern etwa »dıarodds Eromodunv«. Also
ist »diadoyyv«, da es mit » Aufenthalt« nicht übersetzt werden kann,
ein sehr alter Fehler. Jedenfalls besteht nur eine entfernte Möglich-
keit, an dem Texte festzuhalten und ihn als »AÄnfertigung eines
Successionenverzeichnisses« zu deuten. Eusebius hat den Hegesipp
so nicht verstanden, selbst wenn man annehmen müsste, dass das
Exemplar der »Denkwürdigkeiten«, welches er benutzt hat, bereits
» diadoyyrv« bot.
|
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 643
Ad. Hr. Lientroor nimmt als selbstverständlich an. dass die
von Hegesipp entworfene römische Bischofsliste in seinen » Denkwürdig-
keiten« eine Stelle gefunden hat. Allein — selbst die Zusammenstel-
lung einer solchen Liste durch Hegesipp vorausgesetzt -— ist es mehr
als unwahrscheinlich, dass sie in jenes Werk aufgenommen worden
ist. Eusebius hat die »Denkwürdigkeiten« durehstudirt und sehr fleissig
für seine Kirchengeschichte excerpirt. Wie hätte er an einer solchen
Liste vorüber gehen können? Das von Irenäus gebotene Verzeichniss
römischer Bischöfe hat er in extenso (h. e. V, 6) mitgetheilt. Überall
war in seinem historischen Werke sein Hauptabsehen darauf gerichtet,
die bischöflichen Successionen und die ältesten Gewährsmänner für
dieselben namhaft zu machen. Beginnt seine Kirchengeschichte doch
mit den Worten: Tas rwv iepav drooroAwv dindoy,as Cüv al Tols... Ypovas ...
ypahy mapadovvaı mpenpmuevos. Und er sollte an der römischen Liste, die
notorisch die älteste gewesen wäre — die Vorlage des Irenäus —
und dazu Ziffern geboten hätte (s. unten), stillschweigend vorüber ge-
gangen sein? Dies ist nahezu undenkbar. Man darf daher mit höchster
Wahrscheinlichkeit behaupten: in den » Denkwürdigkeiten« Hegesipp’s
hat keine römische Bischofsliste von Petrus ab gestanden, weder eine
bezifferte noch eine unbezifferte. Dazu: die Worte Hegesipp’s selbst,
auch wenn man »diadoynv Eromodunv« liest und wie Hr. Liewrroor
erklärt, legen es nicht nahe, dass die fragliche Liste in den »Denk-
würdigkeiten« Aufnahme gefunden hat. Im Gegentheil — Hegesipp
erzählt, was er einst unter Anicet unternommen. Durch nichts ist an-
gedeutet, dass er jene Arbeit hier mitgetheilt hat.
Wir folgern also: wenn Hegesipp wirklich ein römisches Bischofs-
verzeichniss unter Anicet abgefasst hat — was höchst unwahrschein-
lieh ist —, so ist ebenso unwahrscheinlich, dass er es in seinen » Denk-
würdigkeiten« publieirt hat;' denn das Schweigen des Eusebius wäre
in diesem Falle fast unerklärlich.
Ad 3—5. Hr. Liemrroor hat sich das ausgezeichnete Verdienst er-
worben, auf die römische Bischofsliste bei Epiphanius (h. 27, 6) und
ihren hohen Werth hingewiesen zu haben. Er hat m. E. bewiesen:
a) dass diese Liste mit der Notiz über die Ankunft der Marcellina in
Rom eng zusammen gehört,” b) dass sie beziffert gewesen ist, Epi-
! Das Werk ist ein apologetisches zu Gunsten der grossen Kirche gegen die
Häretiker gewesen, und sein Verfasser hat bereits den Traditionsbeweis ausgeführt, wie
er sich auf die ununterbrochenen Successionen der Bischöfe, die auf die Apostel zurück-
gehen, stützte. In ein solches Werk hätte eine römische Bischofsliste allerdings gepasst.
° Gegen Lirsivs, Quellenkritik des Epiphanius S. 114. Auch ich habe früher irr-
thümlich angenommen, die Notiz über die Marcellina stamme aus dem Syntagma Hippo-
lyt’s. Sie hängt vielmehr so eng mit der Bischofsliste zusammen, dass sie von dieser
nicht getrennt werden kann; die Bischofsliste aber hat nicht im Syntagma gestanden.
> ” .
644 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
phanius aber nur die beiden ersten Ziffern für Linus und Kletus ab-
geschrieben hat, ce) dass sie nicht aus Irenäus geflossen ist, d) dass
sie römischen Ursprungs ist,‘ e) dass sie sehr alt sein muss, d. h.
noch dem 2. Jahrhundert angehört, weil sich andernfalls die eben in
der Anmerkung angeführten Worte nicht wohl erklären lassen.” Allein
darüber hinaus behauptet Hr. Lieutroor weiter noch, ı. die Liste
stamme aus der Zeit Anicet’s, und 2. sie sei das von Hegesipp angefertigte
Verzeichniss. Diese beiden Behauptungen sind aber — die Existenz
eines solchen Verzeichnisses vorausgesetzt — nicht zu erweisen. Was
zunächst die erste betrifft, so endet die Liste allerdings mit Anicet.
Allein Epiphanius scheint hier abzubrechen, weil er von den Karpo-
kratianern und Marcellina handelt und die letztere eben unter Anicet
nach Rom gekommen ist. Er hatte also keinen Grund weiter auf das
Verzeichniss einzugehen, nachdem er es bis zum Bischof Anicet hin
abgeschrieben hatte. Somit lässt sich nieht entscheiden, wo die Liste
abgebrochen hat. Sie kann mit Anicet gesehlossen haben; sie kann
aber auch sehr wohl etwas weiter geführt haben. Die zweite Be-
hauptung anlangend, so stützt sich Hr. Lientroor auf folgende Beob-
achtungen. a) Hegesipp fertigte seine Liste z. Z. Anicet’s an; bis dahin
aber reicht der von Epiphanius mitgetheilte Katalog, b) dieser Katalog
nimmt auf die Entstehung der Häresie Rücksicht: es steht aber fest,
dass Hegesipp Successionen der Bischöfe zum Zweck der Vertheidigung
ler kirchlichen Lehre gegenüber den Haeresieen aufgestellt hat, e) der
von Epiphanius mitgetheilte Katalog erscheint durch eine Bemerkung
über den Bischof Clemens, resp. über den von ihm geschriebenen Brief,
unterbrochen; auch Hegesipp hat im Zusammenhang mit der von ihm
mitgetheilten Bischofsliste ausführlicher von Clemens gehandelt und
seinen Brief angeführt, d) Epiphanius giebt an, dass er das, was er
aus dem Brief des Clemens mitgetheilt, Ev TIOW VTOHVNMATIOHOIS Qe-
funden habe; Hegesipp’s Werk aber führte den Namen "Yronvnuars,
und Eusebius eharakterisirt den Verfasser (h. e. IV, 8) also: ryv drravy
maddocı ToV KMOoCToALKoU KnpUyuares dmAouorary suvrafe Ypadns UmolvN-
WATIOdWEVvoc.
Das erste dieser Argumente ist oben bereits gewürdigt worden;
es ist höchst zweifelhaft. Das zweite ist in der That ein starkes
Argument. Hat Hegesipp eine römische Bischofsliste entworfen, so
ist es sehr wahrscheinlich, dass sie einen solehen Context gehabt hat
(Beziehung auf die Häresie), wie der Katalog des Epiphanius ihn an-
giebt. Das dritte und vierte Argument aber scheint mir bei näherer
r 5 Sa \ 5 e m „ :
! Vergl. die Worte: 1AIe nev eis nmas rn mus Magzer rtv TS.
2 Näheres über diese feststehenden Punkte s. u.
Lj
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 645
Betrachtung nicht nur nicht beweiskräftig zu sein, sondern vielmehr
gegen die These des Hrn. Lienrroor, dass Epiphanius in den »Denk-
würdigkeiten« Hegesipp’s den römischen Katalog gefunden habe, zu
sprechen. Allerdings nämlich hat sich Hegesipp in seinen »Denk-
würdigkeiten« über den Glemensbrief verbreitet und daran das an-
geschlossen, was er über die korinthische und römische Gemeinde zu
sagen hatte; aber erstlich sahen wir oben (S. 643), dass Hegesipp, wenn
er eine römische Bischofsliste verfasst hat, diese höchst wahrscheinlich
nicht in den Denkwürdigkeiten veröffentlicht hat. Zweitens kommt die
längere Unterbrechung der Bischofsliste bei Epiphanius augenscheinlich
auf seine eigene Rechnung. In seinem Katalog fand er die Bemer-
kung, dass Clemens, obgleich er erst als 3. Bischof nach den Aposteln
angeführt war, Zeitgenosse der Apostel gewesen sei. Diese Bemerkung
veranlasste ihn zu einem Excurs, um diesen scheinbaren Widerspruch
durch die Annahme einer zeitweisen Resignation des Clemens auszu-
gleichen. Drittens innerhalb dieses Excurses bemerkt er, um die
Wahrscheinlichkeit einer solchen Resignation zu erhärten, Clemens
selbst gebe in einem seiner Briefe gewissen Leuten den Rath (cf. I
Clem. 54): dvaywpö, arm, &vorasyrw 6 Ados rov Yeod; er habe diese
elementinischen Worte in einigen Commentarien' gefunden (eVpowev Yap
ev TIoW Vroumuarıoneis roüro Eyzemevov). Hieraus folgt doch hinreichend
deutlich, dass Epiphanius die elementinischen Worte nieht der Quelle
entnommen hat, der er seinen Katalog und die Angabe über Marcel-
lina verdankt, sondern einer anderen. “Entweder also stammt der
Katalog aus den Denkwürdigkeiten Hegesipp’s, dann aber nicht das
Citat, oder umgekehrt. Allein ev Tin trouvmuarıouois bezeichnet viel-
leicht überhaupt nicht eine bestimmte originale Schrift, sondern flori-
legienartige Commentarien. Doch ist es um einer anderen Stelle
willen, auf die Hr. Liemtroor mit Recht aufmerksam gemacht hat,
allerdings wahrscheinlich, dass die vroummuarısuc wirklich die Urouvy-
nara des Hegesipp sind, die Epiphanius — wie es scheint als ano-
nyme — in Händen gehabt hat. Haer. 29,4 nämlich erzählt er von
Jacobus dem Gerechten, dem Vorsteher der jerusalemischen Ge-
meinde, und bemerkt dazu: Ovrw isromoav moAAoı mp9 Nov mepl aurov,
Eiceßıos Te zal Kayuns xal arAcı Ara zul To merarov Em TA xepadns
EERV auTo hepewv, xudws ci TrpoEIENWMEVOL dEimıoreı Avöpes Ev Tols Um aurav
LTOUVAUATIOWOLG Euaprupnoav. Hier ist zwar der Name Hegesipp’s
nicht genannt, aber das Wort vroumuerono ist gebraucht, und von
Hegesipp wissen wir (aus den Excerpten des Fusebius), dass er zum
Theil gerade das über Jacobus berichtet hat, was Epiphanius er-
ı Oder — »in Commentarien unbestimmter Herkunft.«
£ n . Or =
646 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
zählt.‘ Man hat also Grund zu der Vermuthung, wenn auch nicht
wirkliche Sicherheit, dass das Citat des Epiphanius, den Clemensbrief
betreffend, aus Hegesipp’s Denkwürdigkeiten getlossen ist. Dann aber
stammt der Katalog nicht aus ihnen. Dieses Ergebniss widerspricht
der Annahme des Hrn. Liemtroor, kommt ihr aber insofern auf einem
anderen Wege entgegen, als eine gewisse, allerdings ganz abstracte
Möglichkeit nun gewonnen ist, den Katalog doch dem Hegesipp — nur
nicht seinen Hypomnematen — zuzuweisen. Diese Möglichkeit ist von
Bedeutung; denn wir sahen oben, dass, wenn Hegesipp einen römischen
Bischofskatalog angelegt hat, derselbe höchst wahrscheinlich nieht in
seinen Hypomnematen zu suchen ist.
Dass uns zugängliche Material reicht also nicht aus, um die Fragen
zu entscheiden, ob Hegesipp eine römische Bischofsliste angefertigt hat
und ob diese Bischofsliste mit der von Epiphanius h. 27, 6 benutzten
identisch gewesen ist. Sehr starke Gründe sprechen dagegen. Allein
unabhängig von der Entscheidung dieser Fragen steht es fest, dass
die bei Epiphanius h. 27,6 mitgetheilte Liste ı. mit der Notiz über
die Ankunft der Karpokratianerin Marcellina in Rom enge zusammen-
gehört, anders ausgedrückt — dass die ihm überlieferte römische
Bischofsliste nicht nur Bischofsnamen, sondern auch Geschichte
enthielt,” 2. dass sie beziffert war; denn wenn Epiphanius für die
beiden ältesten römischen Bischöfe, Linus und Kletus, Amtsziffern in
der Liste gefunden hat, so ist ohne Weiteres klar, dass auch die
übrigen Episkopate beziffert waren, 3. dass sie nicht aus Irenäus ge-
flossen ist; denn Irenäus theilt keine Amtsziffern für die Bischöfe
mit, 4. dass sie römischen Ursprungs ist; denn Epiphanius hat — ge-
. r . I > c w IN :
dankenlos — die Worte abgeschrieben: 1A9e ev eis Yuds non ws Mar-
’ c 3 n r . n \ \
xeAAıva Tıs Um aurwv (von den Karpokratianern) draryIeca za moAAoUs
E n ä ! > / 5 h e / N \ \ N ir,
EAuunvaro Ev Ypovaıs "Avızyrou Emioxomov Pwuns, ToÜ xard riv dladox,yv Thou,
‘ Das von Epiphanius auf Grund seiner Quellen Berichtete geht über das von
Eusebius Excerpirte hinaus; man sucht es am besten bei Hegesipp, da es bei
Susebius sicher nicht, bei Clemens Alex. höchst wahrscheinlich nicht gestanden hat.
Übrigens lässt es sich wahrscheinlich machen, dass Epiphanius auch h. 78 den Hegesipp
benutzt hat.
®? Man vergl. am Anfang und Ende der Liste das &rı Avızyrov, vor allem. aber,
dass Epiphanius bei der zweiten Erwähnung Anicet’s hinzufügt: 6 «vn ev ru zararoyw
moodeorAuyazvos. Aber Anicet war vorher gar nicht in einem Katalog genannt, sondern
nur als der Bischof, zu dessen Zeiten Marcellina nach Rom gekommen sei. Drückt
sich nun Epiphanius trotzdem so aus, als habe er Anicet bereits »in einem Katalog«
genannt, so folgt, dass die Erwähnung der Marcellina von ihm in einem Katalog
römischer Bischöfe gefunden worden ist.
Ben >. - Baur €
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 647
dass aber »nuds« Rom bedeutet, folgt aus Iren. I, 25,5: Unde et
Marcellina, quae Romam sub Aniceto venit, cum esset huius (Carpocratis)
doctrinae, multos exterminavit,' 5. dass sie bereits dem Irenäus bekannt
gewesen ist; denn es liegt auf der Hand, dass die beiden eben an-
geführten Aussagen nicht unabhängig von einander sind. Kann nun
Irenäus nicht die Quelle des Epiphanius gewesen sein (s. oben sub 3;
ausserdem müsste Epiphanius das »Romam« in »nuäs« verwandelt
haben; aber er lebte auf Cypern). so muss Irenäus dieselbe Quelle
wie Epiphanius benutzt haben.
Durch diese Erkenntnisse sind wir in den Stand gesetzt, die
Untersuchung dort wieder aufzunehmen, wo wir sie oben am Schluss
des 3. Capitels unterbrochen haben.
>.
ı. Aus der Untersuchung der Gleichzeitigkeiten der römischen
und antiochenischen Bischöfe bei Eusebius, die bis Eleutherus und
Maximinus reichte, ergab sich, dass Julius Africanus eine bezifferte
römische Bischofsliste besessen hat. Es ist aber weiter festgestellt,
dass diese Liste identisch gewesen ist mit derjenigen, welehe Hippolyt
gebraucht hat.
2. Epiphanius hat h. 27,6 eine alte römische Bischofsliste benutzt,
die dieselben Namen’ in derselben Reihenfolge aufweist. wie die eben
angeführte Liste, ferner ebenfalls Amtsjahre angiebt —- die beiden
einzigen mitgetheilten stimmen mit der Liste des Africanus und Hip-
polyt —, den römischen Ursprung an der Stirne trägt, und ausserdem
eine Notiz enthält über einen Vorgang in der römischen Gemeinde
zur Zeit des Anicet.
3. Eben diese Liste ist dem Irenäus bekannt gewesen: denn den-
selben Vorgang referirt auch er fast mit den nämliehen Worten und
mit der chronologischen Bezeichnung »sub Aniceto«. Ausserdem stimmt
die von ihm mitgetheilte römische Bischofsliste nieht nur Namen für
Namen mit der des Epiphanius. sondern auch die von Epiphanius in
seiner Liste vorgefundene Bemerkung zu Clemens: ovyXpevos wv Ilergov
xcu Iaurov, findet sich in der Liste des Irenäus ähnlich wieder: 6 x)
Ewparws ToUs Maxaplous dmoororous xaı oumdeßAnrWs aureic.
4. Mithin gab es schon zur Zeit des Eleutherus — denn damals
schrieb Irenäus — eine in Rom entstandene römische Bischofsliste, die
! Das »eis yuac« ist der Abfassung der Liste durch Hegesipp nicht günstig; denn
er war kein Römer.
®2 Nur statt Anenkletus schreibt Epiphanius Kletus. Diese Variante findet sich
auch sonst.
u |
Sitzungsberichte 1892. 5
648 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
die Amtsjahre der Bischöfe enthielt und aus Epiph. h. 27.6, Irenäus,
Julius Africanus (Eusebius) und Hippolyt (Catal. Liberianus) herzustellen
ist. Die oben bis auf Vietor hinaufgeführte Liste muss also mindestens
bis Eleutherus hinaufgeführt werden.
Aber es lässt sieh noch mehr sagen. Die Liste führte nicht nur
die Bischöfe mit Ordnungszahlen® und Amtsjahren auf, sondern sie
enthielt auch chronistische Bemerkungen. Für zwei Angaben ist dies
bereits nachgewiesen. Es fand sich bei Clemens eine solche Bemerkung,
nämlich dass er ein directer Schüler der Apostel gewesen sei und im
Namen der römischen Gemeinde einen Brief nach Korinth gerichtet
habe. und ebenso bei Anicet, dass Marcellina unter ihm »zu uns«
gekommen sei. Steht dies fest, so haben wir Grund anzunehmen, dass
auch die übrigen alten Datirungen nach römischen Bischöfen, die wir
oben zusammengestellt, oder doch ein Theil von ihnen, aus der alten
Urkunde geflossen sind. Wir schlossen oben das 3. Capitel (S. 628) mit
der Bemerkung, es müssten die Angaben des Hegesippus, Irenäus, des
Verfassers des Muratorischen Fragments, des Hippolytus, Tertullian,
des Gewährsmanns des Epiphanius, endlich des Pseudotertullian darauf
hin untersucht werden, ob sie mit einer alten Liste römischer Bischöfe
in Zusammenhang gestanden haben. Über Hegesipp haben wir bereits
ausführlich gehandelt. Was Irenäus anlangt, so ist ausser den beiden
bereits festgestellten Stücken, die seinem Werke für die Liste zu ent-
nehmen sind, zunächst darauf hinzuweisen, dass er innerhalb des
Katalogs bei Telesphorus die Notiz bringt: &s evdo&ws Zuaprupysev. Dies
ist als dritte geschichtliche Angabe dem Katalog einzufügen. Aber
auch seine chronologischen Angaben über Valentin. Cerdo und Mareion
(Nr.6.7) müssen der Urkunde zugewiesen werden; denn sie folgen
unmittelbar auf die römische Bischofsliste und sind in Bezug auf
Valentin und Cerdo so genau, dass sie nur von einem Mitgliede der
römischen Kirche herrühren können. Ferner ist es möglich, wenn es
auch nieht sehr wahrscheinlich gemacht werden kann, dass auch die
chronologischen Angaben über die Entstehung des Matthäus- und Mareus-
Evangeliums (Nr. ı. 2) auf die Urkunde zurückzuführen sind. Sie heben
sich stark von den gleich folgenden Angaben über Lucas und Johannes
ab und sind auf Petrus und Paulus datirt, welche nach der Tradition
die römische Gemeinde begründet haben. Man beachte dabei, dass
Irenäus hier sagt: red Ierpou xai rou IlavAov Ev "Puun evayyerılonevwv
xl Semsruovvrwv TYv ExxAyciav, und dass er dort. wo er die alte Urkunde
DJ N \ 50 , , DEERN n > } U. oO 4
2 S. Iren. 1. c.: uer@ Fovrov Toiru Fonw Mmo Tu amoTToru Kizurs . . » eu OUzZWS
a Sen n 2 "2 aW) 5 _ ! y .. . .
duros amd row amorroruw zaSirraraı Zusres. S. auch den römischen Anonymus bei
Euseb. V,28 (oben 8.625 sub Nr. 18), der den Victor ausdrücklich als ı3. Bischof zählt.
Es lässt sich auch sonst noch erweisen, dass die Ordnungszahlen eingefügt waren,
” . . . . £) 2
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 649
excerpirt, mit den Worten beginnt: IeuerıWoavres oUv Kal olROdouNGavTEs
ci Uaxogıcı dmoororoı ryv Eexxaycıav. Endlich ist es glaublich. dass der
Besuch des Polykarp in Rom unter Anicet (Nr.1ı5) m der Urkunde
stand. Die stereotype Form, in der Irenäus die Thatsache erwähnt:
Horuxapros emı Avızyrou Emiiyuncas rt Pour, fällt erstlich in’s Gewicht.
Sodann ist zu beachten, dass die Erwähnung UI, 3, 4 unmittelbar
nach der Mittheilung der römischen Bischofsliste geschieht. Ferner
scheint mir der formelle Parallelismus: Unde et Marcellina quae Roman
sub Aniceto venil ... mullos exterminavit und Teorvxaomos Emı "Avınyrou
emridnunoas rn Pwun moAAoUs dmo Tüv mposipyuevwv diperixav emeorpeibev, auf-
fallend. Die Notiz über Marcellina gehört aber sicher der alten Ur-
kunde an.'
Tertullian hat de praeser. 30 (Nr.1ro) jedenfalls auch eine römische
Quelle benutzt. Auch er kennt den Telesphorus als Confessor (s. oben
S.638ff.) und weiss von Valentin’s und Marcion’s ältestem Verhältniss
zur römischen Kirche etwas zu erzählen. Allein es stimmt nicht zu
dem, was Irenäus berichtet. Augenscheinlich folgte Tertullian einer
anderen römischen Quelle. Dies geht auch daraus hervor, dass er
Clemens (de praeser.32; s, oben S. 630), wie es scheint, als den
ersten römischen Bischof anführt. Er hat also vielleicht ebenfalls ein
Verzeichniss römischer Bischöfe gehabt mit angeschlossenen Fasten:
aber es war nicht das des Irenäus, Africanus und Hippolyt; denn
nieht nur war ihm Clemens der von Petrus ordinirte Bischof, sondern
er brachte auch den Valentin und Mareion schon mit Telesphorus zu-
sammen.
Da über den Gewährsmann bez. die Gewährsmänner des Epi-
phanius bereits gehandelt ist (S. 643ff.). so erübrigen nur noch die
Angaben des Pseudotertullian im Carmen adv. Marc. (Nr. ı2). Auf
den ersten Blick scheint Pseudotertullian die Probe auf unsere bis-
herigen Ausführungen zu liefern; denn er unterbricht die römische
Bischofsliste, die er bringt, indem er bei Clemens, Telesphorus, Hy-
ginus und Anicet die chronistischen Mittheilungen macht, die sich ver-
streut bei Irenäus finden, bei Pius aber diejenige. welche der Catal.
Liberianus (Hippolyt) enthält. Hier also, so scheint es, ist die alte
Urkunde selbst noch benutzt, und zwar vollständiger als von Irenäus
und Hippolyt. Da Pseudotertullian mit Anicet schliesst, scheint auch
der Beweis erbracht, dass die Urkunde bis zu diesem reichte. also
unter Soter entstanden ist. Allein bei näherer Durchsicht erweist sich
die Selbständigkeit Pseudotertullian’s gegenüber Irenäus und dem Catal.
! Natürlich hat Irenäus auch über die Urkunde hinaus Kenntniss von der An-
wesenheit Polykarp's in Rom besessen.
57*
650 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
Liberianus als zweifelhaft; er ist vielmehr wahrscheinlich von beiden
abhängig und hat nicht aus der alten Urkunde selbst geschöpft. Die
Annahme der Abhängigkeit vom Catal. Liberianus bez. Hippolyt liegt
nahe, weil Pseudotertullian zwischen Anenkletus und Kletus unter-
scheidet. Die Abhängigkeit von Irenäus scheint aus der Wahrnehmung
zu folgen, dass Irenäus in seiner Bischofsliste zufällig die Ordinalzahl
»sextus« genannt hat. Eben diese Ordinalzahl hebt auch Pseudoter-
tullian hervor,' desgleichen. wie Irenäus, die Ordinalzahl für Hyginus.
Ferner wird es auf einem naheliegenden Missverständniss des Textes
des Irenäus beruhen, wenn Pseudotertullian schreibt (Vers 297): Sub quo
(Aniceto) Marcion hie veniens. Somit wird Pseudotertullian aus der
Zahl der selbständigen Zeugen für die alte römische Urkunde aus-
scheiden müssen; die Wahrscheinlichkeit ist nur gering, dass er sie
direet benutzt hat.
Wir versuchen nun auf Grund der bisher gegebenen Nachwei-
sungen die alte Urkunde, soweit es möglich, zu reconstruiren. Der
Wortlaut der beigeschriebenen Thatsachen kann natürlich nur an-
nähernd ermittelt werden. Auch das muss zweifelhaft bleiben, ob sie
alle in einer Urkunde gestanden haben (die Bischofsliste kann in ver-
schiedenen Exemplaren mit verschiedenen Zusätzen ausgestattet ge-
wesen sein), und ob nicht die Urkunde andererseits noch mehr ent-
halten hat.
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ı III, 282: »Sertus Alexander Sixto commendat ovile«. Bei Irenäus ist Sixtus der
sechste; aber Irenäus wusste von Kletus neben Anenkletus nichts.
? Möglicherweise mit dem Zusatz: rourou roV Awov Iavros Ev rais mwaos TıunoSeov
Errırrorcis menvnren Doch ist es wahrscheinlicher, dass diese Worte von Irenäus her-
rühren,
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 651
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0% EWIOKOTOG "EREUJepos ıe].
Das Alter dieser hier reconstruirten Urkunde lässt sich noch etwas
genauer bestimmen als durch die Beobachtung, dass Irenäus sie benutzt
hat. Man hat nämlich zu beachten, dass Irenäus in seinem grossen
Werk niemals Thatsachen über die Zeit Anicet's hinaus datirt und sich
auch in Bezug auf die Verhältnisse der römischen Gemeinde nach
Anicet nicht orientirt zeigt. Von Apelles und der späteren Entwicke-
lung der mareionitischen Kirche scheint er gar nichts zu wissen; den
Tatian datirt er nur unsicher. Dies erklärt sich sehr wohl, wenn die
römische Urkunde, die er benutzte, mit der Zeit Anicet’s abschloss.
also unter Soter abgefasst war. Die Abfassung unter Soter wird aber
auch desshalb wahrscheinlich, weil die Notiz über Marcellina in der
alten Urkunde die Form hatte: A2%e eis yuds 7dn Fuws MapxerAwva. Diese
Worte lauten so, als gehörte die Ankunft der Marcellina der nächsten
Vergangenheit an, sofern sie als ein allgemein bekanntes Ereigniss
eingeführt wird. Demgemäss wird man es für wahrscheinlich halten
dürfen, dass die alte Urkunde aus der Zeit des Bischofs Soter stammt.
d.h. aus den Jahren 166/7—174/5 (oder rund etwa ı70) und später
fortgesetzt worden ist bis zum Tode des Eleutherus u. s.w. Wäre sie
von Hegesipp verfasst — was jedoch nahezu ausgeschlossen ist —, so
wäre sie noch etwas früher anzusetzen.
Über die Glaubwürdigkeit der in der Urkunde für die Bischöfe
gemachten Ansätze haben wir im Allgemeinen bereits oben gehandelt.
Die drei Hauptinstanzen gegen dieselbe, ı. dass zur Zeit, als das Buch
des Hirten entstand, noch keine monarchische Regierung in der
römischen Kirche vorhanden war, 2. dass Tertullian den Valentin (und
wohl auch den Marcion) mit dem Bischof Telesphorus zusammenstellt.
über beide Eigenthümliches berichtet, und Clemens von Petrus ordinirt
sein lässt, also eine andere Tradition verräth,' 3. dass die Reise
! Diese andere Tradition war noch am Ende des 4. Jahrhunderts nicht ausge-
storben; s. Hieron. de vir. inl. 15: plerique Latinorum secundum post apostolum Petrum
putant fuisse Clementem; sie liegt der pseudoclementinischen Litteratur zu Grunde und
ist in Const. App. VI,46 nachweisbar. Auch als zweiter Bischof wird Clemens
gezählt.
652 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
Polykarp’s zu Anicet nach den Ansätzen der Liste kaum untergebracht
werden kann — sind meines Erachtens nicht zu widerlegen. Es
erübrigt noch, einige allgemeinere Erwägungen auf Grund der Urkunde
anzustellen.
6.
Zunächst — mag es mit der Glaubwürdigkeit der ältesten römischen
Bisehofsliste wie immer sich verhalten — die Thatsache. dass um 170
in Rom eine solche aufgestellt worden ist, und dass man spätestens
von da ab begonnen hat, nach römischen Bischöfen zu datiren, ist
von höchstem Belang. Noch 50 Jahre später konnte Julius Africanus
für Antiochien nur eine fragwürdige Bischofsliste ohne Amtsjahre er-
halten. und in Bezug auf die alexandrinischen Bischöfe vor Demetrius
war er nicht besser gestellt. Dass man nach diesen Bischöfen datirt
hätte, davon ist vollends nichts bekannt. Die besondere Bedeutung,
die der römische Bischof schon frühe erlangt hat, tritt auch an
diesem Punkte schlagend hervor. Ülemens Alexandrinus datirte die
grossen Haeretiker nach den Kaisern: in Rom, in Gallien, in Carthago
datirte man sie zu derselben Zeit, ja schon früher, nach den römischen
Bischöfen.
Der monarchische Episkopat ist unseres Wissens zuerst in Klein-
asien entstanden. keineswegs in Rom. Aber er hat in Rom seine
weltgeschichtliche Bedeutung erlangt. Die Ideen der Succession und
Tradition, die ihn erst ausgestattet haben, sind vornehmlich römische
Ideen.? "EASwuev EMI Tov eURAEh Xu Geuvov TAS mapadooews MMÜv Havovd,
ermahnt der römische Clemens bereits am Ende des ersten Jahr-
hunderts.” und er hat schon damals die berühmten Worte geschrieben:
! Nur eine Datirung nach römischen Kaisern und römischen Bischöfen ist mir
aus ältester Zeit bekannt, die öfters angeführte Stelle Tertull. de praeser. 30.
? Auf die schwierige Frage, ob sie adoptirte profan -römische Ideen sind, die
jüngst von Hrn. Tscuırn (Ztschr. f. K. Gesch. XU S. 215 ff.) etwas zuversichtlich behandelt
worden ist, brauche ich hier nicht einzugehen. Die Beobachtung, dass die inner-
kirchlichen Bewegungen diese Ideen mit einer gewissen Nothwendigkeit hervorgerufen
zu haben scheinen, entscheidet noch nicht für ihren kirchlichen Ursprung. Andererseits
sind die beigebrachten eoncreten Analogien aus der römischen Staatsverfassung und aus
den sie leitenden Anschauungen nicht durchschlagend. Völlig negativ aber endeten meine
Bemühungen, die Aufstellung einer römischen Bischofsliste und die Datirungen nach
Bischöfen irgendwie mit dem römischen Sacralwesen der Kaiserzeit in Beziehung zu
setzen. Der pontifex maximus und die pontifices, die Aufstellung des Calenders, das
geistliche Archiv, die archiva, commentarü, fasti und annales pontificum bieten sich
leicht dar; aber man weiss von diesen Einrichtungen sehr wenig, und das Wenige passt
schlecht. Anders liegen die Dinge, wenn man die Entwickelung des römischen Epi-
skopats im 3. und 4. Jahrhundert in's Auge fasst.
DIRRSad Cor, ze
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 653
Oi drcorora Aumv Eyvuoay dia Tou xugiov Aumv Inaod Xpiorov orı Eos Eoraı
ER TOD OvouaTos TNS EMICKOMNG. dia TaUTNv oUv TNv alrıav moOyvucıy EiANdboTEG
TEAEIOV KATEOTNCAy ToUs mposıpnuevouc, xl MErafU Emvanmy Edwxav, omws day
kaumSucow, diadeZwvraı Erepou dedoxıuacuevan Avdpes TNv Asıroupyiav auran.'
Nicht um die Fortsetzung des universalen Apostelamtes handelt es
sich hier — diese liegt noch nicht im Gesichtskreis des Clemens,
obschon Einige dies irrthümlich angenommen haben —, sondern um
die apostolische Einsetzung des Gemeindeamtes und um die aposto-
lische Anordnung seiner regelmässigen Fortsetzung. Aber behauptete
man schon am Ende des ı. Jahrhunderts in Rom, dass die Einsetzung
und regelmässige Succession des Collegiums der Episkopen auf aposto-
lischem Gesetz beruhe, wie nahe musste es liegen, dieses Gesetz aus-
schliesslich auf den einen Bischof zu beziehen, nachdem die Mehrzahl
der Episkopen in diesem Einen untergegangen war! Und musste
sich ferner nicht auch die Vorstellung von der Natur des bischöf-
liehen Amtes von selbst in eben dem Momente ändern, wo es sich
zum monarchischen entwickelt hatte und der vielköpfigen Haeresie
gegenüberstand, die von allen Seiten auf die Gemeinde eindrang?
War der Bischof naturgemäss »der Lehrer«, als die freien Lehrer
zurücktraten und die Irrlehrer die Gemeinde beunruhigten, so war
er eben der Nachfolger der Apostel, weil der Hüter des apostolischen
Erbes. Alle grossen Institutionen der sich zum Katholieismus ent-
wickelnden Christenheit sind aus äusseren Nöthigungen und »ver-
suchten Ideen« entstanden.
Aber wie ist der monarchische Episkopat in Rom entstanden? Diese
Frage bezeichnet an einer besonders wichtigen Stelle den breiten Graben,
der für uns die Urgeschichte der Kirche von der späteren Zeit scheidet.
Kein direetes Zeugniss überbrückt ihn,” und es scheint, als seien wir
genöthigt, durch »versuchte Ideen« unsererseits die Kluft auszufüllen.
Allein eben der Umstand, dass wir nirgendwo etwas von plötz-
licher Umbildung des collegialen Amtes in ein monarchisches hören,
giebt einen Fingerzeig in Bezug auf die Entstehung des monarchischen
Episkopats. Dieser muss ebenso seine Vorstufe in der Urzeit gehabt
haben wie die apostolische Schriftensammlung des neuen Testaments
und die apostolische antignostische Glaubensregel. Eben diese Vorstufe
muss der Entwiekelung des Amtes zur Monarchie grosse Krisen und
Ersehütterungen erspart, ja sie bereits eingeleitet haben. Das Amt
des Episkopen- und Diakonen-Collegiums war in Rom am Ende des
Mine: 4:
®? Wenig Licht gewähren auch die spärlichen Stellen, die von einem Streit über
die erste Stelle und von Eifersucht sprechen, s. den »Hirten«. Merkwürdig ist der
3. Johannesbrief, v. 9 f.
i
ef ” *
654 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
ı. Jahrhunderts, mindestens primär, ein cultisches." Justin, den
christlichen Cultus in seiner ersten Apologie ungefähr 50 Jahre
später schildernd , spricht bereits von dem Vorsteher des Gottes-
dienstes im Singular, von den betheilgten Diakonen aber im Plural.”
Wir dürfen also mit Grund vermuthen, dass, als der Gottesdienst
feste Formen erhielt und die alten Erbauer der Gemeinde (Propheten
und Lehrer) wegstarben. einer der Episkopen mit der Leitung des
Cultus betraut worden ist.” Der Cultus und das mit ihm verbundene
Lehramt, wie sie sich in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts
entwickelten, verlangten eine einzige verantwortliche und leitende
Persönlichkeit.‘ Sie wurde der »Bischof« d. h. »der Aufseher.«
Das auffallendste Ergebniss dieser Wandelung, die sich in Rom zwi-
5
schen den Jahren 100 und ı50 vollzogen hat. war die Ausschliesslich-
keit, mit der der alte Name »Bischof«, der bisher an allen Gliedern
des Collegiums gehaftet hatte, nur noch dem Einen, dem Vorsteher
des Gottesdienstes und Lehrer, gewährt wurde. Hier trat also eine
offenbare Neuerung ein; die anderen mussten sich mit dem Namen
»Älteste« begnügen, den der Bischof übrigens auch führte. In einer
anderen Richtung erscheint zunächst kein Unterschied: nachdem der
Gottesdienst in feste Formen gebracht war, reeipirte die römische
Kirche wenige Decennien später den Begriff »sacerdos.« Es war das
eine der folgenschwersten Bereicherungen der Terminologie. Alle,
die das Abendmahl vollziehen durften, wurden so genannt, also der
Bischof und die von ihm beauftragten Presbyter. Aber schon Ter-
tullian hat am Ende des 2. Jahrhunderts den weiteren Fortschritt
gewagt und den Bischof im Unterschied von den presbyteri-sacer-
lotes den »summus sacerdos« genannt," der doch in fataler Weise an
den »summus Haruspex« und »summus Caeninensis« erinnern musste.
So war auch auf diesem Gebiete der Vorrang des Einen terminologisch
festgestellt. Etwas früher schon ist der Ausdruck »pater« für den
römischen Bischof nachweisbar.” Der Vorgänger des also angeredeten
! Clem. Rom. ad Cor. I. gof.
2 C. 65—67.
> Hr. Weizsäcker, Apostol. Zeitalter 2. Aufl. S. 621 f., geht noch um einen Schritt
weiter zurück: »Einen ersten unter den Episkopen hat es wohl von Anfang gegeben,
seit die Vorsteher überhaupt ihre feste Stelle bekamen; es ist auch begreiflich, dass
die Rechte desselben von selbst gewachsen sind.«
* Hr. Weizsäcker legt a. a. O. ausschliessliches Gewicht auf das Lehramt.
5 Entschieden ist damit freilich nicht, ob es nicht in einer grossen Stadt mehrere
Leiter gegeben hat.
° De bapt.ı7: Dandi baptismi habet ius summus sacerdos qui est episcopus. Man
sieht, dass der Ausdruck noch ungewöhnlich war.
” Brief der gallischen Confessoren an Eleutherus von Rom (Euseb. h. e. V,4:
, UNE
mareg EreuDege).
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 655
Bischofs, Soter, ferner ist um 170 bereits von. einem‘ griechischen
Collegen mit »uaxspios« titulirt worden.‘ Fünfzig Jahre später hat
Tertullian den römischen Bischof Kallist in grausamem Spott »pontifex
maximus« genannt.” Er ahnte nicht, dass der Spott einst Wahrheit
werden würde.
Es ist in den letzten Ausführungen mit wenigen Strichen nach
den lückenhaften Zeugnissen, die wir besitzen, der Versuch gemacht,
die allmähliche Entwickelung des monarchischen Episkopats zu schil-
dern. Aber es bleiben doch schwere Räthsel übrig, wenn wir zu der
bezifferten römischen Bischofsliste aus der Zeit des Soter zurückkehren.
Wie konnte man um 170 eine Bischofsliste für das ganze Jahrhundert
aufstellen, das seit dem Tode des Paulus und Petrus verlaufen war,
und wie war es möglich, den Bischöfen sogar Amtsjahre zuzuweisen?
Ich vermag diese Räthsel nicht zu lösen; aber ich hoffe, etwas
zu ihrer Lösung beitragen zu können:
1. Unzweifelhaft ist, dass der, welcher die Liste aufgestellt hat,
von der Überzeugung ausging, die römische Gemeinde habe die aposto-
lische Lehre stets treu bewahrt. Um den Nachweis der lückenlosen
Überlieferung der Lehre in der Gemeinde war es ihm zu thun (vergl. ,
wie Irenäus die Liste benützt). Dies zeigt sich darin besonders deutlich,
dass er das Gemeindeschreiben nach Korinth’ und den Hirten des Hermas
einerseits, das Auftreten und die Abweisung der Haeretiker anderer-
seits erwähnt hat.
2. Um den Nachweis der Bewahrung des apostolischen Erbes zu
führen, musste er zeigen, dass in der Gemeinde niemals ein Bruch
mit der Vergangenheit erfolgt, sie niemals von fremden Eindringlingen
abhängig geworden sei. Das beste Mittel, um dies zu erweisen, schien
die Aufführung einer ununterbrochenen Reihe von Gemeindeleitern zu
sein, deren Namen bekannt und hochgeschätzt waren. Dass er die
römischen Bischöfe für Nachfolger des Petrus und Paulus oder gar des
Petrus allein gehalten hat (im strengen Sinne), lässt sich nicht er-
kennen, erscheint vielmehr durch die Anlage der Liste eher ausge-
schlossen.
3. Einen »Vorsteher« im Gottesdienst. also auch in der Lehre,
hat es mindestens 40—50 Jahre vor Soter bereits gegeben. Die her-
vorragende Stellung des Vorstehers hat auch Tertullian, der eine von
Irenäus unabhängige Tradition repraesentirt, für die Zeit, da Valentin
nach Rom kam, bezeugt. Die Namen Pius, Hyginus, Telesphorus
! Euseb.. h. e. IV, 23. Uber das »benedietus« Tertullian’s s. oben. Im Jahre 250
nennt ein römisches Schreiben den Cyprian »benedietus Papa«.
® De pudie. ı; vergl. auch das Prädicat: »apostolicus«.
® Dieses Schreiben nicht als Schreiben des Clemens, sondern der Gemeinde.
656 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
für römische Gemeindevorsteher stehen mithin fest. Aber. wie früher
bereits gezeigt worden, sie können noch nicht Bischöfe, wie Soter
und Anicet, gewesen sein. Sie werden (s. 0.) z. Th. auch gleichzeitig
die Gemeinde geleitet haben: sie mögen in verschiedenen Stadttheilen
funetionirt haben — wir wissen darüber nichts sicheres." Nur das
dürfen wir sagen, jene drei Männer waren nicht nur Mitglieder des
leitenden Collegiums wie andere auch, sondern sie waren Cultusleiter
und Lehrer. Primi inter pares mögen sie successive schon gewesen
sein; aber eine strenge Succession kann noch nieht stattgefunden
haben. Sie wird durch den Hirten des Hermas und durch das, was
Tertullian über Telesphorus-Valentin bemerkt, ausgeschlossen. Die
Fietion des Verfassers besteht also bereits darin, dass er jene drei
in strenge Succession gesetzt hat. Indem er von ihnen aus rück-
wärts schritt. hat er aus den Erinnerungen der römischen Gemeinde
die Liste »Linus, Anenkletus, Clemens. Euarestus, Alexander, Sixtus«
kühn construirt. Clemens bezeugt uns durch seinen Brief, dass er
selbst monarchischer Bischof nicht gewesen ist und dass er diese In-
stitution überhaupt noch nicht gekannt hat. Euarestus, Alexander,
Sixtus werden durch den Hirten ausgeschlossen. Aber woher stammen
! Im 16. Cap. des paulinischen Römerbriefes. dessen Abtrennung vom Briefe m. E.
nicht gerechtfertigt ist, werden für Rom mehrere christliche Kreise unterschieden und
einer ausdrücklich als »Ekklesia im Hause der Priska und des Aquila« bezeichnet.
Andererseits erscheint die Gemeinde nach dem Briefe doch als eine Einheit. Diesem
Zustande wird in späterer Zeit eine Regierung der Gemeinde durch em einheitliches
Collegium entsprochen haben, in welchem die die einzelnen Kreise gottesdienstlich
leitenden Episkopen Sitz und Stimme gehabt haben. Es ist also nieht unwahrschein-
lich, dass in den verschiedenen Stadttheilen je ein Episkope mit zugeordneten Dia-
konen in einer gewissen Selbständigkeit fungirt hat. Im Angelegenheiten, die die
ganze Gemeinde berührten, traten sie dann zu gemeinsamen Berathungen zusammen.
Diese Annahme wird durch den bekannten Bericht Justin’s (Apol. 1, 67) keineswegs
ausgeschlossen; denn die Worte fordern nicht die abenteuerliche Erklärung, dass alle
Christen Roms und seiner Umgebung in einem Raum zusammenkommen, sondern be-
sagen, dass jeder Christ am Sonntag zu der gottesdienstlichen Versammlung kommt,
zu der er gehört. Auch aus dem Briefe des Irenäus (Euseb. h. e. V, 24. ı7) lässt sich
nicht ableit-n. dass es in Rom nur eine Cultusstätte, sondern höchstens, dass es eine
hervorragende gegeben hat. Eine Mehrheit gottesdienstlicher Versammlungsplätze in
Rom folgt aus den echten Acten des Justin (ec. 4). Auf die Frage des Stadtpraefeeten
Rustieus: eine, mou suve OYETTE n sic mwolov Tomov aYgoıgsıs ToÜs naS$nras rov erwidert
Justin: eyyw) era 1nEı) zwos BR ToV eo Baravsıov zu mag Tavre zov
Emreönunse Ö8 ech ToAeı Toro Öeuregon — (za) ov ya ara
Twe Fuvirsurw 8 ar rw Ezeivov. Als Justin diese Worte sprach, hatte die Gemeinde
bereits einen Bischof und die Leiter der einzelnen gottesdienstlichen Versammlungen
mussten sich mit dem Namen »Presbyter« begnügen und erschienen als die vom Bischof
Beauftragten. Aber wenn sie sich in früherer Zeit gleich gestanden hatten, so war
es für Jemanden, der um 170 eine Liste der monarchischen Bischöfe anlegen wollte,
fast unvermeidlich. bei seiner Auswahl auch Bischöfe nach einander aufzuführen, die
theilweise neben einander gewirkt hatten.
DEE go ov TOUTOV
Harnack: Die ältesten christlichen Datirungen. 657
die Zahlen? Herr Lientroor giebt selbst die beiden ersten Zahlen (für
Linus und Kletus) Preis (12 + 12): sie sollten ein Vierteljahrhundert,
so gut es ging, überbrücken. Aber ist es zufällig, dass die folgenden
5 Zahlen nach der einen Überlieferung genau ein halbes Jahrhundert
füllen und zwar in der Vertheilluüng 9+8-+10+11+12? Stände die
8 vor der 9, so würde hier Niemand an Zufall glauben. Auch ohne
diese Gorreetur sind die Zahlen noch auffällig genug. Allein ich möchte
doch keinen Schluss wagen und meine, wir müssen uns hier beim
Nicht-Wissen in Bezug auf den Ursprung der Zahlen bescheiden. Die
Personen, welche der Verf. aufgeführt hat. sind gewiss sämmtlich
hervorragende Männer unter den römischen Vorstehern gewesen, und
auch die Zeit, die er ihnen angewiesen hat, wird ungefähr mit der
Zeit ihrer kirchlichen Thätigkeit stimmen. Mehr lässt sich nicht sagen.
Gewiss aber ist, dass die Succession der Zahlen und die pünktliche
Ausfüllung des Jahrhunderts vom Tode der Apostel bis zum Antritt
Soter’s ein Arrangement ist, im heissen Kampf mit der Haeresie unter-
nommen, nicht ohne geschichtliche Kunde ausgeführt, aber im Einzelnen
doch so unzuverlässig, wie der Grundgedanke es ist — die ununter-
brochene Succession der römischen Bischöfe von Linus an.
Aber wie ist es denkbar, dass ein so kühnes Unternehmen, die
Vergangenheit zu übermalen, Glauben gefunden und sich durchgesetzt
hat? In dieser Frage wiederholt sich nur das alte Problem. welches
der Historiker überall antrifft: wie kann sich überhaupt eine gefälschte
Tradition in Bezug auf die nächste Vergangenheit einbürgern, da doch
stets am Anfang noch Zeugen vorhanden sind, die es besser wissen
müssen? Die Antwort lautet, dass die Bedingungen für die Einbringung
gefälschter Traditionen überall da gegeben sind, wo ı. das forum
publieum sich ändert, 2. die Stimmungen, Ideale und Ziele neue werden,
3. die Situation es erfordert, das Neue unter den Schutz des Alter-
thums zu stellen, und 4. die neuen Gedanken und Institutionen wirklich
irgendwie an die alten, als seien sie mit ihnen identisch, angeknüpft
werden können. Alle diese Bedingungen treffen für die Zeit von 150
bis 190 in Bezug auf die Kirche zu. ı. das forum publicum, welches
früher die Gemeinde selbst war, wird der Klerus, 2. aus den alten
zum Theil naiv-religiösen, eschatologischen und enthusiastischen Stim-
mungen und Idealen tritt das Ideal der rechten Lehre beherrschend
hervor, und auch die Stellung der Gemeinden zur Welt wird allmählich
eine andere, 3. der Kampf mit der vielköpfigen Häresie hatte nur Aus-
sicht auf Erfolg, wenn man den eigenen Besitz als die apostolische
Ü
658 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
Überlieferung darthun konnte, 4. die kurzen Bekenntnissformeln der
alten Zeit konnten als Basis und Compendium der neuen Lehre, die
längst begonnenen Schriftensammlungen als das immer vorhandene
Neue Testament. die alten, hier und da gewagten Logosspeculationen
als apostolische Zeugnisse für die neu zu bildende Christologie gelten.
In derselben Weise muss das ausgezeichnete Wirken der Episkopen
in der Zeit von 90 bis 160/170 und die hohe Bedeutung, die diese
Vorsteher damals schon in den Augen der Gemeinden gewonnen hat-
ten, die Möglichkeit geboten haben, sie nachträglich mit Praedicaten
und Rechten auszustatten. die sie im Leben noch nicht besessen hatten
— ohne dass man in weiten Kreisen das Iysteron - Proteron empfand.
Die Legende vom uralten, von den Aposteln eingesetzten
Episkopat ist ein Beweis, dass die alten Episkopen wirk-
lieh die Hirten der Gemeinden gewesen sind, bevor sie
noch monarchische oder gar apostolische Rechte besassen.
Die fingirten Bischofslisten zeigen also zunächst nicht die »Herrsch-
suecht« des Klerus, sondern sie zeigen, dass die Leiter der Gemeinden
in ältester Zeit ihre Pflicht gethan haben, ja mehr als ihre Pflicht.
Die Legende, indem sie sich ohne erheblichen Widerspruch durchsetzte,
krönte den Stand in der Kirche, der am meisten gearbeitet hatte, und
sie krönte zuerst die Bischöfe, die ihre Sorge weit über die Grenzen
der eigenen Gemeinde ausgedehnt hatten — die römischen Bischöfe.
659
Muskel und Nerv bei Mermis und Amphioxus.
Von Dr. EmıL Roupe
in Breslau.
(Vorgelegt von Hrn. Scuurze.)
Mermis.
D:. Subeutieula stellt eine einheitliche. von Kernen durchsetzte, über-
wiegend fasrige Protoplasmamasse dar. Sie tritt an sechs Stellen
wulstartig in die Leibeshöhle vor und gibt dadurch ebensoviel Längs-
linien ihre Entstehung, nämlich einer dorsalen und ventralen Median-
linie, zwei links und rechts in geringer Entfernung von letzterer
gelegenen secundären Medianlinien und zwei Seitenlinien. In den
Medianlinien verlaufen die Hauptnervenstämme, in der ventralen der
mächtigere. Die Nerven bestehen aus Nervenfasern von verschiedenem
Durchmesser. Ganglienzellen habe ich in ihnen nie beobachtet, sie
finden sich also jedenfalls nur sehr spärlich. Feinere Details liessen
sich an den Nervenfasern infolge ihres sehr geringen Durchmessers
nicht erkennen.
Die Museulatur setzt sich aus Zellen zusammen, welche nach dem
coelomyären Typus (SCHnEiper) gebaut sind. Alle zerfallen in eine
rinnenförmige die Muskelsäulchen enthaltende Rinde und in eine im
Innern derselben stets deutlich zu unterscheidende Marksubstanz. Der
Kern liegt am (offenen) Innenrande, meist an einer ausgebuchteten Stelle.
Die Marksubstanz tritt in die Leibeshöhle vor, aber nicht in der Gestalt
von Blasen wie bei Ascaris, sondern sie erscheint als eine die innere
Seite der Musculatur überziehende zusammenhängende, verhältnissmässig
dünne Schicht, in welcher sich die zu den einzelnen Zellen gehörigen
Theile nicht mehr nachweisen lassen.
Soweit stimmt also Mermis ziemlich genau mit Ascaris überein.
Wesentlich von einander verschieden sind beide aber bezüglich des
Zusammenhanges von Muskel und Nerv. Während bei Ascaris nur
Theile der Marksubstanz in der Form der bekannten Querfortsätze
zum Nervensystem ziehen, geben bei Mermis stets einige der die
Zellrinde bildenden Muskelsäulchen an bestimmter Stelle den Längs-
660 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
verlauf auf und biegen nach innen in die Querrichtung über, um
begleitet von der Marksubstanz der Medianlinie zuzueilen, und zwar
in der Weise, dass je eine gewisse Anzahl derselben sich eonvergirend
zu einem einheitlichen scharf umschriebenen Strange vereinigen, der
im folgenden stets kurz als Querstrang bezeichnet werden soll. In
geringer Entfernung von dem Mediannerven hören in dem Querstrange
die Muskelsäulchen auf, während die Marksubstanz zu einer Art Polster
anschwillt, welches auf der einen Seite unmittelbar an die Nerven-
fasern stösst, auf der entgegengesetzten aber die hier endigenden
Muskelsäulchen aufnimmt. Wie der Übergang der polsterartigen Mark-
substanz in die Nervenfasern sich vollzieht, ist bei der geringen Stärke
der letzteren nicht zu constatiren, doch darf man wohl annehmen,
dass er ein ähnlicher sein wird, wie ich ihn bei Ascaris, wo die
Verhältnisse viel klarer liegen, beschrieben habe. Die Hauptsache
bleibt, dass es auch bei Mermis die Marksubstanz ist, welche den
Nervenreiz den Muskelsäulchen übermittelt. Mit den letzteren selbst
treten die Nervenfasern nicht in Zusammenhang.
Die beiderseitigen Querstränge setzen sich in der Regel nicht
gleichzeitig an die Medianlinie an, sondern in geringer Entfernung
hinter einander, und zwar meist mit solcher Regelmässigkeit ab-
wechselnd bald links bald rechts, dass man glauben könnte es in ihnen
mit einer segmentalen Einrichtung zu thun zu haben. Kein Wunder
daher, dass von Linstow, welcher ihrer kurz erwähnt, sie als die von
dem Hauptnervenstamme abgehenden Seitennerven bezeichnet.
Wir werden gleich sehen, dass ganz ähnliche Gebilde wie die
(Juerstränge von Mermis auch bei Amphioxus vorkommen. Hier sind
sie allgemein als motorische Nerven im Sinne derjenigen der höheren
Wirbelthiere gedeutet worden. Wie irrig diese Auffassung ist, wird
sich aus dem Folgenden ergeben.
Amphiowus.
Schneiver beobachtete an isolirten Myokommaten, dass die so-
genannten motorischen Nerven an manchen Stellen eine deutliche
Querstreifung zeigten und erklärte dieselben deshalb als musculöse
Bildungen. Ich konnte die Schweiper’schen Angaben auf Schnitten
bestätigen und schloss mich daher im wesentlichen seiner Ansicht an.
In neuester Zeit tritt Rrrzıus sehr entschieden unserer Auffassung
entgegen, er bestreitet jede Querstreifung und erklärt die motorischen
Fasern für wirkliche Nervenelemente. Rerzıus hat seine Studien an
mit Methylenblau gefärbten Exemplaren angestellt und daher stets
nur in toto untersucht. Diese Methode eignet sich für die Erforschung
Ronpe: Muskel und Nerv bei Mermis und Amphiowus. 661
der motorischen Nerven absolut nicht, am allerwenigsten wenn man,
wie es bei Rerzıus offenbar der Fall war, bereits abgestorbene Thiere
unter’s Mikroskop nimmt. Rerzıus hat den eigentlichen Bau der mo-
torischen Nerven gar nicht erkannt. Ich habe nach dieser Riehtung
hin Amphioxus einer erneuten Untersuehung unterzogen und kann auf
Grund derselben in Erweiterung der vor Jahren veröffentlichten An-
gaben, die ich noch heute als vollständig richtig bezeichnen muss,
Folgendes mittheilen.
Jedes Myokomma wird aus dieht neben einander gereihten zur
Chorda mehr oder weniger radiär gestellten musculösen Platten zu-
sammengesetzt, die sich wieder aus feineren Muskelsäulchen von grob-
punktförmigem Querschnitt aufbauen. Zwischen den Platten, besonders
aber an der Oberfläche des Myokomma’s, tritt eine auf Schnitten
feinkörnig fibrillär aussehende Substanz auf, welche spärlich von
Kernen durchsetzt wird. Wir wissen über die Histogenese des Myo-
komma’s noch nichts; es muss daher vorläufig unentschieden bleiben,
ob jede Platte je einer Zelle entspricht, oder ob das Myokomma das
Äquivalent eines Muskelprimitivbündels der höheren Wirbelthiere, d.h.
einer einzigen Zelle gleichwerthig ist, wie SCHNEIDER anzunehmen schien,
oder ob »die gesammte Zellmasse eines Myokomma’s mit einander
verschmelze und nachher Fibrillen bilde«, also ähnlich wie man sich
früher die Entstehung eines Primitivbündels dachte, eine Ansicht,
die GRENACHER ausgesprochen hat. So viel steht wohl aber zweifels-
ohne fest, dass die allenthalben im Myokomma auftretende körnig-
fibrilläre Masse auf das nicht zu contractiler Substanz differenzirte
Protoplasma der Bildungszellen der Myokommata, das Sarkoplasma,
zu beziehen ist.
Von den Platten treten an ihrer Innenseite in bestimmter Gegend
eine Anzahl Muskelsäulchen ab und vereinigen sich convergirend zu
einem von einer dünnen Membran begrenzten Strange, der zum
Rückenmarke zieht. Das sind die motorischen Fasern (bez. Nerven)
der Autoren. Das Sarkoplasma des Myokomma’s setzt sich auf die-
selben fort und gelangt zwischen ihnen zu starker Ausbildung, die
Kerne desselben werden hier sehr zahlreich, namentlich in kurzer
Entfernung vom Rückenmark.
Die motorischen Fasern erscheinen stets, sowohl auf Schnitten
wie an isolirten Myokommaten, scharf eontourirt und, wenn sie nicht
quergestreift sind, vollständig homogen, niemals aber gekörnt oder
stark varikös, wie Rrrzıus es angibt und abbildet: die Varikosität
ist eine postmortale Erscheinung, ein Kunstproduct: ein körniges
Aussehen derselben ist Rerzıus offenbar durch das körnigfibrilläre,
von ihm vollständig übersehene Sarkoplasma vorgetäuscht worden,
662 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
Da alle Platten »motorische Fasern« entsenden, dieselben also in
der ganzen Höhe des Myokomma’s entspringen, so kann man an
ihnen drei Abschnitte unterscheiden, einen dorsalen, einen ventralen
und einen mittleren, dem Rückenmark gegenüberliegenden. In diesen
zeigen sie ein verschiedenes Verhalten. Während nämlich die moto-
rischen Fasern der Mittelpartie grösstentheils isolirt bleiben, treten
die dorsalen und ventralen häufig zu breiten Bändern zusammen, in
denen sie einzeln nicht mehr zu erkennen sind, d. h. sie zeigen hier
ein gleiches Verhalten wie in den Platten des Myokomma’s, deren
Muskelsäulchen auch erst an den Stellen, wo sie als motorische Fasern
abbiegen, zur deutlichen Sonderung kommen.
Die motorischen Fasern verlieren in der Regel bald nach dem
Abgange von den Platten die Querstreifung, in manchen Fällen er-
hält sich dieselbe aber auf weite Strecken, wiederholt konnte ich
sogar deutlich quergestreifte Fasern bis an die Grenze des Rücken-
markes verfolgen. Besonders schön tritt die Querstreifung in den
Bändern hervor, zu denen die dorsalen und ventralen Fasern ver-
schmelzen, sie erscheint hier genau in derselben Form wie in den
Platten des Myokomma’s. Diese Bänder sind es namentlich auch,
die selbst dann, wenn sie der Querstreifung entbehren, ein durchaus
muskelähnliches Aussehen zeigen, zumal nach Behandlung mit MAYEr-
schem alkoholisehem Karmin. dureh welches sie einen ebenso dunkel-
rothen Ton annehmen wie die Muskeln, während die Nervenfasern
sich verhältnissmässig viel schwerer färben, so dass schon aus diesem
Grunde die Muskelnatur der motorischen Fasern, selbst wenn sie
nirgends die Querstreifung aufwiesen, als sehr wahrscheinlich gefolgert
werden müsste. Wie wenig das, wie erwähnt, als Regel zu bezeich-
nende Fehlen der Querstreifung bedeuten will, beweist, was bereits
SchnEipEr betont hat, der grosse quere Bauchmuskel von Amphiowus.
Auch er lässt an den meisten Stellen keine Querstreifung erkennen,
so dass er in früheren Jahren allgemein als ungestreift galt und da-
durch zu einer gewissen Bedeutung gelangte. Erst spät entdeckte
man auch bei ihm die Querstreifen. Namentlich mit diesem zeigen
die bandartigen Partieen der motorischen Fasern nach Färbungen
die grösste Übereinstimmung im Ton.
Vor Eintritt in das Rückenmark fahren die motorischen Fasern
pinselartig aus einander und durchsetzen einzeln die Rückenmarks-
scheide. Auch die Bänder lösen sich hier wieder in die sie zusammen-
setzenden Elemente auf.
Der Rückenmarksscheide liegt innen eine eigenthümliche dünne
Membran dicht an, welche sich in der Regel an der Ansetzstelle der
motorischen Fasern weit abhebt, so dass zwischen ihr und der Scheide
Ro#pe: Muskel und Nerv bei Mermis und Amphioxus. 663
ein weiter Raum frei bleibt. Diesen durchsetzen die motorischen
Fasern und inseriren sich dann an der Membran. Über diese hinaus
sind sie nie zu verfolgen, stets erscheint ihr centrales Ende durch
dieselbe gegen (das Rückenmarksinnere scharf abgeschlossen. Auch
Rerzıus betont, dass er die motorischen Fasern stets in dem » Hügel«,
wie er den zwischen Membran und Rückenmarksscheide liegenden
Abschnitt bezeichnet, enden sah. Er vermuthet, dass ihr Zusammen-
hang mit den nervösen Rückenmarkselementen durch radiäre Nerven-
fibrillen ermittelt werde, welche innen an den Hügel herantreten.
Diese Radiärfasern sind aber gar nicht nervöser Natur, sondern sie
entstammen gewissen Epithelzellen (Ependymzellen) des Centralkanales,
deren dieke ungetheilte Fortsätze sie darstellen; sie durchziehen, wie
Rerzıus richtig zeichnet, massenhaft das Rückenmark, aber nicht nur
in der Richtung nach den motorischen Fasern, sondern nach allen
Seiten und inseriren sich stets an der oben erwähnten Membran. Sie
sind also Stützelemente und entsprechen genau den von mir im Nerven-
system der Chaetopoden und Nematoden beschriebenen radiären Sub-
eutieularfasern. Die Rerzıus’sche Hypothese zur Erklärung der Ver-
bindung der motorischen Fasern mit den Nervenelementen des Rücken-
markes ist also unhaltbar, ich möchte an ihre Stelle eine andere
setzen. Wir lernten oben das Sarkoplasma des Myokommas und der
motorischen Fasern als eine körnig fibrilläre Substanz kennen. Wahr-
scheinlich stellt diese, ähnlich wie ich es in der mächtig entwickelten
Marksubstanz der Nematoden nachweisen konnte, nur das Stützgerüst
dar, zwischen dem ein auf Schnitten nicht erkennbares Hyaloplasma
enthalten ist. Im Innern des Rückenmarkes habe ich bereits in meiner
ersten Arbeit eine gleich feinkörnig faserige Masse beschrieben und
dieselbe, da ich sie aus Fortsätzen von Epithelzellen hervorgehen sah,
als Neuroglia gedeutet. Nach meinen an dem Nervensystem der ver-
schiedensten Thierclassen gesammelten Erfahrungen scheint es mir
nicht ausgeschlossen, dass dieses Neurogliagerüst noch ein nervöses
Hyaloplasma einschliesst. Ich bemerkte oben, dass die radiären Stütz-
fasern stets in die die Innenseite des Rückenmarkes auskleidende Mem-
bran übergehen. Möglicherweise stellt letztere nur ein Verflechtungs-
product ‚der ersteren dar. Durch die Maschen könnte dann leicht ein
Contact des aussen der Membran anliegenden Muskelhyaloplasmas mit
dem inneren nervösen Hyaloplasma eintreten, der natürlich nicht zur
Beobachtung kommen würde.'
! Die Übereinstimmung dieser starren radiären Epithelzellfortsätze mit den er-
wähnten in «ler Medianlinie der Nematoden radiär aufsteigenden dieken Subeutieular-
fasern würde dann noch grösser sein, insofern auch diese an der Ansatzstelle der
R Muskelfortsätze sich netzartıg verilechten, wie ich vor kurzem dargelegt habe.
Sitzungsberichte 1892. 58
664 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
fan}
Vergleichen wir die Innervationsverhältnisse von Mermis und Am-
phiowus mit einander, so ergibt sich eine unverkennbare Ähnlichkeit
zwischen ihnen: bei beiden besteht die Musculatur aus nebeneinander
gereihten plattenförmigen Gebilden, welche in dem einen Falle einen
centralen von Sarkoplasma erfüllten Hohlraum umsehliessen und je
einer Muskelzelle gleichwerthig sind, im andern Falle solid zu sein
scheinen und allseitig von Sarkoplasma umgeben werden; bei beiden
biegen von den Platten eine Anzahl der diese zusammensetzenden
Muskelsäulchen als »motorische Fasern« an bestimmter Stelle aus der
Längsrichtung nach innen in die Querriehtung um und vereinigen
sich convergirend zu einem scharf umschriebenen Strange, der zum
Nervensystem zieht; bei Amphioxwus wie bei Mermis treten die beider-
seitigen motorischen Fasern nicht gleichzeitig, sondern in gewisser
Entfernung hinter einander abwechselnd bald links bald rechts au’s
Nervensystem, wenn auch bei letzterm Thier nieht mit der absoluten
Regelmässigkeit einer segmentalen Einrichtung, wie es bei ersterm
der Fall ist; bei beiden werden die motorischen Fasern vom Sarko-
plasma begleitet, welches sich bei Mermis deutlich als das die Inner-
vation vermittelnde Element darstellt, während es als solches bei Am-
phioxus zwar nicht durch die Beobachtung nachgewiesen, aber ver-
muthet werden kann. Die »motorischen Fasern« von Amphioxus stehen
also nicht mehr vereinzelt da.
EEE
665
Gibt es Holomyarier?
Von Dr. Emm RonupeE
in Breslau.
(Vorgelegt von Hrn. Schurze.)
Di Museulatur von Gordius , des Hauptrepraesentanten der Gruppe der
Holomyarier, welche SchxeEiper in seiner Monographie aufstellt, ist seit
Erscheinen der letzteren wiederholt der Gegenstand eingehender Unter-
suchungen gewesen. GRENACHER und BürscnLı behaupteten SCHNEIDER
gegenüber, dass die Museulatur von Gordius sich aus Zellen aufbaue,
welche gleich denen von Ascaris nach dem eoelomyären Typus gebaut
seien. Solche Zellen kommen allerdings vor. Sie bestehen bei Gordius
tolosanus aus einer rinnenförmigen die contractilen Muskelsäulchen ent-
haltenden Rindenschicht und einer eentralen stets sehr deutlichen,
stellenweise sogar ziemlich stark ausgebildeten Marksubstanz und deut-
lichem Kern, welcher meist an der Innenseite der sich hier öffnenden
Muskelzelle, öfter aber auch tiefer im Innern liegt.
Neben derartigen Muskelzellen treten aber bei Gordius tolosanus
noch andere von ganz verschiedenem Bau auf. Sie unterscheiden sich
zunächst dadurch von den eben beschriebenen, dass sie nicht nur am
Innen- sondern auch am Aussenrande vollständig offen sind und daher
im wesentlichen sich aus zwei parallelen Platten zusammensetzen, welche
durch die centrale Marksubstanz verbunden werden. Während ferner
bei der ersten Zellart die contractile Rinde sich bis zur inneren Grenze
der Musculatur, wo nur wenig Marksubstanz vorhanden ist, ausdehnt,
reichen in der zweiten die Platten kaum weiter als bis zur Mitte der
Muskellage, tragen aber an ihrer Innenseite eine mächtig entwickelte
Marksubstanz, in welcher zahlreich Kerne enthalten sind.
Die beiden geschilderten Zellformen sind nicht einzeln durch ein-
ander gemischt, sondern treten stets partieweise auf und kommen
meist auf Querschnitten zusammen vor, an den Grenzen allmählich in
einander übergehend.
Zwischen den Muskelzellen sowohl des ersten als zweiten Typus
treten drittens an den verschiedensten Stellen meist bandartig dünne
98”
[2 m . .
666 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
Protoplasmamassen auf, welche im Aussehen genau mit der Marksub-
stanz der Zellen übereinstimmen, bisweilen seitlich Spuren von Muskel-
säulchen aufweisen und öfter mit der Subeutieula in engem Connex
erscheinen. In ihnen haben wir es zweifelsohne mit den ersten Ent-
wickelungsstadien der Muskelzellen zu thun. Offenbar stellen auch die
Zellen des zweiten Typus nur ein jugendliches Stadium vor. Die
Histogenese der. Muskelzelle würde dann bei Gordius folgende sein.
Die junge nur aus Protoplasma bestehende Zelle, welche mit der Sub-
eutieula wahrscheinlich ähnlich, wie ich es für viele Zellen von Ascaris
beschrieben habe, zusammenhängt, beginnt in der weiteren Entwicke-
lung seitlich an dem der Subeutieula zugewendeten Abschnitte Muskel-
säulchen zu differenziren. Diese ordnen sich zu Platten an (zweiter
Typus), erreichen allmählich die innere Grenze der Muskelschicht und
schliessen zuletzt die Zelle gegen die Subeuticula ab, während gleich-
zeitig das ursprüngliche Protoplasma fast ganz verbraucht wird (erster
Typus). Bemerkenswerth bleibt, dass in der Museculatur des ausge-
bildeten Thieres so jugendliche Zellformen wie diejenigen des zweiten
Typus massenhaft, in den meisten Gegenden sogar in überwiegender
Menge, neben den definitiven Muskelzellen erhalten bleiben.
Bisweilen geht übrigens die Ausbildung der Muskelzellen noch
weiter, insofern bei manchen Zellen die contractile Rinde auch an der
Innenseite zusammenwächst und dann allseitig, wie bei den Hirudineen,
die Marksubstanz umgibt, doch scheinen diese Fälle zu den Ausnahmen
zu gehören.
Während Bürscnzı bei seinen Untersuchungen, die sich nament-
lich auf Zupfpraeparate bezogen, offenbar stets nur die bereits von
der Subeuticula abgeschnürten und daher leichter isolirbaren Zellen
des ersten Typus zu Gesicht bekam, hatte SchnEiper, welcher mehr
die Querschnitte berücksichtigte, jedenfalls Muskelpartien, die aus
Zellen des zweiten Typus bestanden, vor Augen und dann insofern
Recht, wenn er im Innern der Platten keinen Hohlraum entdecken
konnte; SCHNEIDER übersah nur, dass die Platten stets paarweise zu-
sammengehörten und jedes dieser durch Marksubstanz an einander
befestigten Plattenpaare je durch einen marklosen Raum von dem
benachbarten getrennt wurde. Auch Vespovskv hat diess nicht erkannt,
sondern hält die Platten für die Muskelzellen, von denen er allerdings
gesteht, dass sie nie eine centrale Höhle erkennen lassen. Die Muskel-
zellen des ersten Typus sind ihm ganz entgangen.
Ausser Gordius tolosanus habe ich noch eine zweite Species unter-
sucht, welche der von VEsDovsKY als Gordius Presliü bezeichneten identisch
zu sein scheint. Hier ist die Museulatur ganz anders gebaut. Sie besteht,
wie VE3DoVsKY richtig angibt, aus hohen meist sehr platten Zellen,
Rospe: Gibt es Holomyarier ? 667
welche nur am innern Abschnitt sich etwas aufweiten und an dieser
Stelle deutlich die Marksubstanz mit dem Kern erkennen lassen. Was
dieselben aber namentlich auszeichnet, ist der Umstand, dass sie fast
sämmtlich an der Innenseite geschlossen sind. Ob sie sich stets nach
aussen Öffnen, wie VEIDOVSKY es zeichnet, ohne aber im Texte dieses
bemerkenswerthen Befundes Erwähnung zu thun, habe ich nicht mit
Sicherheit entscheiden können, da sie ausserordentlich gedrängt neben
einander liegen und ihre basalen Partien derartig verengt sind, dass
man kaum die Marksubstanz unterscheiden kann. Bei einigen konnte
ich es allerdings deutlich beobachten. Wir hätten also hier Zellen
vor uns, welche zwar auch coelomyar geformt sind, aber nach der ent-
gegengesetzten Seite als bei Ascarıis, nämlich nach der Subeuticula zu,
offen sind.
Interessant ist, dass die von GRENACHER vorwiegend beim Studium
der Museulatur verwerthete (tropische) Species, Gordius ornatus,, wie
aus seiner Beschreibung und Zeichnung unzweifelhaft hervorgeht,
durchaus nach demselben Typus gebildete Muskelzellen hatte wie Gor-
dius Preslü. Bei dem bekannten Streit zwischen SCHNEIDER und GRrE-
NACHER haben demnach im Muskelbau ganz verschiedene Species zur
Untersuchung vorgelegen.
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Aiycn UN OPISDEERER
669
Jahresbericht des Königlichen Historischen
Instituts in Rom.
Von W. WATTENBACH.
[Eingereicht am 26. Juni (vergl. oben S. 41).|
D Institut ist in der glücklichen Lage, über die ersten sicht-
baren Früchte seiner Thätigkeit berichten zu können. Im Verein mit
der Königlich Preussischen Archivverwaltung, welche einen ansehn
lichen Theil der Kosten übernahm und die sehr werthvolle Beihülfe
des Staats-Archivars Dr. ArnoLp für drei Monate gewährte, ist es
gelungen, drei Bände der als Hauptaufgabe in Angriff genommenen
Nuntiaturberichte fertig zu stellen. Diese Berichte der päpstlichen
Nuntien bilden die Grundlage der Publication, werden aber durch
sehr zahlreiche und wichtige Actenstücke und Correspondenzen, sowohl
aus dem Vaticanischen, wie aus anderen römischen und italienischen
Archiven ergänzt, und es wird darin ein äusserst reichhaltiges und
werthvolles, grösstentheils noch ganz unbekanntes historisches Material
der Benutzung zugänglich gemacht. Die beiden ersten Bände, von
dem ersten Assistenten Prof. FriepensgurG bearbeitet, enthalten die
Berichte des Vergerio von 1533 bis ı536 und des Morone von 1536
bis 1538.
Während nun, einem getroffenen Übereinkommen gemäss, die
Jahre von 1560 bis ı572 dem Kaiserlich Österreichischen Institut,
welches sich ebenfalls dieser Aufgabe zugewandt hatte, überlassen
sind und als ein Theil der Gesammtpublication veröffentlicht werden,
ist die dritte Abtheilung, die Jahre 1573—1585 umfassend, eröffnet
worden mit dem von Dr. Jos. Hansen bearbeiteten Band »Der Kampf
um Cöln«, welcher die durch die Wahl und den Übertritt des Erz-
bischofs Gebhard von Truchsess veranlassten Wirren behandelt und
ganz ausschliesslich neues, bisher unbekanntes Material darbietet.
Was den Personalstand des Instituts betrifft, so hat der bis-
herige Secretär, Prof. Quippe, dessen grosse Hingabe und unermüd-
lichen Eifer wir nicht genug rühmen können, wegen anderweitiger
670 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
Verpflichtungen zum ı. October seine Entlassung verlangt und es wird
also eine Neuwahl nothwendig. An Stelle des zum Stadtarchiyar von
Cöln ernannten zweiten Assistenten Dr. Hansen ist vom ı. October 189 1
an Dr. Scnertnass, bis dahin bei der Herausgabe der Reichstags-
acten beschäftigt, eingetreten. Neben diesen ist als Volontär fort-
während der Dr. Heivennam thätig, und auch der Dr. Kırwning,
welcher sich mit Forschungen über die Regierungszeit des Papstes
Urban’s VIII. beschäftigt, hat bei den Arbeiten des Instituts werth-
volle Beihülfe geleistet.
Jahresbericht der Gentraldireetion der Monumenta
Germaniae historiea.
Von E. Dünmnuter.
(Zum Abdruck eingereicht am 26. Juni (vergl. oben S.41).|
Di. ı8. Plenarversammlung der Centraldireetion der Monumenta
Germaniae historica wurde in diesem Jahre in den Tagen vom 4.
bis 6. April in Berlin abgehalten. Von den Mitgliedern hatten sich ent-
schuldigt Hr. Prof. vov Heeer in Erlangen und Hr. Hofrath vox SıckEL
in Rom. Erschienen waren Hr. Prof. BressLau aus Strassburg, HH.
BRUNNER und Dünmter, Hr. Prof. HoLper- Esser, Hr. Hofrath Maassen
aus Wien, Hr. Mommsen, Hr. Prof. Müntsacner aus Wien, Hr. Reichs-
archivdireetor von RockisGer aus München, Hr. Prof. Scherrer - Boicnorst,
der zum ersten Male an den Verhandlungen theilnahm, HH. vox Syger
und WATTENBACH.
Vollendet wurden im Laufe des Jahres 1891/92 in der Abtheilung
Sceriptores: ı. Deutsche Chroniken IH, ı, enthaltend Jansen Enikel’s
Weltehronik von Pu. Straucn, ı. Halbband; 2. Annales Altahenses
maiores, ed. altera recogn. Edm. ab Oefele in 8° (acced. Annal.
Ratisbon. maiorum fragmentum); 3. Annales Fuldenses post editionem
‚Pertzii recogn. Fr. Kurze, acced. Aa Fuldenses antiquissimi in 8°;
in .der Abtheilung Epistolae: 4. Epistolarum tom. I. Gregorii papae
Registrum epistolarum t.I, p. I edd. P. Ewar» et L. Harımans, ein
Halbband; 5. von dem neuen Archiv der Gesellschaft Bd. XVI.
Unter der Presse befinden sich ein Folioband, ı5 Quartbände,
2 Oetavbände, von denen ohne die störende Unterbrechung, welche
der achtwöchentliche Ausstand der Setzer herbeigeführt hatte, mehrere
schon im verflossenen Jahre fertig geworden wären.
In der Abtheilung der Auctores antiquissimi wird die schon
lange erwartete Ausgabe des Claudianus von Hrn. Prof. Bier in einigen
Monaten erscheinen, da nur noch ein Theil der umfänglichen Indices
zu drucken übrig bleibt. Von Cassiodors Variae fehlen ebenfalls nur
die Indices, die Hr. Dr. Trause hauptsächlich übernommen hat, ihr
Sitzungsberichte 1892. 59
672 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
Druck soll im Sommer beginnen. Von den Chronica minora ist die
zweite Hälfte des ersten Bandes, die u. A. Prosper von Aquitanien
enthält, fast im Drucke vollendet und der mit Hydatius zu eröffnende
zweite Band soll soeben der Presse übergeben werden. Ob dieser
den ganzen Rest des Materiales erschöpfen kann, bleibt vorbehalten.
In der Abtheilung Seriptores hat Hr. Archivar Krusch seine
Vorarbeiten für die merowingischen Heiligenleben ununterbrochen
weitergeführt und abermals 28 Handschriften an seinem Wohnorte
ausgebeutet, von denen ı5 aus Frankreich stammten, etwa 12 andere
benutzte auf seiner italienischen Reise für ihn Hr. Horper-Eeeer.
Ausserdem erwiesen sich in dankenswerthester Weise das öster-
reichische Institut in Rom und der Bollandist Hr. Poxerrer in Löwen
für Vergleiehungen gefällig. Von der grössten Wichtigkeit für die
Vervollständigung des Materiales verspricht eine dreimonatliche Reise
nach Frankreich zu werden, welche Hr. Kruscn im April anzutreten
gedenkt. Es handelt sich um die Herstellung der alten merowingi-
schen Texte im Gegensatze zu den Überarbeitungen des 9. bis ı 1. Jahr-
hunderts und nach einigen glücklichen Funden der neueren Zeit, wie
die der ältesten Vitae Desiderii, Gaugeriei, Iohannis Reomensis, Leude-
garii, Launomari, ist gegründete Aussicht zu noch weiteren Erfolgen
auf diesem Wege vorhanden. Neben der Benutzung der Handschriften
ist auch an die Ausarbeitung der Texte bereits hier und da Hand
gelegt worden.
Von den Schriften zum Investiturstreite steht der Druck des
zweiten Bandes nach Vollendung der von Hrn. Prof. Tmaner in Graz
herausgegebenen Werke Bernold’s jetzt in dem liber de unitate eccle-
siae conservanda. Das Manuscript ist vorzüglich unter steter Mit-
wirkung des Hrn. Dr. Sackur, z. Z. Privatdocenten in Strassburg, so
weit vorbereitet, dass der Satz ununterbrochen fortschreiten kann.
Während dieser Band die Zeit Heinrich’s V. erschöpfen dürfte, bleibt
die Kirchenspaltung unter Friedrich I. nebst etwaigen Nachträgen für
einen dritten aufgespart, dem Hr. Dr. Sackur gleichfalls seine Kräfte
z. Th. schon gewidmet hat und noch weiter widmen wird.
In dem ersten Bande der deutschen Chroniken hat die von Hrn.
Prof. Scuröper in Marburg bearbeitete Kaiserchronik, deren Voll-
endung seit 5 Jahren erwartet wird, noch immer nicht ausgegeben
werden können, weil der Herausgeber in unverantwortlicher Weise
den Abschluss der letzten Bogen bisher verzögert hat. Der Druck
des Annoliedes von Hrn. Prof. Röpiser soll sich unmittelbar daran
anschliessen. Nachdem Enikel’s Weltchronik, ein mehr litterarhistorisch
als geschichtlich wichtiges Werk, mit ihren Anhängen im Laufe des
Jahres erschienen ist, hofft Hr. Prof. Straucn das Fürstenbuch der-
ur
.. ‘ . . . 6
Dünmmter: Monumenta Germaniae historica. 673
selben gegen Ende des Jahres folgen zu lassen. An der Österreichi-
schen Reimcehronik ist mit gleichem Eifer fortgedruckt worden, so dass
nach Abschluss des Registers nur noch Glossar und Einleitung fehlen,
welche ebenfalls schon weit vorgerückt sind.
In der von Hrn. Prof. HoLper-EesEr geleiteten Folioserie der
Scriptores, welche nur noch darauf beschränkt ist, die staufische
Zeit zum Abschluss zu bringen, stellte sich die Nothwendigkeit heraus,
den schon weit im Drucke fortgeschrittenen 29. Band zur Vermeidung
zu grossen Umfanges zu theilen und die Nachträge zu den früheren
Bänden für einen 30. Band aufzusparen. Hierdurch wird es möglich
sein, den ersteren in wenigen Monaten erscheinen zu lassen. Eine
Reise des Herausgebers nach Italien vom März bis October 1891 hat
besonders für die grossen italienischen Chroniken des 13. Jahrhunderts
reiche Früchte getragen, nebenbei auch den Leges und Epistolae
mannigfachen Nutzen gewährt. Mit dem Drucke jener soll schon vor
der Vollendung des 30. Bandes vorgegangen werden, nachdem der
Herausgeber durch eine Reise nach Wien sein Material noch weiter
vervollständigt haben wird. Als Mitarbeiter bei dieser Abtheilung
tritt vom ı. Mai an Hr. Dr. Diererien, bisher Hülfsarbeiter am Ger-
manischen Nationalmuseum, statt des Hrn. Dr. SacKur ein.
In der Reihe der Handausgaben beendigte der Frhr. vox ÖrFELE den
zweiten verbesserten Abdruck der Annales Altahenses, denen das von
W.Meryer entdeckte Bruchstück Regensburger Annalen angehängt wurde.
Von F. Kurze in Stralsund erschien die bereits von Warrz beabsichtigte
völlig neue Ausgabe der sogenannten Annales Fuldenses. Derselbe ist
Jetzt mit den Vorbereitungen zu einer Bearbeitung der längst vergriffe-
nen Ann. Einhardi (mit Einschluss der sogenannten Ann. Laurissens.
mai.) beschäftigt. Hr. Prof. HoLper-Eeserr wird an die Stelle der
im 18. Band der Seriptores ganz ungenügend abgedruckten Annales
Mediolan. maior. eine kritisch gesichtete Handausgabe der Gesta Federiei
imperatoris in Lombardia nebst einigen Anhängen setzen, die soeben
fertig geworden ist, auch für einen kritisch berichtigten Abdruck
der Annalen Lambert’s von Hersfeld nebst seinen übrigen Schriften
hat derselbe umfassende Vorstudien gemacht. Durch alle diese mit
vollständigem und verbessertem Apparate versehene Handausgaben
wird der Wiederabdruck der vergriffenen Bände eine wirksame Er-
leichterung erfahren.
In der Abtheilung der Leges ist der Druck der von Prof. von
Sarıs besorgten Ausgabe der leges Burgundionum seinem Abschlusse
nahe, während der der Handausgabe der lex Visigothorum von ZEUMER
kürzlich begonnen hat. Für die Fortführung dieser Arbeiten wird eine
erneute Benutzung der Pariser Hss. und damit zugleich eine Reise
lari S . .
674 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
nach Paris in diesem Herbste nothwendig werden. .Das zweite Heft
des zweiten .Capitularienbandes von Hrn. Dr. Krause befindet sich
unter der ‚Presse und ist durch eine Abhandlung im Neuen Archive
über die Triburer Synode vorbereitet worden. Als einer der er-
freulichsten ‘Fortschritte darf es bezeichnet werden, ‚dass von den
‚Gonstitutiones regum et imperatorum, den deutschen Kaiser- und
Reichsgesetzen seit Conrad l., Hr. Prof. Weı.annp in Göttingen den
ı. Band, der bis 1291 ungefähr reichen wird, im Manuscripte nahezu
vollendet und der Druckerei übergeben hat. Für die Fortsetzung
wird sich derselbe des Hrn. Dr. Scuwarm als Mitarbeiters bedienen.
Hr. Dr. Hüsser setzt seine Regesten der Gerichtsurkunden als Vor-
arbeit für eine künftige Ausgabe weiter fort.
Der Druck der Synoden des merowingischen Zeitalters, die unter
Leitung des Hrn. Hofraths Maassen Hr. Dr. Brernorz in Wien be-
arbeitet hat, geht seinem Ende entgegen und wird in einem mässigen
Bande die Reihe zum Abschluss führen. Vorbehalten bleibt die Ausgabe
der Carolingischen Synoden, eine schon lange schmerzlich empfundene
Lücke, sobald Mittel und Arbeitskräfte uns dafür zur Verfügung stehen.
Besonders wünschenswerth wäre neben den Synoden und Briefen dieser
Zeit eine Zusammenfassung von Staatsschriften, die, obgleich sie von
grosser geschichtlicher Bedeutung sind, in den Rahmen keiner von
beiden Abtheilungen recht passen wollen, wie der libri Carolini, der auf
politische oder kirchenpolitische Fragen bezüglichen Werke Agobards,
Hrabans, Hinkmars, der Schriften des Bischofs Jonas von Orleans,
der Fürstenspiegel u. s. w. Wir hoffen später eine solehe Sammlung
in’s Leben zu rufen.
In der Abtheilung Diplomata hatte Hr. vox SıckeL bei seiner
Übersiedelung nach Rom die Ausgabe der Urkunden Otto’s II. grossen-
theils den Händen des Hrn. Dr. Untixz übergeben, der von Hrn. Dr.
‚„ErgEen als Mitarbeiter unterstützt wurde. Eine durch Monate sich
hinziehende schwere Erkrankung des ersteren, die auch ‚jetzt. noch
‚keineswegs beseitigt ist, und die Anstellung des letzteren als Con-
‚servators am K. K. Heeresmuseum haben der Arbeit unverhöffte Hem-
„mungen. bereitet. Dennoch wurde dieselbe von Hrn. Dr. Ergen nach
Kräften. gefördert und in diesem Sommer 'gedenkt Hr. vox .SICKEL
persönlich .die letzte Hand daran zu legen.
Indem hiermit der Zeitraum von gıı bis 1002 seinen Abschluss
„erreicht, bereitet. sich nach zwei Seiten hin eine Fortsetzung vor.
Hr. Prof. BressLau hat für die Regierung Heinrich’s II. mit .dem. er-
spriesslichsten Erfolge den grössten Theil der deutschen und.schweize-
rischen Archive . bereits durchforscht, er gedenkt in diesem Jahre,
auf einen Mitarbeiter, Hrn. Dr. BLocn, gestützt, mit den österreichischen,
es N : e . a7
Dünmter: Monumenta Germaniae historica. 675
niederländischen und italienischen fortzufahren. Ebenso wie diese Unter-
abtheilung nunmehr mit reicheren Mitteln ausgestattet werden konnte,
ist es endlich möglich geworden, an die Urkunden der Carolinger Hand
anzulegen und Hr. Prof. MüntsAacner ist mit ihrer Herausgabe beauftragt
worden, die voraussichtlich eine ganze Reihe von Jahren in Anspruch
nehmen wird.
In der Abtheilung Epistolae ist durch Hrn. Dr. Hartmann in
Wien in dem ersten Bande auf dem von Ewarn gelegten Grunde das
Registrum Gregori in seiner ersten, 7 Bücher umfassenden, Hälfte
erledigt worden. Der Druck des zweiten Bandes hat soeben begonnen,
er wird nebst der zweiten Hälfte Einleitung und Register für das Ganze
nachtragen. In dem dritten Bande sind dem eodex Carolinus noch
weitere 22 grösstentheils aus Italien stammende Briefe angehängt
worden. Das von Hrn. Dr. GunprAcH, der aus der Reihe der Mit-
arbeiter ausgeschieden ist, begonnene Register wird durch Hrn. Dr.
RopENBERG in nächster Zeit vollendet werden. Für den vierten mit
den Briefen Alkvin’s zu eröffnenden Band sind die Vorarbeiten soweit
fortgeschritten, dass der Beginn des Druckes im nächsten Winter zu
gewärtigen ist. Der Druck des dritten und letzten Bandes der Re-
gesta pontifieum seleeta saec. XIII. wurde durch längere Beurlaubung
des Hrn. RopDEnBErRG unterbrochen, wird aber unzweifelhaft noch in
diesem Rechnungsjahre abschliessen.
Die von Hrn. Dr. HErZzBErG-FrÄnKen in Wien bearbeiteten Salz-
burger Todtenbücher, vorläufig die letzte Publication dieser Art, sind
in ihrem Texte fertig gedruckt, aber die überaus mühsamen Register
erfordern noch eine längere Arbeitsfrist. Von dem dritten Bande der
Carolingischen Dichter, den Hr. Dr. Trauvge in München jetzt allein
fortsetzt, befindet sich ein zweites Heft unter der Presse, welches die
Carmina Gentulensia, Agius, Bertharius, Hinkmar, Heirich von St. Ger-
main und einige kleinere Stücke enthalten soll.
Die Redaction des Neuen Archivs ist in bewährter Weise durch
Hrn. Prof. BressLau bis zum ı7. Bande fortgeführt worden. Es wäre
dringend zu wünschen, dass die Abnehmer der Monumenta Ger-
maniae noch mehr als bisher die nothwendige Zugehörigkeit dieser
Zeitschrift zu der Quellensammlung anerkennen wollten.
Einzelne Vergleichungen oder Abschriften wurden im verflossenen
Arbeitsjahre freundlichst besorgt von den HH. Asrrerano in Cremona,
STARZER, TsScHEDEeL und Kaurmann in Rom, Graf Soranzo in Venedig,
von A. MoLiier in Paris, JeavEes und Sommer in London, HERZBER6G-
FrÄnker, Mıcn. Mayr und Taneı in Wien, H. Warrmann in St. Gallen.
Handschriften wurden theils mittelbar, theils unmittelbar aus vielen
auswärtigen Bibliotheken uns zur Benutzung eingesendet: neben den
Sitzungsberichte 1592. 60
- 4 a x
676 Gesammtsitzung vom 7. Juli.
deutschen Bibliotheksvorständen verdienen besondere Hervorhebung
die nie ermüdende Gefälligkeit des Hrn. Derisıe in Paris, ferner
Hr. Sinker in Cambridge, Hr. Owverteaux in Brüssel und Hr. Prof.
von Harte in Wien. Auch dem Auswärtigen Amte des Deutschen
Reiches bleiben wir hierbei für seine Vermittelung zu fortgesetztem
Danke verpflichtet.
Wenn auch in Folge der oben erwähnten Unterbrechung von
unseren Arbeiten im vergangenen Jahre nicht so viele an’s Licht
treten konnten, wie in manchen der früheren, so ist deshalb die
Thätigkeit doch auf allen Gebieten eine gleich rege geblieben: eine
noch regsamere verspricht sie in den nächsten Jahren zu werden
durch die lange ersehnte Erhöhung unserer Mittel, welche wir der
huldvollen Würdigung der hohen Reichsregierung zu verdanken haben.
Ausgegeben am 14. Juli.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
677
1892.
AXXNVI
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
14. Juli. Sitzung der physikalisch-mathematischen Ulasse.
Vorsitzender Seecretar: Hr. Auwers.
l. Hr. Munk las den Schluss seiner nunmehr hier folgenden Ab-
handlung über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde.
2. Hr. Scuusze sprach über einen Fall schützender Ähnlichkeit
unter Vorzeigung einiger Exemplare von Lithinus Hildebrandti auf Parmelia
crinita Acu. aus Madagascar.
Sitzungsberichte 1892. 61
Re
679
Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde.
Von Hermann Monk.
Hierzu Taf. VI.
1:
en ich in der Rinde des Hinterhauptslappens die Sehsphaere und
in der Rinde des Schläfenlappens die Hörsphaere erkannt hatte, liess
mich die weitere Untersuchung vor vierzehn Jahren die Rinde des
Scheitellappens als eine dritte Sinnessphaere, als die Fühlsphaere an-
sprechen. Im Bereiche dieser Rinde hatte man durch elektrische
Reizungen Bewegungen von Körpertheilen, durch Exstirpationen Störun-
gen in den natürlichen Bewegungen derselben Körpertheile herbei-
geführt; und daraufhin hatten die Meisten motorische oder psyceho-
motorische Funetionen der Rindenpartie zugeschrieben. Andere jedoch
hatten solche motorische Funetionen der Rindenpartie in Abrede ge-
stellt und in jenen Bewegungsstörungen nichts anderes als den Ausdruck
von Störungen der Hautsensibilität oder des Muskelsinnes gesehen.
Die widersprechenden Anschauungen konnte meine Untersuchung ver-
söhnen, indem sie für die Rindenpartie Funetionen nachwies, welche
im hergebrachten Sinne zum Theil motorischer, zum Theil sensibler
Art waren. Mittels der Analyse einerseits der Wahrnehmungen und
Vorstellungen des Gefühlssinnes, andererseits der Störungen, welche
infolge der Exstirpationen zur Beobachtung kommen, legte ich ‚dar,
dass, wie die Rinde im Hinterhauptslappen zum Gesichtssinne, und
im Schläfenlappen zum Gehörssinne, gerade so sie im Scheitellappen
in Beziehung zum Gefühlssinne steht, indem in der Rinde des Scheitel-
lappens die specifischen Empfindungen, Wahrnehmungen und Vorstel-
lungen des Gefühlssinnes zustandekommen und die zugehörigen po-
tentiellen Erinnerungsbilder ihren Sitz haben!.
Der Natur der Sache nach konnte, was ich damals gab, nur
ein erster Abriss von der Fühlsphaere sein, welchen weitere Unter-
suchungen zu vervollkommnen, zu verbessern und auszuführen hatten.
! Herwm. Munk, Über die Funetionen der Grosshirnrinde. Gesammelte Mit-
theilungen. Zweite Auflage. Berlin 1890. S. 3 —4, 32— 58.
61*
680 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. Juli.
Doch dazu war die Folgezeit nicht angethan, in welcher man noch
darum stritt, ob den verschiedenen Abschnitten der Grosshirnrinde über-
haupt verschiedene Funetionen zukommen, die verschiedenen Sinne an
verschiedene Rindenpartien gebunden sind. Ja, indem man in dem
mehr als leidenschaftlichen Kampfe, welcher dagegen geführt wurde,
Gefühlssinn und Gemeingefühle durcheinanderwarf, Bewegungsstörun-
gen mit Muskellähmungen verwechselte, hier die motorische und dort
die sensible Seite der Fühlsphaere vernachlässigte, endlich auch ge-
wisse Erscheinungen der Restitution, deren Aufhellung durch den
Versuch noch nicht unternommen war, zu unüberwindlichen Wider-
sprüchen aufbauschte, ging unter der angerichteten Verwirrung sogar
zugleich alles Licht verloren, das bis dahin auf den Scheitellappen
gefallen war. Trotz den überaus zahlreichen Veröffentlichungen über
den Scheitellappen kommt deshalb über gewisse vereinzelte 'That-
sachen, besonders die Reizerfolge betreffend, der sichere und aner-
kannte Erwerb zur Zeit nicht hinaus; und selbst ein erster zuverlässiger
Einblick in die Leistungen der Scheitellappen-Rinde kann nicht ge-
wonnen scheinen, wo noch die Grundlagen für jedes Urtheil der-
maassen in Frage stehen.
Ist die Rinde im Bereiche des Scheitellappens exstirpirt oder
ähnlich verletzt, so besteht nach Hrn. Scnirr' Verlust des Tast- und
Berührungsgefühles der Haut ohne wahre motorische Lähmung. Die
Sensibilitätsstörung, die tactile Anaesthesie, ist die einzige direete Folge
der Verletzung, von welcher alle anderen secundär abhängen; Störungen
in der Bewegung können unter Umständen lange fehlen. Nicht für einen
einzigen Muskel oder eine einzige Muskelgruppe ist durch die Exstir-
pation die centrale Bewegung gelähmt, ebensowenig sind die Bewe-
. gungen geschwächt; Paralyse oder Parese ist nirgends vorhanden.
Gerade umgekehrt ist nach Hrn. FERRIER? die tactile Empfindlichkeit in
keiner Weise geschädigt, besteht keinerlei Anaesthesie; sondern Lähmung
(Paralyse) der willkürlichen Bewegung ohne Beeinträchtigung der Em-
pfindung ist die Folge der Verletzung, rein motorisch ist die Affeetion.
Nieht minder scharf stellen sich die Gegensätze in anderer Riehtung
dar. Man hat, seitdem Hr. Nortusacer? es zuerst bemerkte, vielfach die
Folgen der Verletzung sich wieder ausgleichen lassen, mehr oder weniger
weit, in kürzerer oder längerer Zeit, und man hat auch nach dem Ersatze
für die vernichtete Rindenpartie gesucht. Dem entgegen leugnet Hr.
! Arch. f. exper. Pathologie, Bd. 3. 1875. S. 176—8; Prrücer’s Arch. Bd. 30. 1883.
S.215—9, 223, 229, 263. — Ich behalte überall, wo ich die Angaben anderer Autoren
zu erwähnen habe, soweit es nur angeht, den Wortlaut bei.
®? Functions of the Brain, 2"d edition, London 1886. p. 358,362, 377, 378.
® Vırcaow’s Arch. Bd. 57. 1873. S. 184.
Munk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 681
Scnirr! jede Wiederherstellung der Functionen; bloss eine Besserung
der Symptome soll erfolgen, indem das Thier sich an die bleibenden
Störungen durch compensatorische Bewegungen accommodirt, aber die
wirklichen und wesentlichen Folgen der Exstirpation sollen niemals
sich zurückbilden. Ebenso ist nach Hrn. Ferrrer” die Paralyse per-
manent: nur scheinbar komme es beim Hunde zur Restitution, da die
wesentlich corticalen Bewegungen nie wiederkehren.
Und noch in einer dritten Richtung stossen wir auf schroffe Wider-
sprüche. In weiterer Ausführung einer Beobachtung, welche die HH.
Frırscn und Hrrzıs bei ihren ersten Versuchen gemacht hatten’, lässt
Hr. Ferrıer’ die Paralyse infolge der Verletzung einer Rindenstelle
überall diejenigen Bewegungen und nur die Bewegungen betreffen,
welche durch elektrische Reizung von derselben Rindenstelle aus oder,
wie Hr. FeErrıer sagt, durch Reizung des motorischen Centrums, welches
der Sitz der Läsion ist, herbeigeführt werden. Dem ist jedoch nicht
so nach Hrn. Scuirr’, da man auch nicht exeitable Stücke in der
Nachbarschaft der exeitablen Zone ausschneiden und in betreff der
Bewegungen den Erfolg der Lähmung der vermeintlichen Rindencentra
erhalten könne. Vollends hält Hr. Gorrz” die Annahme kleiner um-
schriebener Centren noch neuerdings für widersinniger als je, wenn
er auch die funetionelle Ungleichwerthigkeit einzelner Lappen des
Grosshirns nicht mehr bestreitet.
Aus diesen Gegensätzen und Widersprüchen, die noch dazu mannig-
fache Verwickelungen unter einander bieten, finde ich also vor allem
die Wahrheit herauszuschälen, indem ich jetzt auf die Scheitellappen-
Rinde zurückkomme. Ich halte unsere Kenntniss der Sehsphaere und
der Hörsphaere im wesentlichen nunmehr für genügend gesichert nicht
bloss durch die experimentellen, sondern auch durch die übereinstim-
menden klinischen Erfahrungen, um wieder an die verwickeltere Fühl-
sphaere herantreten zu dürfen, für deren richtige Auffassung jene Kennt-
niss mit zu Hülfe kommt. Ich will versuchen, die Grundzüge der Fühl-
sphaere soweit festzulegen, dass in der Folge auch die Untersuchung
dieser Sinnessphaere in geregeltem Fortschritte zu tieferer Einsicht führen
kann. Doch werde ich weder an meine eigenen älteren Mittheilungen
über die Fühlsphaere noch an andere Veröffentlichungen unmittelbar
anknüpfen, um die Darlegung möglichst kurz und durchsichtig ge-
1 Prrücer's Arch.-Bd. 30. 1883. S. 216, 227, 229, 241, 273.
2 Functions etc. (2) p. 354, 357, 364, 368—73.
3 Reicnerr’s und pu Bors-Reymonv’s Arch. 1870. S. 331.
2 Eunctions ete.-((2). Px357,.354.
5 Prrüser’s Arch. Bd. 30. 1883. S. 228 — 9, 235, 239 — 40.
6 Ebenda Bd. 42. 1888. S. 433
682 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 14. Juli.
stalten zu können. Ich darf von geschichtlichen Ausführungen um
so eher absehen, als erst jüngst eine vollständige Übersicht über das
Gebiet von Hrn. Sourr' gegeben worden ist.
Bezüglich meiner Exstirpationsversuche, von welchen im folgenden
die Rede ist, sei im allgemeinen bemerkt, dass die Operationen an
Affen unter Aethernarkose, an Hunden unter combinirter Morphium-
Aethernarkose ausgeführt, die Abtragungen mit dem Messer gemacht,
die Heilungen in S—ı2 Tagen per primam erfolgt und die Thiere bis
zum Tode gesund geblieben sind. Ort und Umfang der Exstirpation
sind überall durch die Section festgestellt, der Ort nach den Furchen
und Windungen bestimmt, der Umfang nach der gelb erweichten, noch
nicht 1"”” dieken Grenzschicht, welche die zu einer derben fibrösen Masse
verwachsenen weichen Bedeckungen der Exstirpationsstelle mit der
unversehrt erhaltenen Hirnsubstanz verband. Natürlich sind mir auch
solche Versuche vorgekommen, bei welchen durch Quetschung. Blutung,
Entzündung u. dergl. m. die Nachbarschaft der Exstirpationsstelle ge-
schädigt war; aber alle diese Versuche sind als missglückte grundsätzlich
ausser Acht geblieben, wo nicht besondere Angaben gemacht sind’?.
2.
Wird im Bereiche des Abschnittes der Grosshirnrinde, welcher
vom Sulcus calloso-marginalis über die Convexität der Hemisphaere
bis zur Basis, beim Hunde etwa in der Breite des Gyrus sigmoideus,
beim Affen zwischen dem Sulcus praecentralis einerseits und dem Suleus
intraparietalis und der Fissura Sylvii andererseits sich erstreckt, ein
Stück der Rinde exstirpirt, in verschiedenen Versuchen an verschie-
denen Stellen, so sieht man bei Hund wie Affen Störungen in den
Bewegungen folgen an Kopf, Hals, Arm und Bein der gegenseitigen
Körperhälfte. Desto auffälliger sind die Störungen, je grösser die
Exstirpation war, und desto häufiger betreffen sie zwei, ja hin und
! Les fonctions du cerveau. Paris 1891.
® Gerade so habe ich es auch bei meinen früheren Mittheilungen gehalten und
wenn auch nur nach den ausgedehntesten und schwierigsten Operationen eine leichte,
oberflächliche Haut-Eiterung bei Versuchen, die zur Verwendung kamen, sich nicht hatte
ausschliessen lassen, es regelmässig angegeben. Aber dass ich letzteres that und dass ich
wiederholt die lehrreichen Erscheinungen beschrieb, welche sich zeigen, wenn Ent-
zündungen während oder lange nach der Verheilung der Wunde von der Exstirpations-
stelle aus um sich greifen |[s. z. B. Functionen u. s. w. (2) S. ı8 (1877) und vergl. Gouz,
Prrücer’s Archiv Bd.42. 1888. S.429— 30], ist, wo man meine Erfolge nicht erzielen
konnte, mehrfach benutzt worden, um meine Versuche als unrein, ungenau u. dgl. m.
auszugeben. Dem für die Folge möglichst vorzubeugen, habe ich hier die Bemerkungen
im Texte an die Spitze gestellt.
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Sützungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1892. Taf VO.
Munk : Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde.
er
Munk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 683
wieder sogar drei jener Körpertheile zugleich; aber schon nach einer
Exstirpation von 5"" Länge und Breite sind die Störungen bemerklich,
die dann in der Regel auf einen einzelnen der genannten Körpertheile
sich beschränken. Stets schwächen sich die Störungen mit der Zeit
ab; wo mehrere Körpertheile zugleich betroffen waren, sind sie oft
schon nach wenigen Tagen an dem einen oder dem anderen Körper-
theile nicht mehr aufzufinden.
Doch nicht regellos bald an diesem, bald an jenem Körpertheile
treten die Störungen in den Bewegungen auf; sondern von entschei-
dender Bedeutung erscheint nach den Versuchen, ob die Exstirpation
weiter vorn oder weiter hinten, mehr medial oder mehr lateral in
unserem Rindenabsehnitte ausgeführt ist. Systematische Versuchsreihen,
bei welchen wir mit Exstirpationen von 5—10"" Länge und Breite
möglichst von Stelle zu Stelle fortschreitend den Rindenabschnitt durch-
messen, steHen dann die Abhängigkeit vom Orte der Verletzung noch
schärfer heraus. Beachten wir bei diesen Versuchsreihen, welche
Körpertheile frei von Störungen, welche von vorneherein oder nach
wenigen Tagen allein geschädigt erscheinen, so finden wir an unserem
Rindenabschnitte vier Regionen zu unterscheiden, wie sie die Figg. 1—4
in verschiedener Schraffirung zeigen. Wir können dieselben als Kopf-
region #, Hals-(Nacken-)Region H, Armregion D und Beinregion © be-
zeichnen, indem wir den Namen der Region jedesmal den Körpertheil
angeben lassen, an welchem immer und ausnahmslos Störungen auf-
treten, wenn eine Rindenexstirpation von den angegebenen Dimen-
sionen die Region betroffen hat. Nicht ausgeschlossen ist dabei, dass
zugleich auch an einem anderen Körpertheile sich Störungen zeigen.
So bringt z. B. eine Exstirpation in D immer Störungen am Arme mit
sich; aber daneben können noch Störungen am Kopfe oder am Halse
oder am Beine folgen. Die letzteren Störungen stellen sich manchmal
ein, wenn die Exstirpation die Grenze von E oder H oder © erreicht,
doch sind sie dann nur in den ersten Tagen zu bemerken. Öfter
kommt dasselbe zur Beobachtung, wenn die Exstirpation die Grenze
der Nachbarregion ein wenig überschreitet. Sonst zeigen sich, wo
eine Exstirpation zwei benachbarte Regionen betroffen hat, die Stö-
rungen an beiden zugehörigen Körpertheilen von längerer Dauer.
Unser Rindenabschnitt stellt sich danach als ein Aggregat im
Prineip funetionell gleichwerthiger Regionen dar, deren jede nur einen
anderen Körpertheil beherrscht. Und damit lässt sich auch in Über-
einstimmung finden, was die Reizversuche an unserem Rindenabschnitte
ergeben; denn es zeigen sich die Rindenstellen, von welchen aus durch
schwache elektrische Reizung Bewegungen eines Körpertheiles zu er-
zielen sind, immer innerhalb derjenigen Region gelegen, welcher
684 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 14. Juli.
derselbe Körpertheil nach den Ergebnissen der Exstirpationen zu-
gehört!. Die weitere Untersuchung der Functionen des Rindenab-
schnittes knüpft deshalb vortheilhaft an die Regionen an. Unter
ihnen empfehlen sich aber besonders die Arm- und die Beinregion,
weil die Störungen uns an den Extremitäten am auffälligsten ent-
gegentreten; und wir wählen beide Regionen zugleich wegen der engen
Verbindung, in welcher die Bewegungen beider Extremitäten zu
einander stehen.
Auch noch ein anderer Gesichtspunkt bestimmt uns zu der letzteren
Wahl. Natürlich wollen die Figg. ı—4 nicht die Regionen -Grenzen
als genau bestimmte gelten lassen, wie diese Grenzen auch eben deshalb
nicht mit Linien angegeben sind. Unsere Methode der Exstirpationen
lässt ja überhaupt nieht scharfe Abgrenzungen zu; und wäre dem auch
anders, so würden doch die gezeichneten Grenzen nicht allgemeingültig
sein wegen der Variationen, welche Furchen und Windungen, die uns
zur Orientirung dienen, von Fall zu Fall darbieten können. Unter
Umständen und gerade bei der Abgrenzung der Arm- von der Bein-
! Vergl. Functionen u.s. w.(2)S.160. — Seitdem ich zuerst 1878 die Regionen unter-
schied (ebenda S. 33, 49), sind dieselben, manchmal unter dem Namen »Felder«, eine
vielbenutzte Bezeichnung geworden, auch wo man hinsichtlich der Bedeutung der Re-
gionen mir nicht beipflichtete. Wenn Hosstey und Scnärer |Ph. Tr. R. S. 1888, B, p. 1;
(ScHÄrer) Beiträge zur Physiologie, Festschrift für C. Lupwıs, 1887, S. 269] bei ihrer
neuerlichen Abgrenzung der Regionen des Affen mit Hülfe von Reizversuchen hervorge-
hoben haben, dass meine Regionen vornehmlich, wenn nicht ganz, auf Abtragungsver-
suchen fussen, so werden sie über den vermeintlichen Vorzug ihres Verfahrens inzwischen
wohl durch die Reizbarkeit des Hinterhaupts- und des Schläfenlappens, welche sie jetzt
ihrer Gesichtsregion zuzurechnen hätten, eines Besseren belehrt sein. Arm-, Bein-,
Kopf- u.a. Regionen, wie ich sie suchte, waren eben nur durch Exstirpationen zu
ermitteln; und bloss als bemerkenswerth liess sich vorerst hinstellen, wie ich es a. a. ©.
that — was freilich Horstey und ScnÄrer nicht beachtet haben —, dass im Bereiche
Jeder Region auch die Rindenstellen gelegen sind, von welchen aus durch Reizung
Bewegungen des entsprechenden Körpertheiles sich herbeiführen lassen. Horstey und
ScHÄFER irren weiter mit der Angabe, dass niemand vor ihnen den Gyrus marginalis
untersucht habe; denn ich habe schon 1878 mitgetheilt: »Die Hinterbeinregion erstreckt
sich beim Affen wie beim Hunde auch über die mediale Fläche der Hemisphaere bis
zum Gyrus fornicatus. Ob das gleiche für das vorderste Stück der Vorderbeinregion
des Affen gilt, weiss ich nicht; sicher aber gilt es nicht für die Vorderbeinregion des
Hundes. Diese Region erstreckt sich nicht einmal . . bis zur Fissura longitudinalis,
sondern zwischen dem medialen Ende ihrer vorderen Hälfte und dem Gyrus fornicatus
liegt an der oberen und medialen Fläche der Hemisphaere ... die Nackenregion«
[Functionen u. s. w. (2) S. 54; vergl. auch S. 55 u. 58]. Für die Nackenregion des
Affen halten sich Horstey und ScHÄrer an die erste Andeutung derselben, welche ich
ı878 in der Abbildung gab, und übersehen, dass ich die Region 1882 medialwärts
ausgedehnter angab (ebenda S.ı67). Mit der Hinzufügung, dass Arm- und Nacken-
region des Affen bis zum Sulcus calloso - marginalis sich erstrecken, liefern die Horstev-
ScnÄrer’schen Ermittelungen die schönste Bestätigung meiner Regionen — bis auf die
Rumpfresion. Dass diese Region Horstey und ScuÄrer zu Unrecht in den Gyrus
marginalis zwischen Arm- und Beinregion verlegen, werden wir später sehen.
Munk: Uber die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 685
region kommen aber noch besondere Schwierigkeiten hinzu. So tritt
beim Hunde dort, wo das mediale hintere Endstück der Vorderbein-
region zu suchen ist, ein Convolut grosser Venen, welche geschont
werden müssen, den Versuchen hindernd in den Weg; und eben-
dieselben und andere grosse Venen, welche das Blut vom Gyrus sig-
moideus abführen, gehen nahe dem medialen Rande des Gyrus dicht
bei einander auf die Dura über, so dass Exstirpationen der Vorder-
bez. Hinterbeinregion nicht auszuführen sind, ohne dass zugleich die
Hinter- bez. Vorderbeinregion durch eine erhebliche Störung der
Bluteireulation beeinträchtigt wird. Für die Verfolgung der Arm-
region allein oder der Beinregion allein könnten daraus Gefahren
erwachsen, und wir entgehen ihnen, wenn wir beide Regionen zugleich
der Untersuchung unterziehen.
Der äusseren Grenzen der Extremitätenregionen — so will ich
Arm- und Beinregion zusammen fortan nennen — vergewissern wir
DO fe)
uns noch durch besondere Prüfungen. In eigenen Versuchsreihen be-
ginnen wir mit kleinen Exstirpationen innerhalb der Extremitäten-
regionen und schreiten von Versuch zu Versuch zu immer grösseren
Exstirpationen vor. Dabei sehen wir die Störungen von Arm und
Bein mehr oder weniger regelmässig an Umfang und Dauer wachsen,
bis die Exstirpation die gezeichneten Grenzen der Extremitätenregionen
erreicht hat. Aber wenn dann die Exstirpation, gleichviel nach welcher
Seite hin, noch weiter ausgedehnt ist, finden wir, die Störungen von
Arm und Bein nieht mehr verstärkt, sondern nur neue Störungen
anderer Körpertheile hinzugekommen. Die Totalexstirpation unserer
Extremitätenregionen führt also in den Störungen von Arm und Bein
das Maximum herbei, das überhaupt erreichbar ist: gerade wıe es zu
erwarten war, wenn unsere Figuren mit ausreichender Genauigkeit
innerhalb der Scheitellappen-Rinde das Gebiet abgrenzen, welches Arm
und Bein beherrscht. j
Die gute Ausführung dieser Versuche stösst auf gewisse Schwierig-
keiten, besonders wo es sich um die Entfernung der medialsten Rinden-
partien handelt. Ich will deshalb genauer beschreiben, wie ich die
Totalexstirpation der Extremitätenregionen vornehme, welche in Bezug
auf fehlerfreie Durchführung die misslichste und zugleich die wichtigste
aller Operationen ist. Es wird danach auch für die anderen Fälle sich
leicht übersehen lassen, wie die Schwierigkeiten zu überwinden sind.
Beim Hunde schreiben die Art des operativen Vorgehens die Venen
vor, mit welchen das verhältnissmässig kleine Operationsgebiet in aus-
nehmend grosser Zahl ausgestattet ist, inbesondere die 5—6 Venen,
welehe ganz nahe bei einander fast senkrecht zum Sinus longitudinalis
verlaufen. Diese Venen sind so zart und treten, allermeist schon in
686 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 14. Juli.
einigem Abstande vom medialen Rande der Convexität, so knapp, mit
so geringem Zwischenraume von der Pia zur Dura über, dass weder
ihre Unterbindung noch ihre Torsion ausführbar ist. Aber auch bloss
die Venen des Suleus praecruciatus, des S. eruciatus und des S. post-
eruciatus dürfen verletzt werden, während die an der vorderen und
der hinteren Grenze gelegenen Venen sorgfältig zu schonen sind. In-
folge dessen ist im günstigsten Falle doch nicht mehr als ein äusserst
beschränkter Blick auf die mediale Fläche des Operationsgebietes zu
gewinnen und auch ein solcher nur mit Blutungen zu erkaufen, welche
für das Operiren hinderlich sind und, wenn nicht die Erhaltung des
Thieres, jedenfalls die Reinheit und Brauchbarkeit des Versuches in
Frage stellen. Vortheilhaft verzichtet man deshalb gänzlich auf die
Inspection der medialen Fläche und sehlägt das folgende Verfahren
ein, das allerdings eine grössere Vertrautheit mit dem Hundehirn voraus-
setzt, besonders damit die Exstirpation bis an den Gyrus fornicatus
reicht, aber dafür die besten Chancen dadurch bietet, dass oft gar
keine Blutungen auftreten oder nur unbedeutende, welche durch das
Andrücken von Wattestückchen leicht zu stillen sind.
Nach Anlegen der Schädellücke, etwas grösser als die convexe
Fläche der Extremitätenregionen, wird die Dura möglichst weit lateral-
wärts und dann den Rand der Schädellücke entlang so weit gespalten,
als es ohne Verletzung der Venen geschehen kann, und ihr abge-
trennter Zipfel gegen den Sinus longitudinalis zurückgeschlagen. Hart
am medialen Rande der Vene des Suleus eoronalis und weiter medial-
wärts vorn wie hinten an den gezeichneten Grenzen der Extremitäten-
regionen, wiederum soweit es ohne Verletzung der Venen möglich
ist, wird dann senkrecht zur Hirnoberfläche die Rinde durchschnitten
und die umsehnittene Rindenpartie vom lateralen Schnittrande her
parallel der Hirnoberfläche bis nahe zur medialen Fläche der Hemi-
sphaere unterschnitten. Jetzt wird das Messer mit einem dünnen und
schmalen Holzstäbchen — einem passend zugerichteten Scalpellstiele —
vertauscht und dieses unterhalb der unterschnittenen Rindenpartie zu-
erst, indem man es zugleich etwas senkt, medialwärts vorgeschoben,
bis es die Falx in der ganzen Länge der Extremitätenregionen er-
reicht hat, dann unterhalb der vorderen wie der hinteren Grenzvene
von unten nach oben geführt, so dass hier die Rindensubstanz ohne
Verletzung der Grenzvenen durchtrennt wird. Nachdem der allseitig
losgelöste Rindenlappen in einem Stücke entfernt ist, wird schliess-
lich mit dem Messer in der ganzen Ausdehnung des Suleus coronalis
die Rinde ı— 2”” weit lateralwärts unterscehnitten und, wo noch
graue Substanz des Sulcus eruciatus sichtbar ist, dieselbe heraus-
gehoben:
ee Te
Mvnk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 687
Beim Affen ist die Totalexstirpation der Extremitätenregionen
leichter und sicherer ausführbar als beim Hunde, weil die im Ope-
rationsgebiete zum Sinus longitudinalis ziehenden Venen weiter aus-
einanderliegen, auch weniger zart sind und weniger knapp, überdies
erst am medialen Rande der Convexität von der Pia zur Dura über-
treten. Man stellt die Schädellücke etwas grösser als die. convexe
Fläche der Extremitätenregionen her und schlägt die passend ge-
spaltene Dura in einem Zipfel medialwärts gegen die Falx, in zwei
Zipfeln lateralwärts zurück. Die vom frontalen Schenkel des Suleus
praecentralis zur Falx verlaufende Vene wird geschont, ebenso die
Vene des Suleus parieto-oceipitalis; die 2—3 dazwischen gelegenen
Venen werden doppelt unterbunden, das eine Mal dicht am Sinus
longitudinalis, und zwischen den Unterbänden durchschnitten. An
der nunmehr bequem zugänglichen medialen Seite der Hemisphaere
durchschneidet man die Rinde senkrecht zur Oberfläche im Suleus
calloso-marginalis, soweit derselbe die Extremitätenregionen begrenzt,
und wenn sein hinteres Ende nicht die Gonvexität erreicht, noch in
seiner Verlängerung bis zur Gonvexität und trägt scheibenförmig in
einem Stücke die ganze mediale Partie der Extremitätenregionen ab.
Danach wird die an der Convexität gelegene Partie der Extremitäten-
regionen mit flachen, der Oberfläche parallelen Messerschnitten ab-
getragen, nachdem man sie durch senkrechte Einschnitte dieht hinter
der vorderen und dicht vor der hinteren Grenzvene isolirt hat. Man
hat dabei darauf zu achten, dass auch die kleine Rindenpartie der
Convexität, welche zwischen dem Ende des Sulcus calloso -marginalis
und dem Sulcus parieto-oceipitalis gelegen ist, mit entfernt wird.
Schliesslich wird mit dem Messer die Rinde unterhalb der vorderen
und der hinteren Grenzvene 1— 2”” weit unterschnitten und, wenn
noch graue Substanz des Sulcus Rolando sichtbar ist, dieselbe heraus-
geschnitten, auch die unter der Vene im Sulcus parieto-oceipitalis
gelegene Rinde mit einem dünnen und schmalen Scalpellstiele heraus-
gehoben.
Die Störungen, welche nach soleher Totalexstirpation der Extremi-
tätenregionen in den Bewegungen von Arm und Bein zur Beobachtung
kommen, sind beim Hunde der Art, wie sie als Folgen der Exstirpation
des Gyrus sigmoideus schon vielfach beschrieben worden sind. Wenn
der Hund nach Ablauf der Narkose geht, bewegt er die gegenseitigen
Extremitäten schlecht, indem er sie zu hoch oder zu wenig hoch
hebt, und setzt sie schlecht auf, so dass sie auf den Rücken der
Zehen, das Vorderbein sogar manchmal auf den Rücken des Fusses
zu stehen kommen u. dergl.-m.; daher und weil die Extremitäten leicht
abgleiten, fällt der Hund oft nach der unverletzten Seite um. Aber
688 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. Juli.
von Tag zu Tag macht sich eine Besserung bemerkbar, bis, wenn
einige Wochen vergangen sind, der -Hund derart stehen, gehen und
laufen kann, dass er dem Uneingeweihten wie ein unversehrtes Thier
sich vorführen lässt. Daran will ich vorläufig nur erinnern und hin-
zufügen, dass ähnlich auch der entsprechend verstümmelte Affe sich
verhält, bei welchem nur die Abnormitäten zu allen Zeiten hoch-
gradiger sind. Im übrigen werden die Störungen in den Bewegungen,
über welche ich hier flüchtig hinweggehe, ihre eingehende Behand-
lung später finden, wenn wir die mehr elementaren Störungen be-
trachtet haben, auf welche wir bei der genaueren Untersuchung der
Thiere stossen. Dann werde ieh auch die beiderseitige Totalexstir-
pation der Extremitätenregionen behandeln, von welcher vorerst nur
gelegentlich einmal und mehr beiläufig wird die Rede sein.
B
An dem Hunde, dessen Extremitätenregionen der einen, sagen
wir der linken Seite total exstirpirt sind, zeigt sich die Empfindlich-
keit sonst überall normal. aber an den rechten Beinen verändert, wie
besonders gut an den Füssen, nur mehr im groben an den oberen
Gliedern der Extremitäten zu constatiren ist. Fährt man an dem frei
stehenden Hunde unversehens mit dem weichen Pinsel über einen
linken Fuss oder berührt man den Fuss leicht mit einem Stabe oder
dem Finger, so sieht der Hund sofort hin, und er hebt zugleich etwas
das Bein, wenn die Berührung nicht ganz zart war. Drückt man
ein wenig den Fuss, so zieht ihn der Hund, das Bein kräftiger hebend,
fort und läuft davon oder führt den Kopf gegen den Fuss, um zu
beissen. So ist hier alles wie beim normalen Thiere. Dagegen ist
an unserem Hunde,. vorausgesetzt immer dass er den Angriff nicht
sieht, Berührung eines rechten Fusses mit Pinsel, Stab oder Finger
zu allen Zeiten wirkungslos. Um einen Erfolg zu sehen, muss man
den Fuss drücken, in der ersten Zeit äusserst stark, dann immer
weniger stark, bis endlich ein mässiger Druck genügt. Und immer
besteht der Erfolg darin, dass unter sehr kräftiger Bewegung der
Glieder des betroffenen Beines der Fuss fortgezogen wird. Der Hund
sieht nicht hin, noch führt er den Kopf dahin, er setzt sich nur
öfters in Gang. Wird, wenn die Reaction begonnen hat, der Druck
noch fortgesetzt und das Bein in seiner Bewegung gehemmt, so kommt
es zu ausgedehnteren und schliesslich allgemeinen Strampelbewegungen
des Hundes, der zugleich winselt, knurrt, um sich beisst.
Auch wo die Verletzung nicht ganz die Ausdehnung unserer
Totalexstirpation hat, lassen sich in der Regel die geschilderten Wahr-
Bir.»
Mvnk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 689
nehmungen machen, aber nicht immer. So ist es gekommen, dass,
während alle anderen neueren Untersucher darin übereinstimmen, dass
die Exstirpation des Gyrus sigmoideus bei Hund und Katze Störungen
in der Empfindlichkeit der gegenseitigen Extremitäten mit sich bringt,
Hr. Beeuterew' die Beeinträchtigung der Sensibilitätssphaere als nicht
nachweisbar hinstellt. Der Widerspruch erklärt sich daraus, dass
Hr. BEecaterEw, wie man erfährt, »nur die Region der Hemisphaeren-
oberfläche exstirpirte, deren Erregung bei schwacher elektrischer
Reizung Muskelzuckung in den Gliedern bewirkt« und »in der Rich-
tung nach hinten und aussen die Grenze der zerstörten Region nicht
den Rand der Windung um ungefähr 2—4"”"” erreichte«. Nach solcher
Exstirpation kann man in der That beobachten, was Hr. Beenterew
mm
angiebt, dass auf leichtes Kratzen der affıieirten Extremität der Hund
sich nach der Gegend der Reizung umsieht u. s. w. Aber die von
Hrn. BECHTEREw am hinteren äusseren Rande des Gyrus sigmoideus
zurückgelassene Rinde steht eben nicht, wie er glaubte, ausser Be-
ziehung zu den Extremitäten, sondern beeinflusst, wie sich später
noch genauer durch Reiz- und Exstirpationsversuche ergeben wird,
die Beweglichkeit und Empfindlichkeit besonders am Vorderfusse.
Hrn. Becuterew hat gegenüber den anderen Untersuchern, welche
gleichfalls den Extremitäten zugehörige Rindenpartien zurückliessen,
das Missgeschick getroffen, dass die Unvollkommenheit gerade seiner
Exstirpation infolge der Lage und Qualität des Rindenrestes hier ver-
hängnissvoll war: ihm liessen die ersten Prüfungen, da das Thier auf
Berührung hinsah, Empfindlichkeitsstörungen so sicher ausgeschlossen
scheinen, dass er irrthümlich auf eine weitere Untersuchung verziehten
zu dürfen meinte; für die Anderen genügten dieselben nächstliegenden
Prüfungen, Empfindlichkeitsstörungen ausser Zweifel zu stellen.
Man könnte sagen, die Empfindlichkeit der rechten Extremitäten
unseres Hundes sei herabgesetzt oder abgestumptt. Aber damit wäre
nur ein erster und unzureichender Ausdruck dem Beobachteten ge-
geben. Denn von anderen Folgen zeigt sich die Verletzung für den
Gefühlssinn, von anderen für die Gemeinempfindlichkeit, wenn wir
darunter die Empfindlichkeit verstehen, die nicht zu Sinnesempfin-
dungen führt. Die Sinnesempfindungen, die Berührungs- oder Druck-
empfindungen, kommen schon bei einer geringeren Grösse des An-
griffes der Haut zustande, als die Folgen der Gemeinempfindlichkeit;
aber was sie vor allem und unabhängig von der Reizgrösse charak-
terisirt, das sind ihre Localzeichen, welche untrennbar mit ihnen
verknüpft sind. Diese Sinnesempfindungen müssen daher für die
! Neurolog. Centralbl. 1883. S. 409; Prrücer’s Arch. Bd. 35. 1885. S. 137.
690 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. Juli.
rechten Extremitäten durch die Verletzung für immer fortgefallen
sein, weil nach diesen Extremitäten hin der Hund, der den Angriff
nicht sieht, nie mehr Augen und Kopf bewegt, auch wenn der Druck
sonst erfolgreich ist. Dagegen ist die Gemeinempfindlichkeit der
rechten Extremitäten nicht durch die Verletzung verloren; sie ist nur
zuerst sehr herabgesetzt, nimmt aber mit der Zeit wieder zu.
Das verschiedene Verhalten von Sinnesempfindungen und Gemein-
empfindlichkeit springt auch bei anderweitigen Prüfungen in die
Augen.
Kleine, scharf gezahnte, stark federnde Klemmen an der Haut
der rechten Extremitäten unseres Hundes, am besten wiederum an
den Füssen angebracht, bleiben in der ersten Zeit nach der Hirn-
verletzung ohne Wirkung, später aber führen sie regelmässig Schreien,
Winseln, heftige Bewegungen herbei. Legen wir zu dieser Zeit
unserem Hunde bei verbundenen Augen, nachdem er sich an den
Verband gewöhnt hat, eine Klemme gleichmässig an die vier Füsse
der Reihe nach an, so zeigt sich folgendes. Nach dem linken Vorder-
fusse fährt der Hund sofort, nach dem linken Hinterfusse höchstens
mit kurzem Verzuge, den er benutzt, um sich zu setzen oder zu
legen, mit dem Kopfe hin; und er fasst die Klemme mit den Zähnen
und zerrt an ihr, bis er sie abgenommen hat. Dagegen wird, wenn
ein rechter Fuss angegriffen ist, das betroffene Bein hochgezogen,
und der Hund fängt zu laufen an; bald bewegt er dabei das Bein
in der Luft heftig hin und her, ohne es aufzusetzen, bald schlägt
er es wiederholt mit aller Macht auf den Boden auf, so dass es laut
schallt, u. dergl. m.: und ist unter allen den Bewegungen die Klemme
nicht unwirksam geworden, so legt sich der Hund meist schliesslich
wie resignirt auf den Bauch und lässt sich durch nichts bewegen
aufzustehen, ehe die Klemme entfernt ist. Nur hin und wieder ein-
mal kommt es vor, dass auch hier der Hund den Kopf den Füssen
nähert; aber dann sind es wiederum die linken Füsse, gegen welche
hin er unter Linksdrehung den Kopf bewegt, und nie wendet er sich
unter Rechtsdrehung nach den rechten Füssen hin. Der Hund hat
also durch die Klemme, ob sie links oder rechts wirkt, Schmerz-
empfindungen; aber wo es ihn schmerzt, weiss er im letzteren Falle
nicht, weil ihm die mit Localzeichen versehenen Sinnesempfindungen
der rechten Extremitäten fehlen. Sind dem Hunde die Augen nicht‘
verbunden und wird ihm die Klemme unversehens bei abgelenkter
Aufmerksamkeit angelegt, so ist im übrigen alles ebenso, nur dass
für den Fall des rechten Vorderbeines der Gesichtssinn öfters zu
Hülfe kommt: der Hund sieht dann nach einiger Zeit, manchmal
schon nach den ersten heftigen Bewegungen, die Klemme am rechten
ver
Mvsk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 691
Vorderfusse und nimmt sie mit den Zähnen ab. Wird dem Hunde
ein Fleischstück zugeworfen, so dass es dicht neben oder auf den
rechten Vorder- oder Hinterfuss fällt, so folgt ihm der Hund mit
Augen und Kopf und nimmt es sofort wie der normale Hund unter
Rechtsdrehung auf“.
Untersuchen wir weiter unseren Hund, während er von einem
Gehülfen mit der einen Hand unter dem Kinn gestützt, mit dem
anderen Arm an der hinteren Partie der Brust umfasst, senkrecht
emporgehalten wird. Die Beine hängen ruhig herab, die rechten
schlaffer als die linken, und der Hund kann nicht sehen, wie man
an den Füssen hantirt. Fährt man an einem linken Fusse oberhalb
der Nägel leicht mit dem Finger von unten nach oben über die
Haare hin, so beugen sich bei leisestem Streichen ganz kurz und
schwach entweder die Zehen oder auch der Fuss, und erst bei weniger
leisem Streichen bewegen sich zugleich die oberen Glieder, so dass
ein blitzartiges Zucken des Beines, eine schwache Bewegung aller
Glieder erfolgt. Legt man ferner Daumen und Zeigefinger zu beiden
Seiten der Zehen an, so kommt es, wenn man sehr zart zufasst,
entweder nur zu einer kurzen und schwachen Streckung der Zehen
oder auch zu einer kurzen und schwachen Beugung des Fusses; und
lässt man dann nicht los oder hat man von vorneherein weniger zart
zugefasst, so bewegen sich auch noch stark die oberen Glieder, und
mit abwechselnden Streekungen und Beugungen sucht sich das Bein
den Fingern zu entziehen. Von alledem sieht man nichts und zu
keiner Zeit, ob früh oder spät nach der Hirnverletzung, wenn man
in gleicher Weise mit einem rechten Fusse verfährt. Man muss die
! In seinen ersten Abhandlungen hat Govrz bei Hunden mit grossem Substanz-
verluste beider Hälften des Grosshirns eine Störung beschrieben, welche er als »mangel-
haftes« oder »mangelndes Ortsfindungsvermögen« bezeichnete und als »die natürliche
Folge der Störungen in der Benutzung aller Sinneswerkzeuge« ansah (PrLüser’s Arch.
Bd. 14. 1877. S.431—5; Bd. 20. 1879. S.19—20, 22). Er hatte dort auch Versuche
mit Anlegen von Drahtklemmen an die Haut gemacht und constatirt, dass »niemals
die gereizte Stelle methodisch mit der Schnauze untersucht wurde, wie dies von un-
versehrten Hunden doch stets geschieht«. Danach, fährt er fort, »erwartete ich,
dass die Thiere mit einseitig durchspültem Hirn sich vielleicht an der einen Hälfte
ihres Körpers zurechtfinden würden und an der anderen nicht. Der Erfolg war indess
ein anderer. Auch Hunde, die nur die Verstümmelung einer Hälfte ihres Grosshirns
erlitten haben, vermögen eine ihnen z. B. auf den Schwanz oder die Vorhaut oder
die Zehen gesetzte Klemme nicht zu finden. Sie wandern unter Äusserungen des.
Unbehagens oder des Schmerzes umher, führen aber nicht die Schnauze zu der ver-
letzten Stelle. Alle diese Thiere hatten mehrere Gramm Gehirn eingebüsst« (a. a. O.
Bd. 14. S. 434). Diese nicht bloss nach dem Texte oben, sondern auch nach der
Gesammtheit meiner Erfahrungen nicht zutreffende Angabe, die übrigens in den spä-
teren Mittheilungen von Gourz nicht wiederkehrt, lässt sich nur dadurch erklären,
dass bei den Gorrz’schen Durchspülungen der einen Hemisphaere auch die andere
Hemisphaere durch den operativen Eingriff beschädigt worden war.
692 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. Juli.
Zehen in den ersten Tagen nach der Operation sehr stark, später
allerdings mit der Zeit immer weniger stark, aber doch auch schliess-
lieh noch etwas drücken, damit eine Reaction eintritt. Und diese
Reaction besteht immer zunächst in einer kräftigen und langen Be-
wegung der oberen Glieder des Beines und dieser allein. Erst wenn
der Druck über das erforderliche Mindestmaass hinausgegangen ist,
schliessen sich Fuss und Zehen mit Beugung an; und dann tritt auch
die Bewegung des gleichnamigen Beines der anderen Seite hinzu,
wenn diese nicht, wie es häufig vorkommt, sogar schon eher erfolgt ist.
Wieder könnte man von einer Herabsetzung der Reflexerregbar-
keit für die rechten Extremitäten sprechen wollen. Aber das Unzu-
treffende, ja Unrichtige solcher Auffassung liegt auf der Hand. Denn
läge bloss eine Herabsetzung der Reflexerregbarkeit vor, so müssten,
wenn wir den Druck amwachsen lassen, an den rechten Extremitäten
die Bewegungen nur bei höherem Drucke eintreten, im übrigen aber
dieselben sein wie an den linken Extremitäten. Das ist jedoch nicht
der Fall. Vielmehr stellen sich an den rechten Extremitäten, sobald
der Druck am Fusse wirksam geworden ist, ganz andere Bewegungen
ein und kommen diejenigen Bewegungen, welche an den linken Ex-
tremitäten der Berührung des Fusses folgen, überhaupt nie zur Be-
obachtung. Die letzteren Reflexbewegungen, die Berührungsreflexe,
wie sie der normale Hund zeigt — kurze und schwache Bewegungen,
mit wachsendem Reize von den unteren zu den oberen Gliedern der
Extremität fortschreitend —, sind demnach an den rechten Extremi-
täten unseres Hundes für die Dauer ganz fortgefallen. Und erhalten
sind dort nur die Gemeinreflexe — lange und starke Bewegungen,
mit wachsendem Reize von den oberen zu den unteren Gliedern der
Extremität fortschreitend —: Reflexe, wie wir sie, und zwar gleich-
falls ausschliesslich, bei Hunden finden, welche durch Encephalome-
ningitis oder mässige Narkose bewusstlos sind, oder welchen die
Medulla oblongata oder ein Stück des Rückenmarkes von den höheren
Theilen des Centralnervensystemes vollkommen abgetrennt ist. Für
diese Gemeinreflexe der rechten Extremitäten ist die Reflexerregbar-
keit zunächst nach der Verletzung sehr herabgesetzt und nimmt mit
der Zeit an Grösse zu.
4.
Mit dem Verluste der Extremitätenregionen büsst also der Hund
die Berührungs- oder Druckempfindungen der zugehörigen Extremitäten
und, wie sich nach den Versuchen von selbst versteht. auch die Be-
rührungs- oder Druckwahrnehmungen, welche aus jenen Empfindungen
a . .. zu . . > ‘
Munk: Uber die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 693
hervorgehen. für die Dauer ein. Damit stellt sich der Seh- und der
Hörsphaere gegenüber unsere Scheitellappen-Rinde als die Fühlsphaere
der Grosshirnrinde dar, insofern. wie in der Hinterhauptslappen - Rinde
die Liehtempfindungen und Gesichtswahrnehmungen und in der Schläfen-
lappen-Rinde die Schallempfindungen und Gehörswahrnehmungen,, so
in der Scheitellappen - Rinde die Gefühlsempfindungen und Gefühls-
wahrnehmungen zustandekommen. Vorausgesetzt ist dabei freilich. dass.
was sich vorerst nur durch grobe Prüfungen herausgestellt hat, dass
die verschiedenen Regionen der Scheitellappen-Rinde im Prineip
funetionell gleichwerthig sind, auch bei der genaueren Untersuchung
sich stichhaltig erweist. Aber wir dürfen das mit um so grösserem
Rechte erwarten. als es ja ganz der sogenannten Projeetion der Netz-
häute auf die Sehsphaeren entspricht, dass auch bei dem zweiten
äumlichen Sinne, dem Gefühlssinne, feste Beziehungen zwischen den
Bezirken der peripherisehen Sinnesfläche einerseits und der centralen
Sinnesfläche andererseits bestehen. die verschiedenen Partien der Haut
verschiedenen Partien der Scheitellappen -Rinde zugeordnet sind: und
wir werden in der That unsere Erwartung nicht getäuscht sehen.
Noeh ein anderer Parallelismus tritt uns sogleich entgegen. Wir
hatten auseinanderzuhalten den Retina- oder Opticusrefilex, welcher
ohne das Grosshirn unter Vermittelung niedererer Centralorgane zu-
standekommt, und die Sehreflexe. welehe nur unter Mitwirkung der Seh-
sphaere sich vollziehen." Gerade so stehen hier die Gemeinreflexe
und die Berührungsreflexe einander gegenüber, von welchen wir die
letzteren, nicht aber die ersteren mit den Extremitätenregionen unter-
gegangen fanden. Und wenn wir weiter zweierlei Sehretlexe zu unter-
scheiden hatten. angeborene und erworbene, so bedarf es nur der
Umschau in den obigen Versuchen, um die entsprechenden zweierlei
Fühlretlexe, die angeborenen in den von uns so genannten Berührungs-
reflexen. die erworbenen in den Augen-. Kopf- und anderen Be-
wegungen zu erkennen. Doch müssen wir für jetzt der Versuchung
widerstehen, in der Richtung tiefer einzudringen, und der Bedeutung
unserer weiteren Ermittelungen nachgehen.
Die Gemeinempfindlichkeit zeigt sich nach dem Verluste der Ex-
tremitätenregionen an den zugehörigen Extremitäten zwar erhalten,
aber doch verändert: die Reflexerregbarkeit für die Gemeinreflexe ist
zuerst nach der Verletzung sehr herabgesetzt, desgleichen die Schmerz-
empfindlichkeit, und beide nehmen nur mit der Zeit an Grösse zu.
Solehe mit der Zeit zurückgehende Störungen unterliegen von alters-
her” dem Verdachte, dass sie die Folgen nicht sowohl des Verlustes
! Functionen u. Ss. w. (2) S. 306.
2 S. ebenda S. 77.
Sitzungsberichte 1392. 62
694 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 14. Juli.
des Hirntheiles. als vielmehr der mit seiner Beseitigung unbeabsieh-
tigt verknüpften Schädigung anderer ÜOentraltheile sind. Man hat
ihnen deshalb früher für die Frage nach der Function der abgetragenen
Hirntheile gar keine oder eine geringe und ungewisse Bedeutung bei-
gemessen und sie vielfach ganz vernachlässigt. Bei der neueren Unter-
suchung (der Grosshirnrinde hat sich auch der Verdacht in vielen Fällen
als berechtigt erwiesen. So z. B. bei den Gefühls- und Bewegungs-
störungen nach Exstirpationen innerhalb der Hinterhauptslappen -Rinde
oder bei den Sehstörungen nach Exstirpationen innerhalb der Scheitel-
lappen-Rinde oder, um noch nächstliegendes zu wählen, bei den Be-
wegungsstörungen am Kopfe und am Halse nach Exstirpationen inner-
halb der Extremitätenregionen; denn diese Störungen sind nicht nur
in der Zeit veränderlich, sondern schwanken auch bei anatomisch
gleicher Exstirpation von Fall zu Fall an Ausdehnung und Stärke;
sie ergeben sich dureh die Seetion mit Blutung, Entzündung u. dergl.
in der Nachbarschaft der Exstirpationsstelle verbunden; und was die
Hauptsache ist. sie bleiben aus, wo Operation und Heilung ohne
unglücklichen Zufall verlaufen. Aber derartigen Störungen lässt sich
offenbar unsere Veränderung «der Gemeinempfindlichkeit nicht bei-
gesellen. da sie stets in der geschilderten Weise bei den wohlgelungenen
und reinen Versuchen wiederkehrt. Sie könnte danach höchstens
auf einer nicht vermeidlichen Unvollkommenheit der Versuche be-
ruhen: und ob dem so ist, wie man es behauptet hat, müssen wir
der Prüfung unterziehen.
Nach Hrn. Gortz' sind unter den Störungen, welche der Hirn-
verletzung folgen, wie bei den Störungen nach Rückenmarksdurch-
schneidung,. von den Ausfallserscheinungen, welche bleibender Natur
und durch die Vernichtung oder dauernde Zusammenhangstrennung
der nervösen Substanz bedingt sind, die Hemmungserscheinungen zu
unterscheiden, welche vergänglich sind. Unmittelbar nach der voll-
ständigen Durchtrennung des Rückenmarkes werden die reflectorischen
Funetionen des abgetrennten Rückenmarkstückes fast vollständig ver-
misst, und allmählich treten sie immer deutlicher werdend hervor.
Danach müssen die Centren im abgetrennten Stücke des Rückenmarkes,
die doch nicht erst neu entstehen können, sich einige Zeit nach der
Verletzung in einer Art von Seheintod befinden, aus welchem sie
allmählich zu neuer Thätigkeit erwachen: die Lebenserscheinungen
der Gentren müssen gehemmt sein. Der Anlass zur Hemmung sei in
dem Acte «der Operation zu suchen. Nicht Quetschung oder Erschüt-
" Pruücer’s Arch. Bd. 20. 1879. S. 17; vergl. Bd. 13. 1876.'S.34, 39 415
Bd. 14. 1877. S. 441—3.
Munk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 695
terung des unteren Rückenmarkes, noch Ernährungsstörungen desselben
bedingen die Hemmung, sondern auf dem Nervenwege komme sie
zustande. indem während des ganzen Vernarbungsprocesses die Schnitt-
enden des Rückenmarkes fortwährend einer Reizung unterliegen,
welche sieh namentlich nach unten durch die ganze Masse des Rücken-
markes fortpflanze. Diese, wenn auch milde, doch durch ihre Dauer
sehr intensiv wirkende Reizung hemme die Gentren, zu welchen sie
gelangt. in ihrer Thätigkeit. Von einer eigentlichen entzündlichen
Reizung brauche dabei keine Rede zu sein: der einfache Heilungs-
vorgang an den Schnittenden genüge, um diese merkwürdige hem-
mende Fernwirkung auszuüben. Ähnlich liege die Sache beim Gross-
hirn. Jede Verletzung dieses Organes könne je nach der Lage und
Ausdehnung eine Reihe von Funetionshemmungen in denjenigen Ge-
bieten des Gehirnes und sogar des Rückenmarkes herbeiführen, welche
durch den Operationsaet gar nicht direct beschädigt worden seien.
Oft sei nur ein kleiner Theil der Störungen, welche unmittelbar nach
der Verletzung zur Beobachtung kommen, als Ausfallserscheinung zu
betrachten. d.h. dureh die Verniehtung von Hirnsubstanz bedingt.
Der ganze Rest der Erscheinungen sei den Hemmungsvorgängen zu-
zuzählen, d.h. davon abhängig. dass Nervencentren, die noch vorhanden
sind, für Zeit ihre Funetionen eingestellt haben. Alle Theile des
centralen Nervensystemes können nach einer Verletzung der Grosshirn-
rinde eine Hemmung ihrer Funetion erleiden. In erster Linie sei der
unverletzte Rest des Grosshirns selbst zu nennen. In der Umgebung
der Hirnwunde seien erhebliche Abschnitte der Randzone theils ge-
quetscht oder gezerrt, theils leiden sie unter der veränderten Blut-
bewegung: aber oft werde auch durch Fernwirkung der ganze übrige
Rest des Grosshirns unmittelbar nach der Operation ausser Function
gesetzt. Auf das Mittelhirn und Kleinhirn erstrecke sich nach grossen
Verletzungen der Rinde die Hemmungswirkung. Selbst das verlängerte
Mark und das Rückenmark können bei Hunden nach ausgedehnter
Zerstörung des Grosshirns Hemmungswirkungen unterliegen. In den-
Jenigen Fällen z. B., in welchen unmittelbar nach der Operation die
Hemianaesthesie so hochgradig sei, dass die Thiere bei Quetschung der
betreffenden Pfoten diese gar nicht bewegen, müsse eine solche Fern-
wirkung vorliegen. Wäre nämlich das Rückenmark und verlängerte
Mark ganz unberührt, so müsste die Quetschung der Pfote doch min-
destens eine Reflexbewegung zur Folge haben.
In diesen Ausführungen liegt sichtlich ein Mangel an Folgerichtig-
keit, indem im Falle der Rückenmarksverletzung die Hemmungserschei-
nungen — unter Ausschluss von Quetschung, Erschütterung, Ernäh-
rungsstörung — dahin begrenzt werden, dass sie nur auf dem Nerven-
62*
696 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 14. Juli.
wege durch eine Reizung der Schnittenden des Rückenmarkes zustande-
kommen, bei der Gehirnverletzung dagegen. obwohl es sich bloss um
eine natürliche Folgerung aus den Ergebnissen am Rückenmarke han-
deln soll!, die Folgen von Quetschung, Zerrung, Ernährungsstörung in
die Hemmungserscheinungen einbezogen werden. So ist IIr. GouLTz
dazu gekommen, die Störungen nach Hirnverletzung. welche durch
(Quetschung. Blutung, Entzündung u. s. w. veranlasst waren — und
deren gab es bei der Grösse seiner Hirnverstümmelungen und der Art.
wie er sie ausführte. recht viele —., als Hemmungserscheinungen vor-
zuführen: und er hat den Fehler erst später, wenn auch nicht mit der
nöthigen Klarheit, verbessert”, indem er von den übrigen Nebenwir-
kungen der Verletzung die »echten Hemmungserscheinungen« trennte.
Aber wenn wir von jener Schwäche absehen, bleibt der Kern der
Ausführungen. dass sie die Hemmungswirkungen von den Folgen der
Rückenmarksverletzung auf die der Hirnverletzung übertragen und,
was für uns besonders wichtig ist. gerade eine Veränderung der Ge-
meinempfindlichkeit. wie sie uns beschäftigt. als Hemmungserscheinung
hinstellen. In letzterer Hinsicht spricht sich Hr. GoLrz noch an an-
derer Stelle” mit aller Bestimmtheit aus: »Es lässt sich übrigens mit
mathematischer Sicherheit beweisen. dass unter den Störungen, welche
wir im ersten Stadium der Verstümmelung antreffen, echte Hemmungs-
erscheinungen sein müssen. Wenn man einem Hunde. welchem ein
ausgiebiger Theil des linken Grosshirns herausgespült ist, ın den
ersten Stunden nach der Operation die rechte Hinterpfote kneift, so
stösst er keinen Schmerzensschrei aus, er macht aber auch keine Spur
einer anderen Reflexbewegung. Mache ich dieselben Versuche mit
einem Thier. welches vor Monaten eine vollständige Durchtrennung des
Rückenmarks erlitten hat. so zieht das Thier die gekniffene Pfote mit
1.Gourz, Proöüser's Arch. Bd.13.1876. 8.40.
®? Gorrz, ebenda Bd. 34. 1884. S.456: »Dagegen hat man an meiner Auffassung
der Hemmungserscheinungen vielfach Anstoss genommen, ohne jedoch, wie mir scheint,
sachlich sich von mir zu entfernen. Es kam mir darauf an, zu zeigen, dass nach jeder
Zerstörung eines Hirnstückes nicht bloss diejenige Substanz ihre Functionen einstellt,
welche vernichtet ist, sondern dass auch in weiter Ausdehnung noch erhaltene Hirn-
abschnitte eine Abschwächung ihrer Thätigkeit erfahren. Die beabsichtigte Zerstörung
bringt die Hauptwirkung, nämlich die Ausfallserscheinungen hervor. Neben diesen
treten namentlich in der ersten Zeit nach der Verletzung zahlreiche andere Störungen
in noch vorhandenen Organen auf, die ich, WrrnıckeE’s Vorschlag gern annehmend,
fortan Nebenwirkungen nenuen will. Dahin gehören z. B. die Störungen, welche
durch die entzündliche Reizung der Nachbarschaft der Verletzung erzeugt werden.
Dahin rechne ich ferner die Störungen durch die unvermeidlichen Änderungen der
Blutbewegung in den erhalten gebliebenen Hirntlieilen. Zu den Nebenwirkungen zähle
ich dann endlich auch diejenigen Fernwirkungen, welche echte Hemmungserscheinungen
darstellen. «
® Ebenda Bd. 13. 1876. 8. 41.
> Mvnk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 697
grosser Heftigkeit fort: Das Centrum für diesen Reflex liegt eben im
Lendenmark. Warum versagt nun dieser Reflex bei dem Thier, welches
ein unversehrtes Rückenmark. aber eine frische Gehirnwunde besitzt?
Offenbar deshalb, weil das betreffende rechtsseitige retleetorische Gen-
trum im Rückenmark in Folge seiner Verknüpfung mit der frischen,
links gelegenen Hirnwunde eine Hemmung erlitten hat. Diese Hem-
mung kann selbstverständlich nur auf dem Nervenwege bewirkt sein.
Von einer direeten Schädigung des Rückenmarks durch grobe mecha-
nische Erschütterung oder durch Anomalieen der Blutbewegung kann
keine Rede sein.«
Bei näherer Betrachtung finden wir indess die grundlegenden
Verhältnisse am Rückenmarke viel weniger einfach. als sie Hrn. GorLTtz
erschienen. Wir verfolgen nach der vollkommenen Querdurchschnei-
dung des Rückenmarkes am letzten Brustwirbel, wie sie Hr. GoLTz
für seine Studien bevorzugt hat', am emporgehaltenen Hunde die
Retlexbewegungen der herabhängenden Hinterbeine und sehen die
anfangs nur geringe Reflexerregbarkeit durch lange Zeit allmählich
wachsen. Am Tage der (unter Aethernarkose ausgeführten) Operation
tritt nur auf sehr starkes Drücken der Zehen eine schwache Bewe-
gung von Ober- und Unterschenkel desselben Beines ein; mit der
Zeit ist ein immer schwächerer Druck schon wirksam und ruft dabei
nicht bloss immer stärkere, sondern auch immer ausgedehntere, die
oberen Glieder des anderen Beines und auch die unteren Glieder
beider Beine umfassende. Bewegungen hervor: endlich genügt schon
ein ganz schwaches Drücken der Zehen, um sofort höchst kräftige
Bewegungen beider Beine in allen ihren Gliedern herbeizuführen. Die
letzte Stufe, bei welcher es dann bleibt, ist 6—8 Wochen nach der
Operation erreicht. Aber schon nach 2-—3 Wochen ist die Wunde,
wie Sectionen lehren, in der Tiefe wie an der Oberfläche völlig ver-
narbt. Daher können Vorgänge, welche mit der Heilung. der Wunde
zusammenhängen. höchstens einem ersten Theile der Zunahme der
Retlexerregharkeit des Lendenmarkes zugrundeliegen. und der zweite
Theil muss eine andere Ursache haben.
Wir kommen noch weiter, wenn wir uns an das von FREUSBER6”
studirte sogenannte Taetschlagen halten, an die rhythmischen und an
beiden Beinen regelmässig abwechselnden, in Beugung und Streckung
bestehenden Bewegungen, welche man zu Zeiten, sobald man den
Hund emporhebt. an den herabhängenden Hinterbeinen beobachtet.
Es sind Reflexbewegungen, durch Zerrung und Dehnung sensibler
Theile an den der Schwere überlassenen Beinen bedingt; denn sie
l
Prrücer’s Arch. Bd. 8. 1874. S. 460.
? Ebenda Bd. g. 1874. S. 358.
698 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. Juli.
hören auf und treten nicht wieder ein, wenn die Beine genügend
gestützt. ihre Glieder weniger gestreckt sind. Das Tactschlagen hebt
3—4 Wochen nach der Operation mit schwachen und spärlich wieder-
holten Bewegungen eines Beines an und bildet sich mit der Zeit immer
mehr aus, bis es 6—8 Wochen nach der Operation bezüglich seiner
Andauer, wie der Häufigkeit und Stärke der Bewegungen beider Beine
(len Höhepunkt erreicht. auf dem ich es durch Monate habe verbleiben
sehen. Damit sind wiederum für den zweiten Theil der Zunahme.
welche die Retlexerregbarkeit des Lendenmarkes erfährt, Beziehungen
zu Vorgängen der Wundheilung ausgeschlossen. Zugleich aber springt
es für ebendiesen Theil in die Augen, dass überhaupt gar nicht eine
herabgesetzte Reflexerregbarkeit ihre ursprüngliche Grösse wieder-
gewinnt. sondern vielmehr ein wahres Ansteigen der Reflexerregbar-
keit weit über die Norm hinaus erfolgt. Denn die Retlexerregbarkeit
des Lendenmarkes zeigt ja am unversehrten Thiere nie die für das
Zustandekommen des Taectschlagens erforderliche Grösse; und dass
doch etwa dort eine solche Grösse gewissermaassen latent besteht und
nur durch eine ständige Thätigkeit von Hemmungsnerven, welche vom
oberen Theile des Centralnervensystemes zum Lendenmarke ziehen,
nicht zur Erscheinung kommt. ist dadurch ausgeschlossen, dass nach
der Querdurchsehneidung des Rückenmarkes die Ausbildung des Taet-
schlagens und überhaupt alle Zunahme der Reflexerregbarkeit immer
nur ganz allmählich vor sich geht.
Dieses Ansteigen der Reflexerregbarkeit kann aber auch nicht
seine Ursache in einer Veränderung haben, welcher infolge der mit
der Abtrennung verbundenen Gefässverletzungen die Ernährung des
Lendenmarkes seitens des Blutes für die Dauer unterliegt. Da bei
unseren langlebigen Hunden bloss die Gefässe des Rückenmarkes an
der Schnittstelle verletzt sind, ist es nach der Art der Gefässverthei-
lung am Rückenmarke nicht anzunehmen, dass nieht durch den Gol-
lateralkreislauf alsbald wieder die frühere Blutversorgung des Lenden-
markes hergestellt sein sollte. Wäre dem jedoch auch anders, so
könnte die Ernährung des Lendenmarkes immer nur beeinträchtigt
sein, und dann müsste seine Reflexerregbarkeit gerade nicht für die
Dauer erhöht. sondern herabgesetzt sich zeigen; denn regelmässig
sehen wir diese Reflexerregbarkeit. ob sie noch im Ansteigen begriffen
oder schon mehr oder weniger lange constant ist, abnehmen, sobald
unsere Hunde an Verdauungsstörungen, Bronchialkatarrh u. s. w. er-
kranken, und wieder zunehmen, wenn die Hunde nicht zugrunde-
gehen, sondern gesunden‘. Wir sind daher zu dem Schlusse genöthigt,
1
Vergl. FREUSBERG, PFLÜGER’sS Arch. Bd. 9. 1874. S. 362, 380.
Mvnk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 699
dass unser Ansteigen der Reflexerregbarkeit die reine Folge des Ab-
getrenntseins des Lendenmarkes ist. Ohne dass also irgendwelche
unbeabsichtigten und nebensächlichen Wirkungen der trennenden
Operation oder der Fortfall einer ständigen 'Thätigkeit von Hemmungs-
nerven im Spiele sind, allein und ganz ausschliesslich infolge
davon, dass die nervösen Verbindungen, welche zwischen dem Lenden-
marke und dem übrigen Centralnervensysteme in der Norm bestehen.
aufgehoben sind, erfährt das Lendenmark fortschreitende innere Ver-
änderungen, bis es eine neue Verfassung angenommen hat, —
wovon das Ansteigen seiner Reflexerregbarkeit bis zu einem Maxi-
mum, auf welchem dieselbe verharrt. der Ausdruck ist. Ich werde
diese Veränderungen in der Folge kurz Isolirungsveränderungen
nennen.
Für unseren ersten Theil der Zunahme der Reflexerregbarkeit
sind nunmehr neben den Folgen der Quetschung und Erschütterung,
der Cireulationsstörung, der Verheilung der Wunde auch noch die
Isolirungsveränderungen in Betracht zu ziehen, die ja nicht gerade
mit der Vernarbung der Wunde ihren Anfang nehmen können; und
damit stehen wir vor so vielen Unbekannten. dass wir auf eine ge-
nauere Zergliederung verzichten müssen. Schon der groben Aufklä-
rung stellen sich Schwierigkeiten in den Weg. Um den Einfluss der
Quetschung und Erschütterung. wie der Circulationsstörung einiger-
maassen zu übersehen, habe ich Versuche ausgeführt. bei welchen die
genannten Umstände weniger schädlich auf das Lendenmark wirken
mussten, Versuche mit Querdurchschneidung des Rückenmarkes in der
Höhe des 3. oder 4. Brustwirbels. Hier fand sich in den ersten
Tagen nach der Operation die Reflexerregbarkeit des Lendenmarkes
regelmässig grösser, als wo das Rückenmark in der Höhe des letzten
Brustwirbels durchtrennt war, wenn beidemal wohlgelungene Ver-
suche in Vergleich kamen: nach mehreren Tagen war der Unterschied
nicht mehr deutlich. Wollten wir nun gar danach annehmen, dass,
wenn etwa 8 Tage seit der Querdurchschneidung am letzten Brust-
wirbel verflossen sind, Quetschung, Erschütterung und Cireulations-
störung keine Bedeutung mehr für das Verhalten der Reflexerregbar-
keit haben, so liesse sich, dass in der Folge noch Folgen der Wund-
heilung im Gorrz’schen Sinne, sei es ausschliesslich, sei es neben
Isolirungsveränderungen vorliegen, doch nur erschliessen, wenn die
Reflexerregbarkeit ferner noch gegen die Norm herabgesetzt wäre.
Darüber ist aber nichts auszumachen, weil nicht mit der hier erfor-
derlichen Genauigkeit sich feststellen lässt, welche Retlexerregbarkeit
dem Lendenmarke des normalen Hundes zukommt: ich habe kein
Mittel ausfindig zu machen gewusst, um an den Beinen des unver-
700 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 14. Juli.
sehrten Hundes Retlexbewegungen herbeizuführen, bei welchen jede
Mitbetheiligung des Gehirnes al& ausgeschlossen gelten durfte.
Unter diesen Umständen könnte man es sogar bezweifeln wollen.
dass die Gortz’sche Annahme einer mit der Heilung verknüpften
Reizung der Schnittenden des Rückenmarkes, welche die Gentren des
Lendenmarkes hemmt, überhaupt in der Wirklichkeit zutrifft. Darin
würde man jedoch zu weit gehen. Denn ich habe bei den Versuchen
mit hoher Durchsehneidung des Rückenmarkes in einigen! Fällen. in
welchen die Heilung den besten Verlauf nahm, die Reflexerregbarkeit
des Lendenmarkes einige Stunden nach der Operation wesentlich grösser
gefunden, als am folgenden Tage; am dritten Tage war sie etwa
ebenso gross wie einige Stunden nach der Operation, am vierten Tage
grösser. Hier bietet für das anfängliche Sinken der Reflexerregbarkeit
der Eintritt der für die Heilung erforderlichen reactiven Entzündung?
die natürliche und allein mögliche Erklärung: so dass die Goutz’sche
Annahme eine zuverlässige Stütze gewinnt”. Hr. Gorrz hat nur darin
gefehlt, dass er Vorgänge der ersten Zeit nach der Operation über
ihre natürlichen Grenzen hinaus noch zu einer späteren Zeit hat eine
Rolle spielen lassen.
Auch nach der Querdurchschneidung des Rückenmarkes am 3. oder
4. Brustwirbel treten uns die Isolirungsveränderungen am abgetrennten
Rückenmarksstücke entgegen. indem dessen Reflexerregbarkeit durch
6—8 Wochen bis zu einem Maximum wächst. Hier wird es sogar
zweifellos, dass (diese Veränderungen schon zu einer frühen Zeit vor
sich gehen, wenn wir noch den von Hrn. Gorrz beschriebenen Kratz-
reilex' verfolgen, die eigenthümlichen Kratzbewegungen der Hinter-
beine, welche Druck oder Streichen der Haut unterhalb und zur Seite
der Brustbeines nach sich zieht. Denn dieser am unversehrten Hunde
nicht vorkommende Retlex tritt schon zu Anfang der zweiten Woche
Dass die Beobachtung nicht öfter gemacht wurde, ist wohl nur der Unter-
breehung zuzuschreiben, welche die Thätigkeit im Laboratorium von einem Tage zum
anderen erfahren musste.
2
Vergl. Funetionen u. s. w. (2) S. 273. Anm. 144.
°» Ich sollte eigentlich dem, was ich an der Gowrz’schen Annalıme bestätige,
die richtigere und schärfere Fassung &eben, dass eine Einwirkung von der
Schnittstelle her das Thätigwerden der Reflexcentren erschwert oder die
Erregbarkeit der Reflexcentren herabsetzt, da ich weder für die »Reizung«
an der Schnittstelle noch für die »Hemmung«s der Reflexcentren eintreten kann. Indess
empfiehlt es sich, dass ich die Gorrz’sche Ausdrucksweise zunächst beibehalte, weil
anderenfalls das verdunkelt würde, worauf es bei den gegenwärtigen Erörterungen an-
kommt. Wo es später ohne Schaden geschehen kann, werde ich von der schärferen
Fassung Gebrauch machen.
* Gortz, Pruücer’s Arch. Bd. ı3. 1876. S.41. — Gergens, ebenda Bd. 14. 1877.
D. 340.
Munk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 701
nach der Operation deutlich auf. Er bildet sich dann durch Wochen
besser aus, so dass er bei immer schwächerer Reizung in immer
grösserer Stärke und immer längerer Dauer erfolgt. Aber das Maxi-
mum, welches die Retlexerregbarkeit ‘des Lendenmarkes erreicht, ist
nach der hohen Querdurehsehneidung des Rückenmarkes nicht so gross,
wie nach der tiefen am letzten Brustwirbel. Es macht sich das schon
auf die Weise bemerklich, dass im ersteren Falle nie ein so schwaches
Drücken der Zehen ausreicht. Beinbewegungen herbeizuführen, wie im
letzteren Falle. Besonders gut aber erkennt man es daran, dass das
Tactschlagen nach der hohen Querdurehsehneidung nicht nur später und
langsamer sich entwickelt, sondern auch nieht bis zu soleher Dauer
und Stärke sich ausbildet, wie nach der tiefen Querdurehschneidung.
Treten wir nun mit der gewonnenen Kenntniss von den Folgen
der Rückenmarksdurchschneidung an die uns beschäftigenden Folgen
der 'Totalexstirpation der Extremitätenregionen heran, so finden wir
zuvörderst «die geringe Reflexerregbarkeit, welche sich nach der Opera-
tion für die Gemeinreflexe der zugehörigen Extremitäten zeigt, in Über-
einstimmung mit den Govtz’schen Ausführungen einer Hemmung zu-
zuschreiben, welche von der Hirnwunde aus die Reflexeentren im
Rückenmarke erfahren. Während bei den Versuchen am Rückenmarke
die Folgen von Quetschung, Erschütterung und Cireulationsstörung des
Lendenmarkes, die zu allererst in Rechnung gebracht werden mussten,
die Folgen der Wundheilung so verdeeken konnten, dass wir nur
mühsam und spurweise uns ihrer zu vergewissern vermochten, stellen
sich die letzteren jetzt. wo von den ersteren Folgen nieht die Rede
sein kann, klar in ihrer Grösse dar. Die Schnittstelle des Grosshirns
muss, wie es Hr. Gortz für den Rückenmarks-Quersehnitt angab, einer
Reizung unterliegen, welche auf dem Nervenwege die hemmende Wir-
kung ausübt; und weil mit der Zeit die Reizung abnimmt, muss die
anfangs sehr geringe Reflexerregbarkeit mit der Zeit zunehmen. Die
Ursache der Reizung liesse sich ebensowohl in Cireulationsstörungen
suchen, welche sich allmählich abgleichen, wie in der reactiven Ent-
zündung, welche selbst mit der besten Verheilung der Wunde noth-
wendig verknüpft ist. Aber wir müssen uns auf grund des anfäng-
lichen Sinkens der Reflexerregbarkeit, das wir am Rückenmarke beob-
achteten, für die letztere Möglichkeit entscheiden. Sie findet auch
noch darin eine Stütze, dass bei den missglückten Versuchen, wenn
die Heilung nicht per primam erfolgt und eine stärkere Entzündung
von der Wunde aus um sich greift, die Reflexerregbarkeit für die zu-
gehörigen Extremitäten lange auf einer so niederen Stufe verharrt,
dass sie kaum nachweisbar ist, und erst wenn die Entzündung sich
zurückbildet, langsam anwächst.
‘
702 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 14. Juli.
Aber wiederum lässt sich nur ein erster Theil der Zunahme der
Retlexerregbarkeit zu den Folgen der Wundheilung in Beziehung brin-
gen. Denn die Zunahme dauert, wie jetzt an der Zeit ist zu bemerken,
durch etwa 6 Wochen nach der Totalexstirpation der Extremitäten-
regionen an, weit also über die Vernarbung der Wunde hinaus, welche
in die zweite Woche nach der Operation fällt. Man gewinnt dafür
noch eine besondere Sicherheit, wenn man an Hunden, welchen vor
ı— 2 Monaten die linken Extremitätenregionen total exstirpirt wurden,
die gleiche Exstirpation rechterseits ausführt und die Reflexerregbarkeit
für die linken Extremitäten mit derjenigen für die rechten vergleicht:
erst 6—8 Wochen nach der zweiten Operation sieht man die links-
seitige Reflexerregbarkeit die rechtsseitige an Grösse erreichen. Es
muss demnach zu der Zunahme, welche die Wundheilung mit sich
bringt, also zu der Zunahme infolge des Abklingens der Hemmung
noch eine anderweitige Zunahme sich hinzugesellen. Und das thut
sich denn auch darin kund, dass die Retlexerregbarkeit über die Norm
ansteigt.
Eine Beobachtung in der Richtung enthält schon Hrn. GorTz
erste Abhandlung! über die Verrichtungen des Grosshirns, indem bei
Hunden, welche eine Durcehspülung des linken Hirns erlitten hatten,
der Kratzreflex-Versuch, wenn alle Hemmungserscheinungen ver-
schwunden waren, oft überraschend leicht gelang. Weiteres haben
Hr. Gereens” und Hr. GorLtz” mitgetheilt. Die Retlexerregbarkeit des
Rückenmarkes steigere sich oft einige Zeit nach der Durchspülung
des Grosshirns in ausserordentlichem Grade. Auf das erste Stadium
der Hemmung folge häufig ein Stadium einer förmlichen Entfesselung
der reflectorischen Vorgänge. Den Kratzreilex in grosser Intensität
hervorzurufen, bedürfe es dann nur eines ganz geringfügigen Reizes, —
fast nur einer Berührung der Haut, wie Hr. GorLTz sagt, der leisesten
Berührung, sogar oft nur des Streichens der Haare, wie wir von
Hrn. GEReEns hören. Dass die Bewegung rein refleetorischer Natur
ist und nicht von der Willkür beherrscht, gehe nicht bloss aus der
Art ihres Auftretens, ihrer Heftigkeit, ihrer Dauer, ihrem Verlaufe,
sondern ganz besonders auch aus dem gleichzeitigen Verhalten des
Hundes hervor, der, trotz dem nicht selten vollständig ausbleibenden
Nutzen der Bewegung. ganz gleichgültig bleibt, frisst. sich mit anderen
Dingen beschäftigt‘. Besonders deutlich trete die abnorme Reflex-
erregbarkeit auf beiden Seiten bei solchen Thieren hervor, denen
» Prrüscer’s Arch. Bd. ı3. 1876. S. 42.
?2 Ebenda Bd. 14. 1877. S. 340.
® Ebenda S. 427—8.
* GERGENS, a. a. O. S. 342. =,
3“
B
\
Y
a
Munk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 703
möglichst rasch nach Vernarbung der bei der ersten linksseitigen
Durehspülung gesetzten Verletzung ein zweiter gleicher rechtsseitiger
Angriff gemacht ist.‘ Nach Hrn. Gererns überdauerte der Zustand oft
Monate lang die vollständige Heilung der Kopfwunde. Nach Hrn. GoLTz
ging nach Wochen die anomale Erhöhung der Erregbarkeit zurück,
war die Erscheinung immer vorübergehender Natur. Später hat
Hr. Gowrz? nach beiderseitiger Ausspülung den Kratzreflex 1—2 Jahre
nach der Verstümmelung gesehen. zugleich auch andere Reflexbewe-
gungen, wobei er aber durchaus nieht leugnen wollte, dass denselben
bewusste Empfindungen vorangehen. Und als Hr. Gorrz erkannte,
dass »die Lappen des Grosshirns sicher nicht dieselbe Bedeutung
>
3
haben«‘, hat er sich auch davon überzeugt‘, dass die Steigerung der
Retlexerregbarkeit sich regelmässig nach grosser doppelseitiger Ver-
stümmelung des Vorderhirns zeigt. nicht aber nach tiefer und aus-
gedehnter Abtragung an den Hinterhauptslappen. Endlich hat neuer-
dings Hr. GoLrz’ an einem Hunde. welchem das ganze Grosshirn
abgetragen war, nach ıS Monaten neben anderen Reflexen den Kratz-
reflex:. und auch das Taetschlagen beobachtet.
Nach der Totalexstirpation der Extremitätenregionen kommt es zu
einer so hohen Retlexerregbarkeit, wie sie die HH. GoLTz und GERGENS
nach den Durchspülungen des Grosshirns sahen, für die Gemeinreflexe
der zugehörigen Extremitäten nicht. Im günstigsten Falle bedarf es
am emporgehaltenen Hunde immer noch eines schwachen Druckes
der Zehen, damit dasselbe Bein, und eines etwas grösseren Druckes,
damit auch das andere Bein in Bewegung komme. Der gleiche Druck
der Zehen an dem ungeschädigten Beine oder an den Beinen eines
unversehrten Hundes führt wohl allerlei Strampelbewegungen herbei,
aber nicht die charakteristische kräftige und lange andauernde teta-
nische Beugung der oberen Glieder des Beines, die hier erst durch
einen wesentlich stärkeren Druck zu erlangen ist. Man kann danach,
trotzdem dass die normale Reflexerregbarkeit nicht genau sich fest-
stellen lässt, über die Erhöhung der Reflexerregbarkeit nicht im Zweifel
sein: nur ist die Erhöhung hier sichtlich kleiner, als nach den Rücken-
marksdurchschneidungen. Dasselbe ist auch daraus zu entnehmen, dass
in der dritten Woche nach der Operation der Kratzreflex auftritt und
sich allmählich immer besser ausbildet, ohne dass er jedoch schliesslich
so leieht hervorzurufen und .in solcher Stärke und Dauer zu beob-
! GERGENS, a.a. 0. S. 341.
Prrüger’s Arch. Bd. 20. 1879. S. 23; Bd. 26. 1881. S. ıo0.
Ebenda Bd. 34. 1884. S. 504.
Ebenda S. 475—7, 483, 499. 502—3.
> Ebenda Bd. 51. 1892. S. 576—7.
Bm» 8 8
704 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 14. Juli.
achten ist, wie nach der hoben Durchschneidung des Rückenmarkes.
Vom Tactschlagen ist nie eine Spur zu sehen. Die grösste Höhe der
Reflexerregbarkeit findet man regelmässig, wo die Totalexstirpation
der Extremitätenregionen auf beiden Seiten ausgeführt ist, sei es dass
gleichzeitig rechts und links operirt-wurde, sei es dass der einseitigen
Operation nach ı— 2 Monaten die gleiche Operation auf der anderen
Seite folgte. Nach der einseitigen Totalexstirpation «der Extremitäten-
regionen erscheint nur manchmal dieselbe Höhe der Reflexerregbarkeit
erreicht, in der Regel ist das Maximum deutlich kleiner. In einigen
Fällen ist es mir hier aufgefallen, dass, als 2 Monate und mehr seit
der Operation verflossen waren, der Kratzreflex in seiner mittleren
Ausbildung fortbestand, aber durch die Prüfung mit Drücken der
Zehen nicht gut sich nachweisen liess, dass die Reflexerregbarkeit die
Norm überschritt. Ich bin deshalb dem Gedanken nachgegangen, dass
unter Umständen im Falle der einseitigen Totalexstirpation die Reflex-
erregbarkeit, nachdem sie bis zu ihrem Maximum gestiegen, mit der
Zeit wieder etwas sinken könnte; doch habe ich trotz vieler Mühe
von solehem Sinken mich nicht zu überzeugen vermocht.
Also auch nach unserer Hirnverletzung stellt sich ein wahres
Ansteigen der Retlexerregbarkeit über die Norm ein, wie nach den
Rückenmarksdurchschneidungen. Ich muss auf diese Erkenntniss ein
besonderes Gewicht legen, weil Hr. GoLrz, obwohl er in seiner zweiten
Abhandlung, wie wir sahen, von der »anomalen Erhöhung« der Retlex-
erregbarkeit nach der Grosshirn -Durchspülung sprieht und die Reflex-
erregbarkeit »sich oft in ausserordentlichem Grade steigern« lässt,
doch den Sachverhalt, man dürfte sagen, hartnäckig verkannt hat.
Denn in seinen späteren Abhandlungen sagt er, wo er die Erklärung
der Steigerung der Reflexe versucht': »Wenn . . beim unversehrten
Thiere ein ähnlicher Reiz, z. B. ein Flohstich statt hat, so wird
in erster Linie das Rückenmark erregt. Fast gleichzeitig bekommt
aber auch das Gehirn Nachricht von dem Vorfalle und das Willens-
organ kann nun nach Belieben den Reflexvorgang der Kratzbewegungen
spielen lassen, verstärken und richtig leiten oder aber diesen Reflex
hemmen, wenn das Gehirn anderweitig durch wichtigere Geschäfte
in Anspruch genommen ist. Bei unserem Hunde mit stark ver-
stümmeltem Grosshirn ist die Herrschaft des Hirns über das Rücken-
mark gewissermassen gelockert und die Rückenmarkscentren gewinnen
eine ähnliche Selbstständigkeit wie bei einem Thiere mit völlig durch-
trenntem Rückenmark.« Und wiederum’: »Die Steigerung der Reflexe
! Prrücer’s Arch. Bd. 26. 1881. S.ı1ı.
®? Ebenda Bd. 34. 1884. S. 483 —4.
R ” 2 = s : 2 "NE
Munk: Uber die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 05
nach Wegnahme des Vorderhirns möchte ich ebenfalls von der theil-
weisen Verniehtung der Leitungsbahnen zwischen Grosshirn und Kopf-
mark ableiten. Das unversehrte Gehirn kann die im Kopfmark und
Rückenmark sich abspielenden Retlexe beherrschen und hemmen.
Das verstümmelte Grosshirn vermag das nicht. theils weil mit der
Verringerung des Organs dessen hemmende Kraft geschwächt ist, theils
weil der Rest des die hemmende Kraft entwickelnden Organs nur
noch durch mangelhafte Leitungen auf das Kopfmark und Rückenmark
einwirken kann.« Man sieht, Hr. Gorrz denkt nach der Hirnver-
stimmelung ebensowenig, wie nach der Rückenmarksdurchsehneidung,
an eine wahre Erhöhung der Reflexerregbarkeit, sondern bleibt dabei
und spinnt immer den Faden fort, dass es bloss um ein Zutagetreten
der normalen Retlexerregbarkeit sich handele, indem Hemmungen in
Wegfall kommen. Für ihn sind es nur an der Stelle derjenigen
Hemmungen, welche das unversehrte Thier, wenn es will, vom Gross-
hirn her wirken lassen kann, nach der Hirnverstümmelung oder
Rückenmarksdurchsehneidung die Hemmungen infolge der Wundheilung,
welehe die normale Reflexerregbarkeit nicht zur Erscheinung kommen
lassen. Noch in seiner jüngsten Abhandlung’ über den grosshirnlosen
Hund müssen die letzteren Hemmungen ihre Rolle spielen, und zwar
nicht bloss durch viele Wochen. sondern sogar durch viele Monate
hindurch. So lange die nachtheilige dauernde Reizwirkung auszuüben,
werden die Eiterung der Wundtlächen, welche bei glattester Aus-
schneidung von Hirnabschnitten nieht immer zu vermeiden sei, der
Vernarbungsprocess und auch noch der Erweichungsproeess der hinter
der Wunde gelegenen Hirntheile herangezogen. Immerhin findet doch
endlich schon Hr. Gowrz selber die zum Theil sehr lange Dauer der
Hemmungsvorgänge »merkwürdig«, so dass er die Möglichkeit einer
anderen Auffassung »nicht vollständig ablehnen« will.
Ich habe es für überflüssig gehalten, früher darauf aufmerksam zu
machen, will aber in Rücksicht auf die Gowrz’schen Bemerkungen doch
noch hinzufügen, dass auch bei der Totalexstirpation der Extremitäten-
regionen der Fortfall von Hemmungsnerven, welche vom Gehirne zum
Rückenmarke ziehen, selbst wenn dieselben ständig thätig wären, für die
Zunahme, welche die Reflexerregbarkeit nach der Vernarbung der Wunde
erfährt, nicht von Bedeutung sein könnte, weil die Zunahme immer
eine ganz allmähliche ist. Es lässt sich mithin in unserem Ansteigen
der Reflexerregbarkeit wiederum nichts anderes sehen als der Aus-
druck von Isolirungsveränderungen, wie sie oben S. 699 charakterisirt
! Prrücer’s Arch. Bd. 5ı. 1892. S. 603—6. — Vergl. auch aus der Gorrz’schen
Schule: SchrApver, Arch. f. experim. Pathologie, Bd. 29. 1891. S. 62, 106.
706 Sitzune der physikalisch- mathematischen Classe vom 14. Juli.
5 puy
wurden. Diese neuen Isolirungsveränderungen ordnen sich dann sehr
gut mit den alten zusammen. Wir fanden das Maximum, welches
die Reflexerregbarkeit erreicht, wenn wir mit Drücken der Zehen
prüften, am grössten nach der tiefen, kleiner nach der hohen Quer-
durchschneidung des Rückenmarkes, noch kleiner nach der beider-
seitigen und am kleinsten nach der einseitigen Totalexstirpation der
Extremitätenregionen. Wir sahen ferner das Taectschlagen in der
grössten Ausbildung nach der tiefen, in geringerer nach der hohen
Querdurchschneidung des Rückenmarkes und beobachteten es nicht
mehr nach unseren Hirnverletzungen: Hr. GorLtz hat es noch nach
der Exstirpation des ganzen Grosshirns gefunden. Wir sahen endlich
den Kratzreflex in vollkommenster Ausbildung nach der hohen Quer-
durehsehneidung (des Rückenmarkes, in schwächerer Ausbildung nach
der beiderseitigen und in geringster Ausbildung nach der einseitigen
Totalexstirpation der Extremitätenregionen; die HH. GErGEns und
Gorrz fanden denselben Reflex sehr ausgebildet nach beiderseitiger,
weniger nach einseitiger Durcehspülung des Grosshirns. Nach alledem
steigt die Reilexerregbarkeit des betrachteten Rückenmarksstückes desto
weniger an, je mehr vom übrigen Uentralnervensysteme mit ihm in
natürlicher Verbindung blieb. Gerade so aber stand es von den
Isolirungsveränderungen zu erwarten: denn welche tiefere Bedeutung
auch den Veränderungen zukommen möge, als Folgen des Abgetrennt-
seins nervöser Uentralsubstanz müssen sie desto grösser sein, je mehr
die Verbindungen zwischen dieser Substanz und dem übrigen Central-
nervensysteme aufgehoben sind.
Verwundern kann nur, dass unsere so wenig umfangreiche
Rindenabtragung verhältnissmässig so grosse Isolirungsveränderungen
nach sich zieht. Es darf ebenso befremden, dass derselben Abtragung
so grosse Hemmungen folgen. Aber nach beiden Richtungen beseitigt
das Auffällige eine weitere Umschau. Im Gegensatze zu den Bein-
reflexen ist an den Kopf-, Hals- und Rumpfreflexen nach der Total-
exstirpation der Extremitätenregionen keinerlei Abweichung von der
Norm zu eonstatiren. Unsere Hirnverletzung beeinflusst also durchaus
nicht alle Reflexcentren des Markes gleichmässig, sondern hat die er-
kannten Folgen bloss für die Reflexcentren der gegenseitigen Extre-
mitäten. Andererseits wiederum unterliegen ebendiese Centren den
erkannten Folgen nicht nach allen Rindenexstirpationen, sondern aus-
schliesslich dann, wenn die Extremitätenregionen exstirpirt sind.
Denn tragen wir ebenso grosse und noch grössere Partien der Gross-
hirnrinde an den Hinterhauptslappen, den Schläfenlappen, den Kopf-
und Halsregionen der Scheitellappen, den Stirnlappen ab, so bleiben
die Beinreflexe des normalen Thieres unverändert bestehen. Die
Mvunk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 707
Totalexstirpation der Extremitätenregionen erscheint danach hier in
ihren Folgen gleichwerthig der Totalexstirpation der Hemisphaere.
Und weiter ist daraus zu entnehmen, dass die Extremitätenregionen
und die Reflexcentren der gegenseitigen Extremitäten in einer be-
sonderen engsten Beziehung zu einander stehen, zwischen ihnen Ver-
bindungen existiren, wie sie sonst weder zwischen den Extremitäten-
regionen und anderen Reflexcentren, noch zwischen den Retlexcentren
der Extremitäten und anderen Partien der Grosshirnrinde vorhanden
sind. Der Unterbrechung dieser besonderen Verbindungen sind die
Isolirungsveränderungen zuzuschreiben, welchen nach der Totalexstir-
pation der Extremitätenregionen die Reflexcentren der zugehörigen
Extremitäten unterliegen, der Reizung dieser besonderen Verbindungen
an der Unterbrechungsstelle bei der Wundheilung die anfängliche
Hemmung, welche dieselben Centren erfahren.
So sehen wir uns durch die Prüfung, an welche wir oben S. 694
herantraten, zu werthvoller Einsieht geführt. Die sehr geringe Grösse
der Reflexerreebarkeit und ihre allmähliche Zunahme, welche nach
den Hirnverstümmelungen zur Beobachtung gekommen waren, hatte
Hr. GorLtz darauf zurückgeführt, dass die Reflexcentren eine Hemmung
erfuhren und mit deren allmählichem Abklingen ihre normale Function
wiedergewannen. Die Vorgänge der Wundheilung führten nach ihm
eine Reizung der Nachbarschaft der Verstümmelung herbei, und diese
Reizung veranlasste die Hemmung auf Leitungsbahnen, welche des
weiteren unbestimmt blieben, nur dass auf ihnen, wie auf anderen
Leitungsbahnen, auch die hemmende Kraft des unversehrten Gross-
hirns zur Wirkung kommen sollte, wenn dieses die Reflexe beherrscht
und hemmt. Danach war unsere Veränderung der Reflexerregbarkeit
nach der Totalexstirpation der Extremitätenregionen, zumal nachdem
wir schon die Berührungsreflexe ausgesondert hatten, nur als eine
unvermeidliche Unvollkommenheit der Versuche anzusehen und lieferte
keine Belehrung weiter über die Leistungen der Extremitätenregionen.
Jetzt wissen wir, dass von einer Unvollkommenheit unserer Versuche
im Gorrz schen Sinne nur für eine erste Zeit nach der Hirnverletzung
die Rede sein kann, und finden selbst durch diese Unvollkommenheit
die Leistungen der Extremitätenregionen erhellt. Die Extremitäten-
regionen, durch besondere Leitungsbahnen mit den Retlexcentren der
gegenseitigen Extremitäten verknüpft, üben auf diese Centren durch
die Bahnen in der Norm einen zweifachen Einfluss aus: sie bewirken,
dass die Centren auf der Erregbarkeit verharren, welche sie am un-
versehrten Thiere besitzen, und nicht die beträchtlichere Erregbarkeit
gewinnen, welche sie, von der Verbindung mit den Extremitäten-
regionen befreit, in selbständiger Entwickelung allmählich anzunehmen
708 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. Juli.
vermögen; und sie hemmen die Thätigkeit der Gentren, wenn von
der Grosshirnrinde her eine Hemmung der Reflexe der betreffenden
Extremitäten erfolgt.
Das Ergebniss bringt in Erinnerung, dass einst Hr. Serschenow'
am Frosche, auf grund von Hirn-Durchschneidungen und -Reizungen,
Hemmungsfasern von Hemmungsmechanismen aus, welche in den
Thalami und Lobi optiei und in der Medulla oblongata gelegen sein
sollten. zu den Reflexeentren des Rückenmarkes ziehen liess und,
indem er für diese Hemmungsfasern in der Norm eine schwache
tonische Erregung annahm, die Reflexverstärkung nach dem Köpfen
des Frosches erklärte. Später hat Hr. SETschexnow selber die An-
nahme der tonischen Erregung seiner Hemmungsfasern widerlegt und
die Reflexverstärkung nach dem Köpfen auf die Reizung des Rücken-
marksquerschnittes zurückgeführt.” "Trotzdem hat sich die Serscnexow-
sche Lehre in ihrer ursprünglichen Form erhalten und wird an die
Existenz der Serscnenow’schen Hemmung neben der willkürlichen
Hemmung gedacht.” Ich will deshalb bemerken, dass das Ansteigen
der Reflexerregbarkeit, welches sich bei unserer Untersuchung ergab,
keinesfalls von dem Fortfallen einer tonischen Erregung SETSCHENOW-
scher Hemmungscentren oder Hemmungsfasern sich ableiten lässt, weil
es nieht rasch der Unterbrechung der Leitungsbahnen folgt, sondern
noch nach der Vernarbung der Wunde in langer Zeit ganz allmählich
statthat. Im übrigen ist die SErscnhenow'sche Hemmung, wie die
Dinge zur Zeit liegen, viel zu dunkel, als dass sie sich in eine nütz-
liche Beziehung zu unseren Ermittelungen setzen liesse.
Zu betrachten bleibt endlich noch die andere Veränderung der
Gemeinempfindlichkeit, welche sich nach der Totalexstirpation der
Extremitätenregionen zeigt: die anfangs sehr grosse Herabsetzung und
die allmähliche Zunahme der Schmerzempfindlichkeit der zugehörigen
Extremitäten. Hr. GoLtz hat hierin gleichfalls Hemmungserscheinungen
gesehen, dabei aber nicht, wie bei der Hemmung der Reflexe, aus-
geführt, wie er sich das Zustandekommen der Hemmung denkt; und
wir werden über Annahmen, welchen eine thatsächliche Unterlage
fehlen würde, nicht in unfruchtbare Erörterungen einzutreten brauchen.
Da der Hund nach dem Verluste der linken Extremitätenregionen die
Schmerzempfindungen von den rechten Extremitäten her nicht für
! Physiologische Studien über die Hemmungsmechanismen für die Retlexthätig-
keit des Rückenmarks im Gehirne des Frosches. Berlin 1863.
? SerschEenow und Pascaurın, Neue Versuche am Hirn und Rückenmark des
Frosches. Berlin 1865.
3 L. Hermann, Lehrbuch der Physiologie. ı0, Aufl. Berlin 1892. S. 413,419. —
L. Lanvors, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 7. Aufl. Wien 1891. S. 775.
Movnk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 709
die Dauer eingebüsst hat, so ist es, klar, dass das Entstehen dieser
Schmerzempfindungen nicht an jene Extremitätenregionen gebunden
ist. Andererseits müssen dieselben Extremitätenregionen doch in
hohem Grade an dem Entstehen derselben Schmerzempfindungen be-
theiligt sein: denn nach der Totalexstirpation der linken Extremitäten-
regionen finden sich die Veränderungen der Schmerzempfindlichkeit
bloss an den rechten Extremitäten, nicht aber am Kopfe, am Halse,
am Rumpfe oder an den linken Extremitäten; und wiederum erfährt
die Schmerzempfindlichkeit der rechten Extremitäten bloss dann die
Veränderungen, wenn die linken Extremitätenregionen exstirpirt sind,
nicht aber, wenn ebenso grosse oder grössere Exstirpationen andere
Rindenpartien betroffen haben. Beides zusammen ist nur verständlich,
wenn die Schmerzempfindungen von den Extremitäten her in erster
Linie in den gegenseitigen Extremitätenregionen entstehen, aber auch
ausserhalb derselben entstehen können. So versteht es sich dann
auch, dass die Schmerzempfindlichkeit zuerst nach unserer Verletzung
sehr herabgesetzt ist und allmählich zunimmt: für die verlorenen
Extremitätenregionen tritt bezüglich der Schmerzempfindungen anders-
wo Ersatz ein, aber derselbe stellt sich, wie die allmähliche Zunahme
beweist, nur schwer her. Und auch unvollkommen ist der Ersatz;
denn das Maximum, welches in unseren Versuchen die Schmerz-
empfindlichkeit bei ihrem Wachsen erreicht, bleibt immer wesentlich
hinter der normalen Schmerzempfindlichkeit zurück.
Man wird danach schwerlich fehlgehen, wenn man in der Norm,
so lange ‚der Schmerz nicht eine gewisse Grösse überschreitet, die
Extremitätenregionen für den ausschliesslichen Ort der Schmerzempfin-
dungen von den gegenseitigen Extremitäten her ansieht. Mit Sicherheit
behaupten lässt es sich freilich nicht. Wohl kommt es vor, dass an
dem Hunde zunächst nach Ablauf der Narkose von den geschädigten
Extremitäten her gar keine Reaction zu erzielen ist; aber dann ist
auch die Umgebung der Exstirpationsstelle infolge von Erschütterung,
Cireulationsstörung u. s. w. in ihren Functionen gestört, und sobald
die Umgebung wieder normal funetionirt, ist Schmerzempfindung vor-
handen. An grösseren Schmerzen werden in der Norm auch grössere
Partien der Rinde betheiligt sein. Welche Partien es sind und in
welcher Ausdehnung überhaupt die Rinde zu Schmerzempfindungen
befähigt ist, muss vorerst dahingestellt bleiben. Natürlich wird im
Bereiche der letzteren Ausdehnung der Ersatz für die verlorenen
Extremitätenregionen bezüglich der Schmerzempfindungen statthaben.
Der Extremitätenregionen der anderen Hemisphaere bedarf es für den
Ersatz nicht; denn nach der beiderseitigen Totalexstirpation der
Extremitätenregionen stellt sich die Schmerzempfindlichkeit der Ex-
Sitzungsberiehte 1892, 63
”
710 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 14. Juli.
tremitäten nicht anders wieder her, wie nach der einseitigen Total-
exstirpation, höchstens etwas langsamer. Aber wenn die anderen
Extremitätenregionen vorhanden sind, scheinen sie eine bevorzugte
Rolle bei dem Ersatze zu spielen: wenigstens weiss ich nicht anders
die Beobachtung (S. 690) zu deuten, dass hin und wieder einmal ein
Hund, der die linken Extremitätenregionen verloren hatte, bei ver-
bundenen Augen, nachdem die Klemme an einen rechten Fuss an-
gelegt war, den Kopf gegen die linken Füsse hin bewegte. Bemerkens-
werth ist, dass dabei der Kopf immer sogleich wieder zurückging
und nie die linken Füsse wirklich erreichte, wie es doch regelmässig
sofort geschah, wenn die Klemme an einen linken Fuss angelegt war.
Ein paarmal ist es mir auch begegnet, dass ein solcher Hund, wenn
einige Monate seit der Operation verflossen waren, einige Zeit nachdem
die Klemme an den rechten Vorderfuss gelegt war — im Falle des
Hinterfusses habe ich es nie gesehen — und nachdem er inzwischen
gelaufen war oder das hochgezogene Vorderbein heftig hin und her
bewegt hatte, mit dem Kopfe an das rechte Vorderbein ging und
andauernd Unterschenkel und Fuss mit Schnauze und Zunge unter-
suchte und beleckte. Der Hund befasste sich immer zunächst mit der
medialen Seite des Beines in grossem Abstande von der Klemme, und
je nach der Ausdehnung, welche er seiner Untersuchung gab, und nach
der zufälligen Lage der Klemme fand er das eine Mal die Klemme,
dlas andere Mal fand er sie nicht. An Hunden, welche beide Extre-
mitätenregionen verloren hatten, habe ich öfters beobachtet, dass sie
bei verbundenen Augen, wenn ich die Klemme an einem Vorderfusse
liegen liess, schliesslich mit Ausdauer entweder Hals, Brust und
Vorderbeine oder auch nur abwechselnd beide Vorderbeine unter-
suchten und beleckten, bis ich die Klemme abnahm. Trotz der Mit-
wirkung des Zufalles geriethen diese Hunde aber höchst selten zuerst
an das angegriffene Vorderbein, und so lange sie auch suchten, fanden
sie fast nie die Klemme. Ich halte dafür, dass man mit aller Schmerz-
empfindung ungefähr so grobe, ungenaue und undeutliche Localzeichen
verbunden annehmen muss, wie sie die Schmerzempfindungen der
Knochen und Eingeweide besitzen. Durch die Totalexstirpation der
Extremitätenregionen gehen alsdann die Localzeichen der Schmerz-
empfindungen von den zugehörigen Extremitäten her verloren; und
sie stellen sich bei dem Ersatze, welchen die Extremitätenregionen
bezüglich der Schmerzempfindungen erfahren, in der Regel nicht wieder
her, weil sie zu sehr verdunkelt oder verfälscht werden durch die-
jenigen Localzeichen, welche an den Ersatzstellen der Rinde die dort
von früherher und naturgemäss entstehenden Schmerzempfindungen
besitzen.
Mvnk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. Tal
Indem unsere Ermittelungen darüber nichts aussagen, wo und
wie innerhalb der Extremitätenregionen die Schmerzempfindungen von
den gegenseitigen Extremitäten her zustandekommen, stehen sie nicht
im Gegensatze zu der Lehre, dass Tast- und Schmerzeindrücke der
Haut auf verschiedenen Bahnen des Rückenmarkes dem Gehirne zu-
geleitet werden, da ja für gewisse Fälle Hinterstrangsbahnen und
Bahnen der grauen Substanz wieder in derselben Rindenpartie zu-
sammentreffen können; sie legen freilich den Gedanken nahe, dass
man bei den Versuchen am Rückenmarke ebensowohl Berührungs-
und Schmerzempfindungen, wie geringeren und grösseren Schmerz
noch nicht ausreichend auseinandergehalten hat. Auch sind unsere Er-
mittelungen nieht unvereinbar mit Hrn. Gorrz’ neuester Anschauung',
nach welcher dem grosshirnlosen Hunde »Empfindungen und Stim-
mungen«, Schmerz, Zorn u. dergl. m. zukommen. Solche Anschauung
setzt in den hinter dem Grosshirn gelegenen Theilen des Central-
nervensystemes eine Art von niederem Bewusstsein voraus, von der
wir nicht nur keine Kenntniss haben, sondern auch nicht einmal
eine Vorstellung uns machen können, und ist, wie die Erörterungen
über die sogenannte »Rückenmarksseele« längst genugsam gelehrt
haben, weder zu beweisen noch zu widerlegen; wer sie hegt, sollte
nur folgerichtig in allen Reflexen, auch in dem einfachsten Zurück-
ziehen des gekniffenen Beines, in der Pupillarreaetion auf Lichtein-
fall in das Auge u. s. w. den Ausdruck von Empfindungen sehen.
Dagegen handelt es sich bei den von uns betrachteten Schmerzempfin-
dungen immer um Vorgänge desjenigen Bewusstseins, das wir kennen.
Und dass wir, indem wir diese Schmerzempfindungen dem Grosshirn
zuwiesen, nicht einer Täuschung verfielen, das setzen unsere Ergeb-
nisse selber ausser Zweifel. Der Hund ohne Grosshirn winselt, quiekt,
ımieft, bellt, heult je nach der Art und Stärke des mechanischen An-
griffes, und man mag darin den Verdruss und den Unwillen, den
Ärger, den Zorn und die Wuth seiner niederen Seele zum Ausdruck
kommen sehen. Unser Hund lässt wohl auch seine Stimme hören,
sobald ich ihm die Zehen des geschädigten Beines stark genug drücke;
aber in der Regel wendet er schon vorher bei schwächerem Drucke,
manchmal noch ehe die Beine zucken, unter Verziehen des Mundes
Kopf und Augen dem ihn haltenden Wärter zu und verräth mit dem
wie flehentlichen Blicke auf den für ihn sorgenden Freund die Empfin-
dungen des Bewusstseins, das er mit uns theilt. Danach ist auf Schmerz-
empfindungen, wie wir sie verstehen, mit Sicherheit zu schliessen,
natürlich ohne dass Unlust und Schmerz streng zu scheiden sind.
\ Prrüger’s Arch. Bd. 51. 1892. S. 598—-600, 573, 590, 596.
63 *
712 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 14. Juli.
Ich darf es mir zum Schlusse nieht ersparen, noch auf die andere
neueste Govrz’sche Angabe! zu sprechen zu kommen, nach welcher der
Hund ohne Grosshirn den »Tastsinn« noch besass, der nur merkbar
abgestumpft war; und ich will die Angabe sogleich in ihrem ganzen
Umfange betrachten, um mich nicht später nochmals mit ihr beschäf-
tigen zu müssen. Die Angabe ist die einfache logische Folge des
grundsätzlichen Fehlers, den Hr. GoLzz von Anfang an beging, dass
er Sinnesempfindung und Gemeingefühl nicht unterschied” und überall
und immer die »Empfindung« abgestumpft sein liess. Nur einmal
hat Hr. Gorrz® wider Hın. Scnirr zu beweisen gesucht, dass ein
Hund, welcher vor längerer Zeit »die linke motorische Zone« verlor,
»an keinem Punkte seiner Haut die Berührungsempfindung eingebüsst
hat«: der Hund sollte, im Fressen gestört, die leiseste Berührung
der rechten Körperhälfte regelmässig mit unverkennbaren Zeichen des
Unwillens beantworten, und selbst ein so milder Tastreiz, wie das
Auseinanderblasen der Haare, sollte sofort wahrgenommen werden.
Doch musste der Beweis sofort verunglückt erscheinen, da Hrn. Goutz’
eigene Angaben nicht nur nicht die Entfernung der ganzen »motori-
schen Zone« darthaten, sondern sogar es höchstwahrscheinlich machten,
dass gerade ein in Rücksicht auf die Prüfungen wichtigster Theil der
Zone erhalten geblieben war‘. Hr. Gowrz ist denn auch später bei
! Prrüser’s Arch. Bd. 5ı. 1892. S. 609, 576.
? Vergl. Functionen u. s. w. (2) S.60 Anm. 38.
3 Prrüser’s Arch. Bd. 34. 1884. S. 465 —6.
* Die Hunde der hier in Betracht kommenden Gruppe hatten nach Gortz
(PrLücer’s Arch. Bd. 34. 1884) »eine sehr grosse und tiefe Zerstörung der erregbaren
Zone links« erfahren (S. 460) oder »den grössten Theil der sogenannten motorischen
Zone eingebüsst« (S. 463). Dazu hatte Gorrz die Bemerkung voraufgeschickt (S. 460):
»Bei der Schilderung der Erscheinungen, welche nach einer ausgedehnten und tiefen
Zerstörung der erregbaren Zone auftreten, habe ich es nicht nöthig, in jedem Falle
genau die Grenzen des Zerstörungsgebietes anzugeben, weil ich mich überzeugt habe,
dass es für den Ablauf der Störungen durchaus nicht wesentlich ist, um wie viel Milli-
meter der hintere Rand der Zerstörung hinter dem sulcus eruciatus zu liegen kommt.«
Nun war nach Gorrz nur »in dem am besten gelungenen Falle« »der Gyrus sig-
moideus vollständig mit abgetragen« (S. 459), und dass gerade dieser Fall zu den im
Texte erwähnten Beobachtungen geführt hatte, war nicht gesagt. Konnte man schon
daraus entnehmen, dass die Beobachtungen an Hunden gemacht waren, welche ein
Stück des Gyrus sigmoideus noch besassen, so wurde dasselbe so gut wie zur Gewiss-
heit durch Gorrz’ Angaben bei den »doppelt vorn in grosser Ausdehnung und Tiefe
operirten Hunden« (S. 468). Hier war nach Gorrz nicht nur ebensowenig »irgend
ein Punkt (des) Körpers der Empfindung beraubt«, wie sich »mit Hilfe derselben
Proben beweisen« liess, sondern es bestand sogar eine sehr ausgesprochene Über-
empfindlichkeit der Haut (S. 469—70). An diesen Hunden war aber nicht eine »so
weit nach hinten liegende Durchquerung des Gehirns« zur Ausführung gekommen,
wie in jenem »am besten gelungenen« Falle (S. 467). Und bei dem einzigen Versuche
dieser Gruppe, bei welchem die Verletzung an der Hirnrinde näher bezeichnet ist, liest
man geradezu, dass »das linke Vordergehirn bis zum sulcus eruciatus weggenommen«
Munk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 113
den Hunden, welchen er eine oder beide Hemisphaeren abgetragen
hatte, auf den »Kunstgriff, mittelst dessen er schlagend beweisen «
konnte, »dass Hunde ‚ohne motorische Zone noch Proben von sehr
feiner Tastempfindung geben können«, auf die Prüfung beim Fressen
nieht wieder zurückgekommen und hat jetzt umgekehrt die Unempfind-
lichkeit gegen Anblasungen als Beweis für die Abstumpfung des Tast-
sinnes beschrieben‘. Sehen wir nun zu, worauf Hr. GoLrz neuerdings
seine Behauptung stützen kann, dass der »Tastsinn« abgestumpft, aber
erhalten war, so stossen wir bei dem Hunde, welchem die linke Hemi-
sphaere entfernt war, auf folgendes: »Dagegen ist es leicht festzu-
stellen, dass die Empfindung in der ganzen rechten Körperhälfte bei
ihm herabgesetzt ist. Drückt man ihm die Vorderpfote rechts, so
bedarf es einer grösseren Kraft, um ihm eine Schmerzensäusserung
zu entlocken, als wenn man ihm die linke Vorderpfote drückt. Kein
Punkt seiner Haut ist aber ohne Empfindung. Stärkeren Druck, oder
gar das Stechen mit einer Nadel, beantwortet er stets durch Abwehr-
bewegungen, Schmerzensschreie und endlich durch Beissen, welche
Stelle der rechten Körperhälfte man auch angreifen mag.«®“ Ausserdem
ist nur noch bemerkt”, dass, wenn man die Fallthür sinken liess, auf
welcher der Hund mit der rechten Vorder- oder Hinterpfote stand,
die Pfote mitsank und das Thier dies erst spät merkte. Und von dem
Hunde, der ı8 Monate ohne Grosshirn gelebt hatte, finden wir an-
gegeben‘, dass er mit stimmlichen Äusserungen, Strampeln, Beissen
nach rechts und nach links reagirte, wenn man ihn irgendwo, sei es
an den Gliedmaassen, sei es am Rumpfe oder dem Kopfe etwas derb
anfasste oder gar aus dem Käfig herauszuheben versuchte, wenn man
ihn an irgend einer Hautstelle zerrte oder drückte, wenn man eine
Gliedmaasse vom Körper wegzog, wenn eine Pfote der sinkenden Fall-
thür eine Weile gefolgt war, wenn der Hund bei seinen Wanderungen
an einen Gegenstand unsanft anstiess. Ausdrücklich wird gesagt, dass
die Fähigkeit, zielbewusst den Ort der Belästigung zu finden, dem
Hunde offenbar abging.” Ferner wurden ausser den Reflexbewegungen
des Tactschlagens und des Kratzens, von welchen schon oben die Rede
war, beobachtet:° Schütteln bei Berührung der Haare in der Mittel-
und die rechte Hirnhälfte »in dem suleus eruciatus durch einen queren Schnitt durch-
trennt« war, und dass die Section bestätigte, dass »das ganze vor dem suleus eruciatus
gelegene Vorderhirn« fehlte (S. 470 — 1).
! Prrüser’s Arch. Bd. 42. 1888. S.422—3; Bd. 5ı. 1892. S. 576.
?2 Ebenda Bd. 42. 1888. S.422.
® Ebenda S. 423.
* Ebenda Bd. 51. 1892. S. 572— 5, 590, 608.
° Ebenda S. 574.
° Ebenda S. 576—7.
714 Sitzung der-physikalisch-mathematischen Classe vom 14. Juli.
linie des Rückens, Herausstrecken der Zunge und Beissbewegungen
bei Kratzen an der Schwanzwurzel, Gähnbewegung bei Streichen am
Halse, Anschmiegen des Kopfes an die Hand bei Streichen über die
Wangenhaut, Kaubewegungen bei Druck auf die Wangenschleimhaut
oder bei Pressen der Wangen gegen die Zahnreihen. Von zwei weiteren
Hunden, welche 5I und 92 Tage ohne Grosshirn lebten, erwachte der
eine und hob den Kopf, als eine Decke, unter der er schlief, abge-
hoben wurde, und wurde bei dem anderen eine Fliege, die sich auf
den Kopf setzte, durch Schütteln des Kopfes verjagt.' Die Reinigung
führte bei allen Hunden zu Bellen, Strampeln, Umsichbeissen. Nach
der Gesammtheit dieser Angaben kann aber offenbar nur dann von
»Tastsinn« nach Verlust der Hemisphaere die Rede sein, wenn man,
wie Hr. Gorrz, Berührung und Druck »Tastreize« nennt und daraus,
dass solche »Tastreize« überhaupt Folgen haben, ohne weiteres das
Vorhandensein des »Tastsinns« erschliesst. In der Wahrheit haben,
wie ich nach dem Voraufgegangenen nicht weiter auszuführen brauche,
den Gorrz’schen Hunden die mit Localzeichen verbundenen Berührungs-
empfindungen und die Berührungsreflexe durchaus gefehlt; erhalten
war bloss die Gemeinempfindlichkeit, soweit sie zu Gemeinreflexen
führt, und für diese Reflexe war — entsprechend unseren Erfahrungen —
besonders nach dem Verluste beider Hemisphaeren die Reflexerreg-
barkeit erhöht.
-
2.
Beim Affen finden sich die Folgen der Totalexstirpation der Ex-
tremitätenregionen wieder, die wir beim Hunde kennen gelernt haben;
nur ist hier die Untersuchung durch das sprödere Material erschwert.
Man kann die Hunde der Reihe nach, wie sie dem Laboratorium zu-
geführt sind, für die Exstirpationen verwenden, und man trifft äusserst
selten auf ein Thier, das durch Wildheit oder Dummheit oder Un-
empfindlichkeit für die geschilderten Prüfungen unbrauchbar ist. Da-
gegen fallen unter den Affen alle wilden und scheuen Thiere so gut
wie ganz für die in Rede stehende Untersuchung aus, weil sie, wie
ich es nach meinen ersten Versuchen angab’, bei jeder Annäherung
sich zu ungeberdig verhalten und wenn man sie festhält, alles in voller
Apathie über sich ergehen lassen; man muss deshalb zufrieden sein,
wenn man bei ihnen durch die Ausnutzung günstiger Momente hin
und wieder einmal die Folgen von Berührung und Druck zu sehen
I Prrüger’s Arch. Bd. 5ı. 1892. S. 596.
?2 Functionen u. s. w. (2) S. 53.
r . . . . rm
Musk: Uber die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 115
bekommt. Um diesen Folgen regelmässig nachgehen zu können, muss
man sich an zahme Thiere halten, wie sie unter den Makaken, die ich
mit Vorliebe benutzte, häufig genug vorkommen. Zumal solche Affen,
welche nach einiger Zeit unter stets freundlicher Behandlung und
häufiger Fütterung mit Leckerbissen recht zutraulich oder sogar an-
hänglich geworden sind und ohne alle Ängstlichkeit sich frei in den
Laboratoriumsräumen herumbewegen, geben ein vorzügliches Versuchs-
material ab. Immer aber bleibt bei der Durchführung der Unter-
suchung im Auge zu behalten, dass ein zu gewaltsames Vorgehen die
Thiere leicht scheu und widerwillig und damit für die Folge unbrauchbar
machen kann. Man thut deshalb insbesondere gut daran, die Affen
nicht öfter als nöthig in die Hände zu nehmen; und das kann hier
auch z. B. für solche Fälle, in welchen der Hund senkrecht empor-
gehalten werden muss, meist unterbleiben, weil der Affe, wie er inner-
halb und ausserhalb des Käfıgs sitzt oder an den Gitterstäben des
Käfigs hängt, schon oft genug Gelegenheit zur entsprechenden Prüfung
von Händen und Füssen bietet.
So vollkommen ist die Übereinstimmung zwischen Hund und Affen,
dass ich, was oben für den Hund ausgeführt wurde, jetzt für den Affen
einfach zu wiederholen hätte bis auf einige Abweichungen, auf welche
ich deshalb allein eingehe. Ich habe Durchschneidungen des Rücken-
markes beim Affen nicht unternommen. Auch habe ich hier nur
mittels Drückens der Finger oder Zehen die Veränderungen verfolgt,
welche die Reflexerregbarkeit für Gemeinreflexe erfuhr. Diese wächst
nach der Totalexstirpation der Extremitätenregionen während ebenso
langer oder sogar noch längerer Zeit, als beim Hunde, an; und wenn
es auf den ersten Blick den Anschein hat, als ob sie weniger die Norm
überstiege, so rührt das nur daher, dass der Affenhaut in der Norm
eine geringere Gemeinempfindlichkeit zukommt als der Hundehaut.
Für die Prüfungen mit Klemmen habe ich diese den Affen immer
unversehens bei abgelenkter Aufmerksamkeit angelegt, weil das Ver-
schliessen der Augen und noch dazu mit Klebeptlaster, das man hier
benutzen muss, die Thiere zu sehr aufregt und zu böse macht. Der
Affe nimmt nach der Totalexstirpation der linken Extremitätenregionen
die Klemme von dem linken Fusse mittels der linken Hand und von
der linken Hand mittels des Mundes ab, jedesmal sofort nachdem die
Klemme angelegt worden ist und indem er auf das geschickteste mit
den Fingern oder dem Munde die Klemme trifft. Wird aber die Klemme
an der rechten Hand oder dem rechten Fusse angebracht, so fährt
der Affe nur zusammen, indem Rumpf und Glieder zucken, und ver-
zieht das Gesicht, strampelt allenfalls noch ein wenig oder läuft davon,
kümmert sich jedoch weiter gar nicht um die Klemme; erst wenn
716 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 14. Juli.
er dieselbe später zufällig sieht, entfernt -er sie mit der linken Hand.
Für längere Zeit verursachte die Klemme nie dem Affen Schmerz,
unzweifelhaft wiederum wegen der geringeren Schmerzempfindlichkeit
der Affenhaut gegenüber der Hundehaut.
Je klarer aber danach der Sachverhalt erscheint, der durch die
vorgegebenen Versuche, ich darf sagen, an jedem zahmen Affen sich
erweisen lässt, desto mehr drängt sich die Frage auf, wie es denn mit
Hrn. Ferrıer’s Behauptung steht, dass Verletzungen des sogenannten
motorischen Rindengebietes beim Affen keine Empfindungsstörungen
nach sich ziehen. Zu der Hartnäckigkeit und der unerschütterlichen
Sicherheit, mit welchen Hr. Ferrıer seit 1875' aller Orten diese Be-
hauptung vertrat, sehen wir von vorneherein ihre thatsächliche Unter-
lage in einem merkwürdigen Gegensatze stehen; denn nichts weiter lag
der Behauptung zugrunde als die Beobachtung, dass ein Affe, welchem
ein Stück der linken Extremitätenregionen cauterisirt war, in den
nächsten Stunden nach der Operation auf Stechen oder Kneipen der
rechten Extremitäten Schmerzempfindung zeigte’. Erst 1884 kommen
vier Versuche hinzu, bei welchen die HH. Ferrıer und Yro’ nach der
Cauterisation dreimal einer kleineren, einmal einer grösseren Partie des
sogenannten motorischen Rindengebietes an der CGonvexität einer Hemi-
sphaere, dann und wann während der längeren Lebensdauer der Affen
meist Schmerzempfindung, manchmal Berührungsempfindung an den
gegenseitigen Extremitäten oder keinen Unterschied in den Empfin-
dungen zwischen linken und rechten Extremitäten constatirten. Und
daran schliessen sich endlich noch 1888 ein paar Versuche, bei welchen
die HH. Horstey und ScnäÄrer’ nach Cauterisationen oder Exstirpationen
im Bereiche der Extremitätenregionen — meist nur kleinen, einer ein-
zigen grösseren — gleichfalls keine Empfindungsstörung fanden. Aber
auch die Gesammtheit dieser Versuche bietet der Ferrıer’schen Be-
hauptung keine Stütze dar. Es ist richtig, dass nach so kleinen Ver-
letzungen, wie sie bei der grossen Mehrzahl der Versuche herbeigeführt
waren, Empfindungsstörungen der in Rede stehenden Art in der Regel
nicht zur Beobachtung kommen’; ob die Störungen überhaupt nicht
! Philos. Transact. of the R. Soc. of London, 1875, Part II. p. 444, 487.
?2 Ebenda S.443,446. Bei den beiden anderen Versuchen am motorischen Rinden-
gebiete, welche die Mittheilung noch enthält, ist von einer Prüfung der Empfindung
nicht die Rede. Bei dem einen Versuche war das motorische Rindengebiet der Con-
vexität nach der Ausführung von Reizversuchen der Entzündung und Eiterung über-
lassen worden; bei dem anderen Versuche war eine kleine Partie der TOTER On cau-
terisirt, und der Affe starb nach etwa einer Stunde.
® Ebenda 1884. Part II. p. 510—20.
* Ebenda ı888. B, p. 26—8, 31, 33.
5 Vergl. Functionen u. s, w. (2) S. 37—8, 48.
Mvnk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. MET
vorhanden sind oder sich nur nicht eonstatiren lassen, kann hier da-
hingestellt bleiben. Dagegen ist, dass auch in den wenigen Fällen,
in welchen die Verletzungen grösser waren, solche Empfindungsstörun-
gen nicht gefunden wurden, bloss der unzureichenden Untersuchung
zuzuschreiben. Wo, wie in diesen Fällen, sehr unvollkommene Zer-
störungen von Arm- und Beinregion vorliegen, bedarf es für den
Nachweis der Empfindungsstörungen systematischer und genauer, Ort
und Zeit berücksichtigender Prüfungen: und derartige Prüfungen waren
nie vorgenommen worden. So wiederholte sich beim Affen der Fehler,
in welchen Hr. Becuterew bei Hund und Katze verfallen war'; und
dazu gesellte sich noch der andere Fehler, den Hr. Gorrz bei der Unter-
suchung des Hundes beging. Denn auch Berührungs- und Schmerz-
empfindung, Berührungs- und Gemeinreflex, welche doch ein durchaus
verschiedenes Verhalten zeigen, waren bei den Prüfungen nicht aus-
einandergehalten worden. Daher konnte es gar nicht anders sein, als
dass die »Empfindlichkeit« erhalten schien; daher musste es, wo un-
verkennbar die Empfindungsstörungen sich offenbarten, zu einer solchen
Verwirrung bezüglich der »Empfindlichkeit« kommen, wie sie recht
handgreiflich die neuesten Horsrry-ScnÄrer’schen Ausführungen” dar-
thun, nach welchen sogar infolge jener Rindenzerstörungen die Retflex-
hemmung seitens des Hirns, anstatt verloren, für die Dauer erhöht
sein soll. Will man jedoch selbst von jenen Mängeln der Untersuchung
absehen, so berechtigten die spärlichen Versuche mit ihren beschränk-
ten Verletzungen immer nur zu dem Ausspruche, dass nach solchen
Verletzungen mit den Störungen der Bewegung Empfindungsstörungen
nicht einherzugehen brauchen. Dass Verletzungen des sogenannten
motorischen Rindengebietes aber keine Empfindungsstörungen nach sich
ziehen oder” ausschliesslich Störungen der willkürlichen Bewegung ohne
Beeinträchtigung der Empfindung zur Folge haben, war in ihrer All-
gemeinheit, wie sie entstand und aufrechterhalten wurde, unter allen
Umständen eine unbegründete Behauptung.
Doch wollen wir mit dieser Erkenntniss uns noch nicht zufrieden
geben. Man kann sich schwer zu glauben entschliessen, dass einzig und
allein auf jene Versuche hin die Behauptung sollte aufgestellt und
allen Widersprüchen gegenüber festgehalten worden sein; und man
braucht auch nicht lange danach zu suchen, was anderes mit dafür
bestimmend war. Hr. Ferrıer hat 1875 nach der Zerstörung der
Ammonshornregion Anaesthesie und Analgesie der entgegengesetzten
IS. oben S. 689.
? Ph. Tr. 1888, B, p. 15—6, 24.
® S, oben S. 680,
718 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 14. Juli.
Körperhälfte gefunden'; und seine weitere Untersuchung 1884 hat ihm
die Bestätigung dafür geliefert. dass die Ammonshornregion das sensible
Centrum enthält”. Die HH. Horstry und Scnärer haben dann 1888
noch den Gyrus fornicatus dem Centrum hinzugefügt, so dass nach
ihnen der ganze Lobus faleiformis (der grosse Lobus limbieus von
Broca) »in hohem Maasse, wenn nicht ausschliesslich, an der Wahr-
nehmung der Berührungs- und Schmerzempfindungen betheiligt ist. «®
Da es dergestalt schon ein sensibles Centrum gab, durfte die Existenz
eines zweiten sensiblen Centrums in dem Scheitellappen ausgeschlossen
oder zum mindesten überflüssig scheinen. Deshalb wollen wir noch
zusehen, welche Bewandtniss es mit den Angaben bezüglich des Lobus
faleiformis hat. |
Für Hrn. FErrier's Untersuchung der Ammonshornregion reicht
die einfache Durchsicht der Versuche aus, um über die Eingriffe, die
Beobachtungen, die Schlüsse das richtige Urtheil gewinnen zu lassen.
Hr. Ferrıer hat, wo er mit glühendem Drahte oder mittels ähnlicher
Maassnahmen die Ammonshornregion zerstörte, nichts anderes als die
gemeinen Folgen einer rohen Verstümmelung der Hemisphaere zu sehen
bekommen: Folgen, wie man sie immer wiederfindet, ob man vorn
oder hinten, oben oder unten die Hemisphaere angreift, wofern nur
der Angriff grob genug ist, um die Hemisphaere, sei es in ganzer Aus-
dehnung, sei es zu einem grossen Theile in Mitleidenschaft zu ziehen.
Bei einer gewissen Grösse der Schädigung der Hemisphaere sind
Sehen und Hören, Bewegung und Empfindung, soweit sie von dieser
Hemisphaere abhängen, für einige Zeit aufgehoben, bei geringerer
Schädigung sind sie mehr oder weniger gestört: und so war es auch
bei den Ferrıer’schen Versuchen, wie es gerade für Bewegung und
Empfindung die Beobachtungen deutlich erkennen lassen; — auf die
Sehstörungen ist wegen der Verstümmelung, welche der Hinterhaupts-
lappen erfahren hatte, nur wenig Gewicht zu legen, und die Hör-
prüfungen waren zu beschränkt und unvollkommen. Meist war der
Angriff so arg, dass .er Affe in den ersten Tagen starb, und dort
zeigten sich die grössten Bewegungs- und Empfindungsstörungen, ent-
weder von vorneherein oder mit der Ausbildung der verhängnissvollen
Entzündung und Erweichung. War der Angriff weniger arg, so kamen
nur geringere Bewegungs- und Empfindungsstörungen zur Beobachtung,
und sie bildeten sich dann auch an dem überlebenden Affen so rasch
zurück, dass sie schon in wenigen Tagen verschwunden waren. Gerade
1 7Ph. Br. 1875.2P 0 P2453-—71.
2 Ebenda 1884. P.II. S. 532 — 64.
3 Ebenda 1888, B, S. 20—4, 27, 39— 44. — S. auch Scuärer: Brain, Vol. 10.
1888. p. 378— 80.
Mvnk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 719
umgekehrt aber hat Hr. Frrkıer die letzteren Versuche für die weniger
gelungenen oder unvollkommenen, die ersteren Versuche für die besser
gelungenen oder vollkommenen aufgefasst; er hat in Verbindung damit
über das rasche Verschwinden der Empfindungsstörungen sich einfach
hinweggesetzt; er hat die Bewegungsstörungen , welche die Affen zeigten,
indem sie auf die der Verletzung gegenüberliegende Seite fielen und
die dortigen Extremitäten gar nicht oder ungeschiekt beim Gehen,
Greifen u. s. w. bewegten, einzig und allein aus dem Grunde, dass
nieht eine vollkommene Lähmung und Erschlaffung der Glieder be-
stand, für Folgen des Verlustes des Muskelsinnes erklärt: und so war
das sensible Centrum in der Amonshornregion nachgewiesen. Kein
Wunder daher, dass, wo man nachmals mit besseren Methoden Zer-
störungen der Ammonshornregion ausführte, schon die Ferrıer'schen
Beobachtungen sich nicht bestätigen liessen. Die HH. Lucrnı und Fa-
sorA' haben von Empfindungsstörungen nichts gesehen. Und auch die
HH. Hoxstry und ScnÄrer fanden weder Bewegungs- noch Empfindungs-
störungen, nachdem die Affen den Shock der Operation überwunden
hatten.” Selbst als sie auf Hrn. Ferrıer’s Veranlassung die Verletzung,
soweit nur möglich oder erträglich, ausdehnten, traten bloss manch-
mal und bloss vorübergehend Empfindungsstörungen auf, welche sie
eben deshalb durch die Funetionsstörung anderer Hirntheile, wie sie
so grosse Hirnverletzungen immer im Gefolge haben müssen, erklären
mochten’. Dass sie trotzdem schliesslich neben dem Gyrus fornicatus
auch die Ammonshornregion einen, wenn auch geringen Antheil an
der Wahrnehmung sensibler Eindrücke nehmen liessen‘, ist sichtlich
nur dem Einflusse zuzuschreiben, den Hr. Ferrıer auch auf diese
Untersuchung zum Nachtheile der Sache gewann’.
Die Ermittelung der HH. Horstry und ScHÄrer, dass nach Zer-
störung der Rinde des Gyrus fornicatus Empfindungsstörungen be-
stehen, kann ich nach eigenen Versuchen bestätigen. Aber dass die
Empfindungsstörungen Folgen der Verletzung jenes Gyrus sein sollen,
dem ist nicht beizustimmen. Um in der Tiefe des Suleus longitudi-
nalis am Gyrus fornicatus operiren zu können, muss man eine be-
trächtliche Partie der Extremitätenregionen freilegen, Venen unter-
binden, welche von diesen Regionen zum Sinus longitudinalis ziehen,
und dort auch die Hemisphaere mit dem stumpfen Haken oder besser
mit dem Messerstiele von der Falx fort zur Seite drücken; so dass
Riv. sperim. di Freniatria, Ann.ı1.1885. p. 445 — 70.
Ph. Tr. 1888, B, p. 2o.
Ebenda S. 21.
Ebenda S. 23.
° Vergl. Functionen u, s. w. (2) S. 297—8 Anm,
>» 8 ww
720 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 14. Juli.
eine Schädigung des sogenannten motorischen Rindengebietes ganz
unvermeidlich ist. Wohl leiten die HH. Horstey und ScHäÄrer ihre
Erörterungen damit ein!, dass sie in mehreren Fällen ansehnliche
Partien der Rinde des Gyrus fornicatus ohne Verletzung anderer Theile
oder nur mit einer geringen Beleidigung des Gyrus marginalis entfernt
haben wollen; doch widersprechen dem schon — den Versuch 42 aus-
genommen — ihre eigenen Angaben über die Befunde und ihre Ab-
bildungen, und lehren vollends die Bewegungsstörungen, welche bei
allen Versuchen vorkamen, dass stets eine wesentliche Schädigung
des motorischen Rindengebietes erfolgt war.” Ob von dieser Schädi-
gung neben den Bewegungs- auch die Empfindungsstörungen her-
rühren, ist mithin die Frage, die zu entscheiden ist.
Die HH. Horstey und ScuÄrer verneinen die Frage auf grund,
wie sie sagen’, der Versuche, bei welchen keine begleitende Para-
Iyse vorhanden war, und auch anderer Versuche, bei welchen die
Hemianaesthesie am Arme und an der oberen Rumpfpartie wohlaus-
gesprochen war, während das (paretische) Bein keine Verringerung
der Empfindlichkeit zeigte. Indess finden sich unter ihren Versuchen
solche der ersteren Art nur dann, wenn sie die Paralysen, von welchen
sie bei den Versuchen im Bereiche des motorischen Rindengebietes
sprechen, den Paresen, von welchen bei den Versuchen am Gyrus
fornicatus die Rede ist, haben gegenüberstellen wollen: und da dürfte
es doch, selbst wenn es immer dort Paralysen, hier Paresen gäbe
— was nicht der Fall ist —, nur selbstverständlich sein, dass Ex-
stirpationen motorischer Rinde grössere Bewegungstörungen mit sich
bringen können, als Schädigungen derselben Rinde durch Freilegung,
Druck, Cireulationsstörung. Oder man müsste beim Versuch 37 mit den
HH. Horstey und ScnÄrer glauben wollen, dass der viel seltenere
Gebrauch, welchen der Affe von der rechten Hand machte, bloss
darauf beruhte, dass durch die Verletzung des Gyrus fornicatus die
Tastempfindung des rechten Armes verloren war: während doch die
gleiche Störung der Armbewegung oft nach kleinen Exstirpationen im
Bereiche der Armregion zur Beobachtung kommt und gerade auch
dann, wenn in der Gegend exstirpirt wurde, in welcher beim Versuch 37
die Erweichung an der Convexität der Hemisphaere bestand. Weiter
kann als Versuch der zweiten Art allein Versuch 39 gemeint sein, bei
27 Ph. Ir. 1888, B,p.22.
? Von den Affen, an welchen von Horstrey und ScHÄrer der Gyrus fornicatus
zerstört worden war, hat später France in sechs Fällen das Centralnervensystem
untersucht und in allen Fällen eine ausgedehnte secundäre Degeneration der Pyramiden-
bahn gefunden (ebenda 1889, B, S. 331).
® Ebenda 1888, S. 22—3.
Munk: Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 21
welchem am Tage nach der Operation, während das paretische Bein
schön empfindlich war, der paretische' Arm auf Berührungseindrücke
gar nicht, auf Schmerzeindrücke schwer reagirte und dieser Arm noch
nach Wochen eine verringerte Empfindlichkeit zeigte; — ein Versuch
beiläufig, bei welchem die Abbildung den Gyrus marginalis in hohem
Maasse, vielleicht nicht weniger als den Gyrus fornieatus, und be-
sonders gerade in der Armregion verletzt erkennen lässt. Aber dass
die Beweglichkeit der Körpertheile und ihre Empfindlichkeit in ver-
schiedenem Grade gestört sind und die Empfindlichkeit das eine Mal
mehr, das andere Mal weniger gelitten hat, findet man auch nach
Verletzungen des motorischen Rindengebietes, die sich über mehrere
Regionen erstrecken und nur einen Theil von jeder Region betroffen
haben. Ganz davon zu schweigen, dass noch öfter der Anschein jenes
Verhaltens dadurch entsteht, dass, während die Bewegungsstörungen
ins Auge fallen, die Empfindungsstörungen nur bei grosser Sorgfalt
und selbst so nicht immer gut festzustellen sind. Demgemäss fallen
die vermeintlichen Gründe, die Frage zu verneinen, fort; und mit den
Hoxsıry-Scuärer’schen Versuchen vereinigen sich dann die meinigen,
die Frage bejahen zu lassen.
Ich habe nach den Exstirpationen der Rinde des Gyrus fornicatus
ausnahmslos Bewegungs- und Empfindungsstörungen zusammen gefun-
den an Arm und Bein der anderen Seite; und zwar ebensolche und eben-
so mit der Zeit abnehmende Störungen, wie man sie nach partiellen
Exstirpationen der Extremitätenregionen sieht. Einmal waren solche
Störungen auch am Kopfe vorhanden, aber dieselben waren schon vor
Ablauf des zweiten Tages nach der Operation verschwunden. Die
Exstirpationen nahmen etwas hinter dem Balkenknie ihren Anfang
und erstreckten sich bis in den Lobus quadratus (Praecuneus) hinein;
in zwei Fällen reichten sie nach vorn bis über das Balkenknie hinaus.
In einem dieser letzteren Fälle war die Rinde in der ganzen Breite des
Gyrus fornicatus exstirpirt; sonst war der dem Balken nächste schmale
Streifen der Rinde erhalten. An der freigelegten Hirnpartie fand ich
mindestens Adhärenzen der Pia und leicht verfärbte Rindenstellen;
meist zeigten sich festere Verwachsungen, oberflächliche Erweichungen,
kleine hügelartige Erhebungen und thalartige Einsenkungen am Gyrus
marginalis und an der benachbarten Partie der Gonvexität. Dazu hatte
noch, wie Querschnitte durch die Hemisphaere lehrten, die Exstirpa-
tion öfters am Sulcus calloso-marginalis und dieht unter demselben
die Markleiste gestreift, in welcher die Fasern der Corona radiata zu
den eben genannten Theilen der Rinde verlaufen. Mit den Exstir-
! »Es besteht einige Muskelparese der ganzen rechten Seite« (ebenda S. 42).
122 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 14. Juli.
pationen am Gyrus fornieatus sind also immer, nur bald mehr bald
weniger, Schädigungen der Extremitätenregionen verbunden; und weil
Verletzungen dieser Regionen nachweisbar nicht bloss Bewegungs-,
sondern auch Empfindungsstörungen zur Folge haben, sind auf jene
Schädigungen ebensowohl die Empfindungs- wie die Bewegungsstö-
rungen zurückzuführen, welche nach den Exstirpationen am Gyrus
fornieatus auftreten. Beobachtungen, aus welchen auf die Funetion
der Rinde des Gyrus fornicatus sich schliessen liesse, findet man
seitens der HH. Horstrey und ScHÄrer nicht gemacht, und auch ich
kann von solchen nicht berichten."
Mithin existirt weder ein sensibles Centrum beim Affen im Lobus
faleiformis, noch wird durch Verletzungen des sogenannten motorischen
Rindengebietes die Empfindung beim Affen nicht beeinträchtigt. Richtig
ist nichts weiter, als dass nach gewissen beschränkten Verletzungen
der Extremitätenregionen Empfindungsstörungen nicht zu constatiren
sind. Das gilt aber ebenso, wie für den Affen, auch für den Hund
und hat sich nur deshalb beim Affen mehr bemerklich gemacht, weil
dessen Extremitätenregionen eine viel grössere Ausdehnung haben als
die des Hundes, so dass durch kleine Exstirpationen, wenn sie beidemal
von gleicher absoluter Grösse sind, beim Affen verhältnissmässig nur
wenig, beim Hunde verhältnissmässig schon viel von den Extremitäten-
regionen entfernt wird. Woher es rührt, dass die Empfindungsstö-
rungen, die nach grösseren Verletzungen der Extremitätenregionen so
deutlich hervortreten, nach kleinen Verletzungen schwer oder gar
nicht bemerklich sind, wird später Aufklärung finden; dass wir die
Frage einstweilen offen lassen, kann der Erkenntniss, um welche es
sich zur Zeit handelt, dass die Extremitätenregionen im grossen und
ganzen der Empfindung dienen, keinen Eintrag thun.
Gleichmässig also bei Hund und Affen stellen sich die näheren
Beziehungen der Extremitätenregionen zu den gegenseitigen Extremi-
täten dar. In den Extremitätenregionen kommen die Berührungs- oder
Druckempfindungen und die Berührungs- oder Druckwahrnehmungen
der zugehörigen Extremitäten zustande, und an sie sind auch die
Berührungsreflexe dieser Extremitäten gebunden; so dass mit dem
völligen Untergange der Regionen jene Empfindungen und Wahrneh-
mungen, wie diese Reflexe für immer verloren sind. Von den
Extremitätenregionen ist ferner die Schmerzempfindlichkeit der zuge-
hörigen Extremitäten abhängig, wahrscheinlich ausschliesslich, so lange
! An dem viel bequemer zugänglichen Lobus quadratus habe ich die Rinde recht
ausgedehnt und sogar beiderseits exstirpiren können, ohne dass sich irgendwelche Stö-
rungen bemerklich machten. Auch Horstrey und ScHÄrer sahen von der Abtragung
der Rinde eines Lobus quadratus keinen Erfolg (a. a. O. S. 36, Vers. 27 Läsion 2).
Munk: Über die Fühlsphaeren der Grossbirnrinde. 123
der Schmerz nicht eine gewisse Grösse überschreitet, immer aber
hauptsächlich; so dass nach dem völligen Untergange der Extremi-
tätenregionen, jene Schmerzempfindlichkeit zunächst sehr herabgesetzt
ist und nur allmählich und unvollkommen sich wiederherstellt, indem
andere Rindenpartien als Ersatz der untergegangenen eintreten. Die
Extremitätenregionen halten endlich mittels besonderer Leitungsbahnen,
welche von ihnen zu den Reflexcentren der zugehörigen Extremitäten
führen, und zwar ohne dass der Vorgang der Erregung in diesen
Leitungsbahnen statthat, die genannten Reflexcentren auf derjenigen
niederen Grösse der Erregbarkeit, welche denselben in der Norm am
unversehrten Thiere zukommt, und welche die Regionen noch zeit-
weilig herabzusetzen vermögen; so dass nach dem völligen Untergange
der Extremitätenregionen die Erregbarkeit jener Reflexcentren sich
über die Norm erhebt bis zu einem Maximum, auf welchem sie ver-
harrt. Aber damit ist die Bedeutung der Extremitätenregionen für
die zugehörigen Extremitäten noch nicht erschöpft; und wir gewinnen
neue Aufschlüsse, wenn wir den Folgen der Totalexstirpation der
Extremitätenregionen in anderer Richtung nachgehen.
Ausgegeben am 21. Juli.
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1892.
XXXVI.
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
Vorsitzender Secretar: Hr. Monmnsen.
Hr. Mommsex las über die Stellung der juristischen Person
im römischen Vermögensrecht.
Ausgegeben am 21. Juli.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
Sitzungsberichte 1892. 64
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1892.
AXXVIH.
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
„ ZU BERLIN.
21. Juli. Gesammtsitzung.
Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers.
l. Hr. Lanvorr las die umstehend folgende von ihm und dem
Assistenten am zweiten chemischen Laboratorium der hiesigen Univer-
sität Hrn. Dr. H. Jans verfasste Abhandlung: Über die Moleecular-
refraction einiger einfacher organischer Verbindungen für
Strahlen von unendlich grosser Wellenlänge.
2. Hr. Weser überreichte die dritte Abtheilung des zweiten
Bandes seines Verzeichnisses der Sanskrit- und Präkrit- Handschriften
der Königl. Bibliothek, und knüpfte daran einige Worte dankbarer
Erinnerung an R. Lersıus, sowie dankbarer Anerkennung für die HH.
G. BünLer, E. Leumann und J. KLAtr.
3. Der Vorsitzende überreichte zwei weitere Stücke des grossen
Zonencatalogs der Astronomischen Gesellschaft: St. III. Zone 65° bis
70°, beobachtet auf der Sternwarte in Christiania, und St. V. Zone
50° bis 55°, beobachtet auf der Sternwarte Cambridge, Mass.
4. Am 2o0.d.M. feierte Hr. Warrtensach sein fünfzigjähriges
Doctorjubiläum. Die Akademie beglückwünschte ihn zu demselben
durch die unten folgende Adresse.
Sitzungsberichte 1892, 65
u.” u
u;
A
=
Bg
R -
» 2 .
729
Über die Moleeularrefraction
einiger einfacher organischer Verbindungen für
Strahlen von unendlich grosser Wellenlänge.
Von H. LAnpoLt und Hans JAHn.
Nachdem durch eine Reihe sowohl experimenteller als theoretischer
Untersuchungen der Nachweis erbracht war, dass die dispersiönsfreien
Brechungsexponenten flüssiger organischer Verbindungen weder mit
Hilfe der Caucnv’schen noch einer anderen Dispersionsformel durch
Extrapolation ermittelt werden können, begnügte man sich damit,
die direeten Ergebnisse der speetrometrischen Messungen für Strahlen
von möglichst grosser Wellenlänge — gewöhnlich die rothe Linie. des
Wasserstoffspeetrums — mit einander zu vergleichen. Dabei blieb man
sich dessen wohl bewusst, dass die etwa bestehenden gesetzmässigen
Beziehungen durch den Einfluss der verschiedenen Dispersionskraft
der untersuchten Substanzen getrübt, oder wohl bei stark zerstreuenden
Verbindungen vollständig verdeckt sein konnten.
Die Frage nach den dispersionsfreien Brechungsexponenten trat in
ein wesentlich neues Stadium, als Hr. Hrrrz die Mittel kennen lehrte,
um die langen elektrischen Wellen messend zu verfolgen, und als die
HH. Aross und Rusens! für eine Reihe von festen und flüssigen Sub-
stanzen die Gültigkeit der von Maxweın aufgefundenen Beziehung
zwischen dem Brechungsexponenten "und der Dielektrieitätsconstante:
nme
erwiesen, wenn man für »n« den nunmehr direet messbaren Brechungs-
exponenten für die langen Herrz’schen Wellen einsetzt. Freilich
lehrt die elektromagnetische Lichttheorie, dass auch dieser Brechungs-
exponent nur dann von der Wellenlänge unabhängig, also frei von
dem Einfluss der Dispersion ist, wenn das elektrische Leitvermögen
der jeweilig untersuchten Substanz als unendlich klein betrachtet
! Wırpemann, Annalen 42, 581, 1891: 44, 206, ı8g1.
730 Gesammtsitzung vom 21. Juli.
werden kann, eine Bedingung, die für die organischen Verbindungen
gewiss mit grosser Annäherung erfüllt ist.
Es erschien uns daher von Interesse zu sein, für eine Reihe wohl
charakterisirter und stabiler Verbindungen die Dielektrieitätsconstanten
und damit die von dem Einflusse der Dispersion freien Moleeular-
refraetionen zu ermitteln, um zu entscheiden, ob die für die Strahlen
des sichtbaren’ Spectrums aufgefundenen Gesetzmässigkeiten auch für
die Strahlen von unendlich grosser Wellenlänge zutreffen. Wir wählten
als Versuchsobjecte, um es mit möglichst einfachen und übersichtlichen
chemischen Verhältnissen zu thun zu haben, zunächst eine Reihe von
Kohlenwasserstoffen, und zwar haben wir vier gesättigte, vier unge-
sättigte, und zwölf aromatische Kohlenwasserstoffe untersucht. Um
über die Reinheit der zu verwendenden Praeparate Gewissheit zu er-
langen, wurde ausser der auf Wasser von 4°C. als Einheit bezogenen
Dichte und dem Siedepunkt auch die Dampfdichte nach der Hormann-
schen Methode ermittelt. Dieselbe stimmte, wie aus den in der fol-
genden Tabelle zusammengestellten Daten ersichtlich ist, ausnahmslos
sehr angenähert mit der aus dem Formelgewicht berechneten überein.
Für das Pentan, das zu Zweifeln Anlass gab, wurde die Zusammen-
setzung durch eine von Hrn. Stud. Pınkus vorgenommene Elementar-
analyse festgestellt.
Tabelle IL
Dichte :
iede- Dampfdicht
Name der Substanz a bezogen auf die des Wassers IP TEae
Dale von 4° C. als Einheit gefunden | berechnet
Pentan 28°C. d, — 0.64116 — 0.001021 t | 2.442
(aus Amylen durch Brom | | d 2.458
abgeschieden) t gefunden berechnet | 2.459
| 14-3 0.626356 — 2.482
16.2 0.062472 0.62462 2.460 2.489
| 18.2 0.62278 0.62258
20 0.62074 —
Hexan 68%4 d, = 0.67761 — 0.00088756 t 2.995
(aus normalem Propyljodid d 2.984
durch Einwirkung von Na- | t gefunden berechnet 2.990 2.973
trium dargestellt) 1422 0.606501 —
16.2 0.66322 0.66323
18.2 0.66141 0.66146
20.1 0.65977 —
Octan 123°5 d! = 0.71939 — 0.00079204 t 3.978
(aus Octyljodid durch Ein- z d 3.948
wirkung von Zink dar- t gefunden berechnet 3.963 3.940
gestellt) 12°8 0.70925 —
14.9 0.70765 0.70759
16.1 0.70623 0.70664
18.5 0.704790 0.70474
20.1 0.70347 —
Lanporr u. Jaun: Molecularrefraction für unendliche lange Wellen. Kot
Dichte
Siede- nr, Dampfdichte
Name der Substanz \ bezogen auf die des Wassers
punkt von 4 C. als Einheit gefunden | berechnet
Dekan 157°5 di = 0.73900 — 0.00074889 t 4.881
(aus Amyljodid durch Ein- 7 4.856
wirkung von Natrium dar- t gefunden berechnet 4.869 4:907
gestellt) 12.8 0.72942 — ö :
14.1 0.72839 0.72844
15.9 0.72709 0.72709
18.0 0.72552 —
20.1 0.72398 0.72395
Amylen 36°7 d, — 0.68313 — 0.001018 { 2.434
(aus Amylenhydrat durch Es 2.431
Einwirkung von Oxalsäure t gefunden berechnet 2.421
erhalten) 14° 0.668388 — 2.42 2.41
16.5 0.66641 0.66633 9 =
18.1 0.606470 0.66470
20 0.66277 _
Hexylen! a) 67° d, = 0.70271 — 0.00092892 t a)
(aus secundärem Hexyljodid | b) 67.5 4 2.865
durch Einwirkung von alko- t gefunden berechnet 2.885
holischem Kali erhalten) 1422 0.68952 — 2.875
16.2 0.68767 0.68766 b)
18.1 0.68592 0.68590
20.4 0.638376 a
b) / 2.808
19.75 0.68414 0.68436 294 ze)
Öctylen -121°75 di = 0.73876 — 0.000823 1 3.924
(aus Oetylalkohol durch Ein- d 3.942
wirkung von Zinkehlorid er- t gefunden berechnet 3.933 3.871
halten) 12:5 0.72847 —
14.1 0.72710. 0.72716
16.3 0.72528 0.72534
17:9 0.72397 0.72403
20.0 0.72230 —
Deeylen 152° di — 0.78509 — 0.00076567 t 4.697
(durch Einwirkung von ed 4.729
Schwefelsäure auf Amylen t gefunden berechnet 4.713 4.839
erhalten) 14° 0.7741 ==
3 27433
16.4 0:.77263.0:77253
18.1 0.77135 077123
20.1 0.76970 —
ol ee tarsia 80° d, = 0.90048 — 0.0010668 t 2.699
d 2.692
U Ä gefunden berechnet 2.696 2.696
14:5 0.88501 _ 5
16.3 0.88307 0.88309
18.4 0.388084 0.88085
20.2 0.87893 —
t
ol. ae 110° d, = 0.88418 — 0.00091961 t 3.195
d 3.210
ı gefunden berechnet 3.206 3.179
14-3 0.87103 —
16°2 0.86931 0.869283
18.2 0.86747 0.86744
20.4 0.86542 —_
! Von diesem Kohlenwasserstoff wurden zwei Proben (a und b) untersucht.
192 Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Dichte 2
jiede- D: fdichte
Name der Substanz ne bezogen anf die des Wassers runs
punst von 4 C. als Einheit gefunden | berechnet
Aethylbenzol....... 134 di = 0.838687 — 0.000846 1 3.653
d 3:97,
t gefunden berechnet 3.666 3.663
14.6 0.387452 —
16.0 0.837326 0.87333
ET 0.87186 0.87190
20.0 0.806995 —
Ortho-ay lol. 143° d, — 0.89672 — 0.00081774 3.721
d 3:297
t gefunden berechnet 3.759 3.663
14-5 0.88491 —
15.9 0.88381 0.88372
18.2 0.88192 0.88194
20:3\ 0.88019 -_
Meta X ylola)anse; 20% 138°7 d’ — 0.882053 — 0.00084702 1 7i
Yy A) 4 5 7 23:70,
d una
ı gefunden berechnet 3.722 3.663
14:2 0.387002 —
16.4 0.836818 0.86816
18.4 0.386650 0.86646
20.2 0.806494 —
Dara-Xtylof.# |... 138° d, — 0.87857 — 0.00086386 t 3.727
d BT
t gefunden berechnet 3.722 3.663
14-3 0.86622 —
16.8 0.836412 0.836406
18.1 0.86304 0.86293
20.2 0.86112 =
Bropylbenzol.. .. ... 157° d, — 0.837860 — 0.00081194 t 4.169
; d 4.170
B gefunden berechnet 4.173 4.147
14-4 0.8669 1 —
16.1 0.86550 0.86553
18.4 0.806363 0.86369
FR 87204 080228 IN |
Isopropylbenzol..... 153° di = 0.87882 — 0.00082625 t 4.204
f ; d 4.217
gefunden berechnet ‚211 .14
1621 0.386560 — : BR
18.0 0.836397 0.86395
20.0 0.86231 _0.86229
22.0 0.860064 —_
Re sistylene, 2 mon2 5: 162° d, — 0.87617 — 0.00077463 t 4.319
: d 2329)
R gefunden berechnet 4.324 4.147
' 14-1 0.86529 =
16.3 0.86364 0.386354
18.1 0.86219 0.86215
20.1 0.386060 =
Bseundoeumol "12... 169.75 d, = 0.839458 — 0.00079507 t 4.157
A 4.103
t gefunden berechnet 4.130 4.147
14-1 0.388337 —
16.1 0.88181 0.88178
18.0 0.838032 0.88027
20.3 0.837844 —
. . . Ip f ‘
Laspvorr u. Jaun: Molecularrefraction für unendliche lange Wellen. 139
Dichte
Bi Siede- € Dampfdichte
Name der Substanz n bezogen auf die des Wassers \
Binnt von 4° C. als Einheit gefunden | berechnet
Maobutylbenzol...... 167.0 d, — 0.388316 —- 0.000795 t 4.701
d 4711
t gefunden berechnet 4.706 4.630
IN 0.587181 -
| 16.1 0.837036 0.87036
| 18.2 0.386874 0.868069
20.0 0.386726 en
Cymol 175° d, — 0.87271 — 0.00078762 I 4-573
(aus Campher) | d 4.573
= gefunden berechnet 4.573 4.630
137 0.86193 —
16.2 0.85992 0.85995
= 8.2 0.835828 0.858938
20.2 0.385680 —
Es wäre für die beabsichtigte Untersuchung noch die wichtige
Vorfrage zu lösen gewesen, in welcher Weise die Dielektrieitätscon-
stanten von der Temperatur und der Dichte abhängen, ob nament-
lich die Lorrntzz’sche Beziehung, die für die Strahlen des sichtbaren
Speetrums gilt, auch für die Strahlen von unendlich grosser Wellen-
länge zutrifft, ob also:
k—ı ı
oe
eine von der Temperatur unabhängige Grösse ist. Diese Frage kann nach
den Untersuchungen von Hrn. Legepew' über die Dielektrieitätseonstanten
der Dämpfe einiger organischer Verbindungen, sowie von Hrn. E. Con’
über die Dielektrieitätsconstante des Wassers bei verschiedenen Tempera-
turen als endgültig zu Gunsten der Lorextz’schen Formel entschieden
betrachtet werden.
Was die Wahl der Methode für die Bestimmung der Dielektri-
citätsconstanten anbelangt, so musste die genaue und elegante Methode
von SCHILLER von vornherein ausgeschlossen werden, da die Beschaffung
so grosser Quantitäten der für die Untersuchung in Aussicht genommenen
Kohlenwasserstoffe, wie sie für die Messungen nach dieser Methode
nöthig sind, mit unverhältnissmässigen Kosten verbunden gewesen
wäre. Wir entschieden uns für die Stow’sche Methode in der von HH.
Conn® und Aroxs vorgeschlagenen Modification und zwar bedienten wir
uns zweier kleiner Flüssigkeitselektrometer, die dem von Hrn. Tereschn’
seinerzeit benützten und beschriebenen nachgebaut waren. Das eine
I WIEDEMANN, Annalen 44, 288, 1891,
2 Ibid., Annalen 45, 370, 1892.
Hlbie. 33, 13, 1888.
* Ibid. 36, 792, 188g.
734 Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Quadrantenpaar sowie die Nadeln der beiden Elektrometer waren dauernd
zur Erde abgeleitet. Die beiden anderen Quadrantenpaare waren unter-
einander in leitender Verbindung und ausserdem mit dem, einen Ende
der Seeundärspirale eines Hrrnnortz’schen Induetoriums verbunden. Das
zweite Ende der Secundärspirale wurde gleichfalls durch Ableitung zur
Erde dauernd auf dem Potential Null erhalten. Zur Unterbrechung des
primären Stromes bedienten wir uns einer Stimmgabel mit Luftantrieb
und Quecksilbereontaet. Dieselbe functionirte ausserordentlich regel-
mässig, die Elektrometer stellten sich meist so ruhig ein, dass ein
Beobachter die Ablesungen hätte ausführen können. Wir zogen nichts
desto weniger zur Erzielung einer grösseren Genauigkeit die gleichzeitige
Ablesung der beiden Elektrometer durch je einen Beobachter vor.
Die Calibrirung der Elektrometer wurde in der Weise ausgeführt,
dass das eine derselben auf constantem Potential gehalten wurde,
während man das andere durch Abzweigung von einem Stöpselrheo-
staten von SIEMENS & Harske mit bekannten Bruchtheilen desselben
Potentiales lud. Bei vollkommener Symmetrie der Instrumente sollte dann
bekanntlich der Sinus des Ablenkungswinkels, wofür man bei kleineren
Ablenkungen ohne Bedenken die Tangente desselben Winkels einsetzen
kann, dem Quadrat der Potentialdifferenz proportional sein. Es ergab
sich, dass diese Beziehung. für unsere Elektrometer mit hinreichender
Annäherung zutraf. Von den zahlreichen derartigen Calibrirungen, die
ausgeführt worden sind, mögen die folgenden zwei ohne Wahl heraus-
gegriffenen angeführt werden:
Elektrometer I.
Verhältniss der Ausschläge
Potential ig a gefunden berechnet
I 0.033104 _— _
1/a 0.0082732 3.992 4.000
7/10 0.016071 2.000 2.041
8/10 0.021120 1.568 1.563
Elektrometer I.
Verhältniss der Ausschläge
Potential ig a gefunden berechnet
I 0.019151 == _
l/y 0.004787 1 4.0005 4.0000
7/to 0.0094264 2.0316 2.041
8/10 0.012405 1.5797 1.563
Die eigentlichen Messungen wurden nach folgendem Schema aus-
geführt. Es wurden zunächst die beiden Elektrometer mit ein und der-
selben Normaltlüssigkeit gefüllt und die Ausschläge bei verschiedenen
Potentialdifferenzen, die man durch Einschaltung verschiedener Wider-
stände in den primären Stromkreis herstellte, ermittelt. Als Normal-
0. re ® ms
Lasvorr u. Jaun: Molecularrefraetion für unendliche lange Wellen. 2%)
flüssigkeit wählten wir Metaxylol, da diese Verbindung in jeder Quan-
tität im Zustande vollkommener Reinheit zu erhalten ist, und ausserdem
eine Reihe gut übereinstimmender Werthe für die Dielektrieitätscon-
stante dieses Kohlenwasserstoffes vorliegen. Zum Überfluss bestimmte
der Eine von uns in Gemeinschaft mit Hrn. Dr. Aross, der uns in
allen Phasen dieser Untersuchung in dankenswerthester Weise durch
seinen werthvollen Rath unterstützte, noch einmal die Dielektrieitäts-
eonstante des von C. A. F. Kautsaun zu beziehenden Metaxyloles mit
Hilfe der Scuizzer’schen Methode. Es ergab sich:
k—ı ı
k = 2.340 bei 20°2C also ——— — = 0.3570,
: k+2d 2
Hr. Terescnimn fand:
uk
m 2.35.bel 13.50 ‚also ie — N TE
Das Mittel dieser beiden Werthe:
en
——— ee ae
oe aan
wurde der Berechnung der Dielektrieitätsconstante des Metaxyloles für
die verschiedenen bei unseren Messungen herrschenden Temperaturen
zu Grunde gelegt. Gesetzt, die Temperatur betrüge {°C. und dem-
nach die Dichte des Metaxyloles gemäss der oben angegebenen Inter-
polationsformel d;, so ist die dieser Temperatur entsprechende Dielek-
trieitätsconstante Ä, gegeben durch die Beziehung:
I + 0.7136 d,
1 — 0.3568 d,
— 013568d; oder , —
Nachdem die Ablenkungen der beiden mit Metaxylol gefüllten
Elektrometer ermittelt waren, wurde Elektrometer I entleert, einige Male
mit absolutem Alkohol und absolutem Äther abgewaschen, durch Ab-
blasen mittels eines Kautschukballons getrocknet, und mit der zu
untersuchenden Flüssigkeit gefüllt, während Elektrometer II constant
mit Metaxylol gefüllt blieb. Es wurden nun wieder die Ablenkungen
der beiden Instrumente bei verschiedenen Potentialdifferenzen ermittelt
und damit waren alle Elemente zur Berechnung der gesuchten Dielek-
trieitätsconstante gewonnen. Gesetzt die Ablenkungen der beiden mit
Xylol gefüllten Elektrometer hätten a, beziehlich a, betragen; bei dem
zweiten Versuche dagegen A, beziehlich A,, so ist:
wenn %, die gesuchte, % die der herrschenden Temperatur entsprechende
Dielektrieitätsconstante des Metaxyloles bezeichnet.
736 Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Die beiden Elektrometer waren mit Papphüllen umgeben, durch
deren Deckel je ein in Zehntelgrade getheiltes Thermometer geführt
war. Die Ablesung der Thermometer geschah gleichfalls mittels eines
Fernrohres.
Wie schon früher erwähnt wurde, stellten sich die Elektrometer
in der Regel vollkommen ruhig ein. Nur bei der Untersuchung sehr
tlüchtiger Verbindungen ergaben sich Schwierigkeiten, da die Nadel
in Folge der fortwährenden Veränderungen der Oberfläche und der
Stösse des aufsteigenden Dampfes gegen den Spiegel nie zur Ruhe kam.
Dieser Übelstand liess sich meist durch Eintauchen des Elektrometer-
gefässes in Eiswasser beseitigen.
Die Resultate der so ausgeführten Messungen sind in der folgenden
Tabelle zusammengestellt. In derselben bezeichnet:
t die bei der jeweiligen Beobachtungsreihe herrschende Tem-
peratur;
d die dieser Temperatur entsprechende Dichte der unter-
suchten Substanz ;
A, @, ge KR i
De Be das corrigirte Verhältniss der Elektrometeraus-
schläge;
k die der Temperatur ? (wenn nicht eine andere Temperatur
dabei notirt ist) entsprechende Dielektrieitätsconstante des
Metaxyloles;
k, die derselben Temperatur entsprechende Dielektriecitäts-
constante der untersuchten Flüssigkeit;
a Br i R
— —— — die Lorentz’sche ÜConstante.
RE id
Tabelle N.
Name en
d en k Pe ©
der Substanz
Hiexamer ne: 1326 | 0.67007 0.79527
0.79268 2.3516(£=13°6) | 1.8641 0.3337
1112 | 0.66767 0.77574
0.78793
0.783818
0.79700
0.79587
0.78894 2.3494 ({=1477) | 1.853 0.3318
0.3328
Name
der Substanz
Octan
14.0
0.70830
2.3518
2.3509
1.929
1.9382
2.3337
0.3363
0.3350
Dekan ...-.:..
14.2
0.72889
0.72837
D
u
in
_
oo
2.3504
1.967
1.9641
0.3344
Rmiylen ... .
0.068313
0.608313
0.934111
0.93003
0.94145
993777
293504
0.94708
a
0.940359
0.95 101
0.94082
0.92606
0.94913
0.94569
0.94254
2.3466 (t=16°2)
2.349 (t=15)
2.2067
2.2139
0.4138
0.4199
0.4217
0.4185
Netylen....
13°6
11.5
272797
0.72930
0.92912
0.92320
0.91131
0.90922
0.91821
0.92615
0.92367
0.93766
293338
0.93019
2.3516
23997
2.1592
2.1913
0.3831
0.3897
0.3864
Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Name
der Substanz
Decylen
0.77230
0.95111
0.953804
0.94550
0.95598
0.95482
9:95329
2.3457.
23457
2.2370
2.2356
0.3780
0:3277
0.3779
Benzolereene.
14-51
0.388500
0.8945 1
0.89291
0.9538
0.933 I
0.9477
0.9478
0.9456
0.9456
0.9386
29372
SU DEH;
0.9326
0.9303
0:9342
0.9405 1
0.94025
2933
0.937111
2:93247.
0.9380
2.3500
2.3520 (=13°4)
2.353 14-127)
2.2211
2.1977
2.2074
0.3271
0.3190
0.3214
0.3225
Toluol:
16233
15.6
2A,
0.869116
0.386983
0.87278
1.0077
1.0053
0.9980
1.0274
1.0096
1.0148
1.0103
1.0083
1.0265
1.0250
1.0169
1.0033
1.0060
1.0080
1.0062
1.0061
1.0059
2.3465
2.3478
2.354
2.369
2.3872
2.3678
0.3605
0.3634
0.3588
0.3609
! Diese Versuchsreihe bezieht sich auf eine zweite Probe von chemisch reinem Toluol,
die wir der Güte des Hrn. Dr. G. Krämer verdankten.
= .. . rs
Lanporr u. Jaun: Molecularrefraetion für unendliche lange Wellen. 739
Name
der Substanz
kr
Aethylbenzol
14.1
13:5
0.387494
0.87545
0.87367
2.357
2.352
2.3478
2.414
2.412
0.3661
0.3656
0.3680
0.3666
Orthoxylol..
14. 1
13.3
13.5
0.88524
0.388584
0.88573
2.3507
2.3522
2.3520
2.5834
2.5972
0.3936
0.3892
0.3923
0.3917
Paraxylol...
=
17
12.8
0.386216
0.86388
0.86751
0.95417
2.3415
2.345
2.3532
2.2276
DEU
2.2453
0.3341
0.3381
0.3363
Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Name
n d 2 k hy
der Substanz
14-4
0.8669 1
2.3523
2.3501
2.3584
2.3508
0.3591
Isopropyl-
benzol
Mesitylen ..
15°6
16.1
14-4
0.86593
0.86552
0.806540
0.806501
1.0157
1.0181
1.0114
0.978942
0.97912
9.097937
0.977456
0.973859
0.976411
0.97760
0.97568
0.979848
RIZTOR
Pseudocumol
0.836746
0.88377
1.0195
1.0153
1.0162
1.0180
1.0155
1.0169
1.0287
1.0235
1.0202
1.0320
1.0286
ara
2.3475
2.3470
2.351
2.3501
2.3766
2.3007
2.2958
0.3632
0.3495
0.3487
0.3491
2.3447
2.352
2.3843
2.417
0.3584
0.3630
0.3607
. . .. . 7
Laspvorr u. Jaun: Molecularrefraetion für unendliche lange Wellen. /41
Name A, %
der Substanz A, 0, | kr, +2 d
Isobutyl- 14-1 0.837195 1.00000
benzol” 0.9905 5
0.99522
0.99746
oz
0.9963 2
D
8%)
In
@)
N
2.3413 0.3543
13.5 | 0.87243 1.0055
1.0003
0.9954
0.9944
0.9984 2.352 2.348 0.3554
0.3549
Drmol..:... 15°58 | 0.836044 0.9501
0.9432
0.9528
0.9523
0.9519
0.9501 2.348 as 0.3381
17.24 | 0.85913 0.9570
0.9535
0.9521
0.9542
0.9561
0.9546 2.336 2,230 0.3385
Die Brechungsexponenten der angeführten Kohlenwasserstoffe
wurden mit Hülfe eines ausgezeichneten Speetrometers von HILDEBRAND
& Schramm in Freiberg nach der Methode der kleinsten Ablenkung
für die drei Wasserstofflinien H,, H,, H, sowie für gelbes Natriumlicht
ermittelt. Das verwendete Hohlprisma war von Stemnem in München
angefertigt worden; sein brechender Winkel betrug genau 60°.
In der nachfolgenden Tabelle bezeichnet:
t, die Temperatur der in dem Prisma enthaltenen Flüssigkeit
d, die dieser Temperatur entsprechende Dichte
#, die der Linie H,
” i ; f = entsprechenden Brechungsexponenten
Bol nı n ra
A) die Gonstanten der Caucenv’schen Dispersionsformel
e\ u-4+
Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Tabelle IE
Name der Substanz d HM Ya K, "np A B
| | |
Pentanı re aren 15°7 | 0.62513 1.3581 | 1.3610 | 1.3645 | 1.3570 | 1.3476. | 0.3192
Hexamı 2 000. 30.2.0. 10148 | 0:.66447111.3761 41.3625. | 1.3802) |,1.3780.| 1.3083 oa
Vetanea ara 15.1 | 0.70743 | 1.3987 | 1.4046 | 1.4097 | 1.4007 | 1.3902 | 0.3676
Diekanye un er. 14.9 | 0.72784 | 1.4088 | 1.4160 | 1.4200 | 1.4108 | 1.4001 | 0.3743
Bmsalenn. Ace se 16.4 | 0.66643 | 1.3857 | 1.3945 | 1.3997 | 1.3883 | 1.3750 | 0.4656
Hiessylen est ae: 15.2 | 0.68859 | 1.3965 | 1.4052 | 1.4093 | 1.3995 | 1.3866 | 0.4278
Ooeyllennas ser na 16.0 | 0.72559 | 1.4137 | 1.4222 | 1.4274 | 1.4157 | 1.4030 | 0.4572
Dieevilenn 1.2.2.0. ars 17.0 | 0.77207 | 1.4357 | 1.4447 | 1.4500 | 1.4385 | 1.4246 | 0.4780
Benzol heran: 16.0 | 0.88341 | 1.4988 | 1.5156 | 1.5261 | 1.5038 | 1.4777 | 0.9106
Solkolles . ee 14-7 | 0.87066 | 1.4944 | 1.5104 | 1.5203 | 1.4992 | 1.4743 | 0.8658
Methwyilbenzole..... .. 14-5 | 0.87460 | 1.4948 | 1.5102 | 1.5196 | 1.4994 | 1.4756 | 0.8287
Or ydlolle nn et. 14-1 | 0.88519 | 1.5040 | 1.5200 | 1.5300 | 1.5082 | 1.4838 | 0.8689
meRsylloil) "2.2 ee 15.7 | 0.86875 1.4954 | 1.5112 | 1.5211 | 1.4996 | 1.4755 | 0.8596
BR 14-7 | 0.86587 | 1.4943 | 1.5097 | 1.5200 | 1.4985 | 1.4744 | 0.8588
Eropyibenzol.. .... 15.7 | 0.860585 | 1.4891 | 1.5045 | 1.5134 | 1.4942 | 1.4703 J 0.8111
Isopropylbenzol.... 15.1 ! 0.86634 | 1.4900 | 1.5044 | 1.5134 | 1.4947 | 1.4718 |.0.7820
Meswiylen rt. 2.2 14.6 | 0.86486 | 1.4926 | 1.5073 | 1.5165 | 1.4966 | 1.4741 | 0.7992
Pseudocumol ......... 14.7 | 0.88289 | 1.5030 | 1.5184 | 1.5282 | 1.5072 | 1.4835 | 0.8388
SobutyIbenzol 2... 2. 14-5 | 0.87163 | 1.4916 | 1.5056 | 1.5141 | 1.4957 | 1.4742 | 0.7518
yo een Ak 13.7 | 0.806192 | 1.4886 | 1.5026 | 1.5111 | 1.4926 | 1.4712 | 0.7520
Vergleichen wir zunächst die Quadratwurzeln
der Dielektrieitäts-
constanten mit der bei der gleichen Temperatur ermittelten Constante A
der Caucnv'schen Dispersionsformel:
Vk
Hexan 1.3608
Octan 1.3899
Dekan 1.4015
Amylen 1.4836
Octylen 1.4758
Deeylen 1.4764
Benzol 1.4816
Toluol 1.5410
o-Xylol 1.6101
m-Xylol 1.5322
p-Xylol 1.4942
Aethylbenzol 1.5543
Propylbenzol 1.5333
Isopropylbenzol 1.5417
Mesitylen 1.5157
Pseudocumol 1.5462
Isobutylbenzol 1.5309
Cymol 1.4948
Während für die drei untersuchten Paraffine die
mit grosser Annäherung zutrifft, ergibt sich für die
Vk= A
sowie für die aromatischen Kohlenwasserstoffe
Vk>A
A
1.3683
1.3902
1.4001
1.3750
1.4030
1.4246
RT,
1.4743
1.4838
4738
1.4744
1.4756
14703
1.4718
1.4741
1.4835
14742
1.4712
Beziehung
ungesättigten,
Die besagten Substanzen zeigen also durchweg anormale Dispersion,
doch sind die beiden Werthe Yk und A wenigstens von derselben
‘
. .. . r 7
Lanporr u. Jaun: Molecularrefraction für unendliche lange Wellen. 743
Grössenordnung, so dass die Constante A der zweigliedrigen CAucHY-
schen Formel in erster Annäherung den Brechungsexponenten für
unendlich lange Wellen liefern würde.
Für die auf unendlich lange Wellen bezüglichen Moleeular-
refraetionen der untersuchten Paraffine ergeben sich folgende Werthe:
M Par z Differenz
Hexan 28.62 E
Octan 38.19 u
Dekan 47-46 2x404
Es entspricht also der gleichen Zusammensetzungsdifferenz CH, eine
gleiche Zunahme des molecularen Brechungsvermögens und zwar
weicht der mittlere Werth dieser Zunahme nicht wesentlich von dem
ab, den man für die auf die rothe Wasserstofflinie bezüglichen
Molecularrefraetionen derselben Praeparate erhält:
2
—ı
M ie = Differenz
u—2 d
Pentan 25.297
Hexan 29.704 7
0 Al» 2%4.624
etan 38.952 Bean
Dekan 48.213 +3
Mittel 4.554
Bezeichnen wir das auf unendlich lange Wellen bezügliche Re-
fractionsaequivalent des Kohlenstoffes mit &, das des Wasserstoffes
mit 8, so erhalten wir durch Auflösung der beiden Gleichungen:
& +28 = 4.72
68 + 148 —= 28.62
in Bezug auf & und ®:
EOS 9 I
Das dispensionsfreie Refraetionsaequivalent des Wasserstoffes würde sich
also verschwindend klein ergeben. Die mit Hülfe dieser Refractions-
aequivalente berechneten Molecularrefractionen für das Octan und das
Dekan sind
38.06 bez. 47.50
stimmen also mit den thatsächlich beobachteten sehr angenähert überein.
Es sind jedoch «die Resultate aller derartiger Rechnungen mit
einiger Vorsicht aufzunehmen.
Berechnet man z. B. die auf rothes Wasserstofflicht bezüglichen
Refractionsaequivalente des Kohlenstoffes und des Wasserstoffes durch
Auflösung der beiden Gleichungen:
a+ 2b= 4.554
104a+ 22b = 48.213
so ergibt sich:
0ER = 337.
Sitzungsberichte 1892. ; 66
744 Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Diese Werthe stimmen mit den von dem Einen! von uns vor
zehn Jahren aus dem gesammten damals vorliegenden, ausschliesslich
auf sauerstoffhaltige Verbindungen bezüglichen Beobachtungsmaterial
berechneten Mittelwerthen
a2 AS bi 11,04
absolut nicht überein, stellen aber unsere Beobachtungen in vollkommen
befriedigender Weise dar:
ai
Pat 1 d
gefunden berechnet
Pentan 25.297 25.449
Hexan 29.704 30.004
Octan 38.952 39.114
Der Schluss, den man etwa ziehen könnte, dass dem Kohlenstoff und
dem Wasserstoff in den Kohlenwasserstoffen ein anderes Refractions-
aequivalent zuzuschreiben sei, als in den übrigen, bisher untersuchten
Verbindungen, wäre ein irriger, schon aus dem einfachen Grunde,
dass die Werthe:
de AS INN. 1.04
unsere Beobachtungen gleichfalls mit ziemlicher Annäherung darstellen:
1.
ET
ur +2d
gefunden berechnet
Pentan 25.297 25.88
Hexan 29.704 29.44
Octan 38.952 38.56
Dekan 48.213 47:68
Dass die von uns gefundenen Molecularrefractionen nicht etwa durch
Versuchsfehler entstellt sind, erhellt aus dem Umstand, das der von
Hrn. Brünt für das moleculare Berechnungsvermögen des Hexanes er-
mittelte Werth:
Pr 01.5734, Beis20 wd, 10.0005
sich in absoluter Übereinstimmung mit dem unsrigen befindet.
Vergleicht man die auf unendlich lange Wellen bezüglichen Mole-.
eularrefractionen der Olefine mit den unter Zugrundelegung der früher
für & und 8 gefundenen Werthe berechneten, so ergibt sich:
k—ı ı a
me Differenz
R gefunden berechnet
Amylen 29.3 23.60 5.70
Octylen 43.28 37.76 5.52
Decylen 52.906 47.20 5.706
! Lannporr, Ber. d. d. chem. Ges. ı5, 1031, 1882.
Lanporr u. Jaun: Molecularrefraetion für unendliche lange Wellen. 745
Es besteht also hier eine der bekannten von Hrn. Brünz entdeckten
Gesetzmässigkeit ähnliche Beziehung, dass die beobachtete Moleeular-
refraction die mit Hülfe der Refraetionsaequivalente berechnete, um
einen eonstanten Werth übersteigt, der aber für die Strahlen von un-
endlich grosser Wellenlänge mehr als noch einmal so gross ist, wie
für rothes Wasserstoftlicht:
un a
_— — Differenz
Ba
gefunden berechnet
Amylen 24.654 22.775 1.879
Hexylen 29.344 27.330 2.010
Octylen 38.546 36.440 2.106
Decylen 47-382 45-550 1.832
Ermittelt man für die drei angeführten Olefine die Zunahme der
dispersionsfreien Molecularrefraction, welche der Zusammensetzungs-
differenz CH, entspricht, so ergiebt sich:
k—ı ı
a ac )i ass
M Bin Differenz
Amylen 29.30 h f
Octylen 43.28 I x 1
Decylen 52.91 CA:
Die besagte Differenz hat also denselben Werth wie für die ge-
sättigten Kohlenwasserstoffe.
Eine Ausnahme bildet das aus secundärem Hexyljodid durch Ein-
wirkung von alkoholischem Kalı dargestellte Hexylen. Siedepunkt
und Dichte stimmen mit den von früheren Experimentatoren für dieses
Praeparat angegebenen Werthen, die Dampfdichte mit der aus dem
Formelgewicht berechneten, so vollständig überein, dass an der Rein-
heit unseres Praeparates kaum ein berechtigter Zweifel obwalten konnte.
Die Dieleetrieitätsconstante jedoch ergab sich abnorm niedrig. Wir
fanden: |
Tapelle IV.
Name der Substanz { d I n = k kr
2%
Besylen... .:. .-;, 136 | 0.69008 0.87921
0.87817
0.87022
0.8667 1
0.87358 2:3
un
-
Oi
2.0543 0.3768
| 13.4 | 0.69026 0.87626
0.86730
0.86790
0.386098
0.386902
0.86829 | 2.3465 (E=16°3) | 2.0375 0.3723
0.3743
und für das zweite nach derselben Methode dargestellte Praeparat:
66*
746 Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Tabelle V.
Name der Substanz t d | d=
A, i I
A) k,+t2 d
Hexylen.n..... 1321 || 0.069057 0.383486
. 0.83588
0.382612
0.82325
0.83356
0.832873 | 2.3441 (t=17°5) | 1.9427 0.3462
14.8 | 0.68896 0.384192
0.84745
0.384366
0.85158
0.84506
0.840613
0.83876
0.84494 12.3397 (Ü=19:9) | 1.9768 0.3565
0.33 UE
Demnach würde das moleculare Brechungsvermögen:
31.44 für das erste
29.91 für das zweite
Praeparat, im Mittel also
30.68
betragen, während man den um etwa 10 Procent grösseren Werth
34.04 hätte erwarten sollen. Die Wahrnehmung, dass der doppelte
Werth sich der Reihe in ziemlich befriedigender Weise anschliessen
würde, da:
0030 52.97°8.45. 22 x04.23
ist, legte den Gedanken nahe, dass man es mit einem labilen Bihexylen
zu thun habe, welches sich bei der Verdampfung spaltet, bei der Con-
densation aber alsbald wieder zurückbildet. Zur Entscheidung dieser
Frage wurde das Moleculargewicht der vier Olefine mit Hülfe der
Raovurr'schen Gefriermethode ermittelt, und zwar wählte man als
Lösungsmittel Benzol, da dasselbe nach den von Hrn. Beckmann bei
seinen grundlegenden Untersuchungen gesammelten Erfahrungen die
bestehenden Molecularaggregate am wenigsten dissocürt. Die Ergeb-
nisse dieser Versuche sind:
Ä Al PR Pe I Y or
k 9 G A M= 10061 G Theorie
Amylen 53 0.3940 39.452 0.725 73.01 79
Hexylen 53 0.5140 37.2678 0.829 88.28 84
Octylen 53 0.8578 ,45.7385,..0.833 119.33 112
Decylen 53 0.4075 40.486 0.363 146.96 140
Die vier Kohlenwasserstoffe zeigen demnach alle die normale
moleculare Gefrierpunktserniedrigung, wodurch die Existenz eines Bi-
. Dr . r r
Lanporr u. Jaun: Molecularrefraetion für unendliche lange Wellen. (47
hexylenes, wie wir es oben annahmen, ziemlich unwahrscheinlich ge-
macht wird. Einen directen Beweis gegen die Existenz des besagten
Polymeren liefern diese Versuche allerdings auch nicht, insofern das
Benzol möglicherweise doch schon dissoeiirend gewirkt hat. Unter-
schiede in der Constitution, an die man denken könnte, bestehen
nur zwischen dem Hexylen und dem Octylen einerseits, dem Amylen
und dem Decylen andererseits, kommen also nicht in Betracht, da
sich das Octylen der Reihe vollkommen einfügt.
Berechnet man ferner die Molecularrefraction für die Bezolderivate,
die durch Substitution eines Wasserstoffatomes im Benzolring durch
einen Alkoholrest entstehen, so erhält man:
M u = Differenz
k+2 d
Toluol Er an
33.20 5.66
Aethylbenzol 38.86
Propylbenzol 43.03 7
Hier ist es zunächst auffallend, dass die Substitution eines Wasser-
stoffatomes im Benzolkern durch Methyl eine bedeutend grössere Zu-
nahme der Molecularrefraetion bedingt, als die gleiche Substitution
in der Seitenkette; für die letztere ist die Differenz angenähert der-
jenigen gleich, die wir oben für die Kohlenwasserstoffe der Fettreihe
gefunden haben. Doch ist die Abweichung der Werthe schon eine
hinreichend grosse, um Zweifel zu berechtigen, ob die für die Pa-
raffıne und die Olefine abgeleiteten Beziehungen ohne Weiteres auf
die Benzolabkömmlinge übertragen werden dürfen.: Diese Zweifel
werden noch dadurch erhöht, dass sich die Molecularrefraetion für
die aromatischen Verbindungen als im hohen Grade constitutiv er-
weist.
Die Entstehung des Isopropylbenzoles aus dem Aethylbenzol, so
wie die des Isobutylbenzoles aus dem Propylbenzol sind ganz analoge
Vorgänge, wie ein Bliek auf die Formeln der betreffenden Verbindun-
gen lehrt:
nu
C;H, —CH, —CH, geht über in C,H, N
CH,
| Wa
0LE 6 0E, Er zehr über in C,H, CH, a
CH,
Es entspricht denn auch dieser Substitution eine gleiche Zu-
nahme der Molecularrefraction:
Isopropylbenzol ...... 43:57 Isobutylbenzol ...... 47-55
Kethyibenzol.I# 4. 2%. 38.86 Bropylbenzel‘. .... ... 43.03
Ditierenz u N az Differenz’ 7. 04:52
erh . .
748 Gesammtsitzung vom 21. Juli.
ürsetzen wir dagegen in dem Toluol ein weiteres Wasserstoffatom
des Benzolkernes durch die Methylgruppe, so ergibt sich eine wesent-
lich andere Zunahme der Moleeularrefraction, je nachdem die zweite
Methylgruppe in die Ortho-, Meta- oder Parastellung zu der ersten,
bereits vorhandenen tritt:
o-Xylol'ı) 2 74052 m-Xylol .... 37.82 P-Xyloll. 9.935.065
Dolaol 200. 33.20 Toluol. 33.20 Toluol ..... 33.20
Differenz .. 8.32 Differenz .. 4.62 Diifegenz, . 207245
Es machen sich, wie wir später sehen werden, auch für die auf das
rothe Wasserstofflicht bezüglichen Moleeularrefractionen kleine Unter-
schiede zwischen den stellungsisomeren Verbindungen geltend, die-
selben accentuiren sich aber bei dem Vergleich der von der Dispersion
freien Molecularrefraetionen ungleich schärfer. Auffallend ist, dass nur
die in der Orthostellung eintretende zweite Methylgruppe angenähert
dieselbe Zunahme der Molecularrefraetion bedingt, wie die erste bei
dem Übergange des Benzoles in Toluol eintretende Methylgruppe.
Dass die Zunahme der Molecularrefractionen bei der Entstehung der
drei isomeren Xylole aus Toluol angenähert Vielfache derselben Con-
stante sind, beruht wohl auf einem Zufall: wir legen darauf zunächst
weiter kein Gewicht.
Wohl aber scheint es uns von Interesse sein, hervorzuheben,
dass so weit unser Beobachtungsmaterial reicht, Substitutionen bei
gleicher relativer Stellung der Substituenten im Benzolring immer
dieselbe Zunahme der Molecularrefraction bedingen. -
Das Propylbenzol geht in das aus Campher erhältliche Cymol
durch Substitution eines Wasserstoffatomes in der Parastellung durch
eine Methylgruppe über. Die Differenz der Molecularfractionen:
Bymolese Zaren 2 45-33
Propylbenzol’. ... . 43.03
Ditterenzer 22750
ist genau so gross wie die zwischen den Molecularrefractionen von
Paraxylol und Toluol.
- Das Toluol geht durch Substitution der beiden in der Metastellung
befindlichen Wasserstoffatome durch je eine Methylgruppe in das
Mesitylen über. Da die Differenz der Molecularrefractionen von Me-
taxylol und Toluol 4.62 beträgt, so sollte man für Mesitylen und
Toluol die doppelte Differenz erwarten. Man erhält in der That:
Mesuylen . ...,. 41.89
Hololer nn: 33.20 °
Differenz WE. = XAHBS
Hier, wo die drei Substituenten vollkommen symmetrisch an-
geordnet sind, tritt keine Complication in Folge der wechselseitigen
Beeinflussung derselben ein. Anders verhält sich die Sache dagegen
Lanvorr u. Jaun: Molecularrefraetion für unendliche lange Wellen. 749
Beindem Pseudoeumol (CH,:CH,:CH, = 1:3 :4). ‘Wollte man die
Molecularrefraction dieses Kohlenwasserstoffes einfach auf dem Wege
berechnen, dass man zu der des Toluoles die Zunahme der Molecular-
refraction addirt, die dem Eintritt einer Methylgruppe in die Meta-
und die Parastellung entspricht, so müsste man einen zu kleinen
Werth erhalten, da die gegenseitige Beeinflussung der in der Ortho-
stellung befindlichen Methylgruppen (3,4) nicht berücksichtigt ist.
Wohl aber könnte man annehmen, dass sich die Einwirkung der
beiden Methylgruppen ı und 4 auf die zwischen ihnen befindliche 3
differenzirt, so dass wir also zu der Molecularrefraetion des Toluoles
zu addiren hätten:
4.49 + 2.38 + (8.32 — 4.49) = 10.70
wenn wir für die Metastellung sowie für die Parastellung die Mittel-
werthe der oben abgeleiteten Zahlen einführen. Die Molecularrefraetion
des Pseudocumoles müsste demnach 43.90 betragen, während in der
That 43.28 gefunden wurde.
Wie dem nun aber auch sei, darüber kann kein Zweifel bestehen,
dass der ven Hrn. Brünr für die Strahlen des sichtbaren Spectrums
aufgestellte und vertheidigte Satz, stellungsisomeren Verbindungen
käme die gleiche Molecularrefraction zu, für die dispersionsfreien
Brechungsvermögen nicht mehr zutreffend ist, insofern sich ein ganz
bedeutender und aller Wahrscheinlichkeit nach gesetzmässiger Einfluss
der gegenseitigen Stellung der Substituenten geltend macht. Damit
entfällt aber auch die Möglichkeit, durch einfaches Addiren der Viel-
fachen der betreffenden Refractionsaequivalente die dispersionsfreien
Molecularrefractionen der betreffenden Verbindungen mit hinreichender
Annäherung zu berechnen, oder aus dem Übereinstimmen beziehlich
dem Nichtübereinstimmen der so berechneten Grössen mit den be-
obachteten Schlüsse bezüglich der Constitution der jeweilig unter-
suchten Verbindungen zu ziehen. Nach unserer Überzeugung können
überhaupt alle derartige Additionsgesetze nie scharfe, sondern immer
nur angenäherte sein, da die Verhältnisse in zwei scheinbar ganz
analogen Verbindungen doch nie absolut dieselben sind. Es liefert
denn auch die Geschichte der Wissenschaft mehr wie ein Beispiel
dafür, dass zunächst für additiv gehaltene Eigenschaften bei fort-
schreitender Erweiterung des Beobachtungsmateriales sowie bei ge-
eigneter Verfeinerung der Bestimmungsmethoden sich als constitutiv
erwiesen.
Was die vielumstrittene Frage nach der Constitution des Benzoles
und seiner Abkömmlinge anbelangt, so bestätigen unsere für rothes
Wasserstofflicht ausgeführten Messungen vollständig die von Hrn. BrünL
zu Gunsten der Krkure schen Formel gezogenen Schlüsse:
750 Gesammtsitzung vom 21. Juli.
TG
M Differenz
u +2 d
berechnet gefunden
Benzol 25.916 19.308 3.%02:203
Toluol 30.782 23.862 9% 2.307
o-Xylol 30.050 28.416 3% 2.545
m-Xylol 35.606 28.416 2 x%02,307
p-Xylol 35.575 28.416 3x 2.386
Aethylbenzol 25.3972 28.416 5% 2:305
Propylbenzol 40.006 32.970 3% 2.345
Isopropylbenzol 40.044 32.970 3X2.358
Mesitylen 40.295 32.970 3X 2.442
Pseudoceumol 40.178 32.070 3 %-2.403
Isoeutylbenzol 44.4067 37.524 7% 21314
Uymol 44.632 37.524 3X 2.369
Allerdings ergeben sich auch hier schon zweierlei Bedenken. Die
Moleeularrefraetion erweist sich erstens als nieht rein additive, sondern
unleugbar eonstitutive Eigenschaft, insofern ihr für die isomeren Ver-
bindungen nachweislich verschiedene Werthe zukommen. Die Unter-
schiede sind freilich nieht so grosse wie für die auf unendlich lange
Wellen bezüglichen Moleeularrefraetionen , scheinen uns aber doch schon
die Grenze der Versuchsfehler zu übersteigen. Andererseits ergibt sich
die Zunahme der Moleeularrefraetion, die den drei im Benzolkern vor-
handenen Aethylenbindungen zugeschrieben werden könnte ausnahmslos
grösser als die für die Olefine gefundene. Es ist dabei allerdings zu
berücksichtigen, «dass die aromatischen Kohlenwasserstoffe ein be-
dleutend grösseres Dispersionsvermögen haben als die aliphatischen.
Ks beträgt z. B. für:
Hy, — Ha
d
Hexan 0.01520
Hexylen 0.018509
Benzol 0.03447
Die von verschiedenen Seiten geäusserte Vermuthung, dass (diese
Abweichungen ausschliesslich oder doch wenigstens in erster Linie auf
den störenden Einfluss der Dispersion zurückzuführen seien, lässt sich
jetzt, wo wir die dispersionsfreien Brechungsexponenten kennen, auf
ihre Stichhaltigkeit prüfen. Es müsste bei der Annahme von drei
doppelten Kohlenstoffbindungen im Benzolkern das moleeulare Brech-
ungsvermögen des Benzoles betragen:
6%X4.42 + 6x0.15 + 3X5.64 = 44.34
während in der That 25.16 gefunden wurde. Es wird also durch
diesen Befund eher die Schlussfolgerung nahe gelegt, dass in dem
Benzol keine Aethylenbindungen vorhanden sind. Wir fühlen uns,
bei dem dureh diese ganze Untersuchung wachgerufenen Misstrauen
gegen die Zulässigkeit derartiger Additionen, zu diesem Schlusse nicht
berechtigt, wohl aber zu dem, dass bei der Übertragung zahlen-
Lanporr u. Jans: Moleeularrefraetion für unendliche lange Wellen. Bl
mässiger Beziehungen von einer Classe von Verbindungen auf eine
andere, mit äusserster Vorsicht vorgegangen werden muss.
Die für die stellungsisomeren Kohlenwasserstofle erhaltenen Mole-
eularrefraetionen legen noch einen anderen nieht uninteressanten
Schluss nahe. Es kann bei genauerer Betrachtung der Werthe nieht
entgehen, dass ausnahmslos der Verbindung vom symmetrischsten
Bau der Molekel das kleinere moleeulare Brecehungsvermögen eigen-
thümliech ist. Die oben mitgetheilten Zahlen liefern mehr wie einen
Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung. Vergleichen wir die
Kormeln der drei isomeren Xylole:
CH, CH. CH
\ hi
CH,
so liegt es auf der Hand, dass die Molekel der Paraverbindung «die
grösste Symmetrie aufweist: derselben kommt auch in der "That die
kleinste Moleeularrefraetion zu. Ganz dasselbe ergibt sieh bei dem
Vergleich des Mesitylen und des Pseudoeumol, sowie des Cymol und
Isobutylbenzoles.
Ks schien uns von Interesse zu sein, an anderen Verbindungen
zu prüfen, ob sich eine ähnliche Gesetzmässigkeit ergibt. Wir unter-
suchten in dieser Riehtung zunächst das Aethylenehlorid und «das
Aethylidenehlorid: |
CH,Cl CHC],
| beziehlich |
CH, Cl CH.
Dem ersteren als dem symmetrischer gebauten musste die kleinere
Moleeularrefraetion zukommen. Die Krfahrung hat diesen Schluss be-
stätigt, wie die in der folgenden Tabelle zusammengestellten Daten
erweisen:
Tabelle VI.
Name ; 4 A Aı @ h PR N
der Substanz A, aı o kt 2 d
epunkt 83°) (nach 4.8758
Tuorrk) 4.8473
4.8190
4.5007
4.3369
4.8186
4.8292 2.3431 (Ü==10:3)| 11,315 0,0048
A By Anchlarid 0 1,28082 4.8056
(NDiec
752 Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Na / }
Ca t Aa k k kn
der Substanz A> aı a)
nl m m
| | |
Aethyliden- OA FER2O4 101.4.5482 |
chlorid mach’ %" 4.6272 W|
(Siedepunkt 5775) THorPE) | 4.6542
| I 72:5706, ||
| 46755
| 4.0250
| an
4.6266 | 2.3475 (t=15.8)| 10.861 0.6368
Zu ganz demselben Resultate führen die Messungen des Hrn. TERESCHIN
für die Dielektrieitätsconstanten einiger isomerer Acetate und Formiate:
k—ıı
T k M —— —
k+2d
Aethylformiat 14.0 9.1 58.50
Methylacetat 14.0 7:75 54-59
Isobutylformiat 13:5 8.4 82.27
Propylacetat 13.0 6.3 73r1
Amylformiat 15.0 77. 91.70
Isobutylacetat 14.0 5.8 81.59
Wir haben gleichfalls für einige dieser Ester die Dielektrieitätseon-
stanten dureh Vergleichung mit reinem Amylalkohol ermittelt und sind
zu demselben Resultat geführt worden.
Tabelle VII.
Name der Substanz t d I
Methylacetat [6 0.95448 0.489983
(Siedepunkt 55.75 0.48993
0:49745
0.49223
RE
0.497395
0.49517 | 16.190(£=19°5) | 8.0165 0.73386
Aethylacetat 0 0.92496 0.42010
(Siedepunkt 76:9) 0.42294
0.41214
0.41536
0.41094
0.41212
0.41527
0.41555 16.215 (t= 19:1) | 6.7381 0.70994
Pa
Lasvorr u. Jaun: Molecularrefraciion für unendliche lange Wellen.
753
Name der Substanz
Propylacetat
(Siedepunkt 100°)
0.90505
0.415106
0.41194
0.422063
0.41673
0.422585
0.416606
0.41298
0.41699
15.921({—-23-1)
Isobutylacetat
(Siedepunkt 115.75)
0.386557
0.34840
0.34952
0.3457
0.349063
0.34245
0.34885
0.35362
0.34835
Amylacetat
(Siedepunkt 140°6)
0.31802
0.31813
0.320389
0.32246
0.32305
0.31740
0.31861
1% 15.853
5.6808
0.72122
0.70406
15.853
5.0695
Aethylformiat
(Siedepunkt 53.9)
0193053
Metaxylol
2.3500 (t= 145)
073
Propylformiat
(Siedepunkt 8125)
0.909806
15.921 (t=23°1) |
Isobutylformiat
(Siedepunkt 97°)
[o)
22°9
0.587230
0.45741
15.916
7.2801
0.7758
Demnach betragen die Moleeularrefraetionen der isomeren Ester:
Aethylformiat
Methylacetat
Propylformiat
Aethylacetat
Isobutylformiat
Propylacetat
SI]
a
H>
Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Es ergibt sich also ausnahmslos, dass den Acetaten, deren Molekel
symmetrischer ist als die der isomeren Formiate, das kleinre mole-
culare Brechungsvermögen zukommt.
Wir haben endlich im Anschluss an die bisher besprochenen
Messungen die Dielektrieitätsconstanten einiger Alkohole durch Ver-
gleichung mit Metaxylol ermittelt. Es ergab sich:
Tabelle VII.
Name
der Substanz
Methylalkohol | 5% | 0.805535 | 15.041 | |
(Siedepunkt 65°) |- SI5-269% 0 |
14.791 2.352 (4=13:6) | 34.783 1.1402
-_
un
[9
[0,0)
-_
[9
ws
un
w
—
—
-
[9%
vw
nr
ws
in
2
in
1.1426
1.1414
Aethylalkohol | 13°2 | 0.79684 | 11.340
(Siedepunkt 78.1) 11.301
9 | 0.800493 | 11.12
11.343 2.352 (1=13°6) | 26.674. | 22388
| 1.1203
Propylalkohol | 15°4 | 0.80935 9.3738
(Siedepunkt 96.1) | 9.5385 |
9.4986 | 2.348 22.305 1.0830
N
I
{®)
[0,0]
>21
[o}}
[0,0)
Ye)
un
[o}
[97
-
9.6246 BER (i=13?2) | 22.6490 | 1.0767
Lanporr u. Jaun: Molecularrefraciion für unendliche lange Wellen.
Name rn 4 2 2,—ı ı
der Substanz 4a k,+2d
Isobutylalkohol | ı3°53 | 0.806053
(Siedepunkt 107°25)
%
u a a
18.008 1.0000
00 000 =
m DO
in 5
F IN
te
je}
ws
&
er)
58
{> a Fr 5 |
or |
R
[0.07
wi
00
(
[e7
je
un
»
[9 #)
[9 0)
|
Pr
OÖ
un
%
Amylalkohol 14-5 | o8ı5
(Siedepunkt 131°) 7-0993
NINO NMIS NIS
\&
‚WW
ee} un
ww nı
oO
[Pr }
[e,0)
27
un
je}
er}
un
ws
_
je 5}
[e 7)
R-
[1
[eo]
je}
|
u
|
(
|
Für die Brechungsexponenten derselben Praeparate wurden die
folgenden Werthe erhalten:
Tabelle IX.
Name der Substanz i d u_ u- u un A B
Methylalkohol . | 17°4 | 0794951 | 1.3281 | 1.3335 | 13365 | 1.3297 | 1.3216 | 0.2808
Aethylalkohol 17-5 | 0.801097 | 1.3601 | 1.3663 | 1.3697 | 1.3619 | 1.3527 | 0.3191
Propylalkohol 173 | 0.80742 | 1.3842 | 1.3908 | 1.3945 | 1.3861 | 1.3762 | 0.3442
Isobutylalkohol | 17.5 | 0.804957 | 1.3948 | 14016 | 1.4055 | 1.3968 | 1.3863 | 0.3580
Ampylalkohol 178 | 0.813490 | 1.4064 | 14135 | 1.4176 | 1.4084 | 1.3978 | 0.3723
| Die Alkohole zeigen die Erscheinung der anormalen Dispersion in
ganz hervorragendem Maasse, wie aus der folgenden Vergleiehung
der Werthe von Yk mit der Constante A der Carcav'schen Disper
sionsformel für gleiche Temperaturen hervorgeht.
VE 4A
Methylalkohol 5406 1.3216
Aethylalkohol 5.248 1.3527
Propylalkohol 4.620 1.3762
Isobutylalkohol 4.287 1.3865
Isoamylalkohol 4-041 1.3978
756 Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Diese Reihe zeigt, zu wie illusorischen Resultaten für die dispersions-
freien Brechungsexponenten die Cavenv’sche Formel führen kann. Nicht
allein übersteigen die Werthe von YA die von A nahezu um das Vier-
fache, sondern während die ersteren mit steigendem Moleeulargewicht
fallen, nehmen die letzteren mit steigendem Moleeulargewiecht zu.
Die dispersionsfreien molecularen Brechungsvermögen der unter-
suchten Alkohole betragen:
m: = > Fr Differenz
+2 d
Methylalkohol 36.53
Aethylalkohol 31.53 En
Propylalkohol 64.79 I 24 =
Isobutylalkohol RA I SL es
Isoamylalkohol 90.48 SE
während sich für die auf die rothe Wasserstofflinie bezüglichen Mole-
eularrefractionen die folgenden Werthe ergeben:
el De
M- Ä 3 Differenz
en
Methylalkohol 8.173
Aethylalkohol 12.663 2199
Propylalkohol 17.383 ei 2
Isobutylalkohol 22.040 A een
Isoamylalkohol 26.598 435%
Während sich also bei den zuletzt angeführten Molecularrefraetionen
für die Zusammensetzungsdifferenz CH, derselbe Werth ergibt wie für
die Kohlenwasserstoffe, stellt sich diese Differenz dreimal so gross
heraus, wenn man die auf unendlich lange Wellen bezüglichen Mole-
eularrefraetionen untersucht.
Dieser auf den ersten Blick befremdende Befund erhält eine Be-
deutung von Interesse, wenn man sich auf den Boden der Mosorrı-
Craussus'schen Theorie über die Constitution der Dielektrica stellt.
Denkt man sich im Sinne dieser Theorie die Dielektrica bestehend aus
kugelförmigen leitenden Partikeln, die in ein nicht leitendes Medium
eingebettet sind, so würde der Ausdruck:
a
a
den Bruchtheil des Molecularvolumens geben, der wirklich von Materie
ausgefüllt ist, also das eigentliche Molecularvolumen. Freilich muss
man manche missliche Hypothese bei dieser Deutung der fraglichen
Formel in Kauf nehmen. Zunächst die von der kugelförmigen Gestalt
der Molekeln. Einer Umrechnung der Formel auf anders gestaltete
Molekeln würden bedeutende, wenn auch überwindbare rechnerische
Schwierigkeiten entgegenstehen, da man schon bei der nächst ein-
. 00 . a eh
Lanporr u. Jaun: Molecularrefraction für unendliche lange Wellen. (51
fachen Voraussetzung, dass die Molekeln die Gestalt von Rotations-
ellipsoiden haben, auf die Lage derselben als für ihre Polarisation be-
langreich Rücksicht nehmen müsste. Der theoretische Vortheil, den
die so modifieirte Formel bieten würde, wäre aber ein minimaler, da
die beiden anderen unserer Deutung zu Grunde liegenden Annahmen,
dass die Dielektrieitätseonstante der leitenden Partikeln unendlich gross,
die der nicht leitenden Materie dagegen, in die sie eingebettet sind,
gleich Eins ist, auch unbeweisbar, die erstere nach den neueren Er-
fahrungen gewiss nicht zutreffend ist. Es erscheint daher gerathener,
vorläufig als erste Annäherung bei der einfachen Voraussetzung von
Crausıus und Mosorri stehen zu bleiben.
Danach würden alle Schlüsse, die wir früher bezüglich des dis-
persionsfreihen moleceularen Brechungsvermögens gezogen haben, auch
für das Moleeularvolumen gelten. Der Befund für die Alkohole wurde
im Lichte der Mosortı-Öravusıus’schen Theorie so zu deuten sein, dass
die die flüssigen Alkohole eonstituirenden Molecularaggregate aus drei-
mal so vielen einfachen Molekeln bestehen als die Molecularaggregate
in den flüssigen Kohlenwasserstoffen. Dieses Ergebniss deckt sich in
der erwünschtesten Weise mit den Schlüssen, die Hr. Eörtvös aus den
Kapillaritätsconstanten, Hr. Beckmann aus der Gefrierpunktserniedrigung
der Alkohole in Benzollösungen gezogen hat. _ Der zuletzt genannte
Forscher hat ferner gezeigt, dass in sehr verdünnten Lösungen auch
die Alkohole eine vollkommen normale moleculare Gefrierpunkts-
erniedrigung zeigen. Die in neuster Zeit von Hrn. Boury' ausgeführten
Messungen über die Dielektrieitätsconstante einer verdünnten Auflösung
von Alkohol in Benzol stehen damit in einer gewissen Überein-
stimmung: es ergab sich für die Dielektrieitätseonstante des gelösten
Alkohols der Werth 8, also angenähert der dritte Theil unseres
Werthes.
Für die Ester ergeben sich — offenbar wegen der geringen Be-
ständigkeit dieser Verbindungen -— keine einfachen Beziehungen. Die
Molecularvolumina der Acetate betragen nach unseren, mit Hrn. Terr-
scnin’s Resultaten gut übereinstimmenden Messungen:
Me ; Differenz
Methylacetat ..... 54.306 Se
Aethylaeetat.. . .... . 62.476 3 8
Propylaestat %.....: 73.564 en
Isobutylacetat ...... . 81.671 6%
Amylaeetat 0... 86.352 er
Während also für die beiden zuletzt angeführten Verbindungen
die der Zusammensetzungsdifferenz CH, entsprechende Zunahme des
! Comptes rendus, 114, 1421, 1892,
758 Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Molecularvolumens angenähert denselben Werth hat, wie für die Kohlen-
wasserstoffe, ergibt sich für die Acetate des Methyl-. Aethyl- und Pro-
pylalkoholes angenähert der doppelte Werth.
Von einer weiteren Discussion der für die Molecularvolumina er-
haltenen Werthe glauben wir wegen ihres hypothetischen Charakters
vorläufig Abstand nehmen zu sollen. Wir hoffen darauf in einem
anderen Zusammenhange zurückzukommen.
.
759
Adresse an Hrn. WILHELM WATTENBACH
zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubiläums
am 20. Juli 1892.
Hochverehrter Herr Gollege!
en die Akademie Ihnen zur fünfzigsten Wiederkehr des Tages,
an welchem Sie Ihre Gelehrtenlaufbahn vielversprechend eröffnet
haben, die wärmsten Glückwünsche darbringt, darf sie vor allem
auch der Freude Ausdruck verleihen, Sie wieder an der Stätte wirk-
sam zu sehen, an welcher Sie einst Ihre Studien abschlossen.
Diese Studien waren der auf der Schule eingeptlanzten Richtung
gemäss vorwiegend philologischer Art und schienen gleich denen
Ihrer Jugendfreunde, der Gebrüder Currıus, dem klassischen Alter-
thum zu gute kommen zu sollen. In Ihren letzten Semestern hatte
aber RankE durch seine Vorlesungen in Ihnen lebendigere Theilnahme
für das Mittelalter erweckt, und diese Neigung veranlasste Sie, nach
kurzer Lehrthätigkeit überzugehen in die Dienste der von G. H. Perrz
geleiteten Monumenta Germaniae und damit die für Ihr ganzes wissen-
schaftliches Wirken entscheidende Wendung zu nehmen. So wurden
Sie von der aus den Freiheitskriegen entspringenden Bewegung für
die Erforschung der deutschen Kaiserzeit ergriffen, um Selbst fortan
einer der eifrigsten Förderer dieser Bewegung zu werden.
Den grossen und staunenswerthen Arbeiten, welche die Stiftung
des Freiherrn von Stem Ihnen zu verdanken hat, kamen einige be-
sondere Vorbedingungen zu statten, die bei manchen Nachfahren leider
nicht durchweg in gleichem Maasse vorhanden sind: gründliche Be-
herrschung der lateinischen Sprache, reinliche philologische Methode
in der Herstellung der Texte und Sicherheit im Lesen der Hand-
schriften. Jenes beides ein Segen Ihrer Universitätsbildung, diess
eine Frucht emsiger Übung, zumal auch auf einer erfolgreichen Reise
nach Österreich im Auftrage von Perrz. Mit dieser hieng die in
kritischer Hinsicht vielleicht hervorragendste Ihrer Editionen, die
Entwirrung der Österreichischen Annalen, zusammen.
Sitzungsberichte 1892. 67
- . .
760 Gesammtsitzung vom 21. Juli.
Indem Sie nunmehr statt der Schule die Hochschule zu Ihrem
Wirkungskreise wählten, empfanden Sie mit Ihren Zuhörern das
Bedürfniss nach geeigneten Hülfsmitteln, Wegweisern einerseits für
die sogenannten historischen Hülfswissenschaften, namentlich die Hand-
schriftenkunde, andererseits für die Einführung in die Quellen des
Mittelalters. Denn nur schwer vermag man sich heutzutage vorzu-
stellen, durch welches unwegsame Gestrüpp sich damals der Forscher
seinen Weg bahnen musste. Aus Ihren palaeographischen Übungen
gieng ausser manchen anderen zweckmässigen Handhaben das »Schrift-
wesen im Mittelalter« als eine reife Frucht vielseitigster Gelehrsamkeit
und Erfahrung hervor; aus den Vorlesungen über Quellenkunde da-
gegen »Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis zur Mitte
des XIH. Jahrhunderts«, ein Werk, für dessen ersten Entwurf eine
von Waıtz gestellte Göttinger Preisaufgabe bestimmend war.
Durch dieses in wiederholten Auflagen allverbreitete treffliche
Handbuch, in gefälliger Form die Quintessenz gleichsam der in den
Monumenta Germaniae niedergelegten Arbeiten, das aber auch weit
darüber hinausgreift, ist vornehmlich der Klang Ihres Namens in die
weitesten Kreise gedrungen. Nicht minder im Auslande anerkannt
und benutzt, hat es doch bei keiner der anderen Nationen eine ähn-
liche oder ebenbürtige Leistung hervorzurufen vermocht. Von der
Geschichtsschreibung aus gewinnen wir darin vielfach einen Ausblick
auf die Geschichte des gelehrten Schulwesens überhaupt, und zahl-
reiche eigene Untersuchungen haben die der Vorgänger allenthalben
ergänzt.
Neben jenen grossen Editionsarbeiten für die allgemeine deutsche
Geschichte gab Ihnen die Stellung, welche Sie einige Jahre hindurch
als Provinzialarchivar für Schlesien bekleideten, Veranlassung, sich
der dortigen historischen Bestrebungen auf das wärmste anzunehmen,
und Sie haben durch persönliche Anregung wie durch manche eigene
Leistungen auf einem dafür empfänglichen Boden die fruchtbarste
Nachwirkung hinterlassen. Keineswegs haben Sie ferner mit Ihren
Studien auf die Jahrhunderte sich beschränkt, denen Ihre Geschichts-
quellen gelten, vielmehr gerade das spätere Mittelalter verdankt Ihnen
eine grosse Reihe werthvoller Bereicherungen. Abgesehen von Brief-
stellern, Vagantenliedern und Ketzerakten, sowie von der bahn-
brechenden Abhandlung von der Unechtheit der Österreichischen
Freiheitsbriefe, sei hier vor allem der wichtigen Entdeckungen über
die vielfach noch so dunkelen Anfänge des Humanismus auf deutschem
Boden gedacht. Überall war es mehr das geistige als das politische
Leben, welches zu erforschen Sie sich gedrungen fühlten, überall liess
ein glücklicher Spürsinn Sie ungehobene Schätze an das Licht ziehen.
r
Adresse an Hrn. WATTENBACH. 761
Längst hatte indessen nach Heidelberg die Berliner Hochschule
Sie unter ihre berufenen Lehrer, die Königliche Akademie Sie unter
ihre Mitglieder aufgenommen. Zwischen diese beiden Ereignisse fiel
die neue Gestaltung der ursprünglich in Ihrem Geburtsjahre gestif-
teten Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, die Verlegung
derselben nach Berlin und ihre Verbindung mit der Akademie. Neben
GEoRG Waıtz, der allen Betheiligten als der zur Begründung der
neuen Ordnung der Dinge vorzugsweise bestimmte Leiter erscheinen
musste, gab es ausser Ihnen niemand, der durch den Umfang und
Werth seiner Arbeiten für die Monumenta Germaniae ein grösseres
Anrecht auf maassgebende Mitwirkung in der verjüngten Central-
direetion sich erworben hätte. Sie haben in dieser, und nunmehr
recht eigentlich auch im Dienste der Akademie, Ihren alten Verdiensten
stets neue hinzugefügt, und neben der Grundlegung für die Abthei-
lung der Briefe namentlich in dem Neuen Archiv der Gentraldireetion
und ihren Aufgaben ein vorzügliches Organ von hoher wissenschaft-
licher Bedeutung geschaffen.
An die dankbare Würdigung so grosser Verdienste kann die
Akademie nur den Wunsch knüpfen, dass Sie dem deutschen Vater-
lande, dem von je Ihre ganze Hingebung gegolten hat, Ihre Arbeitskraft
noch lange in voller Frische widmen, dass Sie innerhalb wie ausserhalb
unserer Körperschaft noch lange fortfahren mögen, anregend und be-
fruchtend in dem bisherigen Sinne weiter zu wirken.
Die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften.
Ausgegeben am 23. Juli.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
DR;
WAS)
r
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s
r 4 .
InuhTs # h ei bat Ar (hin Li;
Au ıR Der BZ
763
1892.
AÄXXIX.
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
28. Juli. Sitzung der philosophisch -historischen Classe.
Vorsitzender Secretar: Hr. Monnmsen.
Hr. Weser las die umstehend folgende Mittheilung: Über den
väjapeya.
Sitzungsberichte 1892. 68
- Über den väjapeya.
Von ALBR. WEBER:
1. D:; Götter und die Asura, ‚Beide Kinder des Prajäpati,
machten sich den Vorrang streitig. Die Asura, in ihrem Hochmuth
denkend: »wem sollten wir opfern?« lebten, nur in ihre eigenen
Mäuler opfernd, und gingen durch diesen Übermuth zu Grunde. Darum
sei man- nicht übermüthig. Denn das ist der Anfang des Unterganges,
der Übermuth. — 2. Die Götter aber lebten, je einander opfernd. Ihnen
gab Prajäpati sich selbst hin, ward ihr Opfer; Opfer ist nämlich die
Nahrung der Götter. — 3.. Sie sprachen: »wem von uns soll dies
&gehören?« »mir, mir« riefen sie und kamen nicht zur Einigung.
Nieht zur Einigung kommend sagten sie: »wir wollen hierüber einen
Wettkampf anstellen‘. Wer von uns siegen, wird, dem soll dies ge-
hören.« »So sei’s», sagten sie und stellten einen Wettkampf an’. —
4. Da lief Brihaspati den Savitar um Gewährung an. Savitar ist
nämlich der Gewährer (arbiter) der Götter. »Gewähre mir dies! von
dir mit Gewährung versehen, möge ich dies ersiegen.« Da gewährte es
ihm Savitar, der Gewährer. Mit Savitar’s Gewährung versehen, siegte
er. Er wurde dieses Alles, er ersiegte dieses Alles. Denn er ersiegte
den Prajäpati, und Prajäpati ist dieses Alles. Damit geopfert habend,
stieg er auf zu dieser oberen Himmelsgegend’. Drum wer (so) weiss
und wer nicht (so weiss), sie sagen (Alle): »Diese obere Himmels-
‚gegend ist die des Brihaspati.« — 5. Und Alle, die da vormals mit
dem väjapeya opferten, die stiegen hinauf zu dieser oberen Himmels-
gegend. Aupävi Jänacruteya’ stieg (zuerst) von da wieder herunter.
! Ajim ajamahaı. ® ajım äjanta. ® dem Zenith.
* wohl zwei symbolische Patronymica, Aupävi von upävi, d.i. yvi-+ upa
(s. Ind. Stud. 13, 55") appetens, »worauf zu fliegend«, »unternehmend« und Jänagru-
teya von Jänacruti (cf. J. Pauträyana Chänd. 4, ı, ı) seinerseits aus janacruta »bei
den Leuten bekannt«; wohl also zur Bezeichnung eines »Unternehmenden, Bekanntheit
bei den Leuten Suchenden«, cf. den Väja Laukya im Cänkh. s. — Ein Upävi (nicht Au)
Jänacruteya findet sich übrigens auch im Ait. Br. 1,25 vor, resp. eine Aussage von
ihm, die er »upasadam brähmane« gemacht haben soll, dass nämlich auch eines häss-
lichen grotriya Antlitz gleichsam verklärt wird (? vy eva jnäyate) und wie gesättigt
strahlt (triptam iva rebhati).
65*
766 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 28. Juli.
Seitdem steigen sie (Alle) wieder herunter. — 6. Damit opferte Indra;
er ward dieses Alles, er ersiegte dieses Alles, denn er ersiegte den
Prajäpati und Prajäpati ist dieses Alles. Damit geopfert habend, stieg
er zu dieser oberen Himmelsgegend auf. -— 7 (ganz wie 5). — 8. Wer
mit dem väjapeya opfert, der wird dieses Alles, der ersiegt dieses
Alles. Denn er ersiegt den Prajäpati, und Prajäpati ist dieses Alles. —
9. Da sagen nun (Einige): »man opfere nicht mit dem väjapeya. Denn
es ersiegt alles dieses, wer mit dem väjapeya opfert, denn er ersiegt
den Prajäpati, und Prajäpati ist dieses Alles. Er lässt (somit) hier
gar nichts übrig, da möchte es denn seiner Nachkommenschaft sehlecht
ergehen.« — ı0. Man möge aber doch damit opfern. Die da irgend
dieses Opfer sö geordnet, nach rie, yajus und säman kennen, die Kun-
digen, die mögen ihm zu (diesem) Opfer verhelfen. Denn dies ist doch
die Vollendung dieses Opfers, dass Kundige Einem dazu verhelfen.
Darum opfere man (doch damit). — ıı. Es ist dies ein Opfer für
einen brähmana, weil (nämlich) Brihaspati damit opferte. Denn Brihaspati
ist (repraesentirt) das brahman (sacerdotium), und (auch) der brähmana
ist das brahman. — Und auch für einen räjanya, weil Indra damit
opfert. Denn Indra ist (repraesentirt) das kshatram (imperium), und (auch)
der räjanya ist kshatram. — ı2. Das räjasüyam (Königsweihe) ist
nur für den König. Denn wer mit dem räjasüya opfert, wird König.
Nicht fürwahr eignet sich ein brähmana zum Königthum. Niedriger
aber ist das räjasiyam, höher das väjapeyam. — ı3. König wird
man durch Opfern mit dem räjasüya, Allkönig durch das väjapeyam.
Niedriger ist das Königthum, höher das Allkönigthum (sämräjyam).
Es mag wohl ein König wünschen Allkönig zu werden; denn niedriger
ist der König, höher der Allkönig. Nicht aber möchte ein Allkönig
wünschen, König zu werden, denn niedriger ist der König, höher
der Allkönig. — 14. Wer durch das Opfer mit dem väjapeya All-
könig wird, der macht sich dieses Alles zu eigen
So lautet in solenner, feierlicher Weitschweifigkeit der Eingang
des fünften Buches des Gatapatha-brähmana. Und dieselbe Legende,
obschon in erheblich kürzerer Form liegt auch in den übrigen brähmana-
Mextensdes Yajurveda vor (Thr.ı,3,2,1. Kath. 14,5. Mate. 2. une
so jedoch dass darin theils das saämräjyam’, theils das sväräjyam
» die Selbstherrschaft« als das durch das väjapeya-Opfer zu erreichende
Ziel hingestellt wird, wobei in Tbr. ı,3,9,2 diese Stellung dahin er-
läutert wird, dass der väjapeya-Opferer vor Niemandem aufsteht,
! ajım ayus Käth. Maitr., äjim adhävan Tbr.
? er tritt resp. dadurch an die Spitze seiner Genossen »agram samänänäm pary-
etic (I, 3, 3,2); — in 2,7,6, ı (cf. Käth. 37,6) wird der väjapeya resp. auch: sam-
rätsava genannt.
Weser: Über den vajapeya. 767
na kam cana pratyavarohäti, sondern im Bewusstsein seiner hohen
Würde sitzen bleibt, wenn irgend Jemand kommt!.
Die Legende bezweckt offenbar für den rein weltlichen Vor-
gang, der bei dem väjapeya-Opfer eine specielle Rolle spielt, für
das Wettfahren”’ von ı7 Wagen dabei, einen mythischen, so zu sagen
geistlichen Hintergrund zu gewinnen. Der Vorgang wird daher in
die Götterwelt verlegt. Und weil es sich um ein Opfer handelt,
welches sowohl von einem brähmana, wie von einem räjanya gefeiert
werden kann, wird auch für die Göttersage eine doppelte Ersiegung
des Prajäpati, der sich selbst als Opfer hingiebt, durch Brihaspati
sowohl als durch Indra, die göttlichen Vertreter der beiden oberen
Kasten, berichtet, obschon sie dort entschieden gar nicht hinpasst.
Wo sonst von solchem Wettstreit um die oberste Stellung in der
Götterwelt die Rede ist, pflegt stets nur Einer, wie dies ja auch
naturgemäss ist, der Sieger, resp. der Oberste zu sein. Hier aber
musste dem factischen Bestehen zweier oberen Stände, die Beide
für ihre Angehörigen Anspruch auf die höchste Stelle machten, Rech-
nung getragen werden.
Dieses Factum selbst nun ist zunächst von hohem Interesse. Es
bedingt für die betreffende Zeit, wo sich das Ritual für dieses Opfer
bildete, einen Zustand der Dinge, wo es den brähmana bereits ge-
lungen war, ebensogut wie die räjanya, die Glieder der zweiten
Kaste, die höchste Stellung im Staate zu erlangen. König konnte
nach Obigem kein brähmana werden, aber er konnte zu einer über
die Königswürde hinaus reichenden Stellung gelangen, welche ihn
geradezu als den Inbegriff aller Macht, »alles dieses«, ja allem
Anschein nach auch als im Besitz der göttlichen Kraft des Prajäpati
befindlich, hinstelltee — Wenn hierdurch die Stellung des samräj
zu einer Art von geistlicher Würde zu werden scheint, so nimmt
es Wunder, dass auch den räjanya die Erreichung derselben gestattet
war. Sollte dies etwa als eine Concession anzusehen sein, welche die
! das Sitzen auf dem Sessel ist auch in Cat. ı2, 8, 3,4 als Kennzeichen des samräj
angegeben: äsandivad vai samräjyaı.
®? im Ritual hier handelt es sich entschieden um ein Wettfahren mit Wagen,
und scheint wohl auch in der Legende der Ausdruck: äjim aj (Ätmanepadam) so zu ver-
stehen; desgl. der Ausdruck: äjim ayus oder äjim adhävan an den andern Stellen.
Auch ist der Ausdruck äji selbst »das Treiben«. resp. »Antreiben« wohl an und für
sich selbst auf ein Antreiben von Rossen hinweisend. Eigenthümlich freilich, dass
es sich dabei stets nur um angespannte, nicht um gerittene Rosse zu handeln
scheint; s. hierzu, resp. zur Stellung des Wagens und der Rosse im Veda überhaupt,
Zimmer, altind. Leben p. 294 (1879). — GELpner hat neuerdings (ved. Stud. 2, ı) von
der hübschen Legende gehandelt, wonach Mudgala seinen Stier und seinen Holzklotz,
letzterer durch magische Kraft belebt, an einem solchen Wettfahren Theil nehmen liess
und dabei siegte.
168 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
schlauen brähmana den räjanya machten, um nur überhaupt zunächst
selbst zu ihrem Ziele zu gelangen?
Unsere vorliegenden brähmana-Texte sind sämmtlich in einer
Zeit verfasst, in der man über die einfache Königswürde. weit
hinaus war. Die Titulatur bei dem Ritual der Königsweihe m
Aitareya Br. begnügt sich nicht mit den bereits genannten Titeln:
König, Allkönig und Selbstkönig, sondern führt dazu noch eine ganze
Reihe anderer Titel auf: räjyäya sämräjyäya bhojyäya sväräjyäya
rairäjyaya pärameshthyäya räjyaya mähäräjyäya (Ait. ıbr:
8,6."72.. Gänkh. er.uun; 76,137‘ Läty.. 3, 172, 8);ac£.V noch"eamnmg ya
ädhipatyam gachati Paücav. 15, 3, 35.
Speciell der Titel mahäräja, Grosskönig, kommt mehrfach vor,
freilich nicht, wie hier beim väjapeya der Titel: samräj, resp: svaräj,
als durch Opfer, sondern als durch Siege zu gewinnen, wie ;Indra
dureh die Besiegung des vritra zum mahendra wurde." (Neben: ihm
kommt auch. der Titel 'mahäbrähmana vor, s. Gat. 14, 5, 1,19.) i
Eine weitere Steigerung ist die durch °pati: so stehen in Gat. 11,4,
3, 10 neben einander: räjä räjapatih (Soma), samrät samrätpatil
(Varuna), kshatram kshatrapatih” (Mitra), balam balapatih (Indra),
äshtram räshtrapatih (Savitar). |
Der Titel samräj scheint im Übrigen nicht durchweg die hohe
Bedeutung zu haben, wie ‚hier im väjapeya-Ritual. Im Yäjnavalkiya-
kända des 14. Buches des (at. br., einem ja allerdings sehr secundären
Abschnitt des grossen Werkes, wird König Janaka von Videha in
der Anrede als: samrä) bezeichnet, wobei denn wohl Courtoisie;
höfische Etiquette anzunehmen ist. Ebenso aber freilich aueh schon
in der älteren Fassung der betreffenden Legende in Gat. br.ı1,3,
12:20. 12),102,59%
Ein ganz besonderes Licht erhält nun aber der Titel samräj dureh
die Angabe des Zweckes des väjapeya-Opfers bei Lätyäyana 8, 11,1;
wonach nämlich derjenige mit dem väjapeya opfern soll.\'»den. die
brähmana und die Könige voranstellen«, yam brähmanä räjänae ca
puraskurviran. Von dem Titel: samräj (oder svaräj) ist hierbei gar
nicht die Rede, und die »Voranstellung« wird nach Agnisvämin ein-
fach dureh: püjä, mahat sthäpanam (sthänam?) » Ehre «, »hohe Stellung «
erklärt. Und zwar ist dabei nicht etwa an die purodhä, Würde
eines purohita, zu denken, da eine solehe in der Zeit, der Lätyäyana
angehört, jedenfalls nur einem brähmana, der väjapeya aber auch dem
kshatriya zukam. Auch pflegt in jenem Sinne sonst eben nur dieydhä
118. (Qatar, 10514512017 2375,94, 98435 3, 17.074,51, eo ndieser) Titels wırdirauch
Göttern gegeben, so dem Varuna Gobh. 4,25 dem Kuvera T. Ar. 1, 31,6 (15). j
?2 cf. iran. kshathrapa, Satrap. |
WeBER: Über den vajapeya. 769
mit puras verwendet zu werden, während wir den Ausdruck puras-
kurviran gerade bei Lätyäyana auch sonst noch in Fällen verwendet
finden, wo es sich auch nicht um purodhä handelt.
Nach Läty. 8, 7, 4 soll nämlich der mit dem brihaspatisava’
opfern, den »Brahmanen, die sich selbst König sind «, d.i. die ohne König
leben’, »voranstellen«: yam brähmanäh svaräjänah puraskurviran,
also etwa ein selbstgewählter Vorsteher einer bestimmten Gruppe von
Brahmanen. Die gleiche Angabe findet sich auch bei Käty. 22,5, 29,
wo jedöch die Lesart: saräjänah vorliegt, wonach es sich um eine
Wahl durch »die Brähmana und den König« handeln würde. Und
zwar wird nach Käty. der Betreffende nach der Art des väjapeya
gesalbt (väjapeyavad abhishieyate) und erhält den Titel: sthapati®,
d. i. dem Schol. zufolge: dharmasthäpaka »Oberrichter«:; er hat wie
der väjapeya-Opferer das Vorrecht, dass er vor Niemandem aufzustehen
braucht, sondern sitzen bleiben kann, wenn Jemand kommt.
Unstreitig ist hierdurch eine hohe Ehrenstellung indieirt. Ja,
nach der Angabe im Paücav. br: 17, 11, 5.6, wo der brihaspatisava
als das Mittel bezeichnet wird, durch welches Brihaspati » leväanäm
purodhäm agachat«, und dass auch jetzt noch, wer so weiss, puro-
dhäm gachati, erscheint sogar für die Zeit dieses Brähmana der
brihaspatisava in der That mit der purodhä-Würde verbunden. Und
zwar wird er auch: da zugleich als: sthapatisava bezeichnet und
für den bestimmt, yam sthäpatyäyä "bhishin ‚anti. "Auch im
Catap. br. 12,8, ı, 7: 9.3 erscheint dieser Titel: sthapati’in hohen
Ehren, und: als im Wese ntlichen wohl gleichbedeutend mit purohita.
Indessen für die sutra-Texte se heine "n brihaspatisav: sowohl
wie sthapati eine geringere Bedeutung zu haben. Der brihaspati-
sava erscheint nämlich darin als in stetem unmittelbaren Connex mit
dem väjapeya, als demselben sowohl vorhergehend wie ihm folgend
er Raryeıa,n, 2 und Dhänamjayı ya bei Läty. 8, ı1, 12), kann somit,
wie dieser selbst, s. oben, nicht bloss auf die brähmana und die
Diesen Hukecntids slich zukommende purodhä: Stellung beschränkt
sein. In der That giebt denn auch Käty. 22, 5, 1ı ausdrücklich
drei Veranlassungen für den brihaspatisava an, bezeichnet ihn
resp. als das Opfer für den, der entweder tejas,; oder |] brahma-
varcasam, oder purodhä wünscht. ' Unter tejas, eig. » Schärfe « «, dann
»Glanz« ist denn wohl däs gemeint, worum es sich hier handeit. —_
Ebenso ist auch der Titel sthapati nach Käty. 22, ıı, 8 nicht so-
SH nach Äcval. er. 9, 9,1 ist der väjapeya für den ädhipatyakäma bestimmt, nach
19 resp. für »Könige (der Könix steht vorän) und brähmana«; der König opfert
Era mit dem räjasüya, der ‚brähmana mit En brihaspatisava.
? yeshäm raja ne "she, Agnisvämin: at s. dazu schon Ind. Stud. 13, 203.
770 Sitzung der philosophisch--historischen Classe vom 28. Juli.
wohl für einen brähmanischen purohita, als vielmehr für denjenigen be-
stimmt, »den die vie in Gemeinschaft mit dem König voranstellen«
»saräjäno vico yam puraskurviran und der diese Würde mittelst
des »gosava« erhält. Bei Läty. 9, 4, 22 wird er direct als ein vaicya
bezeichnet; und braucht Läty.' ebenfalls wie Käty. auch hier wieder
das Verbum »puraskurviran«. — Es wird endlich sthapati bei Käty.
(1,1,12) sogar für einen Vorsteher, Häuptling der Nishäda gebraucht.
Wenn es somit hiernach zum Mindesten zweifelhaft bleibt, ob
die Stellung, welche dem Läty. sütra zu Folge dem väjapeya-Opferer
zukommt, dieselbe Höhe einnimmt, welche die Yajus-Texte ihm als
samräj, oder svaräj, zuweisen, und ob es sich dabei nicht vielleicht
bloss um eine specielle, auf Wahl, auf Anerkennung besonderer Ver-
dienste beruhende, Ehrenstellung handelt, so wird sich uns im
Verlauf aus Läty. selbst auch noch manches Andere ergeben, was nach
derselben Richtung hinweist. — Von der grössten Bedeutung aber ist hie-
für eine Angabe im Qänkh. cr. s. 16, 17, 4, wonach der väjapeya nicht
nur den beiden oberen Kasten, sondern auch den vaicya zukam,
und dazu treten die sonstigen Angaben der Ritual- Texte überhaupt,
die darauf hinführen, dass der väjapeya ursprünglich wohl nur eine
volksthümliche Siegesfeier war, bestimmt für den, der, einerlei aus
welcher Schichte des ärischen Volkes stammend, bei einem Wett-
kampf, resp. Wettfahren, den Preis davontrug, den Sieg errang.
Das Ritual gruppirt sich nämlich im Wesentlichen um folgende
Punkte: ı. ein Wettfahren von 17 Wagen unter Gesang (Seitens des
»brahman« genannten Priesters) und Paukenschall; — 2. Ersteigen
eines auf einem Pfahle befestigten Wagenrades durch den Sieger (und
seine Gattin!), ein symbolisches Hinaufsteigen zum Himmel; — 3. Sal-
bung des von dem Pfahl wieder Heruntergestiegenen und Procla-
mation desselben als Sieger, als Herr.
Die Aufnahme dieser durchaus auf volksthümlicher Sitte be-
ruhenden Vorgänge in das heilige Opferritual erscheint als eine ab-
sichtliche Connivenz, die dann aber wieder im weiteren Verlauf durch
neu hinzutretende rituelle Zuthaten in ihrer ursprünglichen Bedeutung
immer mehr abgeschwächt ward, während das Opfer selbst gleich-
zeitig dadurch auf ein höheres, geistliches Niveau gehoben wurde. Die
Theilnahme der vaicya ward überhaupt beseitigt, und die ursprüng-
liche Alleinstellung des Indra, als des kriegerischen Volksgottes der
einwandernden Ärya, wurde durch die Nebenstellung und schliessliche
\) er liest im Übrigen hier nicht wie Käty.: saräjänah, sondern svaräjänah,
und Agnisvamin übersetzt dies hier nicht durch: yeshäm räjä ne ”shte »die sich selbst
König sind«, sondern durch: einen eigenen König habend: yeshäm svo räjä.
Weser: Über den väjapeya. 771
Voranstellung, oder gar Alleinstellung, des Brihaspati, als des Ver-
treters der brähmana-Kaste, modifieirt und ersetzt.
Und zwar sind uns, wie mir scheint, die Spuren dieser einzelnen
Entwickelungsstadien noch erhalten, s. im Verlauf.
Zu ihnen gehört zunächst wohl schon die Angabe, s. Gänkh.
15, 1,ı und Käty. 14, ı, ı, dass der väjapeya im Herbst »caradi« zu
begehen ist. Die dem heissen, verzehrenden Sommer grishma' und
der daran sich schliessenden Regenzeit folgende kühle Jahreszeit des
Herbstes ist die Zeit sowohl für die Kriegszüge”, wie für solche
kriegerische, ritterliche Wettkämpfe, wie sie das väjapeya-Ritual
uns vorführt. — Die Angabe sodann bei Gänkh. ı5, ı, ı, dass der
väjapeya für den annädyakäma, d.i. für »den, der Nahrungsfülle
wünscht«, bestimmt sei. weiss von keiner Beschränkung auf die beiden
oberen Kasten und giebt ein ganz allgemeines Bedürfniss als den
Grund der Feier an. Es schliesst diese Angabe im Übrigen an den
Namen desselben selbst an, der im Ritual durchweg durch: annapeya,
wie väja selbst dabei regulär durch: anna, erklärt wird. In Wahrheit
freilich ist diese Erklärung eine irrige, secundäre, und ist väja hiebei
vielmehr noch in seiner alten Bedeutung: Kraft, Rüstigkeit auf-
zufassen. Auch möchte ich bei peya nicht an Y pä »trinken« denken,
denn von einem Trunk ist im Ritual des väjapeya nirgendwo die
Rede, sondern an Ypä »hüten, schützen«, so dass hiernach väjapeya,
ef. Ind. Stud. 17, 276, »Schutz«° oder »Weihe« der .Kraft« be-
deuten würde, ein Name, der vortrefflich zu meiner Annahme passt,
dass die Feier ursprünglich einfach eine Art Siegesfeier nach
einem Wettkampf gewesen sei.
Gerade übrigens dieses den ersten Theil des Namens bildende
Wort väja selbst, welches in den Sprüchen des hergehörigen Rituals
eine so hervorragende Rolle spielt, geradezu der dominirende Aus-
druck darin ist, und zwar nicht in der Bedeutung: anna, die ihm
die brähmana-Texte auch hierbei durchweg zutheilen, sondern eben
in seiner Grundbedeutung: Kraft, Rüstigkeit, Raschheit‘, tritt von
! von Ygras; oder ob von einem Desiderativ (*girsh) von ygar, verschlingen ?
? däher, s. Ind. Stud. 1, 269n, der Name des Kriegsgottes Kärttikeya, der von
kärttiki, Vollmondstag des kärttika-Monats (nicht von krittikä selbst) herzuleiten ist;
— kärttika ist der erste Monat der carad.
® auch in ritapeya scheint mir ypä »schützen« vorzuliegen, während z. B. in
dacapeya ypä »trinken«. — Bemerkenswerth ist immerhin, dass in Tbr. ı, 3, 2,3 über-
haupt von einer ypä abstrahirt, und das Wort väjapeya vielmehr an yap (äp) an-
geschlossen wird: väjäpyo vä eshah, väjam hy etena devä aipsan; — das Wort väja-
peya wird bald als Neutr., bald als Mascul. gebraucht, in letzterem Fall ist es eigentlich
ein Adjectivum, zu welchem: yajna zu ergänzen ist, also: das Opfer, bei welchem der
Schutz des väja stattfindet.
* nach dem Pet. W. bedeutet väja (»eines Stammes mit ugra, 0jas, ojman,
112 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 28. Juli.
vornherein und unmittelbar - für das hohe Alter des hier vor-
liegenden Festes ein. Es gehört nämlich, nebst allen seinen Ab-
leitungen, das alleinige väjin »Ross« ausgenommen, ausschliesslich
nur der Riksamhitä und den: Ritualsprüchen als lebendiges Wort
an; die Prosa der brähmana-Texte verwendet es nicht mehr in selbst-
ständiger Weise, und wird eben auch seine ursprüngliche Bedeutung
darin nieht mehr verstanden‘.
‚Die hohe Alterthümlichkeit des väjapeya-Rituals, auch in seiner
gegenwärtigen Form, liegt im Übrigen auch somit noch klar zu Tage.
Zunächst schön dadurch, dass die dazu gehörigen Sprüche fast
alle, und: zwar in wesentlich derselben Reihenfolge, in den
sämmtlichen uns bekannten Texten des Yajurveda aufgeführt werden?.
Es finden ja, s. im Verlauf, einige Abweichungen hierbei statt, jedoch
sind dieselben verhältnissmässig unbedeutend. — Auch die wenigen
Formeln, welche in den Ritualtexten der anderen beiden Veda erwähnt
werden (s. im Verlauf bei Gankh. und Läty.), stimmen dazu. Wie
(lenn auch das dazu gehörige Rituäl selbst in allen vedischen Ritual-
texten als wesentlich identisch sich herausstellt.
Und wie der Textbestand und die Reihenfol&e der Sprüche,
so weist auch neben dem Worte väja ihr sonstiger Wortschatz auf ein
verhältnissmässig hohes Alter ihrer Entstehung selbst hin.
Insbesondere tritt hierfür die hohe Stellung ein, welehe der: deva
Savitar in ihnen, ‘wie in den älteren Ritualsprüchen überhaupt, ein-
vajrac) 1. Raschheit, Muth; 2. Wettlauf, Wettkampf, Kampf; 3. Preis des
Wettlaufes, Kampfpreis; 4. Gewinn, Lohn, werthvölles Gut; 5. nach den Comm. Speise,
Opferspeise; 6 :Waässer; 7. nach Hem. Med. angeblich: Laut, Ton; 8. Renner, muthiges
Ross;.9. Flügel; 10. Feder-Pfeil; ıı. n. pr. (der Beherzte, Muthige). Grassman fasst
als Grundbedeukung: ı. Kraft, Stärke, rüsfige Kraft, Re gsamkeit, daneben be-
sönders’ 3. Räschheit, 3. Kampf, 4. Wettläufe; s. hiezu schon V? äj. S. spec. 1,4-6,
(1845)2° Ausser unserem: wach, w acker, lat. vag-us gehört wahl auch die deside-
rative Bildung; vaksh, wachsen augen herzu, und lat. augeo, augustus scheint sich
direct zu ojas, zu stellen und die samprasärana.- Form der W urzel (ug neben vag)
zu repraesentiren. — Die »Schnelligkeit« scheint mir hier bei väja nicht in erster
Linie zu betonen, da,sie in den Ritualsprüchen (Vs. 9, 7-9) durch: java vertreten ist.
" zw Pänini’s Zeit war die ursprüngliche Bedeutiihe ‚des Wortes vaja schon so
obsolet, dass .er 7,3, 38 das causale oder Ser vajay (Schol.: paksheus
upaväjayatı als Causativ der yvä ansieht. re
' das z. B. auch Kälidäsa kennt, der überhaupt mit Vorliebe obsolete, vedisch:
klingende Ausdrücke verwendet;!’ch.: atitya harito harinc ‘ca vartante väjinah, a h,
sapti I ‚.S.-Ind: Stud. 14,240, 241,
IR KR SHITTS. GE FEN pr 3. Ra 3 1 9 Maite. 7, 1, Teros
vs 9,.1032.5 Watap. or a= 2,2. Auch die Ätreyi cäkhä "behandelt in kända 10 den
väjapeya, s. Ind. Std 12, 350; ihr Text liegt ja leider nicht vor. "Von der Kapishthala-S;
fehlt leider in der einzigen bekannten Handschrift (in meinem Besitze ist, durch’ die
Güte meines geehrten Freundes Wurttey Srokes, eine Copie davon) der entsprechende
Theil,’ s: L.'v.-ScHRo£ver' ‚Maitr. ' Eihl: P. 30’ (1881).
I.»
Weser: Über den väjapeya. 719
nimmt. Schon allein die in diesen ja allgemein solenne Formel, mit
welcher der Priester jeden Handgriff ete. einleitet: »devasya savituh
prasave« »mit Verlaub des göttlichen Savitar« nebst der dazu gehörigen
Sequenz: »mit den beiden Armen! der beiden Aevin, imit den beiden
Händen des Püshan« führt uns in die altvedische Zeit zurück, wo
die beiden Aevin, die Genien des Frühmorgens, und mit ihnen Püshan,
der Genius der’äbendlichen Heimkehr, welche im Verlaufe allmählich.
je später je mehr, schliesslich 'völlig von der’ Bildfläche verschwinden,
noch-im Vordergrunde des indischen Olymps standen. Aber ausser
dieser Formel tritt der: deva Savitar hier im väjapeya-Ritual auch
sonst wiederholentlich sehr entschieden als der Alles leitende? und
regierende Genius, dem Götter wie Me nschen ünterthan sind;
hervor. Wie wir in der Eingaängs-Legende sahen, Brihaspati sowohl
als Indra, die beiden göttlichen’ Vertreter des brahman und’des kshatram
wenden sieh an ihn, um seine Gunst für den 'äji, den sie vorhaben, zu
erlangen. Nür in seinem »prasava« gelingt ihnen derselbe. Und gleich
der exste Sprüch des väjapeya-Rituals (Vs. 9.1), der bei Beginn jeder
einzelnen Ceremonie dabei zu wiederholen ist, giebt dieser Stellung
des Savitar- Ausdruck, die dann aber auch im weiteren ‚Verl aufe der
Sprüche darin noch mehrfach zu Tage tritt.
Einen sehr alterthümlichen Eindruck macht sodann der en
bei der Anschirrung der Rosse (Vs. 9,7): »sei es der Wind, oder ‘der
Gedanke, oder die 27 Gandharva sie haben zu Anfang (der Dinge) das
Ross angeschirrt, und Schnelligkeit hineingelegt. Es ist dies die‘ bis Jetzt
älteste Erwähnung der 27 nakshatra, die hier offenbar unter den »2 78-«
zu verstehen 'sind, s. meine Abh. über die Nakshatra 2, 278 8 (1860);
und die als »die Vertreter des-rasehen Fluges ze die! sich ja
nach ihnen regelt«, "hier als die Genien der Schnelligkeit überhaupt er-
scheinen, dem Winde und dem Gedanken darin'zur Seite stehend. —
Die Zahl‘ »27,« ‘welehe dem periodischen: Mondmonät entspricht,
! dies ist eigentlich nicht ganz correct; da die beiden Acvin je zwei Arme, in
summa also vier Arme. haben; ':oder hat man sich die Varstellung des Acvin - Paares
etwa wirklich so zu denken, dass sie, wie die siamesischen Zwillinge, . zusammen,
nur zwei Arme hatten?
? der Dienst des Savitar, welcher die Zeug ungskraft der Sonne reßrae-
sentirt- (speeiell die Abendsonne, wie es scheint; ‘sein Vehikel sind die cyävä gävah
Nigh. 1,13). gehört, abgesehen von einigen schönen Liedern der Riksamhitä speciell
den al pr üchen an, resp. der Zeit, in .derssich die alten, solennen Opferformeln
bildeten.“ "Charakteristisch ist, dass ihm dabei stets das Beiwort: deva zur Seite steht,
als 5öb nöch die appellative Bedeutung des Wortes: Savitar gefült würde. —
Iın Catap. br. ist er bereits im Wesentlichen durch Pr ajapati ersetzt; »die pürve
nahmen hier einen sävitra pagu, jetzt (etarhi) nimmt man einen präjäpatya,« heisst
es12; 3,-5, 1. — Ein Rest der alten ritrellen’ Hoheit des Savitar hat sich nöch bis in
die Neuzeit.-in-der heiligen gäyatri sävitri’erhalten. me
un |
.-_ -, = . . < =
74 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 28. Juli.
ist hierbei von besonderer Bedeutung; sie ist eben die älteste Form,
in welcher die nakshatra in Indien erscheinen.
Alterthümlich ferner ist die Nennuug des apäm napät in einem
an die Wasser gerichteten Spruche (Vs. 9, 6° Känva, und in den
übrigen Yajus- Texten).
Auch das Ross dadhikrä, dadhikrävan (Vs. 9, 14. 15) ist alter-
thümlich. Die betreffenden Verse gehören ja freilich dem Rik an (4, 40,
4. 3); aber ihre Aufnahme in das Ritual ist denn doch wohl zu einer
Zeit erfolgt, wo man noch, bis zu einem gewissen Grade, wusste, was
damit gemeint war. Die ursprüngliche Bedeutung war ja freilich
vielleicht schon dem Sänger des Rik-Liedes selbst (Vämadeva!) nicht
mehr klar, der darunter eventualiter wohl nur ein mythisches, dahin-
stürmendes Ross verstand, ohne zu ahnen, dass das Wort ursprünglich,
sei es den durch den Milchflocken-artigen Morgennebel' dahin
ziehenden (Ykram) Morgenwind, oder sei es die denselben zer-
streuende (yYkir, krä) Morgensonne bedeutet.
In alte Zeit sodann führt der schöne Spruch, mit welchem der
Opfernde seiner Gattin zuruft: » Weib! komm! wir wollen Beide den
Himmel ersteigen«, und ihre Antwort: »wir wollen B. d. H. erst.\«
Dies ist ein ächt monogamischer Zug aus der patriarchalischen Zeit,
wo Mann und Frau noch Beide »Herren des Hauses«, dampati,
waren.
Auch der Mangel specieller Systematik bei der Aufzählung der
Götter in den ujjiti-Sprüchen (Vs. 9, 31-34) lässt sich als ein alter-
thümliches Moment geltend machen, obschon gerade hier immerhin
doch bereits Einiges der Art zu Tage tritt, und die ganze Aufzäh-
lung selbst einen schematischen Eindruck macht.
Dies Letztere gilt in gleicher Weise von der Aufzählung der ı2,
resp. 13 symbolischen Monatsnamen (Vs. 9, 20), die jedoch immer-
hin den sonstigen dergl., allerdings mehr meteorologisch -klimatischen
Monatsnamen gegenüber als alterthümlich, jedenfalls als durchaus
selbständig erscheinen, s. Naksh. 2, 349.
Bei aller Alterthümlichkeit im Einzelnen gehört nun aber freilich
das väjapeya-Ritual in seinem vorliegenden Bestande schliesslich denn
doch in eine Zeit, in welcher die Trennung der Kasten, speciell
der beiden oberen, eine vollständig fest geregelte war. Jeder
derselben war ein besonderer Vertreter unter den Göttern und je
ein besonderer unter dessen Tutel stehender Himmel beschieden,
den brähmana Brihaspati und dessen Himmel, den Kriegern Indra
! zu diesem ersten Gliede des Wortes (dadhi, dadhan) hat, ni fallor, M. MÜLLER
den Namen des rasch dahinsiechenden Buhlen der Eos: Tithonos gestellt.
WEBER: Über den väjapeya. 785)
und dessen Himmel, wie wir dies letztere ja z. B. auch von der Nala-
Episode her kennen. Nach Gänkh. hatten denn auch die vaicya ihre
eigene Tutelargottheit und ihren eigenen Himmel, in den Marut und
deren Himmel. Die Yajus-Texte wissen davon nichts; bei ihnen
handelt es sich nur um die beiden oberen Kasten, und scheint das
väjapeya-Opfer fast sogar eine Art Compromiss zu bedeuten, indem
es eine Stellung, die noch über die des Königs hinausgeht, für die
Mitglieder beider Kasten in Aussicht nimmt. Der bereits in einigen
Liedern der Riks. hervortretende Zwiespalt! zwischen den Anhängern
des alten Volksgottes Indra und des secundär an seine Stelle tre-
tenden, speeiell nur die priesterlichen Geschlechter vertretenden Bri-
haspati, erscheint hier gewissermaassen als geschlichtet. Beide sind
zu denselben Ehren” gelangt und führen die Ihrigen zu denselben.
Dass es sich hierbei um ein Epigonenthum handelt, scheint
auch in der im Eingang angeführten Legende direet dadurch aus-
gedrückt, dass vormals die väjapeya-Opferer direet zur ürdhvä die,
d. i. zum Himmel, aufstiegen, seit Aupävi Jänacruteya aber beiderseits,
mögen sie zu Brihaspati oder zu Indra gehören, von da wieder
herabzusteigen gelernt haben.
In Folge seiner ursprünglichen, auf einer volksthümlichen Sitte
beruhenden, Grundlage hat das Ritual des väjapeya durch darauf be-
zügliche Incorporationen allerhand ganz absonderliche Eigenthümlich-
keiten, die es vor den gewöhnlichen soma-Opfern, zu denen es im
Übrigen gehört, auszeichnen. Und dieser Umstand hat es sogar zu
Wege gebracht, dass es in der secundären Entwickelungsstufe des
indischen Rituals, die uns in den crauta-sütra vorliegt, geradezu als
eine der sieben selbständigen Fundamentalformen, samsthä’, des
Soma-Opfers aufgeführt wird, nach deren Norm die einzelnen, zu
I wenn es Leute gab, die von Indra nichts wissen wollten (s. Riks. 2, ı2, 5.
10, 108, 3), so wird von den Pajra (zu denen der kriegerische Kakshivant gehörte)
direct berichtet (1, 190, 5), dass sie den Brihaspati nicht anerkennen wollten. — Brihas-
pati ist eben im Rik ein neuer Gott (1, 190, 8), der sich dann allmählich als Ver-
treter der priesterlichen Sangeskunst in die Stelle des alten tapferen Volks-Kriegsgottes
Indra einnistet und dessen Thaten und Attribute auf sich nimmt, s. Riks. 2, 23. 24;
cf. s. Rorn in ZDMG. ı, 72fg. (1846).
® von alten Kämpfen um den Vorrang zwischen brähmana und kshatriya be-
richten ja auch allerhand Sagen; ausser der von Vicvämitra und Vasishtha auch die
von den Vaitahavya und Bhrigu, von Kärttavirya und Paracuräma ete.
° s. Ind. Stud. 9,120, 121, 229, 230; 10, 352,353. .Es geschieht dies jedoch nur
bei Gelegenheit der Aufzählung der 7 samsthä, nicht bei der Darstellung des Rituals
selbst. In dieser nimmt der väjapeya eine ganz aparte Stellung ein, während die
übrigen samsthä eben nur bei dem gelegentlichen Hinweis auf ihre Differenzen zur Er-
wähnung kommen. Ein deutlicher Beweis dafür, dass eben der väjapeya von vornherein
eine Opferfeier für sich war und erst ganz secundär zum Range einer samsthä auf-
gestiegen oder, wenn man will, herabgesunken ist.
776 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 28. Juli.
verschiedenen Zwecken und mit verschiedener Ausstattung zu be-
gehenden dergl. Opfer zu begehen sind. Auch werden dem ent-
sprechend wirklich gelegentlich, ob auch nur selten, einzelne Tage
eines mehrtägigen dergl. Opfers als nach der Norm des väjapeya
zu feiern aufgeführt'.
Zu.. den charakteristischen Eigenthümlichkeiten der väjapeya-
samsthä gehört u. A., dass darin zu den zwölf castra, resp. stotra
des agnishtoma”, zu den drei nach dem zwölften castra hinzugefügten
aindrägnäni casträni des ukthya, und zu dem darnach noch beim
shodaecin hinzutretenden shodacicastra, resp. näch demselben und
vor dem sarpanam, noch als siebzehntes das väjapeya-castram und
-stotram hinzutritt”.
Die Zahl siebzehn spielt nämlich beim väjapeya überhaupt eine
ganz hervorragende Rolle. Das Weihwasser für den Opfernden wird aus
17 anna gemischt, — zu dem Opfernden werden, wenn er oben
auf dem Opferpfosten sitzt, 17 üshaputa (Düten mit Salzerde) hinauf-
geworfen, — der Opferpfosten selbst ist ı7 Ellen, aratni, hoch und
mit 17 Gewändern umhüllt, — es werden ı7 somagraha, 17 surägisha
hergestellt, — es giebt 17 dikshä (Weihe-Tage) dafür, — es kommen
ı7 Pauken, dundubhi, zur Verwendung, — dem Prajäpati werden
ı7 Hostien (pacu) geopfert, — die Rennbahn wird durch ı7 Pfeil-
schussweiten (pravyädha) abgemessen, — 17 Selavinnen (vrishalyah)
werden als Opferlohn gespendet und auch im Übrigen dient dabei
die Zahl 17, 17 Xı7, oder 1700 als Norm, — endlich also giebt: es
dabei auch ı7 castra und 17 stotra, sowie 17 ujjiti-Sprüche.
Diese Stellung der Zahl 17 wird darauf zurückgeführt, dass der
Opfernde durch den väjapeya (cf. die im Eingange angeführte Le-
gende) den Prajäpati, der sich selbst als Opfer hingegeben hat, er-
siegt. Prajäpati aber ist der »Siebzehner«, d.i. aus ı7 bestehend,
oder der »Siebzehnte« (das Wort saptadaca bedeutet Beides). Durch
Anwendung der Zahl 17 gewinnt man somit den Prajäpati. In der
That scheint dies hier wirklich die wahre Bedeutung dieser eigenthüm-
lichen Stellung der Zahl 17 zu sein. Bis auf Weiteres wenigstens weiss
ich keine andere anzugeben. Weil der Opfernde die Stellung des sam-
räj, resp. svaräj ambirt, tritt er gewissermaassen an die Stelle des Pra-
Japati und nimmt daher an dessen Attributen Theil. — Die Zahl 17
kommt im Übrigen auch sonst noch im Ritual vor, cf. 17 aksharäni
' z.B. väjapeyah shashtham ahah Cänkh. er. 16,15,11; 17,1,6; — Käty. 21, 2,4.
® nämlich fünf beim prätahsavanam (ein äjyam und ein praügam des hotar,
und drei äjya der drei hotrakä), fünf beim mädhyamdinam s. (ein marutvatiyam und ein
nishkevalyam für den hotar, drei nishk. für die drei hotrakä), zwei beim tritiyasavanam
(vaigvadevam und ägnimärutam) für den -hotar.
25. Katy. cr. Ss. P.832,1.
are
Weser: Über den väjapeya. DIR
der 5. vyahriti. Qat..3,'5,:2, 175: 7— 17 sämidheni..Gat.. 6,,2;12,,8. 13,
4, 4,15, —- 17 :paeu'madhyame.yüpe Gat..13, 2, 2,13. 5, 1,15, — 17
ishtakä Cat. 8, 4, 3, 20, — ı7 rigbhih Gat. 9, 2, 2,6. Und in der Regel
wird Prajäpati dabei als en saptadaca' bezeichnet. — Wie er
dazu kommt, so zu heissen, wird auch mehrfach erklärt. So bei
Cat. 1, 5,2,17 aus seiner Identität mit dem Opfer, welches seinerseits
durch die ı7 akshara der 5 vyähriti repraesentirt wird; ebenso 12,3,
3,3... E8:11,.6, 34,2. {ähnlich') wenigstens Cänkh. br. 16,4); — oder
(Maitr. 1,11,6) dadurch, dass Prajäpati als identisch mit dem purusha
auch dessen 17 Bestandtheile habe, nämlich: (1-4) catvary angäni,
(5). eirogrivam, (6) ätmä, (7) väk saptami, (8-17) daca pränäh; — oder
Prajäpati wird mit dem Jahr (samvatsara) gleichgestellt’, dieses aber
besteht aus ı7 Theilen, den ı2 Monaten nämlich, und den 5 ritu
8,4, 1, 11: 3, 20 (saptadacena samvatsarena prajäpatinä); — oder
Prajäpati wird als präna gedacht, der als siebzehnter zu den
ı6 akshara hinzutritt, welche durch die acht zweisilbigen kalä des
Menschen: loman, tvac (resp. tuvae!) asrij, medas, mänsam, snävan, asthi
gebildet werden 10,4, r, 16. 17.13, 2,2,13 (wo diese 8 kalä wegen
ihrer 16 akshara geradezu als 16 kalä erscheinen).
Bei der nachstehenden Darstellung des Rituals halte ich mich
zunächst an die Yajus-Texte, speciell an die des weissen Yajus,
obschon dieselben anscheinend die jüngsten sind. Sie enthalten
aber jedenfalls die eingehendsten Angaben,’ und es lassen sich an diese
die wichtigeren Abweichungen der übrigen, älteren Yajus- Texte,
leicht anschliessen. An die Yajus-Texte schliessen sich dann die An-
gaben aus dem Ritual des Rik und des Säman an.
Wir beginnen nach Anleitung von Käty. 14, ı mit den allgemeinen
Bemerkungen, die er der Darstellung der Einzelheiten vorausschickt.
Der väjapeya ist (nur für einen brähmana oder kshatriya be-
stimmt,) nicht für einen vaieya', und ist im Herbst, carad, zu begehen.
! die brähmana-Texte lieben solche Aufzählungen. Aus ihnen ist, cf. Ind.
Stud..9, 17-19, allem Anschein nach der Name der Sämkhya-Lehre hervorgegangen,
insofern ‚dieselbe eben auch auf der Aufzählung einer bestimmten Zahl solcher
tattva (25, resp. 26) beruht.
?® diese Erklärung scheint mir im Ganzen für unser Opfer hier die geeignetste,
da wir die Monate, und die Jahreszeiten nach ihnen, im Ritual speciell mit Sprüchen
bogsche finden (s. Vs. 9,20), freilich für die ritu nicht 5, sondern 6 Sprüche!
3 die detaillirte Darstellung des väjapeya im Äpastambasütra 18, 1-7 fehlt leider
noch in GarzE's verdienstlicher Ausgabe desselben.
* nach dem Schol. stammt dieser direete Ausschluss: eäkhäntarät, ergiebt sich
aber doch zugleich auch: lingät, nämlich aus der in Catap. Br. (5, 1, 5, 2. 3) vorliegenden
Alternative: atha yadi brähmano yajeta..yadı vä räjanyo yajeta; oder richtiger, was
dem zu Grunde liegt, aus dem Umstande, dass nur für diese Beiden in der Samhitä
entsprechende mantra vorliegen.
718 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 23. Juli.
Nach dieser gewissermaassen die Überschrift für das Folgende
bildenden Angabe, wendet sich Käty. zu den, der hohen Bedeutung
des väj. entsprechend reichlichen, einleitenden Vorfeiern und hinter-
drein folgenden Nachfeiern. Die Angaben hierüber stimmen, mit
einigen Differenzen, zu denen bei Lätyäyana (8, 11,12 fg.).
2. Beiderseits (d. i. vorher und nachher) opfere man zwei weisse
Monatshälften' hindurch (täglich) mit dem brihaspatisava”; — 2 oder
(nur) mit einem einfachen jyotishtoma” (in der agnishtoma-Form); —
3. oder (es finden beiderseits je) ı2 dergl. soma-Opfer (während des
cuklapaksha statt); — 5. (wobei resp.) vorher an den ungleichen
Tagen (1. 3. 5.7. 9.ı1.) die Feier nach der jyotishtoma-Form (vor
sich geht, während) an den.anderen (gleichen Tagen, also 2. 4. 6.
8.10.12) nach der Weise der prishthya-Tage; — 6. hinterdrein um-
gekehrt‘; — 7. oder (man opfere beiderseits) mit den (7 oder 9 speciell)
zum räjasüya gehörigen, ganz in der agnishtoma-Form gehaltenen
soma-Opfern’; — 8. und zwar hinterdrein in umgekehrter Reihen-
folge®. — 9. Alle diese pariyajna verlangen je eine besondere dikshä‘,
da sie der Zeit nach differiren; — 10. (zum väjapeya selbst) gehören
ı7 dikshä.
Nunmehr erst kommt Käty. zu den Vorbemerkungen über die
Feier selbst. Zunächst eine Anweisung über die Verwendung von VS. 9, ı.
ıı. vor Beginn jeder yajati-Ceremonie vollzieht er (der adhvaryu)
einen homa mit dem Spruche®:
! es bleibt unklar, ob man beide Male je zwei Monatshälften lang dies thun
soll, oder ob es sich nur um je eine Monatshälfte vorher und nachher, also um in
summa zwei dergl. handelt.
® dies ist, nach Läty., die Ansicht des Dhänamjayya (jedoch ohne Angabe eines
Termins), s. im Verlauf.
® dies ist, nach ibid., die Ansicht des Cändilyayana, und zwar unter Ansetzung
eines monatlichen Termins davor und danach. j
* und zwar ist dann (nach dem Schol.) auch die prishtha - Reihenfolge umgekehrt,
beginnt mit dem trayastrinca (stom., schliesst mit dem trivrit).
° pavitra, abhishecaniya etc.
6 mit jyotishtoma anfangend (mit pavitra schliessend).
” Weihe; resp. dikshä-Tag; die ydiksh fasse ich als eine Art Intensiv von
ydaksh im Sinne von: »sich wofür tüchtig, geeignet machen«; ef. ips neben aps (apsas),
jnips neben *jnaps, ic neben ag, ir (id) neben ar.
® dieser Spruch findet sich in allen Yajus- Texten am Beginn der väjapeya-
Sprüche. Er ist in durchaus alterthümlicher Sprache abgefasst, ef. den Singular
gandharvah, und die Wörter keta und ketapüh. Der Schlusssatz ist im obigen Text
verderbt, obschon die Lesart »väjam« auch im Catap. Br. 5, ı, ı, ı6 festgehalten und
durch: annam erklärt wird. Der weisse Yajus hat hier eben (und zwar in der Känva
wie in der Mädhyamdina-Schule), dem väjapeya und dem in den Sprüchen desselben
dominirenden Worte väja zu Liebe, dieses letztere in den Text genommen, statt des zu
väcaspati und zu svadatu allein passenden »väcam«, welches die übrigen Yajus-
Texte sämmtlich haben (väcam adya svadäti nah; auch svadatu ist jünger als
svadäti): » Väcaspati mache süss unsere Stimme«. — Es könnte immerhin sein, dass
Weser: Über den väjapeya. 1779
Vs. 9, 1 Gott Savitar ! fördere das Opfer ! fördere den Opfernden zum
Glück! Der himmlische Gandharva, der das Denken reinigt, reinige unser
Denken! Väcaspati mache süss unsern »vdja« ! Svdhd.
ı2. (jedoch findet diese ähuti) beim Beginn der dikshä (apsu-
dikshä ete.) nur einmal statt, da die ganze betreffende Ceremonie eine
Einheit bildet; — ı3. auch beim Soma-Kauf, beim Anfassen der vedi,
beim Aufsetzen des pravargya (-Topfes), beim Vorführen des Feuers
und bei (einigen anderen Vorgängen) vor dem sutyä&-Tage ist (stets
eine solche ähuti mit jenem Verse darzubringen), da es eben von
einander verschiedene Vorgänge sind.
Es folgen die Angaben über die Beschaffung der surä, die hier
neben dem soma zur Anwendung kommt!'.
14. Zugleich mit dem soma-Kauf findet auf der rechten Seite,
und zwar für Blei, der Kauf der parisrut statt, wobei ein Lang-
haariger als Verkäufer fungirt; — 15. oder es werden (auch nur) die
dazu gehörigen Stoffe gekauft; — 16. beim Herumfahren (des soma wird
die parisrut oder die Stoffe dazu) hinterdrein gebracht; — 17. hierauf
bringt sie der neshtar durch die rechte Thür (in den Opferschuppen,
vimitam), kocht sie (wenn sie noch nicht fertig ist) im dakshinägni
und stellt sie (sodann) auf die hintere Seite (der cälä). — ı8. Nach
Herstellung des Erdaufwurfes (khara, für die somagraha, um sie darauf
zu stellen, macht der adhvaryu hierauf)” an der Stelle, wo die näräcansa-
Becher” hinkommen sollen, noch einen (zweiten khara, für die surä-
graha); — 19. (und) auf der rechten Seite (des havirdhäna) macht er
eine Verbindung (kleine Verbindungsthür).
auch dieser Wortlaut absichtlich sö gewählt ist, um an väja, resp. väjapeya, zu
erinnern (wie denn ja die väc, vielleicht auch eben deshalb, auch noch an anderen
Stellen der väjapeya-Sprüche wiederkehrt). Aber er begeht doch wenigstens nicht die
Geschmacklosigkeit, den väja mit dem väcaspati direct in Bezug zu bringen. — Es liegt
hier im Übrigen auch noch eine andere Eventualität vor. Der Väcaspati nämlich, im
Catap. durch: Prajäpati erklärt, und in dieser Stellung jedenfalls nicht zu den alten,
sondern zu den modernen Göttergestalten des Veda gehörig, bedeutet hier etwa
nür appellativisch den »Herrn der Stimme, der Rede«, und man fühlt sich versucht bei
der Dreiheit: yajüa, keta und väc an die alt-ärische ethische Dreiheit: manas,
väc, karman (hier resp. karman voran!) zu denken, als in diesem Eingangsverse
des alten Opfers, mit je ihren göttliehen Vertretern, an die Spitze gestellt.
' die surä& ist ein weltliches, berauschendes Getränk (parisrut, wohl: über-
schäumend?), welches aus frischen Halmen von Reis und Gerste, gerösteter Gerste
und einer Art Hefe (nagnahu) hergestellt ward, s. Ind. Stud. 10, 350. — Der »Lang-
haarige« in ı4 ist nach Einigen ein Eunuch (shandha), der die Haare lang trägt,
wie die Weiber; — die surä ist für die am Wettfahren Theil nehmenden räjanya
bestimmt; ursprünglich waren eben wohl diese (nicht die Brahmanen) die eigent-
lichen väjapeya-Opferer, etwa unter Anschluss besonders tapferer, ritterlicher vaicya.
? pürvedyuh Gat. 5, ı, 2,15 d.i. am Tage vor der sutyä.
In Studro,5378.0380.
Sitzungsberichte 1892. 69
780 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
Hieran reihen sich Bestimmungen über den Opferpfosten, yüpa.
20. Die Umhüllung des Opferpfostens geschieht zu der Zeit, wo der-
selbe (mit der racanä) zu umgürten ist, durch 17 Gewänder (Zeug-
stücke); oder es kann auch eine Ein- und Aufknüpfung derselben
stattfinden; — 21. (und zwar entweder bloss beim agnishomiya-pacu)
oder am anderen Morgen bei (allen) savaniya' (-pacu); — 22. der
Opferpfosten muss eine etwas ausgehöhlte, aber platte Spitze haben,
(damit der Opfernde bequem darauf sitzen kann, s. im Verlauf), und
einen aus Waizenmehl gemachten Radkranz. |
Es folgen noch einige weitere allgemeine Bestimmungen:
23. bei Beginn der soma-Pressung” legen die dabei Beschäftigten
und der Opfernde goldene Kränze’ an, 24. (nicht eher,) weil erst
der sutyä-Tag (speciell) den Namen (väjapeya) führt, — 25. nach Be-
lieben (jedoch auch schon früher) bei allen (vorhergehenden) Vorgängen
(Wahl des Opferplatzes ete.), weil (auch sie) ohne Unterschied (zum
väjapeya gehören).
26. Zu der Zeit, wo die ekadhana-Krüge‘ (in die Mitte des havir-
dhäna) hereingebracht werden, bringt der neshtar durch die hintere
Thür auch die surä herein und setzt sie auf den für sie bestimmten
khara nieder; — 27. durch die (kleine) Verbindungsthür (s. ı9.) schafft
er sodann die Becher dafür herbei und reinigt danach (die surä) in
einem (grossen, aus paläca-Holz gefertigten) Gefässe mittelst eines
aus (Kuh- und Pferde-)Haaren bestehenden Siebes.
Hiermit sind die allgemeinen Bestimmungen absolvirt, und geht
Käty. nunmehr zur Schilderung der einzelnen Vorgänge am sutyä-
Tage über, soweit dieselben dem gewöhnlichen soma-Ritual gegen-
über Neues enthalten.
Zunächst handelt es sich (1, 23 —2,ı0) um die graha, d.i. mit
soma zu füllenden Becher, bei der Früh-Pressung.
28. Beim prätahsavana treten zu den (drei) atigrähya und zu
dem shodacin (graha) noch fünf aindra (graha) hinzu; — 2, ı mit
den Sprüchen: dhruvasadam (Vs. 9, 2-4) je Spruch für Spruch; — 2, 2
der homa (der fünf aindra) geschieht wie bei den atigrähya.’
9,2“ Dich, der du im Festen, bei den Männern, im Geiste sitzest, —
* du bist mittelst der Unterlage (d.i. mit dem Schöpflöfel) geschöpft,
ich schöpfe dich als einen dem Indra lieben; — “ dies ist dein Platz ;
als einen dem Indra sehr lieben (schöpfe ich) dich; — * Dich, der dw ün
15 8. Ind,sStudin0,,3470348!
® sutyadau könnte auch heissen: bei der sutya u. s. w.
® Kränze von goldenen Blumen.
ns: Ind: Stud. 10,353.,370.7381. 386.
5 d.i. dem Schol. zufolge: nach dem mähendra, also erst beim mädhy. savana.
Weser: Über den vajapeya. 7s1
Wasser, im ghrita, in der Luft (vyoman) sitzest, — 7 wie ®°; — * Dich,
der du in der Erde, im Luftraum, im Himmel, bei den Göttern, im ndka
(in der Himmelswelt) sitzest; — " wie ”
9,3%. Den Kraft (vayas) ausströmenden(?) Saft der Gewässer, den
in die Sonne gestellten‘ Saft des Saftes der Gewässer, den sehöpfe ich
Euch als den Besten; — wie 2”.
9, 4°. Ihr mit Kraft (ürjä) geopferten graha! die ihr dem Sänger
die Andacht stärkt, von Euch, die ihr mit vollen Kinnbacken zu ‚schlürfen
seid”, habe ich Saft und Kraft concentrirt; — wie 2”.
Hier stehen wir vor verschiedenen Differenzen und Schwierig-
keiten. Was zunächst die Väjasaneyi-Samhitä, den ältesten Text
des weissen Yajus anbelangt, so erklärt Mahidhara die obigen Sprüche
dahin, dass in 2 die Sprüche für die ersten drei aindra graha, in
3 die für den vierten, in 4 die für den fünften enthalten seien. Und
der Redacteur der Vs. muss dies wohl auch sö aufgefasst haben,
da er 2" nieht nur in 2“ und 2, sondern auch in 3” und 4”
>) u
wiederholt. Aber der Wortlaut der Sprüche 3° und 4* ist gegen
eine solche Verwendung derselben. Ihm zufolge ist vielmehr (aller-
dings ist dann 3” 4” als spätere, redaetionelle Zuthat anzusehen!)
A sındaan direse
a
2° für drei graha? bestimmt, aber 3.4 (resp. 3
Rs graha gerichtet.
Im Gatap. Br. sodann, dem zweit-ältesten Texte des weissen
Yajus wird (5, ı, 2, ı), den »bekannten« (prajnäta) ägnishtomika
graha erst noch ein ancu’-graha vorausgeschickt, der, wie es scheint,
aus einer veritablen soma-Ranke besteht, und Säyana beruft sich
dafür auf Äpastamba, wonach »der adäbhya (-graha) von Einem,
der Feinde hat, der ancu von Einem, der etwas zu werden (oder:
der zu gedeihen) wünscht, darzubringen ist, Beide resp. ausschliess-
lich dem »väjapeya, räjasüya und dem sattra« zugewiesen werden.
Nach dem ancu folgen dann also die üblichen ägnishtomika graha’,
! etwa um dadurch destillirt, abgeklärt, gereinigt zu werden?
2 ? vigipriya Pet. W. (im Anschluss an Säyana zu Ts.1,7,12, p. 1057 ed.
RoEr: cipräni hanusthäniyäni päträgräni, tair upetäl!] vicipriyah: »ohne Backen-
stücke, ohne Handhabe an den Seiten, von den Somabechern«; — wohl aber eher:
»über die Kinnbacken hinausströmend, sie überfluthend«.
> dieselben betreffen die Vertheilung des soma über die Dreiwelt: Erde, Luft,
Himmel; jedoch werden in dem dritten Spruche Erde und Luft nochmals aufgeführt,
und der Himmel ist durch drei Bezeichnungen vertreten.
* der angu ist nur für einen »Bekannten«, »Lieben«, (dem adhvaryu) »an anüıkta,
d.i. an durch mündlichen Unterricht gewonnener« Einsicht, Gleichstehenden
(Cat. 6, 6, 1, 14), resp. für einen »avakäcya«, s. Ind. Stud. 10, 127. 150, und zwar
speciell beim sahasra, beim sarvavedasa, beim viecvajit yeim vajapeya,
räjasüya, und bei einem sattra — zu schöpfen.
° nach Säyana: upäncu, antaryama 2, aindraväyava 3, maiträvaruna 4, äg-
vina 5, gucrä-marothinau 6.7, ägrayana 8; hierzu s. Ind. Stud. ı0, 371. 373.
69*
782 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
danach die »prishthya«, d.i. die atigrähya', der shodaein, und
fünf »väjapeyagraha«, an welche die obigen fünf Sprüche in der-
selben Weise wie in Vs. und bei Mahidhara vertheilt werden, und zwar
sö, dass der Text die drei ersten graha als die drei Welten, den
vierten als den väyu, den fünften als den Saft ersiegend bezeichnet,
jedenfalls eine wenig logische Gruppirung, welche, zudem, ebenso
wie die Zutheilung in Vs., den Wortlaut der Sprüche ganz ausser
Acht lässt.
Bei Kätyäyana endlich fehlt (wie in Vs.) der ancu, und die im
Cat. br. gebrauchten Namen: prishthya und väjapeyagraha sind durch
atigrähya und aindra ersetzt.
Gegenüber diesen im weissen Yajus selbst vorliegenden Diffe-
renzen sind sodann für die übrigen Yajus-Texte noch weitere Differenzen
zu constatiren.
In "Ts. zunächst liegen; diese Sprüche erst’(1, 7,.12) hinter-den
ujjiti-Sprüchen, die in Vs. (9, 31-34) den Schluss der väjapeya-mantra
bilden, vor, erscheinen somit direet als Nachtrag, zeigen überdies
sehr erhebliche Varianten im Wortlaut, sind aber im Übrigen auch
in derselben Weise vertheilt, wie in Vs. (unter Umstellung jedoch
von Vs. 9, 3 und 4), so dass es sich auch hier um fünf graha
handelt. Auch der dazu gehörige Commentar in Tbr. ı, 3, 9 markirt
sich ebenfalls von vornherein dadurch als ein Nachtrag, dass er
nieht an der Stelle steht (1, 3, 3), wo die atigrähya behandelt
werden, deren daselbst übrigens fünf sind’, sondern eben auch
erst,ameSchlusss(n..3, 9). Im kalpa sodann, d. i. in Bodhä-
yana’s crautasütra, wie er bei Säyana zu Ts. ı, 7, ı2 vorliegt (ed. RoEr
p: 1055) werden die fünf graha zwar auch als aindra, zugleich
aber als atigrähya bezeichnet, sodass die drei atigrähya des weissen
Yajus ganz ausfallen (der kalpa bestimmt ausdrücklich, dass diese
fünf aindra atigrähya auf den ägrayana folgen). Vom ancu ist
hierbei keine Rede. Ebenso wenig vom shodacin. Nach den fünf
aindra atigrähya folgen vielmehr unmittelbar die dem Prajäpati
geweihten siebzehn somagraha und darauf die surägraha. So
wenigstens nach Tbr. ı, 3, 3 und nach dem kalpa dazu bei Säyana
zu Ds. 1,7, 122 1(RorR,"p.1058).. Kurz’ vorher jedoch zu Rermarar
(RoER, pP. 996) findet sich die Angabe, dass der shodacin zwischen
die 17 somagraha und die ı7 surägraha einzuschieben ist.
' prishthastotrasambhavah prishthyah, prishthyashadahe pratidivasam ekaikasya
vigvajiti sarvajiti cai 'kähe grahanät prishthyasamjnä, Säy.; cf. Cat. 4, 5, 4, 2-13, wonach
dieselben für die Trias: agni, indra, sürya bestimmt und mit Vs. 8, 38-40 (varcas,
ojas, bhräjas) zu celebriren sind, s. Käty. ı2, 3, ı. 2 Ind. Stud. 9, 235.
® nicht drei, s. Säyana im Com. zu Ts.ı,7,7 ed. Rorr p. 995.
= ” ae mQ«
WEBER: Über den väjapeya. (83
Auch’ in 'Maitr.ı, ı1, 4 stehen die Sprüche Vs.9, 2-4. erst’ am
Schluss der väjapeya-mantra (hinter Vs. 9, 30, die ujjiti-Sprüche fehlen
dort, stehen resp. erst noch später, ganz am Schluss in ı 1, ı0), und
zwar stimmen sie in Eintheilung und Wortlaut! wesentlich zu Ts. und
Tbr., so dass sie offenbar auch da zu den fünf atigrähya graha gehören.
Das Ritual über die atigrähya, in dem übrigens auf diese Sprüche
nicht refleetirt wird, steht daselbst (11,9) erst hinter dem Aufsteigen
auf den yüpa (11,8) ete. |
Ganz das Gleiche gilt denn auch von Käth. 14, 3. Die Vs. og, 2-4
entsprechenden Sprüche stehen am Schluss der väjapeya-mantra,
zwischen Vs.9, 30 und 31; der Wortlaut und die Vertheilung der
mantra ist identisch mit Ts. und Maitr., doch zeigen sich auch hier
wieder mehrere Varianten”. Und die zu den atigrähya gehörigen
rituellen Angaben in 14, 9 stehen ebenso wie in Maitr. erst nach
denen, die sich auf das Aufsteigen auf den yüpa beziehen (14, 8) und
nehmen auch ebenso wenig Bezug auf die in Rede stehenden Sprüche.
Nach allem dem kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, dass
es sich hier um eine zwar wohl aus alter Zeit her stammende
Spruchgruppe (däfür tritt eben doch die wesentliche Gleichheit des
Wortlautes, sowie wohl auch das alte, in Maitr. Käth. freilich miss-
verstandene Wort: vieipriya ein) handelt, aber dass das Ritual, zu
welchem dieselbe in Bezug gesetzt wird, nicht ebenso alt, vielmehr
noch im unfertigen, werdenden Zustande begriffen und erst secun-
där zu derjenigen Stufe gelangt ist, die uns im weissen Yajus vor-
liegt. — Die Angabe Käty.’s, dass der »homa« der fünf aindra:
atigrähyavat, d. i. erst nach dem mähendra (graha), resp. bei dem
mädhyamdina savana zu erfolgen habe, scheint noch eine Reminiscenz
daran zu enthalten, dass die 5 aindra ursprünglich die hiesigen
atigrähya selbst sind. — Uber die Differenz zwischen dem Wortlaut
resp. Inhalt der Sprüche und ihre Vertheilung kommen wir freilich
auch sö nicht hinweg. — Alterthümlich bleibt immerhin, dass die
5 graha speeiell an Indra (nicht an: Brihaspati) gerichtet sind.
Käty. wendet sich nun zu den ı7 soma- und surä-graha (2, 3):
3. siebzehn andere (somagraha schöpft der adhvaryu); — 4. eben-
soviel surägraha der neshtar; — 5. das Schöpfen (findet) abwechselnd
(statt), — 6. die Becher dürfen (dabei) nicht über die Achse (des
Wagens, auf dem die beiden Stoffe herangefahren sind) hinauskommen ;
— 7. der adhvaryu hält sie je über, der neshtar je unter die Achse,
mit dem Spruche (Vs.9, 4°): sampricau, — 8. und mit dem Spruch:
! mit einigen erheblichen Varianten jedoch (auch von Ts.); so z.B. statt vigip-
riyanam hier vielmehr: vicienänäm.
2
* statt vicipriyanam hier resp.: vicienyanam!
784 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
viprieau (9, 4°) nehmen sie (graha für graha je) an sich (heran, um sie
je auf ihren khara niederzusetzen).
9,4“. ihr Beide seid vereinigt; vereinigt mich mit Heil (bhadrena); —
Ihr Beide seid getrennt. Trennt mich vom Unheil (pdpmand).
Es entspricht dies genau der ausführlichen Darstellung im Ga-
tap. 5, I, 2, 10-18, wo beide Säfte, soma wie surä, als dem Pra-
jäpati gehörig bezeichnet werden,' der soma repraesentirt das Wahre,
das Heil (erih), das Licht, die sur& das Unwahre, das Unheil (päpman),
die Finsterniss. Beide sind zu ersiegen. Sprüche beim Schöpfen
werden hierbei nicht angeführt. — Anders im schwarzen Yajus. In
Asır,.7., 12% zunächst steht. limtersrden‘ dert “für ‚die, fünf ande:
atigrähya bestimmten Sprüchen noch ein Vers: ayä vishthä janayan
karvaräni .., der zwar nicht aus Riks. oder Vs. aber doch anderweit
bekannt ist,” und der dem kalpa zufolge (Roer p.1058) für die sieb-
zehn präjäpatya somagraha bestimmt ist. Die surägraha gehen auch
hier leer, ohne Spruch, aus. Im Tbr., welches eingehend von den
e
ı7 somagraha und den ı7 surägraha handelt, und auch die Sprüche
de
Vs. 9,4°° dabei anführt, ist von »einer ric«, mit welcher die 17
ersteren geschöpft werden, nur eben sö die Rede, ohne dass sie
speciell aufgeführt wird. Nach Säyana aber zu Ts.ı, 7, 7 (RoEr p. 995),
wo Tbr. ı, 3, 3 erklärt und die ric auch mit ihrem pratikam (ayä
vishthä) genannt wird, dient diese Erwähnung dazu, zugleich auch
eine zweite rie: »kuvid anga« als: vishayaviceshena vyavasthitä
zu markiren. Diese zweite rie, in welcher von Gerste die Rede®
ist, möchte denn also wohl für die surägraha bestimmt sein? Und
so finden sich denn auch in der That beide rie in Käth. 14, 3 nach
einander (mit je hinzugefügtem sädanamantra-Paar), hinter den fünf
atigrähya-Sprüchen vor. Ebenso in Maitr., wo indessen die rie: kuvid
anga voran steht, was gegen ihre Verwerthung für die surägraha
zu sprechen scheint (ayä vishthä ist daselbst nur im pratika auf-
geführt, nicht voll’, während kuvid anga vollständig). Auch frägt
es sich denn doch, ob die Connivenz gegen das weltliche Getränk
(soma ist Speise der Götter, surä der Menschen, heisst es in Thr.ı, 3,3)
sö weit gehen durfte, dass man das Schöpfen desselben mit einer
heiligen rie begleitete? Was soll dann aber die zweite ric? Für
die somagraha genügt eine. — Das Ritual selbst ist wohl allseitig
' da der Opfernde Alles ersiegt, muss er auch das Böse ersiegen, resp. sich
unterthan machen Catap. 5, 1, 2, 10.
? s. Ath.7,3,1. Käth.9, 6. Käty. 25,6,10 (voll aufgeführt, also gäkhäntarät).
Cankh.' 5,17, 2:
® kuvid anga yavamanto yavamcid.
* liegt wohl schon vorher in Maitr. vor? cf. Käth, 9, 6.
WeEBER: Über den väjapeya. 185
dasselbe. Säyana zu Ts. ı, 7, 7 p. 997 führt resp. für das abwech-
selnde Schöpfen von soma und surä auch Äpastamba als Zeugen
an; dabei wird im Übrigen ausdrücklich der pratiprasthätar, nicht
der neshtar, als derjenige Priester genannt, der mit der surä zu
hantiren hat.
Käty. führt nun noch einen neuen besonderen graha vor (2,0):
9. mit einem goldenen Gefäss schöpft er einen madhugraha und
setzt ihn mitten auf den khara (der somagraha); — 10. (darauf folgt)
das (übliche) Schöpfen des ukthya (graha) u. s. w.'
Es folgen die Angaben über die Opferthiere (Käty. 14, 2, ı1fg.).
Zu den üblichen atirätrapacu?” tritt zunächst noch eine den sieg-
reichen (ujjesha) Marut zu opfernde scheckige Kuh, vacä prienih’,
für deren Ritual das Gat. br. sehr eingehende Details angiebt, die es
aber dann zum. Theil sofort wieder aufhebt, und als nicht berechtigt
bezeichnet‘. — Sodann ı7 dem Prajäpati geweihte pacu (Ziegen-
böcke). Dieselben sollen tüpara hornlos, eyäma d.i. nach dem
Schol. schwarz und weiss, und mushkara, hodenkräftig, sein’. Nach
Gat. 5,1, 3, 1ı wollten Einige‘ den siebzehnten Bock der väe opfern.
Denn wenn es etwas Höheres gebe, als Pr., so sei dies die väc. Die-
selben werden aber scharf abgefertigt“. — Auch in Bezug auf das Ritual
"s. Ind. Stud. 10, 373 ukthyam grihnäti Cat. 5, ı, 2, 19; die somagraha werden
jetzt schon geopfert, resp. verspeist, der madhugralıa und die surägraha kommen
erst beim mädhyamdinam savanam zur Verwendung.
? je ein ägneya, aindrägna, aindra und särasvata Ziegenbock Cat. 5. 1, 3,1. 2.
® ist keine dgl. zu haben, kann es auch jede beliebige vacäa sein. — Dass den bei
ihrem Daliinstürmen Alles siegreich mit sich fortreissenden Winden beim Wagenwett-
fahren eine Gabe dargebracht wird, ist sicher ein alter volksthümlicher Brauch.
(Der loka der Marut ist ja der loka der vaicya, s. im Verlauf.) Unwillkürlich denkt man
dabei an die von GrAssmann (Kunn’s Z. 16, 190. 1867) vorgeschlagene Zusammenstel-
lung des vedischen märutam cardhas mit dem Qerfo Martio der Eugubinischen
Tafeln und mit dem lateinisch-römischen Kriegsgott Mars.
* tad u tathä na kuryät 5, 1, 3, 6. 14; »denn es strauchelt der, welcher vom Opfer-
pfade abweicht, und es weicht vom Opferpfade ab, wer so thut.« — Auf solche, auch
durch Zuweisung an: eke als die Ansicht Einiger eingeführten Abweichungen, die
vielfach denn eben wohl auf die Ritual - Differenzen der einzelnen Yajuh-cäkhäs zurück-
gehen, weist das Cat. br. häufig hin. cf. Ind. Streifen ı, 52"3.
° alles dies hat specielle Beziehung auf Prajäpati; denn (Gat. 5, ı,3,8) der
Mensch steht dem Pr. am Nächsten (nedishtham), der Mensch aber hat keine Hörner,
folglich dürfen auch die dem Pr. geweihten Thiere keine Hörner haben; — schwarz
und weiss ist ein Paar, Paarung ist Sache des Pr.; — wer ordentliche Hoden hat, ist
zeugungskräftig, Pr. ist zeugungskräftig. — Sollten so geartete Ziegenböcke nicht zu
haben sein, mögen andere genommen werden, denn Pr. ist Alles.
6 5, 1,3, ıı Pr. ist identisch mit der Dreiwelt und Allem was darin ist; die
vac dagegen ist nur das, was sich in der Dreiwelt als väc hörbar macht. Mit dem
Thier für Pr. ersiegt man somit Alles, mit einem für die väc, nur diese allein. — Die
Polemik gegen die väc ist um so interessanter, weil die väc schliesslich doch in
dem Weihespruch des väjapeya (Vs. 9, 30) eine sehr wichtige Rolle spielt, die sie zwar
786 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 28. Juli.
dieser 17 pacu giebt das Gat. br. (5, ı, 3, 12-14) allerhand besondere
Bestimmungen, die es aber zum Theil auch gleich wieder selbst auf-
hebt'. Auch Kätyäyana 14, 2, 17-28 hat hierbei noch einige Speeiali-
täten, auf die ich nieht weiter eingehe.
Wichtig aber sind die bei ihm sich nun unmittelbar anschliessenden
Angaben über die dakshinä, den Opferlohn (14, 2, 29-33):
29. er giebt je 1700 Kühe, Kleider, Ziegen, Schafe. — 30. (dazu
treten) 17 Sklavinnen mit goldenem Halsschmuck”. — 31. (Und noch)
Elephanten, Fuhrwerke, grosse Lastwagen’, — 32. von jeder Sorte
(jäter-jäteh) bis zur Anfüllung einer Gruppe von 17, 33. oder die
Siebzehnheit (bezieht sich) auf die Stoffe, weil es in der cruti heisst:
»er giebt 17 Siebzehnheiten. «
Diese Angaben sind im Schluss unklar: die Regel 33 scheint die
Einschränkung zu enthalten, dass man nur 17 Stoffe, ohne Bestimmung
der Stückzahl, zu geben habe. Einschränkungen in der Höhe der
Forderungen finden wir ja, s. im Verlauf, auch bei Gänkh. und Läty.
Dieselben sind jedoch anderer Art; und die angeführte eruti-Stelle, die
ich übrigens sö nicht nachzuweisen vermag (cf. indessen Gänkh. 15, 3,14
täni sapta saptadacäni bhavanti, Aecv. 9, 9, 14 U.17 saptadaca sapta-
dacäni dakshinah, resp. s. s. sampädayet) stimmt nicht zu einer solchen
Auffassung. — Auffällig ist, dass die Rosse unter den aufgeführten
acht dravya fehlen (es müssten denn bespannte vahyaka und
mahänasa gemeint sein!); im Schol. dagegen fehlen die vastra, sind
resp. durch acva ersetzt (gaväcvachägamahiskhyavityädikäh, gaväcväjä-
vijatiya).
ja zum Theil freilich wohl nur dem Gleichklang mit dem für den vajapeya so wichtigen
Worte täaja verdanken mag (cf. umgekehrt die Variante vajam in Vs. 9,1), die aber
immerhin doch zeigt, dass zur Zeit der Abfassung der zum väjapeya gehörigen Sprüche
die vac in der That eine Rolle spielte, welche sie, als das schöpferische Wort,
dem Pr. zur Seite stellt, cf. Riks. ı0, 125. Ind. Stud. 9, 473-480. — Als Repraesen-
tanten der Macht des priesterlichen Wortes haben wir ja auch im Eingangsvers den
Vacaspati. Und die Stellung des Brihaspati neben Indra in den übrigen Sprüchen
wurzelt auf derselben Grundlage. — Kätyäyana (14,2, ı5) eitirt die eke nur, pole-
misirt nicht dagegen; nach dem Schol. sind resp. in diesem Falle die hergehörigen
Sprüche nicht (wie bei den präjäpatya-Thieren) »upäncu« d. i. halblaut zu sprechen.
— Im Tbr. ı, 3,4, 5 scheint der Anspruch der väc auf den letzten, ı7zten pacu ver-
treten zu werden. Die väc sei eben Prajäpati selbst.
1. sı Note 4.847985.
® vrishalyo nishkakanthyah, (Schol. catuhsauvarniko nishkah).
® hasti- vahyaka - mahänasanäın (saptadaca Schol.); mahänaso mahärathah,
päkakaranagriham iti kecit; Letzteres ist die secundäre Bedeutung des Wortes,
das, vom Nomadenleben herstammend, wohl eigentlich den »grossen Proviant-
Wagen, der das für die Küche Nöthige enthielt, bezeichnet; anas »Lastwagen«,
yan, eigentlich wohl »der schnaufende, knarrende«, cf. lat. onus, »Last«, eigentlich
wohl: »athmen, schnaufen machend«.
WEBER: Über den väjapeya. 187
Wir kommen nun zu den an das mädhyamdinam savanam,
die Mittags-Pressung, sich anschliessenden Hauptbestandtheilen der
väjapeya-Feier, an ihrer Spitze das Wagen-Wettfahren.
Bevor der mähendra graha, der achte graha des mädhy. sav. (s.
Ind. Stud. 10, 385) geschöpft wird (Cat. 5, 1, 4, 2), resp. nach Käty.
14, 3, ı am Schluss der Darbringung des marutvatiyagraha, des
vierten graha des mädhy s. (I. St. 10, 382), nimmt der adhvaryu mit:
9, 5°. du bist des Indra Kraft-spendender' Blitzkeil! möge dieser
(Opfernde hier) durch dich Kraft (vdjam) gewinnen den Streitwagen
von dem Rüstwagen” herunter, ergreift ihn bei der Deichsel und rollt
ihn heran (in den Opferraum, vedi), rechts von der cätväla-Grube, mit:
9, 5° bei der Verleihung der Kraft, vdjasya prasave, wollen wir die
grosse Mutter, Namens Aditi”, durch unser Wort herbeiholen,; in welcher
alles dieses Seiende Eingang gefunden hat, in der möge uns Gott Savitar
Halt (dharma) verleihen.
Die Anschirrung des Wagens erfolgt hierauf mit besonderer
Feierlichkeit. Die dafür bestimmten Rosse werden zunächst ge-
schwemmt und, sei es bei der Hinabführung zum Wasser‘, sei es
vom Bade zurückgekehrt, mit Vs. 9, 6“ oder 9, 6” oder mit beiden
Sprüchen besprengt:
9,6°°. Im Wasser ist Unsterbliches, im Wasser Heilkraft. Und unter
den Lobpreisungen des Wassers seid kräftig (väjinah), o ihr Rosse! —
°, Göttliche Wasser ! welches eure eilende Welle ist, die sich bäumende,
Kraftspendende väjasdh‘, durch sie möge dieser Opfernde Kraft (cdjam)
gewinnen.
ImIESSEN 7 Tan lbeiı 03,05 5240schliesst sich" hier.noch ein Vers
an: ankau nyankäv zum Lobe des Wagens und seiner zwei Räder.)
Danach findet die Anschirrung statt, zunächst des rechten, dann
! vajasah; in allen den folgenden auf den Wagen und die Rosse (vajin) sich
beziehenden Versen tritt das Wort: väja speciell hervor. — Die Verse sind, mit einigen
Varianten, in allen Yajus- Texten identisch.
®? rathavähanan; dies Wort wird hier durchweg mit lingualem n geschrieben!
SeVs. Prät.3, 85. Ind. Stud. 4,1955 "mit: ‚dentalem , n "jedoch im: !Riks.,6,:75,,8;
Ts. ı, 8, 20,1. 4, 2, 5,6. 6,6,3. Dem Wortsinn nach ist das rathavahanam wohl
eben speciell zu sicherer Herbeischaffung der für die Wagenkämpfer und ihren Wagen-
lenker bestimmten Streitwagen bestimmt; es mag aber wohl auch ausserdem noch als
»Rüstwagen«, für die Waffen etc. gedient haben.
® damit ist hier natürlich die Erde gemeint. Gat.5, 1,4, 4.
* das Ross ist im Anfang der Dinge (agre) aus dem Wasser hervorgegangen.
Cat.5,1,4,5 (cf. apsuyoni); dies beruht wohl auf dem Hervorgehen des Sonnen-
rosses aus dem Himmelsocean, cf. noch die epische Mythe vom amritamanthana.
5 Riks. ı,23, ı Medhätithi Känva.
° die Känva -Schule fügt hier noch die alte Lesart: apam napät hinzu. Ebenso
Ts. Käth. Maitr.
188 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
des linken! Rosses, dann des rechten Seitenpferdes mit Vs.9, 7-9'.
Ein viertes Ross geht ungeschirrt, aber voll aufgezäumt hinterdrein.
9,7. Sei es der Wind, oder der Gedanke”, oder die 27 Gandharva®,
sie haben das Ross zuerst angeschirrt, sie haben in derselbe Schnelligkeit
(javam) gelegt.
9,8. Sei eilig wie der Wind (vätaranhäh), o Ross (vdjin)! an-
geschirrt werdend. Sei wie das rechte (Ross) des Indra an Schönheit!
Anschirren mögen dich die Marut, die Alles wissenden! Tvashtar lege Eile
(jJavam) in deine Beine.
9,9%. welche Schnelligkeit (javah), o Ross (vdjin), eingelegt ist in
den Inneres (?guhä), welche im (dem!) Falken gegeben ist, und welche
im Winde dahin zieht, mit der sei, o Ross (vdjin)! für uns stark durch
Stärke (balavdn balena), Kraft ersiegend (vdjajit), und beim Zusammen-
treffen (Wettstreite) durchdringend (pdrayishnuh, zum Ziele führend).
Hierauf lässt der adhvaryu die Pferde einen für Brihaspati' be-
stimmten, in 17 Schalen (caräva) vertheilten, naivära caru, Körner-
Muss von wildem Reiss, mit Vs.9,9’ besehnopern.
9,9°. Kraft ersiegende Rosse! den Kraftlauf laufen wollend? be-
schnopert hier diesen für Brihaspati bestimmten Anthei.
Sechszehn andere Wagen werden sodann ausserhalb der vedi und
ohne Sprüche je mit vier Rossen bespannt‘.
Nunmehr besteigt der brahman mit Vs.9,10° ein Weagenrad,
welches sich bei dem utkara genannten Aufwurfe’ auf einem bis zum
Nabel reichenden Pfosten aufgesetzt befindet. Wenn der Opfernde
ein kshatriya ist, geschieht dies mit Vs. 9, 10".
9,10°. Mit Verlaub des göttlichen Savitar, dessen Befehl wahrhaftig
ist, devasya savituh save satyasavasah, will ich den höchsten Himmel (ndka)
des Brihaspati_ersteigen, — ".
Ebenso wird von 17 dundubhi, Pauken, welche längs der vedi,
hinter dem ägnidhra-Platze auf je dafür aufgerichteten Pflöcken be-
des Indra_ersteigen.
' umgekehrt wie bei den Menschen, wo das linke Ross zuerst angespannt
wird.» Gat.5,01,4,9.
®? statt mano va haben Ts. Käth. Maitr. die wohl ältere Lesart: Manur vä, cf.
Manor acvä ’si bhüriputrä T. Är.4, 5,4 (10); oder ist manus Nebenform zu manas?
® die 27 nakshatra als Repraesentanten der dahin eilenden Zeit, s. meine
Abh. über die Naksh. 2, 278n.
* dass Brihaspati, nicht Indra, es ist, dem dieser caru gewidmet wird, beruht
wohl eben auf der Praeponderanz des sacerdotium, brahman, vor dem imperium
kshatram, welche das väjapeya -Ritual der Yajus- Texte durchzieht. — Das Beschnopern
des caru weiht die Rosse für ihren bevorstehenden Wettlauf und sichert ihnen den
Sieg darin.
° väjino väajajito vajam sarishyantah. £
° eaturyujah Käty. 14, 3, 11; trotzdem siegt der nur mit drei Rossen bespannte
Wagen des Opfernden, denn seine Rosse werden eben vorher durch Sprüche geweiht.
Ts, Ind+Studz ro, 33
Weser: Über den väjapeya. 789
festigt werden, die eine mit einem Spruche angeschlagen, der ent-
weder an Brihaspati oder an Indra gerichtet ist, Vs. 9, 11"; die anderen
Pauken werden ohne Spruch angeschlagen.
9, 11°. Brihaspati! ersiege den Kraftlauf (vdjam)! Lassel eure Stimme
‚für Brihaspati erschallen, helft dem Brihaspati zum Siege! — ". Indra!
Be für Indra ... „dem. Indra.
Zur Abmessung der Rennbahn schiesst hierauf ein kshatriya'
ı7 Pfeilschüsse ab, den ersten (nördlich) von der tirtha genannten
Passage, d. i. dem Zwischenraum zwischen eätväla und utkara”. Wo
der erste Pfeil hinfällt, von da aus wird der zweite geschossen, und
so fort. Da, wo der letzte Pfeil hinfällt, wird ein udumbara-Zweig
als Ziel für das nunmehr folgende Wettfahren eingerammt. Der
Opfernde besteigt mit Vs. 9,3" den zuerst, unter Spruchreeitation, an-
geschirrten Wagen, und mit ihm steigt auch noch ein Diener oder
Schüler des adhvaryu hinauf, um zur rechten Zeit den Opfernden zur
Reecitation seines Spruches (Vs. 9, ı3’?) zu veranlassen. Auf einem der
anderen 16 Wagen nimmt (neben dem Fahrer) ein räjanya oder vaicya’
Platz, um zu gegebener Zeit die surä-Becher entgegenzunehmen.
9,13%. Mit Verlaub des göttlichen Savitar, dessen Befehl wahrhaftig
ist, will ich des Brihaspati, des Kraft Ersiegenden, Kraftlauf ersiegen'.
Das Wettfahren geht nun mit Schnelligkeit vor sich. Der mit auf-
gestiegene Diener oder Schüler des adhvaryu veranlasst den Opfernden
behufs Anfeuerung der Rosse den Spruch 9,13” zu reeitiren.
9,13°. o Rosse! im Kraftlauf siegende! (vdjino vdjajitah) die Wege
‚feststampfend, die Wegstrecken durchmessend, gehet zum Ziele!
Der brahman singt (mittlerweile, auf dem Rade sitzend) dreimal
ein saman (das väjinän säma, s. im Verlauf), der adhvaryu lässt die
Pauken schlagen und opfert entweder Oblationen mit Vs. 9, 14. 15. oder
er spricht damit die laufenden Rosse an. Ebenso mit den drei fol-
genden Versen (Vs. 9, 16-18).
9,14°. Dies Ross (vdji) hier beflügelt die Peitsche, am Halse ge-
ab =
! so bei Käty.; während im Cat. br. auch hier (5, ı, 5, 13) wie an den anderen
Stellen vielmehr das ältere Wort: räjanya gebraucht ist; der räjanya steht dem
Prajäpati (den man durch den väjapeya ersiegen will) am nächsten, weil er auch
über Viele herrscht, und — weil beide Wörter »viersilbig« sind (!eine immerhin für
die damalige Aussprache des Halbvocales in rdjanya als °nia, oder °niya, interessante
Angabe, die sich ja z. B. auch in Bezug auf die Aussprache von: tvac |[tuvac], satyam
[satiyam] ete. ähnlich vorfindet).
Es Baby. 1,544 Katy 5,52.
® ist dies ein Rest aus der Zeit, wo auch die vaicya das Opfer begehen konnte?
* brihaspater väjajito vajam jesham; hier fehlt der Parallelspruch für den
kshatriya, resp. Indra s. p. 788 not.*.
° Riks. 4, 40, 4 Vämadeva; nach Mahidhara freilich, nebst 9, 15, von Dadhikrävan
selbst »gesehen« (!)
m a 3 = ® 2 n .
90 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
zäumt, am Bug und am Maule. Es stürmt der Energie des Dadhikrad'
nach, schäumt hinter den Krümmungen der Wege drein.
9,15°. Hinter diesem Laufenden, Stürmenden, Eilenden weht es (der
Schwanz) drein, wie die (Schwanz-) Federn eines Vogels, rings um die
Weichen des mit Eifer dahinstürmenden Dadhikrdvan, wie eines vorwärts
dringenden Falken.
9,16%. Heilbringend mögen uns sein die Rosse (vdjinah) be den
Zurufen (in der Schlacht und) bei der Götterfeier, sehr feurig, die ab-
gemessene Bahn laufend. Zermalmend die Schlange, den Wolf, die rak-
shas’, mögen sie völlig’ fern von uns halten die Krankheiten (!jedwedes
Ungemach).
9,17°. Alle diese auf den Zuruf hörenden, raschen (arvantah), die
Bahn laufenden Rosse (väjinah) sollen auf unsern Zuruf hören! Tausend
gewinnend, bei der Saftspende (?medhasätd) zu Gewinn führend, sie, die
(schon) grossen Gewinn in den Schlachten gebracht haben.
9,18°. Bei jedem Kraftlaufe (?vdje-vdje) helfet uns, o ihr Rosse
(vdjinah) ! bei dem Beute(gewinnen), o ihr unsterblichen, die (heilige)
Ordnung kennenden Sänger’! Trinket von diesem Meth”, berauschet Buch.
Befriedigt gehet dahin auf den von den Göttern betretenen Pfaden.
Der Opfernde trägt den Sieg über die anderen ı6 Wagen davon.
Alle kehren zurück, indem sie den udumbara-Zweig zur Rechten
lassen. Nach ihrer Rückkehr steigt der brahman von dem Rade
herunter, mit Vs. 9,10“, und der adhvaryu nimmt mit 9,12”, die erste
mit 9, 11°” angeschlagene Pauke herunter; ohne Spruch die übrigen 16.
9,10°. Mit Verlaub des göttlichen Savitar, dessen Befehl wahrhaftig
ist, habe ich den höchsten Himmel des Brihaspati_erstiegen. — *.... des
Indra erstiegen.
ı ?Dadhikrä ist entweder Apokope für Dadhikrävnah (s. v.15), oder ist etwa
statt dessen direet der Genitiv: Dadhikro zu lesen?
2 Rıks..4, 40; 3.
® Riks. 7, 38, 7 Cyäväcva; nach Mahädhara: Vasishtha (!).
* rakshänsi; ich leite dies Wort von einem Desiderativ der yYranh (langh, ragh)
ab, eigentlich: impetuosus. 2sanemi}s..9g,'25.
° Riks. 10, 64, 6, Gaya Pläta; nach Mahidhara: Näbhänedishtha (!).
” Riks. 7, 30, 3 Gyäväcva; nach Mahidhara: Vasishtha(!).
® ?als ob ihr solche Sänger wäret!
° wie madhu (mathu) unser Met ist, eig. wohl: Mischtrank (ymath; Honig mit
Wasser? der Begriff der Süssigkeit wäre dann erst secundär dem Worte zugesellt),
so liegt die Versuchung nahe, soma (ysu, auspressen) mit unserem: Seim (Honig-)
zu identifieiren; freilich widerspricht der ö-Vocal dieses Wortes; oder sollte hier etwa
der umgekehrte Fall von: siman, simä, Saum (Naht) vorliegen? d. i. wie in diesen
Wörtern die Wurzel sü »nähen« in der Doppelform si und sü factisch vorliegt, so
auch in soma, Seim die Wurzel su »auspressen« ebenfalls in der Doppelform su
und si (cf. das daraus etwa weiter entwickelte: sie, seihen) anzunehmen sein?
1° vergl. die dextratio der Römer.
Weser: Über den väjapeya. 791
9,12. Dieser euer Zusammenschall war wahrhaftig, durch welchen
ihr den BDrihaspati den Kraftlauf (vdjam) ersiegen machtet, machtet_er-
siegen den Kraftlauf (vdjam) den Brihaspati. Hölzer‘! ihr sollt (jetzt
wieder) frei sein! — . denulndra a2» dem Indra
Der Opfernde geht hierauf, von seinem Wagen abgestiegen, auf
den für Brihaspati bestimmten Reissmuss-Topf zu, berührt ihn mit
9,19*, lässt ihn mit 9,19’ durch die unter Reeitation von Sprüchen
angeschirrten Rosse, die seinen Wagen gezogen haben, beschnopern,
schirrt sodann auch das vierte Ross an, und giebt den nunmehr mit
vier Rossen bespannten Wagen dem adhvaryu. Ebenso die übrigen
ı6 Wagen Allen (den übrigen ritvij).
9,19. Heran zu mir soll die Verleihung der Kraft väjasya prasavah
kommen”! heran zu mir diese Beiden, Himmel und Erde; heran zu mir
mögen kommen Vater und Mutter”, heran zu mir komme Soma mit Un-
sterblichkeit. — °. O ihr Kraft ersiegenden Rosse, den Kraftlauf ge-
laufen seiend‘, beschnopert hier den Antheil des Brihaspati, lustrirend”!
Hiermit ist das Wettfahren beendet, dessen Aufnahme in das
heilige Opferritual Seitens der Priester wohl eben einfach darum geschah,
um durch einen volksthümlich so beliebten Zug diesem selbst Po-
pularität zu verschaffen. Durch Adoption und Adaptation der Volks-
sitte gelang es im Verlauf, dabei den volksthümlichen Gott Indra, den
Gott der Krieger, wenn auch nicht gleich ganz zu beseitigen, so doch
zunächst neben ihm den Brihaspati einzuschieben, und dann schliess-
lieh Diesen wirklich an die Stelle Jenes zu setzen, so dass nunmehr
der für Brihaspati bestimmte caru in den Vordergrund trat (neben
ihm wird keiner dergl. für Indra genannt). Die speculative Begrün-
dung der. Sitte in den brähmana-Texten konnte allerdings (cf. die
Legende im Eingang) den Indra nicht ganz verdrängen, da er in den
Sprüchen neben Brihaspati seine feste Stelle hatte. — Freilich, auf-
' eigentlich: Bäume, vanaspatayah; das totum proparte ist im Veda sehr häufig.
” jagamıyät, ein alterthümlicher Potential des Perfects, die stärkste Form der
Bitte, da die Erfüllung derselben durch die Perfectform als eben bereits erfolgt
hingestellt wird. Ganz analog der Gruss mit den possessiven Adjectiven: äyushmant,
bhagavant, die dem Angesprochenen als bereits im Besitze dessen, was man ihm
wünscht, vorführen.
® ist mit dieser alterthümlichen Formel: pitara mätarä ca nochmals: Himmel
und Erde gemeint? oder das wirkliche Elternpaar des Opfernden, das ihm auch
seinen Segen spenden soll? Das wäre ein hochpatriarchalischer Zug! Bei der Lesart
der Känva-Schule: a mä gantam pitarä mätarä yuvam ist dies in der That sö der
Fall, da darin die beiden Eltern in zweiter Person angerufen sind (während Himmel
und Erde vorher, wie im Mäadhyandina-Text, in dritter Person angesprochen werden).
In Ts. und in Kath. liegt die Mädhyandina Lesart vor, Maitr. hat den Plural: pi-
taro vievarüpah.
* väjino väjajito vajam sasrivansah.
° nimrijanah, nämlich wohl: den Opfernden von jeder Sünde reinigend
7932 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
fällig ist es andererseits immer, ist wohl eben ein Zeichen für die
Stärke der alten Volkssitte, dass überhaupt die Alternative gestattet
wurde, dass auch ein brähmana ein solches, rein weltliches Wett-
fahren, ebensogut wie ein räjanya, mitmachen durfte, und dass das Be-
gehen des väjapeya nicht ausschliesslich dem Letzteren zugewiesen ward.
Der adhvaryu und der Opfernde geben nunmehr den madhu-
graha dem auf dem nördlichen Schenkel der vedi dasitzenden Em-
pfänger der surägraha, sei es ein räjanya oder ein vaicya, der
zu letzterem Behufe mitgefahren ist, in die Hand'!. Der neshtar aber,
der die surä-Becher durch die hintere Thür (des havirdhäna-Schuppens)
hinaus, hinter die cälä, geschafft hat, bietet ihm mit den Worten:
» hiermit kaufe ich ihn dir ab« erst einen der surä-Becher, dann die
übrigen 16 an, und nimmt dafür den madhugraha wieder an sich,
welchen der adhvaryu sodann, sammt dem dazu gehörigen Becher,
dem brahman übergiebt, der damit nach Belieben verfährt, ihn weiter-
giebt, oder anderswohin thut, oder trinkt.
Auch dies ist ein entschieden alterthümlicher Zug. Der madhu-
graha ist wohl zu heilig, nach der Ansicht des brähmanischen Rituals,
um ihn von einem räjanya oder vaicya verschmausen zu lassen. Aber
es war das Methtrinken beim Wettfahren wohl eben ein alter Brauch
und daher auch eine alte Sitte, dass ein Theilnehmer daran ihn
bei dieser Gelegenheit hier erhielt. Dies musste daher beibehalten
werden, aber durch die Substitution der als Lösegeld dafür dienenden
17 surä-Becher” wurde es losgekauft. Dies erklärt denn zugleich die
Hineinnahme dieser 17 surä-Becher in das heilige Ritual.
Von nun an kommen wir in das eigentlich Sacrale hinein.
a—m
Der adhvaryu opfert zunächst mit 9, 20 zwölf sruva-Libationen,
äpti genannt, Spruch für Spruch, oder er lässt diese zwölf Sprüche
durch den Opfernden reeitiren. Ebenso verfährt er mit noch sechs wei-
teren dgl. Libationen resp. Sprüchen, Namens klipti, mit Vs. 9, 21°“.
9, 20°. dem Freunde (dpaye) Svdhä (benedictio!); — °. dem guten
Freunde Sv.; — °. dem Zuwachsenden Sv.; — “. dem Muth (? kratave)
Sv.; — °. dem Guten Sy.; — ”. dem Herrn der Tage Sv.; — °. dem
verstörten Tage Sv.; — *. dem verstörten, zum Vergehen sich Neigenden
(? vainangindya) So.; — '. dem Vergehenden, am letzten Ende Befindlichen
(vinancina Ääntydyandya) Sv.; *, dem am Ende Seienden, zur Welt Ge-
! pänav ädhattah Cat. 5, 1, 5, 28.
?2 die surägraha sind auch wohl schon dadurch als seeundäre Zuthat mar-
kirt, dass die dazu gehörigen Sprüche (Vs. 9, 44°) in Ts. fehlen, sich erst in Tbr. ı,
3, 3. 6 finden, wo sie dann überhaupt mit ihrem Ritual sehr eingehend behandelt
werden (die surä entspricht der jäyä des Opfernden, er selbst dem soma). — Auch
in Maitr. und Käth. stehen die betreffenden Sprüche nicht gleich vorn bei den soma-
graha (wie in Vs. 9,44%), sondern erst an einer späteren Stelle.
WEBER: Über den väjapeya. ns
hörigen (antydya bhauvandya) Sv.; — '. dem Herrn der Welt (bhuvanasya)
Sv.; — ”. dem Oberherrn (adhipataye) Sv.
9, 21°. Lebenszeit (dyus) werde (mir) durch das Opfer zu Theil
(kalpatdm); — °. Odem ...5; — °. Auge ...5 — °. Ohr ..; —
°. Rücken (prihtham)' ...; — !. Opfer
Dem Gatap. br. zufolge (5, 2, ı, 2.4) sind diese, offenbar zur
lustrirenden Weihung des Opfernden für die sich danach anschliessende
hochbedeutsame Ceremonie dienenden Sprüche an die zwölf Monate
und die sechs Jahreszeiten gerichtet und dazu bestimmt, den Opfernden
symbolisch in den Besitz der Macht über dieselben zu setzen. Die
innere Beziehung der 6 klipti-Sprüche zu den 6 Jahreszeiten ist ja
freilich eine völlig räthselhafte?, dagegen lassen sich die 12 äpti-Sprüche
in der#That ganz leidlich auf die ı2 Monate beziehen, cf. Naksh. 2, 349.
350 (1862), obschon man den Bogen dabei nicht gerade zu straff
spannen darf”. Die anderen Yajus-Texte zeigen die Namen in etwas
verschiedener Gestalt, und zwar in derjenigen, welche in der Väj. S.
(22, 32) unter den acvamedha-Sprüchen sich vorfindet, mit mannig-
fachen Varianten freilich. Die wichtigste derselben ist jedenfalls die,
dass im Käth. 14, ı" u. 8 und Maitr. ı, ıı, 3.8° auch noch ein drei-
zehnter Name, für den Schaltmonat nämlich hinzutritt, wie dies auch
noch bei einer zweiten derartigen Aufzählung (s. Naksh. 2, 350) der
Fall ist. Dieser Umstand tritt für die Richtigkeit der Beziehung
der Sprüche auf die Monate als entscheidend ein®. Del. symbo-
! d.i. Rückgrat, Stetigkeit? oder nach Mahidh. von Yprach, rathamtaradikam.
? in Käth. 14, ı Maitr. 1,11, 3 stehen die klipti-Sprüche vor den äpti-Sprüchen,
und es sind ihrer 10. Beide Spruchgruppen stehen im Übrigen daselbst erst nach
der Aufforderung des Opfernden an seine Gattin, mit ihm den Himmel zu ersteigen.
® den Beginn scheint das Wintersolstiz zu machen. Der erste Monat, in
dem die Tage schon wieder freundlich zunehmen, wird: Freund, der zweite: Gut-
freund genannt, der dritte: Zuwachs, der vierte etwa: Fortschritt, der fünfte: gut,
der sechste mit dem längsten Tage: »Herr der Tage«. Die Namen der folgenden
Monate beziehen sich event. auf das Abnehmen des Tages, der als verwirrt »verstört«
und »im Vergehen begriffen« bezeichnet wird. Dies findet indessen nur in den
Namen 7-10 Ausdruck, während die beiden letzten Namen, die doch gerade hierin
am stärksten sein sollten, da sie bis zum kürzesten Tag führen, dazu nicht
stimmen, vielmehr nur die Kraft und Gewalt der betreffenden Monate markiren.
* die betreffende Stelle findet sich zufällig, ausser in unserem Berliner Mspt.
des Käthaka, auch als Citat in einem Planeten - Opfer - Manuale wieder (Ms. or. fol. 906),
s. mein Verz. Berl. S. H. 2, 102 (bei Jupiter).
° trayodacai 'tä ähutayas, trayodaca mäsäh samvatsarah Käth. u. Maitr.
% allem Anschein nach wird auf den dreizehnten Monat, den Schaltmonat,
schon in der Riks. ı, 25,8 (veda mäso dhritavrato dvädaca prajavatah, vedä ya
upa-jäyate (Lied des Cunahgepa Äjigarti) hingewiesen; er ist das Kennzeichen des
fünfjährigen yuga und repraesentirt die einfachste Concordanz zwischen dem
bürgerlichen, 360tägigen Jahre mit seinen zwölf zotägigen Monaten und dem facti-
schen Sonnenjahr mit seinen 366 (resp. 3653/,) Tagen. Denn fünf dgl. Jahre er-
794 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
lische Monatsnamen finden sich im Ritual auch noch anderweit vor
(s. Naksh. 2).
Der neshtar lässt nunmehr die Gattin des Opfernden, nachdem
er sie herbeigeführt hat, ein aus Gräsern geflochtenes Kleid'!, oder
einen feinen kurzen Unterrock’, unterhalb des Festkleides® anthun,
und legt sodann links oder rechts, von dem Pfosten für die Opfer-
thiere eine Leiter an, mittelst welcher der Opfernde denselben besteigen
soll. Bevor dies geschieht aber, redet der Opfernde die Gattin mit
den Worten’ an: » Komm! Weib! wir wollen Beide zum Himmel steigen !«,
worauf sie antwortet’: »wir wollen Beide (hinauf) »steigen«.
geben eben einen neuen 3otägigen Monat, den Schaltmonat. — Sollte nicht auch das
römische fünfjährige Lustrum ursprünglich diesen selben Charakter haben, wie das
vedische yugam? — Zur Ausgleichung des 354tägigen Mondjahres mit dem Sonnen-
Jahre innerhalb des fünfjährigen yuga dient ein vierzehnter Monat, s. Naksh. 2,
336. 337.
! kaugam väsah; kugamayam Schol.; die Gräser sind opferrein (medhya) und
lustriren das, was am Weibe unrein ist (Cat. 5, 2, 1, 8). — Sollte nicht aber das Anlegen
eines Unterkleides hier ursprünglich nur der Decenz wegen, um beim Besteigen des
Pfostens jede Entblössung zu verhüten, geschehen sein? Die Anwort der Gattin: rohäva,
wir Beide wollen (ihn) ersteigen, zeigt doch deutlich, dass sie eben ursprünglich auch
mit hinaufstieg. Und wenn das Ritual dies nicht direet erwähnt, auch in den wei-
teren Sprüchen 9, 2ı8bi stets nur der Plural (majestatis!), nicht der Dual, gebraucht
ist, so scheint mir dies doch gegen die sonst ganz nutzlose Aufforderung an die
Gattin und gegen ihre Antwort (beide im Dual!) nicht aufzukommen. In Ts. heisst
es freilich nach der Antwort der Gattin: rohäva hi suvah ganz ausdrücklich: aham nav
ubhayoh suvo rokshyämi: d.i. doch wohl, »ich will für uns Beide den Himmel
ersteigen«, indessen dies constatirt eben wohl auch nur die secundäre Praxis.
” kaugam va candätakam @atap., camdätakam daharam vä Käty. 14, 5, 3; Schol.
zu Räty.: camdätakam calanakam, »ardhorukam viläsinya väsag candatakam viduh«
(vergl. Amara 2,6,119); daharam tu kaupinam »Lendenschurz«; ebenso das zweite
Schol. ibid.: ecandäatakam jaghanamätraprachädanärtham cälanakam; — cf. auch cala-
nika »seidene Fransen« Pet. W.
° antaram dikshitavasanäat Qatap. Käty.; zum dikshitavasana s. Ind. Stud. 10,359
Catap. 3,1, 2,18 fg.
* Anrede und Antwort finden sich nicht in Vs., deren Verfasser diese gute
alte Sitte somit nicht mehr beliebt zu haben scheint, wohl aber in den älteren Yajus-
Texten, so wie auch im (at. br. (5, 2,1, 10), dessen Autor sich, bei seiner detaillirten
Darstellung des Rituals, derselben wohl nicht entschlagen konnte, da sie eben darin zu
fest wurzelte. Dem entspricht es auch, was das Cat. br. von dem Verhältniss der beiden
Gatten berichtet. Die Gattin ist geradezu die Hälfte des Opfernden, ohne sie ist er
nicht vollständig (asarvah), weil er erst durch sie: prajäyate Nachkommenschaft er-
langt, und dadurch: vollständig, »ganz« wird (sarvo bhavati). — Der Accent der Anrede-
formel ist im Qatap. und in Ts. so gesetzt, dass man svo, resp. suvo, zu ehi ziehen muss,
mit rohäva einen neuen Satz beginnt. S. hierzu Ind. Stud. 13, 71.72. Pänini hat für solche
Fälle eine eigene Regel (8, ı, 52). Im Käth. und in Maitr. steht ehi erst hinter (cf. Schol.
zu Pän.l.c.) svo rohava; die Antwort der Gattin ist resp. im Käth. ein viermaliges (in
Maitr. nur ein einmaliges): svo rohäva und auch in Ts. steht suvar in der Antwort der
Gattin in Verbindung mit rohäva. — Beachtenswerth ist im Übrigen die irreguläre Ver-
wandlung des: ar von suvar in: o, eigentlich sollten wir suvä lesen, cf. Pän. 6, 3,109
värtt.7 und s. meine Abh. »über finabsas« in Kunn’s »Beiträge« 3, 3852 1 (1862).
WeßErR: Über den vajapeya. 79
Mit den Worten': 9,279. »wir sind Geschöpfe des Prajäpati geworden «,
steigt er hinauf. Oben angelangt, fasst er den aus Weizenmehl ge-
fertigten Radkranz an, mit den Worten:
9,21". »wir sind zum Himmel gelangt, ihr Götter !«, und mit:
9,21‘. »wir sind unsterblich geworden«, hebt er sich mit dem Kopf
über den Opferpfosten hinaus. Mit:
9,22. »bei uns sei eure Sinneskraft, bei uns Manneskraft und Energie.
Bei uns mögen eure Thatkräfte” sein«, blickt er hierauf nach allen Himmels-
richtungen hin.
Seine Leute vicah d. i. Söhne ete. (Schol.) werfen nunmehr 17 in
acvattha-Blätter gehüllte, resp. daraus gefertigte Düten, die mit Salz-
erde gefüllt sind, zu ihm empor, und er schaut mit den Worten:
9,22”. Verneigung* der Mutter Erde, Verneigung der M. E. auf die Erde
hinunter, steigt sodann hinab und tritt auf ein mit einem Goldreif“
versehenes Bockfell’ oder auf den ebenso geschmückten Erdboden.
Hinter der uttaravedi bedeckt ein Gehilfe (des adhvaryu) einen
Sessel aus udumbara-Holz mit einem Bockfel!, mit:
a
9,23°. »dieser (Sessel hier) ist dein Reich”«; fasst den Opfernden
am Arm und lässt ihn sich draufsetzen, unter Reeitation von:
9,22%. du bist der bändigende Bändiger. Du bist der Feste, Haltende.
! in Ts. Maitr. sind die drei Sprüche 2ı8bi anders gruppirt, nämlich in der
Reihenfolge '%, auch in Käth. steht * voran, dann &.
? varcänsi; varcas leite ich von yvarj (zd. verez, egy, wirken) ab, ebenso wie
auch das zweite Wort varcas, stercus, von der zweiten Wurzel var) (vergere) »wenden,
beseitigen«, ebenfalls unter Verhärtung der Finalis, herstammt.
® namo mätre prithivyai; dies ist der in Indien den Göttern gegenüber übliche
demüthige Gruss, der aber noch schon der ärisden-Periode angehört, da ihn auch die
Iranier haben. Er liegt bei ihnen theils im Avesta vor, sowie auch in dem npers.
Br namäz, »adoration, worship«, theils auch, was die classischen Philologen freilich
bisher nicht anerkannt haben, in dem oceidentalischen Mithra Cult der Mager, da sich
das entsprechende Wort NAMA dreimal auf Mithra-cultischen Inschriften vorfindet; ein-
mal (ich verdanke diese Angaben Th. Monusen) allein, s. Corpus Inscript. Lat.6, 731
p-130, einmal in Verbindung mit dem Dativ: CUNCTIS, ib. 14, 3567 (Tibur.) p. 379
und zweimal in Verbindung mit dem Dativ: SEBESIO, ib. 6, 719 (Rom.) p. 128. 14,
3566 (Tibur.) p.379; s. hiezu F. Lasarv’s eingehende Bemerkungen in seinen: Re-
cherches sur le culte de Mithra pag. 566-67. 678-79 (pl.75). — Hier soll, nach
Catap. 5, 2,1,12, der demüthige Spruch der Erde die Furcht vor dem gewaltigen
Wesen benehmen, zu dem der Opfernde durch den nun ‚folgenden abhisheka wird,
wie es Brihaspati »damals« geworden war.
* Gold ist das Symbol unsterblichen Lebens Cat. 5, 2, 1, 20.
° basto mushkarah sändag chägah Käty schol.
6 wenn schon dieser Ausdruck: iyam te rät (Mahidhara bezieht freilich das: te
auf den Sessel!) sehr wenig für einen brähmana als väjapeya-Opferer passt, so ist dies
noch in viel höherem Grade mit den Worten der Fall, welche statt dessen in Ts. 1, 7, 9, 1
stehen (und zwar noch vor der Aufforderung an die Gattin zur Ersteigung des
Himmels): kshatrasyo ’lbam asi kshalasya yonir asi; das passt nur für einen
räjanya! In Käth. Maitr. fehlen diese Sprüche, ebenso wie Vs. 9, 22°.
Sitzungsberichte 1892. 70
796 Sitzunz der philosophisch - historischen Classe vom 28. Juli.
S 1 ji
— Zum Ackerbau‘ (lasse ich) dich (hier Platz nehmen), zum Heile dich,
zum Reichthum dich, zum Gedeihen dich.
Nach dieser solennen Einleitung, die den Opfernden bereits, wie
den Brihaspati und den Indra in der Legende im Eingang, zum Himmel
hinauf- und von da wieder zur Erde herniedergebracht hat, folgt der
eigentliche Kern der ganzen Feier, die Salbung der abhisheka.
Es wird zunächst mit dem caru für Brihaspati in üblicher Weise
verfahren. Vor der dazu gehörigen svishtakrit-Ceremonie aber wird in
ein Gefäss von udumbara-Holz Wasser mit Milch” gegossen, sowie
nach »Einigen« (Cat. 5, 2, 2, 3) siebzehn verschiedene Speisen (an-
näni). Oder vielmehr nicht 17, sondern so viele man irgend ersinnen
kann, unter Auslassung einer einzigen, die der Opfernde dann sein
Leben lang meiden muss”. — Aus diesem Zusammenguss, der den
Opfernden zum Herrn aller Speisen macht, opfert der adhvaryu zu-
nächst mit Vs.9, 23-29° sieben väjaprasaviya’ genannte Spenden.
9,23. Der Zeuger der Kraft” hat zu Anfang hier diesen soma gezeugt,
! dies passt weder für einen brähmana, noch auch eigentlich für einen kshatriya,
vielmehr nur für einen vaicya. Indessen, da der Ackerbau doch immerhin das Fun-
dament, zwar nicht des alt-vedischen Lebens, das vielmehr auf Viehzucht basirt,
wohl aber des späteren indischen Staatslebens, auch der Ritual-Zeit, ist, so mag
der Spruch, zumal in Gemeinschaft mit den folgenden drei, sich auch für einen ksha-
triya eignen; für einen brähmana dagegen eignet er sich auch in der Zeit sehr
wenig. — In den übrigen Texten fehlt hier übrigens der Ackerbau ganz, una auch
der Wortlaut der folgenden drei Sprüche variirt, schliesst sich resp. mehr an die
sonstige hier beim väjapeya übliche Ausdrucksweise an: annaya tva väjaya tva väja-
jityai tvä Käth., annäya tvä ’nnädyäaya tva v.t. v.t. Ts. (wo aber noch Andres vorher-
geht und folgt), annäya tva v. tvä väjajityäyatve ’she tvo’”rje tvä rayyai
tvä poshäya tvä, wo diese Worte vor Vs.9,22big stehen, mit welchen letzteren
Maitr.-Sprüchen in Maitr. die Einleitung zum abhisheka schliesst.
? und zwar ist die Milch von 7x6 Kühen (mit je einem Kalbe) zu nehmen, sap-
tanam shadvargänäm Schol. Käty.14,5,20.23; — zushadvarga, s. Schol. Käty. p. 308, 3.
® durch diese Entsagung vermeidet er es, Alles zu erschöpfen, und gewinnt
dadurch langes Leben, tathä na 'ntam eti tatha jyog jivati.
% in etwas anderer Reihenfolge in Ts., wo: 23. 25. 28. 29. 27. 26 sowiein Käth, wo:
23.25. 24.27.29. 28.26; und in Maitr., wo: 28. 29. 27. 26. 23-25 (unter Vertauschung
der zweiten Hemistiche von 23 und 24; zwischen 26 und 23 ist noch Vs. 33,86 — Riks.ıo,
14,14, mit Varianten, eingefügt). — Die drei ersten (in Maitr. resp. letzten) Verse
geben hier wohl den Ausschlag, machen resp. in ihrem Wortlaute einen ziemlich
seceundären Eindruck (ef. den Schluss von 23, imäm divam in 24, und die Varianten
in 25) und erscheinen gleichsam als das priesterliche Siegel, welches auf die alte
volksthümliche Handlung gedrückt wird (die Habgier der Brähmana tritt in 24 kräftig
hervor). Auch die vier folgenden Verse (26-29) finden sich zwar in der Riks., aber
in einem der spätesten Lieder. Die zweimalige Nennung des aryaman in 27.29
macht allerdings zunächst einen alterthümlichen Eindruck, die Nennung der väc.
devi jedoch (in 29; so alle Yajus- Texte, die Riks. liest anders!) führt direct in die
seeundäre vedische Periode hinab; ebenso die des brahman in 26, falls das Wort
daselbst nicht appellativisch zu fassen ist.
> »die Erzeugung der Kraft betreffend, cf. den Anfang der ersten drei Verse.
° väjasyäa 'nnasya prasavah.
Weser: Über den väjapeya. “97
den König unter den Pflanzen und den Wassern. Diese! mögen uns madhu-
reich sein! Mögen wir (durch ihre Kraft) über dem Reiche” wachen, als
Vorangestellte?. Svdhd!
9,21. Der Zeuger der Kraft ist hier in diesen Himmel“ eingegangen
und in alle diese Wesen hier, als samrd). Kundig veranlasst er den, der
nicht geben will, zum Geben. Er möge uns mit allen Mannen versehen,
Reichthum eindämmen (geben). Svdhd.
25. Der Zeuger der Kraft ist eingetreten in alle diese Wesen allseits,
umwandelt sie vollständig’ als König, kundig, Nachkommenschaft, Gedeihen
bei uns mehrend. Svdhäd.
26°: Den König Soma zu Hülfe', den Agni, fassen wir an’, die
Aditya, den Vishnu, den Sürya und den brahman” Brihaspati. Sodhd.
27°. Den Aryaman, den Brihaspati, den Indra treibe zum Geben an,
die Vde, den Vishnu'', die Sarasvati und Savitar, den Kräftigen'”. Svdhd.
28°. Agni! sprich hier zu uns heran"! sei wohlgesinnt gegen” uns!
Reiche uns dar, Tausend-Ersiegender'”! denn du bist Reichthum gebend“ Sv.
29°. Das reiche uns Aryaman, das Püshan, das Brihaspati. Die
göttliche Väe gebe uns. Sedhd.
Mit den Resten wird der Opfernde hierauf begossen, gesalbt mit:
30°. Mit des Gottes Savitar Verlaub, mit den beiden Armen der
beiden Acvin, mit den beiden Händen des Püshan, — °’. setze ich dich
> b)
die Wasser; hier natürlich die zur Salbung verwendeten dergl. Stoffe.
räshtre. ® purohitäh; dies passt eigentlich nür für einen brähmana.
imäm ...divam, secundär!
5 sanemi (s.9,16) räja; Ts. und Maitr. haben sa viräjam, Käth. sa virajä!
Riks. 10,141, 3 Vers (resp. Lied) des Agni Täpasa (Mahidhara hat bloss: Täpasa).
statt avase haben Ts. Käth. Maitr. varıunam.
statt anvärabhämahe hat Riks. girbhir havämahe.
mir scheint brahman hier nur: Beter, Priester, bloss als Epitheton zu
Brihaspati, nicht wirklich den Gott dieses Namens, zu bedeuten. Immerhin ist jedoch
Letzteres auch möglich (zumal Vishnu und Sürya vorhergehen).
10 Riks. 10,141, 5 (wie eben in n.3).
!! sie! vishnu zwischen vac und sarasvati!; so auch Ts.; dagegen Käth. u. Maitr.
haben: vishnum vacam, was denn freilich wohl eben secundäre Correctur ist.
12 väjınam. 13 Riks. 10,141,1 (wie eben in n.3).
achä, eig. wohl Instrum. von: aksha, Auge, also präkritische Schwächung; cf.
etwa lat. ecce?
14
’ pratyan Riks. (statt prati), ebenso Käth. Maitr. (Ts. hat prati wie Vs.).
1° Riks. vigaspate (statt sahasrajit), ebenso Käth. Maitr.; bhuvahpate Ts.
17
Riks.: dhanada asi nas tvam, statt: tvam hi dhanada asi; ebenso Ts. Käth.
Maitr.; im Käth. resp. pra no räsva, was wohl eine ältere Lesart, als die auch in
Riks. stehende: pra no yacha.
1% das erste Hemistich aus Riks. 10, 141,2, wo aber bhagah statt püshä; ebenso
Ts. Maitr.; — Käth. liest wie Vs. Das zweite Hemistich lautet in Riks. pra devah
pro ’ta sünrita, rayo devi dadätu nah || ebenso Ts. u. Maitr., nur im vierten päda:
pra väg wie Vs.; — Käth. ganz wie Vs.
70*
198 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
ein in die bändigende (Kraft) der Vde Sarusvati, der Bändigerin', salbe ich
dich mit dem sämrdäjya (der samrdj)- Würde) des Brihaspati, o du N. N.
Dieser Weihespruch ist von ganz besonderem Interesse, in seiner
vorliegenden Form nämlich seeundär. Die Väc Sarasvati zunächst
wird zwar auch in Ts. und Käth. festgehalten (in Maitr. fehlt der
Spruch); hier aber liegt im Gat. br. selbst (5, 2, 2, 14) eine Variante
vor, indem es berichtet, dass »Einige« statt: sarasvatyai väco” yan-
tur yantriye vielmehr: vieveshäm tvä devänaäm yantur (sie!) yantriye
recitirt haben wollten; lehnt dies jedoch ab. Und von einer zweiten
Variante giebt uns, sonderbar genug, sogar noch Käty. 14, 5,26 Kunde,
wonach nämlich’ Sarasvati allein, ohne Väc, hier genannt werden
sollte. Und zwar stellt Käty. beide Varianten als beliebig (vä) resp.
gleichberechtigt hin. Hieraus ergiebt sich denn wohl wenigstens
sö viel, dass die Stellung der Sarasvati Väc in diesem Spruche hier
noch keine feste war, dass vielmehr noch die Erinnerung daran be-
stand, dass der alte Weihespruch sie, die ja eben erst ein Erzeugniss
der seecundären vedischen Zeit ist, noch nicht kannte. Der masecu-
line Genetiv: yantur‘, der sich neben dem Femininum Sarasvatyai
Väco ebenso wie neben dem Plural: vicveshäm tvä devänäm(!) erhalten
hat, führt darauf hin, dass ihm ursprünglich der Name eines mas-
eulinen Gottes, also etwa des Indra?, voraufging. — Ganz Ähnliches
ergiebt sich nun aber auch für den zweiten Theil des Spruches in der
vorliegenden Form, in welcher nur von dem sämräjya des Brihas-
pati die Rede ist. In Ts. dagegen werden davör auch Agni und
Indra genannt: agnes tvä sämräjyenä '"bhishincämi 'ndrasya brihas-
pates tvä s. 'bhish. und im Käth. wird zum Wenigsten doch Indra
noch nach Brihaspati genannt”. So auch noch die Känva-Schule der
Vs. Die alleinige Nennung des Brihaspati in der Mädhyandina-
Schule der Vs. ist eben auf deren speciell in priesterlichem Sinne
gehaltene Überarbeitung des ganzen Stoffes zurückzuführen.
Nunmehr erfolgt die feierliche Proclamation des Opfernden
als samräj, durch die dreimalige Wiederholung der Worte: » hier dieser
N. N. ist samrdj”«. — Die Feier schliesst sodann mit den 17 Sieges-
! yantur in allen Texten, also eigentlich: des Bändigers.
Qat. br. hat resp. (und ebenso Kätyäy.) sarasvatyai tvä väco; dieses tvä liegt
aber in Vs. nicht vor, ist resp. aus 30% herüberzunehmen.
® die Formel lautet daselbst noch etwas voller und solenner als in Vs.: saras-
vatyai väco yantur yantrene 'mam amum ämushyäyanam amushyah putram brihas-
pates sämräjyenä "bhishineami 'ndrasya s. 'bhi sh. — Höchst wundersam ist die
von mir in meiner Ausgabe der Vs. p. 278 aus der Känva-Schule (aus dem Jatäapätlıa
derselben! Bodley-Wırson 364 fol. 94®) angeführte Lesart: yan türye tiüryam dadhämi.
* statt yantriye dadhami haben Ts. Käth.: yantrena.
° er meldet ihn dadurch den Göttern an: »er ist Einer von Euch geworden,
behüte ihn« Gat. 5, 2, 2,15; — in Vs. fehlt der Spruch.
Weser: Über den väjapeya. 239
sprüchen, ujjiti (Vs. 9, 31-34), sei es dass dieselben nur reeitirt werden,
oder zu jedem Spruche eine Libation geopfert wird (ganz wie oben
bei den ı2 äpti- und 6 klipti-Sprüchen):
31°. Agni ersiegte mit dem einsilbigen (Maass) den Odem , den möchte
ich ersiegen; — °. die beiden Agvin ersiegten mit dem zweisilbigen (Maass)
die zweifüssigen Menschen, die möchte ich ersiegen; — °. Vishnmu_ersiegte
mit dem dreisilbigen (Maass) die drei Welten, ...; — “. Soma_ersiegte
mit dem viersilbigen (Maass) die vierfüssigen Thiere, ....
32°. Püshan ersiegte mit dem fünfsilbigen (Maass) die fünf Himmels-
gegenden, ...; — °. Savitar ... sechssilbigen . . . sechs Jahreszeiten, . . .;
— °. die Winde ... siebensilbigen ... die sieben zahmen Thiere (grämydn
pagün), ...5 — ". Brihaspati ... achtsilbigen ... die gdyatri,
33°. Mitra ... neunsilbigen ... den trivrit stoma, ...; — °. Varuna
zehnsilbigen ... die virdj, ...; — *°. Indra ... elfsilbigen ... die tri-
shtubh, ...; — *. die Vigve Devdh ... zwölfsülbigen ... die jagati,
34°. die Vasu ... dreizehnsilbigen ... den trayodaga stoma, .. .;
die Rudra ... vierzehnsilbigen ... den caturdaga stoma, ...5; — °. die
Äditya ... fünfzehnsilbigen ... den pancadaga stoma, ...; — °. die Aditi ...
sechszehnsilbigen ... den shodaga stoma, ...; — *. Prajäpati ... siebzehn-
silbigen ... den sapladaga stoma, den möchte ich ersiegen.
Diese Aufzählung macht dadurch einen alterthümlichen Ein-
druck, dass sie, bis auf die allerdings secundären drei Göttergruppen
in 34”, keine systematisch geordnete ist. Auch die Verwendung
der uralten, indogermanischen Formel‘: dvipad, catushpad macht einen
guten Eindruck. Das Ganze freilich erscheint als ein sehr dürftiger
Abschluss für die mit soviel wirklichem Pathos durchzogene Feier.
Hieran schliesst sich dann die herkömmliche svishtakrit- Üeremonie
für den bärhaspatya caru, in dessen Ritual ja der abhisheka (s. S. 52)
nur als ein Intermezzo eingeschoben ist, unter Ausschluss der idä-
Spende. Nach der Verzehrung des eigenen Antheils am caru geht
die Schöpfung ete. des mähendra graha vor sich. Doch kann sich
derselbe auch gleich an die ujjiti-Sprüche anschliessen, so dass
svishtakrit und idä des caru erst hinterdrein folgen.
| Die siebzehn somagraha werden sodann unter die Becher der ritvij
vertheilt, so dass auf jeden der neun camasa zwei Becher kommen,
nur der camasa des neshtar erhält bloss einen dergl. — Zum Schluss
erhält der adhvaryu die siebzehn Umhüllungen des Opferpfostens.
Die goldenen Kränze behalten je die. welche einen getragen haben.
Recapituliren wir kurz den ganzen Verlauf.
' ef. dupursu peturpursus auf den Iguvinischen Tafeln. AurreEcHr- KırcaHor
Umbr. Sprachdenkm. 2, 199. 202 (1851).
800 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
Durch seinen Sieg bei dem mit feierliehem Pomp umkleideten
Wettfahren hat der Opfernde die Berechtigung erlangt, auf den
Opferpfosten, und von ihm aus gleichsam in den Himmel direet
hinein zu steigen und sich in die Reihe der Unsterblichen selbst
zu gesellen. So lustrirt wird er, auf einem Sessel, wie auf einem
Throne, sitzend, zum samrä)j gesalbt und als solcher proclamirt.
Und an diese Proclamation schliesst sich noch eine Art Siegesgesang an.
Vor der Besteigung des Opferpfostens schon war er mit Sprüchen
geweiht worden, die ihn symbolisch zum Herrn des Jahres (der
ı2 Monate und 6 ritu) machen und bei dem Sich-Niederlassen auf
dem Sessel wird ihm Gedeihen des Ackerbaus, des Hauswesens,
des Reiehthums zugesichert. Die zur Salbung gehörigen Weihesprüche
setzen ihn in den Besitz der bändigenden Kraft des in der Sarasvati
Väc verkörperten heiligen Wortes, unter specieller Betonung der
neuen Würde als einer Gabe des Brihaspati.
Wenn in diesen letzteren Umständen speciell ein priesterliches
Moment vorliegt, so ist dagegen in dem vorhergehenden Ceremoniell
und in dem besonderen Betonen des väja als des Hauptgegenstandes
der Feier, ein durchaus volksthümliches, oder so zu sagen ein
ritterliches Motiv enthalten. Das Wettfahren als integrirender Theil
einer sacralen Handlung ist geradezu überraschend. Dass ein Sieg
darin als Grundlage für eine noch über die Königswürde hinausgehende
Stellung erscheint, und dass auch die Gattin des Siegers mit heran-
gezogen wird, an seinem Triumph Theil zu nehmen, macht einen
durchaus volksthümlichen und alterthümlichen Eindruck.
Es muss in der That wohl in einer bestimmten Periode der
vedischen Entwickelung eine Phase gegeben haben, wo ein soleher
Sieg im Wettfahren als das einfachste, Ausschlag gebende Mittel
galt, um über die grössere oder geringere Tüchtigkeit eines Mannes
zu entscheiden. Auch die Vorrangstellung bei den Göttern wird in den
brähmanä-Legenden mehrfach durch einen solchen äji entschieden.
Dieses dem väjapeya allem Anschein nach ursprünglich zu Grunde
liegende volksthümliche Moment ist nun aber, nachdem einmal, eben
seiner Popularität wegen, seine Aufnahme in das sacrale Ritual, um dem-
selben einen Antheil an dieser Popularität zu verschaffen, erfolgt war,
allem Anschein nach im weiteren Verlaufe als ein denn doch unliebsames
empfunden worden, und wenn man auch die factischen Vorgänge nieht gut
hat ändern können, hat man dochan den dazu gehörigen Sprüchen seine
Lust gebüsst, und die alten Formen derselben möglichst brähmanisirt,
vor allen Dingen Indra, der ursprünglich wohl der eigentliche Gott
der Feier war, daraus nach Möglichkeit verdrängt, und durch die
priesterlichen Gestalten des Brihaspati und der Sarasvati Väc ersetzt.
Weser: Über den väjapeya. 801
Wenn die vorstehende Darstellung allerdings im Wesentlichen aus
den Texten des weissen Yajus geschöpft ist, die bis jetzt allein das
betreffende Material mit einer gewissen Vollständigkeit enthalten, so
bezieht sich dies doch nur auf das GCeremoniell selbst, über welches
in den anderen Yajus-Texten nur sporadische und kümmerliche An-
gaben vorliegen. Das Spruch-Material dagegen liegt auch in ihnen
vollständig vor, und gerade die Vergleichung der Varianten in dieser
Beziehung hat uns die verschiedenen wichtigen Daten geliefert, welche
zu der obigen Anschauung geführt haben.
Das so gewonnene Bild findet denn nun auch seine volle Bestätigung
durch das, was uns aus dem übrigen Veda an Angaben über den
väjapeya vorliegt. Allerdings wird in ihnen das Ritual des väj. über-
haupt nur gelegentlich gestreift, nämlich eigentlich nur insoweit, als es
sich in Texten des Rigveda um die Herstellung von castra handelt, die
beim väj. zur Anwendung kommen, und bei den Texten des Sämaveda,
um dergl. saman oder stoma. Indessen bei der hohen Bedeutung, die
nun einmal dem väjapeya, schon als einer anerkannten, besonderen
samsthä des soma-Opfers, zukommt, haben sich die sütra-Verfasser
beider Veda doch gemüssigt gefunden, auch einige allgemeine Angaben
darüber ihrer betreffende Darstellung vorauszuschieken. Und diese sind
denn für uns eben von hoher Bedeutung, da sie uns mehrfach in ein
früheres Stadium der rituellen Entwickelung, als selbst dasjenige ist,
welches uns in den älteren Yajus-Texten vorliegt, hinzuweisen scheinen.
Von ganz besonderem Belang in dieser Hinsicht ist die in der That
sogar ziemlich detaillirte Darstellung bei Qänkhäyana (cr. 15, 1,1-3,17).
Danach findet der väjapeya im Herbst statt, und ist bestimmt für
(Jeden), der Nahrungsfülle wünscht'!, (annädyakämasya). Der Name
wird (wie im Gatap. br.) erklärt durch: »Speise und Trank«. Und zwar
sind unter peya (peyäh) speciell die das ganze Jahr vorher ein-
nehmenden yajnakratu, vorbereitenden Feiern, zu verstehen; väja
ist die Feier selbst; denn das Trinken gehe dem Essen voran.” Für
diese Vorfeiern wird resp. eine doppelte Alternative angegeben. Ent-
weder (monatlich) zwölf agnishtoma, oder der caturuttarastoma des
Gotama abwechselnd mit einem einfachen (agnishtoma). Einige
wollen von diesen pariyajna überhaupt nichts wissen. Indra (! voran)
und Brihaspati haben durch dies Opfer Nahrungsfülle erlangt. Darum
opfere damit, wer Nahrungsfülle wünscht. Väja Laukya” erlangte
dadurch alle Wünsche. Darum opfere man mit dem väjapeya.
! der durch den väjapeya zu erreichende Wunsch ist auch für den ersten
sadyahkra maassgebend, s. Cankh. 14, 42, 5. 6.
? pänam vai peyäh, annam väjah; pänam vai pürvam athä’nnam.
> Repraesentant der »weltlichen Kraft«.
802 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
Es gehören dazu ı3 dikshä-Tage und drei upasad-Tage, der soma-
Pressungs-Tag (sutyä) ist der siebzehnte. Der väjapeya repraesentirt
nämlich den Prajäpati, der hierdurch als »Siebzehner«', erfreut
wird. — Der Opferpfosten ist viereckig, von Bilva-Holz, hat einen Rad-
kranz aus Weizenmehl und ist siebzehn aratni hoch. — Beim upa-
vasatha giebt es statt des sonst üblichen einen agnishomiya-Opferthieres
(Ziegenbockes) derer siebzehn, mit denen zugleich vorgegangen wird.
— Als kratupacu fungiren: ein ägneya (-Bock), ein aindrägna (Bock),
ein Schafbock für Indra, eine Schafmutter für Sarasvati und eine
scheckige Kuh für die siegreichen Marut (marudbhya ujjeshebhyah).
Dazu treten noch 17 dunkle (eyäva) hornlose, bärtige (Böcke) für Pra-
japati:. Es wird mit ihnen bis zu ihrem paryagnikarana gleichzeitig
mit den savaniya-Hostien vorgegangen. Sie werden unter Begleitung
mit einem brahmasäman »herangeholt« (geopfert). Die adhrigu-Litanei
wird bei jedem der 5 kratupacu wiederholt, ebenso die stoka-Verse.
Hieran schliessen sich dann die anderen dergl., auf die Obliegen-
heiten des hotar sich beziehenden, Details, unter wiederholtem Bezuge
auf die Identität des väjapeya mit Prajäpati, dem »Siebzehner«. Ein-
mal (3,1) wird dabei speciell auch auf das Paingyam verwiesen.
Von den charakteristischen Vorgängen des väjapeya, dem Wett-
fahren etc. ist nicht die Rede. Daher ist wohl auch kein Gewicht
därauf zu legen, dass der caru für Brihaspati fehlt. Einen Hinweis auf
das Ersteigen des Wagenrads durch den brahman, oder des Opfer-
pfostens durch den Opfernden, enthält indessen wohl die Gleichstellung
des väj. (2,26 fg.) mit dem vishuvant, Aequinoctium, weil es sich bei
Beiden um Steigen handele: roho vai vishuvän, roho väjapeyah.
Nur am Schlusse (3, 12-17) finden sich noch einige allgemeine An-
gaben, über die zu gebende dakshinä nämlich: »Siebzehn Hunderte
von Kühen giebt er, — siebzehn (Hunderte?) von Kleidern, — siebzehn
angeschirrte Wagen, Streitwagen, Elephanten, Goldschmucke, Pauken,
— dies sind sieben Siebzehnheiten, — das ist ein äptaväjapeya’, —
von Jeder Art (vayaso-vayasah) je siebzehn, das ist ein Kuruväjapeya«.
Nach dem Schol. soll es sich bei: vayaso-vayasah um die fünf
Lebensstufen der Kühe handeln, so dass hiernach nicht bloss ı 700 Kühe,
sondern 5X1700 zur Vertheilung kommen würden. Also eine Ver-
grösserung der ohnehin schon grossen Zahl noch um das Fünffache!
In Wahrheit aber handelt es sich vielmehr gerade umgekehrt um
eine Abschwächung. Bei dem Kuruväjapeya sind nicht: siebzehn
Hunderte von Kühen etec., sondern: von jeder der sieben aufge-
! der Schol. bezieht dies auf die: 5 buddhindriya, 5 karmendriya, 5 vishaya, das
ımanas (16) und den purusha Prajäpati selbst (17).
® wohl: ein vollendeter, regulärer väjapeya.
Weser: Über den väjapeya. 803
führten Species (Kühe, Kleider ete.) nur je 17 Stücke zu geben, (ef.
Käty.ı4, 2, 32 jäter jäteh, Läty 8, rı, 16 ekaikasya jätasya).
In dem Vorstehenden erscheint Manches entschieden als alter-
thümlicher als in den Yajus- Texten. Den Termin der Festfeier im
Herbst hat ja auch Kätyäyana noch erhalten. Von dem samrä) aber
ist gar nicht die Rede: das Opfer ist hier vielmehr für Jeden bestimmt,
der Nahrungsfülle wünscht (annädyakäma). Der Väja Laukya,
der »alle Wünsche« dadurch erreichte, weist durch seinen Namen auf
den ursprünglich rein weltlichen Charakter der Feier hin. Auch
wird hier Indra, nicht Brihaspati, als der eigentliche Träger der Hand-
lung angegeben; Brihaspati tritt erst in zweiter Linie hinzu; dass
der bärhaspatya caru gar nicht genannt wird, kann, wie schon be-
merkt, event. nur auf der Kürze der hiesigen Angaben beruhen, ist
nicht direet als Beweismittel geltend zu machen. Von besonderem
Werthe aber sind die Angaben über den Kuruväjapeya. Der geringe
Opferlohn, der bei dieser Form des väjapeya gegeben wird, scheint
mir eine ältere Stufe zu repraesentiren. Je später, je maassloser
werden diese Ansprüche; die falsche Interpretation des Schol. für:
vayaso-vayasalı beruht auf dieser immer steigenden priesterlichen Hab-
sucht. Vor Allem aber ist hierbei die Heranziehung der Kuru selbst
von der grössten Wichtigkeit. Der Schol. zu Läty., s. im Verlauf, sucht
zwar das Wort: kuruväjapeya nach Art von: kuväjapeya zu erklären,
weil dabei eben geringerer Opferlohn gegeben werde. Dies ist indessen
selbstverständlich gänzlich verfehlt. Der Name der Kuru führt uns
vielmehr in die älteste vedische Zeit zurück. Zwar liegt das Wort
in der Riks. nicht selbständig vor, indessen die Composita: Kurumga
(Turvaceshu!) 8,4,19' und Kurucravana (Träsadasyava) 10,32,9. ER
sowie die traditionelle Bezeichnung des Kurusuti Känva als Verf.
von Riks. 8, 65-67, im Verein mit der hohen Stellung, welche die
Kuru in den brähmana- und sütra-Texten einnehmen’, geben dem
Namen Kuruväjapeya einen sehr alterthümlichen Hintergrund. Reicht
derselbe doch sogar direet auch in die ärische Periode zurück, wie der
Cyrus der alten Geschichte, der Kuru der altpers. Keilschriften, bezeugt.
Die Bezeichnung des Prajäpati, als des »Siebzehners«, resp. als
mit dem väjapeya identisch, weil nämlich Beide gleich reichen Segen
spenden, und die Erklärung von väja und peya durch Speise und
Trank bilden eine direete Brücke zum Yajus-Ritual.
' Lied des Devätithi Känva.
? Lieder des Kavasha Ailüsha.
® cf. besonders auch die Stellung der uttara-Kuru (neben den uttara-Madra) im
Aitar. br.; das Kurukshetram, die Kurupancäla und die Kuru-Srinjaya etc. gehören
einer schon mehr seceundären, zum Epos hinüberführenden Stufe an.
804 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
Ob die Auswahl der Verse für die einzelnen castra des väjapeya
irgend welchen Schluss auf den ursprünglichen Charakter der Feier er-
möglicht, ist zur Zeit noch, und vielleicht überhaupt, nicht zu ermessen.
Von ganz besonderem Werthe für die höhere Alterthümlichkeit
der Angaben Qänkhäyana’s über den väjapeya, denen der Yajus- Texte
gegenüber, ist nun aber die zweite Stelle, in der er desselben spe-
ciell gedenkt (16, 17, 1fg.). Der väjapeya wird nämlich daselbst (16,
15,11) als samsthä für den sechsten Tag des sarvamedha ver-
wendet', und dabei finden sich denn folgende, bei der eigentlichen
Darstellung des väjapeya in ı5, ı-3 nicht erwähnte Details angeführt:
ı. Der brahman besteigt ein Wagenrad von udumbara-Holz mit
den Worten: »Mit des vdja (!)” Savitar Verlaub, dessen Befehl wahr-
haftig ist, möchte ich den höchsten ndäka des Brihaspati ersteigen«; —
3. »der Maruts,
2. »des Indra«, wenn der Opfernde ein kshatriya ist;
wenn er ein vaicya ist; — 4. auf diesem (in einem aufgepflanzten
Pfosten) eingebohrten® Wagenrade sitzend, singt er, unaufgefordert,
dreimal ein saman: — 5. oder er kann es auch dreimal nur murmeln;
— 6. und (zwar)': »Sichtbar, ihr Leute?! gelangten zur Kraftthat die
Rosse (d vdjam vdjino agman). Mit Verlaub des Gottes Savitar ersieget,
o ihr Rosse! den Himmel«; — 7. mit demselben Spruche steigt er
U nach Käty. 21, 2,10 (s.4) kann derselbe auch nach Weise des purushamedha
begangen werden.
® statt: väjasya, was hier gar nicht her passt, verwartet man: devasya, wie dies
die solenne Formel in den Yajıs- Texten (s. auch unten bei Lätyayana, sowie auch hier
in 6) ist; — väjasya ist hier wohl nur eine so zu sagen durch den »genius loci«
inspirirte falsche Variante.
® aviddhe näbhidaghnaviddhe, uddhrite.
* ca ist hier eben wohl sö zu übersetzen: und (zwar lautet dasselbe);
denn darüber dass der folgende Vers wirklich das vajinam sama repraesentirt, kann
allein schon nach den Zeugnissen des Äcval. und des Läty., s. im Verlauf, kein Zweifel
sein. Mädhava zu Panc. 18,7, ı2 eitirt dafür zudem den: ärscheyakalpa wie folgt:
väjinam cai "va sama "dityänäm ca pavitram: ävir marya iti.
°>d.i. wohl »vor Euren Augen ihr Leute«; — Mit ävir maryah beginnen
Vs.10,9 die sogenannten ävid-Sprüche; ävir steht eben wohl für: ävid, von yvid
iöcw »sehen« (im Veda auch sonst mehrfach in dieser Bedeutung!); das finale d ist
zu r geworden; finales r lässt sich, nach anderen Vocalen als a @, von finalem s nicht
scheiden, daher die übliche Aufführung der Partikel als: ävis. — Sö weit kommen
wir, wenn wir uns auf Indien allein beschränken. Wir finden nun aber die Partikel
avis (mit s) im Avesta direct vor (y.33,7) und daneben auch das daraus gebildete:
ävishyay. 31,13. 49,5. Nun nimmt zwar Justi im Zend-Wörterbuch auch für dieses
avis ebensowie, und zwar mit vollem Recht, für ävicti (ävitti), die Herleitung von
yvid an, wie indessen d zu s werden soll, wenn nicht etwa eben doch durch das
Medium von r, ist mir unklar. — maryäh ist ein zur Anrufs- Partikel gewordener
Vocativ-Plur.; cf. Ind. Stud. 4,155, so wie Börruinek SW. 7, 367 Sp. 2 (1889), marya
seibst ist hierbei nicht etwa von ymar, mori herzuleiten, sondern gehört zu ymar,
smar und bedeutet eigentlich: lieb, dessen man gedenkt, cf. maryo na yoshäm abhy eti
pageät; vielleicht gehört auch: maritus hierher, wenn es nicht zu Ymas zu ziehen ist.
Weser: Über den väjapeya. 805
herunter; — 8. »ich erstieg« ist die Variation beim Herabsteigen; —
9. mittelst eines goldenen Gefässes vollzieht er die Einathmung (präna-
bhhaksham) eines Bechers Meth und giebt dann das Gefäss hin; —
ıo. »zum Himmel (divam) steigt dieser Opfernde«, oder »zur Himmels-
welt (svargam) steigt dieser Opfernde«; — 11. sö (denkend) bewerfen
sie ihn, wenn er den Opferpfosten ersteigt, mit Salzerde-Düten .«.
Dies sind denn freilich der früheren Darstellung gegenüber viele
Nova. Und es fragt sich daher vor Allem, wie wir uns dies zu denken
haben. Sind es wirklich Nova, die nur hier zur Anwendung kommen,
nicht dort, oder sind es nachträgliche Zusätze, die der Vf. von
Buch ı6 macht, weil ihm die Darstellung: in Buch ı5 nicht genügte?
Es lässt sich ja wohl für eine dergl. Zweiheit der Vff. von Buch ı5
und 16 Allerlei anführen, was näher zu erörtern hier jedoch nicht
am Platze ist; etwas Festes darüber liegt jedenfalls zur Zeit nicht vor.
Andererseits hat die Annahme, dass alle die hiesigen Angaben wirk-
liche Nova resp. nur für diesen Fall, nicht für den väjapeya über-
haupt, bestimmt seien, denn doch sehr grosse Schwierigkeiten.
Denn wenn auch das Wettfahren, das Besteigen des Wagenrades durch
den brahman und des Opferpfostens durch den Opfernden, die hier so
genau (bis auf das Bewerfen mit den Salzerde-Düten), zu dem Yajus-
Ritual stimmen, in Buch ı 5 fehlen, so sind doch immerhin auch dort
einige Indicien für sie vorhanden, in der Bezeichnung des väjapeya
nämlich als eines roha »Steigens« und in der Aufführung der Pauken
unter den Gegenständen des Opferlohnes. — Die wichtigste unter
den hiesigen Angaben ist unstreitig die, dass das Opfer auch für
die vaieya bestimmt war. Dies wirft ein ganz neues Licht auf
die Situation. Dadurch tritt der annädyakäma in Buch ı5, und die
Weihung des vom yüpa Herabgestiegenen für die »krishi« in Vs. 9,221,
resp. der ursprünglich volksthümliche Charakter der Feier, in ein
viel helleres Licht. Eine Spur davon liegt ja vielleicht auch noch
in der Widmung eines der kratupacu (im Buch ı5, wie im Yajus-
Ritual)' an die »siegreichen Marut« vor, deren Welt hier als die
Welt der vaicya angegeben wird, wie sie ja auch anderweit mehr-
fach als die »vie« der »Götter« erscheinen”. — Wenn die Darstel-
lung in Buch ı5 darin alterthümlicher erscheint als die hiesige, dass
sie den Indra voranstellt, Brihaspati erst in zweiter Linie aufführt,
während hier die Reihenfolge; Brihaspati, Indra, Marutah vorliegt,
nun, so erklärt sich dies wohl einfach dadurch, dass hier eben alle
drei Kasten aufgeführt sind, somit auch ihre Götter in der dadurch
bedingten Reihenfolge stehen müssen. — Dass die vaicya erst
ck Catap. 5.9, 3,3. Katy. 14, 2, IT.
® cf. daivir vigo marutah Käth. 21, 10; vico vai marutah Gat. 5, I, 3, 9.
5
S06 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
secundär, etwa speciell bloss für den sarvamedha', zur Feier des
väjapeya dabei zugelassen seien, und dass ihre hiesige Aufführung
eben hierauf beruhe, keine alte Übung repraesentire, scheint mir
eine ziemlich schwierige Annahme. Wir sehen ja beim Yajus-Ritual
zur Genüge, wie das Bestreben darauf gerichtet ist, den Indra, den
Vertreter der zweiten Kaste, immer mehr in den Hintergrund zu
schieben. Wie sollte man zu einer geflissentlichen Heranziehung der
vaicya gekommen sein? Etwa speciell den kshatriya gegenüber? Un-
möglich wäre es ja freilich nicht, dass man sich dabei von dem Grund-
satz: divide et impera! hätte leiten lassen. Indessen bis jetzt liegt
kein weiteres Indieium der Art vor, und bis auf Weiteres möchte
ich daher die hiesige Zulassung der vaicya, im Gegensatz zu
ihrem direeten Ausschluss im Yajus-Ritual, als etwas Alterthümliches,
und Ursprüngliches ansehen.
Die Übereinstimmung mit dem Yajus-Ritual ist im Übrigen eine
so vollständige, wie man sie nur wünschen kann. Speciell auch die
Formel: devasya (in ı freilich: väjasya!) savituh save satyasavasya er-
hält dadurch weitere Beglaubigung. — Auffällig ist, dass der Wort-
laut des säman, welches der brahman singt, durch ca angefügt ist.
Als ob er es nicht sei. der demselben zu Grunde liege, sondern als
ob er als etwas Neues dazu noch hinzutrete”.
Die Darstellung des väjapeya bei Acvaläyana (9, 9) ist ziemlich
dürftig, bringt wenig Neues und erweist sich, der des Gänkh. gegen-
über, schon dadurch als secundär, dass ihr zufolge die vaicya davon
3
ausgeschlossen sind, vielmehr nur ein König” oder ein »brähmana«
! dass sie gerade auch zu diesem hochheiligen Opfer, das noch über das Pferde-
opfer (Cänkh. 16,1-9) und das Menschenopfer (Qänkh. 16, 10-14) hinausgeht,
als Opfernde zugelassen waren, ihnen somit ebenso gut wie den beiden oberen
Kasten die Möglichkeit, die allerhöchste Opferstufe zu erklimmen, freisteht,. ist
Ja, dem System nach, welches alle drei Kasten zum upanayana zulässt, selbst-
verständlich, immerhin aber doch der hiesige praktische Beleg dafür, dass das
Ritual von vornherein darauf direet zugeschnitten ist, von erheblichem Interesse.
?2 so auch das Schol. etac ca japed, gäyed vä. — In Wahrheit steht die Sache
eben doch so, dass der Vers: ävir maryä ä& väjam.. wirklich die yoni zu dem
säman ist, welches der brahman hier zu singen hat. Denn er wird factisch unter den
voni-Versen der Samasamhistä 1,5, 1, 5,9 (1,433), mit der (irrigen) Variante: savam
statt: save, aufgeführt, und wird auch im Comm. dazu ausdrücklich als: vajinam
säma bezeichnet, s. Benrey Sämav. 1, 191; wie denn auch Läty. 5, ı2, ı4 unter den
Obliegenheiten des brahman ausdrücklich anführt, dass er »ratheshv äjim dhavatsv avir
maryä iti gäyet«. So werden wir uns denn wohl über das ca des hiesigen Textes
einfach hinwegzusetzen haben. Auch hat ja der Schol. zu 5 ausdrücklich: pakshän-
tare, väcabdät, tasyai 'va sämno yonim vakshyanänikäm trir japet. Und das Gleiche
werden wir sofort bei Äcvaläyana vorfinden.
> dieser steht immerhin noch voran; aber es ist nicht von einem räjanya, nur
von einem räjan, die Rede.
06)
07
WEBER: Über den väjapeya. - fe
)
damit zum Zweck des ädhipatya, der »Oberherrschaft«, opfern darf;
der Erstere opfert danach das räjasuya', der br. den brihaspatisava. —
Die Zahl siebzehn tritt zunächst in der Zahl der dikshä-Tage hervor
(oder es sind im Ganzen 17 Tage, nämlich 31 dikshä, drei upasad, dazu
der sutyä-Tag). — Während die übrigen Priester einfache »Goldkränze «
tragen, wird von dem des hotar angegeben, dass er aus 100 Lotus-
blumen (pushkara) bestehe, deren Staubfäden Diamanten(!) seien’. —
Eine bärhaspatyeshti wird dabei besonders betont, und ein dem
Rik fremder Vers an Brihaspati” dafür aufgeführt. — Wenn die
adhvaryu (den Opfernden) in dem Wettkampfe siegen lassen‘, dann
besteigt der brahman ein an der Passage-Stelle auf einem Pfosten be-
festigtes Rad, und singt, während dies nach rechts gedreht
wird’, das väjinäm säma°, dessen Wortlaut zugleich in der bei
Gänkh. angegebenen Weise vorgeführt wird’, und zwar ohne dass hier
ein ca dabei stünde (s. oben p. 804. 806). Interessant ist die hieran sich
knüpfende Angabe: »wenn er das säman nicht gelernt hat (nicht
singen kann), yadi säma na dhiyät, möge er diese ric (bloss) dreimal
murmeln. — Am Schluss 9, 14—17 finden sich sehr mannichfache Alter-
nativen für den Opferlohn: 14. Hunderte von Kühen, dazu je 17° mit
Rossen bespannte Wagen, Reitpferde, Zugpferde, grosse Lastwagen,
mit Goldschmuck am Halse geschmückte Sclavinnen (däsinam nishka-
kanthinäm), mit goldenem Gurt versehene Elephanten; — 15. oder
zehn andere Gruppen von Besitzthümern, zu je 100 bis zu unum-
! wer ädhipatyam erreicht hat, sollte eigentlich über das räjasıyam hinaus sein.
Aber auch im Yajus-Ritual steht der väjapeya vor dem räjasıya, während er doch
im Rang darüber steht (durch v. wird man samräj, und räjan ist eine niedrigere
Stufe als samräj): daher ist denn auch das räjasüyam nach Käty. 15, ı, 2 nur für einen
König, der noch nicht mit dem v. geopfert hat anishtino väjapeyena. Und so steht
denn im Cat. Br. selbst das räjasııya gelegentlich vor dem vajapeya, s. (at. 6,6, 1, 1.
10,.155,9 (ebenso Aths. 11,7,7).
? täni ca pushkaräni vajrakimjalkaih, vajranamakaih ratnaviceshaih, kritakimjalkäni.
® brihaspatih prathamam jäyamäano brihaspatih samajayad vastıni .
* yadi (für yada!) tv adhvaryava äjim japayeyuh; dies Causale der yji erklärt
der Schol. durch: gamayeyuh!
5 dies ist etwas Neues; hat wohl den Zweck dafür zu sorgen, dass die Stimme
des brahman nach allen Seiten hin gleichmässig erschallt und ihre Wirkung thut.
° brahmä tirthadece mayükhe cakram pratimuktam tad (! wozu dies: tad?) äruhya,
(hier fehlt tasmin!) pradakshinam ävartyamäne vajinäm säma gäyät (! d.i, gäyet).
” ävir marya A väjam väjino agnan, devasya savituh save svargäh arvanto ja-
yatah, svargan arvato jayat? ’ti va. — Hierbei ist sowohl jayatah wie in der Variante
Jayit falsch; es muss beide Male jayata (das zweite Mal resp. jayate 'ti) heissen; —
ebenso ist die durch den Text als Variante hingestellte Form: arvato falsch; ar-
vato kann nur Gen. Singul. oder Acc. Plur. sein, was Beides hier nicht passt.
° saptadaca saptadacäni; der Schol. erklärt Letzteres für einen: apapätha; es
sei nur saptadaca gemeint, resp. sö zu lesen. So bei 9, 14; dasselbe gilt dann natürlich
auch für 9,17 (saptadaca saptadagäani sampädayet).
808 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 23. Juli.
schränkter Zahl'; — ı6. oder die sub ı4 aufgeführten Gegenstände
je verdoppelt”; — ı7. oder er bringe (beliebige Gegenstände), je zu
17, zusammen. Hier zeigt sich die priesterliche Habgier in ihrem
vollen Glanze. Die letzte Alternative geht freilich, wohl im Interesse
des faetisch Erreiehbaren, auf die geringen Dimensionen des Kuru-
väjapeya zurück, ohne indessen diesen Namen zu nennen.
Wie in dem Rigbrähmana’, so liegen auch in dem Sämebrähmana
nur kurze Angaben über das Ritual des väjapeya’ vor. Dagegen im sütra
des Lätyäyana finden wir dasselbe, natürlich speeiell mit Rücksicht
auf die Obliegenheiten des udgätar dabei, ziemlich detaillirt, zunächst
in 8,11.12, behandelt. Von grosser Bedeutung ist hierbei vor Allem
die Angabe über den Zweck des Opfers (s. schon oben S. 768. 769).
Nieht die Würde des samräj, oder svaräj, oder adhipati, wird dadurch
erreicht, auch opfert damit nicht ein annädyakäma, sondern der-
jenige, »den die brähmana und die Könige voranstellen wollen,
so dass es sich diesem Wortlaut nach hierbei ganz gut bloss um die
Ehrenerweisung an einen Sieger bei einem Wettfahren, event.
also auch um einen vaicya handeln könnte, falls dies etwa ur-
sprünglich die Grundlage der ganzen Feier gewesen sein sollte. Selbst
Agnisvämin scheint noch etwas der Art zu fühlen, da er dem allge-
meinen Ausdruck: yam..sa.. eine Stelle aus dem Taittiriyaka gegen-
über stellt: brähmanakshatriyayor eva väjapeyah, na vaicyasya, die
den vaicya direct ausschliesst. Diese Stelle selbst ist nun zwar bis
jetzt nicht nachweisbar, wird ja aber für die Yajus-Texte durch
die ebenfalls von Agnisvämin eitirte Stelle aus dem kalpakära (d. i.
Käty. ı4,1,1): väjapeyah carady avaicyasya ersetzt, und ist ihrem
Inhalt nach für sıe ja überhaupt notorisch. Nach dem aber, was
wir soeben bei Qänkh. zu Gunsten der vaicya vorfanden, so wie
! dhanänäm catävamä-’parärdhyanam; catävamanam cataprabhritinam; parär-
dhyam paro ’vadhis, tad yasya na sti tad aparärdhyam, aparimitaparavadhinäm.
? pürvän vä ganaco "bhyasyet; nach dem Schol. soll dies sogar: verzehnfacht
bedeuten.
> s.z.B. Cänkh. br. 10, ı (väjapeyayüpah .. saptadacäratnih .. ashtäcrih.), —
30,11 (väjapeyasya cä’tiriktastotram).
* väjapeyayajı vava prajapatim äpnoti Panc.ı8, 6,4; — viyonir väjapeya
ity ähnh (ef. Käth. 14, 10) präjäpatyah san niruktasäme ’ti, yad aniruktam prätahsa-
vanam tena sayonih ibid. 9; — tasmäd väjapeyayäjy apratyavarohi 18, 6,12 (asyam
hi so "dhy abhishieyate), — prajäpatir akämayata: väjam äpnuyam svargam lokam
iti, sa etam väjapeyam apacyad, väjä-”peyo vä esha,, väjam evai 'tena svargam lokam
äpnoti 18,7,1, — aus den ibid. noch vorliegenden kurzen Angaben: »hirayasraja ritv-
ijo bhavanti 6, äjım dhävanti yajamanam ujjapayanti og, näkam rohati ı0, väjınam sama
brahmä rathacakre 'bhigäyati ız« ergiebt sich im Übrigen wesentlich dasselbe
Bild des Vorganges, das wir vom Yajus-Ritual her kennen; — yo vai va-
jJapeyah sa räjasüyah, yo räjasıyah sa varunasavah 19, 13,1; — saptadaga (-chadana,
audumbari) väjapeyäptoryaämnoh Shadv. 4, 3.
WEBER: Über den väjapeya. 809
auch der allgemeinen Formel: yam... sa... gegenüber, scheint der
direete Ausschluss des vaicya sich als ein seeundärer zu bekunden,
der im absichtlichen Gegensatze zu der früheren Berechtigung
desselben steht und dieselbe als früher bestehend implieite bezeugt!
Die weiteren Angaben bei Läty. an der a. Stelle lauten:
8, 11,2. Nachdem die Weihe am Vollmond stattgefunden, sollen es
3. oder siebzehn; — 4. findet die Weihe
ı3 dikshä (-Tage) sein;
am Neumondstage statt, sollen die dikshä nach Gautama einen
Monat dauern, — 5. nach Dhänamjayya ein Jahr lang; auch sollen
sechs upasad (-Tage) und eine agnieityä dabei stattfinden.
Diese Angaben erhalten durch die darin vorliegende Beziehung
auf die bei Lätyäyana so vielfach neben, resp. in Widerspruch mit,
einander genannten beiden Lehrer eine gewisse Solennität und Alter-
thümlichkeit. Und das Gleiche gilt denn auch von den nun noch
weiter sich anschliessenden Angaben (6-15) über die Vorfeiern und
Nachfeiern, die im Wesentlichen zu Käty. 14,1, 2-9 stimmen, aber
dureh die Berufung auf die verschiedenen Ansichten von: Lämakäyana
(7; räjaslyavidhena yajeta), Dhänamjayya (12.), Cändilyäyana (13.) und
Gautama (14) Zeugniss dafür ablegen, wie lebhaft dieser Gegenstand
von den alten Ritualisten behandelt worden ist. Und zwar ist Kä-
tyäyana hier eben wohl der entleihende Theil, wie er sich ja auch
noch anderweit (22, 5, 1. 6, 25) direct auf das Chändogyam als seine
Vorlage (Chändogye viceshah) beruft.
Es folgen ziemlich detaillirte Angaben über die dakshinä.
16. Selavinnen, Goldschmucke (nishka), Steitwagen, Elephanten,
Wagen, Kühe, Packpferde', siebzehn von jeder Art’; — ı7. von den
Kühen sind (17) Tausende oder Hunderte (zu geben); — ı8. oder
auch nur 17 Kühe, das nennt man einen Kuruväjapeya.
Diese letzte Angabe wird von Agnisvämin dahin erklärt, dass
kuruväjapeya soviel sei: als kleiner v. (alpako v.), wie ja auch ein
kleiner Strom: kurunadikä heisst, wofür er jedoch als Beispiel: »su-
pürä® vai kunadikä« anführt. Da handelt es sich somit nieht um
kuruna°, sondern um kuna°, für welches Wort diese Bedeutung ja
auch ganz passend ist, während sie für kurunadikä sich schwerlich
eignen möchte! — Was nun den Namen: Kuruväjapeya betrifft, so
sahen wir bereits oben, dass in ihm wohl eine historische Erinnerung
daran erhalten ist, dass der väj. ursprünglich eine einfache volks-
! prishthyänäm cä ’cvänäm; Agnisvämin: prishthena vahati 'ti prishthyalı; hier ist
wohl vielmehr: pashthyänäm zu lesen, cf. pashthaväh, pashthanhi; — pashtha von
Wurzel: pac »binden, festmachen«, zu der neben pacu, päga auch (mit finaler Sonans):
pafjara, myyvun, lat. pangere, pactum gehören.
? ekaikasya jätasya, ef. jäter-jäteh bei Käty., vayaso-vayasah bei Cänkh.
® lies vielmehr: supdrä, cf. Paücatantra ı, 31.
810 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 28. Juli.
thümliche Feier war, bei der es sich statt des späteren maasslosen
Pompes nur um einen bescheidenen Opferlohn, ı7 Kühe, handelte.
Die folgenden Angaben (19-25) Lätyäyana’s beziehen sich auf die
Vertheilung der dakshinä:
20. oder an die
vier Hauptpriester' je das Beste; — 2ı. (und zwar) gebe er dem
udgätar” den Wagen, mit dem er das Wettfahren bestanden, und den
Sessel nebst Decke, den er nach! der Salbung besteigt, — 22. dem
hotar das Bockfell nebst Goldschmuck, auf dem sitzend er gesalbt
wird, — 23. die aus Kleidern bestehende Umgürtung (des Opfer-
pfostens) dem adhvaryu, — 24. das goldene Gefäss voll madhu dem
brahman, — 25. oder ein Metall-Gefäss oder mit madhu vermischte
Goldspäne.
Diese Angaben sind schon darum werthvoll, weil sie für die
Identität des Rituals mit dem Yajus-Ritual direet eintreten.
Von ganz besonderem Interesse aber sind die Angaben in 8, 12
über die Obliegenheiten (vratäni), welche ein väjapeya-Opferer zu er-
füllen hat. An der Spitze (12, ı) steht die hochwichtige Angabe:
kshatravrittim vartayet, dass er das Leben eines kshatriya zu
führen habe. Agnisvämin erklärt dies zwar dahin, dass er den Veda
nur studiren, nicht lehren, und dass er zwar geben, aber nicht empfangen
dürfe (adhiyita na "dhyäpayet, dadyät na pratigrihniyät), wie dies
denn ja allerdings die secundär so beliebte priesterliche Systematik
der Kasten entschieden verlangt. Ursprünglich wird der Sinn hier
ı9. man vertheile sie gleichmässig an die ritvij;
aber doch wohl ein ganz anderer gewesen sein, und liegt in diesen
Angaben wohl vielmehr eben ein Beweis dafür vor, dass der väja-
peya eigentlich nur dem zukommt, der, sei er welchem Volkstheile
immer angehörig, sich ritterliche Lorbeeren nach Art eines ksha-
triya errungen hat, und dass nur diejenigen »brähmana«, die als
kshatriya lebten, die Feier begehen konnten. — Lätyäjana fährt fort:
2. denen gegenüber, welche den väjapeya nicht geopfert haben,
unterlasse er: das vor ihnen Aufstehen, das sie Anreden, das hinter
ihnen drein Gehen, das mit ihnen zusammen Liegen; — 3. denen
gegenüber, die den väjapeya geopfert haben, verfahre er hierbei
dem Alter nach; — 4. nach Lämakäyana ist er von diesen Obliegen-
heiten frei, sobald er mit dem pratyavarohaniya geopfert hat.
Die väjapeya-Opferer bildeten hiernach eine aristokratische Gruppe
für sich, die streng auf ihre Vorrechte hielt, die sonst nur dem
Könige zukamen, über die sie somit erhoben, oder denen sie doch
! madhyatahkäribhyah, den Centralstellen.
®2 im Sämasütra steht eben der udgätar voran
Weser: Über den väjapeya. s1l
dadurch zum Wenigsten gleichgestellt wurden. — Wer da wollte,
konnte sich indessen nach Lämakäyana dieser Vorrechte auch wieder
begeben. Der pratyavarohaniya, der als Mittel dazu angegeben wird,
ist nach Cänkh. 14, 11,1 Name eines besonderen ekäha; nach Mädhava
zu Panc. (8, 6,13) versteht der ärsheyakalpa darunter einen be-
stimmten jyotishtoma, während die Bahvrica den brihaspatisava;
nach Lätyäyana selbst (8, 11,14) soll der pratyavarohaniya, nach
Ansicht des Gautama, unter Ausschluss aller anderen pariyajna,
den Schluss eines jeden väjapeya bilden. Aus der Differenz dieser
Ansichten geht zum Wenigsten wohl das hervor, dass es sich hier
um einen Gegenstand mannigfacher Discussion handelt, über den
man nicht zum vollen Abschluss gelangt zu sein scheint, eine Bürg-
schaft, wohl auch direet für das verhältnissmässige Alterthum der
Sache selbst.
Der Rest des Capitels (8,12, 5-15) behandelt die verschiedenen
vikalpa des väjapeya in Bezug auf die Herstellung der stoma des-
selben. Beim normalem (präkrita) väjapeya reichen die 17 stoma
vom ekin an, je um zwei (anshara?) steigend, bis zum trayastrinca
und führt er den Namen: »niederwärts zerrender (sich spreizender?)
Pfau« mayüro nikarshi'. Bei einer Speeialität hierbei wird noch (9)
Dhänamjayya als Autorität genannt, und am Schluss (15) wird die
Meinung Gautama’s vorgeführt, dass von allen den angeführten Varie-
täten keine wirklich der väjapeya, daher auch der Opfernde nicht
verpflichtet sei, dafür dıe väjapeyadakshinäs zu zahlen. — Hier giebt
sich eine sehr grosse Unsicherheit und Latitüde kund, die eben wohl
auch als ein Zeichen des Alters anzusehen ist.
Ausser diesen beiden Capiteln, in denen Lätyäyana den väjapeya
direet behandelt, gedenkt er eines besonderen Umstandes dabei noch
an einer anderen Stelle, und zwar in sehr eingehender Weise. Wie
wir bereits sahen, ist das väjinäm säma von dem brahman zu
singen’, nicht vom udgätar, und wird dieser Umstand daher in dem
diesen Priester betreffenden Abschnitte (4,9-5,12), in einer dem Yajus-
Ritual durchaus entsprechenden Weise, behandelt (5.12, 8-25):
! sie! man sollte eigentlich das Gegentheil erwarten: ein sich von unten nach
oben (resp. nach allen Seiten hin) spreizender Pfau!
?® cf. noch: prathamena (mantrena) väjapeyasämno (°mnah stomam) yuüjyät
Läty. 2, 5,23 — aindram saha iti camasasya sat(t)re trishtupchandasaä väjapeyasämni
bhakshayed iti Gautamah 3,1,23, — drishtam cä’nena (brahmanä) saämagänam vä-
Japeyasauträmanyoh 4, 10,14 (sollte nicht auch dieser Umstand, dass bei
diesen beiden Opfern nicht der udgätar, sondern der brahman, die säman singt,
als ein alterthümlicher Zug aufzufassen sein?) — stuta devena (Bibl. Ind. hat
sruta°) saviträ prasütä ity anumantrayeta mänasam (stotran dagame’hani) väjapeye
ca brihat 5, 11,9.
Sitzungsberichte 1892. 71
812: Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 28. Juli.
8. ... (zur bestimmten Zeit) lässt er den sadasya' auf dem
brahmäsana Platz nehmen und geht hinaus; — 9. vor dem ägnidhriya
sei ein Pfosten eingegraben; — ı0. rechts vom märjäliya, innerhalb
der vedi, nach Gändilyäyana; — 11. darauf sei ein siebzehnspeichiges
Wagenrad aus udumbara-Holz befestigt; — ı2. in dessen Ermangelung
irgend ein anderes Wagenrad; — 13. darauf lege er beide Arme mit den
Worten: mit des Gottes Savitar Verlaub, dessen Befehl wahrhaftig ist, möchte
ich zu dem höchsten Himmel des kräftigen, kraftersiegenden Brihaspati? hinauf-
steigen; — 14. während die Wagen den Wettkampf laufen, singe er: ävir
maryä iti, indem er das d bei Beginn des udgitha auslässt; — ı5. an
Stelle dessen hole er die beiden Silben: agman herzu (und singe sie),
wenn die Wagen fort sind; — ı6. wie überliefert? (singe er), wenn
sie zurücklaufen oder angekommen sind; — ı7. oder in allen Fällen
wie überliefert ist; — ı8. umwendend singe er‘, nach Umwenden
singe er, gesungen habend wende er um, oder ein Anderer als der
Singende wende um; — ı9. nach Norden zu denke er’ an den Ab-
stieg mit: du bist des Vishnu Schritt, du bist des Vishnu Schreiten, du
bist des Vishnu Erschreiten; -— zo. nach rechts sich wendend trete er
(wieder) in das sadas ein; — 2ı. und dort sitzend nehme er Gold
und madhu, je einzeln, in Empfang, — 22. Und beim ritapeya auch
noch den als dakshinä dienenden Becher; — 23. das madhu gebe er
einem (anderen) brähmana, das Gold lege er für sich bei Seite; —
24. 25. (Bestimmungen über den Becher in 22.).
! sadasya ist nach Läty. 8, ı1,ı5 ein neben den ı6 Priestern als Siebzehnter,
als Gehülfe (resp. gelegentlicher Substitut, damit der betreffende Platz in sadas nicht
leer bleibe) gewählter brähmana.
?® brihaspater väjino väjajito varshishtham adhi näkam ruheyam; — hier ist
nur von Brihaspati die Rede, nicht einmal von Indra, geschweige denn von den Marut,
wie bei Cänkh. ; — varshishtha (sö. auch Ts.) ist ein altvedisches Wort, und überragt an
Alterthümlichkeit bei Weitem das im (übrigen) Yajus-Ritual (ausser Ts.) und bei Cankh.
16,17,1 in dieser Stelle gebrauchte Wort: uttama; es gehört nebst varshiyas, varshman
(s. Ind. Streifen 2,117*), und vriksha (zend. varesha) zur ybrih, vrih und tritt für das alte
Alterniren von d und v im Anlaute dieser Wurzel ein (cf.zend. bareshnu). Ähnliche Fälle
liegen bei bala, bali, bäala neben lat. valor, sowie bei bandh, bädh, vadh etc. vor.
® yathädhitam, eig. »wie durchgegangen«, »wie memorirt« (mündliche
Überlieferung!), d.i. also: ohne Weglassung des d. — Es bleibt zunächst unklar, ob
es sich um das @ von ävir oder um das vor väjino stehende @ handelt; eigentlich sollte
letzteres gemeint sein, denn nur dieses d, nicht das in ävir steckende dgl., hat
Beziehung auf die herankommende Bewegung der Wagen und ist somit dessen Weg-
lassung, so lange die Wagen fort laufen, resp. fort sind, so wie seine Wieder-
einsetzung, wenn sie heran kommen, oder da sind, eine dazu passende.
* es sind dies lauter Alternativen; das Singen soll fortdauern, so lange die
Wagen laufen.
° im Yajus-Ritual sind dies nicht bloss Gedanken, mit denen er den Abstieg
begleitet, sondern Sprüche, und zwar zu einer anderen Gelegenheit gehörig (im
weissen Yajus fehlen diese Sprüche) s. Ts.1,7,7,2 (RoER p.1007).
Weser: Über den vajapeya. 813
Im weiteren Verlaufe der vedischen, oder gar der nachvedischen
Litteratur spielt der väjapeya keine besondere Rolle mehr. Im Epos
wird er zwar, cf. die im Per. W. aus MBhärata, Rämäyana und den
Puräna angeführten Stellen‘, gelegentlich erwähnt, aber ohne rechtes
Leben. — In den Scholl. sodann zu Pänini und zu den värttika
dazu” findet sich noch mehrfach Bezug auf das Wort, doch im We-
sentlichen eben nur auf die im Veda vorliegende Behandlung des Gegen-
standes. — Die scholastische Systematik hat indessen an diesem Opfer,
als einem nicht nur zu Recht bestehenden, sondern auch zur fac-
tischen Ausführung gelangenden, bis in die moderne Zeit hinab fest-
gehalten. Von Ananta, dem Vf. eines Commentar des Kätyäyana-
crautasütra heisst es dabei (s.Käty. preface p. VIIn.), dass er ı2 (oder
ı1) väjapeya, 5 (oder 3) agnieityä, 110 (oder 81) andere soma-Opfer
vollzogen habe, und führt er daher den stolzen Titel: svarät-sam-
rät-sthapati mahäyäjnika”. Ein anderer moderner Autor führt den
Titel: saptasomayäji väjapeyi-Gopinätha, s. AUFRECHT Oxf. 142°. Und
ein dritter nennt sich Räma-väjapeyin, ebend. 142°” 279° (im Verz.
Berl. S. H. No. 1086: findet sich die Angabe: Rämaväjapeya uväca).
Die alte volksthümliche Festfeier klingt somit in ihrer brähma-
nischen Umgestaltung bis in die Neuzeit hinab.
! kratün väjapeyän...yatase... kartum MBhr. 2,233, — tatra snätvä ... vajapeyam
ca vindati 3, 6048, — trayo yuktä vajapeyam vahanti 3,10660, — väjapeyeshu dagasu
prädam täny...13,4927, — väjapeyasamutthäni chatträni Rämäy. 2, 45, 22-24; — als
somasamsthä im Bhavishyapur. bei Aurrec#r Oxf. 3ob ıo, — und in Paräcara ibid.
266® 40, — väjapeyam sagosavam (sasarja) Bhäg. Pur. 3,12,40, — Daksha opferte
hinter dem väjapeya mit dem brihaspatisava ib. 4,3, 3.
® nach den Scholl. zu Pän. 4,3,66 värtt.2.3 bedeutet väjapeya auch soviel als
vajapeye bhavo mantrah, oder väjapeyasya vyakhyanam kalpah; — durch 4, 3,68; 5,1,95
wird, dem Schol. nach, die Bildung des Wortes väjapeyika resp. die des Feminins
dazu: väjapeyiki (dakshina) gelehrt.
® ebenso wie Prajapati, Vater des Deva, eines anderen dgl. Scholiasten: trirag-
nieit-samrät-sthapati-tringatkratukrin -mahäyäjnika titulirt wird.
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815
Die aegyptische Polizei der römischen Kaiserzeit
nach Papyrusurkunden.
Von OrTo HigscHrELD.
(Vorgetragen am 24. März [s. oben S. 213]).
Aıs Nachtrag zu der von mir in den vorjährigen Sitzungsberichten
veröffentlichten Untersuchung über die Sicherheitspolizei im römischen
Kaiserreich mag hier eine Mittheilung über zwei unedirte Papyrus-
urkunden eine Stelle finden, die ich mit freundlicher Erlaubniss der
Einsender, der HH. Wessery in Wien und Wırcken in Breslau, zum
Abdruck bringe.
Die erste Urkunde, die sich in der von dem Königlichen Museum
in Berlin angekauften Sammlung Brussca P. 6915 befindet und von
Hrn. WiLckEN copirt ist, »enthält einen Erlass (rap&yyeAuz) oder genauer
gesagt, wie aus dem Fehlen des Absendernamens und der sonst üblichen
Formeln hervorgeht, die Abschrift eines solchen, der Schrift nach zu
urtheilen wohl aus dem dritten Jahrhundert n. Chr.«, der folgenden
Wortlaut hat:
Kuuns Zoxvor[aiov Nycov. Halpayserreraı rois ürlo]-
yeypanmevos Anoromaorails mpogejASeiv rois 775 Kwung
Önmocicis xl dvalnrjoaı Touls dval|nrounsvous xuxoupyovs.
"Eav d& dueryower, OlsJole]uevoe reulp]Sncov[r]aı Emi rov Auurpor(arov)
5 Audv Hyenovd.
Eicı d&
Zereovds IaxUcews TOO 22... Taguuıs UnYavapıos.
’Eievs (sie) "AAarovrews. Zwräs "Npiwvos.
Oörnbäus Iauovs.
Dazu bemerkt Hr. Wırcken: »Nach analogen vollständigeren Texten
ist es so gut wie sicher, dass der Erlass von einem der beiden Stra-
tegen des Arsinoitischen Gaues ausgegangen ist und zwar von dem-
jenigen, in dessen Bezirk das Dorf 3oxvorsiov Nycos liegt, also dem
Orparmyos Tns Hpaxreideu mepidos. Der Strateg fordert fünf Bewohner des
816 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 28. Juli. — Mittheilung v. 24. März.
Dorfes auf, den Dorfbehörden (dyuocıc) ihre Dienste zu leihen, um
die Verbrecher, auf die man fahndet, aufzuspüren. Falls sie dieser Auf-
forderung nicht nachkommen, sollen sie gefesselt an den praefectus
Aegypti geschickt werden.
Der Text lehrt uns also die Verpflichtung der Dörfler, unter
Umständen als Diebsfänger (Aysrorızcrai)' den Polizeiorganen beizu-
stehen. Dass die aegyptischen Bauern sich ungern dazu verstanden,
zeigt die strenge Strafe, die ihnen angedroht wird. Da die Diebs-
fänger hier als eine feste Kategorie erscheinen und die Verbindung
Tols Umoyeypaumsvos Anoremiaotais geradezu auf einen titularen Gebrauch
des Wortes hinzuweisen scheint, so dürfte anzunehmen sein, dass immer
ein bestimmter Theil der Dorfbewohnerschaft zu diesem Posten de-
signirt war, um dann im gegebenen Falle nach Aufforderung durch
den Strategen in Action zu treten.
Unter den dyuccıcı sind im Allgemeinen die Behörden des Dorfes
(nicht die dyuecwc yewoyor) zu verstehen; im Besonderen mag hier aber
an die Dorfpolizisten (®VAxxes) gedacht sein, die sich unter den dyuscicı
befinden. Letzteres zeigt der Berliner Papyrus 2286 + 2287, der zum
Theil von Monnsen in den » Eiudes archeologiques et historiques dediees
a Mr. le Dr. Lexmans« (Leyden 1885 p.ı9) publieirt, später nach Zu-
sammensetzung beider Fragmente im Hermes 23 S. 598 nochmals kurz
von mir besprochen worden ist. Dieser Papyrus enthält, wie die Ein-
leitung sagt, eine Liste, eine ypabn mpeod(urepwv) za dpy,sdodwv zul aAAwv
Öönusciwv des Dorfes Muchis (im Arsinoitischen Gau), eingereicht an den
Strategen von den mpeo Qurepa, die hier an Stelle des KWUOypauuareUs die
Verwaltung leiten (vergl. Hermes a.a.0.). Demgemäss folgt zunächst
die Liste von 8 wpeoßvrepoı (mit Angabe ihres cos), darauf 2 dpwehade,
endlich 2 $iraxes. Die Letzteren sind also die &Arcı dymocuc.«
Diesen Ausführungen des Hrn. WırLcken möchte ich nur hinzu-
fügen, dass die Unterstützung der Beamten zur Aufspürung von
Räubern und Missethätern seit alter Zeit in Aegypten unter Androhung
harter Strafen vorgeschrieben war,” wie aus der Mittheilung Diodor’s
(I, 77, 3) aus den altaegyptischen Gesetzen erhellt: e/ rıs &v 6d@ xara
rnv Kupotv Idwv doveuowevov AvIpwrov n ro xaderou Aıaıov Tı maoyovra um
plodıro duvarıs Wv, Yararw mepımeneiv wabeırev- Ei d& mpos arygeıav dia To
dduvarov um KATIOYUCEL Bondica, unvical ve TATWs WEIRE ToUs Ayoras
al emekievaı Tyv mapavomiav- Tov dE TaUTa un ModEavra Kara Tov vonov Ede
! Das bisher unbekannte Wort ist, wie Hr. Wırcken bemerkt, ein Analogon zu
dem bei Hesychius vorkommenden srgouSorwstns (Vogelfänger).
? Vergl. Lumsroso recherches S. 249, der Diodor und den Papyrus Nr. 42 an-
führt; derselbe ist von Hrn. Wırcken nachverglichen und die Lesung in einigen wesent-
lichen Punkten berichtigt worden.
” * . . .. . I * . Loy
Hırsc#reLp: Die aegyptische Polizei der römischen Kaiserzeit. 81‘
uasrıyevoYaı Terayusvas mANyas nal maons eipyeoIaı TpobAs Emi Tpeis Muepas.
Zum Vergleich, obschon hier die Situation eine wesentlich andere ist,
könnte auch an den Papyrus des Louvre (Nr. 42: notices et extraits des
manuscrits XVII, 2 p. 307 ff.) erinnert werden, in dem ein wahrschein-
lich im Jahre 156 v. Chr. geschriebener Brief eines Bapxaios [6] xa:
"Auuwvios an einen "AroAAuwvios erhalten ist, der im Serapeum von Mem-
phis wohnte und in einem anderen Papyrus (Nr. 45) als yysuwv xal Emı-
orarys "Avoußısiov bezeichnet wird. Darin wird ihm der Dank für seine
Hülfe bei Ermittelung von aus dem Gefängniss entsprungenen Übel-
thätern ausgesprochen und ihm dafür als Belohnung (srepavıv, vergl.
dazu die Bemerkung der Herausgeber) drei Kupfertalente gegeben: Arav
co Yalpıv ueyaayv, fängt der Brief an, Eoynxauev onunvas (sie) Au Ta
Kara Tous dAdoropas Tous OmAuevous Ex T7s buAaxıs. Es folgt der Bericht
über eine von ihm eingebrachte Klage wegen Beleidigung seines Bruders
durch einen $vAaxırys, den mit dem Beleidigten Barcaeus vor sich
eitirt, ihm einen Verweis ertheilt, worauf sich der Bruder für befriedigt
erklärt; demnach wird man Barcaeus für einen Vorgesetzten des dvAx-
| .
xirns, also wohl für den dpxıbvraxırys zu halten haben. Es wird dann
Apollonios aufgefordert, in seinen Bemühungen fortzufahren: xagıeı de
Suumapaoras MMiv Ev Teils Acımols xal masarnpnTas Tous ANKOTORUS xal Edv
N xaı xaraßmcı Exros Toü KouAou (ohne Zweifel hatte der
Tempelbezirk des Serapeums Asylrecht), diasdbnsev ma, Orws Fasayevn-
Seis ovv co yevouevos moafwuev rı. Dann folgt die Belohnung: xai/ cc
orsbavıov Eorıv YalAxoo) TalAdvruw) Y, ws ep ilou mpayuaros dıabaivwv
xol Muiv Eos MEydAws KEy,apıoevos.
Von grösserer Bedeutung ist der Papyrus, dessen Mittheilung ich
Hrn. Wessery verdanke. »Er gehört«, so schreibt mir derselbe, »zu
den bekannten Achmim-Papyri in der Pariser National-Bibliothek
(vergl. Wırcken, Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1887 S. 807 ff.
und Hermes 23 S. 592 ff.) und gehört der Schrift nach der vor-
eonstantinischen, wohl dem dritten Jahrhundert' an. Derselbe ent-
hält eine Übersicht von Polizeibeamten mit Angabe des Vaters, der
Mutter, des Alters und des Gehalts, ist jedoch sehr lückenhaft; ich
theile daher nur die mittlere Columne des zweiten Stückes (Copte 135
II ı— 2), die einzig vollständige, ganz mit; die anderen Listen sind,
Je fragmentirter desto öder.«
Das erste Stück beginnt mit ıı Namen; die Überschrift, die
Qualität der Genannten enthaltend, ist verloren. Darauf folgen:
! Wahrscheinlich ist die Urkunde, wie Hr. Wırcken mir bemerkt, in das fünfte
Jahr (e+) des Septimius Severus (= n. Chr. 196/7) zu setzen, dem auch zwei andere
Panopolitanische Urkunden (die eine ist von Wırcken im Hermes 23 S. 593 publicirt
worden) angehören.
818 Sitzung der phil. -hist. Classe v. 28. Juli. — Mittheilung v. 24, März.
eionvodun(xxes) 2 Namen
Emi TAs eiomuns 3 Namen
dpyyuxroburaxes 2 Namen
[pluraxes zürwv 8 oder mehr Namen.
Das zweite Stück beginnt mit
0. ıbirlaxes]'
es folgen 6 aegyptische Namen mit Angabe von Vater und Mutter;
bei n. 3.5. 6 ist auch das Alter: As, x, xe (= 35, 28, 25) erhalten.
Daran schliesst sich unter der Überschrift
em NS eion|vne]
eine fast vollständig erhaltene Liste von 1o Namen, die ich, da hier
ausser Vater und Mutter auch die Jahre und Geldsummen angegeben
sind, nebst den nächsten Rubriken nach Hrn. Wessey’s Copie voll-
ständig mittheile:
Wevromenle.. ec. ATEXATOU. . SER LAST
TıSons "Npov ... . mapxw un” Tapı L re su
"Apsundis Iar..... ußos un Taren L xe sr
"Arons Wevavor..... 105 un Taeipe L Au or
5 TereveßSos 2222... un Tüos L un sc
Haavoübis 3...... [un] Tarepuoo > L xa sr
Ileregavi[os? ..... Jun un] Sevixes L xö sc
"AroAAwvilos "Au]uwvos un Zevovr N
Wevovrägis Tlexvoros un Tayonıos L xx sc
10 "Arpns Ku.... mov un Zevlairos L xe st
Eilpnvap?],(aı) Ä
I4O[ı]s Birapaungıos un Zauros L wels®
Yevoains Weraaimos ur Zeyut a:
Buraxes dürav
15 Bros Tlerpwvios (sic) wm Zevrvg... LA sr
"Opsevoddıs Wevos un Zevmroiwuros L xe sr
Ileßws TlovAw’vios un Oduyros re
Iarey,arns Bncıos un Targıdıos L re sr
Haryoußıs Muvpsros um Opeo« :
20 “Dos Havacıos Aeyolmevos) Kaumdos un Zends kur
Hareyoußıs TıSonros un Taspt Beer
TıSons Ißyxıos Aecyo Tavxovryrios Li
‘ Da hier sechs Namen folgen, so ist die allerdings naheliegende Ergänzung
[ey lupurezes nicht unbedenklich.
- = Ögayyuaı.
Er — unTocs.
Se
. . . . .. . Re . )
HırscHreLn: Die aegyptische Polizei der römischen Kaiserzeit. 819
Tlediopuraxes
Iaupaus BeAdıos un Zavxarawapı L As sr
25 "Apsudıs Tleßwrog rod Yoüxpe LA su
2
"Dpiwv Wramey,arou un Zevapoılos? .....
Tlerenoıs Tleßwros un @anous ..... Er.
} eNw ’
"OpeobuAuxes odov "Ousews
Noürıs Yevavoucı
Hier schliesst die Golumne.
Die nächste abgerissene Columne enthält:
... oburaxels] 4 Namen
löse aubenN. 3 Namen
eionvobural[£?] kein Name
dpywurtobu[lrexes] 4 Namen
&p%,.bUra [2] ı Name
diraxes [&]öro[d] 3 Namen erhalten
eipnvopvraf ı Name
dp wux[ropurgE] ı Name
buraxes aür|oV?] 4 Namen
xwuoyoaun[ar...
[rö] &veorwr etd.....
Die Urkunde ist in Achmim, dem alten Panopolis gefunden worden,
das als unrpomorus des vouos Ilavororrns von Ptolemaeus IV, 5, 72 be-
zeichnet wird. Man könnte daher zu der Annahme geneigt sein, dass
der am Ende genannte xwuoypanuloreve] sich auf die Stadt beziehe und
dafür geltend machen, dass auch grössere Ortschaften Aegyptens, in-
soweit sie keine städtische Verfassung haben, als xwun angesehen worden
sind, wie Diodor (I, 2ı) den Hauptort des Antaiopolitischen Nomos
nicht Antaiopolis, sondern ’Avraiov xwun nennt und in einer Inschrift
(C.1. Gr. 4551) die Stadt Phaena als unrpoxwuiz der Trachonitis be-
zeichnet wird." Jedoch scheiden, wie mir Hr. Wırcken schreibt, »die
Urkunden stets mit der grössten Consequenz zwischen der roAıs oder
unrpomorus und den in ihren Verwaltungsbereich gehörenden xwuaı.
Dem entsprechend stehen auch »oi rise Ferews ypauuareis« gegenüber
den xwuoypauusreis der einzelnen Dörfer. Dieser Thatbestand wird
durch so viele Urkunden bestätigt, dass der fragmentarische Passus
des Pariser Textes uns nicht zur Aufgabe desselben nöthigen darf.
! Vergl. Kunn, städt. und bürgerl. Verfass. II S.503; Marguarpr Staatsverw. I
S. 449. Vielleicht erklärt sich aus der verschiedenartigen Qualität der zuu«: auch die
verschiedene Rangstellung, die die zwuoypaunarsis im Verhältniss zu den roroyoan-
karsis einnehmen; vergl. Marquarpr I S. 450 Anm. ı und die dort citirten Schriften;
dazu WILckEn observat. ad histor. Aegypti provinciae Romanae S. z1fl.
820 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 28. Juli. — Mittheilung v. 24. März.
Vielmehr müssen die Beamten, die hier von den #wuoypauuareis ver-
zeichnet werden, nothwendig einer zwun angehören. Dass die Polizei-
mannschaften innerhalb eines einzelnen Dorfes sich als so bedeutend
herausstellen, ist vielleicht überraschend; aber der Verwaltungsapparat
des einzelnen Dorfes ist, wie die Urkunden jetzt zeigen, ein so com-
plieirter, dass diese Thatsache sich doch gut den sonst bekannten
einfügt. Natürlich gehören die auf den Pariser Fragmenten erhaltenen
Titel nieht alle in ein und dasselbe Dorf, wie auch aus der Wieder-
kehr des eiewobVira& und der dpyıwuxropuraxes am Schluss der Liste
ersichtlich ist. Die zwei erhaltenen Überschriften (wahrscheinlicher als
Unterschriften) einzelner Dorflisten, nämlich die fragmentirten Zeilen:
KWMOYPaUM ....
[75] eveorwrı &© Blaweı?
und in einem anderen von mir copirten, zu demselben Papyrus ge-
hörigen Fragment die Worte: |
Jrev dro rys xwuns
rw &veolrwrı et bawdı,
die offenbar correspondiren, zeigen vielmehr, dass der Papyrus die
Listen verschiedener Dörfer enthielt. An und für sich wäre es ja
nicht ausgeschlossen, dass der vollständige Papyrus an seiner Spitze
etwa auch die Polizeimannschaften der unTpomoAus nannte, worauf dann
die der Dörfer folgten, aber wahrscheinlich ist dies mir nicht. Jeden-
falls müssen diejenigen Listen, die von einem xwmoypsuusreus auf-
gestellt resp. eingereicht werden, sich auf ein Dorf beziehen«.
Genannt werden als Polizeibeamte:
1. EionvodUAdxss
2. Em 775 eipnuns
3. eilpnvar]x,(aı),
wenn die von Hrn. Wessery vorgeschlagene Ergänzung das Richtige
trifft, mit den ihnen untergebenen $uA«xss
4. dpxwuxrebuigxes mit ihren bUraxes
5. dpuupUraE
6. Püraxes [a]üro[ö] t
7. mediohVUAdxes
8. Epeopuraxes öded "Oxoews
S)
ee
Um mit den drei letztgenannten zu beginnen, so treten die edıo-
$UAwxes, die Wächter der Ebene, meines Wissens hier zum ersten Mal
auf, während die £&psopuraxes in einer Glosse (s. Sitzungsber. 1891
S. 874 Anm. 142) durch saltuarü wiedergegeben werden; hier sind
HırschreLp: Die aegyptische Polizei der römischen Kaiserzeit. 821
dieselben jedoch näher bezeichnet als Wächter des Oasenweges, d.h.
der sogenannten grossen oder Thebäischen Oase.
Ganz singulär sind die darnach genannten iBiw ... cı, deren Titel
mit Sicherheit nicht zu ergänzen ist. Allerdings werden in einem Pa-
pyrus des Louvre! iBioßsoxcı genannt, die in dem Serapeum von Memphis
diese heiligen Thiere zu hüten und wie es nach diesem Papyrus den An-
schein hat, auch eine Art Polizeiaufsicht dort auszuüben hatten. Aber
an diese zu denken verbietet die Entfernung zwischen Panopolis und
Memphis. Vielmehr dürften die hier aufgeführten Beamten nach einer
Localität der Gegend benannt worden sein und eine solche bietet sich
in dem Hauptort der grossen Oase, der den Namen ’I trug, vergl.
Wiırxınson, topography of Thebes and general view of Egypt S. 361: »near
El-Khargeh is a large temple dedicated to Amun... In the vicinity of
the temple stood the ancient lowny; it bore Ihe name of Ibis or in Egyptian
Hebi (the Copts write it hibe) = the plough, under which character it is
Frequently designated in the hieroglyphies; and it was the capital of the
great Oasis.« An dieser Stelle, in El-Khargheh oder Girge, ist im
Jahre 1818 bekanntlich das grosse Decret des Praefeeten von Aegypten
unter Galba: Ti. Julius Alexander über fiscale Missbräuche gefunden
worden, das dort zur Kenntnissnahme der Bewohner der Thebäischen
Oase von dem Grparmyos "Odcews @nßaldes Julius Demetrius nach einer
ihm von Alexandria aus gesandten Copie in dem rechten äusseren Thor-
pfeiler des grösseren altaegyptischen Tempels eingehauen war.” Später
ist an einem Porticus desselben Tempels ein Epigramm zum Vorschein
gekommen, das den Namen des Ortes enthält.’
Allerdings ist dieser Ort unzweifelhaft dem Strategen der Oase unter-
stellt gewesen; doch scheint mir die Möglichkeit nicht ausgeschlossen,
dass diese iSıw... mit dem Transport der zu der sogenanten Oasena de-
portatio Verurtheilten,' die wahrscheinlich an diesem Hauptorte internirt
waren, betraut gewesen seien. Zur Vergleichung, auch betreffs der un-
mittelbar vorher genannten öpsopuraxes öded "Odcews, darf man vielleicht
die ganz neuerdings aus den Flinders Petrie Papyri bekannt gewor-
denen? £pmueburaxes aus der Ptolemaeerzeit (der Papyrus fällt in das
ı Papyrus du Lowre p. 206ff. n. ıı Z.7 "OvJvsupges Tuv E# TOU Sagameıov iBo-
Borzuwfv za raw] &v ru Iapamısıy Ns Adeodime wes|ropeogw]. Auch in dem näher
gelegenen Thebae-Diospolis ist, wie mir Hr. Wırcxen nachweist, dieser Titel bezeugt
(Revue Egyptol. II p. 266 ff., vergl. Nachtrag p. 51: zwei eißtoßorzor), doch können auch
diese hier nicht in Betracht kommen.
? C.I. Gr. III 4957; vergl. Ruporrr, Rhein Mus. 2 (1828) S. 64ff. und 133 ff.
2>76>T. Gr. II 28024957 Rh.
2rCod. Theod. IX, 32,ı mit Anm. GoTHOFRED’S; vergl. Zosimus (V, 9, 5): Tinarıos
8 N "Odrewg oianreı magmdoIeis amnAauvsro, ur Rus aUrov Önmorias MagensWmoUTYe.
5 Vergl. Mauarrv, on the Flinders Petrie papyri. Dublin 1891 p. 70ff.n. XXV, 2
I
Wone maos u, za Toüs eonuoburazes.
822 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 28. Juli. — Mittheilung v. 24. März.
35. Jahr des Ptolemaeus Philadelphus = 250 v. Chr.) heranziehen, die
nach der Ansicht des Herausgebers protected the frontier of the Oasis from
the invasion of wid desert tribes, which have from lime immemorial troubled
the peace and security of Egypt. Wie man sieht, ist die Wüstenpolizei
schon in früher Zeit in Aegypten sehr ausgebildet gewesen.
Wenden wir uns jetzt zu den an erster Stelle genannten Polizei-
beamten, so treten uns drei (wenn die allerdings nahe liegende Er-
gänzung eilpwap],(aı) das Richtige trifft) mit ganz ähnlichem Titel
bezeichnete Beamte entgegen: 1. eipyvobuAaxss, 2. Em 195 eiomvng, 3. eilpn-
voo]x,(aı), und zwar folgen in der ersten Liste 3 Namen unter dem Titel
emi ING eionuns den vor ihnen genannten zwei eipnvodu(Auxes), während
in der zweiten Liste zuerst 10 Männer &mı rfs eicnuns genannt werden,
denen sich 2 eionvapyaı anschliessen. Die Unterschiede dieser Kate-
gorieen, die man früher als identisch zu betrachten geneigt war, fest-
zustellen, dürfte schwer halten; als duAaxa TNS eiomvns und kurz darauf
MpoeoTüra TAS eioyuns bezeichnet Libanius den dem kleinasiatischen Ire-
narchen einigermaassen entsprechenden Beamten in der arabischen
Stadt Elusa;' eiowapyaı in Aegypten werden, wie mir Hr. WıLcken
nachweist, in einem Berliner Papyrus n. 1485 aus dem ıo. Jahre des
Gallienus erwähnt; mit dem Titel &rı rs eionuns lässt sich zusammen-
stellen der orparmyos Em ris eioyvns in Smyrna,” der demnach von
den Irenarchen wohl zu scheiden sein wird. Schliesslich werden
eipyvixol Ovdbes als Schiedsrichter in einem Wiener Papyrus aus Arsinoe®
der späteren Kaiserzeit erwähnt, die aber vielleicht nicht als stehende
Behörde, sondern, wie die Worte ueowy eipnvixwv dvdpuv ayaday Aan-
deuten, als für den einzelnen Fall bestellte Schiedsrichter zu fassen
sein werden.* — Der Rangunterschied dürfte nicht gross gewesen sein;
bemerkenswerth ist, dass diese sämmtlichen Friedensbeamten in der
Mehrzahl erscheinen, während die Irenarchie in den kleinasiatischen
Städten nicht collegialisch organisirt gewesen zu sein scheint. — Die
auf die eilervaolx(a) in dem zweiten Papyrus folgenden buAuxes aurav
sind schwerlich von den eionvoburaxes des ersten Papyrus verschieden
und im Wesentlichen wohl den kleinasiatischen Diogmiten gleich zu
achten.
Die dpywuxropuraxes mit den ihnen untergebenen huraxss sind
unter diesem Namen neu; dieselben sind vielleicht eine Nachbildung
des vuxrepwös orparmyes in Alexandria mit seinen Untergebenen. Jedes-
1
Vergl. Sitzungsber. 1891 S. 874.
VICE ISLET
Wessery, Wiener Studien 9 S. 266ff.; vergl. Mrrreis, Reichsrecht S. 170.
Der Ausdruck vir bonus ist bei dem arbitrium technisch, vergl. BETHMANN-
Horrwes, Civilprocess 2 S.105 mit Anm. 48.
2
3
4
HırscureLn: Die aegyptische Polizei der römischen Kaiserzeit. 823
falls ist von ihnen der doyıpiraE (mit seinen dvVAaxss) zu scheiden,
der wohl mit dem in Aegyptischen Papyri mehrfach erwähnten! ap%:-
buAaxırys (Emiorarys puAaxırav heisst er in der Inschrift des Obelisken
von Philae) zu identificiren ist: der chef de gendarmerie, wie ihn
Lerronne” erklärt.
Dass diese Polizisten sich, wie bereits L£erronxe” vermuthet hat,
aus Aegyptern recrutirten, beweisen ihre eigenen Namen‘ und die
Namen ihrer Eltern. Sie stehen, wie nicht anders zu erwarten ist,
durchweg in jugendlichem Alter; die Angaben bewegen sich in den
Grenzen von 20—35, nur ein Einziger zählt bereits 48 Jahre, und
man wird vielleicht als Minimalalter zum Eintritt das zwanzigste Jahr
annehmen dürfen. Eine Ausnahme machen jedoch die beiden eı|pn-
vaolx,(&), von denen der Eine 60, der Andere sogar, wenn die Le-
sung sicher ist, 85 Jahre alt ist, was, wie der Titel selbst, auf eine
friedliche Beschäftigung deutlich hinweist.
Die Geldsummen schwanken zwischen 200, 300, 400 Drachmen;
Zwischenstufen innerhalb der Hunderter sind nicht bezeugt. Wäre
es sicher, dass dieselben als Gehaltsstufen zu fassen sind, so wären
gerade diese Angaben von besonderem Interesse, da Zeugnisse über
die Besoldung der localen Subalternbeamten sonst fast gänzlich fehlen.
Jedoch scheint mir mit Rücksicht darauf, dass in derselben Charge
die Gehaltsansätze verschieden sind, die mir von Hrn. Wircken mit-
getheilte Ansicht den Vorzug zu verdienen, »dass unter diesen Drachmen-
summen das Einkommen (r£cpos) der Leute zu verstehen sei, mit dem
sie bei den Steuerbehörden ihrer Ortschaften eingeschrieben waren.
In dem Berliner Papyrus 2286 + 2287, der auch eine Liste von Dorf-
beamten enthält, findet sich der Zusatz zu den einzelnen Namen:
&%,wv mopov mit folgender Drachmenzahl, und derselbe kehrt wieder in
einer Liste von eulrjopsı xai emırndl(e)ioı in dem Berliner Papyrus 689 1«.
Wie bedeutend und mannichfaltig die Polizeiorganisation in Aegyp-
ten gewesen ist, erhellt aus dem eigenartigen Document, dem diese
kurzen Bemerkungen gewidmet sind. Sicher ist dieselbe nicht eine
Schöpfung der Kaiserzeit, sondern geht, wie alle bedeutenderen In-
stitutionen Aegyptens auf die Ptolemaeerzeit,’ theilweise wohl noch
! Vergl. über denselben Sitzungsber. 1891 S.867 mit Anm. 112.
® Papyrus du Lowore p. 165 f.
® Papyrus du Lowvre p.1ı65 Anm. 5: »le chef des phylacites etait Grec; mais dl y
avait des Egyptiens parmi les phylacites eux-memes, peut-etre meme etaient-ils tous Egyptiens.«
* Auch der Name ArorAuvios (s. oben S. 818 Z. 22) gehört, wie die Eltern zeigen,
einem Aegypter an.
° Auf eine energische Reform der Polizei in Aegypten oder wenigstens in
Alexandria durch Ptolemaeus II. Philadelphus deuten die Verse Theokrit's, an die
mich mein verehrter College Vauten erinnert (XV, 46ff.): morA& ro, & Iroreuaie,
824 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 28. Juli. — Mittheilung v. 24. März.
weiter zurück. Wie viel das römische Kaiserreich für Verwaltung,
Steuerwesen und Finanzwirthschaft von dem ihm gerade bei seiner
Begründung zugefallenen aegyptischen Königreich gelernt und über-
nommen hat, tritt mit der wachsenden Einsicht in die inneren Ver-
hältnisse dieses Landes immer deutlicher zu Tage und wir dürfen
die sichere Erwartung hegen, dass aus seinen sich uns endlich er-
schliessenden Archiven auch auf dieses noch so dunkele Gebiet neues
Licht fallen werde.
meroimren ZaA« Eoya, 2 5 Ev aSavaroıs © 0 Ten. oudsıs Hanoegyos Öadsiraı Tov kovra Bar
gegman Alyurrıssi, oia mow 34 araras HERgoTNWuEVOL auöges Erausdov, RAAAAcıS OMcrAor, Rarc
Maiyvıa, mavTES Epwor (das letzte Wort ist allem Anschein nach verdorben; Hr. VABLEN
vermuthet: zaz« mraiyvıc mavres agısroı).
Ausgegeben am 7. September.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
28. Juli. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe.
Vorsitzender Secretar: Hr. Auwers.
l. Hr. Schwenpener las: Zur Kritik der neuesten Unter-
suchungen über das Saftsteigen.
2. Hr. Kunpr legte die umstehend folgende Mittheilung des Hrn.
Prof. A. Gorpsrein hierselbst vor: Über die sogenannte Schich-
tung des Kathodenlichts inducirter Entladungen.
3. Hr. VoeerL überreichte seine als I. Theil des VII. Bandes der
Publieationen des Astrophysikalischen Observatoriums erschienene Ab-
handlung: »Untersuchung über die Eigenbewegung der Sterne im
Visionsradius auf spectrographischem Wege. «
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827
Über die soxenannteSchichtung desKathodenliehts
indueirter Entladungen.
Von Prof. E. GoLDSTEIKN.
(Vorgelegt von Hrn. Kunpr.)
Ds; Kathodenlicht GeıssLer’scher Röhren sondert sich bekanntlich
scheinbar in drei Schichten von verschiedenem Aussehen. In ver-
dünnter Luft z.B. folgt auf eine unmittelbar an der Kathode be-
ginnende chamoisgelbe helle Schicht, deren Dicke gewöhnlich geringer
als ı°” erscheint, eine lichtschwächere Schicht, die man bei hin-
reichender Gasverdünnung in Dicken bis zu etwa 4°” beobachten kann.
Diese Schicht wird von fast allen Autoren als lichtlos beschrieben und
2. B. von Üroores ausdrücklich als dark space, von deutschen Autoren
als dunkler Raum bez. dunkler Kathodenraum bezeichnet. Wiederholt
habe ich darauf hingewiesen, dass ein sehr deutliches Leuchten (in
verdünnter Luft von blauer Farbe) in diesem Raum sich zeigt. Das-
selbe tritt namentlich hervor, wenn man das Licht der angrenzenden
hellen Schichten durch ein geeignetes vor die Entladungsröhre ge-
haltenes Diaphragma abblendet. Das Leuchten erfüllt nicht den ganzen
durch die innere Grenze der dritten Schicht umschlossenen Raum der
zweiten Schicht continuirlich, sondern breitet sich bei mittleren Eva-
cuationen nur nach den Normalen der Kathode, bei starken Ver-
dünnungen auch in etwas gegen die Normalen nach aussen geneigten
Richtungen, stets aber geradlinig begrenzt, anscheinend nur bis zu
der nach der Kathode gekehrten Grenze der dritten Schicht aus.
Ist also die Kathode z. B. eine ebene Kreisscheibe, so bildet das in
der zweiten Schicht wahrnehmbare blaue Licht einen von der ganzen
Fläche der Kathode ausgehenden schwach divergenten Kegelstumpf.
— Misst die anscheinende Dicke der ersten Schicht gewöhnlich
nur einige Millimeter, die der zweiten einige Millimeter oder CGenti-
meter, so dehnt sich die dritte Schicht in leicht erreichbaren Ver-
dünnungen bis zu erheblichen Dimensionen aus und bildet für die
unmittelbare Betrachtung meist die weitaus grösste Masse des Kathoden-
lichts. Die Farbe und die Helligkeit der dritten Schicht sind unter
Sitzungsberichte 1892. 72
828 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 28. Juli.
verschiedenen Versuchsbedingungen nicht ganz constant. Ihre grösste
absolute Helligkeit, gemessen durch die Lichtemission gleicher Gas-
volumina, besitzt sie bei relativ hohen Dichten, in denen sie nur
eine dünne Lichthaut an der Kathode bildet. Mit abnehmender Gas-
dichte nimmt ihre Dicke stetig zu, gleichzeitig die absolute Helligkeit
stetig ab. Sehr viel langsamer nimmt die absolute Helligkeit des
Liehtes der zweiten Schicht mit zunehmender Evacuation ab, so dass
also die relative Helligkeit der dritten Schicht gegen die zweite mit
zunehmender Evacuation sich vermindert. Schliesslich wird die anfangs
bedeutend überwiegende Helligkeit der dritten Schicht geringer als
die der zweiten. Dieser Gang spielt bei weiterhin zu erwähnenden
Erscheinungen eine Rolle. Die Farbe der dritten Schieht nähert sich
einem reinen Blau um so mehr, je grösser die Entladungsdichte ist;
bei geringerer Entladungsdichte wird das Licht violettblau, dann
indigofarben und selbst röthlich.
Die gewöhnliche Auffassung dieses Schiehtungsphaenomens ist nun
die, dass die drei Schichten Theile einer und derselben Strahlung sind
und dass, entsprechend ihrer Bezeichnung als Schichten, jede vorauf-
gehende nur bis dahin reicht, wo die folgende beginnt. Bereits 1886
zeigte ich jedoch in den Sitzungsberichten der Akademie,' dass wenig-
stens die sogenannte »erste Schicht« keine Schicht im Sinne dieser
Auffassung sein kann; denn meine Versuche ergaben, dass sie nicht
blos bis dahin reicht, wo die zweite Schicht zu beginnen scheint,
sondern dass sie entgegen dem unmittelbaren Aussehen, tief in die
beiden andern Schichten hineindringt. Ferner ergab sich, dass ihre
Eigenschaften, namentlich die Art ihrer Ausbreitung, so absolut ver-
schieden von denen des übrigen Kathodenlichts sind, dass die beiden
anderen Schichten unmöglich als Fortsetzung der Strahlen der ersten
Schicht angesehen werden können. Endlich lässt sich die erste Schicht
von den beiden anderen ganz gesondert darstellen. Aus der Gesammt-
heit dieser Ergebnisse folgte, dass die erste Schicht ein besonderes
eigenartiges Strahlungssystem darstellt.
Seitdem dieser Nachweis gelungen, hielt-ich es für wahrscheinlich,
dass auch die beiden anderen Schichten besondere Strahlungen oder
allgemeiner Lichtarten darstellen, welche einander durchdringen, aber
dabei ihre besonderen Eigenschaften behalten. Über die Bestätigung
dieser Vermuthung möchte ich heute berichten.
Der gesuchte Nachweis gelang mir durch die Benutzung con-
caver, regelmässig, z.B. als Kugelkappen geschliffener Kathoden.
Diese Kathodenformen haben die Eigenschaft, die Strahlen der zweiten
! GorpsrEın, Sitzungsber. d. Ak. 1886, S. 691.
Gorpstein: Schichtung des Kathodenlichts indueirter Entladungen. 829
Schicht in ein helles, konisch eonvergentes Bündel zu concentriren,
die geometrische Vertheilung des Lichtes der dritten Schicht dagegen
ungeändert zu lassen. Vermöge der grossen Helligkeit, welche die.
Strahlen durch ihre Concentration erlangen und vermöge der scharfen
Begrenzung des Concentrationskegels wird es deutlich erkennbar, dass
die Strahlen der zweiten Schicht, zunächst also bei concaven Kathoden,
sich in die Masse der dritten Schicht hinein fortsetzen und
die letztere in ihrer ganzen Dicke, bis an ihre äussere
Grenze, durchdringen.
Andererseits nimmt man aber auch wahr, dass die Strahlen der
zweiten Schicht nicht erst da beginnen, wo die erste Schicht aufzu-
hören scheint, sondern dass die Strahlen der zweiten Schicht eben-
falls schon unmittelbar an der Kathodenoberfläche ihren
Ursprung nehmen. Sie durchdringen sich also im Beginne ihres
Verlaufs ebenso mit der ersten
Schicht, wie weiterhin mit der
dritten. Fig.ı zeigt eine Zeich-
nung eines solchen Strahlen-
kegels bei einer an der Convex-
seite isolirten Kugelschale.' Die
Strahlen erscheinen, wo sie
innerhalb der dritten Schicht
verlaufen, ähnlich wie optische
Strahlen in einem etwas trü-
ben Medium. Ihre Farbe ist
bei verdünnter Luft dort was-
serblau, während die dritte
Schicht selbst ein anderes Blau
oder mehr röthliche Farbe
zeigt. Die Strahlen der zwei-
ten Schicht breiten sich innerhalb wie ausserhalb der dritten Schicht
geradlinig aus; nur wenn sie auf eine feste Wand treffen, enden sie
daselbst; sie convergiren bei concaven Kathoden bei nicht zu hohen
Verdünnungen ungefähr nach dem Krümmungsmittelpunkt der Kathode
und gehen dann wieder in einen divergenten Kegel auseinander. Bei
zunehmender Gasverdünnung rückt die Kreuzungsstelle der Strahlen
über den Krümmungsmittelpunkt hinaus, ihre Convergenz wird etwas
! Dass durch Anwendung von concaven Kathoden Concentrationen des Kathoden-
lichts und seiner Wirkungen erzielt werden, ist an sich natürlich nicht neu; unbeachtet
war aber bei den früheren Beobachtungen geblieben, dass die Concentration sich nur
auf einen einzigen Bestandtheil des Kathodenlichts bezieht, der dadurch sich von dem
übrigen Lichte qualitativ sondert.
18)
330 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 28. Juli.
geringer. Geht man von stark gekrümmten concaven Kathodenschalen
successiv zu schwächer gekrümmten über, so gelangt man dazu, die
Fortsetzung der Strahlen der zweiten Schicht durch die dritte hindurch
auch bei ebenen Kathoden, ebenso bei convexen, also ganz allgemein, zu
erkennen. Ist die Kathode z. B. eine ebene Kreisplatte, so fasst das durch
die Erscheinungsbilder der concaven Kathode geschulte Auge mit Leich-
tigkeit zunächst bei geringen Gasdichten die in der dritten Schicht ver-
laufende wasserblau erscheinende Fortsetzung des leuchtenden Kegel-
stumpfes der zweiten Schicht auf. Ebenso kann man die Erscheinung,
wenn man erst darauf aufmerksam geworden, an jeder Drahtkathode
wahrnehmen, wo von jedem Punkt der Oberfläche ein Strahl der
zweiten Schicht sich bei hinreichender Evacuation durch die dritte
hindurch bis zur Gefässwand fortpflanzt. Bei zunehmender Evacua-
tion nimmt bekanntlich die Dicke der zweiten Schicht zu, von un-
messbar geringer Dicke bis, wie ich Eingangs erwähnte, zu einer Dicke
von schliesslich mehreren Gentimetern, und vermindert sich wieder bei
zunehmender Gasdichte. Im Sinne der früheren Auffassung müsste
man annehmen, dass hierbei die die zweite Schicht bildenden Strahlen
wirklich eine Verlängerung oder Verkürzung erfahren; im Sinne der
hier vertretenen Auffassung behalten die Strahlen der zweiten Schicht,
wenn wir uns z.B. ein vom Kathodenlicht bis zur Wandung erfülltes
Gefäss denken, hierbei identische Länge und nur die dritte Schicht
gleitet längs der Strahlen der zweiten hin und her.
Durch die bisherigen Ergebnisse verlieren die Bezeichnungen »erste,
zweite, dritte Schicht« ihre eigentliche Bedeutung, da es sich nicht
mehr um aneinander stossende, aneinander geschichtete Gebilde, son-
dern um Lichtemissionen handelt, die einander völlig durchdringen
und im grössten Theil des Kathodenlichts alle drei den nämlichen
Raum occeupiren. Ich will indess trotzdem für den vorliegenden Auf-
satz die bisherige Bezeichnung als Schichten noch beibehalten, weil
eine neue zweckmässige Nomenclatur, wie ich glaube, noch Rücksicht
zu nehmen hat auf andere neue Strahlungen des Entladungslichts, von .
deren Beschreibung ich heute noch absehe.
Das Eindringen der zweiten Schicht ist nicht bei allen Gasdichten
gleich deutlich unmittelbar wahrzunehmen. Diess hängt mit der oben
erwähnten Erscheinung zusammen, dass die relative Helligkeit der
dritten Schicht gegen die zweite bei höherer Dichte viel stärker ist
als bei geringer, wo die Helligkeit der zweiten Schicht schliesslich
überwiegt. Bei geringer Gasdichte ist daher die Fortsetzung der
blauen Strahlen in die dritte Schicht hinein viel leichter unmittelbar
wahrzunehmen, als bei höherm Druck. Es kann selbst kommen, und
das ist z. B. der Fall bei den Gasdichten, die für Spectralröhren oder
Gorosrein: Schichtung des Kathodenlichts indueirter Entladungen. 831
für als blosse Zierröhren gearbeitete Gefässe angewandt werden, dass
die in der dritten Schicht thatsächlich eingebettet liegende Fortsetzung
der Strahlen zweiter Schicht von der ersteren so überglänzt wird,
dass man ausserhalb der zweiten Schicht, jenseits der inneren Grenze
der dritten, unmittelbar nur das Licht der dritten wahrnimmt. Aber
selbst in diesem Falle kann man sich von dem wirklichen Vorhanden-
sein der Strahlen zweiter Schicht in der ganzen Dicke der dritten
überzeugen, indem man das Kathodenlicht einfach durch ein blaues
Glas von geeigneter Nüance betrachtet, welches die optischen Strahlen
des Lichts zweiter Schicht besser durchlässt als die mehr röthlichen
Strahlen der dritten Schicht. Man kommt so zu dem Schlusse, dass
auch schon bei den stärksten Drucken, bei denen Kathodenlicht auf-
tritt,die Strahlen der zweiten Schicht in der ganzen Dicke der dritten
vorhanden sind. —
Die dritte Schicht erschien bei früheren Untersuchungen stets
als die Hauptmasse des Kathodenlichts; alle am Kathodenlicht beob-
achteten Wirkungen und Eigenschaften wurden daher meist ohne
weiteres als Eigenschaften der dritten Schicht angesehen, gegen
welche die scheinbare Ausdehnung der beiden anderen Schichten so
sehr zurücktrat. Zu diesen Eigenschaften des Kathodenlichts gehören
ausser der geradlinigen Ausbreitung die Fähigkeit an der Glaswand
da, wo das Kathodenlicht auf sie fällt, helle Phosphorescenz zu er-
regen, die Fähigkeit an den bestrahlten Flächen auch starke Erwär-
mung zu erzeugen, die deflectorische Ablenkung des Lichts durch
eine zweite Kathode u. a.
Nachdem sich nun gezeigt hat, dass sich zweite und dritte Schicht
in der ganzen Dicke der letzteren durchdringen, dürfen wir nicht
mehr alle, sei es an der äusseren Grenze, sei es im Innern der dritten
Schicht beobachteten Wirkungen ohne weiteres auf die letztere zurück-
führen, sondern es fragt sich, wie die eben genannten Eigenschaften
des Kathodenliehts sich zwischen die zweite und die dritte Schicht
vertheilen.
Sehr leicht ist nun zu erkennen, dass die dritte Schicht gar nicht
oder nur in äusserst geringem Maasse die Fähigkeit besitzt, Phosphores-
cenz der Gefässwand hervorzurufen, und dass die helle Phosphorescenz,
welche durch das Kathodenlicht verursacht zu werden pflegt, dort
auftritt, wo die Strahlen der zweiten Schicht, vor oder nach der Durch-
dringung der dritten, die Wand treffen. Am frappantesten constatirt
man letzteres bei Benutzung der concaven Kathoden, z. B. einer Kugel-
kappe in einem kugelförmigen Glasgefäss. Ist die Convexseite der
Kathode isolirt, so phosphoreseirt die Glaswand bei geringer Gasdichte
intensiv leuchtend in einer scharf begrenzten Kreisscheibe, die den
832 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 28. Juli.
8 phy
Durchschnitt der Wandung mit dem Strahlenkegel der zweiten Schicht
bildet, welcherletztere durch Helligkeit und Farbe sich bis zu äusserst
geringen Gasdichten von dem umgebenden Theil der dritten Schicht
abhebt. Rings um die intensiv helle Scheibe bespült die dritte Schicht
weithin die Gefässwand, aber das Leuchten der nur von der dritten
Schicht berührten Flächen ist so ausserordentlich matt, dass noch zu
untersuchen ist, ob es nicht überhaupt bloss auf Reflexen beruht.
Ganz analog verhält es sich mit den intensiven Wärmewirkungen des
Kathodenlichts; die Glaswand wird brennend heiss, wo die Strahlen
der zweiten Schicht auf sie treffen; die Wandung bleibt kühl, wo sie
nur vom Lichte der dritten Schicht bespült wird. —
Auf die geradlinige Ausbreitung des Kathodenlichts hat man haupt-
sächlich aus der Beobachtung der Schattenphaenomene geschlossen,
welche im Phosphorescenzlicht auftreten, wenn ein fester Körper
zwischen Kathode und Glaswand angebracht wird.
Wenn nun das Phosphorescenzlicht nicht von der dritten Schicht
erzeugt wird, so werden auch die im Phosphorescenzlicht beobgehteten
Schatten nicht von der dritten Schicht hervorgebracht; also beweisen
die Schatten auch nicht die Geradlinigkeit der letzteren. Ob die dritte
Schicht um die Ecke gehen kann, lässt sich ebenfalls nicht aus den
Phosphorescenzerscheinungen schliessen, die an der Eeke scharf ab-
schneiden, sondern die dritte Schicht selbst muss daraufhin untersucht
werden. Hırrorr macht allerdings Angaben, aus denen man schliessen
kann, dass er auf Grund direeter Beobachtung das Herumgehen der
dritten Schicht um Ecken leugnet.
Dem gegenüber ergeben meine Versuche, dass die bisher der dritten
Fig. 2. Schicht zugeschriebene Eigenschaft der ge-
radlinigen Ausbreitung nur den Strahlen der
zweiten Schicht zukommt, dass hingegen die
dritte Schicht sich auch in geradlinig von
der Kathode aus nicht erreichbare Räume
ausbreitet und um Ecken und Biegungen der
} Entladungsgefässe sich fortpflanzt. Setzt man
IN z. B. die ebene kreisförmige, oder als Kugel-
/ \ kappe gestaltete concave Kathode Ak in den
/ cylindrischen Hals eines sonst kugelförmigen
RL | Ä Entladungsgefässes (Fig. 2), so lässt sich von
N | k aus in die rechts und links von den ge-
EU '/ strichelten Grenzen gelegenen Kappen keine
a Gerade mehr ziehen; gleichwohl werden auch
diese Räume vom Lichte der dritten Schicht ausgefüllt. Z. B. wurde
eine Kugel von 10°” Durchmesser noch vom Lichte der dritten Schicht
. r . . . )6,) 6
Gorpsrein: Schichtung des Kathodenlichts inducirter Entladungen. 333
völlig erfüllt, als in ihrem 18"" weiten cylindrischen Halse eine ro”
im Durchmesser haltende Kathode bis zu 10°" von der Kugelmündung
entfernt war.
Man könnte vielleicht noch vermuthen, dass die dritte Schicht
sich zwar nicht von der Kathode aus, aber doch von ihrer nach der
Kathode gekehrten Grenze aus sich geradlinig verbreite; aber man
findet leicht, dass auch diess nicht der Fall ist; denn schon bei Gas-
dichten, bei denen die Grenze der dritten Schicht weniger als '/,°” von
der Kathode entfernt ist, tritt bei der gedachten Anordnung ebenfalls
die Erfüllung der ganzen Kugel mit dem Lichte der dritten Schicht ein.
Bei Anordnungen des Versuchs, bei denen der Abstand der Kathode
von der Kugelmündung geringer war, oder wenn die Form des Glas-
gefässes nicht hinreichend geometrische Regelmässigkeit hatte, projieirte
ich das Gefäss in natürlicher Grösse auf die Mattscheibe einer photo-
graphischen Camera; man konnte dann durch Anlegen eines Lineals
controliren, wie weit geradlinige Strahlen von der Kathode in die
Kugel reichen können.
Wenn der Schluss, dass die dritte Schicht sich entgegen den
bisherigen Annahmen nicht geradlinig ausbreitet, richtig ist, so folgt
daraus mit gleichzeitiger Berücksichtigung der Thatsache, dass die
zweite Schicht sich geradlinig ausbreitet, eine eigenthümliche Er-
scheinung. Nach dem Vorhergehenden sind in dem von der dritten
Schicht erfüllten Raume, soweit ihn von der Kathode aus Gerade
durchmessen können, auch die geradlinigen Strahlen der zweiten
Schicht vorhanden. Bringt man nun in den von beiden Lichtarten
gemeinsam eingenommenen Raum einen festen Körper, z. B. einen
senkrecht zur vertical gedachten Kathodenaxe in der Gefässkugel von
Wand zu Wand reichenden Glasstab, der auf den Beobachter zugeht,
so werden rechts und links von dem Glasstab sowohl die zweite wie
die dritte Schicht sich ungehindert ausbreiten; die auf den Stab selbst
fallenden Strahlen der nur geradlinig fortschreitenden zweiten Schicht
aber werden aufgehalten; hinter dem Stabe muss also ein Schatten-
raum in der zweiten Schicht entstehen; dieser Schattenraum darf aber
nicht ganz dunkel sein, sondern er muss erfüllt sein mit Licht von
der Farbe der dritten Schicht. Dem entspricht nun der Versuch in
der That. Bei Anwendung verdünnter Luft sieht man wasserblaue
Strahlen bis zum Glasstabe bez. Glasrohr selbst sich erstrecken (Fig. 3),
jenseits derselben aber einen ganz geradlinig begrenzten Raum ein-
schliessen, der von violettblauem oder rothblauem Lichte erfüllt ist.
Ich habe in ca. ı°” Entfernung von einer 12'/,”" im Durchmesser hal-
tenden ebenen Kathode Glasstäbe bez. Röhren von 6”" bis zu 30o"”
Durchmesser gebracht; selbst bei diesen dieken Röhren war der
834 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 28. Juli.
Schattenraum noch völlig vom Licht der dritten Schicht ausgefüllt.
Den aus diesen Versuchen zu ziehenden Schluss, dass die dritte Schicht
keinen Schatten wirft, kann man auch noch direet verifieiren. Ich
brachte bei Anwendung einer concaven Kathode, welche die Strahlen
der zweiten Schicht in einem Kegel zusammenhält, ein Glasrohr in das
neben dem Kegel liegende helle Licht der dritten Schicht. Dann zeigte
sich (Fig. 4) hinter dem Glasrohr gar kein Schattenraum; das röthlich-
blaue Licht umfloss es rings völlig gleichmässig. Wurde aber die
Kathode ein wenig gerückt, so dass wieder ein Theil der konisch
angeordneten Strahlung auf das Glasrohr fiel, so war hinter dem-
selben wieder ein Schattenraum vorhanden, umflossen von wasser-
blauem, erfüllt von Lieht von der Farbe der dritten Schicht.
Wie für die unmittelbare Erkennung der in die dritte Schicht
eingedrungenen geradlinigen blauen Strahlen selbst hat der Gang der
relativen Helligkeit beider Lichtarten auch einen Einfluss auf die un-
mittelbare Erkennbarkeit dieser Schattenphaenomene bei verschiedenen
Gasdiehten. Mit Leichtigkeit erklärt sich aus dem über den Verlauf
der relativen Helligkeitsänderung Gesagten der bei successiv ver-
minderter Gasdichte beobachtete Gang der Schattenerscheinung: bei
verhältnissmässig geringer Gasverdünnung, wenn die dritte Schicht
sehr 'hell ist, ist scheinbar überhaupt kein strahlenleerer Raum vor-
handen; bei etwas geringerer Gasdichte zeigt sich ein erst verwaschener,
undeutlicher, bei wachsender Evacuation immer deutlicher werdender,
von Lieht von der Farbe der dritten Schicht erfüllter Schattenraum; end-
lich bei starker Gasverdünnung wird das den Schattenraum erfüllende
Gorpsrein: Schichtung des Kathodenlichts indueirter Entladungen. 835
Licht immer matter und schliesslich bleibt zwischen den wasserblauen
Strahlwänden ein ganz dunkler Raum.
Nach den vorhergehenden Versuchen ist zu erwarten, dass das
Lieht der dritten Schicht auch in winklig gebogenen Gefässen um die
Ecke herumgehen kann. In der That bestätigt dies der Versuch.
Fig. 5.
In einem wie Fig. 5 gestalteten, innen 22"”” weiten Rohr wurde als
Kathode erst eine 20”” weite Aluminium-Halbkugelschale, dann eine
20”" im Durchmesser haltende Kreisscheibe an derselben Stelle als
Kathode benutzt. Die Strahlen der zweiten Schicht haben in beiden
Fällen nahe der Biegung eine deutliche Grenze. Auch das Phosphores-
cenzlicht schneidet scharf mit zungenförmiger Grenze nahe der Bie-
gung ab. Das Licht der dritten Schicht aber ist nahe 10°” über
die von der Kathode geradlinig erreichbare Grenze in dem langen
Schenkel zu verfolgen. —
Die Frage liegt nahe, weshalb die Thatsache, dass die dritte
Schicht um die Ecke reicht, auch geübten Beobachtern, wie z. B.
Hırrorr, entgehen konnte. Vermuthlich liegt die Erklärung in Fol-
gendem. Bis zur Biegung des Rohres breiten sich zweite und dritte
Schieht zusammen aus, jenseits der Biegung nur die dritte; bis zur
Biegung addiren sich also die Helligkeiten beider Lichter, hinter der
Biegung aber wird die zu beobachtende Helligkeit viel geringer, da
das eine Licht fehlt. Das Auge des Beobachters aber erwartet, so
lange er von der Existenz und dem differenten Verhalten zweier ver-
schiedener Lichtarten nichts weiss, dass die vor der Biegungsstelle
herrschende Helligkeit im Falle des Herumschmiegens der Lichter
sich auch hinter derselben zeigen werde. Ist nun dort das Licht
viel matter, so ist es erklärlich, dass man die geringe Helligkeit
jenseits der Biegung ganz übersieht und auf ein plötzliches Abschneiden
des Lichts an derselben schliesst. Es kommt namentlich auch in Be-
tracht, dass man der Natur des Versuchs nach hier mit sehr langen
Säulen von Kathodenlicht arbeiten muss, also bei ziemlich starker
Sitzungsberichte 1892. 73
836 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 28. Juli.
Gasverdünnung. Gerade dann aber ist, wie ich erwähnte, die relative
Helligkeit der dritten Schicht nicht mehr erheblich.
Eine weitere Versuchsreihe betraf das Verhalten der beiden Lieht-
arten zur Deflexion. Ich hatte mit diesem Namen die Erscheinung
bezeichnet, dass ein Kathodenstrahl, an dessen Weg eine zweite
Kathode gestellt ist, in der Nähe dieser zweiten Kathode aus seiner
Anfangsrichtung um einen oft beträchtlichen Winkel abgelenkt wird.
Da ich zur Zeit, als ich diese Erscheinung auffand und näher unter-
suchte, von der Existenz heterogener Lichtarten im Kathodenlicht noch
nichts wusste, war ich damals auch nicht veranlasst, zu untersuchen,
wie sich das Licht der verschiedenen Schichten hinsichtlich dieser an-
scheinenden Abstossung verhält. Ich habe diese Untersuchung jetzt
nachgeholt und das Resultat erhalten, dass von den beiden Licht-
arten nur die Strahlen der zweiten Schicht der Deflexion unterworfen
Fig. 6. sind, dass die dritte Schicht dieser Ein-
S wirkung nicht in erkennbarer Weise unter-
N best. En wurde 2. B. durch au Kugelgefäss
‚| wie Fig. 6, das eine ebene Kreisscheibe oder
I eine flache Kugelkappe als Kathode enthielt,
| | diametral ein dünner Metalldraht ungefähr ı°”
| > unter der Kathode hindurchgeführt. Durch
äussere Verbindung dieses Drahtes mit der
N / Kathode konnte man ihn selbst ebenfalls zu
RL 7 einer Kathode machen. That man das, so sah
man sehr deutlich, dass die innerhalb der
dritten Schicht in der Nähe des Drahtes verlaufenden wasserblauen
Strahlen der zweiten Schicht rechts und links in grossem Winkel zur
Seite springen, so dass sie einen breit klaffenden Keilraum mit dem
Draht als Kante freilassen, dass aber in diesem von den wasserblauen
Strahlen entblössten Raum das anders gefärbte Licht der dritten Schicht
hell zurückbleibt. Der Einwand liegt nicht fern, dass das in dem Keil-
raum beobachtete röthliche oder indigofarbene Licht zu der Entladung
des Drahtes selbst gehöre. Daher wurde in anderen Versuchen der Draht
mit der Kathode nicht metallisch, sondern nur durch einen feuchten
Faden verbunden. Dann geht von dem Draht nur eine so schwache
Entladung aus, dass sie kein merkliches Licht mehr erzeugt; die Ent-
ladungsstärke reicht aber aus, um eine starke Deflexion der in der
Nähe verlaufenden wasserblauen Strahlen zu bewirken. In dem von
den letzteren dann freigelassenen Keilraum tritt dann hell wieder das
Lieht dritter Schicht auf; soweit erkennbar in nicht geringerer Hellig-
keit als ausserhalb dieses Raumes. — Man kann auch hier wieder
den direeten Beweis liefern, dass das Licht der dritten Schicht nicht
Gorpsrein: Schichtung des Kathodenlichts indueirter Entladungen. 837
der Deflexion unterliegt. Man benutzt als Kathode wieder eine stark
gekrümmte concave Kathode, welche die geradlinigen Strahlen in
einem engen blauen Doppelkegel vereinigt. Bringt man den Hülfs-
drath in irgend eine Stelle des Kegels; so tritt eine der eben be-
schriebenen analoge Erscheinung ein, der Kegel klafft in zwei Stücke
auseinander. Ist der Draht aber so gerichtet, dass er ganz ausserhalb
. des Kegels liegt und nur vom Lichte der dritten Schicht umflossen
wird, so erzeugt die Stromzuführung durch den feuchten Faden keinerlei
Schattenraum in dem den Draht umgebenden Licht; die Anordnung
wie die Helligkeit des letztern werden dadurch in keiner Weise be-
einflusst.
Die zuletzt erwähnten Resultate, dass wohl die Strahlen der
zweiten Schicht, nicht aber die der dritten Schicht geradlinige Aus-
breitung und Schattenphaenomene zeigen, führten zu einer unerwarteten
Erweiterung der Kenntniss von dem secundären negativen Licht,
sowie von dem geschichteten positiven Licht. In den Monats-
berichten der Berliner Akademie zeigte ich 1876,' dass man an einer
beliebig weit von der Kathode entfernten Stelle, mitten zwischen den
positiven Schichten, Lichtbüschel erzeugen kann, die in allen damals
Fig. 8. bekannten wesentlichen Charakteren mit dem
Kathodenlicht übereinstimmten. Um ein solches
Liehtbüschel zu erzeugen, braucht man nur in
den Entladungsweg eine starke Verengung einzu-
schalten, z. B. zwei weitere Theile des Ent-
ladungsraumes durch ein enges Rohr, wie in
Fig. 7. communieiren zu lassen; von der nach
der Anode gekehrten Mündung des Verbindungs-
rohres breitet sich dann ein derartiges Büschel
aus, das ich als secundäres negatives Lichtbüschel
bezeichnete. Die secundären negativen Büschel
haben in verdünnter Luft rothgelbe Farbe, nur
in der direeten Verlängerung des engen Rohres
zeigen sie ein centrales, schmales, schwach di-
vergentes, bläuliches, durch etwas grössere Hellig-
keit ausgezeichnetes Bündel (s. Fig. 8). Bei hin-
reichend starker Gasverdünnung können die se-
cundären negativen Büschel sich zu erheblichen Dimensionen aus-
dehnen, in denen sie Gefässe von mehreren Centimetern Weite und
einigen Decimetern Länge ausfüllen. Die jetzt durchgeführte Unter-
suchung der Schichten des Kathodenlichts führt zu der Frage, mit
&
S]
ee,
! Gorpsreın, Monatsber. der Akademie 1876, S. 279. To
Y)0 N . . . Al 13 .
838 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 28. Juli.
welcher der Schichten des Kathodenlichts diese dem Kathodenlicht
qualitativ aequivalenten Büschel übereinstimmen?
Ich brachte, analog dem S.834 beschriebenen Versuch, in das
centrale blaue Bündel einen senkrecht zu dessen Axe gerichteten Glas-
stab, der etwas schmaler als das blaue Bündel war. Es zeigte sich,
dass die auf den Glasstab fallenden Strahlen des blauen Bündels ab-
gefangen wurden, ganz wie Strahlen der zweiten Kathodenschicht,
und dass sich hinter dem Glasstab ein von den noch übrigen blauen
Strahlen geradlinig scharf begrenzter Schattenraum bildet. Aber
auch dieser Schattenraum ist nieht dunkel, sondern er wird erfüllt
von rothgelbem Lichte, von ganz derselben Farbe, wie das das blaue
Centralbündel umhüllende Büschellicht sie zeigt. Bringt man den Glas-
stab nur in diesen rothgelben Theil des secundären negativen Lichts,
so entsteht gar kein Schattenraum, das Licht umfliesst den Stab gleich-
mässig von allen Seiten.
In einem wie Fig.g gestalteten Entladungsgefäss entwickelt sich
secundäres negatives Licht von der etwa‘ ı'/,”” weiten Öffnung x
Fig. 9. eines einige Millimeter weiten Rohres. Geradlinige
= Strahlen können von der Mündung nur nach der
AN unteren Hälfte der Kugel gehen. Das rothgelbe
| | Licht des secundären negativen Büschels aber
| erhellt auch die obere, von der Mündung abge-
| kehrte Hälfte der ı 1°” im Durchmesser haltenden
x I Kugel bis auf wenige Millimeter von der Wan-
dung. — In einer Röhre wie Fig. 10 breitet sich
von der 2”” weiten Öffnung x secundäres nega-
tives Licht aus; dasselbe erfüllt die ganze 10°”
weite Kugel, trotzdem an der Projeetion der
Röhre auf die Mattscheibe der photographischen
Camera sich erkennen lässt, dass in der Kugel
Kappen von mehr als 2°” Höhe von x aus nicht
geradlinig erreichbar sind. — Endlich geht in
einer wie Fig. ıı geformten Röhre das von der Öffnung x aus-
strömende rothgelbe Licht des secundären negativen Büschels mehr
als 5°” über die äusserste von x aus geradlinig erreichbare Stelle
hinaus. Das centrale blaue Bündel endet dort, wo es in gerader
Richtung auf die Glaswand trifft.
Aus diesen Versuchen schliesse ich, dass auch das secundäre
negative Licht aus zwei heterogenen Lichtarten besteht, einer gerad-
linig sich ausbreitenden, durch feste Wände zu hemmenden, und
einer sich um Ecken schmiegenden Lichtart. Das letztere (in ver-
dünnter Luft rothgelbe) Licht entspricht der dritten Schicht des Ka-
Gorvsrein: Schichtung des Kathodenlichts inducirter Entladungen. 839
thodenlichts, der geradlinige blaue Gentralkegel entspricht den Strahlen
der zweiten Schicht. Nun gehen aber die Büschel des secundären
Fig. 10. Fig. 11.
/
El
negativen Lichts, wenn man die Weite ihrer Ursprungsöffnung suc-
cessiv sich der Weite des umgebenden Gefässes nähern lässt, über
in die Schichten des positiven Lichts, und zwar dergestalt, dass
aus je einem secundären negativen Büschel sich eine einzelne posi-
tive Schicht bildet. Die Continuität der Umbildung lässt vermuthen,
dass auch das positive Licht aus zwei verschiedenen Lichtarten zu-
sammengesetzt ist. Den nähern Nachweis, dass diess wirklich der
Fall ist, beabsichtige ich bei anderer Gelegenheit zu liefern.
Ausgegeben am 7. September.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
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SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
20. October. Gesammtsitzung.
Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs-Reymonv.
l. Hr. Mommsen legte für Hrn. Dr. HırLer von GAERTRINGEN ein
von letzterem bei Aufnahme der rhodischen Inschriften in der süd-
liehen Vorstadt des heutigen Rhodos aufgefundenes Denkmal vor.
- Die Mittheilung folgt umstehend.
2. Hr. Dümmzer berichtete über zwei kürzlich vollendete Bände
der Monumenta Germaniae.
Mit dem als Epistolae III bezeichneten Bande beginnt eigentlich
erst die Reihe der mittelalterlichen Briefe im engeren Sinne, für welche
das Registrum Gregorii gleichsam nur als Vorläufer erscheint. Im
Ganzen ist bei ihrer Ausgabe die Zeitfolge beobachtet, doch so, dass
Briefsammlungen, die in den Handschriften als Ganzes überliefert sind,
nicht zerrissen werden sollen. Der vorliegende Band, dessen Plan
bereits von Hrn. WATTENBAcCH festgestellt wurde, umfasst das Mero-
wingische Zeitalter, beschränkt sich aber nicht auf das Merowingische
Reich, indem auch westgothische und langobardische Briefe Aufnahme
verdienten und fanden. Überdies ist der grösstentheils schon der
Karolingischen Zeit angehörende Codex Carolinus hinzugekommen. Für
diesen wie für die Bonifacische Briefsammlung war durch die Aus-
gaben Jarre's am besten vorgearbeitet worden, die nur durch einige
handschriftliche Vergleichungen und durch, Verwerthung zahlreicher
neuerer Untersuchungen eine Nachlese übrig liessen. Bei manchen
..der übrigen rief die Frage grosse Schwierigkeiten hervor, in wie weit
Sitzungsberichte 1892. 75
842 Gesammtsitzung vom 20. October.
die Barbarei der Handschriften den Verfassern selbst oder nur den
Schreibern zuzutrauen sei, eine Frage, die vielleicht mehrfach in zu
cönservativem Sinne gelöst worden ist. Etwa zwei Drittel dieses
Bandes sind von Hrn. Dr. Gunpracn bearbeitet worden, der seitdem
aus der Reihe der Mitarbeiter ausgeschieden ist. Ungedrucktes enthält
derselbe kaum.
Die Fortsetzung der Poetae aevi Carolini, welche den 3. Band
derselben noch nicht abschliesst. verdanken wir Hrn. Dr. TRAUBE in
München, dessen Leistungen hier besonders hervorgehoben zu werden
verdienen. In der zum ersten Male gedruckten grossen Gedichtsammlung
von S. Riquier sind die einzelnen Theilsammlungen von Mieon, Fredi-
gardus u. a. scharfsinnig herausgeschält und für die Geschichte jenes
wichtigen Klosters ausgenutzt. Auch das für die Philologen namentlich
anziehende Florilegium Micon’s aus älteren Dichtern ist aufgenommen
und erläutert. Den Miracula S. Germani von Heirich, Mönch in
St. Germain zu Auxerre, gehen einlässliche Erörterungen über Leben
und Werke dieses unter den Gelehrten seiner Zeit hervorragenden
Mannes voraus. Dem umfangreichen Gedichte, das früher in inter-
polirter Gestalt gedruckt worden, sind zum ersten Male die nach
manchen Seiten hin interessanten Glossen der Pariser Handschrift
hinzugefügt. Von einem Gedichte «des Bertharius von Monte Cassino
auf den heil. Benediet hat Hr. TraugE sowohl die ursprüngliche wie
die bisher allein bekannte überarbeitete Gestalt veröffentlicht. Zum
ersten Male sind die (redichte Hinemar’s zusammengestellt. Auch. die
übrigen Stücke wie das Leben der heil. Hathumod und die Verse auf
Kaiser Ludwig Il. haben manche schöne Verbesserung erfahren, so
dass eine baldige Fortsetzung dieser so fruchtbaren Arbeiten dringend
zu wünschen ist.
3. Hr. Momnsex legte zwei weitere Abtheilungen der Monumenta
Germaniae vor, und zwar der unter seiner Direetion erscheinenden
Auctores antiquissimi, tomi IX pars posterior, enthaltend die zweite
Abtheilung der chronica minora, bearbeitet von ihm selbst. und tomus X,
enthaltend die Gedichte Claudians, bearbeitet von Hrn. Bırr in Marburg.
Die Akademie hat folgende Mitglieder durch den Tod ver-
loren: den Correspondenten ihrer physikalisch -mathematischen Classe
Hrn. Esrıco Berri in Pisa am ı2. August und die Correspondenten
ihrer philosophisch-historischen Classe Hrn. Marruıas DE Vrıes in Leiden
am 9. August, Hrn. RuporLpn von Inerine in Göttingen am 17. September
und Hrn. Ernest Renan in Paris am 2. October.
Gesammtsitzung vom 20. October. 843
Die physikalisch-mathematische Classe hat zur Katalogisirung der
in der Bibliothek zu Hannover befindlichen mathematischen Manu-
sceripte von Leısnız 282 Mark als die Kosten einer zu gedachtem Zweck
von dem Professor Ü. I. GErHArRnT zu Halle a.S. ausgeführten Reise
nach Hannover bewilligt.
Die philosophisch -historische Classe hat bewilligt: 600 Mark dem
Hrn. Dr. Paur Viereck hierselbst für die im Winter d. J. auszuführenden
Arbeiten bei der Publication der ägyptischen Papyri nach Anweisung
der General-Direetion der K. Museen.
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Rhodische Inschrift.
Von Tu. Monmnsen.
ER Dr. F. HıLLer von GAERTRINGEN hat bei der Aufnahme der rho-
dischen Inschriften ein Denkmal aufgefunden, welches hier in seinem
Auftrag bekannt gemacht wird. Es ist bisher nicht veröffentlicht;
nachträglich ist Hrn. v. Hiller von einem dortigen fleissigen Samnler,
einem griechischen Arzt, Abschrift der ersten Zeilen der Inschrift mit-
getheilt worden. Dieselbe befindet sich in der Vorstadt von Rhodos
“Ayıoı Avdpyupoı südlich von der modernen Stadt in dem unmittelbar
an die türkischen Friedhöfe grenzenden Garten des Hadschi Osman.
Sie ist eingehauen auf einem vielleicht zu einem fortlaufenden Posta-
ment gehörigen Blocke, hoch 93'/,°”, lang 48'/,”, tief 72°. Oben
ist eine wohl durch die spätere Bestimmung des Blockes zum Brunnen-
trog unter Abschrägung der Ränder veranlasste Einarbeitung wahr-
nehmbar; rechts ist er abgearbeitet, wodurch einige Buchstaben ver-
loren gegangen sind. Den Anfang der Inschrift hat ein jetzt fehlender
oberer Block vielleieht von ähnlichen Dimensionen enthalten.
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S46 Gesammtsitzung vom 20. October.
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[HAJovrapgols]| HAowpov Podtos eromae.
Dass das Denkmal den in der zweiten Hälfte genannten fünf
Römern gesetzt sei, wird durch das vorgesetzte ori ausgeschlossen.'
Vielmehr wird der Anfang so, wie oben vorgeschlagen, zu ergänzen
sein: rov deiva mpeoBevcavrs oder Yonuaricavra mori...., so dass die Be-
ziehungen des Geehrten zu fünf römischen Beamten unter den Ehren-
titeln erscheinen, das Denkmal selbst aber einem einzigen Mann ge-
widmet war, dessen Name fehlt, vermuthlich einem der derzeitigen
Häupter der rhodischen Gemeinde. Ausserdem können ein oder
mehrere Personennamen oder auch die Nennung des römischen Volkes
mit dem oberen Stein verloren gegangen sein.
Die fünf in der Inschrift, soweit sie uns vorliegt, genannten
Römer sind: |
ı. L. Cornelius L. f..... praetor pro consule.
Wer hier gemeint ist, weiss ich nicht. Man erwartet einen Statt-
halter der Provinz Asia, nach der aus delischen Inschriften bekannten
Titulatur (Staatsrecht 2°, 650) einen Praetorier mit Consularrang und
! Die mit demselben Künstlernamen oder doch mit dem seines Bruders be-
zeichneten und vielleicht von demselben Coneipienten redigirten rhodischen Basen
(Loewy, Inschriften griechischer Bildhauer n. 194.195) sind in der gewöhnlichen Weise
coneipirt: PıAwregav Agısravanxros “Hiıas Kardızdeüs rav Yuyarspa .... Seors und:
Im AreEußgorida Fov marEon isgoYurcu u... [eureQeia]s Zvexa Tas wor rovs Yeovg [x
@ger|as za eWvorns Hut pıiAodokias raus eis aurous STeoic.
Monnmsen: Rhodische Inschrift. 847
der Stellung nach einen vor Murena die Provinz verwaltenden genannt
zu finden. Allein Murenas unmittelbarer Vorgänger Sulla kann nicht
Frparayos dvSvraros heissen und es könnte dieser auch nicht wohl
von Murena durch einen zwischengesetzten anderen dv$Vuraros getrennt
werden. Da das Denkmal, wie gesagt, wohl nur angesehene Römer
aufzählt, mit denen der Geehrte in Verbindung gestanden hat, so ist
das Fehlen Sullas nicht weiter auffallend und ist es zulässig in den
beiden zuerst genannten Personen vorsullanische Statthalter von Asia
zu erkennen.
2. L. Cornelius L. f. Lentulus pro consule.
Nach der Titulatur sollte man erwarten diese Person in den
Gonsularfasten zu finden, aber diese nennen keinen irgend geeigneten
Mann; der Consul des Jahres 751' führt wohl den gleichen Namen,
kann aber unmöglich gemeint sein. Aber auch wenn das Fehlen des
Frparayos in der Titulatur auf blosse Nachlässigkeit oder etwa darauf
zurückgeführt wird, dass der Betreffende erst nach Ablauf des Amts-
jahres die Statthalterschaft antrat und die Titulatur dvriorpirnyos
dvdumaros dem Uoneipienten missfiel, bietet sich unter den uns be-
kannten Praetoriern des fraglichen Zeitraumes keine passende Persön-
lichkeit; denn der Praetor L. Lentulus, bei dem einige Zeit nach dem
Jahre 665 Q. Metellus Pius eine Anzeige machte (Cicero pro Mur. 5,0),
kann vor Sulla Asia nicht verwaltet haben.
3. L. Lieinius L. f. Murena imperator.
Mit diesem Theil unserer Inschrift zu vergleichen ist die messe-
nische bei Lebas-Foucart n. 318°:
Mmonız
NEYK/JNAIKINION/JEL JO Y
/WMMOYPHNANIMMEPATOPA
TON AMTAZEYEP.EETAN
Beide gelten zweifellos dem Nachfolger Sullas im Commando von
Asia, der den Krieg gegen Mithradates wieder aufnahm und in
Folge dessen wahrscheinlich im Jahre 672 Imperator ward (Cicero
pro Mur. 5,12) und im Jahre 673 triumphirte. Allerdings wird der-
selbe jetzt durchgängig bezeichnet als P. f. so wie sein gleichnamiger
Sohn, der von Cicero vertheidigte Consul des Jahres 692, als L. f. P. n.;
auch in der messenischen Inschrift ergänzt Foucart [HorAı]ov und
bemerkt dazu: je n’ai pu dechiffrer le nom du pere; WMorruv el Acvxiou
seraient egalement possibles. Allein ein altes Zeugniss für den Namen
seines Vaters lag bisher nicht vor. Cicero spricht allerdings im
! Die athenische Basis C. 1. Att. Ill, 586 hat Dittenberger diesem wohl mit
Recht beigelegt.
848 Gesammtsitzung vom 20. October.
Brutus 67, 237. 20, 31ı von einem Redner P.:Murena, welcher’ bei
den Metzeleien des Jahres 672 umkam; aber derselbe braucht nicht der
Vater des Statthalters Murena, sondern kann ebenso wohl ein Bruder
desselben gewesen sein und also der Vater des Statthalters gleich
diesem Lucius geheissen haben, wie unsere Inschrift es fordert. Wir
werden demnach den Triumphator des Jahres 673 zu bezeichnen haben
als L. Liemius L. f. -. n. Murena, den Consul des Jahres 692 als
L. Lieinius L. f. L. n. Murena. — Bemerkenswerth ist noch das wohl
nur in den beiden Inschriften des Murena von Messene und Rhodos
(vergl. Staatsrecht ı°, 123 A.5) begegnende Festhalten des lateinischen
imperator statt des schon von Sulla (im oropischen Deeret) und später
allgemein dafür verwendeten auroxpsrwe. Belege aus vorsullanischer
Zeit fehlen.
4. L. Licinius L. f. Lucullus pro q.
Benennung wie Titulatur passen vollständig auf den bekannten
Feldherrn, welcher, nachdem er eine Reihe von Jahren als Quaestor
oder Proquaestor unter und nach Sulla die Provinz Asia verwaltet
hatte, als Consul im Jahre 680 das Commando gegen Mithradates
übernahm. Die völlig gleichartigen in Delos, Thyatira und Synnada
ihm gesetzten Ehrenbasen (C.I.L. II S. 7237) so wie die Stellung nach
Murena, unter dem er fortfuhr als Proquaestor zu fungiren, machen
es zur Gewissheit, dass auch hier an ihn gedacht werden muss, wie
denn auch keine gleichnamige Persönlichkeit weiter begegnet.
5. A. Terentius A. f. Varro legatus.
Varro, heisst es in den pseudoasconianischen Scholien zu den
Verrinen (zur divin. in Caec. 7, 24) p. 109g Orelli, consobrinus ‚frater
Hortensü, reus ex Asia apud L. Furium praetorem primo de pecunüs
repetundis, deinde apud P. Lentulum Suram (Praetor um 679: Drumann
3,86) est accusatus absolutusque est a Q. Hortensio,; und weiterhin: qui
(Appius Claudius adulescens nobilis) cum accusaret Terentium Varronem
repetundarum ex Asia, vichıs ab Hortensio est, in quo iudicio discoloribus
ceris signa sententiarum notabantur. Ferner bei dem Gronovischen Seho-
liasten (zu act. ı, 6, ı7) p. 398 Orelli: figuram fecit in Hortensium de
Varronis iudieio consobrini eius, quod discoloribus ceris iudicium corrupit,
und bei Horaz sat. 2,1,49, wo der Praetor Turius, bei den Scho-
liasten Gaius Turius oder Turius Marinus genannt wird. Die Notizen’
berechtigen nicht diesen Tereitius Varro unter die Statthalter von Asia
einzureihen; in der rhodischen Inschrift erscheint er jetzt als Legat
des Murena. Einigermaassen bestätigend tritt hinzu das zwischen den
Lieinii Murenae und den Terentii Varrones bestehende Nahverhältniss,
welches uns allerdings nur in der Nomenclatur entgegentritt. Der A. Varro
Murena, der unter den Freunden Ciceros und in der Partei der Pom-
Mommsen: Rhodische Inschrift. 849
peianer auftritt," scheint derselbe zu sein, den unsere Inschrift nennt.
Nicht derselbe, vielleicht sein Sohn ist der Consul des Jahres 73 1
A. Tferentius A. f. Var/ro Murena, wie er in den capitolinischen Fasten
heisst, während er bei den Schriftstellern gewöhnlich Murena oder Varro
Murena genannt,” zuweilen aber auch ihm der Vorname Lxeius? und
der Geschlechtsname Licinüus‘ beigelegt wird. In welcher Weise dies
Nahverhältniss begründet ward, ist nicht überliefert und lässt sich
nicht mit Sicherheit ermitteln: man kann vermuthen, dass L. Murena der
Triumphator vom Jahre 673 ausser seinem gleichnamigen im Jahre 692
zum Gonsulat gelangten Sohn einen zweiten hatte, den er einem A. Te-
rentius Varro in Adoption gab und dass dieser zweite Sohn der Legat
seines leiblichen Vaters in Asia und der Vater des Consuls 731 ge-
wesen ist.
Dass auf Rhodos, welches während des ganzen Krieges mit Mithra-
dates in der Gewalt der Römer geblieben und von dem König ver-
geblich belagert worden war, auch nach dem Friedensschluss von Sulla
Belohnungen erhielt (Appian Mithr. 61), die römischen Beamten in
hohen Ehren gehalten wurden, versteht sich von selbst. Von Betheili-
gung der Rhodier an Murenas verkehrter und unglücklicher Krieg-
führung wird nichts berichtet, und auch unser Denkmal fordert sie
nicht. Gesetzt ist dasselbe nach dem Jahre 672, vor Chr. 82, in dem
Murena den Imperatortitel angenommen haben wird, und wahrschein-
lich vor dem Jahre 680, vor Chr. 74, da Lucullus in demselben noch
als Proquaestor und nach Murena auftritt, als welehen und an welcher
Stelle ein Hellene ihn schwerlich aufgeführt hätte, nachdem er als
commandirender Consul nach Asia zurückgekehrt war. Dazu stimmen
auch sowohl die Titulaturen orparnyss dvSuraros und iurspdrwp wie
die sprachlichen Momente. Bemerkenswerther als der constante Ge-
brauch von Asvxıos und die Form Asvxo[Aros] (Z. 7), über welche Ditten-
berger (Hermes 6 p. 310. 311) gehandelt hat, ist in dieser Hinsicht
die Schreibung Asvreros (Z. 4), vergleichbar dem Neuss (Dittenberger
a.a.O. S. 297), aber hier zum ersten Mal begegnend.
Von demselben Bildhauer, der die Statue dieser Basis gefertigt hat.
Plutarchos dem Sohn des Heliodoros rührt, wie schon S. 846 A. ı
bemerkt ward, eine zweite ebenfalls auf Rhodos gefundene (Loewy
Inschriften griech. Bildhauer n. 194) her; zwei andere (daselbst n. 195.
! Varro Murena: Cicero ad fam. ı3, 22. A. Varro: Cicero ad fam. 16, ı2, 6,
Caesar b. c. 3, 19.
? Terentius Varro: Strabon 4, 6,7 p. 206; Dio 53, 25.
® Velleius 2, 91: L. Murena.
* Dio 54, 3: Licinius Murena. Horatius carm. 2, 10: Iicinius, wie man annimmt,
derselbe.
Sitzungsberichte 1892. 76
850 Gesammtsitzung vom 20. October.
ı96) gehören demselben Künstler oder seinem Bruder Demetrios.
Diese bisher für uns zeitlosen Denkmäler empfangen durch den neu-
gefundenen Stein ihre Datirung. Es ist dies, wie der Entdecker
schreibt, von Bedeutung für die Palaeographie und die Kunstgeschichte
von Rhodos: Loewys Zeitansätze (a. a. ©. S. 127) werden durch das
feste Datum, das dieses Denkmal gewährt, um etwa achtzig Jahre
heruntergerückt. Die weitere Ausführung wird von ihm selbst seiner-
zeit gegeben werden.
Ausgegeben am 27. October.
Berlin. gedruckt in der Reichsdruckerei.
851
1892.
ALM.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
27. October. Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe.
Vorsitzender Seceretar: Hr. E. vu Boıs- Revnmonv.
1. Hr. v. Heımnortz 'las über die
elektromagnetische
Theorie der Farbenzerstreuung.
Die Mittheilung wird später erscheinen.
2. Hr. Scnuurze legte die umstehend folgende Mittheilung des
Hrn. A. GoETTE in Strassburg vor über die Entwickelung von
Pelagia noctluca.
Sitzungsberichte 1892.
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Über die Entwickelung von Pelagia noctiluea.
Von Prof. A. GoETTE
in Strassburg.
(Vorgelegt von Hrn. Schurze.)
B:i meinem Studienaufenthalt in Neapel, im Herbst 1891, wozu mir
die Königliche Akademie der Wissenschaften in dankenswerther Weise
die Mittel gewährte, sollte u. A. die Entwickelung gewisser Nessel-
thiere verfolgt werden. Die zunächst in’s Auge gefassten Formen
ergaben jedoch in jener Zeit eine ungenügende Ausbeute, so dass ich
mich entschloss, die Zucht der in Neapel ziemlich häufig anzutreffenden
Pelagia noctiluca zu versuchen. Meine Wahl fiel auf diese Meduse,
weil ihr nach den Angaben von Kroun, Asassız, KOwWALEVSKY und
METscnnIKorr die unter dem Namen »Scyphostoma« bekannten Larven-
stadien anderer Sceyphomedusen durchaus fehlen sollten, und weil
dieser Unterschied noch in auffallender Weise gesteigert erschien, seit-
dem ich nachgewiesen hatte, dass die Seyphostomen sich auf einer
ganz anderen Grundlage entwickelten, als man früher angenommen hatte.
Nach meinen früheren Untersuchungen besitzen die jüngsten Larven
von Aurelia und Cotylorhiza den unverkennbaren Bau eines Anthozoons
oder Seyphopolypen, so dass der centrale, von den vier Magentaschen
umgebene Schlund ektodermal ist und sein Innenraum von den Taschen-
räumen durch eine Doppelwand, nämlich des Schlundektoderm und
die anliegende Taschenwand getrennt wird. Wo diese vier Doppel-
wände oder »Taschenvorhänge« in der Tiefe mit freiem Rande auf-
hören, communiciren sowohl die Taschen wie der Schlund mit dem
Centralmagen (Östien-Schlundpforte). Dieser ursprüngliche Bau der
Jungen Larve oder des polypoiden. Scyphostoma verwandelt sich früher
oder später — bei Aurelia spätestens im achtarmigen Stadium — in
den Bau des medusoiden Scyphostoma, indem die beiden Blätter der
Taschenvorhänge auseinandergezogen werden und das ektodermale
Peristom sich in die dadurch entstandene Bucht, also zwischen Schlund
und Magentaschen einsenkt und mit ihnen in Berührung tritt (Sub-
umbrella). Infolge dessen liegt die frühere Innenwand der Magentaschen
Al
854 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 27. October.
unmittelbar unter der peripheren oder distalen Zone der Subumbrella
und das Schlundektoderm unter ihrer proximalen Zone bis zum Mund-
rande, so dass er auch die Auskleidung des röhrenförmig vortretenden
Mundrandes oder der Proboseis bildet.
Durch diese Metamorphose ist die frühere Gestalt des Schlundes
und der Taschenvorhänge allerdings aufgelöst, ihr Substrat aber weder
verschwunden, noch etwa dessen wichtigster Theil, das Schlundektoderm,
zum Munde ausgestülpt, wie seither auf Grund ungenauer Nachunter-
suchung angenommen wurde. Das Schlundektoderm bleibt vielmehr
als Auskleidung umfänglicher Darmabschnitte im Inneren zurück, wenn-
gleich es sich später von dem Entoderm der Magentaschen und des
Uentralmagens gewöhnlich nicht mehr unterscheiden lässt.
Das Wesentliche aller meiner Befunde war aber nicht sowohl das
letzte Schicksal des Schlundektoderms als der Nachweis, dass erstens
das Scyphostoma nieht in der beschriebenen metamorphosirten Form,
in welcher es in der Regel allein bekannt war, aus der Gastrula
unmittelbar hervorgehe, sondern dass vorher der. complieirtere antho-
zoon-äÄhnliche Bau durchlaufen werde; zweitens dass dabei die Strahl-
gliederung der Larve mit den Magentaschen beginne und fortschreite,
während die Tentakel, welche früher als die eigentlichen Träger der
Gliederung galten, erst secundär über den schon vorhandenen einzelnen
Taschen entständen, und dass auch die Magenfalten eine Folge der
Taschenbildung wären und nicht umgekehrt.
Auf meine übrigen Angaben über die Septaltentakel, Septaltrichter,
Ephyrabildung u. s. w. werde ich noch zurückkommen.
Im Gegensatz zu dieser Entwickelung der Aurelia und Cotylorhiza
sollte nur diejenige von Pelagia so verlaufen, dass ihre Gasirula, mit
Übergehung der Seyphostomastadien, durch unwesentliche Verände-
rungen und ziemlich unvermittelt zur Ephyrabildung hinüberführte.
Das Prostoma sollte zum definitiven Munde werden, der Urdarm sich
dem äusseren Ektoderm anlegen und in einem gewissen Abstande vom
Munde sich in erst kreisförmig angeordnete Blindsäckchen ausstülpen,
welche in entsprechende Vorsprünge des äusseren Ektoderms ein-
wüchsen und so die Ephyralappen bildeten.
Wie man sieht, unterscheidet sich die Entwickelung der Pelagia
nach dieser Darstellung von der Entwickelung der Aurelia und anderer
Diseomedusen, sowie sie früher angenommen wurde, nur darin, dass
bei Pelagia die Tentakel und die Magenfalten, die damals vermeintlich
einzigen charakteristischen Merkmale der Seyphostomen, vermisst
wurden. Diese Kürzung in der Entwickelung der Pelagia hatte daher
bei der damaligen Ansicht keine weitere Bedeutung, da die Grund-
lagen der Ephyra in beiden Fällen dieselben blieben, insbesondere der
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Gorrre: Über die Entwickelung von Pelagia noctiluca. 855
ganze Darmraum aus dem Urdarm, der Mund aus dem Prostoma her-
vorgehen sollte. Anders gestaltete sich die Sache infolge meiner eben
eitirten Befunde. Es ergab sich eben der Gegensatz, dass Aurelia und
Cotylorhiza in ihren Seyphostomen nicht nur die Tentakel und Magen-
falten sowie einige andere Einzeltheile vor den Pelagialarven voraus-
hatten, sondern eine durchaus anthozoonähnliche Larvenform, welche
in der Metamorphose nicht spurlos verschwand, sondern das Schlund-
ektoderm als Auskleidung ansehnlicher Darmtheile zurückliess, während
durch den angeblichen Ausfall dieser wie jeder anderen Vorfahrenform
bei Pelagia der ganze Darm dieser Meduse von Anfang an und dauernd
entodernal blieb.
Ein soleher Gegensatz zwischen nahverwandten Formen, wie es
Aurelia und Pelagia sind, ist so ungewöhnlich, dass er naturgemäss
Zweifel an der Richtigkeit der einschlägigen Beobachtungen hervor-
rufen muss. Und da gerade meine eigenen Untersuchungen die Ursache
jener Zweifel sind, so lag es nahe genug, dass ich selbst die Entwiekelung
von Pelagia einer neuen Prüfung unterzog. Dabei stellte sich nun heraus,
dass jener vermeintliche Gegensatz gar nicht existirt, indem Pelagta
in allen wesentlichen Punkten sich so entwickelt, wie ich
es bei Aurelia und Cotylorhiza gefunden habe, und nur in
weniger belangreichen Dingen abweicht. Gewisse Befunde bei Prelagia
liessen es mir aber wünschenswerth erscheinen, sofort Controlunter-
suchungen an der gleichzeitig in Neapel vorkommenden Cotylorhiza
vorzunehmen, deren Ergebniss ich voranstelle, weil es meine früheren
Befunde in erfreulicher Weise ergänzt.
Die erste Anlage des Schlundes und der Magentaschen der Haupt-
ebene fand ich bei Cotylorhiza jetzt genau so wie ich es früher angegeben
habe. Daran reihten sich Larven (A), in denen beide schlauchförmigen
Taschen noch unverändert dem Schlunde dicht anlagen, während er
in den Centralmagen bereits durchgebrochen war, d.h. eine Schlund-
pforte gebildet hatte. Selbstredend waren dabei die Taschenvorhänge
der Hauptebene in der früher bezeichneten Art hergestellt. Während
ich aber das zweite Taschenpaar der Querebene früher bei Aurelia und
Cotylorhiza aus dem Centralmagen, unter der Schlundpforte, hervor-
gehen liess, sodass alle vier und in der Folge überhaupt alle Taschen
entodermal schienen, habe ich nunmehr bei Cotylorhiza und, wie ich
gleich hinzufügen will, ebenso bei Pelagia feststellen können, dass
das zweite Magentaschenpaar aus dem Schlunde selbst, also
356 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 27. October.
aus einem ektodermalen Theil entsteht und nebst allen
seinen späteren Erzeugnissen ektodermal bleibt.
Natürlich schränkt dieser wichtige neue Befund weder die An-
thozoonähnlichkeit unserer Larven noch meine frühere Ansicht von
dem Verbleib des Schlundektoderms ein, sondern erweitert und sichert
nur die letztere. Dazu kommen aber noch weitere Belege.
Neben solchen Larven von Cotylorhiza, wie ich sie eben beschrieb,
fand ich andere (5) mit einem etwas abgeänderten Entwickelungsverlauf.
Bevor nämlich die Schlundpforte sich geöffnet hatte, war der Schlund
wenigstens in die eine der mit ihm verlötheten entodermalen Magen-
taschen durchgebrochen und war somit die Anlage eines Taschen-
vorhanges der Länge nach bis auf einen kleinen oberen Rest gespalten.
Diese Spaltung setzt sich sodann auf den Boden des Schlundes fort
(Schlundpforte) und von dort aus auf den gegenüberliegenden Taschen-
vorhang.
In solchen Fällen erscheinen der röhrenförmige Schlund und die
Taschenvorhänge, sowie beide Taschen der Hauptebene gleich nach
der Bildung der Schlundpforte ausserordentlich redueirt, ohne dass sie
Jedoch wirklich verschwinden, bez. zum Munde ausgestülpt wären. Sie
sind vielmehr wegen der angegebenen senkrechten und doppelseitigen
Spaltung allerdings nur in ihren obersten Abschnitten kenntlich ge-
blieben — der Schlund als kurze Röhre, die Taschen als kurze Blind-
säcke und die dazwischenliegenden Taschenvorhänge als ebenso kurze
Falten; in ihren grösseren unteren Abschnitten sind sie dagegen mehr
oder weniger unkenntlich verwandelt — die geschlossenen Taschen in
offene Rinnen, die Taschenvorhänge in die wulstigen Rinnenränder oder
Magenfalten, das übrige Schlundektoderm in zwei getrennte, einander
gegenüberliegende Buchten, welche um dieselbe Zeit sich in das zweite
Magentaschenpaar umbilden.
Zur weiteren Bestätigung dieses Thatbestandes dient noch der
Umstand, dass während der beschriebenen Metamorphose die gewal-
tige Verschiedenheit der ektodermalen und der entodermalen Theile
noch recht deutlich ist und ihre Ausbreitung erkennen lässt.
Eine solche seitliche Spaltung des Schlundes u. s. w. kann natür-
lich völlig einwandsfrei nur festgestellt werden, wenn sie, wie in
den Larven 5 vor der Eröffnung der Schlundpforte oder zuerst ein-
seitig erfolgt und deshalb nur in das Gebiet des Schlundes verlegt
werden kann. In den Larven A kann die nachträgliche Spaltung der
Taschenvorhänge von der Schlundpforte aufwärts wenigstens in ihrem
Effect auch als eine blosse Verkürzung des Schlundes, der Taschen
und Vorhänge durch Zusammenziehung aufgefasst werden, und da
ich bei Aurelia die Larvenform -B nicht angetroffen habe, sondern
Tr . » . . Rr7
GorrrE: Über die Entwickelung von Pelagia noctiluca. 857
nur die Form A, so versteht sich, dass ich dort eine solche Ver-
kürzung durch Zusammenziehung annahm, während mir jetzt die
bloss scheinbare Verkürzung der genannten Theile infolge ihrer Spal-
tung ebenso sicher erscheint wie die ektodermale. Entstehung des
zweiten Magentaschenpaars.
Für den weiteren Fortgang der Entwickelung sind die Unter-
schiede der beiden Larvenformen A und D belanglos, weil schliesslich
in beiden Fällen die ursprünglichen Theile in der gleichen Weise bis
zur Unkenntliehkeit verwandelt werden. Die wesentliche Bedeutung
dieser beiden Larvenformen liegt dagegen in folgenden zwei Punkten.
Die Larvenform A ist die ursprünglichere, weil sie den Antho-
zoonbau vollständig hervortreten lässt, bevor seine Rückbildung mit
der Spaltung beginnt: in der Larvenform B kommt aber jener Bau
nicht zu gleicher Vollendung, weil seine wichtigsten Anlagen, das
erste Magentaschenpaar, der Schlund, die Taschenvorhänge sich zu
spalten und somit zurückzubilden anfangen, bevor die Schlundpforte
den Anthozoonbau ganz fertiggestellt hat. Bei Aurelia ist bisher nur
die Larvenform A angetroffen und erfolgt die Metamorphose unter
Umständen erst in der achtarmigen Larve; bei Cotylorhiza folgt nur
ein Theil der Larven dem Typus A, der andere Theil dem Typus 5,
und überall vollzieht sich die Metamorphose frühzeitig. Folglich
bewahrt Aurelia die Vorfahrenform am vollkommensten und längsten,
während sie bei Cotylorhiza zum Theil nur unvollkommen erscheint
und früher vergeht. Es bestätigt sich somit das, was ich schon
einmal aussprach (Craus und die Seyphomedusen S. 60), und ergiebt
sich ferner der praktische Schluss, dass Aurelia über die Vorfahren-
form leichter und vollständiger Auskunft giebt als Cotylorhiza.
Dagegen hat die Entwickelung von Cotylorhiza ihre Vorzüge in
einer anderen Richtung, welche freilich nur dann zu verwerthen sind,
wenn die Untersuchung an den jüngsten Larven eingehend, mit Hülfe
von Längs-. und Querschnitten vorgenommen und nicht auf die An-
sicht einiger ganzer Larven beschränkt wird. Denn gerade die Larven
B lassen die Metamorphose der ursprünglichen Anlagen am besten
verstehen und gleichzeitig die Ausbreitung des Schlundektoderms bis
in das zweite Magentaschenpaar und längs der vier Magenfalten er-
kennen: woraus mit grösserer Bestimmtheit sich ergiebt, dass das
Schlundektoderm unmöglich aus dem Innern der Larve verschwinden
oder sich ausstülpen kann, weil damit gleichzeitig auch die Magen-
taschen der Querebene, die Magenfalten und nothwendigerweise die
mit ihnen zusammenhängenden übrigen Magentaschen ausgestülpt,
d. h. die ganze innere Organisation der Larve aufgehoben werden
müsste.
7-4 Ze % s 3 <
858 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 27. October.
Von sonstigen Befunden an den Larven von Cotylorhiza erwähne
ich nur kurz, dass ich die Bildung ihrer Septaltrichter und den Ur-
sprung der Septaltentakel aus dem zweiten Magentaschenpaar allein
lediglich habe bestätigen können.
Nach diesen Ergänzungen meiner früheren Untersuchungen an
Aurelia und Cotylorhiza ist die Entwickelung von Pelagia leicht zu
verstehen, da ich von ihr schon erwähnte, dass sie entgegen den
Angaben von Kronn u. A. im wesentlichen ebenso verläuft wie bei
den erstgenannten Medusen, insbesondere bei Cotylorhiza.
Dies zeigt sich schon an der eben ausgeschlüpften Schwärmlarve,
welche als eine verlängerte Gastrula mit relativ kurzem Urdarm be-
zeichnet werden kann, sodass die aborale Hälfte des Ektodermschlauchs
nur eine mit Flüssigkeit gefüllte Höhle umschliesst. Denn sehr bald
schliesst sich das Prostoma und stülpt sich seine ganze Umgebung
zum Schlunde ein, sodass das Prostoma, statt sich in den Mund zu ver-
wandeln (KowALewsky), nur die Stelle bezeichnet, wo sich später am
Boden des Schlundes die Schlundpforte öffnete, während der eigent-
liche Mund mit der Einstülpungsöffnung des Schlundes identisch ist.
Unterdessen hat sich der Urdarm ebenso wie ich es für Aurelia
und Cotylorhiza angab, in den Centralmagen und die beiden schlauch-
förmigen Magentaschen gesondert, jener unter dem Schlunde gelegen,
diese vom Üentralmagen aus den Schlund in der Hauptebene zwei-
seitig umgreifend. Es ist bemerkenswerth, dass diese beiden Magen-
taschen bei Pelagia ungleich entstehen, indem eine von ihnen sich
gleich anfangs vom Centralmagen völlig abschnürt, um nach einiger
Zeit sich wieder mit ihm zu verbinden. Der Schlund verlöthet seit-
lich mit beiden Magentaschen und an seinem Boden mit dem Üentral-
magen. Durch die Aneinanderreihung des Schlundes und beider
Magentaschen in der Hauptebene verbreitert sich die Larve in der
letzteren und wird in der Richtung der Querebene schmaler, also
abgeplattet.
Der Schlund erweitert sich darauf sehr bedeutend. Dabei bleibt
sein Eingangstheil etwas halsartig verengt und röhrenförmig (Schlund-
rohr); der weitere untere Theil bricht in die Magentaschen (Ostien)
und den Centralmagen (Schlundpforte) durch wie bei den Larven BD
von Cotylorhiza, sodass auch rudimentäre Taschenvorhänge entstehen.
Die beiderseitige Ausbuchtung des Schlundes in der Querebene ver-
wandelt sich ebenfalls in das zweite Magentaschenpaar, welches daher
nebst seinen Grenzrändern (Magenfalten) ektodermalen Ursprungs ist.
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GorrrEe: Über die Entwickelung von Pelugia noctiluca. 859
Allerdings lassen sich an den Larven von Pelagia das Ektoderm und
das Entoderm der Darmanlagen durch gewebliche Merkmale nicht
gegeneinander abgrenzen, weil die Zellenbildung bei der gewöhnlichen
Praeparation undeutlich bleibt. Dafür kann man die ganzen Larven
sehr schön aufhellen und dadurch die geschilderte Verwandlung des
Schlundes in allen Stadien im Ganzen übersehen.
Während der Entwickelung des zweiten Magentaschenpaars hat
sich die Larve auch äusserlich verändert. Die zwei kleineren ento-
dermalen und die zwei grösseren ektodermalen Magentaschen, welche
durch tiefe Kerben gesondert bleiben und längs der Mittellinie
je eine äussere Kante entwickeln, übertragen diese Bildung auf
‚das äussere Ektoderm, d. h. die Larve wird in der ganzen Ausdeh-
nung der Taschen zwischen dem Schlundrohr und dem ÜUentralmagen
vierkantig. Ferner plattet sich ihr ovales Ende ungefähr bis zur
mittleren Höhe der Taschen ab, wodurch auch diese letzteren unter
dem Rande der Endfläche oder des Peristoms, bez. der künftigen
Subumbrella eine Biegung erfahren. An dieser Biegung behalten die
Taschen ihre grösste Tiefe; ihre darunter liegenden exumbralen Hälften
werden allmählich so flach, dass sie eigentlich nur an ihren mittleren
Kanten kenntlich bleiben. Dasselbe gilt auch für die oberen sub-
umbralen Taschenhälften, deren Kanten auch äusserlich vier radiale
Kanten des Peristoms oder der Subumbrella und dazwischen natürlich
vier interradiale Vertiefungen, die letzten Reste der Septaltrichter,
hervorrufen. Die Reste der Taschenvorhänge gleichen sich dann
ebenso wie bei Cotylorhiza, aus.
So wie die Strahlgliederung der Larve mit den vier ersten Magen-
taschen begann und von diesen erst nach aussen übertragen wurde,
so hängt auch die weitere Gliederung von einer Vermehrung der
Taschen ab. Diese geht aber nicht durch irgend welche Halbirungen,
sondern durch ungleichmässige Theilungen vor sich. Auf das vier-
zählige Stadium folgt ein achtzähliges, indem die zwei ektodermalen
und grösseren Taschen durch Dreitheilung in je eine mittlere (radiale)
und zwei seitliche (interradiale) Taschen zerfallen, während die zwei
ektodermalen Taschen noch unverändert bleiben. Längs den vier
neuen interradialen Taschen entstehen entsprechende äussere Kanten
zwischen den vier alten, so dass die Larve nunmehr achtkantig er-
scheint. Nur gehen diese neuen Taschen und Kanten über den Pe-
ristomrand nicht hinaus, weshalb das Peristom die vierzählige Gliede-
rung behält.
Die Entstehung der interradialen Taschen von Pelagia verdient
ein besonderes Interesse deshalb, weil der Ursprung der interradialen
Taschen von Aurelia und Cotylorhiza durchaus nicht ebenso leicht zu
860 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 27. October.
verfolgen ist. Allerdings hatte ich gerade zuerst bei diesen letzteren Me-
dusen gefunden, dass ihre vier Interradialtaschen als Träger der Septal-
tentakel dem zweiten Magentaschenpaar angehörten; infolge gewisser
Eigenthümlichkeiten der bezüglichen Seyphostomen ist aber ein solcher
Nachweis nicht in jedem Fall durchzuführen, wesswegen auch ab-
weichende Ansichten Platz griffen. Diese Unsicherheit dürfte durch
den genannten Befund bei Pelagia beseitigt sein.
Zu den radialen und interradialen Taschen kommen noch acht
Adradialtaschen, welche ebenfalls dureh Dreitheilungen sich von den
vier Radialtaschen abgliedern. Der Rythmus der Taschenbildung und
folglich auch der Strahlgliederung ist also folgender: ı. zwei radiale
Taschen der Hauptebene (entodermal), 2. zwei radiale Taschen der.
Querebene (ektodermal), 3. vier Interradialtaschen durch Dreitheilung
der letzteren (ektodermal), 4. vier Adradialtaschen durch Dreitheilung
des ersten Taschenpaares (entodermal), 5. vier Adradialtaschen des
zweiten radialen Taschenpaares (ektodermal) — im ganzen sechs ento-
dermale und 10 ektodermale Taschen.
Die acht radialen und interradialen Taschen entwickeln unter dem
Scheibenrande je einen Blindsack oder eine Randtasche, welche als-
bald zu einer Lappentasche auswächst, indem sie das Randektoderm
in Form eines Lappens (Stammlappen der Ephyra) vortreibt. Die
acht Adradialtaschen setzen sich ebenfalls in Randtaschen fort, welche
aber keine eigenen Lappen bilden. Dafür treiben sie jederseits einen
soliden Hügel hervor, welcher in den benachbarten Lappen hinein-
wächst und sich in eine Medusoidplatte verwandelt.
Ausser den Tentakeln fehlte der Larve von Pelagia auch ein
eigentlicher Stiel, allerdings kann der lange und weite Ektoderm-
schlauch, aus welchem der aborale Abschnitt der Larve besteht, als
ein rudimentäres Homologon eines Stiels gelten, er diente aber mit
seiner Bewimperung gerade der Bewegung, welche bis zur Herstellung
der Ephyrascheibe in derselben Weise fortgesetzt wird. Dann zieht
sich dieser konische Schlauch zusammen und geht unter schneller
Verkürzung in die Exumbrella über.
Die Proboseis tritt erst an der fertigen Ephyra hervor, nachdem
der Mund sich bis dahin stetig verengt hatte. Sie ist anfangs rund,
wird aber dadurch viereckig, dass die vier radialen Kanten des Pe-
ristoms, welche von den oberen Hälften der vier ersten Magentaschen
herrühren, sich bis zum Mundrande fortsetzen. Daher erscheint die
vierzählige Gliederung an der Proboseis und den Mundarmen als eine
unmittelbare Fortsetzung der ersten Gliederung überhaupt, während
die ebenfalls vierzählig auftretenden Filamente als spätere und inter-
radiale Bildungen dieselbe Gliederung nur mittelbar wiederspiegeln.
GorrrE: Über die Entwickelung von Pelayia noctiluca. 861
Nach Allem darf die Übereinstimmung in der Entwiekelung von
Pelagia einerseits und von Aurelia und Cotylorhiza andererseits als eine
sehr weitgehende bezeichnet werden. Von der Bildung eines Sey-
phostoma fehlen den Larven von Pelagia nur die Tentakel und die
Triehtermuskel vollständig, während der ganze innere Bau eines Sey-
phostoma und der Verlauf seiner Strahlgliederung, sowie ich sie bei
den anderen Medusen darstellte, bei Pelagia wiederkehrt. Freilich
erscheinen die einzelnen Theile oft nur in rudimentärem Zustande;
dies zeigt sich aber schon in den Seyphostomen von Cotylorhiza, so
dass man geradezu in Aurelia, Cotylorhiza und Pelagia drei Stufen in
der Rückbildung der anthozoon ähnlichen Vorfahrenformen der Scy-
phomedusen erblieken kann. DBeruht aber das Charakteristische der
Scyphostomen gerade in den wesentlichen Zügen jener Vorfahrenform,
also in dem bezüglichen inneren Bau, so besitzen die Larven von
Pelagia trotz mancher Rückbildungen in der That die Bildung von
Sceyphostomen.
Ausgegeben am 3. November.
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1892.
XLIN.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
27. October. Sitzung der philosophisch-historischen Ulasse.
Vorsitzender Secretar: Hr. Monmnsen.
Hr. Kırcnnorr las: Der Roman eines Sophisten.
Die Mittheilung folgt umstehend.
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Der Roman eines Sophisten.
Von A. KırcHHorr.
iR den Versen 649—662 der "Werke und Tage’ findet sich der
Dichter veranlasst ausdrücklich zu erklären, dass er die 648 (de&zw
N ra nerpa moAubAcıo Bao Saracoys) in Aussicht gestellten Anweisungen
lediglich auf Grund der theoretischen Kenntnisse von diesen Dingen
ertheilen werde, welche er der Eingebung der Musen verdanke, da
er von Schifffahrt und Schiffen aus eigener Erfahrung so gut wie gar
nichts wisse, weil er bis jetzt erst einmal zur See gewesen bei Ge-
legenheit einer Überfahrt von Aulis nach Euboea, und erzählt im
Anschluss hieran beiläufig, welche Umstände ihn zu dieser Fahrt ver-
anlasst hätten: er sei nach Chalkis gegangen zu den Leichenspielen
des Amphidamas, angezogen durch die zahlreichen Kampfpreise, welche
von den Söhnen des Verstorbenen ausgesetzt gewesen, und er könne
sich rühmen, im Vortrage -(duvw) den Sieg davongetragen und als
Siegespreis einen Dreifuss zugesprochen erhalten zu haben, welchen
er dann nach seiner Heimkehr den Helikonischen Musen als Weih-
geschenk an dem Orte aufgestellt, an welchem er einst durch sie die
Dicehterweihe erhalten habe.
Als der Dichter, gleichviel in welchem Sinne und zu welchem
Zwecke, diese Mittheilung über ein persönliches Erlebniss einzu-
fleehten für gut fand, hat er keine Ahnung davon gehabt, welches
Unheil er dadurch über sich selbst und andere heraufbeschwören
sollte. Zunächst und an erster Stelle hat er selbst seine harmlose Red-
seligkeit bitter zu büssen gehabt. In der ersten Hälfte des 4. Jahr-
hunderts erkor sich ein Sophist die Erzählung des Dichters zum Vor-
wurf einer romanhaften Ausgestaltung im Geschmacke seiner Zeit und
fand es pikant, dem armen Hesiod den gefeierten Homer im Wett-
kampfe gegenüberzustellen, den er als Zeitgenossen desselben zu be-
trachten ohnehin gewohnt war: die Folge dieser sophistischen Finesse
war, dass ihr Erfinder sich genöthigt sah, den stolzen Sieger eine
ziemlich klägliche Rolle spielen und seinen Sieg nicht dem Werthe
seiner Leistungen, sondern lediglich dem schiefen Urtheil eines ge-
PL 1 . » . - er,
S66 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 27. October.
schmacklosen Kampfriehters verdanken zu lassen. Zwar wurde nun
in späteren Zeiten, in denen eine ganz andere Vorstellung von dem
zeitlichen Verhältnisse der beiden Diehter zu einander zu wenn auch
nicht ausschliesslicher Geltung gelangt war, der Roman des Sophisten
von vielen als das aufgefasst, was er wirklich war, und in Folge dessen
als ein lächerliches und thörichtes Gerede kritisirt; allein diese ab-
fällige Beurtheilung rief zugleich Verstimmung und Verdacht gegen
die Grundlage hervor, auf der die verworfene Erfindung sich auf-
gebaut hatte, und auch der Diehter musste büssen für das, was der
Sophist gesündigt. Plutarch, und vielleicht schon andere vor ihm,
erklärten die betreffenden Verse der "Werke und Tage’ für eine thö-
richte Interpolation aus späterer Zeit und die moderne Kritik ist diesem
Urtheile bis in unsere Tage, abgesehen von einigen Schwankungen und
nothgedrungenen Modifieationen, mit seltener Einmüthigkeit blindlings
gefolgt; noch immer muss der Dichter es sich gefallen lassen, dass ihm
sein eigenstes Eigenthum streitig gemacht und die Verse, welche einer
späteren Romandichtung zum Ausgangspunkt gedient haben, von seinen
besten Freunden und in der Meinung, ihm einen Gefallen zu thun,
in den Ausgaben seiner Werke mit Klammern umzirkt werden. Aber
damit noch nicht genug: weit schwerer wiegendes Unheil haben die-
jenigen angerichtet, welche im späteren Alterthum entweder die Er-
findungen des Sophisten kritiklos als baare. Münze genommen oder
trotz besserer Überzeugung zu ihren Zweeken mit denselben zu spielen
sich erlaubt haben, ohne es damit besonders genau zu nehmen. Denn
ihr Verhalten hat bei den Philologen unserer Tage die irrige Vor-
stellung hervorgerufen, dass der Roman des Sophisten nicht die freie
Erfindung eines bestimmten Individuums aus nachweisbarer Zeit, son-
dern die Bearbeitung der Motive einer viel älteren Sagenüberlieferung
gewesen sei, welche zu irgend einer Zeit nachträglich auch in die
Hesiodische Dichtung auf dem Wege der Interpolation Eingang ge-
funden habe. Die unausbleibliche Folge aber davon ist gewesen, dass
die Darstellungen der älteren Litteraturgeschichte der Hellenen sich
in unseren Tagen mit einem Gespinnst von Hypothesen zu überkleiden
angefangen haben, die an romanhaftem Charakter dadurch nichts ver-
lieren, dass ihre Urheber sie in gutem Glauben als die Ergebnisse
wissenschaftlicher Forschung betrachten zu können meinen. Und doch
ist und bleibt der Thatbestand, mit dem die Wissenschaft allein zu
reehnen hat, einfach der, dass es im Alterthum nie andere Elemente
der Überlieferung von diesen Dingen gegeben hat, als die Verse des
Dichters und den im 4. Jahrhundert aus ihnen herausgesponnenen
Roman, so wie, was später sich etwa an diesen weiter angesetzt
haben mag.
Kırcunorr: Der Roman eines Sophisten. 867
Diese Auffassung, der ich andeutungsweise bereits an anderer
Stelle einen Ausdruck gegeben habe, näher zu begründen und damit
dem Dichter zu seinem ihm noch immer vorenthaltenen Rechte, wenn
möglich, zu verhelfen, ist der Zweck der folgenden Auseinandersetzung.
In einer Florentiner Handschrift vollständig und in einem Aus-
zuge bei Joannes Tzerzes' ist uns unter dem Titel ren "Ounpev xaı
“Howodov xal ToV Yevovs xaı dywvos aürwv (Agon) ein Traetat erhalten,
welcher in seinem grösseren mittleren Theile eine ausführliche Schil-
derung des zu Chalkis bei den Leichenspielen des Amphidamas statt-
gehabten Wettstreites zwischen Hesiod und Homer vorführt. Dass
die hier vorliegende Darstellung ihrem Inhalte nach nicht als eine Er-
findung des unbekannten Verfassers, welcher, wie ausser allem Zweifel
feststeht, in der Zeit der Regierung Kaiser Hadrian’s oder nach der-
selben gelebt hat, zu betrachten, sondern einer älteren Quelle ent-
‚nommen ist, war zwar längst einsichtigen Beurtheilern nicht zweifel-
haft, hat aber vor Kurzem zum Überfluss eine thatsächliche Bestä-
tigung dadurch erhalten, dass ein Bruchstück des Originales auf einem
aus der zweiten Hälfte des 3. vorchristlichen Jahrhunderts stammenden
ägyptischen Papyrusfetzen entdeckt und nachgewiesen worden ist.” Da-
durch ist zugleich der Beweis erbracht worden, dass Nietzsche voll-
kommen im Rechte war, wenn er seiner Zeit, gestützt auf den Um-
stand, dass zwei ältere Spruchverse, welche im Texte des Agon (und
auch dem des Papyrus, wie jetzt hinzugefügt werden kann) Homer
in den Mund gelegt werden, im Florilegium des Stobaeus CXXX, 3
(IV, p.ıo2 M.) das Lemma &* ro) AAxıdamavros Movceiov vorgesetzt
tragen, in Verbindung mit dem anderen, dass der 'Agon als Quelle
der ersten der beiden mitgetheilten Versionen der Sage vom Tode
des Hesiodos ebenfalls Arxıdauazs &v Movoeiw bezeichnet, die Behauptung
aufstellte, dass die Quelle, welehe der Verfasser des 'Agon für die
Darstellung des Wettstreites der beiden Dichter benutzt hat, das Mov-
ceıov des Sophisten Alkidamas von Elaea, des bekannten Zeitgenossen
und Gegners des Isokrates, gewesen sei. Da diese Frage nunmehr als
! Auch Eustathios kannte den Tractat, wie sich aus der Bemerkung in der
Vorrede zum Iliascommentar ergibt: ei ds za ngırev "Oungos “Hrioöw ru Arzgarı za
Yrenon, omg 6#V0S Toig "Oungdcas zu Azyew, Onryreov Ev Tols eis ToUro yonlasıw, ev
019 erxeivrar zur ro onr« T7S Egıdoc.
? Herausgegeben von ManaArry On the Flinders Petrie papyri (in den Cunningham
memoirs n. VIII der Irischen Akademie zu Dublin 1891) Taf. XXV mit dem zugehörigen
Commentar.
Sitzungsberichte 1892, 78
868 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 27. October.
erledigt und zugleich als festgestellt betrachtet werden darf, dass das
Papyrusfragment von einer Handschrift herrührt, welche den Text
des Movceiov des Alkidamas enthielt, so habe ich mich für berechtigt
gehalten, in der folgenden Analyse der uns erhaltenen Darstellung
des Wettstreites durchweg Alkidamas als Urheber derselben zu nennen
und verantwortlich zu machen, und hebe nur noch einen Punkt hervor,
welcher für die richtige Beurtheilung der Überlieferung von Bedeu-
tung werden kann. Die Vergleichung nämlich des Textes des "Agon
mit dem seines Originales, soweit dasselbe uns zur Verfügung steht,
zeigt, dass der Verfasser des Agon sich bei Wiedergabe seiner Vor-
lage nicht nur mehrfach willkürliche Zusätze und Änderungen des
Ausdruckes, sondern auch Zusammenziehungen und Auslassungen er-
laubt hat. Es muss deshalb durchaus als selbstverständlich anerkannt
werden, dass er auch in dem leider nicht mehr eontrollirbaren Theile
seiner Darstellung in derselben Weise verfahren ist, und die Möglich-
keit offen gehalten werden, dass er in diesem Theile ihm nebensäch-
lich und unerheblich scheinende Details der Erzählung übergangen
oder unterdrückt hat, welche in dem Originale vorhanden waren:
und mit dieser Möglichkeit wird vorkommenden Falles nothwendig
zu rechnen sein.
Alkidamas’ Erzählung vom Wettstreite der Dichter hatte nach
Ausweis der oben bezeichneten Quellen folgende Gestalt: Ganyktor,
der Sohn des Königs von Euboea Amphidamas, will die Leichenfeier
seines Vaters durch einen gymnischen und musischen Agon verherr-
lichen und hat zu diesem Zwecke durch die Verheissung von Ehren-
gaben ein Zusammenströmen Aller, die nicht nur durch Körperstärke
und Schnelligkeit, sondern auch durch “Weisheit sich auszeichnen,
veranlasst. Auch Homer und Hesiod hatten sich eingefunden und
waren so zufällig in Chalkis zusammengetroffen. Zu Kampfrichtern
waren einige vornehme Chalkidier, unter ihnen der Bruder des Ver-
storbenen, Panedes,' bestellt. Die Leistungen der beiden Dichter im
Wettkampf erregen allgemeine Bewunderung, aber Hesiod trägt den
Sieg davon. Und zwar kam das so:” alle Kampfrichter sind bereit,
auf Grund dessen, was sie gehört, Homer den Sieg zuzusprechen,
nur allein Panedes nicht. In seiner Eigenschaft als Obmann des
! Über diese Namensform wird weiter unten bemerkt werden, was sich darüber
sagen lässt.
®2 An dieser Stelle setzt der Text des Originals auf dem Papyrus ein. Im
unmittelbar Folgenden hat der Verfasser des "Agon’ sich eine abkürzende Zusammen-
ziehung erlaubt und der Text des Papyrus ist leider hier so arg verstümmelt, dass
der Wortlaut nicht mit Sicherheit ergänzt werden kann: zum Glück ist davon wenig-
stens so viel erhalten, dass tiber den Sinn- und Zusammenhang im Allgemeinen, wie
er sich oben wiedergegeben findet, ein Zweifel nicht wohl bestehen kann.
Kırcnnorr: Der Roman eines Sophisten. 869
Richtereollegiums fordert er vielmehr den Hesiod auf, noch einmal
vorzutreten und Fragen zu stellen, und Hesiod richtet, der Aufforde-
rung Folge leistend, zunächst in zwei Hexametern die Frage an Homer,
was für die Menschen das "Zuträglichste” ($eorzrov) sei. Von Panedes
zur Erwiderung veranlasst, gibt Homer seiner Ansicht ebenfalls in
zwei Hexametern Ausdruck, worauf Hesiod sofort die zweite Frage
stellt, was denn nach Homer’s Ansicht das “Schönste” (z&Arucrov)! für
Erdenkinder sei, und der Gefragte die Antwort mit den Versen der
Odyssee ı. 6—ı1ı ertheilt, in deren erstem zum Zwecke der Verwen-
dung in diesem Zusammenhange der Anfang 9 &r’ Euboorvvn in ömmor’
&v eübpoovvy umgesetzt erscheint. Diese Verse Homer’s sollen gleich
damals die höchste Bewunderung bei den (anwesenden) Hellenen her-
vorgerufen haben, und das hat zur Folge gehabt, dass sie die "gol-
denen’ genannt wurden und man sie allgemein vor dem Beginn der
Gastmähler und Trankspenden, gewissermaassen als Tischgebet, herzu-
sagen pflegt. Erbosst über diesen Erfolg seines Gegners legt ihm
Hesiod, wiederum in zwei Versen, eine kniffliche und unlösbar schei-
nende “Aporie’ zur Lösung vor, welcher Aufgabe sich Homer, gleich-
„falls in zwei Versen, in so geschickter Weise entledigt, dass Hesiod
es aufgibt, in dieser Richtung weiter vorzugehen, und es vorzieht,
dem Gegner nunmehr "Amphibolien’ (dudiBora yrancı) zur Auflösung
vorzulegen. Zu diesem Zwecke reecitirt er nach einander eine Anzahl
von Versen, deren jeder für sich genommen entweder gar keinen ver-
ständlichen, oder in der Mehrzahl der Fälle nur einen zum Theil
lächerlichen Widersinn ergeben würde, und stellt an seinen Gegner
das Ansinnen, jedes Mal durch geschickte Weiterführung den schein-
baren Unsinn in einen passenden Sinn zu verwandeln. Nachdem
dieses Spiel sich längere Zeit fortgesponnen und Homer in jedem
einzelnen Falle in schlagfertigster Weise der gestellten Aufgabe ge-
recht geworden ist, stellt Hesiod am Ende nur noch die eine Frage,
wie gross die Zahl der Achäer gewesen, welche mit den Atriden gen
Ilios gezogen wäre, auf welche Zumuthung Homer ebenso schlagfertig
durch die Aufgabe eines Rechenexempels antwortet, ‚welches dem
Gegner einiges Kopfzerbrechen zu bereiten geeignet und bestimmt ist.
Damit endet der erste Act dieses Fragespieles. Die Überlegenheit,
welche Homer in demselben durchweg bewiesen hat, erregt Hesiod’s
Neid und veranlasst ihn, noch einmal anzusetzen. Mit Pathos fordert
er Homer bei seiner Dichterehre auf ihm zu sagen, was für Sterb-
I Sulnrois zan|[Aurrov der Papyrus, Sımroisw &gırrov der Text des “Agon’, offen-
bar ungenau, wie die Vergleichung des letzten Odysseeverses (roUro rı wor zaAAırrov
evi ges ‚erderau eivaı) unzweideutig lehrt, auf den ja der zweite Vers der Frage (rt
Tunrois zaAdırrov orewı Ev (boeriw ewen) oflenbar im Voraus zugeschnitten ist.
78*
870 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 27. October.
liche das Sehönste ‘und das Verhassteste sei, und zwar so, dass er
seiner Antwort den Begriff des 'Maasses’ einfüge. Homer erklärt sich,
ebenfalls in Versen, gerne bereit, diesem Wunsche zu entsprechen,
löst die gestellte Aufgabe und verspricht in höflicher Weise, auch
jede weitere Frage, die der Gegner zu stellen etwa Lust habe, beant-
worten zu wollen. So genöthigt fragt Hesiod noch siebenmal in je
einem Verse und Homer antwortet sofort in derselben Form mit ebenso
vielen Gnomen, welche seine hohe praktische Lebensweisheit bekunden.
Damit scheint der Wettstreit zu Ende geführt und die Zuhörerschaft
verlangt, dass Homer der Siegerkranz aufgesetzt werde; allein "König
Panedes verlangt, dass zunächst noch jeder von den beiden Bewerbern
die schönste Stelle aus seinen eigenen Gedichten recitire. Demgemäss
reeitirt zuerst Hesiod die Verse 383— 392 der ‘Werke und Tage‘,
und sodann Homer die Verse der Ilias, in denen das Auftreten der
beiden Aias Hektor und den Troern gegenüber geschildert wird,
N. 126-—ı33, indem er an sie unmittelbar noch N. 339— 344 an-
schliesst. Auch durch diese Leistung erregt er die Bewunderung der
(anwesenden) Hellenen, welche demgemäss ihr Verlangen wiederholen,
dass ihm der Sieg zuerkannt werde. Trotzdem setzt der König (Pane-
des) vielmehr Hesiod den Siegerkranz auf mit der Erklärung, die Gerech-
tigkeit verlange, dass desjenigen Dichters der Sieg sei, der zur Be-
treibung des Landbaues und Pilege des Friedens anleite, nicht dessen,
der von Kriegen und Schlachten erzähle. In dieser Weise also geschah
es, dass Hesiod den Sieg über Homer davontrug und als Siegespreis
einen bronzenen Dreifuss erhielt, welchen er den Musen weihte mit
der Aufschrift:
“Hoiodos Mevcaus "EAızwvioı Tovd“ dveßyxev
Uuvw viırnoas Ev Karzıdı Yelov "Ounpor.
Vergleicht man diese Darstellung des Alkidamas mit den An-
gaben in den Versen der "Werke und Tage‘, so springt in die Augen,
dass zwischen beiden eine verwandtschaftliche Beziehung besteht,
welche nicht auf blossem Zufall beruhen kann, aber je nach den
Voraussetzungen, von denen man im Übrigen ausgeht, eine sehr ver-
schiedene Erklärung zulässt. Je nachdem man nämlich annimmt, dass
die Verse der ‘Werke und Tage’ ächt oder interpolirt, und in letz-
terem Falle, dass sie vor oder nach der Zeit des Alkidamas in den
Text eingefügt worden sind, ergibt sich eine Vielheit von Möglich-
keiten, deren Zahl sich in beträchtlicher Weise steigert, wenn man
daneben noch die Voraussetzung zu Grunde legt, welche heutigen
Tages allgemein als selbstverständliche Thatsache angenommen zu
werden pflegt, dass bereits lange vor der Zeit des Alkidamas sich
gleichviel auf welchen Wegen und in welcher Form eine Legende
Kırcnuorr: Der Roman eines Sophisten. 871
vom Wettstreite der beiden Dichter herausgebildet gehabt habe, welche
der Sophist seiner Darstellung zu Grunde legen konnte, ja, dass diese
Legende bereits in verschiedenen Ausgestaltungen vorgelegen habe,
zwischen deren Motiven er zu wählen hatte. Es gilt, gegenüber
diesem Wirrsal von Meinungen und haltlosen Combinationen dem
Urtheile eine sichere Grundlage durch die Feststellung von That-
sachen zu verschaffen, mit denen unter allen Umständen gerechnet
werden muss und die mit dem Rücken anzusehen in Niemandes Be-
lieben gestellt werden darf.
Ich eonstatire zunächst, dass das zeitliche Verhältniss zwischen
der Episode der “Werke und Tage‘ und des Alkidamas Erzählung
vom Wettstreite der beiden Dichter überhaupt nieht zweifelhaft sein
kann, wie man nun auch über die Echtheit der ersteren denken mag.
Denn Herz und Kern der Legende, wie sie bei Alkidamas vorliegt,
ist die Gegenüberstellung von Hesiod und Homer im Wettkampf, alles
Übrige blosse Staffage, während in den Versen der “Werke und Tage’
jener Kern gänzlich vermisst wird und vielmehr die Staffage die
Hauptsache bildet, so dass der, Urheber jener Verse sie nicht mit
Rücksicht auf die Legende gedichtet haben und ihre Einlegung un-
möglich dureh letztere veranlasst sein kann." Es wird das auch von
denen, welche die Hesiodischen Verse für interpolirt glauben halten
zu müssen, zugegeben und unumwunden anerkannt, dass die be-
hauptete Interpolation aus ‘sehr alter Zeit‘, also jedenfalls aus der
Zeit vor Alkidamas, stammen müsse. In der That ist nichts gewisser,
als dass die betreffenden Verse nicht nach Alkidamas eingeschoben
worden sein können, vielmehr zu seiner Zeit bereits im Texte standen,
dass er sie kannte, sie für Hesiodisch halten musste und sie darum
als Quelle benutzt hat. Sind sie nun die einzige Quelle gewesen,
welche Alkidamas zur Verfügung stand, so muss seine Erzählung in
Allem, was über den Inhalt dieser Quelle hinausgeht, als freie roman-
hafte Erfindung eigener Mache betrachtet werden und ist er dafür
allein verantwortlich zu machen: es kann sich alsdann für uns allein
darum handeln, zu begreifen, warum und zu welchem Zwecke er das
Hauptmotiv und alle Einzelnheiten hinzuerfunden hat, durch welche
in seiner Erzählung die Angaben seiner Vorlage erweitert und aus-
! Dieser Einsicht müssten selbst diejenigen sich nicht verschlossen haben, welche
nach ‚der Scholiennotiz zu vs. 657 der “Werke und Tage’ (@rR0ı yoabourw Umvo vırn-
savr EvXarzıdı Ferov 'Oungor) an Stelle dieses Verses den über ihn gemachten des
Dreifussepigrammes einzuschmuggeln versucht haben sollen. Dass dabei in so plumper
Weise verfahren worden sein sollte, ist aber nieht glaublich. Wahrscheinlich ist durch
das Missverständniss eines excerpirenden Schreibers eine exegetische Notiz, welche
auf den anklingenden Parallelvers des Epigrammes verwies, thörichterweise in eine
kritische verwandelt worden.
872 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 27. October.
geschmückt erscheinen. Ganz anders würde freilich die Sache für
uns stehen, wenn wahr wäre, was allgemein angenommen zu werden
pflegt, dass er nämlich daneben auch noch eine andere Quelle benutzt
habe, und zwar eine Legende vom Wettstreit der Dichter, welche
lange vor seiner Zeit in verschiedenen Formen zur Ausbildung gelangt
sein soll; alsdann würde seine Erzählung nur ein Stadium in der
Geschichte der Ausbildung dieser Legende darstellen und, was er
von Eigenem etwa hinzugethan, sich mit Sicherheit nicht mehr er-
messen lassen. Um nun diesem Dilemma gegenüber eine Entscheidung
zu ermöglichen, halte ich für nöthig, die zweite Thatsache zu betonen,
dass die gesammte uns zur Verfügung stehende Überlieferung vom
Wettstreite Homer’s und Hesiod’s ohne Ausnahme nicht nur der Zeit
nach Alkidamas angehört, sondern auch entweder ihn nachweislich
zur Quelle hat oder auf ihn wenigstens mit höchster Wahrscheinlieh-
keit zurückgeführt werden kann, und dass in ihr von der Benutzung
oder Existenz einer Quelle, welche der Zeit vor Alkidamas angehörte,
nicht die geringste Spur nachweisbar ist. Ich werde, um dies an-
schaulich zu machen, im Folgenden die einzelnen Zeugen in chrono-
logischer Reihenfolge vorführen und ihre Aussagen, so weit als nöthig,
einer Prüfung unterwerfen.
1. Der älteste dieser Zeugen ist für uns Varro. Von ihm be-
richtet Gellius 3, 11. 1—3: Super aetate Homeri atque Hesiodi non con-
sentitur. — M. autem Varro in primo de imaginibus uter prior sit nalus
parum constare dieit, sed non esse dubium, quin aliquo lempore eodem
viwerint, idque ex epigrammalte ostendi, quod in tripode seriptum est, qui
in monte Helicone ab Hesiodo positus traditur. Will man das scriphum
est pressen und zugleich annehmen, dass Gellius die Worte Varro’s
und dieser den Sinn der Auslassungen seines Gewährsmannes correct
wiedergegeben haben, so mag man annehmen, dass zu den Zeiten
seines Gewährsmannes im Musenheiligthume auf dem Helikon wirklich
ein Dreifuss mit der Aufschrift gestanden habe, die wir bei Alki-
damas lesen; ich selbst halte das für mehr als zweifelhaft. Aller-
dings wurde zu des Pausanias (oder seines Gewährsmannes) Zeiten
dort unter anderen ein Dreifuss gezeigt, den man als den von Hesiod
geweihten bezeichnete, 9, 31. 3: &v d& rw "EAıxwvi xal daAAcı Tpimodes
Keiyraı xal dpwaoraros ov Ev Karxıdı Außelv rn Em Eipirw Aeyovow "Houo-
dev vıxyoavra Won, und wenn bei dieser Gelegenheit des Epigramms
keine Erwähnung geschieht, so folgt daraus freilich noch nicht, dass
es nicht auf diesem Dreifusse gestanden haben könne; allein dass Pau-
sanias Homer’s als des Besiegten mit keinem Worte gedenkt, scheint
entschieden dagegen zu sprechen. Indessen, um ganz ehrlich zu sein,
muss ich doch bekennen, dass auch dieser Umstand nicht ausreicht,
Kırcnuorr: Der Roman eines Sophisten. 873
den Sachverhalt ganz klar zu stellen. Denn lesen wir, in welcher
Weise sich Pausanias kurz vorher 9, 30. 3 über seine Stellung zu der
Frage nach der Lebenszeit Homer’s und Hesiod’s geäussert hat, (ep
de “Howodov re Aıxias al "Ourpov moAumoayuomeavrı Es To dxpıeorarov
ev Mor Yooubeiv MU Av, Emioransvw To dıAaırıov AAAwv TE xl ol, Arıora
6001 Xar EuE Em momos TWv Erwv xadeoryxeodv), so werden wir die
Vermuthung für nicht ganz unberechtigt erklären müssen, dass er an
unserer Stelle die Erwähnung Homer’s absichtlich unterdrückt habe,
um nicht auf diese für ihn so heikele Frage zurückkommen zu müssen.
Geben wir aber auch zu, wozu wir eigentlich nicht genöthigt sind,
dass die Gewährsmänner Varro’s und des Pausanias wirklich gemeldet
hatten, auf dem Helikon befinde sich ein Dreifuss mit dem Epigramme
des Alkidamas, und dass ihre Aussage nicht auf missverständlichem
Hörensagen, sondern auf eigener Anschauung beruhte, so sind wir
doch, da diese Gewährsmänner jedenfalls in der Zeit nach Alkidamas
gelebt haben, nicht in der Lage festzustellen, seit wann dieser Drei-
fuss dort seine Aufstellung gefunden hatte, und in keiner Weise be-
rechtigt zu behaupten, er sei schon vor Alkidamas’ Zeiten vorhanden
gewesen und beweise also die Existenz einer Legende vom Wettstreit
der beiden Dichter schon vor der Zeit, zu der der Sophist seine
romanhafte Darstellung verfasste, und die Benutzung einer, wenn
auch gefälschten, älteren Urkunde durch denselben. Im Gegentheil:
wer will, kann mit demselben Rechte behaupten, die Fälschung habe
erst nach Alkidamas und mit Benutzung des bei ihm zu lesenden
Epigrammes Statt gefunden. Ich selbst halte noch für zweifelhaft,
ob wirklich zu irgend einer Zeit auf einem Dreifuss des Musenheilig-
thumes auf dem Helikon das Epigramm des Alkidamas zu lesen ge-
wesen ist.
2. In seinem Aoyos eo Bacıreıas, welchem er die Form eines Ge-
spräches zwischen Philipp von Makedonien und seinem Sohne Alexander
gegeben hat, lässt Dion Chrysostomos (S.20— 23 Emp.) den letzteren
die Behauptung aufstellen, dass die Gedichte Homer’s unter denen
aller Dichter die einzig würdige Leetüre für Könige seien, und die
Giltigkeit dieses Satzes durch die anregenden Fragen des Vaters ge-
leitet auch einem Dichter wie Hesiod gegenüber verfechten. Bei der
Durchführung dieses Themas hat dem jüngeren Sophisten die Dar-
stellung des älteren vom Wettstreit Homer’s und Hesiod’s einzelne
Motive herleihen müssen, wie die Vergleichung der folgenden Stelle:
o0dE Ta mepi Tov FropoV, Eby, xal Tov dumrov, 6 Bidımmos, dpeoxsı Goı ToU
“Houdov ueyarorperws ourws eipmueva' (W u. T. 383. 384.)
Iryızdwv ArAayevewv EmirEeAAouEvdwv
doyeoI” dunreu, dporoo de dumousvawv;
874 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 27. October.
morU Ye marNov, eimev 6 AAtZavdbos, TA Tap "Ounpw yewpyırd. xl ou mepi
yewpyias eionxev "Ounpos; pero 6 Birırmos' A To &v T7 domidı mınAMare Asyeıs
Tav dpouvruv xal Iepılovruv Kal TpuyWvrwv; AaıoTd Ye, eimev 6 AAckavdoos,
Aa Exeivo moAU MarAov (Ilias A. 67—71.)
ei 0, wor dumrmpes &vavrıoı AAAMAoıCW
Oyuov EAauvweiv dvdpos Maxapos Kar’ dpoupav
mupwv A xpıSewv' Ta de dbayuara Tabea irre
ws Tpwes za Ayo Em’ dMyAcıcı Sopovres
öyouv, ud Erepal uvwovr” 6Aooıo boßeıo
mit dem Schlusse des Wettstreites bei Alkidamas unzweideutig be-
weist. Wenn also im unmittelbaren Anschlusse an die soeben aus-
gehobenen Worte es bei Dion weiter heisst: raura uevra ranv "Ouy-
pos NTraro üro "Howdov, 6 Birımrwos eimev’ N 00x dxnXoas To Eriycauma To
ev "Erızwvı To Em Tov TpImodos“
“Hoiodos Movoaus "Erızwyicı Tovo dveSnxev
Uuvw vıryaas Ev Xarzıdı Yelov "Ounpov;
za Mara dixalws, eimev 6 Arekavdoos, Yrraro U.S. W., SO wird man zu-
geben müssen, dass er auch den Wortlaut des Epigrammes von Alki-
damas entlehnt und ihm dafür eine andere Quelle nicht zu Gebote
gestanden hat. |
3. An dritter Stelle hören wir Plutarch, welcher der Legende
vom Wettstreite der beiden Dichter dreimal zu erwähnen und ihr
gegenüber mit seinem Urtheil Stellung zu nehmen Veranlassung hat.
Zunächst in den Zuurosuaxa mpoßAnuare 5,2, wo wir das Folgende
lesen: £&vioıs uEv odv Emidokos Aunv EwAa mopayceı modyuara, Tas OioAu-
xou ToV @crtarol Tabds, zul Tas Aubidauavros ro) Xarxıdews, Ev als "Ouy-
pov xaı "Horodov ioropoucıv ereow diayuvicaoda xaralaruv de Taura, TW
diareIpunmyosaı Tavra Um Tuv Yyrauuarızıv, xaı Tous &mı rais MarpoxAou
rabais (Ilias Y. 886) dvayıywoxousvous Umo Twwv oly, Muovas, AAAL pmuovas,
ws M xl Aoywv AOAa TOO Ayuddews mpooDevros, dubeis eimov, Orı U. S. W.
Offenbar traut er der Legende nicht und verschmäht er es aus diesem
Grunde, von ihr überhaupt Gebrauch zu machen. Um so gewisser ist
es, dass er dabei nur an die Erzählung des Alkidamas gedacht haben
kann, die er als romanhafte Erfindung zu betrachten vollkommen be-
rechtigt war. Er gab indessen diesem Misstrauen noch weitere Aus-
dehnung und hatte in seinem Commentar zu den "Werken und Tagen
auch die betreffenden Verse Hesiod’s für untergeschoben erklärt, ohne
dass sich feststellen liesse, ob er in diesem Verfahren Vorgänger ge-
habt oder nicht. Wir entnehmen das aus des Proklos Bemerkung
zu v. 650: TaUra mavra me Ts NXarxıdos [xar] Food Aumidauavros xaıl
Too aDAou xaı Too Tprmodos eußeßrnoIaı dnow 6 IlAourapy,os- oüdev EX,ovra
Kırcunorr: Der Roman eines Sophisten. 875
Konorov. Tv Mev olv Audidauavre vavuuayouvra (so auch TZETZES) roos
"Eperpieng Umso ToV AnAdvrov dmosaveiv, AIAu de im alrw xal dıywWves &ye-
vovro TEÄEUTYCAVTOS mapd TWv Eavrov maduv (za dywva Selvaı Tersuryoavros
ToVs maidas ed. Trine.), vıryoaı de dywvigouevov rov 'Hoiodev xal AIAov uov-
Gıxov rpımoda Aaudeiv xal dvadeivaı rourov Ev rw Erıxwvi, Gmov xal Karoy,os
eyeyoveı rals Moucaıs, al Emiycanıa Em Tourw IpuAAaucı. TauTa oUv mayra
Anpwon Acyuv Exeivos dm’ aurwv dpyeraı TWV Eis Tov Kaıpov TOD AED Guvrei-
vovrwyv. — Wie aus diesem Auszuge zu ersehen ist, wendete sich die
verwerfende Kritik Plutarch’s nicht nur gegen die in den Versen
selbst enthaltenen Angaben, sondern daneben zugleich gegen die spe-
cielleren einer anderen, weit verbreiteten Darstellung, deren Urheber
nicht näher bezeichnet wird. Die Erwähnung des Epigrammes lässt
auf Alkidamas schliessen und ich sehe durchaus nichts, was uns
verhindern könnte, das hier zuerst begegnende andere Motiv, dass
nämlich Amphidamas in einer Seeschlacht gegen die Eretrier im
Kampfe um Lelantos den Tod gefunden habe, auf dieselbe Quelle zu-
rückzuführen. Allerdings bezeichnet der Verfasser des "Agon' (der
Papyrus lässt uns leider hier im Stich) Amphidamas einfach als König
von Euboea und schweigt von den näheren Umständen seines Todes
gänzlich; allein nichts steht der Annahme entgegen, dass er sich
auch hier eine der gewöhnlichen Kürzungen und Zusammenziehungen
erlaubt hat und im Originale selbst die betreffende Angabe zu lesen
gewesen ist.
Ganz anders ist die Stellung beschaffen, welche Plutarch bei einer
dritten Gelegenheit der von ihm verworfenen Überlieferung gegenüber
einnimmt, wo es sich nicht um kritische Prüfung zu wissenschaftlichen
Zwecken, sondern um die Beibringung und spielende Benutzung inter-
essanten Materials für die Ausschmückung einer bewusst freien eigenen
Erfindung handelt. So lesen wir denn in dem romanhaften Dialog
rav Erta cobuv ovureciwv ı0 das Folgende: üUroradwv oüv 6 Hlepiavdpes
Erra unv za Tols warmes "ErAncw Eos Av, W Kasodwss, ToiduTas ÄAAAMAoıs
dmopias mpoßardew. dxovouev Yap, orı xal Moos Tas Audideduavros Tabas eis
Xarxıda ruv Tore Vobwv ol dexuwrarıı momrai auviAdov" Av d’ 6 Aubıdauds
dvnp TONEULKGS, xal worAd modyuara TAROT Y,WV "Eperpevow Ev Tolis megl AnAav-
Tov Udydıs Eweoev. &mei de Ta TODEOKEUAOUEVAd Tols momTals ERN Yareryv xal
duoxoAov Emoiı TAv xplow did To Ehbdmımdov 7 Te doku ruv dywviorwv, "Onmpov
xal "Houodov, ForAMV dropiav LETE aldous Tols Kpivovoı TapENg,EV, ETpaumavro Moos
Toiduras Epwrycess, xal mooußare uev (oder Fpoüßaronev) ws dacı (oder Pueı)
Aeoyns’
Meüoa nor Evers xelvd, Ta MMr' Eyevovro Tape
nr Eotaı meromiodev,
e) , NIE IN > N /
amexpivaro ö Horodos Ex ToU Taparuy,ovros'
876 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 27. October.
AN örav dudı Aus rUnßw xavaymmodes Armoı
oipmara ouvronlwoiw Emeiyoneval mepL vixye.
did Fouro Asyerdı marıora Iaumacdeis ToV Tpimodos ruy,ev. Hier wird
also mit völliger Unbefangenheit als Thatsache alles das vorausgesetzt
und ausgegeben, was im Gommentar zu den "Werken und Tagen als
Erfindung und leeres Gerede verworfen wird. Die hier benutzte Quelle
ist, wie die Übereinstimmung in den Angaben über die Gelegenheit.
bei welcher Amphidamas den Tod fand, beweist, dieselbe, wie die
dort zurückgewiesene, und dass Alkidamas diese Quelle war, wird
dadurch sicher gestellt, dass die spitzfindige Aporie, um derentwillen
allein die Anekdote in diesem Zusammenhange erzählt wird, meines
Erachtens unzweifelhaft der Darstellung desselben entlehnt ist. Es
bedarf diese Behauptung allerdings einer eingehenderen Begründung
und ich setze zu diesem Zwecke zunächst die betreffende Stelle in der
originalen Fassung des Papyrus her; zur Vergleichung ist in der An-
merkung die Fassung derselben in der Handschrift des "Agon mit-
getheilt:' dySeoYas de 6 Horodos Elm rourcis | E]mı ryv omopiav As |eow-
rncews| | Wende x Aeyeı r|ous oriyous| | revcde*
> Sr; Se)
Hovca y £uor |r& 7° Ecvral|ra 7° Eoooueva po 7’ Elovra”]|
rav nev undev deile, vv 0° arAys|| uygozı deine.
oe 0 Ei Bovro] I|meves Aloaı av dmolsev is e||wrnoews dmoblaczwv”
Aeyeı ToUs || orıXovs Touode*
[ouderor’ du] | Aıcs ruußov xavlaymmodes ir ||r.:
dpmalre ouvronbousw epı||Covres [mepi vixns.
zarws de] | "Oungev--. Auf den ersten Blick springen die unmöglich
zufällige Übereinstimmung in dem Hauptpunkte, dem Wortlaute nämlich
der sieghaften Antwort, und daneben die zahlreichen Abweichungen
elle fe } b) a\ EN SEN m € ’ b) EN x - > ’ y}
I 06 Hatodos nn En Fr Oungov EUNMEDLER eTe TYiv TWv aodav WoNTEV
> SEN
ET ED
>
>)
l
Hour airye Mol (Mour' & ‚Ye nor, NIETZSCHE) r& 7
IENTIV za nei rourde FoUg FTIy,oUs“
ew} ı ’ ’ .
’ Eovra ra Tr ETTOMEVE moo. (Lücke)
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To 1nEv undev asıds, ER CN RANG rrTaı «oıöye.
> \ 7 Sad I
0 "Oungos Bovrcuevos AroAouSwWs To amopov Aura bs"
I) b) \ ’ ae
ouderor amdı Arc ruu@w (Lücke)
J ’ > \
ROMATR auvronbovsw € gıgovres mEot vIANG.
\
ZaA soE ce ev Tour og ETAVTATEVTOS, ei Tas ad pı@or ovug yuaacs naunsev ö “Hriodos U.S. W.
®? Ergänzt aus Theogonie 32. 38, deren Situation dem Verfasser (Alkidamas)
offenbar vorgeschwebt hat, als er Hesiodos in dieser Weise seine Aufforderung ge-
stalten liess.
® In der Umschrift bei MAanarry folgt auf das $ noch ein =, welches indessen
auf der Abbildung nicht deutlich erkennbar hervortritt. Ich glaube, dass eine sorgfältige
Nachprüfung der Stelle des Papyrus ergeben wird, dass es sich vielmehr um die Reste
eines «& handelt.
Kırcunorr: Der Roman eines Sophisten. 871
im Einzelnen in die Augen. Das Verhältniss der beiden Kämpfer
zu einander erscheint völlig auf den Kopf gestellt: nicht Hesiodos
stellt, wie bei Alkidamas, die heikele Aufgabe und sein Gegner löst
sie mit siegreicher Schlagfertigkeit, sondern umgekehrt, Hesiodös über-
trumpft mit seinem Scharfsinn den herausfordernden Gegner und er-
wirbt in Folge davon durch eigenes Verdienst den umstrittenen Drei-
fuss, ohne, wie bei Alkidamas, der parteiischen Unterstützung eines
Panedes irgend benöthigt zu sein. Wollte man nun auch diese auf-
fällige Verschiedenheit darauf zurückführen, dass Plutarch für seine
Darstellung eine andere Erzählung vom Wettstreite der Dichter als
Quelle benutzt habe, welche mit Alkidamas nur den Wortlaut der
Antwort gemein hatte, so würde doch zugegeben werden müssen,
dass "diese unbekannte Quelle nieht unabhängig von Alkidamas ge-
wesen sein könnte, sondern lediglich als eine Verballhornung der
Darstellung desselben und folglich als der Zeit nach Alkidamas an-
gehörig betrachtet werden müsste. Denn weiter stimmt zwar der
Wortlaut der beiden Antwortverse im Allgemeinen mit dem, der sich
bei Alkidamas findet, überein (auf die Variante ereıyausva für Epilovres
ist kein Gewicht zu legen), allein, während sie bei Alkidamas die
grammatische Form eines vollständigen negativen Hauptsatzes haben,
der einen begreiflichen Sinn ergibt, erscheinen sie hier in die Form
eines in der Luft schwebenden positiven Vordersatzes ohne Nachsatz
umgegossen, in dem im Verhältniss zur vorangehenden Aufforderung
einen begreiflichen Sinn zu finden schwer fallen dürfte: es liegt ein
augenscheinliches Missverständniss vor, welches nur durch einen Ge-
dächtnissfehler hervorgerufen sein kann. Noch deutlicher tritt das-
selbe in der Verschiedenheit zu Tage, die in der Fassung der Verse,
in denen die Aufgabe gestellt wird, obwaltet: sie haben bei Plutarch
einen ganz verschiedenen Wortlaut, eine ganz unpassende Form und
einen nur entfernt an die Fassung bei Alkidamas anklingenden, im
Grunde ganz abweichenden Sinn; ausserdem fehlt dem zweiten Verse
der metrische Abschluse. Alkidamas lässt den Auftraggeber, welcher
bei ihm Hesiodos ist, zunächst erklären, von dem, was war, was ist
und was sein wird zu singen, sei sein (des Hesiodos) ausschliessliches,
ihm von den Musen ertheiltes Privilegium (wobei, wie oben bereits
bemerkt worden, an die bekannte Stelle der Theogonie gedacht ist),
und an diese Erklärung die Aufforderung schliessen, der Gegner möge
‘ihm nicht in sein Amt greifen, sondern sich ein anderes Thema
wählen und behandeln, was alles zwar in ächt sophistischer Weise
ausgeklügelt, aber doch vollkommen verständlich genannt werden
muss. Bei Plutarch dagegen bittet in unpassender, ja lächerlicher
Weise der Gegner Hesiod’s die Muse, ihm (dem Auftraggeber) von
rm Ye . ” . .
875 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 27. October.
dem künden zu wollen, was weder früher geschehen, noch in Zukunft
sein werde, als ob ‚er selbst die Aufgabe lösen solle oder wolle, und
nicht Hesiodos, der eine solche Bitte als eine an ihn gerichtete Auf-
forderung zu betrachten in keiner Weise verpflichtet ist. Wiederum
liegt ein handgreifliches Missverständniss vor, in welches der aus dem
Gedächtniss referirende und den Ausdruck nach willkürlichem Belieben
gestaltende Urheber dieser Darstellung durch eine dunkle und unklare
Erinnerung an den Buchstabencomplex wovszyeucı in dem ersten Verse
bei Alkidamas gerieth, welches er fälschlich genau so, wie der Schreiber
der Handschrift des 'Agon oder einer von dessen Vorgängern, in dem
Sinne von Mooo aye ucı genommen hatte. Nur bei einer solchen, auf
falscher Auffassung des Originales beruhenden Verkehrung des Sinnes
aber war es möglich, die Verse Hesiod zu nehmen und seinem Gegner
in den Mund zu legen, und dieser ursächliche Zusammenhang setzt
es ausser Zweifel, dass auch die sonstigen Abweichungen von Alki-
damas’ Darstellung, der Rollenwechsel der beiden Gegner und die
Promovirung Hesiod’s zum wirklichen Sieger, durch eine gleiche Ge-
dächtnisseonfusion veranlasst worden sind. Alkidamas bleibt aber auf
alle Fälle die letzte Quelle auch dieser Form der Erzählung; für die
angerichtete Verwirrung aber einen Unbekannten verantwortlich zu
machen, nur um Plutarch zu entlasten, liegt keine Veranlassung vor.
Plutarech konnte so gut irren, wie ein anderer Mann, und, da es sich
für ihn nur um die spielende Ausnutzung einer anekdotenhaften Er-
zählung handelte, an deren Wahrheit er selbst nicht glaubte, sich
sehr wohl der Verpflichtung überhoben erachten, seine Handschrift
des Alkidamas erst noch einmal nachzuschlagen, ehe er ihm nach-
erzählte. Wenn ihn sein Gedächtniss dabei im Stich gelassen und
er die Lücken desselben durch eigene Erfindung in nicht besonders
geschickter Weise ausgefüllt hat, wie das ja nicht zu leugnen ist,
so brauchen wir ihm deshalb nicht besonders böse zu sein; zuzu-
trauen ist ihm dergleichen gar wohl.
Sicher würde diese, wie ich überzeugt bin, einzig richtige Auf-
fassung des Sachverhaltes sich grösserer Anerkennung, als ihr bisher
zu Theil geworden, zu erfreuen haben, wenn das Unglück nicht gewollt
hätte, dass in dem Text Plutarch’s an einer Stelle sich ein Verderbniss
einschleichen sollte, welches das Urtheil der Leser zu verwirren aller-
dings geeignet war und einen Widerstreit der Meinungen fast mit Noth-
wendigkeit hervorrufen musste. Die Stellung der Worte in drexpwaro
ö° “Horodes verlangt nämlich im Vorhergehenden hinter rpVßare uev eine
ausdrückliche Bezeichnung des die Aufgabe stellenden Gegners. Nimmt
man also in gutem Glauben die Worte zu Fooußare uEv Ws bacı Acoıyns
in dieser Schreibung als unverdorben überliefert hin, so ist man ge-
e 5 N R Je
KırcnHnorr: Der Roman eines Sophisten. 879
nöthigt, das letzte Wort, welches für sich betrachtet ebensowohl der
Genetiv von Ascyn sein könnte, als Nominativ des bekannten Eigen-
namens zu fassen und das Ganze im Sinne von xal moovßare mev, Ws
baoı, Acoyns zu verstehen. Dann aber ist der unglückliche Kykliker
Lesches der Gegner Hesiod’s, nicht Homer, der doch im unmittelbar
Vorhergehenden ausdrücklich als solcher bezeichnet wird, und es bleibt
nichts anderes übrig, als dort den erläuternden Zusatz "Ourgov zaı "Houcdou
als Interpolation zu betrachten und aus dem Texte zu entfernen, es
sei denn, dass man sich dazu entschliesst, Lesches nicht als Agonisten,
sondern als Obmann der Kampfrichter fungiren zu lassen, der als solcher
den Agonisten die zu lösenden Aufgaben stelle. Wer dagegen zwar
an dem Eigennamen festhält, aber von der in den Handsehriften eben-
falls vertretenen Lesung &$ysı ausgeht, sieht sich genöthigt, Lesches
zum Verfasser der Erzählung zu promoviren, welche hier von Plutarch
benutzt ist, dann aber auch hinter mooußane uev eine Lücke anzunehmen,
in der sich der Name Homer’s oder irgend eine sonstige Bezeiehnung
seiner Person unterbringen lässt, also etwa so zu lesen und zu ergänzen:
x mpoußare ev ["Ounpos|, ws Pucı Acoyn. Alle diese Versuche, die
Überlieferung verständlich zu machen, gehen von der Voraussetzung
aus, oder führen zu der Folgerung, dass Plutarch hier und vielleicht
auch bei seinen Angaben im Commentar zu den "Werken und Tagen
einer anderen Darstellung des Wettkampfes der Diehter folgt, als sie
Alkidamas gegeben hatte, und entlasten zwar Plutarch, machen aber
an seiner Stelle den unbekannten oder auch bekannten Verfasser dieser
abweichenden Darstellung für die angerichtete Confusion verantwortlich.
Ohne mich auf Weiteres einzulassen, hebe ich nur hervor, dass auch
alsdann immer nur geglaubt, niemals aber wird bewiesen werden können,
dass dieser unbekannte Gewährsmann Plutarch’s vor Alkidamas gelebt
oder eine in die Zeit vor Alkidamas hinaufreichende Quelle benutzt
hat, und dass, wenn man seine Lebenszeit zwischen Alkidamas und
Plutarch ansetzt, man nicht umhin können wird zuzugeben, dass er
des Alkidamas Darstellung gekannt und sich zum Theil wenigstens
an dieselbe angelehnt hat, so zwar, dass selbst die bei ihm allein
begegnenden Angaben über Amphidamas’ Tod im Kampfe gegen die
Eretrier um Lelantos immerhin aus Alkidamas’ Erzählung entlehnt sein
könnten. Ich selbst halte diese Combinationen und die aus ihnen ab-
geleiteten Folgerungen für falsch und glaube, dass die handsehriftliche
Überlieferung der Worte za wpeußare udv ws dası Aecyye arg verstümmelt
und verdorben ist, und Plutareh selbst vielmehr geschrieben hatte za
moovBars usw "Onnpos Fpobacıv Acoyms "zum Zweck der Veranlassung
(oder als Thema) einer Besprechung stellte Homer den Vorwurf.
beweisen kann ich das natürlich nieht, aber ich beanspruche das Zu-
380 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 27. October.
geständniss, dass alle bisher gemachten anderen Versuche, die leidige
Verderbniss der Überlieferung zu beseitigen, sammt den auf sie ge-
bauten Combinationen nicht weniger unbewiesen und unbeweisbar sind,
und durch den gemachten oder jeden anderen in derselben Richtung
sich bewegenden Vorschlag die vorhandene Schwierigkeit in der ein-
fachsten Weise ihre Erledigung finden würde.
4. Als nächsten Zeugen lasse ich sodann, vielleicht etwas zu
früh, den Verfasser des 'Agon folgen, von dem feststeht, dass er
Alkidamas’ Darstellung gekannt und als einzige Quelle der seinigen
in ausgiebigster Weise benutzt hat, und weise hier nur noch darauf
hin, dass aus seiner Art der Benutzung mit Sicherheit zu entnehmen
ist, dass das Movosiov des Alkidamas zu seiner Zeit und in seinen Kreisen
noch allgemein bekannt war und gelesen wurde.
5. Wenn sodann Lukianos in seiner "Wahren Geschichte’ 2, 22
auf der Insel der Seligen am Feste der Thanatesien bei Gelegenheit
des von ihm inscenirten gymnischen und musischen Agon den Homer
im Kampfe der Dichter zwar in Wahrheit weit überlegen sein, Hesiod
aber trotzdem den Sieg davontragen lässt (remrwv de rn uev dAySeie
mapd morU Exparsı "Onmpos, Eviayoe de &uws "Horodos), so ist deutlich, dass
er dieses Motiv der Legende vom Wettstreite der Beiden entlehnt hat.
Dass aber seine Bekanntschaft mit derselben aus einer anderen Quelle,
als Alkidamas, stamme, ist unerweislich und wird Niemand glauben
oder Anderen zu glauben zumuthen wollen.
6. Philostratos lässt in seinem "Hewixes p. 318 K. den Weinbauer
dem Phoenikier folgende Belehrung ertheilen: yeyove yao, Zeve, yeyave
momrns "Ounpos xol Mdev, Ws MeV daocıw Erspaı era Terräga na eixoow (oder
TeTTapaxovTa) Ery rwv Tpwixwv, oi de uera EmTd Kal eixomı moos rols Exarov,
re Tyv dmoiav (ci Adyvalcı wird von gewissen Handschriften hinzu-
gefügt) Es "Iwviav Eareımav, ol de EEyxovra Hal Exarov Erm Yeyovevaı Merd
ryv Tooiav Em (die Praeposition ist wohl zu tilgen) "Ounpev rE dacı zul
“Houodov, öre 4 Coaı dudw Ev Xadxıdı rov uv ra Erra (das Zahlwort
verdankt zweifellos einer fehlerhaften Dittographie seinen Ursprung)
ern Ta me Toiv Aldvrov xal Ws ol bardyyes aüreis dpapuiaı TE Aoav Kal
Kaprepai, Tov ÖE Ta Moos Tov AdeAbov Tov Eaurou Ileooyv, Ev ois aurov Epyuv
TE EXENEUCEV AMTEOIaL xl Yewoyie moooxeiodaı, Ws um deoıro Erepwv Wunde
mewum. xaı dAmSeoreoa, Eeve, me TWv "Oprpov Ypovwv Talra‘ Euvriderou
Yalp aürais 6 Ilpwreoidews. ÖVo Youv Tomrav Üuvov Wort elmovrwv Es aurov
Evraudoi xal dmerYovruv Apero ME 6 Aows Abızousvos, orw auruv adılomn,
EMoD ÖE Tov dbauAorepov Emaweoautos" xal Yap MAAMoVv Erugev Honkws’ YEAd-
cas 6 Ilpwreoirews “zu Iavıöys’ eimev, "dmmeroupye, Taurov voı memovIev
Xarxıdas Ya ns em Eigimw Bacıreds wv Exeivos "Horodw xard “Onnpov aly-
PICaTo xl TaUTa To yeveıov MElLov Exwv 1 CU’. yeyove ev dm, Zeve, momens
Kırcanorr: Der Roman eines Sophisten. 881
"Oumpos xal Ta mammard dvSpwrou raura u.8.w. Die Beschaffenheit der
Angaben über den Inhalt des im Wettkampf von den beiden Diehtern
Vorgetragenen, sowie die Rolle, welche der ‘König’ Panedes bei der
schliesslichen Entscheidung zu spielen hat, lassen keinen Zweifel daran,
dass der jüngere Sophist die Darstellung des älteren als Quelle be-
nutzt und in frei gestaltendem Auszuge wiedergegeben hat; denn die
Inhaltsangabe dessen, was Hesiod aus den ‘Werken und Tagen vor-
getragen haben soll, greift über die Gränzen derjenigen Verse hinaus,
welche nach dem Zeugniss des "'Agon Alkidamas ihm in den Mund
gelegt hatte, und deutet, wenn dabei überhaupt eine bestimmte Ab-
sicht zu Grunde gelegen hat, höchstens die Meinung des Benutzers
an, dass die Auswahl der reeitirten Verse im Original eine zweck-
mässigere hätte sein können. Mit diesen Angaben verbindet Philo-
stratos eine chronologische Datirung des Herganges, welche, er auf
nicht näher bezeichnete Gewährsmänner zurückführt, die Homer und
Hesiod als Zeitgenossen betrachtet und 160 Jahre nach dem Falle
Trojas angesetzt hätten. Ich gebe gern als möglich, ja wahrschein-
lich, zu, dass dieser eigenthümliche Ansatz von Combinationen über
die Lebenszeit des Amphidamas ausgegangen ist (Ronpe im Rhein.
Museum XXXVI (1881), S.420 ff.); allein, da der oder die unbe-
kannten Chronographen, um deren Ansicht es sich handelt, ohne
allen Zweifel in der Zeit nach Alkidamas gelebt haben, so lässt sich
zwar glauben, aber nie beweisen, dass ihre Kenntniss von Amphi-
damas als dem zu Chalkis residirenden Könige von Euboea und
seinen Schicksalen aus einer anderen oder gar älteren Quelle als Alki-
damas abgeleitet sein müsse. Ich für meine Person glaube es nicht.
Nebenher sei noch bemerkt, dass in den Worten, mit denen
Philostratos das Verfahren des Panedes bezeichnet, ein fleissiger und
belesener byzantinischer Gelehrter des 15. Jahrhunderts irriger Weise
die Spuren einer sprichwörtlichen Ausdrucksweise erkennen zu sollen
geglaubt hat. Denn der Artikel Navıdov iy®os, welchen Michael Apo-
stolios seiner Sprüchwörtersammlung 14, ıı (II, S. 606) einverleibt
hat, ist lediglich ein Auszug aus der Stelle des Philostratos, wie ein
Jeder sich leicht durch Vergleichung des Wortlautes beider Texte
überzeugen wird. Eine andere Quelle kannte Apostolios nieht, und
diese Quelle sagt uns nichts von einem Sprüchwort, das vielmehr er
erst gemacht und das vor ihm zu keiner Zeit, weder vor noch nach
Alkidamas, im Gebrauche gewesen ist. Man kann es nur bedauern,
dass in unseren Tagen dem Einfalle des Byzantiners unbedenklich
Glauben geschenkt zu werden pflegt.
7. Themistios erläutert XXX p. 348 Hard. die Behauptung,
dass Hesiod’s Ruf als eines Weisen ein wohlbegründeter sei, mit Hin-
882 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 27. October.
weisung auf seinen Sieg über Homer durch die folgende Auseinander-
setzung: dei de 109 xal Auds dxoroudouvras Emudeitar did mAEICvWV, WG dpa
ob uaryv "Horodos Fobes Evoniosn, AAN Eis ToGoUTov EUXAEAaG did ToUs £ı6
yewpyiav Aoyovs mponADes, worte x O Oumpe met Fopias xau Housuxms ev TA-
palıs Augdainavros &ıs aywva Erd wv mapd Tv aa Tov Sredaven xal vixyv
Eye. 6 1aev yalp ToAEKoUS Xaı uay,ds xal GUVAOTIOWAOV reiv Aldyrow xal dAAa
Todura mooondev, 6 dE ns TE Üuvnoev Eoya xaı Mucpas, Ev als Ta epya BeAriw
yıverdı' xal did TaUTa macı Tois xpırais xpareı. Alkidamas’ Darstellung
ist auch hier unverkennbar die Quelle, muss sich aber dem Zwecke
zu Liebe eine willkürliche Umgestaltung gefallen lassen: Hesiod erhält
den Sieg durch das einstimmige Urtheil sämmtlicher Kampfrichter
zugesprochen und eines Panedes bedarf es nieht mehr, ja er würde
nur unbequem und hinderlich sein. Der Sophist wusste offenbar sehr
wohl, was er sich dem Berichte des älteren Gollegen gegenüber heraus-
nehmen durfte, und sah in ihm keine urkundliche Überlieferung von
thatsächlich Geschehenem, sondern eine freie Erfindung, von deren
Elementen benutzt werden konnte, was zum Zwecke passend erschien,
aber auch ausgeschieden, was ihm hinderlich war.
8. Libanios in der Apologie des Sokrates III p. 22 R.: yywvı-
Caro more Ounpg “Horodos zul Toüro auros "Hoiodos Ev Emıypdumarı dideozei,
biRoriuoumevos za Acyav vevixyxevaı. Man wird nicht behaupten wollen,
dass der Sophist den Wettkampf der Diehter und das Dreifussepigramm
aus einer anderen Quelle als Alkidamas gekannt haben müsse. Es
ist nicht einmal nöthig anzunehmen, dass er als Verfasser des Epi-
gramms wirklich Hesiod betrachtet habe, wenn er sich auch den
Anschein gibt, das zu thun.
9. Proklos in der Chrestomathie, im Leben Homer’s (Scholia
in Tliadem ed. Disvorr I p. XXXIM): eior de oirwes dveilicv aurov (Homer)
“Hoidov mapsdocav orpıdeis ovres momoews" TooeUrev yap dmeyoumı ToU eve
moooNReıv e0ov N molmsıs dleoTnAEev aurWv. AAAWs de oUde Tois Ypovals cuv-
ereßarov aAAmAcıs. A9Acı dE ci To avıyua WAdOdVTES TouTo‘
[d ’ [ ’ U ©) SE!
Hoiodes Movous "Erızwvioı Tovd dvesmxev
ec I b) r ‚ ee u
Uuvw vıryoas Ev Narzıdı dlov Ounpov.
Ara Yap EmAavyOycav &x rwv "Howdewv "Huspwv' Erepov Yap Tı omuaıven.
Auch hier liegt keine Veranlassung vor, diese Kritik gegen eine andere
Überlieferung, als die des Alkidamas oder eine aus dieser abgeleitete,
sich gerichtet zu denken.
Der Vollständigkeit wegen erinnere ich schliesslich an die bereits
oben in einem anderen Zusammenhang erwähnte Thatsache, dass noch
in die Sammlung des Stobaeos zwei Hexameter mit dem Vermerk,
dass sie aus Alkidamas’ Moveeicv entnommen seien, gelangt sind, welche
KırcnHorr: Der Roman eines Sophisten. 883
nach dem Zeugniss des Papyrus und des Agon dem Homer im Wett-
streit als Antwort in den Mund gelegt waren, und bemerke ausser-
dem, dass das Dreifussepigramm auch in die Anthologie (Pal. VII, 53)
Aufnahme gefunden hat.
Durch die vorstehende Analyse erachte ich die Thatsache für
festgestellt, dass in der gesammten Überlieferung der Zeit nach Alki-
damas nirgends eine irgend sichere Spur einer Kenntniss vom Wett-
streite der beiden Diehter nachweisbar ist, welche nicht mittelbar
oder unmittelbar auf dessen Darstellung als einzige Quelle zurückginge.
Es erübrigt uns nur noch zu prüfen, ob die Beschaffenheit dieser
für unsere Kenntniss ältesten Darstellung selbst die Annahme noth-
wendig macht, dass ihr neben den Alkidamas zweifellos bekannten
Versen der "Werke und Tage’ noch eine, schon zu einer gewissen
Ausgestaltung gelangte Form der Legende zu Grunde liege, oder nicht
Alles, was Alkidamas uns mehr bietet, als in jenen Versen bereits
enthalten ist, einfach als freie Erfindung des Sophisten betrachtet
werden kann, wenn Gründe zu einer anderen Auffassung nicht vor-
liegen.
Zunächst bemerke ich, dass sämmtliche Motive der kurzen Er-
zählung in den "Werken und Tagen ohne Ausnahme in die Dar-
stellung bei Alkidamas hinübergenommen und Widerspüche oder Ab-
weichungen innerhalb ihres Bereiches überhaupt nicht nachweisbar
sind. Zwar hat man einen Widerspruch darin zu finden geglaubt,
dass in den Versen der "Werke und Tage” der Dichter sich rühmt,
Uuvw vixycas den Dreifuss zuerkannt erhalten zu haben, während doch
bei Alkidamas der Hauptnachdruck auf dem Frage- und Antwortspiele
zwischen den beiden Bewerbern ruhe und dieses Spiel doch nicht
als Üuvos bezeichnet werden könne: allein mit Unreeht: denn auch
nach Alkidamas’ Darstellung bildet dasselbe ja nur den Abschluss des
Wettkampfes und sind ihm rhapsodische Vorträge der beiden Dichter,
die allgemeine Bewunderung erregt, vorausgegangen (auborspwv — rwv
ramrav Savuaoros dywvioauswv Agon'). die für die Bezeichnung der
(resammtleistung doch auch in Betracht kommen. Es scheint mir
klar, dass dieses Nachspiel überhaupt hinzuzufügen und in so unver-
hältnissmässiger Weise zu betonen der Erfinder und Erzähler lediglich
durch seine sophistische Geschmacksrichtung veranlasst und verleitet
worden ist. Eine wirkliche Abweichung scheint allerdings in dem
Umstande vorzuliegen, dass Alkidamas, wenn wir der Angabe des
“Agon’ unbedingten Glauben schenken, nur einen Sohn des Amphi-
damas (Ganyktor) als Veranstalter der Leichenfeier eingeführt hatte,
während nach dem Bericht der Verse in den ‘Werken und Tagen es
eine Mehrzahl gewesen sein soll (raides WEYaANTOpEc). Allein ich glaube
Sitzungsberichte 1892. 79
584 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 27. October.
nicht zu irren, wenn ich annehme, dass TzErzEs, der in seinem
Excerpt aus dem Agon neben Ganyktor auch der anderen Söhne des
Amphidamas gedenkt (rwv viov Aumidauavros, Tavixropos TE xaı Twv
Acızwy), zwar nicht ein vollständigeres Exemplar des Traetates benutzt,
sondern, wie schon die Wahl des Ausdruckes lehrt, nur durch eine
naheliegende Combination den wahrgenommenen Widerspruch auszu-
gleichen versucht hat, doch ohne es zu wissen und zu wollen die
Darstellung so gestaltet hat, wie sie bei Alkidamas wirklich zu lesen
war, der Ganyktor als den ältesten der Söhne in Gemeinschaft mit
seinen Brüdern das Todtenfest des Vaters begehen liess. Der Verfasser
des 'Agon’ hat auch hier durch Auslassung von Nebendingen eine
abkürzende Zusammenziehung der Darstellung des Originales vorge-
nommen.
Was nun diejenigen Züge der Darstellung betrifft, durch deren
Einfügung bei Alkidamas die ältere Erzählung weiter ausgeführt er-
scheint, so überragt alle anderen an Bedeutung dasjenige Motiv, das
zur Weiterbildung offenbar die Veranlassung gegeben und dessen Ein-
führung die aller übrigen mit mehr oder weniger Nothwendigkeit nach
sich gezogen hat, die Gegenüberstellung nämlich eines bestimmten
Gegners im Wettkampf für Hesiod den Sieger in der Person Homer’s
als des Besiegten. Dass es sieh dabei nicht um eine historische Über-
lieferung, sondern um eine willkürliche, gleichviel wie zu charakte-
risirende Erfindung einer Zeit handelt, der Homer und Hesiod als
Zeitgenossen galten, ist zweifellos. Nun war allerdings die Vorstellung
von der Gleichzeitigkeit der beiden Dichter nicht erst im Zeitalter des
Alkidamas, sondern schon lange vor ihm eine weit verbreitete; die
Entstehung des Stammbaumes, welcher Homer und Hesiod als Ge-
schwisterkinder einander gegenüberstellte, reicht in das fünfte Jahr-
hundert hinauf, und wenn Alkidamas Hesiod seinen Gegner als Sohn
des Meles, diesen Hesiod als Sohn des Dios anreden lässt, so folgt
er auch hierin nur einer Überlieferung, welche bereits vor seiner Zeit
zur Ausbildung gelangt war. Allein auch ihm und wohl den meisten
seiner Zeitgenossen galten die beiden Diehter noch immer als gleich-
altrig und Niemand wird behaupten wollen, dass die Legende vom
Wettstreite der Dichter sich mit so zwingender Nothwendigkeit aus
der Vorstellung von ihrer Gleichzeitigkeit heraus entwickelt habe, dass
sie unmittelbar nach der Ausgestaltung der letzteren habe entstehen
müssen. Im Gegentheil, es war nieht nothwendig, dass sie überhaupt
entstand, und bleibt darum möglich, dass sie sehr viel später entstand.
Es steht darum nicht das Mindeste im Wege, Alkidamas für den
Erfinder eines Motives zu halten, das zu irgend einer Zeit, gleichviel
weleher, während der Dauer der Herrschaft gewisser Vorstellungen
Kırennorr: Der Roman eines Sophisten. 385
erfunden sein muss, welche noch zu Alkidamas’ Zeiten notorisch fest-
gehalten wurden. Die Möglichkeit, beide Diehter an einer Stelle zu-
sammentreffen zu lassen, war für Jeden vorhanden, der sich Homer
als wandernden Rhapsoden zu denken gewöhnt hatte: die Stelle selbst
war durch die Verse der ‘Werke und Tage’ gegeben.
Nur unter der Voraussetzung, dass der Sophist der Erfinder der
behandelten Situation war, wird auch die Veranlassung zu der Erfin-
dung überhaupt erst begreiflich. Denn nur ein sophistischer Geschmack
konnte eine interessante Aufgabe darin finden, die beiden berühmtesten
Dichter alter Zeit im Wettkampf einander gegenüberzustellen unter der
Bedingung, dass der in der allgemeinen Schätzung höher stehende
sein Übergewicht zwar im Kampfe bekunden, aber trotzdem den Sieg
dem geringer geschätzten endlich überlassen müsse: nur ihm konnte
die geschiekte Lösung einer solchen Aufgabe als ein würdiger Vor-
wurf erscheinen, den zu gewinnen eine willkürliche, wenn auch nahe
liegende Erfindung sich der Mühe wohl verlohnte. In vollem Ein-
klange damit steht dann noch der Umstand, dass die eingehende
Schilderung des W ettkampfes in allen seinen Einzelnheiten in den Mittel-
punkt gestellt und in dem Maasse betont erscheint, dass alles Übrige
dagegen zurücktritt, so wie die Form und der Inhalt, welche dieser
Schilderung gegeben sind. Die Gegner sich im Vortrage grösserer Ab-
schnitte ihrer eigenen bekannten Dichtungen messen zu lassen, war nicht
gut möglich und konnte kein Interesse gewähren, ihnen eigene zu diesem
Zwecke zu erfindende Improvisationen grösseren Umfanges in den Mund
zu legen stellte eine Aufgabe, der man sich nicht gewachsen fühlte. So
wird denn dieser wesentliche und Haupttheil des Wettkampfes in
summarischer Berichterstattung nur gestreift, dagegen das Haupt-
gewicht auf den zweiten und Schlusstheil gelegt, jenes Frage- und
Antwortspiel, in welchem nach Analogie der Öroßery oder mooßory
rhapsodischer Agonen die vorgeführten Kämpfer ihre Schlagfertigkeit
zu bekunden haben, dem Erfinder aber Gelegenheit geboten wird,
den eigenen Scharfsinn in glänzendster und ausgiebigster Weise zu
bethätigen. Dass die Lösung der so gestellten Aufgabe, wie sie uns
bei Alkidamas vorliegt, Spuren hoher Alterthümlichkeit an sich trage,
kann ich durchaus nicht finden; im Gegentheil, ihre gesammte Be-
schaffenheit weist ein so modernes Gepräge und einen so sophistischen
Charakter auf, dass Alkidamas als denjenigen zu betrachten, der unab-
hängig von jeder älteren Überlieferung aus eigener Erfindung das
Thema sich stellte und im Sinne seiner eigenen Geschmacksrichtung
behandelte, mir sogar geradezu geboten erscheint. Wenn er für die
Zwecke seiner Darstellung als Material neben Homerischen und Hesio-
dischen Versen auch zwei ältere Spruchverse verwendet und Homer
79*
886 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 27. October.
in den Mund legt, welche bereits bei Theognis in erweiterter Gestalt
begegnen:
6) \ \ \ AN Ey Y2 b7 7
Apymv EV m duvaı EmiySoviooı daLcTov,
/ NO] „ / fi n
duvra 0° omus wxrıoTa mUras "Aldao mepmodı
(vergl. Theogn. 425 ff.), so wird durch diesen Umstand jenes Urtheil
nicht berichtigt, sondern einfach bestätigt; er beweist eben nur, mit
welch’ bewusster Freiheit «der Sophist sein erfinderisches Spiel be-
trieben hat, keinesweges aber dass er bereits Vorgänger gehabt haben
müsste. Dasselbe gilt von den beiden Versen, welche er zu Beginn
des Spieles mit Amphibolien, den ersten Hesiod, den zweiten Homer,
sprechen lässt:
Sn „ a» 7. N > ’ J ’ Y
deirvov ETWELT EIAOVTO Dowv KDEdL KAUMEVAS ITTWWV
BI eN I & \ Su ! .
EXAvov lÖpwovras, MEI MroAsuov xopeoSyv (so die Hs.).
Diese hat er nämlich augenscheinlich, weil sie ihm für seinen Zweck
zu passen schienen, entweder dem Aristophanes abgeborgt, oder der-
selben Quelle entnommen, die dieser etwa benutzte, der im Frieden
1270ff.. nachdem der Sohn des kriegswüthigen Lamachos vom fried-
liebenden Trygaeos wegen des Inhaltes seiner Reeitationsproben einen
starken Rüffel erhalten und darum gefragt hat, was er denn vortragen
solle, damit jener Gefallen daran habe, Trygaeos aber darauf das
Thema mit den Worten gestellt:
e e\ \ N 7 nn» 2 \ \ 7
Ws 01 MEV Öaıvuvro VowWv Xped, Kal TA TOIXUTI'
„7 % \ e We) euN I
apıoTov MpoTISevro Kdı ATS NÖCTE TACAOIaI,
den Jungen die folgenden Worte:
A e\ N N ! N N ’ > , nr
Ws 01 MEV Odıvuvro Dowv XDEd, KAUYEVvAS ITTWV
„ c I Bi \ ’ J !
EXAUOV idbwovras, EMEL TOAEKOU EXOpEO Dev
zusammenstoppeln, dann aber zur Verzweifelung des Auftraggebers
allmählich wieder in das gewohnte Geleise zurückgerathen lässt.!
Indessen, obwohl es möglich war, auf diesem Wege und in dieser
Form Homer seine entschiedene Überlegenheit in glänzender Weise
bekunden und diese durch den einstimmigen Beifall der Festversamm-
"Jung anerkannt werden zu lassen, so sollte doch nun einmal Hesiod
als Sieger aus dem Kampfe hervorgehen und dieser unerwartete und
nicht zu erwartende Ausgang musste in irgend einer glaublichen Weise
[Die Ausführungen von E. Meyer über den a@yav im Allgemeinen und die zuletzt
angezogene Stelle im Besonderen in dem zuletzt ausgegebenen Hefte des Hermes
(XXVII S. 377ff.) sind zu spät zu meiner Kenntniss gelangt, um näher auf sie ein-
gehen zu können. Ich muss mich daher auf die Erklärung beschränken, dass ich mich
ausser Stande sehe, ihr Ergebniss als richtig anzuerkennen und mir anzueignen.]
\
r . x L -
Kırcnuorr: Der Roman eines Sophisten. 887
motivirt werden. Den Gepflogenheiten der Zeit gemäss lag in einem
solchen die officielle Entscheidung in den Händen der vom Agono-
theten dazu bestellten Kampfrichter, welche, obwohl in den Versen
der "Werke und Tage nicht erwähnt, darum selbstverständlich in
einer ausführlichen Darstellung des Herganges eine Rolle zu spielen
hatten. Dieses Richtercollegium war also in der Weise zu organisiren,
dass sein Wahrspruch in einen Gegensatz zu dem richtigen Urtheile
der öffentlichen Meinung treten konnte. Zu diesem Zwecke gab, wie
es scheint, Alkidamas den übrigen Beisitzern nur eine berathende
Stimme, und legte die Entscheidung gänzlich in die Hände nur £ines
Mitgliedes, nämlich ihres Obmannes, der dann ein falsches Urtheil
fällte, weil er selbst kein richtiges hatte, und dafür die alleinige Ver-
antwortung tragen muss. Lediglich, um eine solche Ausnahmestellung
begreiflich zu machen, ist dieser unglückliche Sündenbock zum Bruder
des Verstorbenen gemacht und zur Würde eines Königs’ avancirt,
und weshalb diese ganze, in ihren Motiven so durchsichtige Erfin-
dung auf Rechnung des spitzfindigen Scharfsinns einer älteren Zeit,
und nicht vielmehr des Sophisten selbst gesetzt werden soll, vermag
ieh nicht einzusehen. Auch der Name, welcher dem Übelthäter ge-
geben wird, erweist sich bei näherem Zusehen als eine scherzhafte
Gelegenheitserfindung. Schon, dass er nur hier und sonst nirgends
begegnet, berechtigt zu der Vermuthung, dass er zu einem bestimm-
ten Zwecke eigens erfunden ist und darum auch eine besondere Be-
deutung hat, und diese Vermuthung wird durch seine Etymologie
bestätigt. Die Lautform schwankt zwar in der späteren Überlieferung
zwischen Ilavordys, wie in unserer Handschrift des "Agon’ zweimal
geschrieben wird, und Havıdys, wie Joannes Tzerzes in der von ihm
benutzten Handschrift las und auch in den Handschriften des Philo-
stratos (Apostolios) sich geschrieben findet, und da keine von beiden
Schreibungen eine befriedigende Erklärung möglich macht, hatte
G. Herrmann Ilaveodys zu setzen vorgeschlagen. Allein durch das viel
ältere Zeugniss des Papyrus, auf welchem an einer Stelle die Genetiv-
form [I]avzdsv deutlich erkennbar ist, ist jetzt festgestellt, dass als
die riehtige Schreibung vielmehr Havrdys zu gelten hat. Diese Wort-
form aber ist offenbar eine Bildung nach Analogie von dryd4s, und
soll den Träger des Namens als eine Person bezeichnen, der "Alles
recht ist’, die an Allem, also auch dem Schlechten und Minderwerthen,
Gefallen hat, und somit die Urtheilsunfähigkeit eines Mannes charak-
terisiren, der Hesiod einem Homer vorziehen konnte, da er es nun
einmal sollte. Die Anwendung der Genetivbildung auf -ov darf bei
einem Schreiber aus der letzten Zeit des 3. Jahrhunderts nicht auf-
fallen; Alkidamas selbst hatte natürlich Havydovs geschrieben,
888 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 27. October.
Die bisher besprochenen Zusätze und Erweiterungen der ursprüng-
lichen Form sind die eigentlich wesentlichen und den Charakter der
Neugestaltung bedingenden: sie sind durch die sophistische Tendenz
eines neu eingeführten Hauptmotivs gewissermaassen gefordert und
stehen mit einander in einem ursächlichen Zusammenhange. Von gar
keiner oder doch nur nebensächlicher Bedeutung sind die zahlreichen
anderen, welche lediglich zum äusseren Aufputz und zur Specialisirung
der Darstellung dienen. und darum noch viel weniger als jene geeignet
die Vorstellung zu begründen, als habe sie Alkidamas nothwendig einer
älteren, in irgend einer Weise fest ausgestalteten Darstellung entlehnt
und nieht selbst frei erfinden können. Dass dem Sieger ein Kranz
aufgesetzt wird, dass der Dreifuss, der ihm als Siegespreis zufällt und
den die Verse der "Werke und Tage nur als mit Henkeln versehen
bezeichnen, als von Bronze gefertigt angegeben und vom Besitzer bei
Gelegenheit der Weihung an die Musen mit einer Weihinschrift ver-
sehen wird. das alles sind Einzelheiten, welche durch den herkömm-
lichen Brauch in Fällen wie der vorliegende gegeben und gewisser-
maassen selbstverständlich waren. Den Wortlaut des Epigrammes
hinzuzufügen veranlasste den Erfinder die Absicht den Schein anzu-
nehmen, als ob er die thatsächliche Richtigkeit seiner Angaben durch
ein monumentales Zeugniss zu beurkunden im Stande sei: dass man
ihm das glauben werde, braucht er darum noch nieht vorausgesetzt
zu haben. Dass er aber zu diesem Zwecke das Erzeugniss einer vor
seiner Zeit ausgeführten thatsächlichen Fälschung benutzt habe, ist
nieht erweislich und dass eine solche Annahme trotzdem nothwendig
sei, wird nur der behaupten wollen, der dem Sophisten nieht den
Muth und die Fähigkeit zutrauen will, die Verse des 'Epigrammes,
wie so viele andere, auf eigene Verantwortung und aus eigenen Mitteln
zu Stande zu bringen. Der Inhalt des Epigrammes war durch die
Absicht, in der es erfunden wurde, vorgezeichnet: Hesiod selbst be-
zeugt, dass der von ihm besiegte Gegner Homer gewesen, und ergänzt
dadurch die in den Versen der Werke und Tage von ihm gemachten
Angaben. Daneben durch Anwendung der gleichen Ausdrucksform
(duvw vixyoas; vgl. das Unvw virnoavra der "Werke und Tage’) an die
letzteren zu erinnern, war durchaus zweckmässig und im Sinne des
Erfinders geeignet, der Erfindung Wahrscheinlichkeit zu verleihen.
Alle übrigen Zusätze dieser Gattung verdanken ihren Ursprung
dem sehr begreiflichen Bemühen, der Darstellung des Herganges durch
eine möglichst glänzende äussere Ausstattung erhöhte Bedeutung zu
verleihen. So wird denn neben dem musischen Agon der ihm voran-
gehende gymnische ausdrücklich betont, die berufensten Vertreter der
dabei in Betracht kommenden körperlichen und geistigen Kunstfertig-
r . @ . »)Q
Kırcnnorr: Der Roman eines Sophisten. 589
keiten werden durch geeignete Mittel veranlasst, sich an dem Kampf-
spiel zu betheiligen, und ganz Hellas strömt nach Chalkis zusammen,
um einer so hochinteressanten Schaustellung als Zuschauer und Zu-
hörer beizuwohnen. Denn dass auch das letztere Moment in der Ein-
leitung, welche in der Darstellung des "Agon' sich eine starke Zu-
sammenziehung hat gefallen lassen müssen, von Alkidamas besonders
hervorgehoben worden war, ergibt sich mit Sicherheit aus dem Um-
stande, dass im Verlaufe der weiteren Darstellung wiederholt die Zu-
hörerschaft, welche ihrem Urtheile Ausdruck zu geben fortgerissen
wird, kurzweg als die Gesammtheit aller Hellenen, o "Errvves, bezeichnet
wird. Eine so allgemeine Theilnahme an dem Hergange konnte nur
dann glaublich erscheinen, wenn die Bedeutung der Persönlichkeit.
welcher die Leichenfeier galt, und der Ereignisse, die sie veranlasst
hatten, in zweckentsprechender Weise gesteigert wurde. So musste
denn Amphidamas, der in Wirklichkeit vermuthlich dem Stande der
Hippoboten von Chalkis angehört hat, es sich gefallen lassen, dass er
zum Range eines Königes der Insel Euboea mit der Residenz in Chalkis
erhöht wurde, und er durfte nicht eines natürlichen Todes gestorben,
sondern musste als streitbarer Held in der Schlacht gefallen sein;
auf ein solehes Ende schien ja schon das Epitheton daippwv, welches
ihm in den Versen der "Werke und Tage gegeben ist und das natür-
lich in dem Sinne von "schlachtenkundig genommen wurde, in nicht
misszuverstehender Weise hinzudeuten. Natürlich durfte es dann auch
nicht eine unbekannte und namenlose Winkelfehde gewesen sein, in
der Amphidamas den Tod gefunden: es musste vielmehr ein sagen-
bekanntes Ereigniss sein, das die Theilnahme von ganz Hellas auf
sich ziehen konnte. Diese Erwägung führte dazu, den Hergang in
die Periode der langandauernden Kämpfe zwischen Chalkis und Eretria
um Lelantos zu verlegen, von denen die Überlieferung berichtete, und
damit für solehe, die den Roman für Geschichte nehmen wollten,
diese Überlieferung durch eine interessante und bedeutsame Thatsache
zu vervollständigen; chronologischer Studien auf dem Gebiete der
Litteratur- und politischen Geschichte bedurfte es zu diesem Ende für
den Sophisten nicht und hat auch Alkidamas sicher nicht angestellt.
Die Kunde von der hohen maritimen Entwickelung, den ausgedehnten
Handelsbeziehungen und der erfolgreichen eolonisatorischen Thätigkeit
der euboeischen Städte schon in sehr frühen Zeiten, gab dann Ver-
anlassung, Amphidamas nicht in einer Landschlacht, sondern in einem
Schiffskampfe (veuvuux;oüvra), der dann in den Gewässern des Euripos
ausgefochten zu denken ist, den Heldentod sterben zu lassen und
damit eine Situation zu schaffen, die den Zeitgenossen des Alkidamas
sicher nicht so wunderbar und unglaublich erschienen ist, als den
890 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 27. October.
Kritikern neuerer Zeit, welche, an der Geschichtlichkeit der erfundenen
Thatsache festhaltend, das unbequeme vauuaxovvrz der Plutarchischen
Angabe mit K. F. Hrrmann (Gesammelte Abhandlungen 1849, S. 194)
in novonanx,ovvre verbessern und dem Hergange dadurch eine alterthüm-
lichere Färbung verschaffen zu können glauben." Dazu liegt in der
That gar keine Berechtigung vor. Auch Apollonios von Rhodos (denn
auf‘ dessen xricıs Nauxparews als Quelle sind meines Erachtens die An-
gaben Strabon’s XVIL, p. 801 über die Zeit und die näheren Umstände
der Gründung von Naukratis zurückzuführen) liess durch einen in einem
Schiffkampfe über Inaros davongetragenen Sieg sich die Milesier den
Weg zu der Stelle bahnen, an welcher sie dann des Erzählers Vater-
stadt gründeten; freilich war es in diesem Falle die den Griechen
naheliegende Etymologie des Stadtnamens, welche der Erfindung zum
Ausgangspunkte diente und zu ihr gewissermaassen aufforderte, aber
die Analogie ihrer Entstehungsweise zu der der älteren kann doch
schwerlich verkannt werden.
Ganz Ähnlich verhält es sich endlich mit einem weiteren speciali-
sirenden Zusatze von Alkidamas’ Darstellung, welcher an letzter Stelle
noch zu erwähnen bleibt. Die Verse der "Werke und Tage nennen
die Veranstalter der Leichenspiele nicht bei Namen, sondern begnügen
sich damit, sie als die Söhne des Amphidamas zu bezeichnen, Alki-
damas aber hatte wenigstens einem von ihnen, wahrscheinlich doch
dem ältesten, einen Namen, und zwar Ganyktor. gegeben. Und dazu
hatte er alle Veranlassung. Nachdem einmal zu einem bestimmten
Zwecke die Erzählung des Herganges in der Weise zu specialisiren
beliebt worden war, dass ein Obmann der Kampfrichter eingeführt, mit
Amphidamas und seinen Söhnen, den Agonotheten. in verwandschaft-
liche Beziehung gesetzt und ihm ein erfundener bedeutsamer Name
gegeben wurde, musste es unerlässlich erscheinen, auch diese Agono-
theten in gebührender Weise hervortreten und darum wenigstens den
ältesten der Söhne nicht ohne Namen zu lassen. Eines bedeutsamen
Namens bedurfte es zu diesem Ende nicht, es genügte, wenn er nur
ein alterthümliches Gepräge trug, und woher Alkidamas die Benennung,
für welche er bei freigestellter Auswahl sich entschied, entnommen
hat, ist zufälliger Weise noch nachweisbar: in derjenigen Fassung der
Legende vom Tode Hesiod’s, in welcher nach dem Zeugniss des 'Agon’
sie Alkidamas, gleichfalls im Moveeiov, vorgeführt hatte, waren die
Mörder des Dichters die Söhne des Phegeus, Amphiphanes und Ga-
nyktor, in der Eratosthenischen Darstellung desselben Herganges
m > ’ . . » .
! Movonay,ouvr« mgös Eopsroısas gibt auch gar nicht den offenbar allein ge-
wollten Sinn, was in der Eile gleich anfänglich übersehen wurde, und nun fortwährend
weiter übersehen zu werden pflegt.
Kırc#nuorr: Der Roman eines Sophisten. 891
hiessen sie zwar Antiphos und Ktimenos, waren aber Söhne eines
Ganyktor. Ob die getroffene Wahl auch eine passende war, ist
meines Erachtens eine Frage, welche aufzuwerfen sich der Mühe nicht
verlohnen würde.
Auf Grund der vorgeführten Erwägungen halte ich mich zu der
Behauptung für berechtigt, dass im Alterthum zu keiner Zeit eine
andere Überlieferung vom Wettkampfe Homer’s und Hesiod’s bekannt
gewesen ist, als diejenige, welche in der Darstellung des Alkidamas
gefunden wurde, und dass diese alleinige Quelle der Überlieferung
als ein auf deutlich erkennbarer Grundlage und zu begreiflichen
Zwecken vom Verfasser mit freier Willkür aus den ihm wohlbe-
kannten Versen der "Werke und Tage’ ohne jede sonstige Vermitte-
lung herausgesponnener Roman zu betrachten ist. Für die Beant-
wortung aber der Frage nach der Ächtheit jener Verse sind diese
Thatsachen von entscheidender Bedeutung. Wer sie für interpolirt
erklären will, ist verpflichtet, eine Veranlassung nachzuweisen, welche
eine spätere Einschiebung herbeiführen konnte, und da angesichts
des dargelegten Thatbestandes ein solcher Nachweis unmöglich ge-
liefert werden kann, so ist damit die Ächtheit und Ursprünglichkeit
der angefochtenen Episode indirect so gut wie erwiesen. Den di-
recten Beweis zu liefern übernimmt der Dichter selbst einem Jeden
gegenüber, der ihn ohne Vorurtheil verstehen will und kann.
Ausgegeben am 3. November.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
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AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
3. November. Gesammtsitzung.
Vorsitzender Seeretar: Hr. E. pu Boıs-Reymonv.
1. Hr. Vırcnow las über den troischen Ida und die Porta
von Zeitunlü.
2. Hr. Weser theilte einige Bemerkungen mit über Bähli,
Bählika.
3. Hr. Harnack machte eine Mittheilung über Bruchstücke des
Evangeliums und der Apokalypse des Petrus.
Die ersten beiden Mittheilungen erscheinen in einem der nächsten
Berichte; die Mittheilung 3. folgt umstehend.
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Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse
des Petrus.
Von Apour HARrNAcK.
Di. von Hrn. U. Bourıant (Mem. publ. par les membres de la Mission
Archeol. Francaise au Caire, T. IX, fase. ı, 1892) zusammen mit grie-
ehischen Fragmenten der Henoch-Apokalypse edirten griechischen Bruch-
stücke eines Evangeliums und einer Apokalypse des Petrus’ sind von
dem Herausgeber nicht näher bestimmt worden. Zu dem Fragment
aus dem Petrus-Evangelium hat er (S.137) bemerkt: »Cet evangile n’a
jusqu’a present, A ma connaissance au moins, ete signale nulle part«,
und zu dem Bruchstück aus der Petrus-Apokalypse (S. 142): »L’auteur
n'est pas nomme et le texte ne se trouve ni dans Tuıo ni dans
TiscHenporr; il est possible, etant donne le voisinage de l’evangile
de S. Pierre, que notre fragment appartienne A un ouvrage attribue
au meme apötre. Une apocalypse apoceryphe de S. Pierre etant eitee
par Tiscuenvorr dans ses » Apocalypses apoeryphae«, j admettrai provi-
soirement que notre morceau en est un debris.«
Die beiden Fragmente sind Theile der alten, zur christlichen
Urlitteratur gehörenden Schriften » Eiayyerıov zars Merpov« und » Amoxd-
Audıs Ilerpov«, und wir begrüssen in ihnen eine sehr werthvolle Be-
reicherung unserer Kenntniss der urchristlichen Schriftstellerei. Dass
sie wirklich zu jenen alten Petrus-Schriften gehören, soll hier in Kürze
bewiesen werden.
I. Das evangelische Fragment (nach meiner Zählung etwa 174
Stichen umfassend, den Stichos zu 36 Buchstaben gerechnet) beginnt
(S. 137 Bovriant) mitten in der Leidensgeschichte mit einem Satze, der
nicht in unseren Evangelien steht (rwv de Tovdaıwv ovdais Evnlaro Tas Welpars
! Pergamentcodex, gefunden in einem Grabe zu Akhmim, saec. VIII— XII [sie;
nähere Beschreibung und Facsimile fehlen], 33 fol., ohne Paginirung, 15 Xı2 m, S.r:
Koptisches Kreuz mit den Buchstaben A und 2, S.2—-ıo: Fragment des Petrus-
Evangeliums, S. 11. ı2: leer, S.13 —ı9: Fragment der Petrus-Apokalypse [der Text be-
ginnt S.ı9 und endet S.ı3], S. 20: leer |hiernach scheint es, als sei bereits die Vor-
lage lückenhaft gewesen], S. 21— 66: Zwei grosse Fragmente der Henoch -Apokalypse,
sl*
’
” .
896 Gesammtsitzung vom 3. November.
cüde "Howdns süd’ eis ruv zırWv aurev), giebt eine zusammenhängende Er-
zählung von dieser und von der Auferstehungsgeschichte und bricht ab
mit dem Satze (p. 142): uels de ci dwdexa madyrai Te) xupiou ExAdioev Ka
EAUmOUNEIL xal Exaoros Aumoumsvos did To Duußav AmmAAdym Eis Tov olxov KuTel.
eyw de Zıuwv Ilerpos xaı Avdpsas 6 adeAbos mov Anhovres yuwv ra Ava drmA-
Sauev eis ryv Iaraccav, xal Av TUv Av Acveis 6 Too AAdalov dv KUplos....
Dieser Satz zeigt, dass Petrus als der Schreiber des Evangeliums ein-
geführt war. Er ist es also auch, der (S. 139 Z. 5ff.) spricht: ’Eyw de nerd
TuV Eraipwv Mov EAUTOURN Kal TETDWWEVO Kara didvorav Erpußousda: Elyrov-
ua yap Üm' auruv Ws xauxoüpyoı xal Ws Tov vaov IeAovres Eumpyocı. Die
Erzählung der Geschichte Jesu scheint auf den vier kanonischen Evan-
gelien zu fussen (dass auch das Johannes- Evangelium berücksichtigt ist,
lehrt z. B. S. 139, 3, s. Joh. 19, 41: xyros Iwond; S. 138,8 s. Joh. 19,
32f.: dass Marcus benützt ist, zeigt der oben abgedruckte Schluss)
und also jünger als diese zu sein. Aber, einige sehr merkwürdige Zu-
sätze (das wandelnde Kreuz; die Stimme vom Kreuz), Ausspinnungen,
Steigerungen und Modificationen abgerechnet, bewahrt sie im Wesent-
lichen den synoptischen Typus und macht daher (vergl. das soge-
nannte Evangelium des Nikodemus) durchaus den Eindruck, dem 2. Jahr-
hundert anzugehören: freies Schalten mit dem Stoff, beträchtliche Er-
weiterungen, aber im Rahmen der kanonischen Überlieferung (breite,
aber nicht überall durchsichtige und geordnete Schilderung). Auf-
fallend ist, dass der König Herodes als der eigentliche verurtheilende
Richter erscheint, Joseph von Arimathia als Freund des Pilatus und
des Herrn eingeführt, Pilatus also in günstigstem Licht vorgestellt wird.
Noch bemerkenswerther aber ist Folgendes: nachdem der Erzähler
von den Schlägen, Stössen und Geisselungen berichtet hatte, fährt er
fort (S. 138, 3) Aveyxov ÖVo xuxoupyous xal Eoraupwoav dvd uEnov aurwv
Tov xUupiov. auros de Eowra (Eowraoas God.) undev movev Eywv. Augen-
scheinlich ist hier ein doketisches Element eingeführt, welches in
den kanonischen Evangelien nicht vorkommt: Jesus soll schlechter-
dings keinen Schmerz empfunden haben. Ferner ist nur ein Wort
Jesu vom Kreuz wiedergegeben, aber es lautet in diesem Evangelium
(S. 138, 13): % Öuvamıs mov, 9 dvvanıs (mov) xareren.ds me, und dann
heisst es sofort: xai eirwv dverydSn. Dieses »averypIy« kann doketisch
verstanden werden (doch s. Luc. 23, 43), und die seltsame Deutung
des »’Hazı, yrei« als »9 Övvanıs mov« zeigt, dass dieser Evangelist an
dem Ausdruck der Gottverlassenheit Jesu Anstoss genommen hat und
daher nur von einem Erlöschen seiner Kräfte etwas wissen wollte
(oder dachte sich der Verf. den &vw Xporos als die Kraft?). Wir
haben also in unserem Stück ein Fragment einer Evangelienschrift
‚zu erkennen, die sich ı. als von Petrus verfasst giebt, 2. mit den
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 897
kanonischen Evangelien sehr verwandt war, aber sich in Einzelheiten,
namentlich in der genauen Schilderung des Auferstehungsvorganges,
von ihnen (zu Ungunsten) merklich unterschied, 3. doketische Ele-
mente enthielt, 4. wahrscheinlich dem 2. Jahrhundert angehörte —
denn es finden sich in dem Fragment keine Spuren einer späteren
Zeit, und ausserdem spricht die Verbindung mit der Petrus- Apokalypse
(s. unten) und dem Henoch-Buche für ein hohes Alter.
Von einem alten Petrus-Evangelium wissen wir aus der Kirchen-
geschichte nicht viel, aber doch einiges. Origenes bekundet (in Matth.
T.X, ı7), dass er es gelesen hat. Über den Werth des Buches sagt
er nichts (roüs de dderdous "Iysed dacı Tıves eva, Ex Tapadocsws öpMulevou
ToD Emıyeypauuevov xard Ilerpov euayyeriov 4 rs BußAov IaxwPev, viovs Twonb
Ex TpOrEDas 'yuvaızos, Ovvwxnkulas aurw po ns Mapıcc). HEusebius (h. e.
HI, 3,2. II, 25, 6; nach ihm Hieronymus und das Deeret des Gelasius)
verwirft es als häretisch. Theodoret (h. f. H, 2) will wissen, dass
die Nazaräer es gebrauchen (?). Das wichtigste und zugleich das älteste
Zeugniss (um 200) aber bietet der Bischof Serapion von Antiochien
(bei Euseb. h. e. VI, 12). Wir erfahren hier, dass das Evangelium in
der Gemeinde zu Rhossus gelesen wurde, dass sich ein Streit über
dasselbe erhob und Serapion, ohne das Evangelium durchgelesen zu
haben, die Lectüre gestattete, dann aber die Erlaubniss zurückzog,
weil er sich nachträglich überzeugt hatte, »dass zwar das Meiste in
dem Evangelium der rechten Lehre des Heilands angehöre, Einiges
aber von Geboten hinzugefügt seic und das Buch der Meinung der
Doketen Vorschub leiste (die es auch brauchten). Diese Charakteristik
des Evangeliums — Serapion hält es übrigens nicht für jung —
stimmt ganz vortreffllich zu dem, was wir aus unserem Fragment
über die Beschaffenheit des Petrus-Evangeliums, aus dem es stammt,
ermitteln konnten. Es ist demnach schwerlich zu bezweifeln, dass
wir in dem Fragment von Akhmim wirklich ein Bruchstück des alten
Petrus-Evangeliums erhalten haben, das wahrscheinlich bald nach der
Mitte des 2. Jahrhunderts abgefasst worden ist (von einem anderen
Petrus- Evangelium wissen wir überhaupt nichts). Wo es entstanden
ist, ist nicht zu ermitteln — vielleicht in Syrien, wo es zuerst auf-
taucht. Dass es im Anfang des 3. Jahrhunderts nach Aegypten ge-
kommen ist, lässt sich wohl aus der Kenntniss des Origenes folgern.
Immerhin bleibt es höchst merkwürdig, ja räthselhaft, dass es dort
noch in der späten Zeit, aus der unsere Handschrift stammt, gelesen,
mit der Apocalypse Petri und dem Henoch-Buch vereinigt und einem
Mönch. mit in’s Grab gegeben worden ist; denn zwischen Eusebius
und der Zeit unserer Handschrift fehlt uns jede selbständige Kunde
von der Existenz des Evangeliums. Wie viel Alterthümliches hat
898 Gesammtsitzung vom 3. November.
doch die griechisch-koptische Kirche, bez. das Mönchthum in dieser
Kirche, bewahrt!
IH. Die Vermuthung des Hrn. Bovurınt, die namenlose Apo-
kalypse, die in der Handschrift dem Petrus-Evangelium folgt, sei eben
desshalb vielleicht eine Petrus-Apokalypse, lässt sich nicht nur erweisen,
sondern es kann auch gezeigt werden, dass sie die Petrus-Apokalyse
ist, d.h. jene uralte Schrift,. die in der ältesten Zeit neben: der
Johannes-Apokalypse in Rom und im Orient gestanden hat, die noch
um d.J. 440 nach dem Zeugniss des Sozomenos in einigen Gemeinden
Palästina’s jährlich einmal während der Vorfeier des Osterfestes vor-
gelesen worden ist und deren Geschichte in der Kirche wir minde-
stens bis zur Zeit um d. J. 5300 verfolgen können. Über diese Apo-
kalypse, die zuerst Clemens Alex. und das Muratorische Fragment er-
wähnen und zwar als heilige Schrift (Jener hat sie in seinen Hypo-
typosen neben den katholischen Briefen ausgelegt; dieses rechnet sie
zum Neuen Testament, vermerkt aber den Widerspruch Einiger), sind
wir ziemlich gut unterrichtet. Wir wissen auch, dass sie 270 (Catalog.
Claromont.) bez. 300 (Nicephorus) Stichen umfasst hat; aber weder
im Original, noch in einer Übersetzung ist sie bisher aufgetaucht.
Nur ein paar kleine Fragmente waren uns erhalten; doch ist nicht
alles, was als Fragment bezeichnet worden ist, sicher. Hr. Zaun
(Gesch. des NTlich. Kanons I S. 8ı8f.) hat nur fünf (drei bei Clemens
Alex. und zwei bei Macarius Magnes) gelten lassen. Die drei bei Ule-
mens erhaltenen, unzweifelhaften Bruchstücke zeigen, dass die Apo-
kalypse in einem noch phantastischeren Geiste geschrieben war als
die Johannes-Apokalypse. Sie lauten: I. T& Bosdn efuunPrwuFevra Tns
dusivovos EOoWEva meIpds (lies woipac). I. Kai AoToamy mUpos mnoWca dmo
ruv Ooedwv Exeivwv xl mANCCoUOE Tols hIaAuols rwv yuvaızav. III. To
de yara Tuv yuvamkwv, bEov dmo TWv MaorWv xal muyvumevov, Yevıyaeı Impio
AEmTd CTaxchaya Kal dvarpey,ovra Eis aürds xarsoYıc. In der Apokalypse
waren mithin ausgesuchte fürchterliche Strafen geschildert, die gewisse
Classen sündigender Weiber in der Hölle treffen. Das ist das Sicherste,
was wir bisher über den Inhalt dieses Buches wussten.
Unser Fragment, dem der Anfang und Schluss fehlt, umfasst
etwa 131 Stichen (nach meiner Berechnung; der Stichos zu 36 Buch-
staben). Init.: HoAAcı EZ aurwv evovra beudorpopyran ru 6dous Kal day-
Hard moxırao (moixıAd) Tys dmwäsias diddEwcw , expl.: oüraı de Acav ai
&bIavres Tv dev Tod Seod. Es ist minder gut erhalten, als das
Fragment aus dem Petrus-Evangelium. Mehrere Zeilen sind theil-
weise unleserlich ; auch hat es ziemlich viele Schreibfehler. Es ist jetzt
namenlos; aber dass es von Petrus herrühren will, macht der Satz
S. 142, 4f. sehr wahrscheinlich. Dort heisst es: drspyoneva (drspy,omevos
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 899
eod.) de mer’ auro) Yusis oi dwdexa Madyral EdenSInuev Orws deizn muiv Evo
Tuv ddeAbuv Aumv dızammv rwv ELeAdovrwv dmo rev xoouou. Also waren die
zwölf Jünger in der ersten Person eingeführt (ef. S. 143, 9: &xSawßaı
yeyovanzıv. 143,16. 144, 2). In diesem Falle (s. das Petrus- Evangelium
und das Kerygma Petri) ist aber gewöhnlich Petrus als der Sprechende
und als der Schriftsteller gedacht; in der That spricht auch in unserem
Fragment S. 143, 6 Einer im Singular: arius ou duvanıı EEnyncacdau
2a, nerg].:S. 143, 10ff. 8: 144,2. 16. Er,d.h. Petrus; ist der eigent-
liche Seher. Allein nicht nur eine Petrus- Apokalypse ist es, die wir
vor uns haben, sondern die Petrus- Apokalypse; denn S. 144, Sff. ı6ff.
S.145, 2. 3ff. 146. werden dem Apokalyptiker in der Hölle ver-
schiedene Glassen von Weibern, die entsetzlich gesündigt haben, ge-
zeigt, wie sie von ausgesuchten Strafleiden gepeinigt werden. S. 144,
ı8ff. — die Stelle ist zum Theil unleserlich — heisst es: zdxe Exd-
Invro yuvaizes Ey,ouodı Tov Iywpa MEXpL TÜV ToaynAwv Kal dvrixpüs aurwv
moNAol Tales 0.... 00 . woaı Erixrovro Kanyusver ExAaov xal mponpwovro EE au.
euenn. 6 WUPOS Kal Tas Yuvalxas EmANCCoV xara ruv öhIaAuuv.
Ta DE NOV DE eenennn. 2... 0001 Kal Ertpwoacdı Dass dies die Stelle
ist, aus der Clemens Alex. sein zweites Citat geschöpft hat (s. oben),
ist offenbar. Die anderen Citate lassen sich allerdings nicht nach-
weisen; aber unser Fragment umfasst noch nicht ganz die Hälfte der
vollständigen Schrift (130: 270 bez. 300); übrigens passen jene Citate
vortrefflich zu dem Geist und Inhalt des Fragments.
In dem Codex von Akhmim ist uns also ein grosser Theil der ur-
alten Petrus- Apokalypse wieder geschenkt. Ihre Anlage ist nun wesent-
lich deutlich geworden. Sie enthielt Offenbarungen (bez. Schauungen)
über den Zustand der Gerechten und der Sünder nach dem Tode,
die der Herr selbst seinen zwölf Jüngern bez. dem Petrus »auf
dem Berge« angeblich gezeigt (mitten in einer Rede Jesu beginnt
unser Bruchstück) und die Petrus angeblich niedergeschrieben hat.
Die Strafen, die der Seher in der Hölle schaut, sind raffınirt erdacht
— eine merkwürdige Anticipation der »Hölle« Daxte’s, zwölf Jahr-
hunderte vor Dawte. Aber schon in den älteren jüdischen Apoka-
lypsen war Ähnliches erzählt. Hervorgehoben sei, wie kräftig der
urchristliche Standpunkt in Bezug auf die Unzuchtsünden, den Reich-
thum sowie auf das Zinsnehmen hervortritt (S. 145, 10f.: xui ev erepw
Tv TOmW Yarızes Acav 6EUrepa Eibwv zo mavros 6ßerıcxov Ferupwuevo xal
Yuvalkes xal avdpes far Dumapa Evdedunevon ExvAovro Em’ aurwv xoralouevar'
obroı de Noav ci MAoUToUVTEs xdl TW MAoUTW alruv memadores za mm EAy-
GavTes epbavous xaı Anpats AAN dusAyodvres TAG EvroAns ToU Seot. Ev de
ETEDL An neyarn xaı ERAMpWIAEVN miou (mov cod.) xal aludaTos xaı Rop-
Bopov dvaleovros IOTNKEIOaV dvdbes Kal yuvalxes Mey yovarwv" ovroı de Aoav
900 Gesammtsitzung vom 3. November.
ci Öuveilovres xal dmaıroüvres Toxovs roxwy). Sehr lehrreich ist es auch,
dass nach einer Schilderung des Paradieses fortgefahren wird (S. 144
1f.): Aeycı Auiv 6 xUmios" oUros Eorıy 6 Tomos Tuv dpxspeuwv (dew,spwv cod.)
ümuv ruv dızalwv dvSpouruwv. Dieses »apxıspewv« giebt zu denken (vergl.
Didache 13, 3).
Direete geschichtliche Aufschlüsse über die Verhältnisse der
ältesten Christenheit gewährt die Schrift nicht; aber sie ist sehr lehr-
reich, denn sie lässt unzweideutig erkennen, von welcher Kost sich
die ältesten Christen auch genährt und welch’ seltsame aber ernst-
hafte Phantasieen sie für »Offenbarungen Christie ausgegeben und
heilig gehalten haben.
Im Folgenden gebe ich den Text des Evangelienfragments. Hr.
Bovrriant hat sich begnügt, die Handschrift abzudrucken und eine
französische Übersetzung beizugeben, in der jedoch einige Fehler der
Handschrift bereits corrigirt sind. Die Verseintheilung stammt von
mir. Den Text des Apokalypsenfragments werde ich in der nächsten
Sitzung vorlegen.
10
20
30
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 901
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(fol. ı") Tfwv] de Tovdawv oVdeıs Evnlaro Tas %eipas oüde Howöys oud
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Eis TWv xırWv aurov rwv xal BouAndevrwv vilaosa. 2dveorn Ilsırdros, Kal
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24 oHeAononnon — 26 mersmOgrce — 26 EIogoußouvro — 27 Nyavır av ae —
27 Yap om. — 31 Ereravro, contulit Drers dıeEsmeravro: Polyaen. 4, 2, 14. 7,48 — 31 zaı
om. — 32 mov sec. om.
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902 Gesammtsitzung vom 3. November.
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Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 903
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905
Ansprache an Se. Excellenz Hrn. von HELMHOLTZ
zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums
am 2. November 1892.
Hochgeehrter Herr College!
Kar den unzähligen Körperschaften, welche im vorigen Jahre Eurer
Excellenz ihre Glückwünsche zur siebzigesten Wiederkehr Ihres Geburts-
tages in bleibender Gestalt darbrachten, fehlte gewiss für Viele, viel-
leicht für Sie selber, auffallender Weise Ihre eigene Akademie, die
Berliner Akademie der Wissenschaften. Nicht dass sie an der die
ganze mathematische, naturwissenschaftliche, ärztliche, philosophische
Welt aufregenden Feier keinen Theil genommen hätte. Vielmehr liess
sie Ihnen die Urkunde einer durch ihre Mitglieder in’s Leben ge-
rufenen Stiftung überreichen, welche Ihren Namen tragen und als
höchstes Zeichen der Anerkennung wissenschaftlicher Verdienste in
gemessenen Zeiträumen eine goldene Denkmünze mit Ihrem Bilde aus-
theilen sollte. Dagegen untersagte der Akademie ein Gebrauch, von
welchem sie glaubte nicht abweichen zu dürfen, die Berücksiehtigung
eines Geburtstages, und verwies sie, um sieh Ihnen mit feierliehem
Glückwunsche zu nahen, auf den heute gekommenen Tag Ihres fünf-
zigjährigen Jubilaeums als Doctor der Mediein und Chirurgie. Die
Akademie ist dadurch freilich in die missliche Lage gerathen, nur
wiederholen zu können, was Ihnen schon von den verschiedensten
Seiten in begeisterten Worten ausgesprochen wurde: die Bewunderung
alles von Ihnen Geschaffenen, den tiefen Dank der um Sie als Meister
geschaarten Schüler und Fachgenossen.
Doch eignet sich die heutige Erinnerungfeier ganz besonders dazu,
den wunderbaren Gang Ihrer Entwickelung in’s Lieht treten zu lassen.
Sie erscheinen zunächst als Zögling der Königlichen militär-ärztlichen
Bildungsanstalten, zu einer praktischen, in vorgeschriebenen Formen
aufsteigenden Laufbahn bestimmt. Wie anders sollte es kommen.
Schon Ihre Inaugural-Dissertation gab ein Maass ab des von Ihnen
zu erwartenden Ungewöhnlichen. Sie lösten eine Frage, welche Ihr
906 Gesammtsitzung vom 3. November.
Lehrer JoHAnnEs MÜLLER für die wichtigste im damaligen Zustande der
Nervenanatomie erklärt hatte, die des Zusammenhanges der Nerven-
fasern mit den Ganglienkugeln. Fast unmittelbar darauf folgte eine
Untersuehung über das Wesen der Gährung und Fäulniss, welehe zu
den Ineunabeln der heutigen Bakteriologie zählt, der Nachweis eines
Stoffverbrauches bei der Muskelaction, sowie der sie begleitenden
Wärmeentwickelung, und eine kritische Darstellung der thierischen
Wärmelehre. Dies Alles bewegte sich indess noch in dem Rahmen
der damals sich vollziehenden Umgestaltung der Physiologie zur Physik
und Chemie der Organismen. Wie erstaunten aber nicht sogar die
Ihnen am nächsten Stehenden, als Sie kurz darauf in Ihrer berühmten
Schrift über die Erhaltung der Kraft ein mächtiges mathematisch-
physikalisches Vermögen, ungeschult und doch in scheinbar voll-
kommener Schulung, entfalteten. Ganz nebenher, in einer gemein-
fasslichen Darlegung über die Wechselwirkung der Naturkräfte, gaben
Sie, im Anschluss an die von Ihnen erweiterte Kanyrt-Larrack’sche
Theorie des Planetensystems, die erste befriedigende Erklärung der
Sonnenwärme. Inmitten dieser tiefen theoretischen Forschungen liessen
Sie in Ihren experimentellen Fortschritten nieht nach. Denn während
noch JoHannes MÜLLER die Unmöglichkeit beklagte, in dem kleinen Be-
reich eines Thierkörpers etwas über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
des Nervenprineipes auszumachen, die er sich von gleicher Ordnung mit
der des Lichtes dachte, zeigten Sie durch Versuche von bis dahin in der
Physiologie ungeahnter Schärfe, dass diese Geschwindigkeit über zehnmal
kleiner sei, als die des Schalles in der Luft, wobei Sie zugleich die auto-
graphische Methode der Curvenzeichnung auf den zeitlichen Verlauf der
Muskelzusammenziehung übertrugen, und die überraschende Thatsache
eines Latenzstadiums der Reizung aufdeekten. Aber auch noch beinahe
gleichzeitig traten Sie als kühnster Bahnbrecher in der Physiologie der
Sinne auf. Durch messende Beobachtung der Sanson’schen Bildehen,
welche bisher wohl mehr dem Dichter und Maler als dem Physiologen
bedeutend erschienen waren, lösten Sie das alte Räthsel der Accom-
modation des Auges für das Sehen in verschiedenen Entfernungen.
In dem Augenspiegel, dessen Erfindung gerade deshalb um so ver-
dienstlicher war, je näher sie lag und je weniger doch sonst Jemand
sich etwas davon hatte träumen lassen, schufen Sie ein Werkzeug,
welches alsbald in ALsreenr von Gräre’s Händen der Augenheilkunde
neue Wege von unermesslicher praktischer Wichtigkeit eröffnete, und
Ihren Namen durch die ganze Welt trug. In der Farbenlehre zer-
streuten Sie Sir Davın BrEwSTEr's verfehlte Speetraltheorie und er-
weckten Tuomas Youne’s fast vergessene glückliche Vermuthung zu
sicherem neuem Leben, Nach fundamentalen Forschungen in der phy-
2
=
Ansprache an Hrn. von HErnnor'tz. 907
sikalischen Akustik bewältigten Sie in der physiologischen Akustik
gleichfalls zwei uralte Probleme, das Pythagoraeische von dem Wesen
der Consonanz und Dissonanz, und indem Sie Stimmgabeln die Vo-
cale singen liessen, das Problem von der Natur der sogenannten
Klangfarbe. Als Seitenstück zu Ihrer »physiologischen Optik« ent-
stand so Ihre erstaunliche »Lehre von den Tonempfindungen als phy-
siologische Grundlage für die Theorie der Musik«. Mittlerweile hatte
bei Betrachtung der Meereswellen am Strande Ihres damaligen ost-
preussischen Wohnortes die Hydrodynamik Ihre Aufmerksamkeit auf
sich gelenkt. Aus Ihren transcendenten Studien in diesem Gebiete
ging Ihre Theorie der Wirbelbewegungen hervor, welche Lord KeLvın
zu dem Wagniss seiner Hypothese ermuthigte, dass die Atome der
Materie ausserordentlich kleine, von Ewigkeit fort und fort sich
drehende, mannigfach geknotete Wirbelringe seien. Durch alle diese,
die ganze theoretische Naturwissenschaft umfassenden Arbeiten aber
zieht sich endlich noch die eingehendste Beschäftigung mit der überall
eingreifenden Elektrieität. Sie begann mit Ihrer Feststellung des zeit-
liehen Verlaufes der dureh Stromsehwankungen indueirten elektrischen
Ströme, und der Vertheilung elektrischer Ströme in körperlichen
Leitern, wodurch Sie der thierisehen Elektrieität sichere Bahnen an-
wiesen. Aber bald erhoben Sie sieh auch hier zur Behandlung der
höchsten und letzten Probleme, zur Theorie der Elektrodynamik,
welche für Sie eine besondere Wichtigkeit dadurch erlangte, dass,
wie Sie zeigten, das von WırueLm WEBER aufgestellte Gesetz der
Fernwirkung zwischen zwei elektrischen Theilchen mit der Erhaltung
der Kraft in Widerspruch geräth. In neuester Zeit haben Sie das
vor anderthalb Jahrhunderten aus dieser Akademie hervorgegangene
Prineip der kleinsten Wirkung im Gebiete der Elektrodynamik frucht-
bar zu machen gewusst, und haben sogar im weiteren Verfolg von
Farapav's und Maxweıv’s Vorstellungen eine elektromagnetische Er-
klärung der Farbenzerstreuung des Lichtes gegeben. Zur Chemie,
die Sie seit Ihren ersten Arbeiten vergleichsweise weniger berück-
sichtigt hatten, kehrten Sie noch einmal in Ihrer Thermodynamik
der chemischen Vorgänge, wie überall Verständniss und Helligkeit
spendend, zurück. Neben dem allen gehen noch Ihre erkenntniss-
theoretischen Bemühungen einher. Ihrem früh ausgesprochenen Prineipe
gemäss, dass wir von der Begreiflichkeit der Natur ausgehen müssen,
verwerfen Sie den Nativismus, und huldigen der Lehre von dem empiri-
schen Ursprung der Raumanschauung und anderer ähnlicher Denkformen.
Sie haben ausgeführt, wie das Kind dahin gelangen könne, das ihm
tlächenhaft vorschwebende Bild der Gegenstände als dreidimensio-
nalen Raum auszudeuten, und sehen Moryn&zux’ Problem als durch
908 Gesammtsitzung vom 3. November.
ÜHESELDEN Ss und Warprop’s Erfahrungen im empiristischen Sinne ent-
schieden an. In einer tiefsinnigen Untersuchung über die thatsäch-
liehen Grundlagen der Geometrie haben Sie überdies gezeigt, dass
die von Kant angenommene Kenntniss der Axiome der Geometrie aus
transcendentaler Anschauung erstens eine unerwiesene, zweitens eine
unnöthige und drittens eine für die Erklärung unserer Kenntniss der
wirklichen Welt gänzlich unbrauchbare Hypothese ist.
Wir schweigen von Ihren Untersuchungen über Eigenschaften
des Eises und die. Gletschertheorie, Ihrer Bestimmung des Horopters
und der Grenzen des mikroskopischen Sehens, Ihrem siegreichen Streif-
zug in die Meteorologie, Ihren wieder in die erhabensten Regionen
der Mechanik führenden Studien zur Statik monocyklischer Systeme,
von nöch vielem Anderen, das hier Erwähnung verdiente. Doch es ist
unmöglich, in den uns gesteekten Grenzen ein wirklich entsprechendes
Bild von der Welt von Thatsachen und Einsichten, von Beobach-
tungen, Versuchen und Gedanken zu geben, die Sie, die höchste
Analyse wie die feinsten Instrumente mit gleicher Meisterschaft und
Leichtigkeit handhabend, mit unerschöpflicher Arbeitskraft zu Tage
gefördert haben. Das von uns Übergangene würde allein hinreichen,
einen hervorragenden akademischen Namen zu begründen. Das Staunen
über Ihre Leistungen wächst aber noch, wenn wir uns erinnern, dass
Sie, durch ArLzxAnper’s von Hunsorpr Fürsprache von Ihren Verpflich-
tungen als Militärarzt entbunden, zuerst an der hiesigen Akademie der
Künste plastische Anatomie, dann in Königsberg Physiologie und all-
gemeine Pathologie, dann in Bonn Anatomie und Physiologie, zuletzt
endlich in Heidelberg Physiologie allein zu lehren hatten. Dabei
machten Sie es noch möglich, durch eine Reihe gemeinfasslicher Vor-
träge von reinster Formvollendung jederzeit auch weiteren Kreisen
Einblick in Ihre Forsehungsergebnisse zu gewähren. Durch den 1870
erfolgten Tod Ihres Lehrers Gustav Maenus trat dann für Sie die
glückliche Wendung ein, dass Sie, ein unerhörter Vorgang in der
Geschichte der deutschen Universitäten, vom Lehrstuhl der Physio-
logie als Maenus’ Nachfolger auf den Lehrstuhl der Physik berufen
wurden. Seit dem ı5. Januar 1857 correspondirendes, seit dem ı. Juni
1870 auswärtiges Mitglied der Akademie, sind Sie so seit dem ı. April
1871 ganz der Unsrige geworden. Nachdem Sie für die Universität
ein die heutigen Anforderungen erfüllendes physikalisches Institut ge-
schaffen hatten, sollten Sie indess noch eine Wandlung Ihrer Lage
erfahren, indem Sie beauftragt wurden, für das Reich eine physikalisch-
technische Anstalt zu gründen und zu leiten, welche Sie auf dem
durch die grosssinnige Freigebigkeit Eines aus unserer Mitte dazu ge-
schenkten Boden erbauen durften. Aber indem Sie zugleich fort-
Ansprache an Hrn. von HermnHor'z. 909
fahren, an der Universität Vorlesungen über ausgewählte Capitel
der mathematischen Physik zu’halten, entrollt sich so mit Einem
Blick die ganze Weite des von Ihnen durchlaufenen Weges: von
Ihrer mikroskopisch-anatomischen Doetor-Dissertation bis zu der in
Ihren Formeln gipfelnden höchsten dem Menschen gegebenen Natur-
erkenntniss.
Brauchen wir den Wunsch hinzuzufügen, dass Eure Excellenz in
dieser, Ihrer würdigen Stellung noch lange der Wissenschaft eine weit-
hin strahlende Leuchte, unserer Akademie eine ruhmreiche Zierde mit
derselben unvergleichlichen Produetions- und Penetrationskraft bleiben
mögen, welche die Welt seit einem halben Jahrhundert anstaunt
und preist.
Berlin, den 2. November 1892.
Die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften.
Sitzungsberichte 1892. 82
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Zur Kritik der neuesten Untersuchungen
über das Saftsteigen.
Von 9. SCHWENDENER.
(Vorgetragen am 28. Juli [s. oben S. 825].)
2
Deit der Veröffentlichung meiner »Untersuchungen über das Saft-
steigen«,' welche hauptsächlich darauf gerichtet waren, für die bei der
Wasserbewegung in hohen Bäumen wirksamen physikalischen Kräfte
annähernd das Maass ihrer Leistungen zu bestimmen, ist neuerdings
von anderer Seite versucht worden, die von mir angenommenen oder
durch Beobachtung gewonnenen Grundlagen meiner Berechnungen und
Schlussfolgerungen als unsicher oder doch als unzulänglich hinzustellen
und dementsprechend die Gesammtleistung der physikalischen Kräfte
viel höher zu veranschlagen, als ich es gethan habe. Während meine
Darlegungen zu dem Ergebniss führen, dass bei hohen Bäumen die
Saugwirkung, welche von den beblätterten Zweigen ausgeht, nur etwa
bis zur Basis der Krone oder in den oberen Theil des Stammes herunter-
reicht, dass dagegen stammabwärts bis etwa auf Brusthöhe — von
der Periode des Blutens abgesehen — hebende Kräfte von bekannter
physikalischer Natur und Wirkungsweise nicht vorhanden sein können,
soll nach Bönm und STRASBURGER die ganze Wasserbewegung. selbst in
den höchsten Bäumen, ein rein physikalischer Process sein, bei dem
freilich nach der Annahme des letztgenannten Autors ausser den be-
kannten Thatsachen der Physik auch unerforschte und geheimnissvolle,
jedoch empirisch constatirte Vorgänge eine wichtige Rolle spielen
würden. Aber auch diese Vorgänge hätte man sich nicht etwa von
der Mitwirkung lebenden Plasmas, wie ich sie a.a.O. zur Deekung
des berechneten Deficits in den Leistungen der Kräfte angenommen,
abhängig vorzustellen; denn sie lassen sich angeblich auch in todten
Geweben beobachten und haben somit nichts Vitales an sich. Das
Eingreifen der Lebensthätigkeit in die Wasserbewegung wird daher
von Bönn und Srrassureer ausdrücklich abgelehnt und dafür eine
! Diese Sitzungsber. Jahrg. 1886, S. 561.
82*
912. Gesammtsitzune vom 3. Nov. — Mittheilune vom 28. Juli.
rein physikalische Theorie — von dem Einen geboten, von dem
Andern in Aussicht gestellt.
Nach Bönn! ist es einzig und allein die Capillarität, welche die
Wasseraufnahme durch die Wurzeln und das Saftsteigen bewirkt; nur
für das Blattparenehym wird die erforderliche Zufuhr von Wasser dem
Luftdruck zugeschrieben. STRASBURGER” legt vorläufig nur Gewicht auf
die von ihm beobachteten Thatsachen, hofft aber, seine Erfahrungen
werden »von anderer berufenerer Seite« zu physikalischen Theorien
verwerthet werden.
Bei der grossen Zahl von Versuchen, welche namentlich STRaAs-
BURGER ausgeführt und in seinem Buche beschrieben hat, halte ich es
für zweckmässig, meine kritischen Bemerkungen über die mitgetheilten
Beobachtungen und Folgerungen nach physikalischen Prineipien oder
Vorgängen zu ordnen, nicht nach der Reihenfolge, in welcher der
Autor sie vorführt. Manche von diesen Beobachtungen stehen übrigens
mit den Grundlagen meiner Auffassung in keinem Zusammenhange und
können daher füglich übergangen werden. Ich beschränke mich darauf,
eine nach eigenem Ermessen getroffene Auswahl widersprechender An-
gaben und Deutungen kritisch zu beleuchten.
1
Die capillaren Erscheinungen in Röhren mit imbibitions-
fähiger Wandsubstanz.
Da die Gefässe der Pflanzen ‚in der Regel eine von Luftblasen
unterbrochene Wassersäule, eine sogenannte Jaum’sche Kette enthalten,
so war es wichtig zu untersuchen, wie eine solche Kette von beliebiger
Länge, beispielsweise in einem hohen Baume, sich verhält, wenn
sie am oberen Ende in Folge der -Transpiration ihren Wassergehalt
einbüsst und dann nur noch stark verdünnte Luft führt. Wie
gross ist im extremsten Falle, wenn die Spannung der Luft gleich
Null wird, die Tragweite der Saugung, d. h. bis auf welche Entfer-
nung vom oberen Ende finden noch Verschiebungen der Wassersäulen
und Spannungsänderungen in den Luftblasen statt? Um diese Frage
zu beantworten, muss zum Mindesten die mittlere Länge der Glieder
und ebenso die Grösse des Widerstandes bekannt sein, welchen die
Menisken der Wassersäulen einer Verschiebung entgegensetzen. Die
Bestimmung dieser Grössen ist nun aber nicht ganz leicht, und ich
' Berichte der Deutschen Bot. Ges. 1889, Generalversammlungsheft S. (53).
®° Uber den Bau und die Verrichtungen der Leitungsbahnen in den Pflanzen,
S. 539. — In der Folge werde ich diese Schrift unter dem Titel »Leitungsbahnen«
eitiren.
Da sure 7 .. .f, D *)
Schwenpener: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 913
habe ausdrücklich auf die unvermeidlichen Fehlerquellen hingewiesen,
welche die Zuverlässigkeit der-Messungen und Beobachtungen in sehr
erheblichem Maasse beeinträchtigen. Diese Fehlerquellen entspringen
Jedoch, meiner Auffassung zufolge, nur aus der Methode der Ver-
suchsanstellung und aus der Blosslegung der Gefässe durch Längs-
schnitte, nicht etwa aus der chemischen oder molecularen Zusammen-
setzung der Wandsubstanz; für letztere ist bloss die mehr oder weniger
vollkommene Benetzung maassgebend.
Nach STRASBURGER' liegt nun aber der Fehler »hier ganz wo
anders, nämlich in der Annahme, dass die für Jaum’sche Luft-Wasser-
ketten in Glascapillaren gefundenen Gesetze auch für die Luft-Wasser-
ketten in den trachealen Bahnen der Pflanzen gelten«. Das sei eben
nicht der Fall. es bestehe hier vielmehr ein grosser Gegensatz. Von
der imbibirten Wand der Gefässe werde nämlich durch Adhaesion eine
Wasserschicht an der Innentläche festgehalten, welche »den Zusammen-
hang zwischen den einzelnen Abschnitten der Wasserfäden vermittelt«,
während in Glascapillaren nach Prarrau die Wände zwischen den
Wassersäulen durch »die energische Saugung der Menisken« rasch
trocken gelegt werden. Und in Capillaren mit trockenen Wänden
bewege sich das Wasser schlecht.
Diese letztere Angabe stimmt nun freilich nieht ganz mit der
bekannten Thatsache überein, dass das Wasser in frisch ausgezogene
Röhren, beispielsweise von o"”"'2 oder o""ı Durchmesser, im ersten
Moment nach dem Eintauchen pfeilschnell emporschiesst und nur in
Folge der Verlängerung des Wasserfadens und des dadurch gesteigerten
Reibungswiderstandes sich allmählich langsamer bewegt. Wir wollen
Jedoch bei solchen Betrachtungen, deren Beweiskraft ja doch der
vollen Strenge entbehrt, nicht stehen bleiben, sondern sowohl die
capillare Steighöhe in Röhren von micellarem Bau, als auch die
Widerstände der Menisken in denselben auf experimentellem Wege
nochmals direet zu ermitteln suchen.
a) Die Steighöhe. Benutzt man die Luftgänge im Blüthen-
stiel von Nymphaea alba als Capillaren, so ist es leicht, dieselben durch
Eintauchen von Stielstücken in Wasser damit zu füllen oder auch ein-
fach voll zu saugen, und dann durch langsames Herausziehen bei
schwacher Vergrösserung das Niveau zu bestimmen, in welchem der
Meniskus mit dem Spiegelbilde des Fensterkreuzes zu sinken beginnt
und demnächst plötzlich verschwindet. Die capillare Steighöhe kann
auf diese Weise, wie die folgenden Beispiele zeigen, mit ausreichender
Genauigkeit bestimmt werden.
! Leitungsbahnen, S. 815.
3a Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
Eine im Juni 1891 ausgeführte Messung ergab nun folgende
Zahlenwerthe. Durchmesser und Steighöhen in Millimetern.
Durchm. der Luftkanäle 0.93 0.94 Dt 272 1.4 0:00, Fe1:02
Beobachtete Steighöhen 31 32 205 NOTAR 32 30
Das arithmetische Mittel dieser Zahlenwerthe gibt für den Durch-
mm
messer ı"”o8 und für die entsprechende Steighöhe 29”"27. Zur
Vergleichung sei bemerkt, dass in Glascapillaren von gleichem Durch-
messer die Steighöhe (nach Gay-Lussac) 2 beträgt. Die Differenz
zwischen den beiden Werthen liegt offenbar innerhalb der unvermeid-
) mm
lichen Beobachtungsfehler.
Eine zweite Reihe von Beobachtungen an demselben Objeet ergab
eine fast vollständige Übereinstimmung der beobachteten und der für
Glascapillaren berechneten Werthe. Die erhaltenen Zahlen sind in
nachstehender Tabelle verzeichnet:
Durchm. d. Luft- Beobachtete | Berechnete
kanals | Steighöhe | Steighöhe
1.075 28 28
1.4 21.5 21.4
0.475 63 63.6
Ich füge hierzu noch die Bemerkung, dass die Zellwände, welche
den Luftkanal begrenzen, eine eutieularisirte Aussenlamelle besitzen, .
die jedoch vom Wasser vollständig benetzt wird.
Weitere Versuche wurden mit der Epidermis von Tulpenblättern
ausgeführt. Dieselbe wurde in Lamellen von der Grösse eines Objeet-
trägers abgezogen und sodann mit der Aussenfläche Auf Glasplatten
geklebt, wobei Canadabalsam oder Gummi arabicum als Klebemittel
diente. Die Epidermiszellen bleiben hierbei vollkommen unversehrt
und bilden eine ziemlich glatte Fläche, welcher nur ganz vereinzelt
Chlorophylizellen anhängen. Je zwei solcher Platten wurden alsdann
zu »Paralleltafeln« verbunden und mit dem unteren Rande in Wasser
getaucht, welches nunmehr zwischen den Celluloseflächen der Platten-
paare in die Höhe stieg. Die Versuche ergaben folgende Ziffern.
Alle Werthe in Millimetern.
Abstand Beobachtete |Berechnete Steighöhe
der Platten | Steighöhe für Glasplatten
1.08 13 13.8
0:7 20 21.4
1.14 13—13.5 13.2
1.88 8 8
Endlich mögen hier noch einige Versuche mit Kirschgummi
Platz finden, welche ähnliche Resultate ergaben. Es wurden Glas-
ER
SCHWENDENER: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 915
capillaren im Innern mit einer dünnen Schieht dieser Gummiart über-
zogen, was am besten in der Weise geschieht. dass man einen eben
noch flüssigen Tropfen mehrmals von einem Ende zum andern durch
die Röhre gleiten lässt. Die so erzeugte dünne Schicht trocknet in
24 Stunden genügend ein, und zwar ohne hierbei Risse oder Spalten
zu bilden. Bei der Berührung mit Wasser findet allerdings Quellung
statt, aber doch so langsam, dass zur Beobachtung der Steighöhe
reichlich Zeit übrig bleibt. Ein Zerfliessen, wie beim arabischen
Gummi, findet so bald nicht statt. Die Messungen ergaben in Milli-
metern:
Dem Beobacidte || Bereiinieie Steighöhe
\
I
der Röhre | Steighöhe | für Glascapillaren
22 4% 13:7
31 15 | 14-4
Mit Kirschgummi überzogene Parallelplatten lieferten überein-
stimmende Werthe. Die folgenden Beispiele mögen hierfür als Belege
dienen.
Abstand der | Beobachtete | Berechnete Steighöhe
Platten | Steighöhe zwischen Glasplatten
092 loan 16.4
a1 14 13.5
1.30 11.5 | 11.5
1.08 214 14
0.7 De 29, 21.4
Aus diesen Versuchsreihen geht zur Genüge hervor, dass der
micellare Bau und die Imbibitionsfähigkeit der Röhrenwand die ca-
pillare Steighöhe nicht beeinflussen. Es ist im Gegentheil als fest-
gestellt zu betrachten, dass es bei gegebenen Dimensionen nur auf
die Benetzbarkeit ankommt; ist diese vollkommen, so erhält man
stets die nämlichen Steighöhen, wie für Glascapillaren.
Damit soll nun aber keineswegs bestritten werden, dass es
Röhrenwände und speciell Gefässwände genug gibt, denen eine voll-
kommene Benetzbarkeit nicht zukommt und die deshalb etwas kleinere
Steighöhen ergeben, als frisch ausgezogene Glascapillaren. Auch kann
es vorkommen, dass die Porenhöfe der Wand noch eine Zeit lang
Luft führen, nachdem die aufsteigende Wassersäule bereits in das
Lumen des Gefässes vorgedrungen, wodurch die Steighöhe voraus-
sichtlich noch mehr redueirt wird. Man darf aber nicht vergessen,
dass ähnliche Veränderungen der capillaren Eigenschaften auch an
Glasröhren, welche längere Zeit gelegen haben, zu beobachten sind
und dass meist eine gründliche Reinigung nothwendig ist, um die
normale Steighöhe wieder herzustellen.
916 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
Übrigens ist der Fehlbetrag in der Steighöhe, der sich z. B. für
die Gefässe der Weinrebe herausstellt, in der Regel nicht sehr erheblich
und kann im Mittel auf etwa 20— 30 Procent des Normalwerthes ver-
anschlagt werden, erreicht aber allerdings in einzelnen Fällen eine
beträchtlich höhere Ziffer. Einige Beobachtungen hierüber sind in
folgender Tabelle zusammengestellt (die Werthe in Millimetern).
Durchmesser | Beobachtete Berechnete | Differenz in Procenten
des Gefässes Steighöhe | Steighöhe | des Normalwerthes
0.2 127 150 15
0.17 113 175 35
0.18 | 135 166 19
0.17 115 175 34
0.2 110 150 23
Ähnliche Werthe, zum Theil aber noch etwas höhere Differenzen,
erhielt auch STRASBURGER.
Er folgerte daraus die vorhin besprochene
» Wechselwirkung zwischen der imbibirten Wand und dem Inhalt der
Gefässe«, welche jedoch’ in seinem Sinn, wie wir gesehen haben, nicht
besteht. Auch deutet die Ungleichheit der Differenzen zwischen der
beobachteten und der berechneten Steighöhe von vorne herein viel
weniger auf ein neues, hier zur Geltung gekommenes Prinzip, als auf
individuelle Abstufungen in der Benetzbarkeit der Gefässwand, welche
ja auch thatsächlich vorhanden sind.
Für die Orientirung über die Leistung der Capillarität beim Saft-
steigen sind übrigens die im Vorhergehenden erwähnten Differenzen
ohne Belang.
b) Der Widerstand der Menisken. Die arithmetische Be-
stimmung des Widerstandes, den die Menisken einer Verschiebung
in der Längsriehtung der Röhre entgegensetzen, hat mit mancherlei
Schwierigkeiten und insbesondere mit veränderlichen Faetoren zu
rechnen, welche das Ergebniss der Beobachtung sehr erheblich be-
einflussen. Die Physiker, welche sich mit Experimentaluntersuchungen
über Capillarität befasst haben, kennen diese Sehwierigkeiten. Für
Prarrau” waren sie z. B. Veranlassung, die mit Wassermanometern
erhaltenen Werthe für den fraglichen Widerstand gar nieht zu ver-
öffentlichen, so wenig Vertrauen flössten sie ihm ein. Auch die von
ZIMMERMANN”® ausgeführten Messungen ergaben sehr ungleiche Wider-
stände, und es ist wohl zu beachten, dass die in seiner Tabelle I
(S. 389) mitgetheilten und immer noch wenig übereinstimmenden
! Leitungsbahnen, S. 808.
? Statique experimentale et theorique des liquides. Der Autor sagt p. 82: »a la
suite de nombreux essais, j’ai renonce a ce procede«.
? Berichte der Deutschen Bot. Ges. I. S. 384. (Jahrg. 1883.)
.,. . Sn . ER
ScHwENDENER: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 917
Ziffern sich nur auf Ketten beziehen, die vor der Messung 16 bis
48 Stunden geruht hatten. Betrug die Ruhezeit nur 5 Minuten oder
noch weniger, so war die Beweglichkeit der Kette beträchtlich grösser,
der Widerstand der Menisken also geringer.
Nach eigenen, im Sommer 1892 angestellten Untersuchungen über
diesen Gegenstand -sind übrigens die Zmmernmann schen Werthe im
Allgemeinen viel zu hoch ausgefallen. Die höheren und höchsten
Widerstände, welche die Messung nach seiner Methode ergibt, rühren
nämlich stets von localen Hindernissen her, welche an. bestimmten
Stellen der Röhre sich geltend machen. An solchen Stellen bleibt
eine Wassersäule, die sich in der geneigten Röhre langsam bewegt,
plötzlich stehen, und es ist oft eine viel stärkere Neigung erforder-
lieh, um den Meniskus über das Hinderniss hinwegzuschieben. Darin
liegt offenbar eine schwer zu eliminirende Fehlerquelle, sobald man
Jam sche Ketten von grösserer Gliederzahl sich in der Röhre be-
wegen lässt. Experimentirt man dagegen mit einer einzigen Wasser-
säule von etwa ıo bis ı5"” Länge, so ist es möglich, sich an Röhren-
strecken zu halten, in welchen bemerkbare locale Hindernisse nicht
vorhanden sind. Man erhält alsdann, wie folgende Zusammenstellung
zeigt, viel geringere Widerstände, welche höchstens einer Wasser-
mm
säule von 2 bis 3"" pro Meniskenpaar entsprechen.
Röhre I | Röhre II | Röhre II | Röhre IV
Röhrenweite in Millimetern ... 0.26 0:184 |. 117.0:224 | 0.3
Widerstand pro Meniskenpaar
in Millimetern Wasser.
Ta nach 2 5/Min. Ruhe... 21... 0.50 2.7 0.45— 1.42 0.78
Aynach? 30 Mine Ruhe.f:.. ... „wirnı 117 20.85 2.19 0.89 _
SSanach, 3 Stunden Ruhe... .. 0.85 2.5 _ —
4. nach 16 Stunden Ruhe ....... 0.85 3.15 _ 21
Auch diese Ziffern mögen theilweise wegen zufälliger kleiner Hin-
dernisse noch etwas zu hoch liegen, obschon sie durchgehends nur
einen kleinen Bruchtheil der von Zimmermann gefundenen Werthe bilden.
Man ersieht aus alledem, dass wir in dieser Frage selbst für Glas-
röhren, trotz der redlichen Arbeit, welche Physiker und Mikroskopiker
darauf verwendet haben, zu physikalischen Constanten im strengen
Sinne des Wortes und damit zu einer sicheren Basis für vergleichende
Beobachtungen noch nicht gelangt sind. Und noch viel weniger wird
man für die Gefässröhren der Pflanze auf genaue und übereinstimmende
Angaben rechnen dürfen. Soviel aber ist sicher, dass ein durchgreifen-
der und constanter Unterschied zwischen Glasröhren und den vege-
tabilischen Gefässen bezüglich des Widerstandes der Menisken nicht
besteht.
} N . ö Ir > Sa :
918 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
Die Angaben, die ich in meiner früheren Mittheilung über die
Widerstände Janm’scher Ketten in den Gefässen einheimischer Laub-
hölzer gemacht habe, dürften hiernach der Wirklichkeit sehr viel näher
kommen, als ich damals. im Hinblick auf die Zimmermann schen Ver-
suche, anzunehmen geneigt war.
Schliesslich glaube ich noch ein Wort über die »Saugung« hin-
zufügen zu sollen, welche angeblich von den Menisken ausgehen und
auf die an der Innenwand von Glascapillaren haftende Flüssigkeits-
schicht dergestalt emwirken soll, dass diese in kurzer Zeit vollstän-
dig verschwinde. STRASBURGER beruft sich hierbei auf eine Stelle bei
Prarzeau (Band I, S. 83), wo allerdings das Wort »succion« in dem
angedeuteten Sinne gebraucht ist. Dieselbe lautet: »CÜ’est que, par
suite de leur forte eourbure concave, les surfaces terminales des in-
dex exercent, sur la couche d’eau qui mouille le tube entre elles,
une sudeion energique, qui fait rapidement disparaitre cette couche«.
Pratzau hat jedoch die fraglichen Erscheinungen selbst nieht näher
untersucht, sondern er stützt sich auf diesbezügliche Angaben von
Bkpe.!' welcher zuerst die Dieke der Flüssigkeitsschicht bestimmte,
die beim Gleiten einer Flüssigkeitssäule vorübergehend an der Röhren-
wand haften bleibt. Derselbe sagt hierüber (S. 150 der eitirten Schrift):
»Les epaisseurs des couches laissees dans differents tubes par une co-
lonne liquide qui y descend librement ne sont pas constantes. Elles
croissent plus que proportionellement au rayon«. Von den zahlreichen
vom Autor mitgetheilten Zahlenwerthen mögen einige als Beispiele
hier Platz finden.
1.4 Wasser.
Radius der Röhre in Millimetern 0.18 0.28 0.057
Dicke der Flüssigkeitsschicht in Millimetern 0.001 0.002 0.0004
I. Absoluter Alkohol.
Radius der Röhre in Millimetern 0.05 0.18 0.32 0.60
Dicke der Flüssigkeitsschieht in Millimetern 0.0002 0.001 0.002 0.002
Die Flüssigkeitsschichten, mit denen Bepr zu thun hatte, besassen
hiernach eine sehr erhebliche Dicke, welche in den weiteren Capillaren
ı bis 2 Mik. erreichte, während bekanntlich die directe Anziehung der
Glaswände sich nach QuinckE für Wasser nur auf etwa 0.05 Mik. er-
streckt. Man begreift also. dass von den beobachteten Flüssigkeits-
schichten, deren Dicke diesen Grenzwerth um ein Vielfaches überstieg,
der grössere Theil wieder abfliessen musste, wenn die Röhre lothrecht
hingestellt wurde. Das ist denn auch das Resultat, zu welchem B£pe
! Recherches sur la capillarite. Memoires couronnes et memoires des savants
etrangers publies par l’Academie royale de Belgique. Tome XXX.
ScHWENDENER: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 919
gelangte und das er selbst! mit den Worten generalisirt: »Une eouche
liquide d’epaisseur sensible ne peut pas rester adherente A une surface
verticale«.
Ich füge auf Grund von eigenen hierauf bezüglichen Beobachtungen
noch bei, dass das Abfliessen der Flüssigkeit nach unten. nicht
etwa zur Hälfte nach oben hin, stattfindet. War z. B. die Röhre
mm
etwa 0”. 2 weit und der Abstand zwischen einer oberen und einer
unteren Flüssigkeitssäule = 100"", so erfuhr diese letztere durch Zu-
fliessen aus dem benetzten Zwischenraum binnen 30 Minuten eine Ver-
längerung von etwa 0”; bis 0”"8, während die obere unverändert
blieb. Einige weitere Versuchsergebnisse folgen hier noch in tabella-
rischer Form, die Werthe in Millimetern. Die Länge der Wassersäulen
betrug 20— 40""; diese müssen nämlich zum Mindesten so lang sein,
dass sie in der geneigten Röhre sich ziemlich rasch bewegen, /um
dadurch die gewünschte Benetzung herbeizuführen.
Röhre I
| Röhre II | Röhre III
>. Duschmesser der Röhre: 3%: 4. ....0...... 0.24 0.64 0.95
2. Länge des luftführenden Zwischenraumes
zwischen oberer und unterer Wassersäule . 63 81 30
3. Verlängerung der unteren Wassersäule durch
Zufliessen von oben binnen 20— 30 Min. . 0.2 0.75 0.25
4. Berechnete Dieke der zugeflossenen Schicht | 0.0002 0.0015 0.0016
Von Saugung ist in der Abhandlung von BepeE nicht die Rede.
Aber selbst wenn eine solche vorhanden wäre, müsste doch die Vor-
stellung, als ob der letzte Rest einer Flüssigkeitsschicht, auch wenn
er den Quiscke' schen Grenzwerth nicht mehr erreicht, von den
Menisken eingesogen werden könne, als unhaltbar bezeichnet werden,
weil Reste von so geringer Dieke überhaupt nicht mehr normal be-
weglich sind. Solche Reste gehören zum » Adhaesionswässer« im Sinne
Näezır's’; sie verhalten sich also wie dasjenige Wasser einer imbibirten
Membran, welches »die Oberfläche der Micelle zunächst umgibt«.
Es ist deshalb schon aus theoretischen Gründen nicht recht verständ-
lich, wie STRASBURGER in Bezug auf die besprochenen Erscheinungen
zur Annahme eines principiellen Gegensatzes zwischen Glascapillaren
und Röhren mit imbibirter Wandung gelangen konnte. Jedenfalls
kann darüber, dass diese Annahme unrichtig ist, nach den im Vor-
hergehenden mitgetheilten 'Thatsachen kein Zweifel bestehen.
IEN.8. 0. 8.1632
? Theorie der Gährung, S. 129.
920 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
2.
Die angebliche Verschiebung der Wasserschicht zwischen
Luftblasen und Röhrenwand.
Der Gedanke, dass zwischen der Wand einer Tracheide und den
darin enthaltenen Luftblasen stets eine dünne Wasserschicht vorhanden
sei, welche die scheinbar isolirten Wassertropfen mit einander ver-
binden und ein Überfliessen vom einen zum andern ermöglichen soll,
rührt von J. VesovurE!' her, welcher in der Annahme eines solchen
Vorganges die Erklärung des Saftsteigens gefunden haben will. Diese
Auffassung steht jedoch, wie ich bereits in der Eingangs erwähnten
Mittheilung® hervorgehoben, mit den bisherigen Lehren der Physik
in klarem Widerspruch: ausserdem glaube ich gezeigt zu haben, dass
die von VESQUE ausgeführten Versuche nicht als Belege für das
angenommene Überfliessen von Tropfen zu Tropfen gelten können.
Einige Zeit nach dem Erscheinen meiner Mittheilung hatte
Hr. Vesgue die Freundlichkeit, mich auf seine Versuche mit ellipti-
schen Thermometerröhren aufmerksam zu machen. Vielgliedrige Luft-
Wasserketten, welche den Inhalt solcher Röhren bildeten, zeigten
nämlich beim Liegenlassen auffallende Veränderungen: einige Wasser-
säulen wurden kürzer, andere länger als sie ursprünglich waren, was
allerdings zweifellos auf ein Überfliessen von der einen zur andern
hinweist. Bei der Wiederholung dieser Versuche in meinem Institut
stellte sich indessen hald heraus, dass die erwähnten Veränderungen
nur eintreten, wenn die Röhrenwände verunreinigt sind, in frisch
hergestellten oder gründlich gereinigten Capillaren dagegen nicht vor-
kommen. Dieses Ergebniss habe ich seiner Zeit Hrn. Vesaur brietlich
mitgetheilt und dabei bemerkt, dass dasselbe mit seiner Auffassung
des Saftsteigens nach meinem Ermessen nicht wohl vereinbar sei.
Für mich war damit die Frage des Überfliessens bis auf Weiteres
erledigt.
Neuerdings hat nun STRASBURGER” den in Rede stehenden Ge-
danken wieder aufgenommen und die Berechtigung desselben durch
Experimente mit Tannenholz nachzuweisen versucht. Die erhaltenen
Resultate bieten jedoch im Grunde nichts wesentlich Neues, sondern
schliessen sich den Beobachtungen an, welche schon VESQUE an aus-
getrockneten Tracheiden, die in Wasser getaucht wurden, gemacht
und a. a. OÖ. mitgetheilt hat. Meine Ansicht hierüber habe ich be-
! Ann. agronomiques, t. XI, p. 481.
®2 Unters. über das Saftsteigen. Diese Berichte, Jahrg. 1886, S. 592.
® Leitungsbahnen, S. 700 ff.
ScHWENDENER: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteisen. 921
reits in der wiederholt eitirten Mittheilung über das Saftsteigen aus-
gesprochen, und ich kann sie «en Beobachtungen STRASBURGER'S
gegenüber, soweit sich dieselben auf Alkohol-Material beziehen, das
an der Luft liegen blieb, nur wiederholen. Es ist in solehen Fällen
vollkommen klar, dass es sich um einfache, durch negativen Druck
bedingte Saugwirkungen handelt. Der im Lumen der Tracheiden
enthaltene Alkohol verdunstet, und da die Luft nur langsam in das-
selbe einzudringen vermag, so entstehen luftverdünnte Räume, welche
begierig Wasser einsaugen. Die Capillarität ist hierbei nur in ganz
untergeordneter Weise betheiligt; die Hauptarbeit leistet der Luftdruck.
Aber allerdings muss sich dieses Verhältniss umkehren, sobald die
Tracheiden mit Luft von gewöhnlicher Spannung erfüllt sind. Die
Druckdifferenz wird in diesem Falle gleich Null und die Capillarität
allein bewirkt das Einströmen von Wasser. Eine erhebliche Steig-
höhe ist aber unter solchen Bedingungen nur dann zu erwarten, wenn
die durch den Einstrom comprimirte Luft leicht entweichen kann.
In dünnen Lamellen ist dies wenigstens stellenweise möglich, in
eylindrischen Pfropfen, die von einer luftdichten Hülle umschlossen
sind, dagegen nicht. Hier steigt die Flüssigkeit in 10 bis ı2 Stunden
meist nur wenige ‘Millimeter in die Höhe. Es sind dies alles leicht
verständliche physikalische Vorgänge.
Soweit also blos Saugwirkungen in Frage kommen, bei denen
Luftdruck und Gapillarität in bekannter Weise, sei es einzeln oder
gemeinsam, die Arbeit leisten, scheinen mir die angestellten Versuche
keine besondere Beachtung zu verdienen. Dagegen ist es nothwendig,
in der Darlegung STRASBURGER'S den kritischen Punkt, nämlich das
Übertliessen von Tropfen zu Tropfen in der Jamm’schen Kette —
einen Vorgang, «den der Autor direct gesehen haben will — mit
einigen Worten zu beleuchten.
Ich habe nicht versäumt, die einschlägigen Versuche mit Lamellen
von Tannenholz zu wiederholen, um über den fraglichen Vorgang
ein selbständiges Urtheil zu gewinnen; allein ich konnte hierbei nur
constatiren, dass das vordringende Wasser zuweilen eine ziemlich
rasche, fast stürmische Bewegung zeigt, wobei einzelne Luftblasen
Formveränderungen erfahren und wohl auch von der Seite her vor-
übergehend zusammengedrückt werden. Ein eigentliches Vorbeifliessen
von Wasser zwischen Luftblase und Wand habe ich jedoch niemals
beobachtet, und sobald die Bewegung sich etwas verlangsamt hatte,
war überhaupt nichts mehr zu sehen, was als Vorbeifliessen hätte
gedeutet werden können.
Dagegen spielen sich im Gesichtsfelde des Mikroskops ‚jederzeit,
so lange die Wasserbewegung andauert, einzelne Vorgänge ab, deren
922 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
Speeialverlauf sich auf mikroskopischem Wege nicht befriedigend er-
forschen lässt. Neben aufsteigenden Wasserfäden treten z. B. plötz-
lich auch absteigende auf, die von oben nach unten in die Tracheiden
eindringen. Man kann sich allerdings die Umstände, welche solche
Vorkommnisse herbeiführen, ungefähr denken; allein es ist unmög-
lich, sie durch Beobachtung vollständig zu ermitteln. Auch über
die Kraft, welche die Filtration der Flüssigkeit aus einer gefüllten
Traeheide in die nächst höhere bewirkt, bin ich in den Fällen, wo
Differenzen der Luftspannung kaum anzunehmen waren, im Unklaren
geblieben. Da jedoch diese Vorgänge mit dem Gegenstand der Gontro-
verse, der uns hier beschäftigt, in keinem Zusammenhange stehen,
so wäre es zwecklos, länger dabei zu verweilen.
Das Überfliessen von Tropfen zu Tropfen ist übrigens nach
STRASBURGER' auf kleinere Luftblasen beschränkt: grössere stellten
dem Aufstieg der Flüssigkeit »einen deutlichen Widerstand entgegen,
an noch grösseren vermochte sie nicht vorbeizukommen«. In einer
Jamın’schen Kette, deren Luftblasen theilweise zu diesen »noch
grösseren« gehören, wäre demnach ein wirklicher Aufstieg des
Wassers durch Überfliessen nur zwischen den Wassertropfen mög-
lich, welehe durch kleinere Luftblasen getrennt sind; einzelne dieser
Tropfen würden sich also verlängern, andere verkürzen, wie bei dem
oben erwähnten Versuch mit unreinen Thermometerröhren: aber eine
Hebung der Gesammtkette oder auch nur eines grösseren Theils der-
selben wäre gänzlich ausgeschlossen. Denn alle Luftblasen von ge-
nügender Grösse bleiben nach der vorhin eitirten Angabe STRASBURGER’S
unbeweglich an ihrer Stelle, da hier kein Überfliessen stattfindet; sie
bezeichnen also gleichsam die ruhenden Punkte, an welchen die Kette
festgehalten wird. Eine Leistung zu Gunsten des Saftsteigens ist
unter solehen Umständen gar nicht denkbar.
Die Wege, welche StrasBureser dem Wasser in der Janm’schen
Kette anweist, um durch Überfliessen von Tropfen zu Tropfen in die
Höhe zu gelangen, sind also verlegt; es sind, wie er selbst angibt,
Hindernisse vorhanden, die ein Weiterkommen unmöglich machen.
Wir haben es hier thatsächlich mit einem Aufstieg auf ungangbaren
Pfaden zu thun.
Aber selbst angenommen,. diese Hindernisse bestehen nicht, die
genannten Wasserwege seien durchweg offen, so wäre damit der- Auf-
stieg des Saftes durch Überfliessen noch lange nicht gesichert. Soll
dieser Vorgang wirklich stattfinden und zwar vorwiegend oder aus-
schliesslich in der Richtung von unten nach oben, so ist hierzu —
! Leitungsbahnen, S. 704.
x ee a SLR 2)
Schwexpener: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 923
die Möglichkeit desselben vorausgesetzt — unter allen Umständen
eine Kraft nöthig, welche die Flüssigkeit in Bewegung setzt. Welches
ist diese hebende Kraft? Bei den Versuchen STRASBURGER's mit La-
mellen von Tannenholz war es je nach Umständen der Luftdruck
oder die CGapillarität, welche die Hebung bewirkten, oder auch beide
zusammen. Zuweilen wurde die natürliche Saugung überdies mittelst
Fliesspapier künstlich verstärkt. Die erforderliche Kraft war also
gegeben. In der lebenden Pflanze ist dies aber keineswegs immer
der Fall, und wenn wir die niederen Gewächse in dieser Frage un-
berücksichtigt lassen und unseren Blick nur auf Bäume mit hohem
Sehaft richten. so steht für mich fest, dass in diesem letzteren eine
hebende Kraft von bekannter physikalischer Natur nicht vorhanden ist.
Oder’ welche Betriebskraft könnte überhaupt noch in Frage kommen’?
Die CGapillarität ist jedenfalls von vornherein ausgeschlossen, weil sie
für sich allein unter den gegebenen Verhältnissen nur haltend, aber
nicht hebend auf die Luft-Wasserketten einwirkt. Der osmotische
Wurzeldruek, an den man ferner denken könnte, reicht während des
Sommers höchstens bis auf Brusthöhe in den Basaltheil des Stammes
hinein, und was endlich noch die Differenzen in der Luftspannung
anbetrifft, so sind sie nach Allem, was wir hierüber wissen,' eben-
falls nicht der Art, dass sie ein Überfliessen im angedeuteten Sinne
veranlassen könnten. Auch STRASBURGER gibt dies zu, indem er
S. 539 ausdrücklich sagt: »Der Luftdruck greift nur haltend, nicht
hebend in die Vorgänge der Wasserleitung ein. Er hilft das Wasser
suspendirt zu erhalten, veranlasst aber nicht den Wasseraufstieg. «
Wie aber der letztere trotzdem zu Stande kommen soll, ist nirgends
erörtert. Der Autor scheint die hier vorliegende Schwierigkeit gar
nicht empfunden zu haben.
Wir gelangen somit zu dem Ergebniss, dass die Vorstellung des
Überfliessens von Tropfen zu Tropfen sowohl der theoretischen wie
der realen Grundlage vollständig entbehrt. STRASBURGER meint zwar
(S: 705). mit der direeten Beobachtung dieses Vorganges, die er für
sich in Anspruch nimmt, werde in Zukunft zu rechnen sein, wenn
auch die Anknüpfungspunkte für eine befriedigende theoretische Deu-
tung zunächst noch fehlen. Allein ich muss auf das Entschiedenste
bestreiten, dass eine solche »direete Beobachtung« hier vorliege oder
überhaupt möglich sei. Was SrrasgßureEer wirklich beobachtet hat,
en
" Nach ParrenHeim, welcher neuerdings die Binnenluft im Stamme der Edel-
tanne näher untersucht hat (Bot. Centralblatt, 1892, Bd. 49), beträgt die Spannung
derselben ungefähr 3/, bis 4/, einer Atmosphaere. Eine mit der Höhe zunehmende
Verdünnung war nicht vorhanden. Dieses Ergebniss stimmt mit der in meiner
Mittheilung von 1886 vertretenen Ansicht überein,
924 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
war bloss ein lebhaftes Einströmen von Farbstofflösungen in Lamellen,
auf welche eine künstlich hergestellte energische Saugung wirkte.
Und selbst an solehen Objeeten kann das angebliche Überfliessen
zwischen Luftblasen und Tracheidenwand nach meinen eigenen Wahr-
nehmungen keineswegs als Thatsache im naturwissenschaftlichen Sinne
des Wortes bezeichnet werden. Vielmehr genügt die Annahme einer
raschen Wasserbewegung, zuweilen auch von der Seite her, voll-
ständig, um das Gesehene zu erklären. Mit dem Saftsteigen in
lebenden, hochstämmigen Bäumen haben diese Vorgänge vollends
gar keinen Zusammenhang.
3.
Die Wege des aufsteigenden Saftstroms.
Auf Grund der Thatsachen, welche die bisherigen Versuche über
das Saftsteigen, meine eigenen inbegriffen, ergeben haben, halte ich
es für erwiesen, dass dem Aufstieg des Wassers in einer Jammw’schen
Kette, wie sie in den Gefässen der Laubhölzer zu Stande kommt, er-
heblich grössere Hindernisse im Wege stehen, als in einem Tracheiden-
system mit eontinuirlichen Wasserfäden. Es geht dies schon aus den
Beobachtungen hervor, zu welchen der Tn. Harrıe’sche Tropfenversuch
Gelegenheit bietet, indem die an der unteren Sehnittfläche hervor-
quellende Flüssigkeitsschicht bei geringem Wassergehalt des Holzes
nur dem Libriform und den Tracheiden, nicht den Gefässen entstammt.
Ebenso hört das Bluten im Frühjahr zuerst in den Tracheen, erst
später im Libriform mit oder ohne Hoftüpfel auf. Dieselbe bewegende
Kraft, der Wurzeldruck. bewirkt hier noch eine Verschiebung der
eontinuirlichen Wasserfäden, während sie den Widerstand der Jamin-
schen Ketten nieht mehr zu überwinden vermag. Es bedarf somit
keines besonderen Beweises, dass dieser Unterschied in der Beweg-
lichkeit auch bei der von den Blättern ausgehenden Saugung in
gleichem Sinne zur Geltung kommen muss.
Ist dagegen der Luftgehalt des Holzkörpers so gross, dass zu-
sammenhängende Wasserfäden im Prosenchym nicht mehr vorkommen,
so kehrt sich das Verhältniss um. Der wässerige Inhalt geschlossener
Zellen ist alsdann sehr schwer beweglich, weil die einzelnen Tropfen
oder auch kleinere Gruppen von solchen ringsum an Luft grenzen,
welche die Membran bekanntlich nur äusserst langsam zu passiren
vermag, während der Widerstand in den Luft-Wasserketten der Gefässe
nach wie vor von der Zahl der Menisken abhängt. Aber allerdings
ist diese Zahl während der Vegetationszeit stets gross genug, um
eine ausgiebige Verschiebung der Wassertropfen durch Pressung oder
ScHwENDENER: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 925
Saugung auch in den Gefässröhren zu verhindern. Daher kommt es,
dass selbst ein voller Atmosphaerendruck in solehen Fällen nicht aus-
reicht, um eine nennenswerthe Saftmenge aus einem Bohrloch in ein
anderes hinüber zu schieben, auch wenn der gegenseitige Abstand nur
ein geringer ist und in die Längsrichtung des Stammes fällt.'
Je nach den obwaltenden Umständen muss sich hiernach die
Saftbewegung bald vorwiegend im Tracheidensystem, bald fast nur
in den Gefässen vollziehen. Es ist daher unstatthaft, die einen oder die
anderen, wie es zuweilen geschieht, von vornherein auszuschliessen ;
nur die Beobachtung kann entscheiden, was unter bestimmten Be-
dingungen vorgeht.
Nun fehlt es freilich nieht an Versuchen der verschiedensten Art,
die speeiellen Vorgänge der Saftbewegung und vor Allem die Saftwege
genau zu ermitteln. Allein die einschlägigen Beobachtungen sind
sämmtlich, soweit sie sich auf Baumstämme beziehen, indireeter Natur;
man hat nicht die Wassertropfen in Gefässen und Tracheiden, sondern
bloss die Tinetionen beobachtet, welche beim Aufstieg farbiger Lösungen
oder nachträglich auf Zusatz von Reagentien zu Stande kamen, und
es ist oft genug betont worden, dass diese Methode keine einwurfs-
freien Resultate liefert. In vielen Fällen wurde überdies nicht mit
unversehrten Pflanzen, sondern mit abgeschnittenen Zweigen oder
Stämmen experimentirt, wobei die Lösungen dureh die Sehnitttläche
aufgenommen, oft sogar mittelst Quecksilberdruck eingepresst wurden.
Es ist klar, dass unter solehen Umständen zusammenhängende Wasser-
säulen von der Schnittfläche aus in die Höhe steigen und dass die
Geschwindigkeit des Aufstiegs da am grössten sein wird, wo diese
Wassersäulen an schon vorhandene und ebenfalls zusammenhängende
sich anschliessen. Besteht ein durchgreifender Zusammenhang ur-
sprünglich nicht, so kommt er doch allmählich zu Stande, aber an
der einen Stelle früher, an der anderen später, und bei kurzer Ver-
suchsdauer vielleicht überhaupt nur auf einem kleinen Theil des Ge-
sammtquersehnitts. Dieser Theil soll alsdann — so wird geschlossen —
die wirklichen Saftwege bezeichnen, während der Versuch im Grunde
bloss darüber Aufschluss giebt, wo zusammenhängende und deshalb
leichter verschiebbare Wasserfäden zuerst hergestellt wurden.
In hochstämmigen Bäumen, zu denen wir immer wieder zurück-
kehren müssen, wenn es sich um prineipielle Fragen der Saftbewegung
handelt, sind nun aber zusammenhängende Wasserfäden während der
Vegetationszeit meist gar nicht vorhanden, und da im Stamme über-
' Vergl. Parpenneın, Eine Methode zur Bestimmung der Gasspannung u. s. w.
Bot. Centralblatt, Bd. XLIX (1892), S. 29 des Sonderabdruckes.
Sitzungsberichte 1892. 83
926 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
dies sowohl Druck von unten, wie Saugung von oben ausgeschlossen
ist, so liegen hier überhaupt ganz andere Bedingungen vor, als bei
der eben erwähnten Versuchsanstellung. Und eben darum ist es un-
statthaft, die erhaltenen Ergebnisse ohne Weiteres als Thatsachen der
normalen Saftbewegung hinzustellen. Wie weit sie von der Wirklich-
keit abweichen, lässt sich allerdings nicht genau feststellen, weil
diese Wirklichkeit selbst durchaus ungenügend bekannt ist; sicher ist
nur, dass die in Rede stehende Methode keinenfalls zum erwünschten
Ziele führt, oft sogar zu groben Irrthümern Veranlassung geben muss.
Nach diesen Vorbemerkungen wird man es begreiflich finden,
wenn ich den Versuchen mit farbigen Lösungen, die man von ab-
geschnittenen Pflanzentheilen aufnehmen liess, keine entscheidende
Bedeutung beilege. Das sind ja immer wieder dieselben alten Ge-
schichten, die nun schon seit mehr als hundert Jahren von Zeit zu,
Zeit aufgefrischt und neu eommentirt werden, ohne dass dadurch die
Kenntniss der wirklichen Saftbewegung je wesentlich gefördert worden
wäre. Was speciell die Versuche STRASBURGER’S betrifft, so bestätigen
sie zunächst nur die in neuerer Zeit ziemlich allgemein anerkannte
Lehre, dass die Lumina der Gefässe und Tracheiden sich an der Saft-
leitung betheiligen und somit zu den normalen Leitwegen der Pflanze
gehören. Dabei ist wohl zu beachten, dass hier der Ausdruck
» Tracheiden« auch die hofgetüpfelten mechanischen Elemente umfasst,
welche bekanntlich bei vielen Dieotylen, darunter auch baumartigen
(Pomaceen, Plataneen, Proteaceen, Styraceen u.s.w.), die einzigen Skelet-
zellen des Holzkörpers sind. Insoweit besteht also — wenn wir von
den noch übrig gebliebenen Anhängern der Imbibitionstheorie ab-
sehen — eine erfreuliche Übereinstimmung der Ansichten, und Srras-
BURGER schliesst sich dieser neueren, herrschend gewordenen Auffassung
an. Dass aber die von ihm beschriebenen Versuche mit Eosinlösungen
hierfür eine bessere oder auch nur eine so gute Stütze darböten, als
sie bereits durch anderweitige Beobachtungen gegeben war, wird man
nicht behaupten können.
STRASBURGER bleibt nun aber hierbei nicht stehen. Er beurtheilt
auch das Maass der Betheiligung verschiedenartiger Elemente und die
hierauf bezüglichen Unterschiede zwischen ungleichaltrigen Jahrringen
ganz nur nach den erhaltenen, mehr oder minder intensiven Färbungen.
Ob die weiten Gefässe vorwiegend als Wasserbehälter, die engen da-
gegen als Leitröhren dienen, ob die Tracheiden den letzteren sich
anschliessen, ob vielleicht nur wenige peripherische Jahrringe als
wirkliche Leitungsbahnen fungiren u. s. w, das Alles wird auf diesem
Wege »festgestellt«. Es ist das im Wesentlichen eine Beweisführung,
die den Experimentatoren mit farbigen Lösungen von jeher geläufig
3 r . £3 .. EN. U . af
ScHWENDENER: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteiven.. 927
>) o
war. In neuerer Zeit hat sie besonders WIELER' in ziemlich extremer
Weise zur Anwendung gebracht und gegen die von anderer Seite er-
hobenen Einwände wiederholt zu vertheidigen gesucht. Sein Verfahren
war folgendes. Abgeschnittene, etwa 2—6 jährige Zweige wurden
mittels Quecksilberdruck oder durch Saugwirkung in Folge der Trans-
spiration von der Schnittfläche aus mit Fuchsinlösung impraegnirt und
die eingetretenen Färbungen hierauf mikroskopisch geprüft. An das
so gewonnene Resultat knüpft sich dann die Schlussfolgerung, dass
die roth tingirten Partien im Wesentlichen die wirklichen Saftwege
bezeiehnen. Aber wie schon oben betont wurde, gelangen bei dieser
Behandlung zusammenhängende Flüssigkeitsfäden in den Holzkörper
hinein, welche in soleher Ausdehnung sonst gar nicht vorkommen,
und es ist zweifellos, dass dadurch die Bedingungen der Saftbewegung
unter Umständen total verändert werden. Die Methode ist also fehler-
haft und deshalb entbehren die auf diesem Wege erhaltenen Resultate
der Zuverlässigkeit. Sie mögen zuweilen der Wirklichkeit ziemlich nahe
kommen, können jedoch unser volles Vertrauen niemals beanspruchen.
Dasselbe gilt nun auch für die STRASBURGErR'schen Versuche mit
abgeschnittenen Ästen und ganzen Bäumen, welche zuerst eine halbe
Stunde, oft auch länger, in Wasser gestellt wurden, das sie in Folge
der im Holze herrschenden Luftverdünnung ganz ebenso, wie die
Wierer’schen Zweige, in zusammenhängenden Fäden einsogen, worauf
dann die ihnen dargebotene Farbstofflösung in gleicher Weise nach-
rückte. Auch hat STRASBURGER offenbar nur mit Objeeten experimen-
tirt, bei welehen die Saugwirkung der transpirirenden Blätter bis zur
Schnittfläche herunter reichte.
Vergleicht man übrigens die Angaben der verschiedenen Autoren,
soweit sie auf Versuchen mit Farbstofflösungen beruhen, etwas näher
mit einander, so verräth sich die Mangelhaftigkeit der Methode schon
durch die Nichtübereinstimmung der Resultate. Wiener” fand z. B.,
dass Frühlings- und Herbstholz gleich gut leiten; die Färbung nehme
zwar im Holzkörper centripetal ab, aber unbekümmert um Frühlings-
und Herbstholz. SrrasBureer” widerspricht dieser Angabe und stimmt
der älteren Ansicht von Sacus bei, wonach das Herbstholz nicht leitet
und somit gleichsam als isolirende Schicht zwischen den Frühlings-
holzlagen eingeschaltet ist. Ferner beobachtete WIELER, dass einzelne
Gefässe und Gruppen von solchen in den älteren Jahrringen noch ge-
färbt sind, andere dagegen nicht; er ist geneigt, diese Verschieden-
heit mit der ungleich starken Wasserabgabe der transpirirenden Flächen
! Prisesheim’s Jahrb. Bd. XIX, S. 82 (1888).
? Prinesueim’s Jahrb. XIX, S. 116.
® Leitungsbahnen, S. 592.
928 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
in Zusammenhang zu bringen. Auch diese Angabe erklärt STRASBURGER
für unrichtig (S. 566), da bei seinen Versuchen »eine Bevorzugung be-
stimmter Gefässe oder Gefässgruppen« nicht zu constatiren war. Über
die Zahl der Jahrringe, welche nach Maassgabe der erhaltenen Fär-
bungen sich ausschliesslich oder vorwiegend bei der Saftleitung be-
theiligen, stimmen die Ansichten ebenfalls nicht ganz überein. WIELER
sagt (a.a. 0. S.136): »Für die jeweilig vorhandene Menge Anhangs-
organe sind die Leitungsbahnen repraesentirt durch das seeundäre Holz
des letzten Jahrringes. Hier muss also die lebhafteste Wasser-
bewegung stattfinden. Ältere Jahresringe betheiligen sich entweder
gar nicht oder nur in geringem, nach Species verschiedenem Maasse
(vielleieht von oben nach unten im Baum an Zahl zunehmend) an
der Bewegung.« Und in einer neueren Mittheilung' des nämlichen
Autors wird nochmals betont: »Es ist grundfalsch anzunehmen, dass
ein Jahresring nicht ausreichend ist, um die Krone mit Wasser ge-
nügend zu versehen.« STRASBURGER Spricht dagegen von den leitenden
Jahrringen gewöhnlich im Plural, indem er z. B. auf S.591 seines
Buches darauf hinweist, »dass in unseren Bäumen nur die Äussersten
Jahresringe für die Wasserleitung benutzt werden«, und auch in der
Überschrift des betreffenden Capitels den Singular vermeidet. Damit
kommt er der Ansicht R. Harrıe’s,” die sich ‘bekanntlich auf ganz
andere Grundlagen stützt, schon ziemlich nahe: diese Ansicht, die
mir den Thatsachen noch am ehesten zu genügen scheint, findet ihren
praegnantesten Ausdruck in dem Satze, »dass der 'Transpirationsstrom
sich hauptsächlich in den jüngeren Splintschiehten bewegt und je
weiter von dem jüngsten Jahresringe nach innen um so träger ver-
läuft«e. Wie diese Abstufung in centripetaler Richtung sich quanti-
tativ gestaltet, ist freilich zur Zeit nieht definitiv festgestellt; allein
die Versuche mit Farbstofflösungen haben auch zu dem, was bereits
erreicht ist, nicht viel beigetragen und erscheinen mir am wenigsten
geeignet, in dieser Frage eine endgültige Lösung herbeizuführen.
Die anatomischen Beziehungen, auf welehe WiIELER und STRAS-
BURGER” hinweisen, um die Einschränkung der Wasserbewegung auf
den äussersten Jahrring, oder doch auf den peripherischen Theil des
Splintes, aus den Anschlussverhältnissen im Längsverlaufe zu erklären,
bedürfen meines Erachtens ebenso, wie die experimentellen Ergebnisse,
der Correetur. Die schematische Abbildung, welche STRASBURGER auf
S. 491 seiner »Leitungsbahnen« entwirft, entspricht zwar ziemlich
! 'Tharander Forstliches Jahrbuch, Bd. 42, S. 72 ff. Sonderabzug 8. 8.
2 Berichte der Deutschen Bot. Ges., Bd.6, S.224 (1888). Vergl. ferner R. Harrıs,
Lehrb. d. Anat. und Physiol. d. Pflanzen, 1891, S. 280.
® Leitungsbahnen, S. 506.
ScHWENDENER: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 929
genau dem Bilde, welches in manchen älteren Lehrbüchern, z. B. bei
UngEr', die Spitze eines wachsenden Stammtheils veranschaulichen
sol. Aber während hier nur das Verhalten der Zuwachszonen im
Allgemeinen Gegenstand der Betrachtung ist, legt STRASBURGER be-
sonderes Gewicht auf die Zuschärfung des jedesmaligen innersten
Jahrringes an seinem oberen Ende, wo der um ein Jahr jüngere
Stammtheil beginnt. Eine solche Zuschärfung besteht nun aber that-
sächlich nicht in der Form, wie die Figur es darstellt; es findet nur
eine Verschmälerung statt und zwar nach Gattung und Art in ver-
schiedenem Maasse; aber die Grenzlinien zwi-
schen dem ersten und zweiten Jahrring der
verschiedenen Internodien endigen nach oben
blind, sie vereinigen sich nicht mit der nächst-
inneren Linie, welche der Markscheide ent-
spricht (s. die nebenstehende Figur, 1—4 die
Jahrringe am unteren Ende, M das Mark).
Physiologisch betrachtet folgt hieraus, dass
die im einjährigen Trieb wirksame Saugung
sich nach unten auf die beiden Jahrringe des
zweijährigen Stammtheils fortpflanzen muss
und ebenso weiterhin auf die drei Jahrringe
des folgenden Theils, u. s. f£ Wenn wir also
in Gedanken von oben nach unten fort-
schreiten, so vollzieht sich anatomisch an
der Basis der successiven Jahrestriebe jedes-
mal eine Spaltung des innersten Jahrringes,
indem derselbe nach unten in die zwei inner-
sten übergeht, und somit physiologisch
eine entsprechende V ertheilung der Saug-
wirkung. Nehmen wir als einfachsten Fall
an, diese Zweitheilung finde in der Art statt,
dass die beiden Theile gleiche Querschnitts-
fläche erhalten, so würden im zweijährigen
Alan an Trieb die Wassermengen, welche die beiden
Jahrringe ceteris paribus liefern, einander
gleich sein, während für mehrjährige (unverzweigte) Triebe sich von
aussen nach innen die in nachstehender Tabelle verzeichneten Ab-
stufungen ergeben. Die Summe der Brüche in jeder Horizontalreihe
ist — ı, d.h. gleich der im diesjährigen Trieb verbrauchten Wasser-
menge.
" Anat. u. Physiol. der Pflanzen, 1855, S. 238.
930 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
Einjährig I
Zweijährig Ya, '/a
Dreijährig 2 Er, U
Vierjährig Ua, u, less tg
Fünfjährig ie Urs, re
Sechsjährig 1.11) 1a.) ss he, as)
US.
In Wirklichkeit gestalten sich die Verhältnisse natürlich etwas
weniger einfach, theils wegen der hinzukommenden Verästelungen,
532
theils auch wegen der ungleichen Dicke der zwei innersten Jahrringe.
Auch kommt es häufig genug vor, dass die älteren Jahrringe oder
Theile von solchen zeitweise wegen zu hohen Luftgehaltes von der
Saftleitung ausgeschlossen sind.
Um dieses letztere Hinderniss zu beseitigen und für die ana-
tomischen Anschlussverhältnisse einen unzweideutigen physiologischen
Ausdruck zu gewinnen, wurden mehrjährige Zweige verschiedener
Bäume (Ubnus, Platanus, Salix, Taxus u. s. w.) unter einem Druck von 2
bis 3 Atmosphaeren mit Wasser injieirt. Die Injection war freilich, wie
sich nachher herausstellte, nur eine unvollständige, da der Luftgehalt
selbst nach 6 bis 7stündiger Dauer des Versuches sich noch immer
sehr erheblich erwies. Es hatten sich aber doch in sämmtlichen Jahr-
ringen stellenweise zusammenhängende Wasserfäden gebildet, welche
durch Druck oder Saugung in Bewegung gesetzt werden konnten.
Wurden solche Zweige nunmehr in Eosinlösung gestellt, so bewirkte
die von den Blättern ausgehende Saugung einen ziemlich raschen Auf-
stieg des rothen Farbstoffes und es konnte nachher leicht. constatirt
werden, dass an manchen Stellen auch die inneren Jahrringe sich lebhaft
gefärbt hatten. Diese waren somit von der Saugwirkung anatomisch
keineswegs ausgeschlossen; nur enthielten sie noch so viel Luft, dass
die Bewegung der Flüssigkeit auf die besser injieirten Gewebepartien
localisirt blieb.
Die günstigsten Ergebnisse lieferte bei diesen Versuchen Platanus.
An einem vierjährigen Zweige, der 16 Stunden in Eosinlösung ge-
standen und sehr viel Flüssigkeit aufgesogen hatte, waren z. B. alle
Holzelemente, auch die Tracheiden und Markstrahlzellen, gefärbt. Nur
das Mark, sowie einige Stellen des Holzes, welche sich dieht unter
abgestorbenen Seitenzweigen befanden, waren ungefärbt geblieben.
Hier konnte nicht der mindeste Zweifel darüber aufkommen, dass
die Saugwirkung sich auf alle Jahrringe erstreckt. Es ist somit klar,
dass wenn die Beweglichkeit des Zellsaftes in allen Punkten herge-
stellt ist, auch der Aufstieg des Farbstoffes sich auf alle Theile des
Holzkörpers erstreckt.
SCHWENDENER: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 931
Eine besondere Berücksichtigung verdienen die Angaben der.
Autoren über die Betheiligung der Gefässe bei der Saft-
leitung. Doch mag hierbei die Vorstellung, als ob der Saft in den
Gefässröhren eontinuirliche Säulen bilde und somit gleichsam wie das
Blut in den Adern des Thierkörpers dahinströme, ausser Betracht
bleiben, weil sie für Bäume (abgesehen von der Blutungsperiode) mit
bekannten Thatsachen unvereinbar und darum kaum noch ernst zu
nehmen ist. Dagegen hat die von STRASBURGER' vertretene Ansicht,
dass sich bei Ficus, Acaecien und Weiden der ganze Wasseraufstieg
innerhalb der Gefässe vollziehe, wenigstens eine theilweise Berechti-
gung und dürfte sogar für Dicotylen, deren Libriform einfach ge-
tüpfelt und stark verdickt ist, nicht gerade selten das Richtige trefien.
Es mag sogar vorkommen, dass die specifisch-mechanischen Elemente
des Holzkörpers für wässerige Lösungen so wenig permeabel sind,
dass ihre Betheiligung an der Saftleitung schon deshalb ausgeschlossen
ist. Solche Fälle sind aber immerhin als Extreme zu betrachten,
und es ist von vornherein wahrscheinlich, dass es auch entgegen-
gesetzte Extreme gibt, welche durch hohe Leitungsfähigkeit der ein-
fach getüpfelten Stereiden sich auszeichnen. In der That lehren uns,
wie bereits oben bemerkt, die Beobachtungen an Carpinus und Betula,
dass der Wurzeldruck im Libriform noch Bluten verursacht, nachdem
in den Gefässen bereits eine unbewegliche Jaum’sche Kette zu Stande
gekommen, und die Filtrationsversuche mit Weidenholz zeigen ebenso
unzweifelhaft, dass hier das Libriform für Wasser durchlässig ist.”
Wo aber ein mässiger Druck ausreicht, den Saft im Libriform in
Bewegung zu setzen, da ist auch die Annahme gerechtfertigt, dass
die Kräfte, welche beim Saftsteigen betheiligt sind, nicht bloss auf
den Inhalt der Gefässe, sondern auch auf den des Libriforms hebend
einwirken. Gerade bei den Weiden ist diese Annahme jedenfalls
wohlbegründet, und die gegentheilige Behauptung STRASBURGER'S be-
weist nur, dass die von ihm angewandte Methode leicht auf Irrwege
führt. Ficus habe ich experimentell nicht untersucht; nach dem
anatomischen Befunde erscheint es aber auch hier fraglich, ob die
Gefässe ganz allein die Leitwege bilden. Das Libriform ist zwar
sehr luftreich und darum grossentheils unwegsam; allein daraus lässt
sich die Annahme einer absoluten Passivität nieht mit Sicherheit
folgern.
Die Frage, wie die Saftbewegung im Holzkörper unserer Bäume
localisirt sei, bedarf jedenfalls einer weiteren Prüfung. Unsere Kennt-
! Leitungsbahnen, S. 686 und anderwärts.
2 SCHWENDENER, Unters. über d. Saftsteigen. Diese Berichte, Jahrg. 13886, 5.581.
932 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
nisse hierüber sind gegenwärtig noch viel zu lückenhaft und in den
tinzelheiten auch zu unsicher, als dass es gestattet wäre, aus der
Verstopfung der Gefässe durch Thyllen oder Gummi ganz allgemein
die Ausschaltung des betreffenden Jahrringes aus der Saftleitung zu
folgern. In gewissen Fällen mag eine solche Folgerung der Wirk-
lichkeit entsprechen; allein wir wissen ganz bestimmt, dass sie in
anderen nicht zutrifft. Nach Beobachtungen an frisch aus dem Baume
herausgebohrten Zapfen kann dagegen die Regel als festgestellt gelten,
dass die peripherischen Jahrringe in Gefässen und Libriform durch-
schnittlich weniger Luft führen als die inneren, was natürlich eine
entsprechend grössere Beweglichkeit ihres wässerigen Inhaltes zur
Folge hat. Aber auch dies ist eine Regel mit Ausnahmen.
Als Schlussergebniss der vorstehenden Erörterung resultirt der
Satz, dass gerade die Frage nach der Localisirung der Saftbewegung
durch die Versuche mit farbigen Lösungen mehr verwirrt als gefördert
worden ist
4.
Das Saftsteigen in getödteten Pflanzentheilen.
Versuche mit Pflanzen oder Pilanzentheilen, deren Axenorgane
eine Strecke weit getödtet worden waren, sind in neuerer Zeit von
verschiedenen Autoren angestellt worden, meist in der Absicht, auf
diesem Wege die Frage zu entscheiden, ob die Mitwirkung lebender
Zellen bei der Wasserbewegung nothwendig sei oder nicht. Es ist
jedoch klar, dass ein getödtetes aber noch safterfülltes Stengel- oder
Wurzelstück, so lange es nicht durch Thyllen oder Gummi verstopft
wird, nach wie vor die Fähigkeit besitzt, Wasser in der Längsrichtung
zu leiten und dass diese Leitung in Wirklichkeit eintreten muss,
sobald von dem einen Ende her Saugung stattfindet. Die dadurch
veranlasste Bewegung kann sogar eine recht ausgiebige sein, wenn
das andere Ende mit einem Wasserreservoir in Verbindung steht,
welches den nöthigen Nachschub liefert. Ein solcher Pflanzentheil
ist alsdann einem Lampendochte vergleichbar, der ja auch mit dem
unteren Ende in Flüssigkeit taucht, während die Flamme am oberen
Ende den Verbrauch regulirt.
Bis zu welcher Höhe unter solehen Umständen ein Weasserauf-
stieg möglich ist, hängt von der Beschaffenheit der leitenden Gewebe
ab. Sind diese ganz mit Wasser gefüllt und an der Oberfläche durch
Periderm hermetisch abgeschlossen, so erreicht die Steigung inner-
halb der todten Strecke höchstens 10”, d. h. sie entspricht dem in
Wasser ausgedrückten Barometerstand. Ist dagegen der Verschluss
End “. { . DE
Scnwenpener: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 935
undicht, so dass die atmosphaerische Luft sich überall eindrängt und
die Wasserfäden unterbricht, so ist damit die Leitung gestört und
jede weitere Zufuhr nach oben abgeschnitten. Es ist aber noch
ein drittes Stadium denkbar, in welchem da und dort im Gewebe
Jamın sche Ketten, vielleicht solche mit aussergewöhnlich langen
Gliedern, für die Saftbewegung wirksam bleiben; dann ist es Sache
der Rechnung, die mögliche Steighöhe unter den gegebenen, d.h.
durch Beobachtung ermittelten Verhältnissen zu bestimmen. Wie das
unten mitgetheilte Beispiel zeigt, kann die in diesem Falle erreich-
bare Hebungsgrenze den. Betrag von 10" beträchtlich übersteigen,
was bei einschlägigen Versuchen jedenfalls zu berücksichtigen ist.
Die meisten der bisher angestellten Versuche geben übrigens zu
besonderen Erwägungen keine Veranlassung, da der getödtete Stengel-
theil sehr kurz war, so z. B. bei der von Bönm' erwähnten Feuer-
bohne ı8°”, bei dem reichbeblätterten Pappelzweig, mit dem Hansen’
operirte, 15°” u.s. w. Etwas anderes war hier ja gar nicht zu er-
warten, als dass die Saugwirkung der transpirirenden Blätter über die
saftreiche getödtete Stelle hinausreichte und auch jenseits derselben zur
Geltung kam; es lag für sie thatsächlich nicht der mindeste Grund vor,
an der Grenze der abgebrühten Leitwege Halt zu machen. Nur die etwa
neu entstandenen Verstopfungen konnten die Leitung unterbrechen.
STRASBURGER tödtete dagegen seine Versuchspflanzen ( Wistaria,
Hedera u. s. w.) auf einer Strecke von 10” Länge, und als nach dem
Aufriehten derselben der unversehrt gebliebene belaubte Gipfel noch
ein paar Tage am Leben blieb und seine Saugkraft auf den getödteten
Stengeltheil und dann nachträglich ebenso auf die Eosinlösung, in
welche derselbe nach dem Abschneiden gestellt wurde, geltend machte,
da war nach seiner Darstellung der Beweis erbracht, dass eine Mit-
wirkung lebender Zellen beim Saftsteigen nicht stattfindet.
Über diese Schlussfolgerung hat sich vor Kurzem bereits Prerrer’
in folgenden Worten ablehnend ausgesprochen: »Doch ist in diesen
Versuchen (STRASBURGER’S), wie ich hier nicht ausführen will, nicht
die ausreichende Umsicht und Kritik angelegt, durch welche sie
allein beweiskräftig werden könnten. Übrigens hat Srrasgurser nicht
versucht, durch geistige Verarbeitung seines Materiales das Zustande-
kommen der Wasserbewegung causal aufzuklären. «
Diesem Urtheil schliesse ich mich an. Zugleich glaube ich auf
einige Punkte, welche SrrAsgurGEer unberücksichtigt gelassen, noch
! Ber. d. Deutschen Bot. Ges. 1889. Generalversammlungsheft S. 55.
? Arbeiten des bot. Instituts zu Würzburg, Bd. Ill, S. 306.
3 Studien zur Energetik der Pflanze. Abh. der math. phys. Classe der K. Sächs.
Ges. d. Wiss. Bd. ı8, S. 262 (S. 114 des Separatabzuges), 1892.
934 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
speeiell hinweisen zu sollen. Gebrühte Stengel lassen gewöhnlich,
wenn man sie aufrichtet, Wasser abfliessen. Dasselbe stammt zwar
zunächst von den getödteten Parenchymzellen; da jedoch ein gewisses
Quantum nothwendig auch in den Holzkörper übergeht, so wird
dieser letztere wasserreicher, als er vorher war. In diesem Zustande
beginnt der Versuch. In Folge der Transpiration des belaubten Gipfels
nimmt jedoch die künstlich herbeigeführte Saftfülle bald wieder ab;
es dringt allmählich mehr Luft in die Leitwege ein, und es bilden
sich Janin sche Ketten, über deren Beschaffenheit in den verschiedenen
Stadien nähere Angaben erwünscht wären, weil hiervon das Maass
der möglichen Verschiebungen abhängig ist. Da indess Beobachtungen
nach dieser Seite nicht vorliegen, so mag es gestattet sein, an einem
willkürlich gewählten Beispiel zu zeigen, dass unter Umständen die
Steighöhe in getödteten Stengeln ı3 bis 15" betragen kann.
Angenommen, der untere Theil eines solchen Stengels enthalte
bis. auf 5” Höhe eontinuirliche Wassersäulen, an welehe sich nach
oben Jamm’sche Ketten anschliessen. Eine dieser Ketten, deren Ver-
halten hier genauer verfolgt werden soll, bestehe aus 500 Wasser-
säulen von 10"" Länge und aus ebenso vielen Luftblasen von gleicher
Länge und normaler Spannung. Die Gesammtlänge der Kette beträgt
hiernach 10”. Ein Sinken derselben werde vorläufig durch Wurzel-
druck verhindert. Nun beginne vom Gipfel her die Saugwirkung in
Folge der Transpiration; es seien nach einer gewissen Zeit die oberen
250 Wassersäulen verschwunden. Die Länge der Luftblasen, welche
mit den noch übrig gebliebenen Wassersäulen alterniren, erfährt als-
dann im Mittel eine Zunahme von 2 auf 3, folglich die Spannung
eine Herabsetzung auf ?/, der ursprünglichen. Geben wir also der
mittleren Luftblase diese Spannung und setzen wir den Widerstand
eines Meniskenpaares = 5"" Wasser, so erhalten wir für die übrigen
Luftblasen die Spannungsreihe
6091,0040% 00,1%. : er 6666... : .. 729T.
Dabei ist vorausgesetzt, dass die 5” lange continuirliche Wassersäule
am unteren Ende, welche nunmehr an eine Luftblase von 7291"
Spannung grenzt, einstweilen unverändert erhalten bleibe.
Die Wassersäule, welche ursprünglich die 251°“ war und jetzt
die oberste ist, steht in diesem Stadium nur etwa 17"" vom oberen
Ende der Kette ab. während dieser Abstand vorher 5010"" betrug.
Es hat also eine Verschiebung nach oben um rund 5” stattgefunden.
Die 250 übrig gebliebenen Wassersäulen sollen nun, wie wir
weiter annehmen, nach einiger Zeit ebenfalls verschwinden, und gleich-
zeitig soll die bis dahin unverändert gedachte continuirliche Wasser-
ler . af D ie
ScuwEnpener: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 955
säule von 5” Länge sich in eine Jamm’sche Kette auflösen. Dann
rückt das oberste Glied dieser neuen Kette weit nach oben, von 5"
Höhe bis auf nahezu 15", und die übrigen Glieder vertheilen sich
gesetzmässig auf die Gesammtlänge. Ist die Länge des einzelnen
Gliedes wieder gleich 10
dueirt), so ergiebt sich jetzt eine Spannungsreihe, welche je nach
mm
(die Luftblasen auf Normalspannung re-
der Vorstellung, die man sich vom Auftreten der Luftblasen macht,
etwas verschieden ausfällt. Aber wie dem auch sei, wenn das Ver-
schwinden von Wassersäulen und die Ausgleichung der Spannungen
sich in der bisherigen Weise wiederholt, so erhalten wir Verschie-
n
bungen, welche ı2 bis 13” und darüber betragen.
Übrigens ist von vornherein klar, dass die 10” Steighöhe, mit
denen STRASBURGER rechnet, nur für zusammenhängende Wassersäulen,
aber nicht für Jaum’sche Ketten maassgebend sind. Für letztere kann
die Tragweite der Saugung nur bestimmt werden, wenn die Länge
der Glieder annähernd bekannt ist. Aus diesem Grunde habe ich in
meiner früheren Mittheilung über das Saftsteigen einige Daten ver-
öffentlicht, welche zwar dem Anspruche auf Genauigkeit nieht ganz
genügen, aber doch immerhin eine Orientirung gestatten.
Um Missverständnisse zu verhüten, sei hier noch ausdrücklich
mm
bemerkt, dass Jamm’sche Ketten mit 10”" langen Wassersäulen, wie
ich sie im Vorhergehenden vorausgesetzt habe, im Schafte lebender
Bäume (nach dem Aufhören des Blutens) nicht vorkommen ; ebenso-
wenig in den Ästen. Die Länge der Glieder, und dementsprechend
auch die Tragweite der Saugung, ist hier stets eine viel geringere.
Auf die Versuche mit giftigen Lösungen habe ich keine Veran-
lassung näher einzugehen. Es kehren im Wesentlichen dieselben Mo-
mente wieder, auf welche soeben hingewiesen wurde. Das Ausgangs-
stadium ist auch hier ein künstlich herbeigeführter wasserreicher Zu=-
stand. Dann folgt eine Saugwirkung, welche sich zunächst nur auf
den wässerigen (nicht giftigen) Zellsaft bezieht, wobei die Mitwirkung
lebender Zellen natürlich nicht ausgeschlossen ist. Etwas später be-
ginnt der Aufstieg der giftigen Lösung, eine Strecke weit voraussicht-
lich in zusammenhängenden Säulen, dann in Jaum’schen Ketten, also
unter Ähnlichen Verhältnissen, wie in dem vorhin erörterten Falle.
Es ist also nicht zu verwundern, wenn bei diesem Versuche die Steig-
höhe des Giftes gelegentlich etwas mehr als 10" betrug. Überdies ist
es zweifelhaft, ob die lebenden Zellen immer sofort getödtet wurden.
Wie die Vertheilung von Luft und Flüssigkeit sich innerhalb der
Leitwege thatsächlich gestaltete, wurde hierbei ebensowenig unter-
sucht, wie beim Experimentiren mit getödteten Stengeln. Die Ver-
suche können deshalb nicht als beweiskräftig gelten.
6 £) . w* . .
936 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
a)
Die Grundlagen der Bönm’schen CGapillaritätstheorie.
Wie sehon Eingangs erwähnt, hat Joser Bönm' neuerdings die
Ansieht zu begründen versucht, dass sowohl die Wasseraufsaugung
durch die Wurzeln, als auch das Saftsteigen in den Stammorganen,
mit dem wir es hier zu thun haben, einzig und allein durch Capil-
larität bewirkt werde. Er, stützt sich hierbei namentlich auf Versuche
mit ausgekochtem Wasser und mit Pflanzen, »deren untere Hälfte
früher luftfrei gekocht wurde«. Diese Pilanzen, beispielsweise Weiden-
zweige, die sich wieder bewurzelt hatten, wurden mittelst Kautschuk-
pfropf luftdicht in Culturflaschen eingesetzt, welehe vollständig mit
Wasser gefüllt waren und durch eine zweischenklige, ebenfalls Wasser
führende Manometerröhre mit einem offenen, Quecksilber enthaltenden
Gefäss eommunicirten.” Was geschah nun? Der frei in die Luft
ragende, beblätterte Theil der Zweige transpirirte; der dadurch her-
beigeführte Wasserverlust wurde durch Nachschub aus der Gultur-
flasche wieder ersetzt, was aber sofort den Zufluss eines gleichen
Quantums aus der Manometerröhre zur Folge hatte, da ja ein Vacuum
nicht entstehen konnte. Das Wasser der Manometerröhre wurde also
allmählich verbraucht und da sie in Quecksilber tauchte, so stieg
dieses in der Röhre empor, zuletzt »bis zur Höhe des jeweiligen
Barometerstandes«. Damit glaubt nun Bönm »ad oculos bewiesen «
zu haben, dass die Hebung durch Gapillarität bewirkt wird.
Sehr wahrscheinlich war indess die Capillarität bei diesem Vor-
gange nur in ganz untergeordneter Weise, vielleicht gar nicht be-
theiligt. Der untere Theil des Versuchsobjectes war’ ja luftfrei ge-
kocht; capillare Menisken waren hier also nicht vorhanden. Im oberen
lebenden Theil befanden sich dagegen voraussichtlich Janmıy’sche Ketten
in den Gefässen und kürzere oder längere Wasserfäden im Libriform.
Von den ersteren wissen wir, dass die Verschiebungen ihrer Glieder
nur von den Spannungsdifferenzen der Luftblasen, nicht von der
Capillarität, abhängig sind, und was die Wasserfäden im Libriform
(oder in einem 'Tracheidensystem) betrifft, so bleiben bekanntlich die
Luftblasen während der Bewegung des Wassers in Ruhe, wodurch
auch die sie begrenzenden Menisken von der Hebungsarbeit aus-
geschlossen sind. Hebend wirkt also im Allgemeinen wiederum der
Luftdruck, d.h. die Spannungsabnahme von unten nach oben, und
bei Wasserfäden, welche direct in das transpirirende Parenchym über-
! Berichte der Deutschen Bot. Ges. 1889, Generalversammlungsheft S. 46.
® Man vergleiche Fig. 2 der eitirten Mittheilung.
\
er OT Fr er n De
ScHwEnDENER: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 997
gehen, ausserdem die osmotische Saugung. Die Capillarität kann nur
ganz ausnahmsweise zur Geltung kommen, z. B. da, wo in einem
Gefäss eine zusammenhängende Wassersäule, die unten mit der Nähr-
lösung in Verbindung steht, am oberen Ende mit einem Meniskus
abschliesst, der einen capillaren Aufstieg herbeizuführen vermag.
Es beruht also auf einem vollständigen Verkennen der Sachlage,
wenn Bönm die von ihm beobachtete Wasserbewegung durch Capilla-
rität zu Stande kommen lässt. Eine solche Auffassung kann nur als
eine im Grundgedanken irrthümliche und folglich dem ganzen Inhalte
nach verfehlte bezeichnet werden. Das Gute und Förderliche, das
wir trotzdem diesem Autor bezüglich der Saftbewegung zu verdanken
haben, lag von jeher und liegt heute noch in den unmittelbaren
Versuchsergebnissen, nicht in den meist unhaltbaren Theorien, mit
welchen dieselben verquickt sind.
Ich kann daher der Ansicht Wirsner’s,' wonach die Bönm’schen
Versuche »es sehr zweifelhaft erscheinen lassen, ob die herrschende
Lehre, derzufolge die Capillarität beim Saftsteigen bloss als haltende
Kraft wirksam ist, richtig ist«, nicht beipflichten. Nach meinem
Urtheil, das hier mit dem Strasgurger’schen” übereinstimmt, geben
diese Versuche über das, was die Capillarität zu leisten vermag, gar
keine Auskunft.
Dass die frühere Darstellung Bönn’s, welche die durch Trans-
piration erzeugten »Saugwellen« auch in den höchsten Bäumen sich
bis zu den Wurzelspitzen fortpflanzen "lässt, nicht weniger unhaltbar
ist, glaube ich bereits in meiner ersten Mittheilung” gezeigt zu haben.
Die daselbst angeführten Beweise, welehe nochmals sorgfältig geprüft
wurden, scheinen mir durchaus zwingender Natur zu sein; auch sind
sie nieht ohne Zustimmung geblieben.’ Ich war daher einigermaassen
erstaunt, in dem vor Kurzem erschienenen Lehrbuch der Botanik von
Frank den alten Bönm’schen Gedanken in etwas veränderter Form
wiederzufinden. Es heisst hier auf S. 322: »Die Bewegung wird ganz
allgemein durch eine Saugkraft erzeugt, welche in den oberen Theilen
des Pflanzenkörpers ihren Sitz hat und das Wasser nach dort hinauf-
zieht... Die Saugkraft der Wasserbewegung kann auf verschiedene
Weise erzeugt werden, aber jedenfalls beruht sie unmittelbar immer
darauf, dass nach der von Bönn herrührenden Theorie eine Luft-
verdünnung in den Gefässen und Tracheiden der oberen Theile der
Pflanze besteht«. Es wird dann weiter ausgeführt, dass die Saug-
! Anatomie und Physiologie der Pflanzen, 3. Aufl. S. 334, Note 131 (1890).
®2 Leitungsbahnen, S. 733.
3 Diese Berichte, Jahrg. 1886, S. 597.
* Vergl. z.B. Pr£rrer, Energetik, S. 261.
10 n 5 < N c nn °
938 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Jnli.
wirkung eine dauernde sei und sich bis in die Wurzelspitzen fort-
pflanze. Sie soll namentlich auch dadureh erhalten und unter Um-
ständen verstärkt werden, dass immer neue luftführende Gefässe aus
dem Cambium hervorgehen und saugend auf die tieferen Theile wirken.
Dies erkläre »in sehr einfacher Weise, wie selbst bis in die höchsten
Ptlanzentheile das Wasser einfach beim Wachsen selbst mit nachgesogen
wird«. Man sieht, dass die Höhe der Pflanzen, ob gross oder klein,
hier gar keine Rolle spielt. Obschon die »Saugkraft« nach Angabe
des Verfassers durch Luftverdünnung zu Stande kommt und somit in
Wirklichkeit höchstens eine eontinuirliche Wassersäule von 10" Länge
zu halten vermag, besitzt dieselbe, seiner Darstellung zufolge, eine
ganz unbegrenzte Tragweite, die jedenfalls von den Blättern und
Zweigenden beliebig hoher Bäume bis in die Wurzelspitzen reicht.
Das ist es eben, was an die Bönm’schen »Saugwellen« erinnert und
mit diesen in das Gebiet der Phantasie zu verweisen ist.
6.
Das Klappenventil der Hoftüpfel.
Die Bedeutung der Hoftüpfel ist noch immer nicht vollständig
aufgeklärt. Soviel ist indessen klar, dass die Erweiterung des Tüpfel-
kanals nach der Mittellamelle zu eine Vergrösserung der Filtrations-
fläche mit sich bringt, was für die Saftbewegung um so mehr in’s
Gewicht fällt, als die Hoftüpfel unzweifelhaft die hauptsächlichsten
Verkehrswege von Zelle zu Zelle repraesentiren. Andererseits ist
nieht zu verkennen, dass die Überwölbung des Hofraumes durch
eine Wand von normaler Dicke zur Erhöhung der Festigkeit wesent-
lich beiträgt. Die Tüpfel wirken ja nahezu wie Löcher in der Wand,
und darum erscheint es zweckmässig, die starke Einbusse an 'Trag-
vermögen, welche Löcher von der Grösse des Hofes verursachen
würden, durch Überwölbung auf ein geringeres Maass einzuschränken.
Diese Deutung, durch die ich in einer früheren Mittheilung' die
Form der Hoftüpfel wenigstens nach einer Seite hin dem Verständ-
niss näher zu bringen suchte, erscheint mir auch heute noch wohl-
begründet, denn sie enthält weiter nichts als einen Hinweis auf un-
bestreitbare Thatsachen. Die Filtrationsfläche der Höfe ist thatsächlich
im Vergleich mit gewöhnlichen Tüpfeln sehr erheblich vergrössert,
und die Überwölbung des Hofraumes ist namentlich im Herbstholz
so starkwandig, dass sie zweifellos der Gesammtfestigkeit zu Gute
! Die Schutzscheiden und ihre Verstärkungen. Abh. der K. Akademie d. Wiss.
zu Berlin, 1882.
Schwenpener: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 939
kommt. Hätte sie bloss die Bedeutung eines Widerlagers für das
Russow’sche Klappenventil, so würde eine viel geringere Wanddicke
vollständig genügt haben. Soweit scheint mir die Sache vollkommen
klar zu liegen. Allein ich behaupte keineswegs, dass damit »die
ganze Einrichtung des Hoftüpfels« erklärt sei. wie man nach der
Darstellung STRASBURGER'S' glauben könnte. Insbesondere habe ich
mich über das Klappenventil, worüber die erste Mittheilung Russow’s
1877 erschienen war, gar nieht geäussert, weder zustimmend, noch
ablehnend. Wenn ferner STRASBURGER Jede Beziehung des Hoftüpfel-
baues zur Festigkeit der Wand leugnet, weil im »trachealen Parenchym
des Üentraleylinders der Pinus-Nadeln« 'Tüpfel vorkommen, deren
Höfe der relativ schwach verdickten Wand »beiderseits gleichsam auf-
gesetzt« seien, so vermag ich die Logik in dieser Beweisführung nicht
zu erkennen. Kurz zusammengefasst würde dieselbe etwa folgender-
maassen lauten: Weil gewisse tracheale Parenehymzellen wenig oder
nichts zur Gesammtfestigkeit beitragen, so fällt diese letztere auch
für typische Tracheiden ausser Betracht. Solche Folgerungen be-
dürfen keiner Widerlegung.
Dagegen verdienen die in neuerer Zeit veröffentlichten Beobach-
tungen und Deutungen, welche sich auf das Klappenventil beziehen,
an dieser Stelle eine genauere Prüfung. Als festgestellt kann jeden-
falls die Thatsache gelten, dass die Schliessmembranen der Hoftüpfel
dem Überdruck von der einen oder anderen Seite her nachgeben
und sich nach der entgegengesetzten Seite hin vorwölben, bis end-
lich der 'Torus unmittelbar auf die Mündung des engen 'Tüpfelkanals
in den Hofraum zu liegen kommt und dieselbe verschliesst. Ob dieser
Überdruck von Wasser oder von Luft ausgeübt wird, ist natürlich
vollkommen gleichgültig; Bedingung ist nur, dass er gross genug
sei. Wenn daher STrASBURGER” die Ansicht vertritt, es müsse durch-
aus Luftdruck sein, durch Wasserstöme könne ein Verschluss nicht
bewerkstelligt werden, so weiss ich nicht, wie er sich hierbei mit
den Prineipien der Mechanik abfinden will. Nach meinem Ermessen
sind solehe Aufstellungen doch gar zu paradox, als dass man sie
ernst nehmen könnte.
Welchen Betrag der einseitige Überdruck erreichen muss, um
den Verschluss der Hoftüpfel herbeizuführen, ist dagegen nieht mit
der nöthigen Sicherheit ermittelt. Parrenneım” berechnet denselben
auf Grund seiner Filtrationsversuche zu etwa 5°" Quecksilber, was
ungefähr dem 15. Theil einer Atmosphaere entsprechen würde; allein
! Leitungsbahnen,, S. 768.
® Leitungsbahnen, S. 736.
3 Ber. der Deutschen Bot. Ges. Bd. VII (1889), S. ı7.
940 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 23. Juli.
die empirisch gewonnenen Zahlenwerthe, auf welehe die Rechnung
sich stützt, fallen bei jedem neuen Versuche verschieden aus, so dass
auf Genauigkeit derartiger Bestimmungen nicht zu rechnen ist. Andere
Beobachtungen hierüber liegen nicht vor. Nur ist von Russow schon
1877 eonstatirt und seitdem wiederholt bestätigt worden, dass beim
Austroeknen frischen Splintholzes an der Luft der fragliche Verschluss
in den weiten Tracheiden regelmässig eintritt, und zwar immer in
der Art, dass die Schliessmembranen nach dem Orte der vorüber-
gehend stärksten Luftverdünnung aspirirt erscheinen. Der hierzu
erforderliche Überdruck beträgt also jedenfalls weniger als eine
Atmosphaere.
Über die Vollständigkeit des Verschlusses gehen die Ansichten
auseinander. Russow hielt ihn für nahezu luft- und wasserdicht,
was jedoch mit den neueren Beobachtungen nicht übereinstimmt. Es
ist bekannt, dass im lufttrockenen Holz die Binnenluft der Tracheiden
Normalspannung besitzt, auch wenn die Hoftüpfel bleibend ver-
schlossen sind. Der Zustand der Luftverdünnung, welcher den Ver-
schluss herbeigeführt hat, wird folglich durch nachträglichen Luft-
zutritt wieder beseitigt. Ebenso wird die Filtrationsfähigkeit für
Wasser, wie Parrennem gezeigt hat, durch den Verschluss nicht
aufgehoben, sondern nur herabgesetzt. Zu demselben Ergebniss
führten auch die Versuche STRASBURGER'S, die ich in diesem Punkte
für beweiskräftig halte.
Wenn wir uns jetzt nach Feststellung dieser 'Thatsachen die
Frage vorlegen, wie die Verschlusseinrichtungen der Hoftüpfel in der
lebenden Pflanze fungiren und welche Vortheile sich daraus für die
Wasserbewegung ergeben, so gelangen wir sehr bald zu der Ein-
sicht, dass eine befriedigende Antwort hierauf zur Zeit nicht gegeben
werden kann. Wir begreifen zwar vollständig, dass im Bereich der
Saugwirkung transpirirender Flächen Luftverdünnungen stattfinden,
durch welehe unter Umständen das Klappenventil der hofgetüpfelten
Leitzellen aspirirt wird; allein der Nachweis, dass hieraus der Pflanze
ein nennenswerther Vortheil erwächst, ist mit Schwierigkeiten ver-
knüpft. Der luftverdünnte Zustand mag ja in Folge des Verschlusses
etwas länger erhalten bleiben, als dies sonst der Fall wäre, aber
gerade in Blättern und jungen Trieben, wo die Absperrung den
grössten Nutzeffeet versprechen würde, weil hier die Luftverdünnung
ihr Maximum erreicht, treten bekanntlich die hofgetüpfelten Elemente
mehr zurück und es kommen an ihrer Statt solche mit Ring- und
Spiralverdiekungen zur Verwendung, welche besondere Verschluss-
einrichtungen nicht besitzen.
® Leitungsbahnen, S. 729, 766.
ScuwEsvener: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 941
Für die Hoftüpfel im Stamme hoher Bäume fehlt vollends jede
sichere Grundlage zur Beurtheilung ihrer Function. Wir wissen nicht
einmal, ob ein Verschluss derselben im lebenden Stamme je zu Stande
kommt. Denn voraussichtlich gehen die Spannungsänderungen der
Binnenluft so langsam von statten, dass die Druckdifferenzen zwischen
benachbarten Tracheiden nicht ausreichen, um das Klappenventil
einem der beiden Tüpfelkanäle anzupressen. Und selbst wenn aus-
nahmsweise an bestimmten Stellen im Holze ein Tüpfelverschluss
erzielt würde, so ist nicht einzusehen, was damit gewonnen wäre.
Die Luftspannung ist im Stamme ja durchgehends ungefähr dieselbe,
und die etwaige Absperrung localer Depressionen bewirkt nur, dass
Luft und Wasser sich etwas langsamer als bei offenen Hoftüpfeln
nach diesen Stellen hinbewegen. Ein Vortheil für die Pflanze ist
darin nicht zu erkennen.
Dasselbe gilt von den hofgetüpfelten Zellen in der Nähe von
Wundflächen, in Trockenästen u. dergl. Auch hier mag während
des Austrocknens ein bleibender Tüpfelverschluss zu Stande kommen,
der das Einströmen der Luft in die durch Verdunstung entleerten
Tracheiden verlangsamt. Das hindert aber nicht, dass die Binnen-
luft trotzdem in kurzer Zeit die gewöhnliche Atmosphaerenspannung
erreicht. Der Ausgleich der Spannungen wird also, wie vorhin,
durch den Verschluss, etwas verzögert, vielleicht um 24 Stunden,
aber es bleibt durchaus fraglich, ob diese Verzögerung irgend welchen
Nutzen mit sich bringt.
Die nüchterne Betrachtung der wenigen bis dahin festgestellten
Thatsachen führt uns demnach zu der Erkenntniss, dass die Bedeutung
der Hoftüpfel noch sehr ungenügend bekannt ist. Es muss daher
einigermaassen überraschen, wenn STRASBURGER diese Dinge so dar-
stellt, als ob nun Alles vollständig aufgehellt sei. Er sagt S. 768
seines Buches: »Überall sind solche Hoftüpfel als Verschlüsse in den
Tracheiden des seeundären Zuwachses angebracht und stellenweise
schliessen sie auch die Enden der Gefässe ab. Diese Abschlüsse ermög-
lichen in allen Fällen, wo sie vorhanden sind, das Zustandekommen
negativer Spannungen in einzelnen Abschnitten der Balın, oder in
seitlich angrenzenden, dureh Hoftüpfel verbundenen Bahnen, und somit
auch die Ausschaltung einzelner Bahnen aus der Wasserleitung. Diese
Eigenschaften der Hoftüpfel sind jedenfalls auch die Ursache, warum
die geschlossenen, des Dickenwachsthums ermangelnden Gefässbündel
der Monoeotylen an ihren unteren Enden, bevor sie an andere
Gefässbündel anschliessen, mit Hoftüpfeln ausgestattete Tracheiden
fuhren. 22... Letztere allein sind auf zeitweise Entleerung ein-
gerichtet«.
Sitzungsberichte 1892. 34
942 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
Diesen Angaben gegenüber sei hier bloss daran erinnert, dass
negative Spannungen in todten Elementen, welche bald mit Wasser
erfüllt, bald ganz oder theilweise entleert sind, überall vorkommen,
und zwar ganz unabhängig von der Art der Wandverdickung. Man
denke z.B. an die mit Faserverdiekungen versehenen » Wasserzellen «
im Blattparenchym tropischer Orchideen, an die »Spiralzellen« von
Nepenthes, die Haare von Campanula u.s. w. Es mag ferner bemerkt
werden, dass über die angeblichen » Ausschaltungen einzelner Bahnen «,
abgesehen von der oben erwähnten Erscheinung des Austrocknens
und Absterbens in Folge von Verletzungen, meines Wissens keine
Beobachtungen vorliegen. STRASBURGER selbst hat sich nur mit Ob-
jeeten befasst, die an der Luft ausgetrocknet oder künstlich erzeugten
Druckwirkungen ausgesetzt waren und folglich über die Zustände und
Vorgänge im Leben keinen Aufschluss geben konnten.
Wir befinden uns also nach wie vor in tiefer Unkenntniss über
das Spiel und die Bedeutung des Klappenventils in lebenden, unver-
sehrten Organen und ganz besonders in den Stämmen hoher Bäume,
in welchen die Luftverdünnung stets nur einen geringen Grad erreicht.
Aber auch die Rolle, welche StrAsgBurGer dem Tüpfelverschluss bei
Verwundungen zuertheilt, erscheint mir bis auf Weiteres problematisch.
Der Vergleich mit Kork-, Gummi- und Harzverschlüssen ist jedenfalls
nicht als vollberechtigt zu erachten.
Nach der Auffassung STRASBURGER'S spielt übrigens bei der Her-
stellung von Verschlüssen ausser dem Klappenventil auch das im Hof-
tüpfel capillar festgehaltene Wasser eine bedeutsame Rolle. Namentlich
soll dadurch der Durchgang der Luft vollständig verhindert und die
Schliessmembran zugleich vor dem Austrocknen geschützt werden.'
Bezüglich dieses letzteren Punktes ist jedoch schwer einzusehen, wo-
durch ein soleher Schutz in unversehrten Organen überhaupt nöthig
werden könnte. Die Zellhäute stehen ja sämmtlich mit flüssigem
Wasser in Berührung und haben folglich jederzeit Gelegenheit sich
damit zu imbibiren; aus demselben Grunde ist die Binnenluft des
Holzes mit Wasserdampf stets nahezu gesättigt, so dass die Gefahr
des Trockenwerdens auch für die Schliessmembranen vollständig aus-
geschlossen erscheint. Soll aber dieser Wasserverschluss etwa nur bei
Verletzungen in Frage kommen, so bewirkt die Verdunstung unter
solehen Umständen ein viel zu rasches Verschwinden desselben, als
dass er für die Pflanze in’s Gewicht fallen könnte.
Was sodann die angebliche Undurchlässigkeit solcher Wasser-
verschlüsse für Luft betrifft, so weiss ich nicht, welche Versuche
! Leitungsbahnen, S.766.
“
.. 3 op, = ‘
Schwespener: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 943
dieser Angabe zur Stütze dienen sollen. Was ich hierüber finden
konnte (S.751 und anderwärts), sind bloss Deutungen des Autors,
keine Thatsachen, auf die man sich verlassen könnte. Nach meinen
Erfahrungen sind die Zellhäute überhaupt nie undurehlässig für Luft,
wohl aber sehr sehwer durchlässig, so dass luftverdünnte Räume,
sofern die Wasserzufuhr abgeschnitten ist, längere Zeit brauchen, um
die dem Barometerstand entsprechende Normalspannung herzustellen.
Eine vollständige Undurchlässigkeit ist überdies schon aus theoretischen
Gründen ganz undenkbar, da jeder im Hoftüpfel festgehaltene Wasser-
tropfen auf der Seite des Überdruckes mehr Luft als sonst absorbirt
und daher auf der entgegengesetzten Seite wieder Luft abgiebt. Die
letztere passirt also den Wassertropfen — ganz ebenso wie die im-
bibirte Membran — im gelösten Zustande und zwar in Mengen, welche
für jedes bestimmte Gas von seinem Absorptionseoöfficienten abhängig
sind. Kohlensäure diffundirt demgemäss sehr viel rascher, als Stick-
stoff oder Sauerstoff, aber eine vollständige Absperrung kann niemals
stattfinden.
Was übrigens das thatsächliche Verhalten der Hoftüpfel im Leben
betrifft, so habe ich an Zapfen, welche aus dem Stamme heraus-
gebohrt und frisch untersucht wurden, wiederholt eonstatiren können,
dass wenn die Tüpfelkanäle beiderseits an Luft grenzen, in der Regel
auch der Hofraum mit Luft erfüllt ist. Die in Rede stehenden Wasser-
verschlüsse können deshalb bezüglich des Luftverkehrs nur eine sehr
“nebensächliche Rolle spielen. — Aspirirte Schliessmembranen habe ich
bei diesen Untersuchungen niemals wahrgenommen.
Te
Zusammenfassung und Schluss.
Aus den vorstehenden Erörterungen geht meines Erachtens klar
hervor, dass die Bestrebungen der genannten Autoren zu Gunsten einer
rein physikalischen Theorie des Saftsteigens als erfolglos zu erachten
sind. Denn obgleich die Thatsachen, die sie zu Tage gefördert haben,
ein gewisses Interesse wohl beanspruchen dürfen, müssen doch die
Deutungen, welche daran geknüpft wurden, als verfehlt bezeichnet
werden.
Was Böum als Capillaritätserscheinungen ansieht, hat sich bei ge-
nauerer Prüfung als eine durch Luftverdünnung erzeugte Saugwirkung
herausgestellt, bei welcher die Capillarität meist gar nicht betheiligt
ist. Dasselbe gilt von dem angeblich direct beobachteten Vorbeifliessen
des Wassers zwischen Luftblasen und Tracheidenwand, womit STras-
944 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
BURGER nach dem Vorgange von J. VEsquE der‘Saftbewegung zu Hülfe
kommen will. Was er wirklich gesehen, war ebenfalls nur eine durch
negativen Luftdruck bewirkte Saugung, die aber in diesem Falle künst-
lich durch Austrocknen von Alkoholmaterial erzielt und zuweilen über-
dies durch Fliesspapier verstärkt wurde. Das sind Bedingungen, welche
von den im lebenden Baumstamme vorhandenen weit abliegen. Übrigens
konnte ich auch bei Wiederholung der STRASBURGER schen Versuche nur
beobachten, dass Luftblasen zuweilen (bei starker Saugung nämlich) von
der Seite her zusammengedrückt werden, indem die Wasserbewegung
hier momentan eine schiefe oder transversale Richtung einschlägt. Ein
Überfliessen des Wassers von einem Glied zum andern innerhalb einer
Janm’schen Kette, also zwischen Luftblasen und Wand, kann aus solchen
Vorgängen unter den in der Pflanze vorhandenen Bedingungen nicht
gefolgert werden.
Der Grundgedanke, von welchem "STRASBURGER ausgeht, erweist
sich also als unhaltbar. Dadurch verlieren alle weiteren Ausführungen
dieses Gedankens ihre Stütze. Diese sind aber auch an und für sich
widerspruchsvoll und unbefriedigend. Schon die Einschränkung des
Autors, dass nur die kleineren Luftblasen, nicht aber die grösseren,
ein Überfliessen gestatten. macht die Hebung einer längeren Jammw’schen
Kette unmöglich, und das gänzliche Stillsehweigen über die Frage,
warum denn das Überfliessen gerade vorwiegend von unten nach oben,
und nicht umgekehrt, stattfinde, beweist, dass STRASBURGER über die
zu überwindenden Schwierigkeiten nicht im Klaren war. |
Die weiteren Angaben über Capillarwirkungen, das Verhalten
imbibitionsfähiger Wände u. s. w. betreffend, habe ich mehr ihrer
theoretischen Ansprüche wegen, als mit Rücksicht auf ihre Bedeutung
für die Lehre vom Saftsteigen geprüft. Für die letztere fällt ein
Unterschied von 20 bis 30 Procent in den Zahlenwerthen nieht schwer
in’s Gewicht.
Was nun noch die Versuche STRASBURGER S mit farbigen Lösungen
betrifft, so leiden dieselben hauptsächlich an zwei Fehlern. Der eine
liegt im Zustandekommen zusammenhängender Flüssigkeitsfäden beim
Eintauchen der abgeschnittenen Zweige oder Stämme in Wasser und
dann in die betreffende Lösung. Dadurch werden nämlich Bedin-
gungen für die Saugung hergestellt, welche im lebenden Baumstamme
höchstens zur Zeit der grössten Saftfülle, nicht aber während der
Sommermonate, gegeben sind. Der andere Fehler ist in der Voraus-
setzung enthalten, dass der Luftdruck das Wasser nicht über 10”
emporheben könne. Das ist richtig für zusammenhängende Wasser-
säulen, aber unrichtig in all’ den Fällen, wo diese Wassersäulen nach
oben in eine Jam sche Kette übergehen. In einem solchen Falle
SCHWENDENER: Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen.. 945
hängt die Grenze der Saugwirkung von der Länge der Glieder ah,
aus welchen die Kette besteht. Die maximale Steighöhe kann als-
dann unter Umständen, wenn die Glieder lang genug sind, wohl 13
bisı4” erreichen.
Zum Schlusse noch ein Wort zur Vertheidigung der »vitalen
Theorien«, welche STRASBURGER widerlegt zu haben glaubt. Die an-
gedeutete Bezeichnungsweise kann ich zwar nicht empfehlen, denn
wo die »Vitalität« anfängt. da hört beim Saftsteigen die Theorie
auf, und es treten blosse Vermuthungen an die Stelle, die nicht
einmal (den Namen von Hypothesen verdienen. Allein an der
Thatsache, dass die Lebensthätigkeit der Zellen irgendwie in die
Saftbewegung eingreift, halte ich unbedingt fest. Ohne dieses Ein-
greifen.ist die Hebung des Wassers auf Höhen von 150 bis 200 Fuss
und darüber einfach unmöglich, und alle Bemühungen, die vor-
handenen Sehranken mit unklaren physikalischen Vorstellungen zu
durchbrechen, sind nicht viel mehr als ein Suchen nach dem Stein
der Weisen.
Selbst wenn wir beim Saftsteigen bloss den ersten Schritt in's
Auge fassen, von dem hier bis dahin gar nicht die Rede war, ich
meine die Wasserbewegung von den Wurzelhaaren bis zu den Ge-
fässen des Wurzelkörpers und das Emporsteigen des Wassers in den-
selben, so ist schon dieser einfache Vorgang ohne die Mitwirkung
der Lebensthätigkeit unerklärlich. Das scheint übrigens in gewissem
Sinne auch STRASBURGER anzunehmen;' doch spricht er bloss von einem
»regulirenden Einfluss des protoplasmatischen Wandbelegs« in den die
Gefässe umgebenden Parenchymzellen (Belegzellen) und lässt im Übrigen
die Filtration des Saftes in die leitenden Elemente durch »tracheale
Saugung« zu Stande kommen. Da aber bekanntlich die Filtration
fortdauert, auch wenn die Gefässe mit Wasser ganz erfüllt sind, so
steht diese Auffassung mit den Thatsachen in klarem Widerspruch.
Wie soll unter solchen Umständen noch eine Saugung stattfinden?
In Wirklichkeit haben wir es hier mit einer dauernden Wasserströmung
zu thun, die in leblosen osmotischen Apparaten ohne Zuhülfenahme
einer besonderen Kraft (Aufwand von Energie) nicht erzeugt werden
kann.” Auch die experimentell leicht zu eonstatirende Thatsache, dass
diese Strömung beim Abkühlen der Wurzelspitzen auf etwa 2° über
Null nahezu stille steht und beim Erwärmen wieder lebhafter wird,
während doch der osmotische Druck nach wie vor so gut wie unver-
! Leitungsbahnen, S. 854.
?2 Vergl. Prerrer, Zur Kenntniss der Plasmahaut und der Vacuolen, S. 303.
Abh. der math. phys. Classe der K. Sächs. Ges. d. Wiss. Bd. XV.
Sitzungsberichte 1892. 85
946 Gesammtsitzung vom 3. Nov. — Mittheilung vom 28. Juli.
ändert bleibt,' weist deutlich auf Einflüsse hin, welche vom lebenden
Plasma ausgehen.
So begegnet uns immer wieder, so oft wir die Vorgänge in
lebenden Organen näher verfolgen, neben der Wirkung physikalisch
bekannter Factoren ein unbekanntes Etwas, die Lebensthätigkeit des
Plasmas, deren Mechanik zur Zeit noch vollständig im Dunkeln liegt.
!_ Diese speciellen Angaben nach Versuchen von Kra»ee. Dass das Bluten im
Allgemeinen durch starke Abkühlung, beispielsweise auf 5° R., sehr abgeschwächt oder
auch vollständig sistirt wird, darf als bekannt vorausgesetzt werden (vergl. PrEFFER,
Pflanzenphysiologie I, S. 163).
Ausgegeben am 10. November.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
947
1892.
AÄLV.
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
10. November. Sitzung der philosophisch -historischen Ulasse.
Vorsitzender Secretar: Hr. Momnsen.
l. Hr. Schraper legte eine weitere Mittheilung über die Asar-
haddon-Stele von Sindjerli vor.
2. Hr. Harnack legte als Fortsetzung seiner letzten Mittheilung
das Bruchstück der Apokalypse des Petrus vor.
Die Mittheilung folgt umstehend.
3. Hr. Zeızer legte einen neuen Band der Aristoteles-Commentare,
Alexandri Aphrodisiensis seripta minora 2., bearbeitet von Hrn. Ivo
Bruns vor.
Sitzungsberichte 1392. 86
20
949
Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse
des Petrus.
Von Avpour HARrNACcK.
Zweite Mittheilung.
Das Bruchstück der Apokalypse des Petrus.
(fol. 10") Morrcı E£ aurwv Eoovraı Weudorpopyrar xl ödovs xaL doyuara
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eidov Erepov Tomov (fol. 8") FESAUMEVON, vo 6 IXWp Kal % dvowdia TuWv
Koraloeva Kaeppee xaı Women Auavı Eyıvero EXEi, XÄAxXE Exdyvro Yu-
VallKEs EX oUCaL Tov IX, wpeL HEXpL Tuv TOOyNAwv x dvrixpüs aurwv moAAoL
maides, coli auralls alvjwpeı Erinrovro, xoSnuevor ExAaıov' aa moonpXovro EE
aulrwv oxrivles mupos xal Tas Yuvalxas EmAnocov xara rwv sbdarumv. aura
8 Zvdsdumevos — 8 puren — 10) ZU auglov Seov aveugnuouv C, ToVv #4. 9. avreu-
cbrouv PREUSCHEN — Il Rey auıv — 13 Eraigov Forum — 13 ug ungovrum 6; Roy anga
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rwwv Dies, Ruyyangen ego, wuyyamgov © ovr& GEBHARDT — 14 TRoRagovres — 14 Frorwen,
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#gsueuevor — 24 FUVELTOorES Gs suvsıdoras Dies — 24 aurovs = 6 ourws Fgeons EvoUG
corr. GEBHARD — 27 ar0ANass — 27 HoAaleı — 30 w 0 ego, 60 — 33 or aurans aungor
DieLs — 34 axrives Dies — 34 Clem. Alex., Eelog. ‚proph. au Au zau Hergos ev m
Arozanıeı pri zu arroamn mugös en mo row Pgspav exeivum 20 mINFTOUr«
ToUs obIar Mousg ra Yuvaızav.
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25
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 3a
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Ta EAN Hal moAalouevor xal MEmUpWuEvov Giönpov Kara rwv öb>aruuv Auu-
Bavovres, curcı d8 Acav oi Praobnunsavres al xuxwWs eimovres Av odov TAs
(fol. 7”) dixamoovvns. 20 Xu Xaravrızpl Tourwv dAAcı Tarıv dvdpes xal Yuvalzes
Tas YAuOCas alruv uacwuevor xal müp hAsyomevov EMovrss Ev TU OTEHATI,
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por Eupwv xal mavros oPerLoKou, FERUGWMEVGH, xaı yuvalxes Kal dvöbes bar
Purape Evdedumevor ExuAovro Em Auruv ‚xohaßoevan, ouroL de Ha oi MAOUTOUVTES
Kaı zw mAoUTW alrav memoScoTEs xdl um ERengaures sppavavs xaı xmpas AAN
mEeANCavtes TAS EvroAns To Teol. 31 Ev de Erepce Alun Meyary Kol mEmANW-
Men mUov xaı aimaros xol Sopopov dvalcovros ioryxeioav dvdpes nal Yuvdixes
MEXpı Yovarwv, ovroı de Noav ci daveovres xl dmaımouvres TOXOUS TOoxWV.
32 aAAcı ovdbes Kal Yuvalxes dmo xpnavou Heyanav Karaorpedouevol NpXovro
KaTw Xal marıy NAauuvovro Umo TWV En TiRENEVaN dvapyvaı avw (fol. 7") Emı rou
Konuvoo Kal Kareorpehbovro EXEiDev Karw zul Youylav o0x Eiyov do Taurys
INS Kordoews, odroı ÖL Aoav ol Widvavres TA OWMaTd Eduruv Ws Yuvaixes dvd-
orpebouevan, ai de Mer’ aurwv Yuvalxes auraı Noav al Guyrommdeioaı dAAMAdıs
Ös dv dvmp mpoc Yuvalxd. 33 xl Tapd TW xpmuvm Exeivw Tomas Mv mupos mÄc-
Orov yeumv Aaxel iormxeioav dvdbes oirwes Tals ldinis Wepoi Eoava Eaureis
Emoimoav dvri Yeov, xol map” Exeivois dvdpes Erspoı x yuvalzes bajßdous Eyovres
Kal AAAMAOUS TUMTOVTES X UMderoTE mavcusvor TNS ToldUrNs KoAdTews, 34 Kal
Ereooı mar Eyyls Exeivuv Yuvalikes xl dvdpes dAeyuevar nal orpebomevon Kal
rnyavıkonevo, obroı de Acav oi dibevres TAV ödov To) Deo..
Im Folgenden gebe ich Bruchstücke, die sicher unserer Apoka-
lypse angehören, aber sich in unserem Fragmente nicht finden:
I. Aurıxa 5 Ilerpos Ev rY Amoxarıılaı pyow: Ta Ppebn Eau SAuIevra
ns dueivovos Enomeva momas [Cod. vers] — Clem. Alex., Eelog. 48.
I. To de yaru Tüv yuvaızıv, beov dmo Twv Maoruv Kal TEN yvolLEvoV,
byaiv 6 Ilerpos Ev y Amoxaruıleaı, yerıycaı Iypia Aemra vaprobaya zul dva-
Toey,ovra Eis aürds xareoSıc, — Ülem. Alex., 1. c. 49.
1 Ara age yes rerolureı GEBHARDT — 3 srorwu — 5 Grm 5 s. Jes. 66, 24;
Mare. 9,44. Apoc. Esdr. Christ. (Tıschennorr, Apocal. apoer. P- 28): Tov azuwAyKa Tov
Grodumrov — 480. ‚magadires — 15 moiou — 15 BogBogy avageovres — 16 dann ovres _
17 aa — 18 eAauvovro — 19 gan ecbovro — 22 mugös Dıers, mes — 23 Yen @EO,
yerav Ü — 27 adbevres GEBHARDT, abIavres Ü.
332 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 10. November.
II. °H yn rapaoryosı mavras TW Iew (xpivousvous), Ev NMEpE Apioews
MEAAOUGE Kal aurm xpıveoIaı OUv Xu TW Tepiegovri oupavn — der heidnische
Schriftsteller bei Macarius Magn. IV,6 und Macarius IV, 16.
IV. Kal raxyceraı vaca Övanıs olpaven Kal EAry,Oyoerai 6 olpavos Ws
Bıßrrv, zul marra To Ko Toa TWECEITAL WG bURAa e£ duUmeAou xal Ws TimTe
bVAra dmo ouxys — der heidnische Schriftsteller bei Macarius IV, 7.
Zu vergl., weil verwandt, vielleicht abhängig von der Petrus-
apokalyse, sind die jungen Apocall. christ. Esdrae (TiscHExporr, Apocal.
apocr. p. 24 sq.) und Pauli (ec. 31—40 l.c. p. 56—61). Blutsverwandt
mit unserer Apokalypse sind einige Abschnitte im »Hirten des Hermas«
(s. die Schilderungen verschiedener Classen von Sünder dort, vergl.
Prolegg. zu meiner Ausgabe dieses Buchs p. LXXIX). Nicht bestätigt
haben sich durch die Entdeckung unseres Fragmentes ältere und neuere
Hypothesen über den Inhalt des Buchs bez. über die Zugehörigkeit
einiger herrenloser christlicher Prophetensprüche zu ihm. Doch darf
man nicht vergessen, dass wir z. Z. immer noch nicht mehr als die
kleinere Hälfte der Apokalypse besitzen.
Ich schliesse hier einige Bemerkungen über den Inhalt und den
Charakter des Fragments, sowie über die Zeit der Apokalypse an.
Das Fragment beginnt mitten in einer apokalyptischen Rede Jesu
an seine Jünger. Diese soll nach v. 2 (eis r6 öpos zum Gebet, s. die
Synoptiker, z.B. Luc. 6,12) — wenigstens ist das das Wahrschein-
lichste — während des irdischen Lebens Jesu gesprochen sein: damit
ist die ganze Apokalypse auf diese Zeit angesetzt und somit eine Ana-
logie zu Matth, ı7,1ff. cum parall. (U. Pet. ı,ı6ff.)." Nach der apoka-
lyptischen Rede folgen die beiden Visionen. Die erste zeigt Jesus
seinen zwölf Jüngern auf ihre Bitte: sie schauen den seligen Zustand
der Gerechten und das Paradies, um sich an diesem Anblick zu trösten
und ihre Zuhörer später durch die Erzählung des Geschauten zu stärken
(v.5— 20). Sodann schaut Petrus allein — so scheint es wenigstens
— die Strafen der Sünder in der Hölle (v.21—34). Mit der Jo-
hannes- Apokalypse hat diese Apokalypse schlechterdings keine Ver-
wandtschaft (auch die Benutzung anderer NTlicher Schriften lässt sich
nicht nachweisen; nur in v. 1—4 sind Reminiscenzen an Herrenreden,
bez. an die evangelische Geschichte); sie stimmt vielmehr in ihrer
Eigenart mit einigen Abschnitten der Henoch-Apokalypse überein.
! Sie gehört somit nicht in die Reihe der Offenbarungen, die der erhöhte Christus
veranstaltet, s. die Apocal. Joh., Pistis Sophia u. s. w.
. 6
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 955
Der religiöse Standpunkt charakterisirt sich als alttestamentlich -jüdisch
gefärbt d. h. als der urchristliche durch die term. techn. »oi dixauor«
(v. 5. 13. 14. 20. 27), »9 Oixauovvy« (v.22. 23.28), bez. »n ödos us di-
Kanoovvns« (V.22. 28; v.34: % 6dos Tou YeoV, v. I: oda Ns dmwAsias) »M
EvroAM ToV Ieov« (v. 30) und »oi via T4s dvonias« bez. rys arwAeas (V.2.3.).
Nur einmal, und zwar im Munde Christi, heissen die Christen: »oı
mıoroı mou« (v.2). Eben diese Stelle ist aber ganz besonders ar-
chäistisch; denn ı. Christus spricht nicht, indem er vom zukünftigen
Gericht redet, von seiner Wiederkunft, sondern wie im A. T.
heisst es: »rore &Asloercı 6 Yeos....xal xowe, 2. werden die Christ-
gläubigen, wie in der Bergpredigt, beschrieben als die »rewwvres xaı
Inbavres zur Srußousva xal Ev rourw rw Bw Tas huyds Eaurwv doxınd-
Coyres« (dieser Gebrauch von dexiuslw ist ungewöhnlich: es ist wohl
an Askese zu denken). Die urchristliche Haltung tritt dann noch be-
sonders deutlich in v. 30 und 31 hervor, wo »den Reichen und denen,
die auf ihren Reiehthum vertraut und sich der Waisen und Wittwen
nicht erbarmt, sondern das Gebot Gottes vernachlässigt haben« (vergl.
den »Hirten«, bes. Sim. I, 8), sowie denen, die Zinsen nehmen, die
Verdammniss angekündigt wird. Dagegen tritt ein jüngerer Zug
in v.ı hervor, nicht in der Ankündigung der Pseudopropheten (8.
Matth. 7, ı5 u. s. w.), wohl aber der Lehrer der »öda xaı doyuara
Foxıra 71 dmwäsias« (s. I. Thess. 2, 3). Diese »doyuara« (das Wort
fehlt bei Hermes) weisen auf gnostische Irrlehren. Zur Sache aber
ist auch hier der »Hirte« zu vergleichen (s. Vis. IH, 7, ı; Sim. VII,
BE X 31.95,59.235 IR, 22 ,.10sq.). „Mit dem), » Hirten. (Vis.IL,r25,27
Sim. VII, 6, 4: IX, 19, ı. 3) stimmt unsere Apokalypse auch überein,
wenn sie v.27 unter den Sündern bereits eine Classe von solchen
unterscheidet, »die die Gerechten verfolgt und ausgeliefert haben «.'
Man wird daher die Abfassungszeit schwerlich vor die trajanische Zeit
verlegen dürfen.”
Zu v.5] voosyv, s. Nestre i. d. Stud. u. Krit. 1893 H.ı. — 6] dVo
&vdess, nicht Moses und Elias, sondern zwei unbestimmte vollendete
Gerechte (s. v. 13). Die Schilderung ihrer Gestalt, Farbe und strahlen-
den Sehönheit (v.6—ı1r) scheint mir kunstgeschichtlich von Wichtig-
keit zu sein: man hat hier den Typus der Seligen, wie ihn sich die
27 Mit Hermas Vis.Il, 2,2; Maud. IV, ı,0sqg.; Sim. VL,2,3; VII, 6,4; VII,
8, 2; IX, 19, ı. 3 stimmt auch die Classe »blasphemi« in unserer Apokalypse überein.
Merkwürdigerweise kommt sie hier zweimal vor, nämlich v. 22 und 28.
? Später als um die Mitte des 2. Jahrhunderts kann die Apokalypse nicht wohl
geschrieben sein. Das folgt aus ihrem Gebrauch in Rom und Alexandrien. Also
stammt sie aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts. Genaueres weiss ich nicht zu
sagen. Über den Ort der Abfassung lassen sich schwerlich Vermuthungen aufstellen.
954 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 10. November.
ältesten Christen dachten und wohl auch darstellten. Dasselbe gilt
von der Schilderung des Paradieses (v. i54.),'zurder Act. Perpersvn
zu vergleichen ist. Zu oux &duriSyuev dvrıdrelaı s. I. Cor. 3, 13. —
7] 66$aAuos xrA. erinnert an I. Cor. 2,9. — 12] eirov, von hier an
redet Petrus: rives einiv curcı s. Apoc. Joh. 7, 13. — 13] co dderApar Uuwv
ci Sxaıcı, urehristliche Bezeichnung. — ı4] «wv nicht zeitlich zu ver-
stehen: die zukünftige Herrlichkeit (die neue Zeit) ist bereits an einem
bestimmten Ort vorhanden. — 15] &xros rourou rev xoouev, das Pa-
radies gehört zu einer anderen Welt; Kaupmov eÜAoynuevov] s. die Apoe.
Baruch. und die bekannte Schilderung des Papias bei Irenäus. —
16] Vergl. Igrat. ad Ephes. 17, ı: va ven m Exryoie dpIapoıav und
Zeitschr. f. Kirchengesch. Bd. U, S. 291 ff. — ı7] ae ist auffallend;
doeh s. v.21. — 20] rwv dpxıspewv vuwv, weil sie für euch beten,
s. Didache 13, 3: .... rois mpodyraıs ' auraı yap Ein oi dpyuspeis Üuwv.
Aber im N. T. und im I. Clemensbrief wird nur Christus selbst als
Hoherpriester bezeichnet. — 2ıff.] Es folgt nun die »Hölle« (der
Ursprung dieser Phantasien ist nicht jüdisch, sondern griechisch-orphisch ;
jüdisch, bez. christlich ist der strenge sittliche Sinn, der in sie hinein-
getragen wird); aber abzubilden haben die ältesten Christen diese
Strafen nicht gewagt, während sie das Paradies und die Seligen schon
früh abgebildet haben. In unserem Fragment sind ı3 (bez. ı2, da ı
und 7 identisch zu sein scheinen) Classen von groben Sündern unter-
schieden: aber die Zahl war damit noch nicht erschöpft, wie die
Fragmente bei Clemens Alex. beweisen. — 23] %: BAuobnuovvres vav
5ööv 76 Öixcucovvys d.h. die frivolen Verächter. — 23] oi droorpepovres
ro Öixaucolvyv (s. Tit. 1, 14: dmpoorpedousvwv ryv ar Seıav) d.h. die, welche
die Gerechtigkeit (die Religion) verkehren. — 24] & POS Moryelav %00-
undeioaı xaı ci oummi£avres aürais, die Ehebrecherin wird vor dem Ehe-
brecher als die Schuldigere genannt; wichtig ist das «xoounSecaı«:
christliche Frauen sollen sich überhaupt nicht putzen; denn Putz ver-
führt zur Sünde; zu uidouarı s. I. Pet. 2, 20: ra WIAOUATa TOD xoouou.
Trotz v. 25° ist &Aeyov auf Petrus zu beziehen, daher erısrevov nicht
in Ewıoreiousv zu eorrigiren. — 25] 0 Yoveis zul ci ouveideres aurais,
Ehebruch und Mord wird in der ältesten christlichen Litteratur oft
zusammengestellt. oxwAnxes worep vedeAdı Gxorovs ist ein seltsames
Bild. Dass die Seelen der Gemordeten die Mörder umschweben, passt
eigentlich nieht in die Hölle. — 26] Nahe von den Mördern stehen
die Weiber, die sich der Abtreibung schuldig gemacht haben; ihre
unzeitigen Früchte sitzen vor ihnen, und Feuerstrahlen, die von den
Kindern ausgehen, treffen die Augen der unnatürlichen Mütter. Die
kühne Conjeetur v. GEBHARDT’s zu 26° möchte ich mir nicht aneignen,
obgleich sie an dem Fragment bei Clemens Alex. (Eelog. 49) eine ge-
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 955
wisse Stütze hat. — 27] & diwEaures Tois dikalous xaı mapadovrss, 8. 0.
— 28] oi Pracbnuncavres xal xaxws EimovrEs Tv 6dev TA dixaionuvns,
s. v.22; an unserer Stelle liegt der Nachdruck auf dem »xaxws eirovrec«
(verleumden). — 29] co: eudouaprupes, s. Herm., Mand. VIII, 5: "Veudo-
Hoprupia, mAecveZia, auch in unserer Apokalypse folgen nun die Reichen.
sole 7rovrsüvres,0s. 0. gr] daveilovres, es ist die älteste
Stelle gegen das Zinsnehmen in der christliehen Kirche (aber s. die
ältere jüdische Litteratur). — 32] Die widernatürlichen Lastern Er-
gebenen, s. Röm. ı, 26ff. Zu a uidvavres Td OwuaTa Eaurwv Ss. Jud. 8:
Odpxa wiawovo. — 33] Die Verfertiger von Götzenbildern. — 34] Wer
hier gemeint ist, lässt sich nicht mehr sagen, da der Text abbricht.
Bemerkungen zum Fragment des Petrus-Evangeliums.
Zu Vers ı] Die hier vorausgesetzte Situation ist eine ganz andere
als in den kanonischen Evangelien. Sie scheint auf Grund einer Gombi-
nation von Matth. 27, 24 (dwv d& 5 Meindros orı oUdEv Where ara uaAAov
Sopußos YIVETAL Aadwv Udwp amevnbaro Tas XEIpas KarEvayrı TOD OU, AoU Aeywv
wos ei dmo Fov aimaros rovrov) und Luc. 23, 6— 12 frei erfunden zu
sein. Die Richter neben Pilatus und Herodes sind das »Presbyterion
des Volks« (Luc. 22,66); der Verfasser schreibt, wie wenn sich Joh.
ı8, 3ı verwirklicht hätte. Unerklärt bleibt, warum die Richter sich
waschen wollten, aber es nicht thaten. Von »den Juden« spricht der
Verfasser ähnlich wie der vierte Evangelist. Das Jüdische wird als
ein fernstehendes behandelt, s. v. 6 795 £oprys aürwv, v. 15 aureis, v. 20
vos vYs Iepovoadyu, v.23. 25.50.52 ol Iovdalaı, v. 48 5 Auos rwv "Toudauwv,
v.ı5 macav ryv lovdarov (für yyv). — 2] Auch hier ist die Situation
undurehsichtig; Herodes erscheint als der verurtheilende Richter. Zu
FapdAnabI4var s. Matth. 27,27: rore oi orparıwraı Treu Myeuovos maparaBovres
rov "Iycoiv. — 3] Joseph von Arimathia wird in allen vier Evangelien
erwahms@(Mabthy2,72674., Marc. 15,431; , Lue:'23,56f., Joh.19,38.1.);
aber nur hier trägt er (#ro ArmaSaizs fehlt; ist er als ein Bekannter
eingeführt?) seine Bitte vor der Kreuzigung vor, in den kanonischen
Evangelien erfolgt sie nach der Kreuzigung. Als Schüler Jesu ist er
auch in ihnen bezeichnet (Matth.: &s xal auros EuaSyreusn rw "Inscu,
Mare.: 66 xol aüros Av mpoodex,onevos nv Bacıdeıav rev Secv, ähnlich Lucas,
Joh.: wv uasyrns roü 'Insod), aber nirgendwo wie hier als Freund des
Pilatus. ‘Die Form orevgiozew kommt im N. T. nicht vor und ist mir
auch sonst nieht begegnet. Das Wort ra$n findet sich im N. T. nur
Matth. 27. 7. — 4f.| Auch hier erscheint Herodes als der eigentliche
Gewalthaber und Richter über Jesus; Pilatus erbittet sich bei ihm
956 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 10. November.
für seinen Freund Joseph den Leichnam Jesu. — 5] Zu dere s. Lue.
23,12: Eyevovro Öe diros 6 re Hpwöns zu 6 Ileiddros Ev adrn rn Muse
Zu erıbwoxea S. v. 34. 35. und Luc. 23, 54: xai Amepa Av mapaoxeung, xal
caßßarev Erebwexev, Matth. 28,1: ode de vaßßarwv, N Erıbwoxovon eis
ua vaßßarwı. Zu yeyparraı s. Deut. 21, 22f. (die Stelle ist hier u. v. 15
nur dem Sinne nach eitirt, s. übrigens Jos. 10, 27), aber eingewirkt
hat vielleicht Joh. 19, 31: &wei rapaoxeun Av, va un nem Em TeV orau-
pau ra owuara Ev ru ou ldrw, Av ya ueyaan 9 Mrcocl exeivou tod vaßSdrou.
Über den Ausdruck 2 was rwv dlumwv, 775 Eoprys aürwv möchte ich mich
hier nicht ausführlich äussern (s. Matth. 26, 17, Mare. 14, 12: mpwry Tv
d£unwv. Matth. 28,1, Mare.16,2: mia oaßßarwv. Zu T.£op. our. s. Luc. 22,1).
Dass aber die Stelle die johanneische Datirung des Todestages Christi
unterstützt, ist mir sehr wahrscheinlich. — Awßovres s. Joh. 19, 6; Tpe-
%ovres, dieser Zug und die folgende Rede fehlt in den Evangelien;
evpwuey höhnisch: »lasst uns doch entdecken« (oder treffen); zu viev ou
Seov s. Joh. 19, 7, Matth. 26, 63£. ete.; zu EZovoiav xrA. s. Joh. 19, 10f.
— 7] Fopbipav nur Mare. ı5,17.20, aber repeßarrov nach Luc. 23,11
oder Joh. 19, 2; das Folgende findet sich so in den Evangelien nicht
(auch der Ausdruck xuedea zgirews fehlt); zu Bucıred rov Iopayr s. Matth.
27,29, Mare. ı5,18, Joh.ı9, 3 (überall steht hier rwv "Iovdauwv). —
8] Matth. 27, 29: wAefavres orebavov EE dxavdwv EmeInxav Emi Tys KEbarNs
aurev, Mare. 15,17: meprIeuow aurw mAebavres dxayIwov orebavov, Joh.
19, 2. 5: mAcEavres orebavov EE dxavIwv EmEeSnxav aurov TN XEba ...
bopwv Tov dxavSıwov orebavov. — 9] &verruov s. Matth. 26, 67; 27,30;
Mare. 14,65; 15,19; das Wort &ılıs im N. T. nur bei Joh. 7, 24; 11,44;
ADoc. 1,10; zu cıwyovas s. Matth. 5, 39; Lue. 6, 29; Epamıcav nur Matth.
26, 67; zu xarduw Matth. 27, 30: EAaßov Tov xarauov xl Erumrov Eis TA
xebaryv aürov und Mare. 15,19; vuccew findet sich im N.T. nur Joh.
19, 34, Maorıkew nur Act. 22, 25; die Worte Asyovres x7A. finden sich
in den kanonischen Evangelien nicht.
10] #&xoÜpycı so nur Lue. 23, 32. 33. 39; uerov Joh. 19,18. Zu Eowra
s. Matth. 26, 63 und Mare. 14, 61; aber es steht hier an anderer Stelle;
umdev rovov &y,wv ist doketisch, ähnliches findet sich in den Evangelien
nieht. — 11] woSwoav fehlt in den Evangelien; ereypaulav nach den
kanonischen Evangelien setzt Pilatus die Inschrift auf; reü "IopayA,
s. v. 7, auch hier bieten die Evangelien rwv "Iovdaiwv (Matth. 27, 37;
Mare.ı5, 26; Luc. 23, 38; Joh.1ı9,1g. — ı2] reSeıxores xrA. Matth.
27, 35 (Mare. ı5, 24; Luc. 23, 34): disuepioavroe TE indria aurev OoAAovres
»Anpov, Joh.19, 23f. ist ausführlicher; er bietet auch: Auxwnev ep
. düro) rivos eotaı. — 13] Luc. 23, 40, aber bei Lue. sprieht der eine
Schächer zum anderen (statt wvaoıoev steht bei Lue. erırıuwv, ferner
Mmels uv dixeiws, dgıa yap wv Empafauev dmoramfavousv‘ couTos de oudev
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 957
aromov Empakev, hier liegen zwei verschiedene, aber verwandte Über-
lieferungen vor); zu owr1p ray dvSpwrwv s. I. Tim. 4,10. — 14] dya-
vaxıncavres, s. Matth. 20, 24; 21,15; 26,8; Marc. 10,14. 41; 14,4;
Luc. 13,14; aöro wäre sicher auf den sprechenden Schächer zu be-
ziehen, stände nicht Joh. 19, 33. Dennoch ist die Beziehung auf den
Schächer wahrscheinlicher; denn jedenfalls liegt hier eine andere
Tradition vor als bei Johannes. In unserem Evangelium sollen ihm
die Beine nicht gebrochen werden, damit seine Qualen sich noch
verlängern; bei Johannes wird erzählt, das Beinbrechen sei nicht
geschehen, weil Jesus bereits gestorben war. Also ist doch wohl vom
Schächer die Rede, aber dann streitet der Bericht mit Joh. 19, 32;
zu 6xeAoxoby s. das seltene oxeAoxomia.
15] Zu veonwApie s. Matth. 27, 45; Mare. ı5, 33; Lue. 23, 44 (exrn
wpa); statt vacav mv Iovdaıav bieten jene Evangelien ra» (6ry» Mare.
Luce.) riv yyv. Das Wort Sepußeiv findet sich Matth. 9, 23; Mare. 5, 39;
Act. 17,5; 20, 10. Zu Aywviaoav s. v. 45 u. Euseb. h. e. V, ı, 18: Fns
deorolvng dywvwons, um oÜde Tyv öMoAoyıav Ouvycerdu mapennıdoaoNaı; zu ye-
yparrtaı s.v.5. — 16] Die Verse Matth. 27, 34 u. 48 scheinen hier com-
binirt zu sein (Mare. ı5, 23. 36, ef. Joh. 19, 29); die Einleitung aber
(zart ıs aürwv eimev) findet sich in den kanonischen Evangelien nicht. —
17] Dieser Vers hat keine genaue Parallele in den Evangelien, ebenso-
wenig der ı8., der eine Ausmalung der Finsterniss ist. — 19] Nach
Matth. 27, 46 und Mare. ı5, 34 (&Sonsev dw veydrn, das Aeywv nach
Matth.). Die Wiedergabe »9 duvauıs mov« ist unserem Evangelisten
eigenthümlich; er nahm an dem Ausdruck der Gottverlassenheit An-
stoss. Statt xar&renles bieten Matth. und Mare. eyxareärres und über-
setzen auch das hebräische »Aaud« (Asua). Statt dveäypIn (s. Act. 1, 2)
bietet Matth. 27, 50 dbyxev ro mveüue, Marc. 15, 37 &£emvevoev (Luc. 23, 46
eimwv &£emvsuoev), Joh. 19, 30 Tapsdwxev 76 mveuud. Das dverydbSn kann
doketisch verstanden werden (doch s. Luc. 23, 43).
20| aürns ns Was, so genau berichten die anderen Evangelien
(Matth22 775.1: Maresiıs, 383, Luce. 23,45). nicht; statt diecyn bieten sie
alle eoyıoSn; der Ausdruck »Tempel von Jerusalem« statt »Tempel«
zeigt, wie fern unser Verfasser von Jerusalem stand; eis dvo Matth. und
Marec., uecov Luc.; sehr beachtenswerth ist, dass unser Evangelium die
Verse Matth. 27, 52. 53 nicht bietet, ebensowenig die Geschichte vom
Hauptmann. — 21] Wir erfahren hier, dass die Hände angenagelt
waren (nicht die Füsse); dieser Zug fehlt in den kanonischen Evan-
gelien. Aber s. Ignat. ad Smyrn. ı, 2: xoSInAwuevov Umso Aumv Ev Dapxı
(s. auch ı, ı). Die Nagelung scheint nach Martyr. Polye. 14, ı die
Regel gewesen zu sein (co xadyrwoav, mpooedycav de aurov). Aristides,
Apol. 2: »von den Juden wurde er mit Nägeln durchbohrt«. Melito,
958 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 10. November.
fragm. XV (Orro): »gui clavis in carne ficus est«. Hippol., Philos.
IX, 10 (Noär): rev YAcıs zaramayeıra. Das A yy raca &0eıc9y nach Matth.
27, 51 (ohne rau); aber dass die Erde erbebte in dem Momente, als
der Leichnam Jesu auf sie niedergelegt wurde, ist dem Evangelium
eigenthümlich; peßes weyzs, cf. v. 25, 28, Ähnliches steht nur Luc. 23,
48. — 22] Anschaulicher erzählt als in den kanonischen Evangelien,
. > / . . .
aber sachlich dasselbe. — 23] exapncav seil. darüber, dass die Sonne
wieder schien; 7% won xrA., hier ist summarisch erzählt, weil die
Bitte schon v. 3 f. mitgetheilt worden war (Matth. 27, 57 £.; Mare.
15,42 f.; Lue. 23, 54 f.); &reıdy Yeaodusvos xrA., dieser Zug fehlt in
den kanonischen Evangelien. — 24] Aaßwv wie Matth. 27, 59; &Acuoe
fehlt in den kanonischen Evangelien; aAäyse wie Marc. 15, 46: Eveıryoe
(Matth. 27, 59 und Lue. 23, 53: &vervrufev, Joh. 19, 40: &dycav); cwvdarı
nach den Synoptikern; xaı eioyyayev eis ıdıov r&bov, diese Ausdrucksweise
ist unserem Verfasser eigenthümlich, die vier kanonischen Evangelien
haben &I$yxev (zare$yxev) und uumuelov; xaAcumevov mov lwon®d, ähnlich
nur Joh. 19, 41: Av de &v TW Torw Omou Eoraupwon xymos xal Ev rw KymW
umuelov, aber das #aAcvuevov ist an sich und neben r&dbov auffallend;
war der xyros "Iwond zur Zeit des Verfassers etwa eine bekannte Lo-
calität (?). — 25] iepeis kommen in der Leidensgeschichte, wie sie die
kanonischen Evangelien erzählen, nicht vor; der ganze Vers hat in
ihnen keine Parallele (Luc. 23, 48 klingt entfernt an) und zeigt, wie
fern der Berichterstatter den Ereignissen stand.
26] 'Eyw xrA., nach v. 60 ist es Petrus. — Dieser und der folgende
Vers haben in den kanonischen Evangelien keine genaue Parallele
(annähernd Lue. 24, 17 £f., Joh. 20, 19. 26); Justin, Apol. I, 50, Dial. 53,
103. 106, ÜCels. bei Orig. I, 9 gehören nicht hierher. Am wichtigsten
ist die Mittheilung, dass die Jünger sich verfolgt glaubten ws rev vacv
Serovres Euroncan, s. Matth. 26, 61 und den dem Stephanus gemachten
Vorwurf; das Wort &vorevev ist mir sonst nieht bekannt; vuxros x.
uspas Ews red oußBarev ist unbedacht geschrieben.
28—33] Mit v. 28 beginnt die zweite Hälfte unseres Fragments.
Sie sticht, mit Ausnahme der vv. 59. 60, sehr zu ihrem Nachtheil
von der ersten Hälfte ab. Die Leidensgeschichte ist kurz und schlicht
erzählt und steht im Ganzen den Berichten der kanonischen Evan-
gelien wenig oder überhaupt nicht nach. Die Auferstehungsgeschichte
zeigt die fortgeschrittene Legendenbildung. Eine breite Ausführung der
Erzählung Matth. 27, 62—66, aber mit starken Abweichungen ; wört-
lich ist v. 30 der Satz Matth. 27, 64 aufgenommen: wywore &A%ovres oi
nadyral alrov »anbwew aurov. Zu dem dixaus v. 28 s. Luc. 23, 47. Der
Name »Petronius« v. 31 findet sich m. W. nur hier. Nach Matth. 27, 60
und Marc. ı5, 46 hat Joseph den Stein (uey«v Matth., s. auch Mare.
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 959
ı6, 4) vorgewälzt; unsere Erzählung (v. 32) bietet eine Steigerung;
auch die Grösse des Steins ist gesteigert. Statt wyuazros bieten Matth.
und Mare. uvyueov. Fbenso sind die sieben Siegel (v. 33) eine weitere
Ausschmückung (Matth. sagt v. 66 nur oppayıcavres), sowie das Wächter-
zelt. — 34] Dieser Vers soll ebenfalls die Gewissheit vermehren, dass
das Grab von Menschenhänden nicht gesprengt werden konnte und
als fest verschlossenes gut bezeugt ist; bei Matth. findet sich nichts
Ähnliches. Zu &rıbwexovros S. v. 5. 35.
35—58] Diese Verse sind eine breite, in vielen Zügen vermehrte
und veränderte Schilderung auf Grund von Matth. 28, 1— 8°, 1 1—1ı5
oder einer ähnlichen Quelle (es fehlt Wichtiges aus dem Bericht des
Matthäus); einige Züge aus Mare. (und Lue.?) sind eingestreut. Der
Auferstehungsvorgang selbst, in dessen Andeutung Matth. v. 2—4
unter den Evangelisten am weitesten gegangen ist, ist hier kühn aus-
gemalt. Man erkennt, wie die Legendenbildung fortgeschritten ist. —
35] Für m ds vurri 4 Erspwoxev 4 xupiaxn (zu xupiaxy Ss. v. 50) bietet
Matth. 28, ı augenscheinlich die ältere, noch nicht vom christlichen
Sprachgebrauch beeinflusste Fassung (v. 1): od& caßßarwv 147 Erıbwoxouen
> , ' / b) .
eis mov vaDBarwv. — 36] dvo avdas, s. Luce. 24, 4. — 37] Hier bewegt
sich der Stein von selbst; nach Matth. 28, 2 wälzt ihn der Engel weg;
. / 6) \\ w I,
veavioxo, bietet nur Mare. — 38] Anders Matth. 28, 4: ars de rov doßov
AUTOU EEIOSNCAV ol Typoüvres zul Eyevovro woe vexpa. Was in unserem
Evangelium hier steht, ist singulär (auch, dass die Ältesten am Grabe
mitgewacht haben), ebenso v. 39 (merkwürdig ist das UropIeuvras —
ihn stützend aufriehten und das »nachwandelnde Kreuz«, das einen
»enostischen« Eindruck macht) und v. 40—42. Im 40. Verse soll
Jesus, der in der Mitte der beiden Engel geht, als sie überragend
vorgestellt werden. Leider sind die Verse 41 und 42 schlecht über-
liefert. Die Worte der Himmelsstimme verstehe ich nicht; wahr-
scheinlich ist etwas ausgefallen. Ist statt zewwuevas vielmehr zauw-
uevors (s. Matth. 28, 13 Auwv xomwuerwv) zu lesen? Aber was heisst
xcu Umaxon Auch v. 42 ist unsicher; hat aus dem Kreuz eine Stimme
gesprochen? So scheint es: das erinnert an die apokryphen Apostel-
geschichten. In den Versen 43—48 ist Pilatus die Hauptperson, nach
Matth. 28, 1 1 ff. sind es die Hohepriester und der ganze Rath; angedeutet
sind diese in dem Petrusevangelium in den rayrss v. 47 f.— 43] evdavıcaı,
s. v.45 Einynoavro und Matth. ı ı dmyyyarav. — 44] ovIpwros Tıs, NÄM-
lich ein Engel; das ist der Engel Matth. 28, 2. 5 ff. und Mare. 16, 5 £.
Unsere Erzählung, die erst zwei, dann einen Engel erscheinen lässt,
sieht fast wie eine Combination aus Matth. und Luc. aus. — 45] &yw-
vImvTes, S. V.15; dAySws vios Av Seod, so spricht der römische Haupt-
mann bei Matth. 27, 54 (Mare. ı5, 54: dAnSws 6 dvSpwros oVros vios Av
pp As . . . . r
I60 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 10. November.
$eov). — 46] S. Matth. 27, 24: dIwes eim dro ToV aiuaros Tov dixalou
rovrou® Aueis obeodye. — 47fl.] Matth. erzählt hier ganz anders (der
Rath fordert die Soldaten auf, die Lüge zu verbreiten, die Jünger
hätten Jesum heimlich gestohlen, und giebt ihnen dafür Geld: x
Ey AxovoIN ToUTo Em ToU Hyeuovos, MUES mEIToMEV auTov Kal Üuds ouepin-
vous momoonev). — 48] Die Rede ist sehr ungeschiekt ausgedacht.
50] "OpSpov, so nur Luc. 24, ı; xupaxns, Ss. v. 35 (term. techn.,
fehlt in den kanonischen Evangelien); Mapıau Maydaryyy, nur sie wird
hier genannt; bei Matth. 28, ı und Marc. 16, ı steht sie voran (die
joh. Erzählung kommt hier nicht in Betracht); vaSyrgz, das Wort im
Neuen Testament nur Act. 9, 36; das oüx ist wohl zu tilgen; aber
auch dann ist nicht alles plan. — 51] r&s diras, Magdalena ist unter
den gläubigen Weibern die Hauptperson, wie Petrus unter den Aposteln ;
omou Av redeis, s. Marc. 16, 6: omov EIyxav aurov (Matth. 28, 6: omou exeıro).
— 52] umuaros, nur Luce. 23, 53; 24, 1. — 53] Fast wörtlich nach
Mare. 16, 3: rıs dmoxuAice Auiv Tov Ardov Ex Tys Süpas To) Wmueou. —
54] ueyas, s. zu v. 32; statt »Aauoousev za xorbouede ist vielleicht xaı
xAavownev xaı xolwuseda zu schreiben. — 55] Avewyuevov (zur Form vergl.
Euseb., h.e. V, ı, ı8), s. Matth. 27, 52: 7a wyueis dveuy,Sucav; Tope-
xulav, s. v.56, Joh. 20, 5: wapuxunlas Brereı (Luc. 24, 12), 20, Iı
Mapa ... maperulev eis 70 wunuelov; öpwow xrA. nach Mare. 16, 5: eidov
veavioxov Xalmuevov Ev Tois deZuois, mepıdeßAnuevov OToANV Asuzyv (wpatov fehlt
in den kanonischen Evangelien). — 56] rı 72%are; fehlt in den kano-
nischen Evangelien. ra Lureire; un Tov OraupwIevra Exeivov; dveorn xal
amnADev bis 09ev dreordry, s. Matth. 28, 5 sq.: un boßeioIe Unsis" oida yalp
orı Imoolv Tov Eoraupwmsvov Qyreite. oÜx Eorw WdE: Myeooy Yao, xadws eire.
ÖEUTE, Ldere Tov Tomov omou exeıro (Marc. 16, 6: un ExSaußeioIe: Inoouv Cnreire
Tov Nalapıyvev, Tov EOTOAUDWILEVOV " MyEoSM, 0Ux Eorıv WOE" Ide, 6 Tomos omou EIy-
xav adrov. Luc. 24, 5 Sq.: Ti Cyreire Tov Lwvra Werd TWV verpWv; 0UX Eoriv
wöe, AAN Ayep&y xrA.). — 57] Nach Mare. 16, 8: &£:MoVoaı eduyov...
eboßouvro yap (anders schon Matth. 28, 8). — 58] rerevrams nuspa, S. v. 5.
Das hier Gesagte hat in den kanonischen Evangelien keine Parallele.
Es wird erzählt, um darauf vorzubereiten, dass auch die Jünger in ihre
Heimath, Galiläa, zurückkehrten (eEEnpxovro secil. aus Jerusalem). —
59f.] ci dwoexa nadyrel rev xupiov, ist gedankenlos gesagt (Judas fehlte)
oder als term. techn. für das Apostelcollegium; exAuıonev xrA., s. das
zu v.26f. Bemerkte; ro ouußav, s. Luc. DAN EN. mepi Tavruwv TWV OUM-
Beßnxorwv Tovrwv. — eis Tov oixov, seil. nach Galiläa. Das wird freilich
erst durch v.60 (eis ryv Saraccay) deutlich (im anderen Fall müsste
man dem Verfasser den unglaublichen Irrthum aufbürden, er habe
den See Genezareth in die Umgegend von Jerusalem versetzt). _Der
Verfasser des Petrus-Evangeliums lässt den Herrn vor seinen Jüngern
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 961
erst in Galiläa erscheinen, also wie Matth. (28, 7. 10. 16) gegen Lucas
und Johannes. — 60] ’Eyw de Zıuwv Ilerpos, damit ist der Titel des
Evangeliums, aus dem unser Fragment stammt, gesichert; Alva, dieser
Name für »Netze« findet sich in den kanonischen Evangelien nicht;
eis ryv Saraccav, zum See Tiberias; also nicht auf einem Berg in
Galiläa, wie Matth. 28, ı6 erzählt, fand die erste Erscheinung Jesu
vor Aposteln (nach dem Petrus-Evangelium) statt, sondern man muss
erwarten, dass es etwas Ähnliches erzählt hat wie Joh. 21, ıff. (nieht
dasselbe, wie schon die verschiedenen Jüngernamen beweisen). Das
ist um so beachtenswerther, als das Petrus- Evangelium sonst in der
Auferstehungsgeschichte von Johannes ganz verschieden berichtet.
Dass es hier abbrieht, ist um so mehr zu beklagen, als höchst wahr-
scheinlich im Folgenden eine Erscheinung vor Petrus — und zwar
als die erste — berichtet war, das Evangelium also mit I. Cor. 15, 5
[Lue. 24, 34] stimmte. Eine Erscheinung Jesu vor den Weibern oder
vor Maria Magdalena (Matth. Joh.), die der Erscheinung vor Petrus
vorangegangen wäre, kennt das Evangelium nicht; auch schliesst es
den Bericht des Hebräer-Evangeliums aus, Jesus sei zuerst dem Jacobus
erschienen. Besässen wir den Schluss des Evangeliums noch, so hätten
wir wahrscheinlich in ihm den relativ zuverlässigsten Bericht über die
erste Erscheinung Jesu, die Paulus und Lucas eben nur erwähnen.
Asvels 6 red "AAdbaiou, so nur Mare. 2,14; nach xupes ist vielleicht zu
ergänzen: xaSynevov mi To TeAwviov &xareoev. Die Zusammenstellung:
Petrus, Andreas, Levi (Matthäus) kommt sonst nicht vor. Schwerlich
ist Levi (Matthäus) hier schon in seiner Eigenschaft als Evangelist
genannt.
In dem ersten Artikel habe ich bemerkt, unser Evangelium scheine
auf den kanonischen Evangelien zu fussen und also jünger wie diese
zu sein. Der letztere Eindruck bestätigt sich durch eine genaue Unter-
suchung: in der Auferstehungsgeschichte ist es sogar der Darstellung
des Matthäus gegenüber in wichtigen Abschnitten secundär.' Was
nun das Verhältniss zu den einzelnen Evangelien und die directe Ab-
hängigkeit betrifft, so scheint mir erwiesen, dass unser Verfasser das
Marcus- Evangelium gekannt hat (s. das zu den Versen 7. 24. 37. 51.53.
55. 57. 60 Bemerkte). Nieht mit derselben Sicherheit möchte ich be-
haupten, dass er unseren Matthäus gelesen hat. Unzweifelhaft steht
er von allen Evangelisten diesem weitaus am nächsten (das Fragment
! Vergl. auch die Stellung zu den Juden und den term. techn. N zugıeen V.35- 50,
den die kanonischen Evangelien nicht brauchen.
962 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 10. November.
beginnt mit dem Händewaschen des Pilatus [dies berichtet nur Matthäus]
und schliesst mit einer oder mehreren Erscheinungen Jesu vor seinen
Jüngern in Galiläa, ohne vorher solche in Jerusalem zu berichten
[wie Matthäus]; es schildert den Moment der Auferstehung, was von
den Evangelisten nur Matthäus — wenn auch mit viel grösserer Zu-
rückhaltung — gethan hat; es berichtet über die Grabeswache, die
nur Matthäus kennt u. s. w.); aber er weicht dann wiederum von
Matthäus an sehr vielen wichtigen Stellen so stark ab und erzählt
so anders, dass die Annahme näher zu liegen scheint, er habe aus
demselben Traditions- und Legendenkreis geschöpft wie unser Matthäus,
sei aber von diesem selbst nicht direet, sondern höchstens secundär,
vielleicht gar nicht abhängig. Diese Annahme scheint sich auch des-
wegen zu empfehlen, weil dort, wo die beiden Evangelien differiren,
zwar öfters, aber keineswegs überall, der Vortheil auf Seiten des
Matthäus liegt. Manches in unserem Evangelium sieht freilich wie
eine wörtliche Copie (s. v. 30), manches wie eine einfache Ausspinnung
des Berichtes des Matthäus aus; aber z. B. die Legende Matth. 27,
52. 53 kennt unser Verfasser nicht; auch 27, 54 und 28, ı5” fehlen;
noch wichtiger ist, dass die Christophanie vor den Frauen 28, 9. 10
nicht aufgenommen ist. Dass Pilatus in Bezug auf die Stellung der
Grabeswache in unserem Evangelium im Vordergrund steht, ist gegen-
über dem Bericht bei Matthäus kaum ein Nachtheil. Das Dilemma
ist dies: entweder fusst das Petrus- Evangelium auf unserem Matthäus
— dann hat es dieses Evangelium als eine unvollkommene, zum Theil
unglaubwürdige Darstellung mit höchster Freiheit behandelt und stark
corrigirt — oder es fusst auf einem unserem Matthäus verwandten Bericht,
den es weiter ausgesponnen hat. In letzterem Falle muss die Frage offen
bleiben, ob dazu noch unser Matthäus seeundär benutzt ist oder nicht.
Ähnlich steht die Frage in Bezug auf das Verhältniss zum Lucas-Evan-
gelium. Die beiden Stücke v. 1— 5 (Herodes in der Leidensgeschichte) und
v.ı3 (die Rede des Schächers) hat das Petrus- Evangelium nur mit dem
Lucas-Evangelium gemeinsam. Aber wie anders hat jenes Evangelium
erzählt! Hat es den Lucas gekannt oder nur ähnliche Traditionen wie
Lueas benutzt? In dem Stück v.ı—5 ist es dem Lucas- Evangelium
gegenüber entschieden secundär; aber gilt das auch von v.ı3? Im Lucas-
Evangelium sprieht der Schächer zu seinem Mitgehenkten, in unserem
Evangelium zur Menge — was ist ursprünglicher? Die Rede des
Schächers dort und hier sieht wie verschiedene Übersetzungen einer
Vorlage aus: Yusis dia Ta xaxa & Emoimoauev ourw memovIaev, oüros de
und Aueis ev dixaws, dEian Yap wv Emodkamev dmorumdvousv‘ oüros de.
Die Fortsetzung lässt die lucanische Fassung als die ältere erscheinen:
oüdev dromov erpafev (Petrus-Evangelium: swryp yevonsvos Tuv dvSpwrwv
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 963
Tı 9dırnoev üuas;). Finzelheiten, wo eine Abhängigkeit zu vermuthen
ist, habe ich zu v.;5. (7.) 10. 21. 28. 36 (diese Stelle scheint mir be-
sonders wichtig) 50. 52. 59 verzeichnet. Um ein sicheres Urtheil zu
gewinnen, reichen sie nicht aus. Mindestens muss jedoch die Annahme
offen bleiben, dass der Verfasser unser Lucas-Evangelium gekannt,
es v. 1—5 höchst frei ausgeführt und v. ı3 corrigirt hat. -- Schliesslich
ist das Verhältniss zum Johannes-Evangelium zu betrachten." In der
Erzählung steht unser Verfasser dem vierten Evangelium am fernsten;
2 der ‚Stellung zu den Juden (s. das. zu v.ı Bemerkte, v.6. 15. 20.
23. 25. 48. 50. 52) trifft er mit ihm zusammen, ja übertrifft es durch
die Art, wie er Pilatus zurückschiebt und die Leiter des jüdischen Volks
(sammt Herodes) zu den eigentlichen Richtern Jesu macht. Für eine
Abhängigkeit lässt sich allerdings hieraus nichts folgern, auch nicht
aus den Wortparallelen, die ich zu (7.) 9. 10. ı2. 55 (die beiden letzt-
genannten Stellen sind vielleicht doch nicht ganz ohne Werth) an-
geführt habe. Ferner, dass unser Fragment mit einer Erscheinung
Jesu in Galiläa am See vor Petrus schliesst, ist eine wichtige Paral-
lele zu Joh. 21, ı ff., aber auch nicht mehr; denn, obgleich wir nur
den Anfang der Geschichte in unserem Fragment besitzen, genügt
das uns Erhaltene doch, um zu erkennen, dass das Erzählte nicht
aus Joh. 2ı, ı ff. geflossen ist. Es bleiben somit nur drei Stellen
übrig, nämlich ı. der xwAounevos x7ros 'Inoyb in v. 24 (nur Johannes
hat 19, 41 den Josephsgarten), 2. der Hinweis auf das jüdische Gesetz
in v.5 und ı5 (s. einen ähnlichen Hinweis Joh. 19, 31) und der Be-
richt über das Brechen der Beine v.ı4. Hält man auf Grund dieser
Stellen die Abhängigkeit vom vierten Evangelium für wahrscheinlich
— erwiesen ist sie nicht —, so muss man auch die Consequenzen
tragen, dass der Verfasser des Petrus-Evangeliums sich ı. um das
Evangelium, obgleich er es gekannt, so gut wie gar nicht gekümmert,
und 2. es an der sichersten Stelle, wo er es braucht, corrigirt hat;
denn wie man auch v.ı4 deuten möge, immer steht der Vers mit
der Darstellung des vierten Evangeliums in Widerspruch. Deutet
man ihn auf Christus, so widerspricht das »erws Bacavılousvos dro-
Sovoı« dem johanneischen Bericht: deutet man ihn — was viel wahr-
scheinlicher ist — auf den Schächer, so widerspricht das Joh. 19, 32,
wo ausdrücklich gesagt ist, beiden Schächern seien die Beine ge-
brochen worden. Zu den Stellen, die eine Verwandtschaft der beiden
Evangelien begründen, kommt aber endlich noch v. 5: nach der wahr-
scheinlichsten, ja vielleicht einzig möglichen Erklärung dieser Stelle
! Der Universalismus des Heils ist in unserem Evangelium stark ausgeprägt
. f . \ m > I
durch die Bezeichnung Jesu als,swrng rav avSgwruv v. 13.
Sitzungsberichte 1892. 87
964 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 10. November.
steht der ı. Tag der süssen Brode noch bevor, d.h. Jesus ist nach
diesem Bericht am 14. Nisan gekreuzigt worden, wie auch das 4. Evan-
gelium behauptet.
Weit entfernt, dass der neue Evangelienfund die literarhistorischen
und historischen Probleme, welche die vier kanonischen Evangelien
bieten, lösen helfe, complieirt er sie nur, wenigstens zunächst. Zu
den vier Factoren, die — weil wir ihre Quellen nicht sicher kennen —
zum Theil unbekannte Grössen sind, ist ein fünfter getreten. Mag man
auch alle Nachrichten, die das neue Evangelium über die kanonischen
Evangelien hinaus bringt, für unglaubwürdig, secundär, ja tertiär halten :'
die Verwandtschaft mit den synoptischen Evangelien und wiederum die
Selbständigkeit des neuen Evangeliums ist so gross, seine Beziehungen
zu Matth., Marc., Luc. den Beziehungen so ähnlich, die diese Evangelien
unter einander haben, dass Niemand in Zukunft stillschweigend über
das Petrus-Evangelium hinweggehen kann, der sich kritisch mit den
kanonischen Evangelien beschäftigt. Wie man auch über die Frage
seines Verhältnisses zu diesen urtheilen mag — das Vorstehende will
nur als eine vorläufige Mittheilung betrachtet sein —, soviel ist schon
jetzt gewiss, dass unser Evangelium in eine Zeit gehört, da der
evangelische Stoff noch im Fluss war.” Denn supponirt man, dass
es seinen ganzen Stoff aus den kanonischen Evangelien habe, so folgt,
dass man diese damals noch in freiester Weise behandelt und um-
geformt hat; nimmt man an, dass es von ihnen unabhängig sei, so
ergiebt sich, dass es aus einer Zeit stammt, in der neben den ka-
nonischen Evangelien der Strom der evangelischen Überlieferung und
Legende noch frei gefluthet hat und man noch kühn aus ihm schöpfte,
ohne sich um bereits fixirte evangelische Schriften zu kümmern. Aus
diesem Dilemma ist nur dann ein gewisser Ausweg möglich, wenn
sich nachweisen lässt, dass das Petrus- Evangelium für eine ausser-
kirchliche christliche Partei geschrieben ist, die sich an die Über-
lieferungen und Ordnungen der grossen Kirche nieht gebunden fühlte.
In diesem Falle wäre die Situation, die als Voraussetzung des Evange-
liums zu ermitteln ist, für die Erkenntniss der Situation der grossen
Kirche (gegenüber den kanonischen Evangelien) nicht schlechthin maass-
gebend. Für eine solche nur particulare Bedeutung unseres Evange-
liums fallen seine doketisch-gnostischen Züge schwer in’s Gewicht:
! Doch ist eine solche Ausgabe wie z. B. die v.26b gewiss aller Beachtung würdig,
s. auch das zu v. 5gff. Bemerkte.
2 Dass unser Fragment die Bemühungen, letztlich auf ein aramäisches (hebräisches)
Original zurückzugehen, unterstützen wird, sei nur angemerkt; vergl. das zu v. 12.13.
19. 20. 24. 31.43. 56 Bemerkte. Auch Anderes wäre noch zu nennen.
Harnack: Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 965
die eigenthümliche Wiedergabe des Wortes Jesu am Kreuz (v. 19) und
das dveryb% (l. e.), der sich selbst bewegende Stein (v. 37), das wan-
delnde Kreuz (v. 39) und die Stimme aus dem Kreuz (v. 42). Der-
gleichen mag das vollständige Evangelium noch mehr enthalten haben.
Wie man über diese Frage aber auch urtheilen möge (»doketische«
Züge beweisen an sich noch nicht die Unkirchlichkeit im 2. Jahr-
hundert) — seiner Verwandtschaft mit den kanonischen Evangelien
wegen (bei relativer Selbständigkeit) wird dieses bedeutende Fragment
einer evangelischen Schrift stets einen hervorragenden Platz in der
urchristlichen Litteratur einnehmen und auch innerhalb der » Einleitung
in das N. T.« beachtet werden müssen. Seinem Entdecker gebührt der
wärmste Dank.
Ausgegeben am 17. November.
87*
. 967
1892.
XLVI.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
10. November. Sitzung der physikalisch-mathematischen Ulasse.
Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs-Reymonn.
Hr. Prinesuem las über Wachsthum chemischer Nieder-
schläge in Gallerte.
Die Mittheilung wird in einem späteren Stück erscheinen.
Der Vorsitzende berichtete über Versuche an im hiesigen Aquarium
neugeborenen Zitterrochen, welche ihm durch die Güte des Hrn. Dr.
Orro Herues zur Verfügung gestellt wurden. Das Nähere wird an
einem anderen Orte veröffentlicht werden.
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969
Über den troischen Ida, die Skamander-Quelle und
die Porta von Zeitunlü.
Von Rup. VIRcHow.
(Vorgetragen am 3. November [s. oben S. 893].)
je ist eine sonderbare Erscheinung, dass eines der ältesten geogra-
phischen Probleme, an welches sich zugleich ein hervorragendes Inter-
esse für das Verständniss poetischer und historischer Überlieferungen
knüpft, noch bis auf den heutigen Tag nieht so weit aufgeklärt ist,
dass unsere Karten ein sicheres Bild der thatsächlichen Verhältnisse
gewähren. Ich meine den troischen Ida, der durch die homerische
Diehtung allen Gebildeten fast so vertraut geworden ist, wie es nur
die Gebirge der Heimath zu sein pflegen.
Die erste Schwierigkeit hat sich daraus ergeben, dass schon im
Alterthum der Name des Gebirges in sehr schwankender Weise ge-
braucht worden ist. Strabon' stellt dasselbe als langgestreekt und
daher wegen seiner vielen Ausläufer (Tporodss) einem Tausendfusse ähn-
lich (oxoAorevdpwörs) dar; jederseits ende es in eine Höhe (dxpwrnpuov):
gegen Westen in das Vorgebirge Lekton, gegen Norden mitten im
Lande (uessyaıw), in der Nähe der Propontis bei Zelea. Dazu komme
die dritte Höhe, Gargaron, deren Lage durch den Hinweis auf die
an ihrem Südfusse gelegene aeolische Küstenstadt Gargara bezeichnet
werde.
Diese Darstellung, welche sich im Allgemeinen der homerischen
anschliesst, unterscheidet sich von derselben in einem Hauptpunkte.
Sie beschäftigt sich vorzüglich mit den unmittelbar an der Küste
oder doch in geringer Entfernung davon gelegenen Endpunkten der an-
genommenen Kette, aber nur wenig mit dem Centralstock, der doch
in der homerischen Auffassung im Vordergrunde steht. In der Ilias“
wird auch das Vorgebirge Lekton zum Ida gerechnet, aber der Gar-
garos, die eigentliche Höhe des Ida, steht im Mittelpunkte der poe-
tischen Betrachtung.”
! Strabonis Geographia Lib. XII. cap. 1. 5.
2 Ihas X], 283.
& Jlias VIII. 47. XIV, 292.
970 Sitzung der phys.-math. Classe v. 10. Nov. — Mittheilung v. 3. Nov.
In der That ist dieser Theil des Gebirges auch für die natürliche
Betrachtung der entscheidende. Wer die Reise nach der Troas über
Constantinopel macht, kann schon von dem 'Thurm von Galata aus
an einem klaren Tage über die Propontis hin am fernen Horizonte
die Spitze des Ida, einen stumpfen Kegel auf breitem Rücken, wahr-
nehmen. Dieselbe sieht man von der Höhe von Hissarlik, wo die
niedrigen Vorberge eine freiere Aussicht gestatten. Und ebenso er-
scheint sie in grösserer Nähe vom Karadagh über Ineh, wo sie als
Schluss des mittleren Skamanderthals hervortritt. Sehr viel schwächer
stellt sie sich von der Südseite dar. Wenn man am Südrande der
Bucht von FEdremit, z. B. auf den Ruinen des alten Adramyttion,
auf dem Karatasch, steht, so sieht man längs der ganzen Nordküste
des weiten Golfs die fast in einer Linie fortziehende Kette des Ge-
birges von der Gegend von Assos her bis weit über Edremit hinaus,
wo sie sich in die Höhen von Mysien verliert; die Gegend des Gar-
garos ist deutlich erkennbar, aber sie bildet hier nur eine längliche,
wenig hervortretende Anschwellung des Höhenkammes.
Nichts in der ganzen Ausdehnung des Gebirges kommt dieser
Stelle auch nur nahe. Ihre bis fast zu 1800” ansteigende Höhe hebt
sie auch über die anderen, ihr benachbarten Berge empor. Westlich
gegen Assos hin senkt sich das Gebirge so weit, dass hier eine Art
von Unterbrechung eintritt; erst allmählich hebt es sich wieder gegen
Lekton hin. Der nördliche Ausläufer, den Strabon bis gegen Zelea
hin sich erstrecken lässt, hat keine Continuität mit dem Hauptstock ;
zwischen beiden liegt eine weite, hie und da von ganz niedrigen
Rücken durchsetzte Felsebene, die nur in den Flussthälern einige
Fruchtbarkeit entfaltet.
Ich war auf zwei Reisen, die ich mit Scuuirmann von Hissarlik
aus unternahm, in der Lage, die Verhältnisse dieser Region genauer
kennen zu lernen. Die erste, Ende April 1879 unternommen, führte
uns auf einem Umwege über Alexandria Troas und den Chigredagh
nach Ineh in das mittlere Skamanderthal, dann nach Beiramitsch und
von da durch das obere Skamanderthal nach Ewjilar und an die
Skamander-Quelle. Ich habe der Akademie darüber in meinen »Bei-
trägen zur Landeskunde der Troas ı880« Bericht erstattet. Die Witte-
rung gestattete uns damals nicht, den Idastock zu ersteigen; wir
waren genöthigt, unsere Reise westwärts längs des Fusses des Ge-
birges bis zum Ineh-Tschai' und nach Aiwadschik fortzusetzen; von
da wandten wir uns zum Thal des Satnioeis und nach Assos, und
! Wegen der grossen Irrthümer, welche die gewöhnlichen Karten über diesen
Flusslauf wiederspiegeln, verweise ich auf die Landeskunde der Troas. S. 103. Anm. 3.
VırcHow : Der troische Ida, die Skamander-Q@uelle u. d. Porta v. Zeitunlü. TE
machten dann auf einer Felucke unsere Rückfahrt zum Hellespont um
das Vorgebirge Lekton (Cap Baba) und längs der Küste des Sigeion.
Die zweite Reise, welche in der griechischen Osterwoche, ıı1. bis
ı8. April 1890, und zwar ganz zu Pferde, ausgeführt wurde, ging über
Neochori und den Karadagh nach Ineh und von da nach Beiramitsch
und Ewjilar, wir bestiegen den Idastock und besuchten zum zweiten
Mal die Skamander-Quelle, wandten uns dann über Ovakioi zu dem
östlich vom Hauptstock gelegenen Pass, der in das Thal des Zeitunlü-
Tschai führt, und stiegen auf schmalem Gebirgspfade dieses Thal bis
in die Ölbaumebene von Zeitunlü hinab. Von da besuchten wir die
hoch am Gebirge gelegene Porta, wandten uns dann nach Edremit,
besuchten von da den Ruinenberg Karatasch und ritten längs des
Strandes des Golfes von Edremit nach Ludjia Hammam und durch
die schmale Ebene der alten Thebe, des Geburtsortes der Chryseis
und der Andromache, nach Awjilar, das beiläufig an der Stelle von
Antandros, »der Stadt der alten Leleger«, gelegen ist. Von da klommen
wir auf fast senkrecht aufsteigendem Pfade zum Saschlik hinauf, der
höchsten Erhebung westwärts vom ldastock und von diesem nur durch
ein tiefes Querthal getrennt. Ein schmaler Reitweg führte uns über
den Rücken zu dem Längsthal des Köpri Deressi an der Nordseite
und von da unter dem Sarikis vorüber durch sehr wechselndes Terrain
zu dem eigentlichen Nordabhange des Ida und zu der kleinen Ebene
im Westen von Ewjilar. Den weiteren Rückweg nahmen wir wieder
über Beiramitsch, gingen aber von da direet in nordwestlicher Richtung
über Ischiklar zu dem alten Aquaeduet über den Thymbrios (Kimar
Su) und endlich nach Hissarlik. Auf dieser zweiten Reise gelangten
wir also nicht bloss auf den Gipfel des Ida, sondern wir umgingen
auch den ganzen Idastock (Kazdagh) in einer grossen, vollständig
geschlossenen Schleife.
Der beherrschende Charakter dieses Stockes, sagen wir der Kürze
wegen, des Gargaros wurde dadurch nach allen Richtungen klar ge-
legt. Gegen Süden fällt derselbe überall ganz steil ab, sowohl gegen
den Golf, als gegen das Delta von Edremit. Selbst die engen Thäler
bieten für Wege kaum einen Platz. Längs des Küste des Golfes zieht
sich ein sehr fruchtbares Vorland mit südlicher Vegetation (Ölbäume,
Feigen, Quitten, Oleander, Jasmin, Pistacien, Tamarisken, Arundo donax,
Cistus, Iris, Asphodelos u. A.) hin, aber nur bei Zeitunlü erreicht es
eine gewisse Breite; von da nach Westen verschmälert es sich schnell,
vielfach unterbrochen durch Felsstürze und vorgeschobene Gebirgs-
massen. Gegen Norden fällt das Gebirge langsamer ab; eine Reihe
von Vorbergen mit zwischengeschobenen Längsthälern erstreckt sich
bis gegen das linke Ufer des mittleren Skamander. Bäche von längerem,
972 Sitzung der phys.-math. Classe v. 10. Nov. — Mittheilung v. 3. Nov.
meist gegen Norden gerichtetem Lauf und grossem Wasserreichthum
treten an die Stelle der kümmerlichen Bäche des Süd- und West-
abhanges, von denen die ersteren sehr schnell das Meer erreichen,
während ein Theil der letzteren in Längsthälern zum Tuzla Tschai
(Satnioeis) zieht. Gegen Osten giebt es hier weder Fluss noch Bach;
erst in grösserer Entfernung kommen die nach O und NÖ abfliessenden
Quellbäche des Aisepos. Ein hoher Querriegel verbindet den erwähnten
Pass mit dem Vorberge von Ovakioi, der sich bis ‘gegen Ewjilar
erstreckt.
Von der Höhe des Sarikis sieht man die ganze Troas vor sich
ausgebreitet von Meer zu Meer, wie ein grosses Reliefbild. Als wir
die Spitze erreichten, brauste ein so gewaltiger Sturm, dass wir uns
nur kriechend oder hinter Felskanten fortbewegen konnten. Dichtes
Gewölk mit fast horizontal geschleuderten Regentropfen umhüllte uns.
Aber von Zeit zu Zeit zerriss das Gewölk, bald im Norden. bald im
Süden, bald im Westen, bald im Osten. Dann sahen wir den Helles-
pont und das Aegaeische Meer, Samothrake, Lemnos und Tenedos, oder
fast senkrecht zu unseren Füssen den Golf von Edremit, Mitylene und
die lange Wasserstrasse bis nach Chios und Smyrna; wir sahen die
Katakaumene und die ganze Kette des Ida bis zum Vorgebirge Lekton,
die Berglandschaften um das mittlere Skamanderthal und die troische
Ebene mit dem Sigeion und dem Hügel von Hissarlik, — und überall
war viel Einzelnes erkennbar: Städte und Dörfer, Wald und Feld,
Fluss und Berg.
Das ist der Ida im engeren Sinne. An seiner Nordseite
tritt der Skamander als ein fertiger Fluss hervor. Eine Be-
schreibung der Quelle, oder, wenn man will, der Quellen habe ich
früher! geliefert. Zur Charakteristik derselben will ich nur einige zu-
sätzliche Bemerkungen machen. Wir stiegen bei der letzten Reise direet
vom Gipfel des Ida, vom Sarikis, zu dem Quellthal herunter. Oben lag
noch Schnee und kleinere Quellen rieselten aller Orten hervor, selbst
hart unter dem Gipfel. Ein direeter Abstieg von da zum Quellthal ist
zu steil, als dass wir denselben versuchen konnten. Wir gingen daher
auf einem grösseren, gegen Westen ausbiegenden Umwege abwärts,
kamen aber auch hier auf sehr abschüssige, vielfach durch Quer-
schrunden unterbrochene Abhänge, auf denen sich die Pfade immer
wieder sehr schnell in üppigem Waldwuchs verloren. Das eigentliche
Quellthal liegt fast senkrecht unter den höchsten Gipfeln; es ist eine
kurze, sehr enge, schnell ansteigende, gerade von Norden her ein-
dringende Schlucht. Diehtes Gesträuch und hohe Bäume umgeben
! Landeskunde der Troas S. 38 ff.
VırcHow : Der troische Ida, die Skamander-Quelle u. d. Porta v. Zeitunlü. 973
von allen Seiten den jungen Fluss, ihn so weit verdeckend, dass ein
voller Anblick seines ersten Laufes nicht gewonnen werden kann. Er
brieht in mächtigem Schwall aus einer Marmorhöhle hervor, welche
ganz verborgen und heimlich zwischen dem Gehölz am Ende der
Schlucht liegt; in zahlreichen Cascaden, vielfach die Riehtung ändernd,
stürzt er über die Felsen herunter, hie und da ein kleines Becken
bildend. Endlich, fast am Ende der Schlucht, empfängt er von seiner
linken (westlichen) Seite her die »warme Quelle«, die freilich nicht
warm im strengeren Sinne des Wortes, aber doch nach meiner Messung
um 7°4 C. wärmer ist, als die obere, die eigentliche oder kalte Quelle,
deren Temperatur ich zu 8°4 C. bestimmte." Die Angaben anderer
Beobachter lauten etwas anders, aber sie stimmen doch darin überein,
dass hier eine kalte und eine wesentlich wärmere Quelle über ein-
ander hervortreten, und sie gestatten daher, die uralte Tradition von
den zwei Quellen zu bestätigen, wenngleich dieselben nicht, wie Homer
es schildert, bei llios liegen.
Dicht unterhalb der »warmen« Quelle, wo der Fluss schon als
solcher strömt, breitet sich, gleichfalls auf dem linken Ufer desselben,
eine ebene, von mächtigen Platanen umstandene, übrigens ganz freie
Fläche von gerundeter Gestalt aus, »fast wie eine Schöpfung der Kunst«,
sagte ich schon in meiner früheren Beschreibung.” Jetzt erfuhr ich
von unseren Führern, dass dieser, etwa zwei Stunden von Ewjilar befind-
liche Platz den Namen Agıasma (heiliger Ort) führt und zu gewissen
Zeiten von Leuten, selbst aus grösserer Entfernung, zahlreich be-
sucht wird. Sie wussten sogar zu erzählen, dass an dieser Stelle
Paris seinen Schiedsspruch zwischen den Göttinnen gefällt habe, indess
ist dies wohl eine Weisheit späterer Zeit, da im Alterthum der
fragliche Platz auf einem über Antandros gelegenen Berge, welcher
deshalb Alexandreia hiess, also in der Nähe des Saschlik, gesucht
wurde.” Immerhin ist es bemerkenswerth, dass in dieser menschen-
leeren Gebirgseinsamkeit gerade dieser Platz seit langer Zeit als ein
geheiligter betrachtet worden zu sein scheint.
Wirkliche Thermen sind in der südlichen Troas nicht selten.
Sie schliessen sich überall ‚den Gebirgszügen an. Die nächste ist die
von Ludjia Hammam am Südfusse des Öentralstockes; mehrere finden
sich im Westen in der Nähe des Chigredagh und bis in die Nähe
von Lekton. Hier sind auch vulcanische Bildungen häufig zu sehen;
die schönste unter ihnen ist der mächtige Trachytkegel von Assos,
der hart am Meeresufer aufsteigt. Im Centralstock des Ida fehlen
* Landeskunde der Troas S. 33.
?2 Landeskunde S. 38.
® Strabon XII, ı, 51.
974 Sitzung der phys.-math. Classe v. 10. Nov. — Mittheilung v. 3. Nov.
diese Formationen; man sieht fast überall krystallinische Schiefer, viel-
fach von Marmoradern durchsetzt, und erst am Nordfusse Syenit.
Auch die höchsten Erhebungen bestehen aus Schiefern. Die leichte
Zersetzbarkeit dieser Gesteine erklärt es, dass scharfe Spitzen auf
der Höhe nirgends vorhanden sind. Auch der Sarikis, den wir be-
stiegen, ist in der Höhe aus einem Gewirr über einander gestürzter
Steinblöcke gebildet, die, wie man bei uns zu sagen pflegt, ein
Felsenmeer bilden. Vegetation fehlt hier fast vollständig; hie und
da ragt zwischen den nackten Gesteinen eine niedrige Fichte oder
ein Daphnestrauch oder eine dieke Grasnelkenstaude hervor.
Aber noch oberhalb der Baumgrenze quellen auf dem Nordab-
hange an vielen Stellen Wässer hervor, unter denen einige von den
Hirten, die im Sommer bis hierher mit ihrem Vieh kommen, ge-
fasst sind, — ein Beweis, wie reichlich hier die Niederschläge sind.
Schnee liegt häufig noch bis'zum Mai an den Gipfeln, wenngleich
nicht in grossen Mengen, so doch weithin sichtbar. Dann beginnen
die Wolkenbildungen über dem Kamm des Gebirges, wo die kalten
Winde vom Schwarzen Meere her gegen die wärmeren Strömungen des
aegaeischen Meeres stossen. Häufig ballen sich die Wolken zu langen
Zügen zusammen, die bis auf das westliche Meer reichen und in denen
es ganze Nächte hindurch wetterleuchtet oder von. denen sich schwere
Gewitter gegen die Thäler herabsenken. Daher der schon von Homer
besungene Quellenreichthum des Ida und sicherlich auch der Grund,
dass über die Schneeperiode hinaus der »gotterzeugte« Fluss in stets
mächtigem Strome hervorbricht. Daher auch der üppige Waldwuchs
des Gebirges, der alle Völkerstürme überdauert hat. Denn noch
heutigen Tages ist der Ida ein grosses Waldgebirge, nicht mehr eine
»Mutter der Thiere«, denn diese sind fast ganz vernichtet, aber eine
Mutter der Bäume.
Hier wächst noch immer Pinus Parolinü in prächtigen Stämmen
und mit schönem Scehirmdach, das nicht selten an Pinien erinnert. Ich
habe auf dem Rücken von Ovakioi Gruppen solcher Bäume vom Pferde
aus photographirt, die es mit den besten Vegetationsbildern aufnehmen
können. Sie erregten mein besonderes Interesse, weil nicht weit von
da einstmals die »schöne Fichte« (x4?9 reixy) stand, von der nach
Strabon’s Bericht! König Attalos von Pergamon eine Beschreibung
geliefert hat: er schätzte den Umfang des Stammes auf 24, die Höhe
desselben auf 67 Fuss, die Höhe des ganzen Baumes bis zu seinem
Gipfel auf 230 Fuss. Laubholz ist viel seltener; es erfüllt hauptsäch-
lich die Flussthäler und die Schluchten, hier allerdings ziemlich hoch
! Strabon XII. ı. $. 44.
Vırcuow.: Der troische Ida. die Skamander-Quelle u. d. Porta v. Zeitunlü. 975
hinauf. In einer der westlichen Schluchten am Sarikis bildeten edle
Kastanien den Hauptbestand; in den oberen Absehnitten des Zei-
tunlü-Thales aber sah ich zum ersten Male Buchen, die ich früher
vergeblich in der Troas gesucht hatte, neben zahlreichen anderen
Bäumen und Sträuchern, die in ihrer Zusammenordnung an unsere
Waldthäler erinnerten. Da gab es Erlen und Zitterpappeln und Hasel-
nüsse; sogar Vaceinüum Myrtillus und eine kleine Strauchweide fehlten
nicht. Nur eine Birke konnte ich nicht entdecken.
Das reizendste Vegetationsbild aber bot eine, am Südrande des
Sarikis tief eingesenkte Bucht dar, welche wohl dem Dichter der Ilias
bei seiner Schilderung der nächtlichen Zusammenkunft der Here mit
dem Götterkönige als Muster gedient haben mag: '
Unten die heilige Erd’ erzeugt’ aufgrünende Kräuter,
Lotos mit thauiger Blum’, und Krokos, sammt Hyakinthos,
Dicht und locker geschwellt, die empor vom Boden sie trugen.
Als wir von dem wüsten Felsmeer des Berges in dieses heim-
liche Eden eintraten, fühlten wir uns wie in einem Zaubergarten.
Ganze Beete üppigster Blumen, meist in gleichfarbigen Gruppen ge-
ordnet, bedeekten den Boden: vorzugsweise gelber Crocus, rothe Cory-
dalis und blaue Seilla” Welcher Gegensatz gegen die ausgebrannte
Ebene um Ischiklar und die öden Höhen der vorderen Troas! Welche
Verlockung für die Menschen da draussen!
Und doch, wie einsam ist der Ida und wie sehr ist er es stets
gewesen! Da giebt es keine eigentliche Strasse, am wenigsten eine
fahrbare, welche quer durch das Gebirge führt und die Verbindung
der nördliehen Anwohner mit den südlichen vermittelt. Da ist kein
Dorf, ja eigentlich kein Haus im eigentlichen Gebirge, und es ist
auch wahrscheinlich nie eines darin gewesen, wenigstens ist bisher
noch keine Spur einer alten Ansiedelung gefunden worden. Da giebt
es während eines grossen Theiles des Jahres auch keine Menschen.
Denn die Hirten trauen sich wegen der Kälte der Luft und des
Mangels an Futterkräutern nieht vor dem Juni in die Berge. Dann
freilich ziehen sie heran und sehr bald gehen die Flammen auf, denn
der Wald ist ihr Feind, sie brauchen für ihr Vieh Weideflächen und
die gewinnen sie, wenigstens für eine Reihe von Jahren, auf den
durch Brand entblössten Flächen. Wir sahen deren in der Grösse von
vielen Hektaren an den verschiedensten Stellen mitten im Waldgebirge.
Erst in den letzten Jahren, seit meiner ersten Reise, hat die türkische
! Voss, Übersetzung der Ilias XIV. 47.
? Man vergleiche die Funde von SchLiemann in seiner »Reise in der Troas im
Mai 1881« Leipzig 1881. S.46. Im Widerspruch mit Hrn. v. Herprrıcn möchte ich
glauben, dass der Lotos Homer’s in der Corydalis zu suchen sei.
976 Sitzung der phys.-math. Classe v. 10. Nov. — Mittheilung v. 3. Nov.
Regierung angefangen, den Holzhandel zu organisiren. Man war eben
damit beschäftigt, einen fahrbaren Weg von Ewjilar bis zum Agi-
asma anzulegen; schon stand eine grosse Sägemühle weiter abwärts
am Skamander und an den Abhängen gab es umfangreiche Blössen
in Folge der Holzfällung. Eine zweite kleinere Sägemühle trafen wir
im Thal des Köpri Deressi, aber die Balken und Dielen,. die dort
geschnitten waren, wurden noch Eseln angebunden, und so über das
Gebirge geschleppt. Immerhin ist der Tag angebrochen, wo auch
der idäische Wald gelichtet werden und diese wunderbare Landschaft
ihren klassischen Charakter, vielleicht auf immer, verlieren wird.
Mögen daher diese kurzen Aufzeichnungen wenigstens etwas dazu bei-
tragen, die Erinnerung zu erhalten.
Wunderbar genug! Jahrtausende sind dahingegangen, ohne dass
der Mensch sich im Ida ansiedelte. Das Geheimniss dieser Wälder
ist bewahrt worden: die Welt hat, genau genommen, nichts davon
erfahren, als poetische Aphorismen. Der Besuch der Troas durch
europäische Gelehrte hat erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts
begonnen, aber die Mehrzahl derselben ist nicht über die vordere
Troas hinaus gekommen oder hat sich auf die Küste des Golfes von
Edremit beschränkt. Die Erforschung des Idastockes ist erst in diesem
Jahrhundert, und zwar durch ganz vereinzelte Reisende, unternommen.
So erklärt es sich, dass der Ida unseren Kartographen noch immer
unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet. Jetzt aber, wo sich das Ge-
heimniss zu lichten beginnt, wo der Mensch eindringt in das Waldes-
dunkel, jetzt gerade beginnt die Zerstörung. Bis dahin fürchtete man
sich allgemein, in diesen Wäldern auf Räuber zu stossen, und die
Furcht mochte nicht ganz unbegründet sein, allein diese Räuber
wohnten nicht im Ida, es waren Wilderer der Nachbarschaft oder
nomadisirende Hirten. Von jetzt ab werden andere Bedrücker an
ihre Stelle treten.
Die Unkenntniss der Menschen von den Verhältnissen der Ida-
Gegend ist die Quelle jener Verwirrung, in welche die Geographie
und Hydrographie dieses Gebietes schon im Alterthum gerathen ist.
Strabon stützte sich in seinen Angaben auf das Zeugniss eines Landes-
kindes, das er als besonders ortskundig betrachtete, des berühmten
Demetrios von Skepsis'. Leider ist das Buch dieses Gelehrten nicht
erhalten und wir wissen nicht einmal, wo Skepsis lag”. Demetrios
sagt nach Strabon: »Eine Berghöhe des Ida heisst Kotylos; sie liegt
etwa 120 Stadien über Skepsis, und von ihr strömen der Skamandros,
&] ZU \ Ley X U EN > ’ ourL c ’
! Strabon XIII. 1.8.42 sureıgos Ö Wv Tu Tor WE cv eriy,wgtos auyp, 0 Anuyrgos.
? Die meisten neueren Karten legen es weit nach Osten. ScHLiEmann (Reise in
der Troas S. 56) glaubte, dass es an der Stelle des heutigen Beiramitsch zu suchen sei.
Vırcnow: Der troische Ida, die Skamander-(Quelle u. d. Porta v. Zeitunlü. DT
N
der Granikos und Aisepos; diese, aus mehreren Quellen zusammen-
fliessend, gegen Norden und die Propontis, der Skamandros aber aus
Einer Quelle gegen Westen. Alle diese Quellen sind einander nahe
und in einem Zwischenraume von 20 Stadien eingeschlossen.«' Es
ist bisher nicht gelungen, den Kotylos, der hier zum ersten Mal
genannt wird, zu identifieiren. Indess alle diese Angaben scheinen
auf einen mehr östlich gelegenen Punkt, jenseits des mehrfach er-
wähnten östlichen Ida-Passes, hinzuweisen. Dies hat viele Karto-
graphen veranlasst, auch die Skamander-Quelle nach Osten zu ver-
schieben und den oberen Lauf des Flusses von Beiramitsch aufwärts
in einer nach ONO gezogenen Richtung, vor den Vorbergen des Ida
vorüber, bis in die Nähe der Quellen des Granikos und des Aisepos
zurückzusetzen. Dieser Irrthum erklärt sich wohl aus dem Um-
stande, dass der Skamander, nachdem er in der Nähe von Beiramitsch
seinen bis dahin fast südnördlichen Lauf in einen ostwestlichen um-
gewandelt hat, auf seiner Rechten eine Reihe wasserreicher Zuflüsse
empfängt, welche das Urtheil über die Frage, welches der verschie-
denen zusammenfliessenden Gewässer der eigentliche Skamander sei,
sehr erschweren. Über die Richtigkeit der Karten in Bezug auf diese
Zuflüsse vermag ich kein abschliessendes Urtheil auf Grund eigener
Localuntersuchung abzugeben. Ich will nur kurz angeben, was ich
auf unserem Ritt von Beiramitsch nordwärts gesehen habe.
Wir passirten den Skamander ganz in der Nähe von Beiramitsch
auf einer hohen und langen Holzbrücke. Der Fluss hat hier eine
schnelle Strömung und ein breites Bett, dessen trockene Ränder mit
grossen Massen von Rollsteinen bedeckt waren. An vielen Stellen
zeigte das Ufer deutliche Alluvion, welche aus wechselnden Schichten
von Humus und fast reinem Geröll bestand. Jenseits breitete sich
eine weite Wiesenfläche aus, besetzt mit endlosem Platanengebüsch,
zahlreichen rothen Lychnis und blauen Geranien. Unsere Leute be-
stritten entschieden. dass hier ein nennenswerther östlicher Zufluss
herantrete. Dagegen kamen wir sehr bald an einen starken Fluss
mit kräftigem Strom, den die Leute Kudschak- oder Kurschak -Tschai
(im Gegensatze zu dem Mendereh) nannten, und von dem sie be-
haupteten, er nehme einen Nebenfluss Tsan-Tschai auf und münde
gegenüber vom Chalidagh in den Mendereh. Die Richtung dieses
Flusses war da, wo wir ihn kreuzten, fast parallel mit der Richtung
des Mendereh, dagegen schien es, dass er weiter östlich eine nörd-
liche Quelle habe. Jedenfalls entsprach seine Richtung der voraus-
gesetzten Lage des Kotylos nicht. Jenseits dieses Flusses gelangten
. >
! Übersetzung von Groskurp (ll. S. 578).
978 Sitzung der phys.-math. Classe v. 10. Nov. — Mittheilung v. 3. Nov.
wir auf fruchtbares Ackerland, etwas höher, als die Wiese, aber noch
mit deutlichen Zeichen alter Alluvion. Weiterhin folgte dann ein
grösserer Bach, der gleichfalls nach Westen, vielleicht genauer WSW,
floss; sie nannten ihn Ludjia Deressi. Dann trafen wir niedrige Er-
hebungen aus rother Erde, durch die Verwitterung des Bodengesteins
entstanden, mit zahlreichen weissen Rollsteinen untermischt.
Keiner dieser Zuflüsse entsprach der Voraussetzung, dass er der
wahre Skamander sei oder dass er vom Kotylos herkomme. Ich will
damit nicht in Abrede stellen, dass vielleicht ein weiter oberhalb zu-
fliessendes kleines Gewässer der Richtung gegen den vermeintlichen
Kotylos entsprechen möchte, aber ich betrachte es als ausgeschlossen,
dass ein solches als Quelltluss des Skamander angesehen werden könnte.
In dieser Beziehung schien mir das Zeugniss unserer Leute, von
denen einige Eingeborene waren, ganz unverdächtig. Ich halte daher
bestimmt an der alten Tradition fest, dass der Skamander an der
mehrfach bezeichneten Stelle unter dem Gargaros hervorbrieht. —
Schliesslich ist noch ein Umstand zu erwähnen, der ausserordent-
lich viel Verwirrung in der Literatur hervorgebracht hat. Ich meine
die Beschreibung, welche Herodot' von dem Wege giebt, den Xerxes
auf seinem Zuge gegen Griechenland eingeschlagen hat, um von Sardes
nach »dem Pergamon des Priamos« zu gelangen. Er sagt: dro de
Kaixov öpuswusvos, Kayns Opos Exwv Ev dpıarep, dia ToV Arapveos Es Kapınv
Form. ame 8 TaUTHS die Enns TEÖIcU EFopeLETo, Arpauurreiov TE morRW Kal
Avravdpov ryv Heraoyıda mapaeıSotevos. nv Iövv de Außwv Es dgıorepnv
Kepa Nie &s ryv "Dudda ya. Und dann heisst es weiter (cap. 43): Arızo-
uevou de Tov GToareu Emi Tov Ixduavdoov, 65 MoWros Torauuv, EMEI TE EX
Zapdımv OpunDevres ETEX.EIONOaV TN dw, EWErLmE To beeIoov. Diese Darstel-
lung ist in den uns berührenden Stellen unverständlich. Wenn Xerxes
von Sardes aus sein Heer längs der Küste und durch die Ebene von
Thebe gegen den Ida führte, so musste er allerdings bei Adramyttion
vorüber, aber Antandros lag dann jenseits der thebischen Ebene.
Die Reihenfolge sollte also sein: Adramyttion, thebische Ebene, An-
tandros. Der Ida befand sich ferner auf der Rechten des Heeres
und nicht auf‘ der Linken. Und wenn Xerxes, wie nach dieser Route
angenommen werden müsste, erst von Antandros aus in das iliadische
Gebiet einrückte, so hätte der eigentliche Idastock erst recht auf
seiner Rechten bleiben müssen. Wollte man interpretiren, es sei
hier unter dem Namen Ida die westliche Fortsetzung des Gebirges
gegen Assos hin gemeint, so hiesse das dem thatsächlichen Verhältniss
grosse Gewalt anthun; höchstens könnte es dann doch heissen, Xerxes
! Herodot VII, 42.
VıreHow: Der troische Ida. die Skamander-Quelle u. d. Porta v. Zeitunlü. 979
habe den Ida »durchquert«. Der von uns verfolgte Pfad von Awjilar über
den Saschlik ist für ein Heer an sich ungangbar: der Weg müsste also
über die niedrigeren Höhen weiter westwärts gewählt sein und dann
hätte das Heer den beschwerlichen Durchmarsch durch das hier schon
sehr enge und beschwerliche Vorland nehmen müssen, der es noch weiter
vom Idastock entfernte und letzteren noch mehr auf die Rechte brachte.
Solche Betrachtungen hatten mich zu der Schlussfolge gebracht,
dass die Erzählung des Herodot nur dann verständlich werde, wenn
ein Weg aufgefunden werden könne, der östlich vom Idastock
über das Gebirge führte. SCHLIEMAnN, dem ich meine Bedenken
mittheilte,' sah sich dadurch veranlasst, diesen Theil des Gebirges
zu durchforschen, und es gelang ihm in der That, einen Weg auf-
zufinden, der von Zeitunlü gerade aufwärts zu einer Höhe führt, auf
welcher sich höchst bemerkenswerthe alte Felsdurchbrüche zur Her-
stellung einer Strasse finden. Diese Durchbrüche führen den Namen
Porta. Da die Beschreibung meines verstorbenen Freundes nicht ganz
klar die örtlichen Verhältnisse erkennen lässt, so will ich dieselben,
unter Beigabe einer von mir aufgenommenen photographischen Abbil-
dung, etwas genauer beschreiben.
r - - = m —
Gegen Zeitunlü, das schon ganz in der Ebene liegt, schiebt sich
vom Idastock aus ein mächtiger Gebirgsvorsprung heran, der jeder-
! SchLiEMANN, Reise S. 37.
Sitzungsberichte 1892. 58
YS0 Sitzung der plıys.-math. Classe v. 10. Nov. — Mittleilung v. 3. Nov.
seits von tiefen Schluchten begrenzt ist. Durch die östliche Schlucht,
durch welehe wir von dem Pass heruntergestiegen waren, und zwar
auf einem so schmalen Pfade. dass er für ein Heer absolut unpracti-
cabel sein würde, fliesst der Zeitunlü-Tschai. Da, wo die Schlucht
sich gegen die Ebene öffnet, liegt das Dorf Turkmanlü. Schon auf
diesem Pfade abwärts hatten unsere Führer uns auf eine senkrechte
und ganz steile Felswand zu unserer Rechten (westlich), hoch über
uns hingewiesen, auf welcher ganz oben die Porta gelegen sei. Wir
verzichteten auf den höchst gewagten Kletterversuch, von der Schlucht
aus die Höhe zu erreichen. Am nächsten Morgen, am ı5. April,
brachen wir von Zeitunlü auf, erreichten sehr bald den Fuss des
Gebirgsvorsprunges und ritten auf einer breiten, sehr abschüssigen,
mehrfach in Serpentinen verlaufenden Strasse die Bergkante hinauf.
Der untere Theil des Weges führt über nacktes Gestein, zwischen dem
zahlreich Lavendel, Cistus, Iris und andere Blumen hervordrängten;
je höher wir kamen, um so häufiger wurden die Bäume (Pinus) und
endlich gelangten wir in wirklichen, wenngleich etwas dünnen Wald.
Fortwährend genossen wir die herrlichsten Ausblicke auf den Golf und
den Südabhang des Gebirges: Lesbos und die Katakaumene liessen alle
Einzelheiten ihres Auf’baues erkennen. Nach ein paar Stunden langten
wir bei der Porta an, genauer bei dem ersten Thor, hinter dem genau
gegen Norden in einer Entfernung von 320 Schritten noch ein zweites
ähnliches liegt.
Das erste, südliche Thor ist dadurch gebildet, dass eine quere
Felswand durchbrochen wurde, welche bis unmittelbar an den Rand
des Steilabfalles gegen die Schlucht des Zeitunlü-Tschai reichte. Rechts
(östlich) steht noch der Rest der alten Wand in einer Höhe bis zu
5”, links hat man den Durchschnitt des Bergabhanges selbst vor sich.
Der Boden des Durchbruches misst in querer Richtung am südlichen
Eingange 4”8 und verengt sich in der Mitte bis auf 4769, am nörd-
lichen Ende bis auf 3”9. Dieser enge Abschnitt hat eine Länge von
29 Schritten. Dann hört die Ostwand auf, aber der ausgebrochene
Weg setzt sich noch 23 Schritte fort.
An dem zweiten, nördlichen Thor, das nur 3"45 — 2"45 breit ist,
hat der enge Abschnitt eine Länge von zwanzig Schritten. Dann folgt
gegen Norden ein treppenartiger, wenig hoher, aber ziemlich steiler
Abstieg, an den sich die offene Strasse anschliesst, welche an dem
Rande der Schlucht weiter geht und von der sich später links ein
Pfad zu der Idahöhe, rechts ein Weg zu dem mehrfach erwähnten
Ostpass fortsetzt.
Das Gestein ist auch hier krystallinischer Schiefer mit breiten
Marmoreinsprengungen. Die gedeckten Stellen um die vorspringenden
Vircuow : Der troische Ida, die Skamander-Quelle u. d. Porta v. Zeitunlü. ys1
Felsen herum waren mit blühendem Crocus, Scilla und Viola in reicher
Fülle bedeckt. Scnuiemann hatte schon früher die Meereshöhe des
ersten Thores zu 1306”5, die des zweiten zu 1310.8 bestimmt. Vor
dem ersten Thore steigt der Felsgrund, auf dem die Strasse läuft,
ziemlich schnell an. Von da an tritt der nackte Fels im Boden zu
Tage, während vorher die Strasse durch verwitterndes Gestein sandig
erschien. Auch innerhalb der ersten Pforte steigt der Boden noch
etwas. um zu dem höheren Strassenabschnitt zwischen beiden Pforten
zu gelangen: erst hinter der zweiten Pforte läuft die Strasse, wenigstens
zunächst, mehr horizontal fort. Boden und Seitenwände sind aus
dem anstehenden Gestein direct herausgearbeitet: die Absprengung ist
offenbar ohne Explosivstoffe vorgenommen. Daher sind die Spreng-
flächen an dem Gestein der Wände verhältnissmässig uneben und eckig,
nirgends geschliffen oder sorgsam regulirt. Alles trägt den Charakter
mehr primitiver Zustände, ich möchte sagen, der Eile. Insofern liesse
es sich recht wohl mit Xerxes in Beziehung bringen.
Dass dies keine neue Einrichtung ist, kann man schon daraus
schliessen, dass keiner der Anwohner etwas über die Geschichte der
Porta weiss, woraus mindestens folgt, dass sie schwerlich ein Werk
der türkischen Regierung sein kann. Man muss dabei in Erwägung
ziehen, dass die Türken in der Troas überhaupt keine Wege gebaut
haben. Erst bei meinem letzten Besuch sah ich eine kurze Strecke
einer ganz neuen Chaussee, die von Tschanak Kalessi (Dardanellen)
nach der Quarantäne führt, in grösster Nähe des Strandes des Helles-
ponts, sowie die schon aufgeführte Holzabfuhrstrasse im obersten Ska-
manderthal.
Es blieben dann aus neuerer Zeit wohl nur die Genuesen übrig,
welche lange die Herrschaft von Lesbos hatten und von denen in
Assos und anderen Plätzen der Nachbarschaft Bauten erhalten sind.
Dafür könnte der fränkische Name der Porta angeführt werden, der
indess auch einer schon vorhandenen Einrichtung beigelegt sein mag.
Gegen die erstere Annahme lässt sich sagen, dass sonst meines Wissens
in der Troas keine Wege existiren, die nachweislich von Genuesen
angelegt sind. Die lange Küstenausdehnung der Troas begünstigte
die Seeverbindung so sehr, dass für Landwege wenig Bedürfniss vor-
liegen mochte, zumal da das Gebiet nördlich vom Ida damals wohl
schon völlig verwüstet war. Es scheint daher wohl möglich, die
beiden Thore mit dem Xerxeszuge in Verbindung zu bringen. Dass
ein lange dauernder nennenswerther Verkehr auf dieser Strasse nicht
stattgefunden hat, ersieht man daraus, dass eine stärkere Abnutzung
des Bodens nicht bemerkbar ist. Ein einmaliger Übergang auch eines
grösseren Heeres, zumal eines solchen, das schwere Wagen nicht mit
982 Sitzung der phys.- math. Classe v. 10. Nov. — Mittheilung v. 3. Nov.
sich führte, konnte recht wohl bewerkstelligt werden, ohne dass
dauernde Spuren der Abnutzung zurückblieben.
Ein soleher Übergang müsste in der Art ausgeführt sein, dass
das Heer aus der kleinen Ebene von Thebe, die man sich ostwärts
bis über Zeitunlü hinaus ausgedehnt denken kann, den Bergabhang
hinauf zu den Portae und von da zum östlichen Pass marschirte,
und dass es sich dann zum Skamander wandte. Jeder andere Über-
gang würde nur so mit dem Text Herodot's zusammengebracht werden
können, dass man in Bezug auf rechts und links eine Verwechselung
durch den Vater der Geschichtsschreibung annimmt. Für eine solche
lässt sich noch ein Citat über die Lage von Gergis beibringen, auf das
ich schon bei einer früheren Gelegenheit! hingewiesen habe. Herodot’
lässt nämlich den weiteren Zug des persischen Heeres von Ilios aus
so vor sich gehen, dass es Gergis (TeoyıSas Tevxpovs) zur Rechten
hatte. Die Stelle von Gergis aber setzen Mr. Frank CALverrt und
Scuuizmann nach Bunarbaschi. obwohl dieses so gelegen ist, «dass es
bei einem Durchmarsch des Heeres durch den Engpass des Ska-
mander auf der Linken hätte bleiben müssen.
Wer weder den östlichen Weg, noch einen Irrthum Herodot’s
zugeben will, dem würde nur ein Ausweg aus diesen Schwierigkeiten
bleiben: er müsste annehmen, dass Herodot die Bezeichnungen rechts
und links nieht in dem Sinne des marschirenden Heeres gebraucht
habe, sondern in dem Sinne eines Berichterstatters, der seinen Stand-
punkt am Hellespont gewählt hatte und von da aus seine Beschrei-
bung entwarf. Ich wage diese Interpretation nicht als eine zulässige
zu vertheidigen, will sie aber doch auch nieht unterdrücken.
! Verhandl. der Berliner anthropol. Gesellschaft 1879 S.208 (Zeitschr. f. Eth-
nologie Bd. XI).
Aöflerodot’ VII. 43.
Ausgegeben am 17. November.
Berlin. gedruckt in der Reichsdruckerei.
983
1892.
XLVE.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
17. November. Gesammtsitzung.
Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs-Revmonp.
1. Hr. Zerrer las über die Entstehung ungeschichtlicher
Überlieferungen.
Die Mittheilung wird an einem anderen Ort erscheinen.
2. Hr. Dies legte die Abhandlung des correspondirenden Mit-
gliedes Hrn. H. Usener in Bonn vor, betitelt: Die Unterlage des
Laertius Diogenes.
3. Hr. vow DER GABELENTZ berichtete über Inschriftenfunde
am Jenissei und Orkhon.
Die Mittheilungen 2. und 3. werden später in den Sitzungs-
berichten erscheinen.
4. Hr. Dümnter legte die ı. Abtheilung des ı. Bandes der Deut-
schen Chroniken vor, die von Hrn. Prof. E. Schröper in Marburg
bearbeitete Deutsche Kaiserchronik, welche ursprünglich diese Ab-
theilung der Monumenta Germaniae eröffnen sollte. Auf Grund eines
reichen handschriftlichen Apparates, in welchem die von Diener ent-
deekte Vorauer Handschrift die erste Stelle einnimmt, erhalten wir
nach der zwar überaus fleissigen, aber ungenügenden Ausgabe Mass-
MAnN’S hier erst einen kritisch gesichteten Text mit Glossar nebst sorg-
fältigen Untersuehungen über die Quellen und den Verfasser. Als
solcher wird der Pfaffe Konrad in Regensburg mit höchster Wahr-
scheinlichkeit nachgewiesen, der um 1150 eine etwas ältere bis auf
Sitzungsberichte 1892, 89
984 Gesammtsitzung vom 17. November.
den Papst Silvester herabreichende Vorlage eines anderen Verfassers
wesentlich erweiterte und bis auf seine Zeit fortsetzte, seinen Stoff
zum grössten Theil der Sage und Dichtung, zum geringsten geschieht-
lichen Quellen entnehmend. Wie dennoch einzelne Abschnitte aus
dem letzten Theile des Werkes, so sind auch eine bairische und
schwäbische Fortsetzung desselben nieht ganz ohne geschichtlichen
Werth. Wenn der Druck dieser Ausgabe unter mancherlei Hem-
mungen sich auch durch sieben Jahre hingezogen hat, so haben wir
in ihr nunmehr eine um so gereiftere und wahrhaft abschliessende
Leistung anzuerkennen.
985
Über Bähli, Bählika.
Von ALBR. WEBER.
- (Vorgetragen am 3. November [s. oben S. 893].) .
An ich kürzlich (D. L. Z. 9. Juli 1892 p. 910 ff.) in meiner Besprechung
von Lissıc#’s Schrift über Pänini (1891) einige Synehronismen besprach,
die sich zu dessen Zeit und der Zeit seiner beiden grossen Collegen
an der Spitze der indischen Grammatik, Kätyäyana und Patanjali, auf-
weisen lassen, habe ich leider einen Umstand ausser Acht gelassen,
den ich schon vor längerer Zeit (s. Monatsberichte der K. Akad. 1879
p. 462) dafür herangezogen hatte, die Erwähnung nämlich von Bähli.
Am letztern Orte sagte ich:
»in diese Zeit vör Kanishka gehört denn jedenfalls die Herüber-
nahme des Namens Bähli für Bäkhdhi des Avesta, seeundär Balkh
(Lassen I, 432) nach Indien. Das älteste Vorkommen desselben liegt
im värttika zu Pän. 4, 2, 99 vor, s. Ind. Stud. 13, 369, und zwar in
der Form Välhi (so' die Cale. Ausgabe; die Benares Ausgabe des
Mahäbhäshya, fol. 7ı", aber hat” Vähly°, Vählä°); später erscheint
dann Välhika (Bähl°), mehrfach im MBhärata und Rämäyana, s. meine
Abh. über das Rämäyana p. 22). — Der Name Valhika in der Atharva S.
und im Cat. Br. ist hiervon zunächst abzutrennen, s. Ind. Stud. 1, 205.
4, 217 sowie Zmmer’s altind. Leben p. 431. 432. — Gegen Zimmer’s
Annahme auf p. 432 übrigens, »dass erst um Chr. Geburt oder
etwas später« das alte Bäkhtri zu Bähr und noch später erst
zu Balh geworden sei, tritt eben wohl das värttikam des Kä-
tyäyana ein, »welches die Form Vähli, resp. Välhi bereits kennt.«
Wenn ich gegenwärtig nicht mehr dieser letzteren Ansicht bin,
sondern Zimmer darin beipflichte, dass wir das Alter eines indischen
Textes, in dem Bähli (Bählika) vorkommt, nach dem zu bemessen
haben, was uns über die Möglichkeit der Entstehung dieses
Wortes aus seiner Heimath’ her vorliegt, so bin ich dazu durch
die nachstehende Antwort, resp. Darstellung hierüber, die ich Tu. Nör-
DEKE'S Güte (2. August 1892) verdanke, veranlasst. Dieselbe stimmt
! ob mit i oder ? ist im Übrigen unbestimmt, da der Text Välhy°, resp. Vähly° hat.
?2 ebenso Kırraorn’s Ausgabe 2, 292 (1882).
89 *
986 Gesammtsitzung v. 17. Nov. — Mittheilung v. 3. Nov.
im Wesentlichen mit dem überein, was Zimmer bereits ausgeführt
hatte, fügt indessen doch einzelne wichtige Daten hinzu, wie folgt:
»Ich kenne von Baktra folgende Formen:
altp. Bächtari, griech. B&xrzz Herodot (das Gentilicium Baxroıcı
Aesch. Perser 204. 216. Vermuthlich hat schon Hekataeus Baxrpz ge-
habt). Dieselbe Form wird noch repräsentiert durch das syrische
lusus, etwa zu sprechen Bahträjäthä' »Baktrerinnen« in dem alten
Traetat de fato oder »über die Gesetze der Länder« aus dem Anfang
des 3.Jahrh. n.Chr. in Cureton’s Spieilegium syriacum p. ı5, woneben
(ib.) die Entstellungen Yarus und fuduas für Wiaus Bahträje »Baktrer».
Das = (n h) weist darauf hin, dass diese Formen nicht aus "dem
Griechischen stammen, denn x wird nie durch „ 7 wiedergegeben;
auch stände dann 3 D& für r.
Einen Reflex dieser alten Form bietet noch das arabische, sehr
beliebte «Su bocht »baktrische (zweihöckrige) Kameele«:; Einheits-
wort Su bochti »baktrisches (zweihöckriges) Kameel«. Ob in dem
seltenen bachtari, Epitheton eines Kameels, noch die ursprüngliche
Form dieses Namens vorliegt, oder ob es wirklich, wie die arabischen
Philologen meinen, »majestätisch, stolz gehend« heisst und zu einer
alten arabischen Wurzel gehört, hier also nur ein zufälliger Anklang ist,
lasse ich dahingestellt. Auf alle Fälle erinnert bocht stark an die
Avestä-Form Bäkhdhi schon ohne r. (Ich halte diese Form für die
an Ort und Stelle übliche, ebenso wie Möuru für Margu. In der
Local-Mundart werden die eignen Ortsnamen bekanntlich am ärgsten
verstümmelt. Natürlich nehme ich dabei an, dass das Avestä baktrische
Mundart zeigt).
Auf alle Fälle ist also zu constatieren, dass sich eine ältere, voll-
ständigere Form des Namens noch lange erhalten hat, nachdem schon
eine abgeschliffene daneben vorkam. Die Form Bahl kenne ich aller-
dings erst aus bedeutend späterer Zeit. Sie scheint im Pehlevi allein
zu herrschen: 582 (wohl trotz des x Bahl, nicht Bähl zu sprechen),
schwerlich vor dem 6. Jahrh. n. Chr. nachzuweisen. Die syri-
schen Belege für die Form »r2 Bahl, auch >>3 Bachl, sind noch
etwas Jünger; doch kann uns jeder Augenblick ältere syr. Docu-
mente mit dieser Form bringen.
Wie es mit den armenischen Formen Bahl und Balh steht,
kann ich nicht sagen. Die Chinesen schreiben (nach Aseı RemusAr)
Polo für Bactra (s. meine Tabari-Übersetzung p. ı8).
Die Liebhaberei der Iranier, /und r zu versetzen, erzeugt endlich
die Form Balh. Sie herrscht durchaus bei den Arabern als a Balch
! j hier, im Briefe, als Halbvokal zu nehmen.
WeBER: Über Bähli, Bählika. 987
und findet sich auch auf der Inschrift von Singanfu als m>2 Balch.
Sie wird die um 600 im wirklichen Leben übliche gewesen sein.
Die Form Bahl über die Zeit vor Chr. Geburt hinaufzu-
schieben, dürfte bedenklich sein, wenn auch nicht ganz un-
möglich. Die Form bocht und die Formen in dem alten syrischen
Tractat sprechen dafür, dass etwas wie Bachtr noch lange wirklich
von Iraniern gesprochen ist. Sollten nieht die ähnlichen Formen in
den <eren Skr.-Werken nur zufällig entsprechen? Die Verfasser
der Epen können ja immerhin an Balch (Bahl) gedacht haben.
Ich bemerke noch, dass die altp. Form vermuthlich Bächtari
zu sprechen ist,' nicht Bächtri, denn dann müsste es Bächthri,
mit dem Zeichen für thr heissen. «
Zimmer geht davon aus, dass die im Vendid. ı, , vorliegende
Form Bäkhdhi »schwerlich durch Abfall des r und Erweichung des {
aus der altpers. Form Bäkhtri entstanden sei«; dh sei nur möglich
vor r, wie in yaokhdhra ete., es sei daselbst einfach Bäkhdhri zu lesen,
und die überlieferte Form beruhe nur auf Unkeuntniss der Parsen des
4. Jahrh. n. Chr., die bei der Umschreibung des Avesta, der alten
Form des Namens unkundig, diesen Fehler begingen. Denn um Chr.
Geburt oder später wurde aus altem Bäkhiri (BäkhdAri) lautlich Bähr
(vgl. Meherdates bei Tacitus)’, welche Form die Parsen-Version zu
obiger Stelle zeigt: Moses von Chorene hat die Form Bahl, Hiuen
Thsang besuchte auch die Stadt Pohola; und in der Form Balkh
erscheint die Stadt erst bei arab. Historikern und Firdusi; ebenso in
dem jüngeren Bundehesh. «
Wie sich die Frage über die Avesta-Form Bäkhdhi nun auch
entscheiden mag, soviel steht nach dem Obigen wohl fest, dass die
Entstehung der Namensform Bähr, Bähl zur Bezeichnung von Baktra
nicht wohl über Christi Geburt zurückversetzt werden kann, dass
sie resp. ausserhalb Indiens zuerst in der Avesta-Übersetzung der
Parsen des vierten Jahrh. nachweisbar ist. Da nun immerhin doch
auch noch ein gewisser Zeitraum für die Herüberkunft dieser
Namensform nach Indien anzunehmen ist, so dürften sich hiernach
die ersten vier Jahrhunderte n. Chr. als die denkbar früheste Zeit
hierfür ergeben. Alle indischen Texte somit, resp. Stellen darin, welche
I cf. Srieser Eranische Alterthmskunde ı, 41. In seiner Bearbeitung der altp.
Keilinschriften? 1881 (S.ı3) zieht Srieser die Lesuug ohne a vor.
2 (dies Beispiel passt insofern nicht ganz, da es sich bei Meher aus Mithra bloss
um Zr, thr, nicht um tr (khthv) handelt, dessen Wandel zu hr doch noch weit schwie-
riger ist, als der vom einfachem £r, ihr. Für Mithra, Meher ist im Übeigen auch noch
die Form MIIRO (mihira) auf den Münzen der Indoskythen heranzuziehen, die der
Zeit des Taeitus ziemlich gleichzeitig sind.
985 Gesammtsitzung v. 17. Nov. — Mittheilung v. 3. Nov.
den Namen in der Form Vähli (B°), oder hieraus weiter gebildete
Wörter, wie Vähläyana (B°), Vählika (B°), enthalten, verfallen somit
dem Verdiet. nicht in eine frühere Zeit gesetzt werden zu
können'!. Und zwar gilt dies Verdiet denn also zunächst von fol-
genden Texten:
ı. von Kätyäyana’s värttika zu Pänini, sowie von Patafjali’s Ma-
häbhäshya, in welchem dieses värttikam mitgetheilt ist. Pänini selbst
lehrt (4, 2.90) nur, dass an das Wort Käpiei das Affix shphak an-
tritt, d.i. äyana°’, fem. äyani. Kätyäyana’s värttikam besagt, dass Pä-
nini dieselbe Regel auch in Bezug auf Vähli (oder “hli), Urdi, Pardi
hätte geben sollen, und Patanjali registrirt dies, ohne eine Bemerkung
dazu zu machen, erkennt somit die Berechtigung des värttika, resp. die
Bildungen Bähläyana”, °ni, Aurdäyana, “ni, Pärdäyana, ni direet an.
Beiden Autoren waren dieselben also geläufig. Die Frage entsteht nun,
ob wir anzunehmen haben, dass (für Kätyäyana scheint dies durch die
Form des värttika: Vähly“bhyac: ce’ti vaktavyam »er hätte sagen
sollen: [shphak tritt] auch an Vähli U.P.« in der That als dessen An-
sicht involvirt zu sein) auch Pänini diese Wörter schon kannte, resp.
hätte kennen sollen? oder ob dieselben erst in der Zwischenzeit,
von Pänini bis zu Käty. hin, in Indien bekannt geworden sind? ‚Im
ersteren Fall würde das obige Verdiet auch für Pänini selbst gelten!
im zweiten Fall (und dies ist für uns, mag auch Käty., und seinem
Schweigen nach etwa auch Patanjali, darüber anders gedacht haben’,
zunächst das Sichere) trifft es auf ihn nicht zu‘.
2. Der Nakshatrakalpa und die Atharvaparicishta.
ı cf. das fast identische Verdiet, welches durch J. OLsuausen und Tu. NÖLDEKE
über alle indischen Texte verhängt ist, die das Wort Pahlava kennen (s. meine akad.
Vorl. ind. L. G.? 338 (Nachtrag 1878 S. 16).
? resp. Bälhäyana, und nach dem Pet. W. auch Bälhyäyana.
3 es trifft dies ja übrigens auf alle diese vaktavya-Fälle zu; entweder sind
sie eine wirkliche Kritik des von Pänini Gesagten, constatiren von ihm begangene
Auslassung, die er hätte vermeiden können, resp. sollen (eigentlich liegt dies
in der That in der Form vaktavya), oder es sind Zusätze (‚man soll sagen. .«)
von neuem Material, das er noch nicht kannte, resp. kennen konnte.
* nach Ujjvaladatta zu Unädisütra 4,117 soll ja das Wort Valh-i (sö ist daselbst
statt Valh-i zu lesen) sogar zu den von dieser angeblichen Vorlage Pänini’s
im Sinne gehabten Bildungen durch das Affıx: in(@) gehören (Vahlih, Vahlika näma
kshatriyä janapadac ca). Auch führt er vählikam in der Bedeutung: Safran auf.
Aurrechr im Index bemerkt hierzu: »the correct spelling of this word and its deri-"
vatives is Balh-i. Balhika, Bälhika ete.«; er abstrahirt also dabei von Balkh, da er es
nicht nennt, sondern Valhika nur als: »the name of a country« aufführt; auch eitirt
er zu Valhika ausdrücklich Ath. S. 5, 22, 5, bezieht somit Valhi auf das dort genannte
Volk. — Sollte etwa auch im värttika oben Välhy° zu lesen, und Ujjvaladatta’s Välh-i
(yvalh mit i) gemeint sein? dann wäre däbei an Balkh freilich garnicht zu
denken.
Weser: Über Bähli, Bählika. 989
Im Nakshatrak. 6, ı8 (s. Naksh. 2, 392) erscheinen die Vählika
mitten unter anderen indischen Völkern (nach den Magadha Vanga
Matsya vor den Ikshväku), und in den beiden grahayuddhaparieishta
(sms. Verz. Berl. S..H. 1,91. 2,592) neben fremden: Völkern; in ı,
v.8 Bälhöikän Yavana-Kämbojän, in 2, v.4 Gaka- Yavana- Tukhära-
Bälhikäh.
3. Die beiden grossen Epen, Mahäbhärata und Rämäyana.
Im MBhär. erscheinen die Bählika vielfach. So in einem Völker-
kataloge 6, 354 neben den Vätadhäna, Abhira, Kälajoshaka, Aparänta
und Pahlava, und bald darauf (361) nochmals, als Vählika', neben
den Käcmira, Sindhusauvira, Gändhära, Darcaka, Abhisära, Utüla
und Gaibäla. In 5, 125 werden sie wegen ihres anritam (ihrer Lüge)
als: Schmutz der Erde malam prithivyäh bezeichnet. Nach 2, 1030
besiegte Arjuna in seinem digvijaya unmittelbar nach den Vählika,
auch die Darada und Kämboja. Es ist klar, dass es sich hier um
ein Volk im Nordwesten handelt, das in sehr schlechtem Rufe stand.
Sie erscheinen auch direct am Kampfe der beiden Parteien betheiligt.
Und zwar stand ihr König Somadatta auf der Seite der Kuru’. Ausser
ihm werden aber auch noch andere Vählika-Könige mit Namen auf-
geführt; so Brihadratho Vählikac ca ı, 7001, Karamdhamo Vählikac ca
2,327, Darado’näma Vählikah ı, 2694, der als eine Sonne der Asura
bezeichnet wird”, und unmittelbar hinter ihm (2696) Mahäviro’tha Väh-
likah’.
Und zwar bringt das MBhärata den Königsnamen Vählika in
direeten Bezug zu einem älteren Kuru-Könige, dem Sohne des Pra-
tipa. Denn in 8,119 bezeichnet Samjaya dem Dhritaräshtra gegen-
' (pitämahas tava tathä
ta Vählikah saha Vaählikaih| nihato Bhimasenena..), was sich doch wohl
nur auf ihn beziehen lässt‘, so dass hiernach für das MBhär. die Zu-
über den »Vählika« als dessen »Grossvater«‘
" Wirson in Vishnupur. p. 191, wo er diese Aufzählung eitirt, hat Bählika (»the
Bactrians or people of Balkh).
? 5.4, 1243. 5, 1791. In ı, 5707 wird Somadatta vielmehr Kaurava, und nach
einem Vählika genannt: Dronam ca Vählikam cai "va Somadattam ca Kauravam.
® dieser Name für einen Vählika - Fürsten ist sehr eigenthümlich! die Aagdo: (Dar-
distan) gehören speciell nach dem Nordwesten. — Ganz entsprechend ist es, wenn
die Mädri, d.i. die Tochter des Königs der Madra, Gemahlin des Pändu, als Väh-
liki angeredet wird (1,4886).
* im Vorhergehenden werden noch zwei andere asura als unter den Vählika
zur Geburt gekommen bezeichnet (1, 2642. 2661).
° cf. noch Cekitänah sa-Bälhikah Hariv. 5013. 5494 (neben Madra u. Kagmira).
° pitamaha bedeutet hier nicht direct: Grossvater, sondern: Grossonkel, denn
dem Epos nach (MBh. ı, 3750) ist Pratipa Vater des Deväpi, Caämtanu und Bälhika;
Cäntanu aber ist Vater des Bhishma und des Viecitravirya, welches letzteren Gattin Satya-
vati durch Vyäsa mit Dhritaräshtra, Pändu und Vidura befruchtet wurde.
990 Gesammtsitzung v. 17. Nov. — Mittheilung v. 3. Nov.
sammengehörigkeit des Pratipa-Sohnes mit den sonst darin genannten
Bählika sich ergiebt.
Zu erwähnen ist noch, dass wiederholentlich die Rosse der Väh-
lika gerühmt werden; so: prishtyänäm (wohl: pa°?) api eä’ "cvänam
Vählikänam .. dadau ı, 801: ebenso: Vählijätair' hayottamaih 5,
3045, Kaikeyam .. Saindhaväh (geradezu — Rosse! .. cighram ä& ’va-
ham] .. Vählijätäh 7, 973 vajinam Vaählijätänäm ayutänyadadam daca
13, 4921.
Im Rämäyana, s. meine Abh. darüber (1876) S. 22-26, erscheinen
die Välhika, Vählika in Völkeraufzählungen des Westens (neben den
Yavana, Kamboja, Darada, Pahlava) und des Nordens (neben den
Yavana. Caka, Odra, Pärada, Mälava, Rishika, Paurava). Die daher
stammenden Rosse (Vählija) werden gerühmt 1, 6,24 Gorr. (Välhi-
kaic ca hayottamaih, Bomb. ed.) 5, 12, 36.
Auf’ die Puräna ete. gehe ich hier nicht weiter ein. — Die Frauen
der Vählika (Vahali) spielen auch in den heiligen Anga der Jaina®
bei der Aufzählung der aus fremden Völkern zu nehmenden Ammen
eine Rolle (s. Verz. Berl. S. H. 2,431. 587 etc. Ind. Stud. 16, 380),
erscheinen resp. daselbst zwischen den Pulindi und Murandi.
4. alle die Lexica, Amarakoca ete. (s. Pet. W.) die das Wort
Vählika, Bälhika in den Bedeutungen: Ross, Safran, Asa foetida auf-
führen. (Auch die Käcikä mit ihrer Angabe zu Pän. 8, 4,9, dass die
Vählika sauvira tranken. s. Ind. Stud. ı 3, 369, Verz. Berl. S. Hss. 2, 1005,
gehört hierher.)
Freilich aber, obiges Verdiet gilt nur für den Fall, dass man
diese Wörter auf Balkh bezieht, was ja allerdings für die Form Vähli”,
Vähläyana, Vählika sich speciell empfiehlt”, da die geographischen
ete. Beziehungen hierbei so trefflich passen. Ob auch die mercan-
tilen Angaben? d. i. ob das gebirgige Balkh wirklich ein Land für
Pferdezucht’ ist, und ob Safran und Asa foetida zu seinen spe-
! zur Kürze des i von Vähl’-jäta cf. Wörter wie Mädrinandana, resp. Pän. 6, 3,63.
? aus der Päli-Litteratur dagegen ist, mir wenigstens, keine Erwähnung der
Bählika bekannt. Wenn sich dies bewahrheitet, ist es von Bedeutung. Denn man
kann daraus schliessen, dass der Name zur Zeit der Entlehnung dieser Texte in
Indien noch nicht bekannt war. Ein testimonium ex silentio ist freilich immer nur
ein schwaches! |
> ef. jedoch Ujjvaladatta’s Valh-i.
* Wırson (Vishnu P. 2,3 p.ıgı ed. Harı 2,175) weist dieselbe vielmals den
Nachbarländern des »people of Balkh« zu: »it is specified in the MBhär. Udyoga-
parvan as famous for its horses, a reputation the country bordering upon it, at least
Bokhara and Maimena, still preserves«; — s. noch ÜoBEBROORE, Mise. Ess. 2, 68.
— Im Catapathabr. werden die Taurvaga- und die Saindhava-Rosse gerühmt,
von den Vählika-Rossen ist daselbst nicht die Rede. — Die spätere Zeit spricht von
persischen Rossen (z.B. Bäna in der Kädambari, s. Ind. Streifen ı, 359). — Das
WeBER: Über Bähli, Bählika. 991
ciellen Ausfuhrartikeln gehören? das vermag ich leider nicht zu er-
härten.
Wem denn nun also obige Verdiet absolut nicht passen will, nun
dem bietet sich ja ein Ausweg. Im Westen resp. Nord westen müssen
die Bählika, Bälhika wohnen. Nun wohl, die Atharvasanhitä (5, 22)
kennt ein noch »über die Müjavant hinaus« wohnendes, »fremdes«
(arana) Volk, die Valhika. das dem Anschein nach vom takman,
Fieber, arg heimgesucht ward. Müjavant ist der Name eines Berges
Nir. 9,8, auf dem eine besonders gute Art soma (Maujavata) wuchs,
Rik-. 10, 34, 1; die Müjavant bezeichnen resp. in Vs. 3,61, Cat. 2,6,2, 17,
Ts. 1,8,6,2, Käth. 9,7, wie es’ scheint, die äusserste Grenze des be-
kannten Landes (paro Müjavato 'tihi), und zwar vermuthlich doch
eben nach dem Westen hin‘.
Dass bei diesen Valhika an Balkh nicht gedacht werden kann,
liegt auf der Hand. Die Ath. S. könnte dann nicht »vor dem Ende
des 7. Jahrh. abgefasst sein«, sagt Zimmer, freilich wohl damit etwas
zu tief hinabgreifend; aber seine Ablehnung des Gedankens selbst
ist durchaus berechtigt.
Das Wort Valhika findet sich aber ausser in dieser Stelle der
Ath. S. noch einmal im Veda, im GCatap. Br. 12.9,3,3, vor, und zwar
als Name jenes Kuru-Königs, Sohnes des Pratipa, den das MBhär.
(8, 119), wie wir sahen, in der That direct als Bählika aufführt,
sowie als pitämaha des Dhritaräshtra, und als mit seinen Bählika
von Bhimasena getödtet. Wenn hiernach für das MBhär. der Sohn
des Pratipa unmittelbar mit den darin anderweitig so oft erwähnten
Vählika, Vählika, verbunden erscheint, so ist auch bei uns bisher der-
selbe stets direet mit Balkh, resp. Baktrien in Bezug gesetzt worden.
2 Und ebenso hat man dies dann auch ohne Weiteres für die
Valhika der Ath. S. gethan. So Rora (zur Lit. u. Gesch. des Weda p. 41),
in Indien einheimische Ross mit seinen durch die Pferdeopfersprüche des vedischen
Rituals (dessen reiche Aufzählung der einzelnen Körpertheile des Pferdes überhaupt
von hohem anatomischen Interesse ist) bezeugten 34 vankri, Ribben, scheint eine geringe
Race zu repraesentiren, cf. die aus dem »Pandit« etc. in Ind. Streifen 3, 229. 230
angeführten Stellen, speciell die Correspondenz M. Mürrzer's mit Huxrey in der
Academy vom 20. 2. 1875, p.196. -—— Für die Einfuhr fremder Pferde nach Indien
in moderner Zeit sind von hohem Interesse die bei Hemacandra 1237fg. aufgeführten
Pferdenamen auf äha und üha, so: kokäha (Schimmel), khongäha (weissgelb),
seräha (milchweiss), khungäha (Rappe), kiyaha (Fuchs), triyüha (braun),
volläha (braun mit heller Mähne und hellem Schweif), uräha (hell mit schwarzen
Beinen), surühaka (Eselfarbig), vorukhäna (pätala, röthlichweiss, BöHtLinek),
kuläha (gelb, mit schwarzen Knieen), ukanäha (gelbroth oder schwarzroth), hälaka
(gelbgrün!), haläha (scheckig). Welcher Sprache gehören diese Wörter wohl an?
! in Ath. S. 5,22 werden neben den Balhika und Müjavant direet noch die Ma-
hävrisha, Cüdra und Cakambhara genannt, welche Namen in dieser Verbindung sämmt-
lich nach dem Westen zu führen scheinen.
992 Gesammtsitzung v. 17. Nov. — Mittheilung v. 3. Nov.
Kern (in sehr specieller Weise) in Muir’s S. Texts 2 2,446, Wuıtney
zu Ath. Prät. ı, 46 (welche Stelle für die Aussprache mit /h, nicht
/l. entscheidet), endlich auch das Per. W.
In den Drucken und Handschriften werden, eben die hierher-
gehörigen Wörter, sowie bald mit D, bald mit V im Anlaut, so auch
bald mit a oder d in der ersten, bald mit /A resp. Al, und mit ©
resp. { in der zweiten Silbe geschrieben. Und dieser Umstand hat
sieh denn eben als sehr verhängnissvoll erwiesen, weil hierdurch
eine Verwechselung des vedischen Valhika, Balhika mit dem epischen
Väahli, Vählika', die von einander völlig abzutrennen sind, stattge-
funden hat, und die Bedeutung Balkh, Bactrien von letzteren Wörtern
auch auf die Stellen, wo ersteres Wort vorkommt, übertragen worden ist.
Insbesondere haben Lassen und Bunsen an den Namen des im
MBhärata als ein Sohn des Pratipa aufgeführten Kuru -Königs Bählika,
für den jetzt aus dem. Gat. br. die richtige Namensform Valhika vor-
liegt, weitgehende historische Folgerungen in Bezug auf die Ver-
bindung zwischen Indern und Bactriern geknüpft. Ich habe nun zwar
meinerseits wiederholtlich (Ind. Stud. ı. 205. 4, 217. 13, 369) auf das
Bedenkliche dieser Schlüsse, resp. auf die dabei vorliegende Verwechse-
lung hingewiesen. Trotzdessen hatte auch noch Zimmer, durch seine
Vorgänger verleitet, in seinem »altindischen Leben«, p.ı30, die
Stelle der Atharva S. resp. die darin genannten Valhika, auf das
»eranische Land und Volk« der Bactrer bezogen, und ist erst in
seiner Retractatio, am Schluss, p. 432 zu der richtigen Auffassung
gekommen, wobei er denn leider aber bei seiner Ablehnung (s. so eben)
etwas zu tief hinab gegriffen hat.
Ich selbst hatte zwar schon gleich bei meiner ersten Erwähnung
(1850) des Namens Valhika die richtige Schreibung (mit /A, nicht Al)
und Etymologie dafür erhärtet, sowie die Trennung desselben von
Bählika als nothwendig bezeichnet, hatte dann auch (1853) unter
nochmaliger Constatirung der richtigen Schreibung des Wortes (mit /A),
die »baktrischen Folgerungen« aus dem Namen des Kuru-Königs als
»bedenklich « bezeichnet, hatte ferner (1873), gegenüber dem Per. W.,
auf die Nothwendigkeit der Scheidung zwischen Valhika und
Vählika hingewiesen, aber ich habe andererseits doch, auch noch
(s. im Eingang) nachdem Zmmer bereits den riehtigen Weg in Be-
zug auf die chronologische Verwerthung der Namensform Bählika ein-
geschlagen hatte, mich dagegen ablehnend verhalten, weil mir eben
Zimmer’s Ansatz » Ende des 7. Jahrh.«) zu tief hinabging.
! die ihrerseits übrigens, wie schon Lassen (1827) und Wırson (1846) an-
nahmen, mehrfach wohl auch mit den ähnlich klingenden: Bähika verwechselt sein
mögen.
Weser: Über Bähli, Bählika. 993
Jetzt jedoch, nachdem NöLpereE's Ausführungen einen früheren
Termin für die Entstehung des Wortes in Erän selbst anzunehmen
gestatten, stehe ich nicht mehr an, diesem auswärtigen Zeugnisse
seine volle Bedeutung für die literarische Chronologie Indiens zu-
zuerkennen.
Es erübrigt noch, über den ächt indischen Namen Valhika
Einiges zu bemerken. »Die Wurzel balh neben barh (vardh, trennen)
und vrih, erscheint ziemlich häufig in den Brähmana« heisst es Ind.
St.ı, 205. An dieser Zusammenstellung möchte ich noch jetzt fest-
halten (abgesehen etwa von der, wie mir nun scheint, ungehörigen
Parenthese in Bezug auf vardh). Für ybarh giebt das Pet.W. als
Grundbedeutung »ausreissen« an, »ausziehen«, und nimmt da-
neben eine zweite Wurzel barh an: »fest machen, kräftigen, stärken«.
Sollten nicht beide Wurzeln zusammengehören? und auf den Be-
griff: »heben, empor-, heraus- heben« zurückgehn? balh betrachte
ich als eine Variation hierzu, unter Wandlung der physischen Be-
deutung in die psychische, im Sinne von: »herausholen, herausfordern,
auf die Probe stellen (z. B. mit Räthselfragen)«. So: etad brahmann!
upa valhämasi tvä Vs. 23, 5sı. Gänkh. 16,6,3 (bei Läty. 8, 10,11 die
svarabhakti-Lesart: upa bakihämahe), ya evai 'nam upavalheta Gat.
[1,4 1.9, tad dhai ’ka upa valhante 12, 4,2,8, pravalhikäbhir vai devä
asurän pravalhya Ait. br. 6, 33. ef. noch upavalha, pravalha (Manu),
pravalhikä' — Cänkh. br. 30,7. Gänkh. er. s. 12, 21,7.
valhika »herausfordernd, keck, kühn« eignet sich somit
trefflich als Name eines (feindlichen) Volkes’, und es ist ferner diese
Bedeutung gerade auch für den Kuru-König dieses Namens” speciell,
in der Stellung, in der ihn das Gatap. br. 12,9, 3,3 aufführt, vor-
trefflich geeignet. Es wird nämlich daselbst erzählt, dass der Kuru-
König Balhika, Sohn des Pratipa, sich der Srinjaya® gegen ihren von
ihnen vertriebenen sthapati, Pätava Cäkra, mit dem Beinamen: Revot-
taras’, annehmen wollte, der seinerseits aus Rache für seine Vertrei-
bung beschlossen hatte, den Dushtaritu Paunsäyana, der aus Dacapu-
rusham-räjya vertrieben war, zum König der Srinjaya zu machen.
Balhika zog daher aus, um die Opferweisheit des Pätava auf die
Probe zu stellen (in Wahrheit wird es sich wohl um einen Kriegs-
sollte etwa das spätere prahelikä hieraus entstanden sein? (Leumann).
cf. auch Ujjvaladatta’s Valh-i, oben S. 988 n. 4; eine Wurzel: vahl giebt es nicht.
»hat mit Balkh nichts zu thun,« heisst es in meinen Beiträgen zum Pet.W.
dieselben waren den Kuru befreundet, hatten nach Cat. 2, 4,45 sogar zeitweise
einen gemeinsamen purohita (Devabhäga Crautarsha, ef. Ts. 6, 642,2)
5 dieser Beiname bezeichnet ihn doch wohl als einen »der die Revä über-
schritten hatte«, führt uns somit, für ihn wenigstens, in das südliche Indien; die
Srinjaya ihrerseits gehören mit den Kuru dieser Zeit in das mittlere Indien.
PP 8
994 Gesammtsitzung v. 17. Nov. — Mittheilunge v. 3. Nov.
8 S
zug gehandelt haben); er fand ihn aber auf die an ihn gestellten
Fragen hin so gut beschlagen, dass er den Versuch, die Srinjaya vor
ihm zu retten, aufgab, was die Vernichtung ihres selbständigen Bestehens
als eignes Reich' zur Folge hatte (na tad asti yat Sriüjayänä- räsh-
team, k. 3).
Als Name eines nördlichen Volkes spuken die Bählika auch
noch bei den späteren Rhetorikern und Präkrit-Grammatikern fort. Um
nun den Schwierigkeiten zu begegnen, welche die Angaben derselben
über den Bählika-Dialect (Bahlika-bhäshä) machen, wenn man sie
auf Bactrien zu beziehen hätte, hat denn auch schon Lassen selbst in
seiner Präkrit-Grammatik (1837) p. 37 sich dahin ausgesprochen’,
dass essich um zwei Völker bei den B. handele, »populo et Penta-
potamico et Bactriano«°. Es hat ihn dies indessen nicht verhin-
dert, im App. p. 25 und im Index p. 7ı das Wort auch in seinem
Bezug auf die Sprache der Bählika wieder auf die »Bactriani«
zu beziehen, wie er denn eben auch später in seiner Alterthums-
kunde (1,597) den Namen des Kuru-Königs direet mit Bactrien in
Bezug bringt.
In dem von Lassen a. a. OÖ. behandelten bhäshävibhäga des Sä-
hityadarpana (nr. 432) ist übrigens die von ihm, sowie auch noch von
BALLANTYNE in seiner Ausgabe (Bibl. Ind. 1851) und von Muir (Orig.-
Sanskr.- Texte 2, 61) gegebene sehr befremdliche Lesart: Bählika-
»bhäshä divyänäm« nach Premacanora’s Übersetzung (1861): »belongs
to the people of northern India« offenbar in: »“bhäsho "dieyänäm «
zu verbessern.
Märkandeya kavindra im Präkritasarvasva (AurrecHt Uatalog. Bibl.
! über den Untergang der Srinjaya s. auch Ts. 6, 6,2,2.3, Käth. ı2,3 (tena vai
Srihjaya ayajanta, ta ida» sarvam atyayaws, tad enan muhuh prayujyamänam avä 'dhü-
nuta). — Beiläufig, auch die Vertreibung der Kuru aus dem Kuruksheta wird be-
richtet (Cankh. cr. s. 15, 16,3).
” indem er zugleich die in seiner Schrift der Pentapotamia Indica (1827) p. 21
aufgestellte Annahme, dass Bählika in den Texten melırfach mit Bähika verwechselt
sei, zurücknahm und beide Worte für identisch erklärte. »Bählica idem est ac
Bähica .. distinetio quam proposui nulla est; nomen est veluti Gandhära populo et
Pentapotamico et Bactriano; de Bactrianis autem in nostro loco (es handelt sich um
die Stelle im Sähityadarpana) cum Colebrookio cogitare noli vide As. Res. 10, 395«
[s- resp. mise. ess. 2, 68: »Bählica-bhäshä, perhaps the language of Balkh in the
Transoxana«].
® damit wäre dann freilich eine indische Etymologie für das Wort, zum Wenig-
sten für dessen erste Bedeutung, indieirt.
Weser: Über Bähli, Bählika. 995
Bodl. 181° 27) berichtet, dass sich die Vähliki von der Mägadhi im
Wesentlichen nur dadurch unterscheide, dass sie / statt r setze (was
jedenfalls nicht gerade besonders iränischen Typus verräth!).
Wie Parcu (Tirimdira) und Turvaca für die gentilen Be-
ziehungen Indiens zu Iran und Turan in vedischer Zeit eintreten, so
Bählika und Pahlava, Kämboja und Gaka für die epische Zeit, wäh-
rend dies Pärasa, Pärasika (vielleicht auch in secundärer Verwendung
Yavana) für die eigentliche Sanskrit-Periode thun. Nach anderen Be-
ziehungen treten für jene drei Stadien der Reihe nach u. A. ein: die
Legenden von dem Streite der Angiras mit den Äditya (der asura und
der deva), — sodann mudrä und der nrisinha- Typus, Maga (Cäkadvi-
piya) und mihira, — endlich bandin, sähi, mädhi, divira, paikka, pilu'.
Dagegen führen uns z. B. ärya und däsa, asura und yätu, soma und
yama, Kävya Ucanas und Näbhänedishtha in die ärische, varuna
und aryaman, näsatya und gandharva, Traitana und Manu gar noch
in die indogermanische Zeit zurück.
' für die ganz moderne Zeit cf. die beiden von mir (1887. 1888) publieirten Pä-
rasiprakäca des Krishnadäsa.
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997
Adresse an Hrn. FRIEDRICH VON SPIEGEL
zur Feier seines fünfzigjährigen Doetorjubilaeums
am 8. November 183.
Hochverehrter Herr College!
(A Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften, der Sie seit
30 Jahren als Mitglied angehören, gereicht es zur besonderen Freude,
Ihnen heute an Ihrem Ehrentage auch ihrerseits die besten Glück-
wünsche darzubringen.
Dieser Tag krönt eine mühevolle und von reichem Erfolge ge-
segnete Thätigkeit, welche Sie der Erforschung der beiden gross-
artigsten Religionssysteme zugewendet haben, die auf ärischem Boden
entstanden sind, den Religionen Buddha’s und Zarathustra’s.
Ihre ersten Arbeiten waren speciell der alten Kirchensprache des
Buddhismus, dem Päli, gewidmet. Ihre Ausgaben des Kammaväkya
(1841) und der Anecdota Pälica (1845) waren in Europa die ersten
Textausgaben dieser Art überhaupt, und haben, im Verein mit 'TuRNoURr’s
Mahävanso, sowie mit Burnour-Lassen’s Essai sur le Päli, den Grund
gelegt für das jetzt in so hoher Blüthe stehende Päli-Studium. Ihr
trefflicher Katalog der durch Erasmus Rask gesammelten Päli- Hand-
schriften der Kopenhagener Bibliothek (1843/45) ist noeh jetzt das
einzige Werk dieser Art.
Gerade aber Ihr Aufenthalt in Kopenhagen, Ihr Bekanntwerden
mit den ebenfalls durch Rask dorthin gebrachten Avesta- Handschriften,
und Ihre dort angeknüpfte Verbindung mit Justus OLSHAUSEN, unserem
späteren langjährigen hochverehrten Mitgliede, war es, was Sie von
Indien fort, nach Erän hinüber führte.
ÖLsHAusEn theilte Ihnen (ähnlich wie dann auch Joser MÜLLER)
seine eigenen, für eine früher von ihm selbst, wie sein Specimen des
Vendidad 1829 zeigt, geplante Ausgabe in Paris gemachten Copien
dortiger Avesta-Handschriften mit, und erleichterte Ihnen dadurch
die gewaltige Arbeit der handschriftlichen CGopien und Üollationen,
der Sie sich in Kopenhagen, London, Oxford, Paris mehrere Jahre
hindurch mit unermüdlicher Ausdauer hingegeben haben, und als
998 Gesammtsitzung vom 17. November.
deren schöne Frucht Ihre Avesta-Ausgabe in Verbindung mit der
Huzväresh-Version und einer deutschen Übersetzung (1852— 1863)
vorliegt.
Dieses Werk hat auch neben der gleichzeitig (1852—54) durch
N. L. WestereaArnp in Kopenhagen publieirten, allerdings mit noch
reicherem kritischem Material ausgestatteten Avesta-Ausgabe seinen
eigenen hohen Werth, theils durch die Beigabe der dort fehlenden
Huzväresh-Version, theils und vor Allem dadurch, dass Sie mit
kühnem Muthe sich eben auch an eine deutsche Übersetzung wagten.
Zwar hat das von Ihnen hierbei befolgte Prineip, sich streng an
die in jener Version vorliegende traditionelle Auffassung zu halten,
bald, besonders aus den Reihen der Indianisten, lebhaften Widerspruch
erfahren. Aber Sie haben doch die Genugthuung gehabt, nicht nur,
dass einer Ihrer heftigsten Gegner nach einem längeren Aufenthalt
in Indien, wo er die betreffende Tradition selbst näher kennen ge-
lernt hatte, als ein bekehrter Paulus zurückkehrte und nun bloss
noch über das Maass des richtigen Verständnisses derselben mit Ihnen
haderte, sondern auch, dass Mehrere der namhaftesten Forscher auf
diesem Gebiete sich im Wesentlichen Ihren Ansichten angeschlossen
haben, während Andere zum Wenigsten für die späteren Theile des
Avesta den Werth der Tradition anerkannten.
Wie sich nun diese Frage auch im weiteren Verlaufe noch ent-
scheiden mag, jedenfalls gebührt Ihnen das Verdienst, der durch
Eustne Burnour in das Leben gerufenen Zend-Philologie, ja der erä-
nischen Philologie überhaupt, zu hoher Entwickelung und kräftigem
Leben verholfen zu haben. Denn Sie haben Ihre Thätigkeit dafür
nicht bloss auf die Bekanntgebung des Avesta- Textes selbst, und auf
das, was Sie zum unmittelbaren Verständniss desselben für nöthig er-
kannten, wobei vor Allem Ihr eingehender Commentar zu Ihrer Über-
setzung (2 voll. 1864. 1868) sowie Ihre Publication von NERIOSENGHS’
merkwürdiger Sanskrit- Übersetzung des Yaena (1861) zu nennen ist,
beschränkt, sondern dieselbe auch auf alle irgendwie einschlagenden
Fragen und Untersuchungen ausgedehnt. Ihren Grammatiken des Pärsi
(1851), Huzväresh (1856) und des Alt-Baktrischen (1867; so nannten
Sie die Sprache des Avesta) reiht sich zunächst noch eine eingehende
Untersuchung über die traditionelle Literatur der Parsen (1860) an.
Sie zogen dann aber auch die altpersischen Keilinschriften (1872..
ı881 zweite Auflage) und deren Sprache (vergleichende Grammatik
der alt-eränischen Sprachen 1882) heran, und leiteten durch eine
Reihe einzelner Abhandlungen (gesammelt in Ihrem Eran 1863) Ihr
grosses zunächst einmal abschliessendes Werk: die eränische Alter-
thumskunde (3 voll. 1871—78) ein, in welchem Sie die Resultate
Adresse an Hrn. von SPIEGEL. 999
Ihrer Forschungen auf diesem Gebiete in klarer, übersichtlicher Form
niederlegten. Daran hat sich später noch (1837) Ihre interessante
Sehrift: die ärische Periode und ihre Zustände angeschlossen. Auch
dem Neupersischen sind Sie selbstverständlich stetig zugewandt ge-
wesen, wie schon Ihre Chrestomathia Persica 1846 bezeugte.
Bei den vielfachen nahen Beziehungen Erän’s zu den Semiten
in alter und neuer Zeit, ist es Ihren Arbeiten sehr zu statten ge-
kömmen, dass Sie, ein Schüler Rückerr'’s, Lassen’s und GILDEMEISTER’S,
zu der alten, jetzt kaum noch möglichen Generation von Orientalisten
gehören, welche in den ärischen, wie in den semitischen Sprachen
gleichmässig bewandert und zu Hause sind, wie Sie dies auch in Ihrer
seit 1849 in Erlangen ausgeübten akademischen Thätigkeit stetig be-
währt haben.
Seit Kurzem haben Sie sich veranlasst gesehen, diese letztere
Ihnen so liebe Thätigkeit, die denn doch zu vielseitige Ansprüche
an Sie machte, aufzugeben. Wir hoffen, dass die Ihnen hierdurch ge-
wordene Musse noch weitere Arbeiten im Interesse der Wissenschaft
zeitigen wird und bringen Ihnen hierzu unsere besten Wünsche dar.
Die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften.
Ausgegeben am 24. November.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
Sitzungsberichte 1892. 90
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AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
24. November. Sitzung der physikalisch -mathematischen Ulasse.
Vorsitzender Seeretar: Hr. E. pu Boıs- Reynumonn.
Hr. Munk berichtete über seine fortgesetzten Untersuchungen
über die Schilddrüse. i
Die Mittheilung wird später erscheinen.
Hr. Fucus legte der Akademie auf Gesuch des Verfassers das
Werk des Hrn. Prof. Runoren Sturm in Breslau vor: Die Gebilde
ersten und zweiten Grades der Liniengeometrie in systematischer Be-
Handlungs 1. u. IE Band. (Leipzig bei Teubner, 1802.)
Ausgegeben am 1. December.
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KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
2 »vember. Sitzung der philosophisech -historischen Ulasse.
24. Nc ıbe Sitzung d hil hiseh -hist l Cl
Vorsitzender Secretar: Hr. Monmusen.
Hr. Vanten las über das Säculargedicht des Horatius.
Die Mittheilung folgt umstehend.
1005
Über das Säculargedicht des Horatius.
Von J. VAHLEN.
Es ist uns allen wohl noch erinnerlich, wie Hr. Mommsen zuerst in die
Classe die Nachricht brachte, dass am Tiberufer ein neues Denkmal
ausgegraben sei, das Aufschluss gebe über das von Augustus angeordnete
Säcularfest und den Horatius als den Dichter der bei diesem Fest
gesungenen Ode mit den Worten carmen composuit (. Horatius Flaccus
bezeichne. Wir bedurften der Urkunde nicht, um über den Ursprung
des uns erhaltenen Gedichtes nicht in’s Schwanken zu gerathen, aber
das in Marmor gegrabene gleichzeitige Zeugniss wird doch wohl
manchen, der noch ein Herz hat für die jetzt viel gescholtenen alten
Dichter, eigen angemuthet haben. Seitdem die erhaltenen Reste des
Denkmals wieder zusammengefügt und im Auftrag der Accademia dei
Linecei in Rom durch unseres Mommsen Meisterhand erläutert und
bis in die Ritzen hell beleuchtet worden', ist die unvergleichliche
Bedeutung dieser Urkunde für das Augusteische Fest und die zahl-
reichen damit zusammenhängenden Fragen voll zu Tage getreten.
Auch Horatius’ Carmen saeculare hat Gewinn aus der neu eröffneten
Quelle gezogen, Gewinn für unsere Erkenntniss, der auch dann be-
stehen bliebe, wenn für den Diehter und sein Gedicht der Gewinn
sich zum Nachtheil kehren sollte. Über die Festfeier fehlte es auch
vordem nicht durchaus an Zeugnissen: wir besassen die Sibyllinischen
Verse, auf welche die Abhaltung des Festes zurückgeführt ward, bei
Phlegon und bei Zosimus, bei letzterem auch den von Atejus Capito
ausgearbeiteten Plan für die Ausführung der Feier, beides zuletzt von
! In den Monumenti antichi pubblicati per cura della R. Accademia dei Lincei vol.1.
punt. 3a. ı891 und daraus in besonderem Druck unter dem Titel I commentarü dei ludi
secolari Augustei e Severiani scoperti in Roma sulla sponda del Tevere con una illustrazione
di Teodoro Mommsen, welcher ausser dem eingehenden. Fundbericht der italienischen
Gelehrten, denen die Ausgrabung verdankt wird, Commentarium ludorum saecularium
quintorum qui facti sunt imp. Caesare divi f. Augusto trib. pot. vı edidit illustravit Theodorus
Mommsen enthält. Letzterer im Wesentlichen wieder abgedruckt in der Zphemeris
epigraphica 1891 S. 225ff. Nach diesem Druck als dem vermuthlich zugänglicheren
ist eitiert worden. Vergl. dazu Mommisen’s Aufsatz ‘Die Acten zu dem Säculargedicht
des Horaz’ in der Wochenschrift ‘Die Nation’ vom ı2. Dee. 1891.
1006 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 24. November.
Hrn. Diels in den Sibyllinischen Blättern (S. 125 ff.) herausgegeben
und besprochen. Mit den hierin dargebotenen Angaben befand sich
im Wesentlichen die Darstellung des Horatius im Einklang. Aber
Anordnung und Gliederung des Festes im Ganzen und nach den ein-
zelnen Tagen ist aus den Acten des Quindeeimviralcollegiums, die uns
der neue Fund gebracht, mit schärferer Bestimmtheit hervorgegangen,
und ist zugleich der Platz, den der von Horaz geleitete Chorgesang
in dem Gange des Festes einnahm und die Beziehungen des Gesanges
zu der Feier und ihren Theilen deutlicher erkannt worden. Aber
zugleich sind Thatsachen an das Licht getreten, die vordem nicht
leicht Jemand vermuthen konnte, und haben in das Gedicht des Horaz
einen Schatten geworfen, der sehr geeignet ist, den reinen Genuss zu
beeinträchtigen. Hr. Mommsen hat die von ihm erkannten und mit
Schärfe hervorgehobenen Schwierigkeiten durch eine Lösung zu be-
seitigen gesucht, die nicht eben zu Gunsten des Säculargedichtes und
seines Dichters ausgeschlagen ist. Das Interesse der Sache rechtfertigt
es vielleicht, wenn ich diese Seite der Frage noch einmal aufnehme,
zumal abgesönderte Behandlung derselben Einiges zur Klärung der
Controverse beizutragen verspricht, mag dann auch die Entscheidung,
wie billig, anderen und vor allem Hrn. Mommsen selbst anheimgegeben
bleiben. Ich schlage aber den entgegengesetzten Weg ein, nieht von
der Urkunde zum Gedicht, sondern von der Analyse des Gedichtes
zu dem was die Urkunde Neues bringt. Dabei kann vieles was der
Einzelerklärung des Horaz aus den Acta zuwächst auf sich beruhen,
das den Interpreten des Horaz nicht entgehen wird. Mir kommt es
nur auf den Aufbau des Gedichtes im Ganzen und die Gliederung
desselben an. Um aber dieser Betrachtung eine geeignete Grundlage
zu geben, schicke ich voraus die aus den Acta gezogene Vertheilung
der auf drei Nächte und drei Tage anberaumten Festfeier nebst Be-
zeichnung der jeder Nacht und jedem Tage zugewiesenen Gottheit
nebst den besonderen Opfergaben und Gebeten.
Nach den voraufgegangenen Mittheilungen über die Vorbereitungen
zum Fest heisst es in dem Bericht über die abgehaltene Feier.
Erste Nacht.
2.90. Nocte insequenti (zwischen dem 31. Mai und ı. Juni) in
campo ad Tiberim .. Moeris imperator Caesar Augustus üimmolavit hostias
prodigivas Achivo ritu... mit dem Gebet Moerae, uli vobis in illis libris
scriptum est, quarumque rerum ergo, quodque melius siel populo Romano
(Quiritibus, vobis novem agnis feminis et novem capris feminis sacrum fiat;
vos quaeso precorque uli imperhum maiestatemque populi Romani (Quiritium
duelli domique auwitis ulique semper Latinum nomen tueamini, . . ün-
cohumitatem sempiülernam victoriam valetudinem populo Romano (Quiritibus
Vaunen: Über das Säculargedicht des Horatius. 1007
tribualis faveatisque populo Romano (Juiritinom legiomibusgque populi Romani
(Quiritium remgue publicam populi Romani (Quiritium salvam servelis USW.
Erster Tag.
2.103. K. Iın. in Capitolio bovem marem lovi oplimo masximo
proprium immolavit imp. Caesar Augustus, ibidem alterum M. Agrippa,
precali autem sunt ita: Iuppiter optime mazime, ui tibi in ülis lübris seriplum
est quarumque rerum ergo quodque melius siet populo Romano (Quiritibus
tibi hoc bove mare pulchro sacrum fiat te quaeso precorquez cetera uli supra.
Zweite Nacht.
2.115. Noctw autem ad Tiberim sacrificium feeit deis Ilithyis libis
novem popanis novem plhoibus novem imp. Caesar Augustus; precalus est
hoc modo: Ilithyia, wli tibi in ülis libris — — uli supra.
Zweiter Tag.
2.119. ıv nonas Tun. in Capitolio immolavit Tunoni reginae bovem
feminam imp. Caesar Augustus, ibidem alteram M. Agrippa et precalus est
hoc modo: Juno regina, uti tbi — — uli supra. Deinde cx matribus
familias nuptis, quibus denuntiatum fu... praeit in haec verba: Juno
regina, ası quid ‚est quod melius siet populo Romano (Quiritibus (kolgt ein
Gebet wie oben in der ersten Nacht).
Dritte Nacht.
7.134. Noch autem ad Tiberim suem plenam Terrae matri ün-
molavit imp. Caesar Augustus precatusque est hoc modo: Terra mater, uli
tibi — — cetera uli supra.
Dritter Tag.
2.139. A. d. ım non. Jun. in Palatio Apollini et Dianae sacri-
fieium fecerunt imp. Caesar Augustus, M. Agrippa libis novem popanis
novem pthoibus novem precalique sunt ita: Apollo, uli tbi — — uli
supra .... Zäsdem verbis Dianam ...
Sacrifieioque perfecto pueri xxvır quibus denuntiahum erat paltrimi et
matrimi et puellae totidem carmen cecinerunt; eodemque modo in Capitolio
Carmen composuit (9. Horatius Flaceus.
Es ist nicht zu bezweifeln, dass Horaz von dem Sibyllenorakel
gewusst hat, das die Säcularfeier geboten, und dass er über die
darauf gegründete speeielle Anordnung des Festes im Voraus unter-
richtet war. Sein Gedicht, bestimmt am dritten Tage des Festes
nach Vollendung der Opfer für Apollo und Diana am Palatinischen
Tempel des Apollo von einem Chor auserwählter Knaben und Mädchen
gesungen zu werden, verlieh der eigentlichen Säcularfeier ihren ge-
wichtigen Abschluss. Er hebt demnach mit Apollo und Diana an,
den Gottheiten, denen dieser Tag des Festes gehört, und bezeichnet
Grundton und Ziel des Gedichtes in den Versen (1 — 8)
1008 Sitzung der philosophisch- historischen Classe vom 24. November.
Phoebe silwvarumque potens Diana,
hueidum caeli decus, o colendi
semper et culti, date quae precamur
tempore Sacro,
s quo Sibyllini monuere versus
virgines lectas puerosque castos
dis quibus septem placuere colles
dicere carmen.
Das Sibyllenorakel hatte V.ı8 fg. (desdousvai re Aarivor maıdves xoupocı
xoonaı TE vnov Ey,ciev dNavaruv usw.) an das Opfer für Apollo das Gebot
dieses Chorgesanges der Knaben und Mädchen geknüpft. Demnach
hiess es in der Epistola Augusti Z. 20 pueros virginesque patrimos malni-
mosque ad carmen canendum chorosque habendos frequentes ut adsint und
entsprechend in dem späteren Bericht über die Abhaltung der Feier
Z.149 (s. oben).
‘Verleihet uns, um was wir bitten, am heiligen Fest’ rief der
Chor Apollo und Diana an. Das Gebet selbst aber, von diesem
Eingang abgelöst, schliesst sich selbständig an (V. 9— 32).
alme Sol, curru nitido diem qui
ıo promis et celas aliusque et idem
nasceris, possis nihil urbe Roma
visere maius.
rite maluros aperire parlus
lenis, Ilthyia, tuere matres,
15 sive bu Lacina probas vocari
seu Genitalis :
diva, producas subolem , patrumque
prosperes decreta super iugandis
feminis prolisque novae feraci
2» lege marila,
certus undenos deciens per amnos
orbis ut cantus referatque ludos
ter die claro totiensque grata
nocte frequentes ;
»5 vosque veraces Ccecinisse, parcae,
quod semel diebum est stabilisgue rerum
ierminus servet, bona tam peraclis
vungite fata.
! Nur Zosimus weicht ab, aber vermuthlich irrthümlich. S. Mommsen, Ephem.
8.250.
Vauren: Über das Säculargedicht des Horatius. 1009
fertilis frugum pecorisque tellus
30 spicea donel Cererem corona,
nulriant fetus et aquae salubres
et Jovis aurae.
Denn wenn der Sonnengott auch Apollo ist, woran selbst die Sibyl-
linischen Verse erinnern (16 xal ®olßos Arcrruwv, core zul "Heros zıxrY-
oxeraı), so muss man doch bekennen, Horaz hat von dieser Iden-
tität abgesehen und nicht gewollt, dass sie den Hörern in das Be-
wusstsein falle: denn das Gebet, dessen Erhörung der Chor von
Apollo und Diana erwartet, ist, wie ich sage, ein freies und selbst-
ständiges, und schliesst sich nicht fortschreitend an die Eingangs-
verse an. ‘Sonnengott, der du auf deinem glänzenden Wagen den
Tag bringst und den Tag begräbst, immer ein anderer und immer
derselbe, mögest du auf deiner Fahrt durch den Weltenraum nichts
grösseres erschauen können als die Stadt Rom.’ Ich nehme maius
V.ı2 nicht in irgend welcher ‚abgeblassten übertragenen Bedeutung,
sondern im strengen und eigentlichen Sinne und verstehe es demnach
von der Grösse der Stadt die in der Bevölkerungszahl sich kund
giebt: denn dieser Begriff enthält das Grundmotiv, das in den sich
anschliessenden Strophen (4.5.6) seine Ausführung empfängt. ‘Ili-
thyia, schütze die Mütter die gebärenden und bringe, Göttin, die
Sprösslinge an’s Licht, und gesegne die Beschlüsse der Väter, die
durch Ehegesetz der Verminderung des Nachwuchses zu steuern sich
bemühen, auf dass, wenn der Kreislauf der rıoJahre sich vollendet,
das Fest in zahlreicher Betheiligung (referatque ludos .. frequentes)
wieder begangen werde.” Auch Ilithyia ist nicht identisch mit Diana’
zu fassen und es hiesse die Absicht des Dichters verkennen, wollte
man Sol und Ilithyia paaren und mit Phoebus und Diana (V.ı) in
Parallele bringen. Sinnreich aber hat Horaz den Anruf an die Ge-
burtsgöttin in Beziehung gesetzt zu den Bestrebungen des Augustus
(Horaz nennt den die Beschlüsse fassenden Senat), durch Gesetz und
Strafe der Abnahme der Bevölkerung entgegenzuwirken, und zugleich
in Verbindung gebracht mit dem jetzt begangenen Fest, das, wenn
es zur bestimmten Zeit wiederkehre, unverminderter Theilnahme sich
erfreuen möge: dies alles, um den in maius (V.ı2) wie in der Schale
eingeschlossenen Gedanken zu entfalten. An den Hinweis aber auf
das nach ııo Jahren wiederkehrende Fest ist (auch in der Form) auf
das engste geknüpft der Anruf an die Parzen oder Mören vosque (vgl.
49 und 69) veraces cecinisse, parcae usw.; dessen Wortsinn im Allge-
meinen Peerlcamp gut wiedergegeben hat mit den Worten: o parcae
1
Mommsen, Ephem. S. 258.
1010 Sitzung der philosophisch- historischen Classe vom 24. November.
non mendaces , felix et faustum porro facite imperium Romanum , quod
vos esse fachiwras semel diwistis quodque certus rerum eventus comprobet
(vgl. den analogen Wunsch V.65£.). Die Sibylle hatte verkündigt,
dass wenn das Säcularfest begangen werde, r&0% Swv "Iran xai
maca Aarıvuv aitv Ümo Oxymrooow Emavy,gviov Quyov e£aı (V.37£), ähnlich
Zosimus 8.133, 10.12D. Den gleichen Gedanken hat Horatius auf
die Parzen übertragen, die hier nicht wie sonst oft', als die, welche
bei der Geburt das Schicksal kündigen, mit den Geburtsgöttinnen ge-
paart werden, sondern mit der nächst vorangegangenen Erinnerung
an die Wiederkehr des Säcularfestes in engster Verbindung gedacht
sind. Wie sie nämlich an die Begehung des Festes das Heil der
Stadt geknüpft haben, so mögen sie nun, nachdem die Feier eben
glücklich von Statten gegangen, ihr einmal gegebenes Wort wahr
machen und so immer, so oft das Säcularfest wieder gefeiert wird.
Fassen wir so die Parzenstrophe in fest gefügtem Zusammenhang
mit der ihr unmittelbar voraufgegangenen, so wird es auch gelingen,
der nun folgenden ihre rechte Beziehung anzuweisen: fertlis frugum
pecorisque tellus usw. V.29 ff. ‘Die an Früchten und an Heerden
reiche Erde” möge die Getreidegöttin Ceres mit einem Ährenkranz
schmücken, und die Früchte der Erde und der Heerden möge heil-
samer Regen und die Lüfte des Himmels nähren.’ Zu diesem Gedanken .
führt von den Parzen kein Weg. Aber je fester von der llithyia
durch die folgenden Strophen der Gedanke sich zur Einheit ver-
knüpft hat (V. 13— 28), wie ich zu zeigen versuchte, um so leichter
wendet der Blick sich zurück zu dem auf seinem Wagen den Himmels-
'aum durchfahrenden Sonnengott, womit dieser Gedankenzug eröffnet
ward (V.9— 12). Denn dem Sonnengott tritt die Erdgöttin als die
rechte Hälfte an die Seite. Auf dem Panzer der berühmten Augustus-
statue ist dargestellt wie oben ‘der Sonnengott im langen Gewande
der griechischen Wagenlenker auf rothem Wagen ein Viergespann
lenkt’; “entsprechend ist ganz unten die Erdgöttin gelagert, einen
Ährenkranz im blonden Haar: neben ihr spriessend Getreide und Mohn’.
O. Jahn (Aus der Alterthumswissenschaft S. 288 ff.), dem ich diese Be-
schreibung entnehme und der auch das bemerkt, dass häufiger auf
ähnlichen Kunstwerken der Sonnengott auf seinem Viergespann und
unten Göttinnen der Erde und des Wassers dargestellt seien, hat nicht
! Mommsen, Ephem. S. 259.
®2 Ob Erde oder Erdgöttin, verschlägt nicht viel. Dennoch bin ich geneigter
Tellus als Erdgöttin zu fassen, die den Boden hergiebt, auf welchem Ceres ihr Getreide
wachsen lässt, und ihr dafür mit emem Kranze lohnen soll. Dass beide, Tellus und
Ceres, als zwei einander entsprechende Göttinnen zusammengehören, zeigt Ovid. Fast.
1,671 placentur frugum matres, Tellusque Ceresque . . officium commune Ceres et Terra
tuentur: haec praebet causam frugibus , illa locum,
VAnten: Über das Säculargedicht des Horatius. 1011
unterlassen, unsere beiden Strophen vom Sol und der Tellus mit jener
Darstellung zu vergleichen, und wer sich erinnert, wie oft griechische
Dichter und Schriftsteller Sonne und Erde, Sonnengott und Erdgöttin
zusammenstellen', wird nicht zweifeln, dass wir zusammen nehmen,
was in des Dichters Gedanke Eins war. — Mit dieser Bitte um Frucht-
barkeit des Bodens und der Heerden ist das erste Gebet, für welches
der Chor Gewährung von Apollo und Diana erflehte, geschlossen.
Blicken wir auf die Acta zurück, so sehen wir, den Mören, der Ilithyia,
der Tellus, sind in dieser Reihenfolge in der ersten, zweiten, dritten
Nacht die ihnen gebührenden Opfer und die zugehörigen Gebete dar-
gebracht worden: aber sie erscheinen dort verbindungslos neben ein-
9), und
ander, wie es auch im Sibyllenorakel der Fall ist (V.S
nur darin sind sie unter einander verknüpft und gleichgestellt, dass
ihre Verehrung der Nacht und dem Dunkel anheimfällt. Horatius hat
diese Gottheiten, aber in anderer Ordnung und nicht in loser Reihe,
sondern in einer ideellen Verknüpfung, wie sie dem Dichter ziemt, der
auch nicht die diesen Gottheiten dargebrachten Opfer mit seinem Liede
begleitet, sondern vom letzten Moment des Festes zurückblickend auf
die bereits vollzogenen Opfer die allgemein gehaltenen bei allen gleich-
artigen Gebetsformeln der Acta in speciellere der Natur der Gottheiten
angepasste Gebete umgesetzt hat. Es sind aber, wenn wir auf den
ideellen Gehalt sehen, die natürlichen Grundlagen, auf denen der Be-
stand der Stadt und des Staates beruht, die in diesen Gebeten ihren
Ausdruck gefunden haben: und was konnte angemessener erscheinen,
bei einem Fest, an dessen Feier die dauernde Wohlfahrt des Reiches
geknüpft worden, als der Wunsch, der Stadt und dem Reiche möge
es nicht an Menschen fehlen und den Menschen, die geboren werden,
nieht an Brot, und die Beziehung auf Augustus selbst, die, wie an-
gedeutet, hierin enthalten ist, musste diese Fassung des Gedankens
um so wohlgefälliger erscheinen lassen. Auf die Verordnung gegen
die Ehelosigkeit nehmen die Acta selbst Bezug, indem sie für dieses
Fest eine Ausnahme statuieren, insofern sie die Zuwiderhandelnden von
der seltenen Feier, die keiner zweimal erlebt, nieht wegweisen”. Es
ist bekannt, dass in dem Jahr vor dem Säcularfest das Gesetz de mari-
landis ordinibus erlassen wurde, welches dem Diehter vor Augen schwebt
‚bei den Worten (V. 18) patrumque prosperes decreta super dugandis feminis
prolisque novae feraci lege marita. Und so hat Horaz hier wie auch sonst
z Euripides Hippolyt. 601 5 ya umreo MAdoU $ AaRTU, ‚ct. 67 2 1 ya za pe.
Medea 746 Opa mEöon Ins Mare egu SS’ "Hrıov murgos. 752 Oavur T7v zu Aayumgov “HAlov
pas. Bas io) U« TE zu matpens ars Asdıov. Supplie. 260. Diodor 37, ıı Smvunt .
za Fov Yardayınv "Hrıov zer Fa evegry: erw Cum TE zu burov Inv.
®? Mommsen, Ephem. S. 248.
1012 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 24. November.
vielfach', in einer wichtigen Frage den Ideen seines Herrschers einen
wirksamen Ausdruck gegeben: denn die Verhältnisse der Hauptstadt
mochten wohl von der Art sein, dass gesetzliches Einschreiten, um den
Rückgang der Bevölkerung zu hemmen, geboten erscheinen konnte, Ver-
hältnisse etwa denen vergleichbar, die heut zu Tage unseren westlichen
Nachbarn den ängstlichen Ruf abpressen Faites des enfants.
Die erneute Anrufung an Apoll und Diana ‘Höre die Knaben, höre
die Mädchen’ (33—35)
condito mitis placidusque telo
supplices audi pueros, Apollo ;
35 siderum regina bicornis audi
Luna puellas.
indem sie zurückgreift auf die beiden Eingangsstrophen mit der ent-
sprechenden Anrufung, schliesst den Rahmen, der das in ungehemmtem
Fluss sich ergiessende Gebet (V. 9
32) umfängt, aber so, dass diese
gleichsam in die Mitte zwischen zwei gesonderte Läufe gestellte Strophe,
bei der das Gedicht einen Augenblick still zu stehen scheint, zugleich
ein neues Gebet eröffnet, für welches Gehör von Apollo und Diana er-
fleht wird. Denn auch hier, wie V.9, nimmt das Gebet, von der An-
rufung der beiden Gottheiten getrennt, einen neuen Anlauf (37 —52).
Roma si vestrum est opus lliaeque
itus Etruscum tenuere turmae,
iussa pars mutare lares et urbem
40 sospile cursu,
cui per ardentem sine fraude Troiam
castus Aeneas patriae superstes
liberum munivit der, daturus
plura reliclis:
45 di probos mores docilis iuventae,
di senectutis placidae quwietem
Romulae genti date remque prolemque
et decus omne ;
quaeque vos bobus veneratur albis
so Glarus Anchisae Venerisque sanguis,
impetret, bellante prior , iacentem
lenis in hostem.
In diesem von den Interpreten, wie mir scheint, nicht immer richtig
aufgefassten Abschnitt erkenne ich einen gedoppelten Gedankenlauf,
' Nicht bloss in diesem Gedicht, wenn auch in diesem ganz besonders; Ss.
Mommsen’s Festrede in den Sitzungsberichten d. Akad. 24. Jan. 188g.
Vauten: Über das Säculargedicht des Horatius. 105
aber so geformt, dass die beiden Vorder- und die beiden Nachsätze ge-
paart sind. ‘Wenn Rom euer Werk ist, ihr Götter', so gebet dem Ro-
mulusgeschlecht was ihm zum Heil und zur Zierde gereicht, der Jugend
fromme Sitten, des Alters ruhigen Frieden und Reichthum und Nach-
wuchs und jegliche Zier.’ Zweitens. “Wenn auf euer Geheiss, ihr Götter,
unter Aeneas Führung die Trojanerschaar am Tiberstrand sieh angesie-
delt, so gewährt dem erlauchten Sprössling aus Anchises und der Venus
Blut, um was er am festlichen Opferaltar euch anfleht.” Die tragen-
den Stützen dieses wunderbar aufgebauten Gedankengefüges sind Roma
(V.37) und Romulae genti (V.47) und hinwieder Aeneas (42) und Anchusae
Venerisque sanguis (50). — Aber was soll ihm für Opfer und Gebet zu
Theil werden? (53—72)
iam mari terraque mamus potentes
Medus Albanasque timet secures ;
iam Scythae responsa petunt , superbi
nuper, et Indi;
in
un
iam Fides et Pax et Honos Pudorque
priscus et neglecta redire Virtus
audet, adparetque beata pleno
60 Copia cormu:
augur et fulgente decorus arcu
Phoebus acceptusque novem camenis,
qui salutari levat arte fessos
corporis artus,
65 si Palatinas videt aequus aras ,
remque Romanam Latiumque felix
alterum in lustrum meliusque semper
prorogat aevum;
quaeque Aventinum tenet Algidumque
70 quindecim Diana preces virorum
curat et volis puerorum amicas
adplicat aures.
Eine geschlossene mit dem vorigen fest verschlungene Gedankenkette,
deren Ringe in iam (53.55) und sö (65) gegeben sind, indem der
! Ich kann mir A. Kiessling’s Auffassung nicht aneignen, der doeili und senectuti
beibehält und wegen der Häufung der Dative probos mores d. i. nicht von date abhängig
machen will; sein Hinweis auf di meliora mit Ergänzung eines allgemeinen Begriffs
des Gewährens scheint mir aber aus mehr als einem Grunde bedenklich. Mit dem
doppelten di vgl. C. 4, 6, 37. 38
rite Latonae puerum canentes,
rite crescentem face Noctilucam.
1014 Sitzung der philosophiseh -historischen Classe vom 24. November.
Dichter das bereits Erreichte zur Grundlage nimmt für den Wunsch
und die Zuversicht auf ferneres Gedeihen. Anknüpfend an die schöne
Zeichnung des glücklichen und milden Siegers bellante prior, iacentem
lenis in hostem‘ lässt Horatius in gewählten Bildern einige der grossen
Erfolge an den Hörern vorüberziehen, die Augustus in dem Decennium
nach dem Actischen Siege im Innern und nach Aussen errungen hat.
‘Schon sind die mächtigen Kriegsschaaren zu Wasser und zu Lande
den Medern ein Schrecken und wenden Seythen und Inder” in Ehr-
furcht sich an den Herrscher in Rom; sehon ziehen Treue und
Friede und Schamhaftigkeit und alle Tugenden wieder ein und mit
ihnen das Füllhorn des Reiehthums. Sieht Apollo — und er thut
es gewiss — gnädigen Blicks auf die am Palatinischen Hügel auf-
gepflanzten Altäre (an denen eben-die Opfer dargebracht worden), so
führt er Rom und Latium in ein zweites glückliches Lustrum (felix
alterum” in lustrum prorogat) und immer bessere Zeitenläufe; und Apollo’s
Schwester Diana leiht dem Gebet der Priester und den Gesängen der
Knaben ein geneigtes Ohr.’ Es bedarf kaum eines ausdrücklichen
Hinweises darauf, wie fest sö (65) in dem aufgewiesenen Gedanken-
gefüge seinen Platz behauptet: dennoch hat man die Bedeutung des-
selben und damit den Zusammenhang, dem es dient, verkennen können.
Selbst Madvig (Adv. erit. 2 S.55), indem er die Partikel dureh Ave er-
setzte, hat die Absicht des Dichters geschädigt. Und wie sollte doch
si, weil es eine Bezeichnung des Zweifels (significationem dubitationis)
enthielte, hier weniger angebracht sein als 37 in Roma si vestrum
est opus und an den vielen Stellen, an denen die Partikel freilich
eine Bedingung, aber eine Bedingung, deren Erfüllung zuversichtlich
vorausgesetzt wird, einzuführen dient. — Dem Bruder ist hier, wie
im ganzen Gedicht, die Schwester angeschlossen, und die sie an-
gehende Strophe (wie quaeque V.69 ihr auch in der Form engeren An-
schluss giebt; s. zu V.25) steht gewissermaassen noch mit unter dem
Regime von Phoebus si videt aequus (V.65). Hat nun hier (bei der
Diana) Horaz Gelegenheit gefunden, auch der Priester zu gedenken
(quindecim preces virorum V.70), denen bei diesem Feste vorragende
Bedeutung zukam und deren Anwesenheit bei der Palatinischen Feier
die Acta (2.150; Mommsen, Kphem.S.254; 246) ausdrücklich bezeugen,
so ist doch der Hauptgedanke, wie billig, an den Gott geknüpft, an
! Mommsen, Res gestae divi Augusti ed. ıı (1883) S.6.
?2 Mommsen a. a. O. 8.135 f. und S. 132 —134.
® Dass felix alterum .. lustrum zu verbinden sei (anders Kiessling) zeigt wie mir
scheint meliusque semper aevum. Siehe auch die Formeln bei Mommsen, Ephem. S. 265
fiet res vestra melior u. a.
* Ovid. Fast. 5, 573 sö mihi bellandi pater est auctor, sagt Augustus, Mars, ades.
Metam. 3, 263 ff. sö maxima Iuno Rite vocor. Horaz selbst C. 3, ı8, 5. Sat.2, 6, 6 syq.
Vanren: Über das Säcnlargedicht des Horatius. LOT5
dessen Altären eben die Opfer dargebracht worden. Auch ist es nur
Schmuck, wenn es von der Diana heisst (V.69) guae Aventinum tenet
Algidumgue (denn dahin hat sich die Opferfeier' unseres Wissens nicht
erstreckt), wie es meines Erachtens auch nur poetischer Schmuck ist,
wenn V.61—64 Apollo’s Charakterismen in knappem aber treffenden
Ausdruck zusammengefasst werden, denen in specieller Ausdeutung des
Einzelnen ebenso viele ‘Beziehungen zu dem hiesigen Gebete abge-
winnen zu wollen,” schwerlich der Absicht des Dichters entsprechend
sein dürfte.
Das Gebet ist zu Ende; dass es nicht vergeblich sei, dass viel-
mehr Jupiter und alle Götter für die Gewährung des Erflehten stim-
men, mit diesem Wunsch und dieser Zuversicht beschliesst der Chor
sein Lied, das mit den letzten Worten zum Anfang zurückkehrt und
wie es am Tempel des Palatinischen Apollo gesungen worden, so als
ein Lied zum Preis des Apollo und der Diana sich darstellt.’
haec lovem sentire deosque cunctos
spem bonam certamque domum reporto,
75 doctus et Phoebi chorus et Dianae
dicere laudes.
Überblicken wir das Ganze, so erkennen wir eine einfache Gliederung.
Ein doppeltes Gebet, beide in geschlossenem Gedankenzug sich ent-
wickelnd (9— 32; und 37 —72), aber gesondert durch die zwischen
gestellte Anrufung an Apollo und Diana (33 — 36), die als Mittelstück
zu beiden - gehörig, zusammen mit den beiden ersten und mit der
letzten Strophe, welche das ganze Gedicht einschliessen, beiden eine
sinnige Umrahmung verleiht. Als gemeinsamen Inhalt beider Ge-
bete ergab das Fest und die Weissagungen, die dasselbe verlangten,
die Dauer und die Wohlfahrt der Stadt und des römischen Staates,
aber sie behandeln ihn verschieden: das erste, wie wir sahen, die
physischen Bedingungen des Staatswohls, die in der Bevölkerung und
der Fruchtbarkeit des Bodens gegeben sind, das andere mehr die
ethischen und die politischen Elemente, auf denen das Gedeihen und
das Ansehen des Staates beruht, beides in Beziehung gesetzt zu den
Bestrebungen des Herrschers, auf dessen Anordnungen das erste Gebet
! In den Acta geschieht der Diana in Aventino nur bei der distributo suffimen-
torum 2.10 und frugum acceptio Z. 32 Erwähnung; vgl. Mommsen, Ephem. S. 251.
® Wie Kiessling versucht hat; doch vergleiche man auch die schmückenden Be-
zeichnungen des Apollo und der Diana im Eingang V.ı.2 und wieder V. 33 — 35.
= V8l5 014,6437
rite Latonae puerum canentes,
rite crescentem face Nochilucam,
prosperam frugum celeremque pronos
volvere menses.
1016 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 24. November.
hinwies, und der in dem zweiten persönlich als leuchtender Mittel-
punkt des Ganzen in einem anschaulichen und die Phantasie anregen-
den Bilde (5of.) hervorragt. In ähnlichem Verhältniss stehen auch
die Gottheiten zu einander, welche hier und dort als die bewegenden
Kräfte angerufen werden. Denn wer immer die nicht namentlich ge-
nannten Götter sind, die V. 36.45 angeredet werden, dass sie, wenn
nicht Apollo und Diana selbst, doch mit Apollo und Diana in Eine
Reihe gehören, ist ebenso gewiss, wie dass sie von llithyia, Parzen
und Tellus, den Gottheiten des ersten Gebetes, getrennt sind.
Nun schreibt Hr. Mommsen in dem Aufsatz ‘die Acten zu dem
Säculargedicht des Horaz’ a. a. O. S.ı63 ‘Die beiden Götterreihen,
nach welchen diese Feier geordnet ist, die der überirdischen Gott-
heiten Jupiter, Juno und Apollo nebst der Schwester, die unter-
irdische der Mören, der Iithyien und der Mutter Erde müssten für
denjenigen Dichter, welcher es versteht ‘“der Gelegenheit ein Gedicht
zu schaffen”, die rechten Schwingen sein, um Sinn und Folge sei
es aus ihnen zu entwickeln, sei es in sie hineinzulegen, und‘ den
auf dem Boden der Erde zwischen dem Himmelsgewölbe und dem
Schoosse der Tiefe wandelnden Menschen die Herrlichkeit wie die Be-
dingtheit ihres Looses in zwiefacher Bilderpracht vorzuführen. Das
hat Horaz nicht gethan. Die Gottheiten werden wohl alle genannt
und gefeiert, aber in aufgelöster Folge, was der rechte Dichter sicher
nicht gethan hätte, und ohne die so nahe liegende ideale Verknüpfung.
Wer wollte leugnen, dass auch auf dem hier angedeuteten Wege ein
begabter Dichter ein schönes Festlied zu schaffen vermocht hätte?
Allein ich meine, und versuche durch Heraushebung der das Ganze be-
herrschenden poetischen Ideen zu zeigen, dass auch Horaz einen Plan
ersonnen, der dem römischen Diehter und dem römischen Nationalfest
nicht übel angestanden und ihm nieht zur Schande gereicht haben werde.
Doch wie dem sei: denn darüber muss jedem das Urtheil frei bleiben,
wichtiger ist die schon berührte aber nicht erledigte Frage, wer die
nieht namentlich benannten Götter seien, auf deren Geheiss Rom aus
der Asche Trojas sich erhoben habe. (V. 37—45). Es lag nahe an
Apollo (und die stets mit ihm verbundene Schwester) zu denken,
nicht weil sie unmittelbar vorher angerufen werden, denn wir nehmen
das Gebet abgetrennt von jener Anrufung, sondern weil Horaz auch
in dem mit dem Carmen saeculare eng verbundenen und darauf vor-
bereitenden Gedicht ©. 4,6 den Apollo preist, dass, indem er den Achill
erschlug, die Gründung Roms durch die übrig gebliebene Trojanerschaar
ermöglicht ward!. Und wenn im Sibyllenorakel (V. ı2) die Favaevzu
! Denn das ist der Sinn der beanstandeten : Verse 21—24.
Varten: Über das Säculargedicht des Horatius. 1017
rau, als Opfer des Zeus bezeichnet sind und auch sonst die weissen
Stiere an Jupiter zu denken veranlassen, so gilt dies doch nicht aus-
schliesslich (s. Diels, Sibyll. Blätt. S. 38), und im Sibyllenlied selbst
heisst es, nachdem die ravrevxaı raüpaı des Zeus und daudans Boos deuas
&yraov der Hera genannt sind, V.ı6 za boißos Aroaruv.. Ina dedey,Su
Suuare Ayroiöys, d.h. gleiche Schlachtopfer mit den eben genannten.
Daher es unverwehrt scheinen konnte, bobus albis (V. 49) bei Horaz
auf Apollo zu beziehen und demnach die Palatinae arae (V.65) als
die Altäre zu verstehen, an denen eben die weissen Stiere dem Apollo
zum Opfer geschlachtet worden, und so die beiden Theile dieses Ge-
betes noch enger zu verknüpfen. Allein diese Auffassung ist durch
die neue Urkunde hinfällig geworden: wir entnehmen den Acta des
Quindecimviralcollegiums die Angabe, dass dem Apollo nieht Stiere
geschlachtet, sondern Opferkuchen dargebracht worden in Zahl und
Art denen der llithyia gleich; überdies ist das scheinbare Zeugniss
der Sibyllinischen Verse durch eine auch von Hrn. Mommsen gebilligte
einleuchtende, neuestens freilich wieder bestrittene', Berichtigung von
Wilamowitz-Moellendorff mit den Acta in Übereinstimmung gebracht
(Beides Arorruv. .ica dedeySw Wuar "EreiSurew). Es hilft zu nichts,
sich zu wundern, dass Apollo, dem der letzte Tag des Festes ge-
widmet ist, in den Opfergaben den Ilithyien gleichgehalten worden:
an der Thatsache ist nieht Zu rütteln, und Horatius’ bobus veneratur
albis (V. 49) geht nicht Apollo und Diana, sondern Jupiter und Juno,
die CGapitolinischen Gottheiten, an; denn auf beide, denen am ersten
und am zweiten Tage Stiere oder Kühe geschlachtet worden, darf
man des Dichters Ausdruck beziehen. .Dieses sichere und für das
Verständniss des Horaz werthvolle Ergebniss hat Hr. Mommsen aus
den Acta gezogen und das Sachverhältniss in gebührendes Licht ge-
rückt (Ephem. 256f.). Indem er aber darin einen Fehler des Dichters
erkennt, dass er die Capitolinischen Gottheiten meine, aber nicht
nenne, und den Hörer in die Versuchung führe, statt ihrer an
Apollo und Diana zu denken, hat er aus diesem Grunde und einem
anderen Zeugniss der Acta zu Liebe eine besondere Vortragsweise
des Carmen saeculare angenommen, die den Fehler des Dichters zwar
nicht beseitige aber verringere. Weil nämlich der Bericht der Acta
über die Feier an dem Palatinischen Tempel des Apollo 2.147 f.
! Stengel, ‘Zum Säcularorakel’ Hermes 27 (1892) S. 446ff. tritt für die über-
lieferte Fassung ein: airız deyIw Sünara Anroiöns, die er mit V. gf. EirsSvles agesar-
n J I I ’ ed . . B .. »
Iaı madororous Tusessw omn Jeuis parallelisiert. Mir scheint seine Erklärung keines-
wegs alle Bedenken zu beseitigen: aber wenn auch, würden auch so Apollo's Opfer von
den nächst vorangegangenen der weissen Stiere getrennt, mit denen, die den Eileithyien
gebühren, zusammengeordnet erscheinen. |Eben sehe ich, dass auch Hr. v. Wilamowitz
selbst im Hermes 27 (1892) S. 648 sich seiner Berichtigung annimmt. 23. Novemb.].
Sitzungsberichte 1892. 92
1018 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 24. November.
besagt sacrificio perfecto pueri xxvm.. et puellae totidem carmen cecine-
runt; eodemgue modo in Capitolio, woran sich die Worte Carmen composuit
(@. Horatius Flaceus anschliessen, so hält er dafür, das Carmen saecu-
lare sei Processionslied gewesen und in grossen Pausen auf dem Wege
vom Palatin zum Capitol und von da zurück zum Palatin gesungen
worden, damit auf diese Weise erreicht werde, dass der mittlere Theil
des Gedichtes, der an die Gapitolinischen Gottheiten sich wende, An-
gesichts dieser Gottheiten gesungen, dem Hörer das Verständniss er-
öffne, das dem Leser durch Schuld des Dichters verschlossen sei. So
sinnreich diese Vermuthung ist, die Beifall und Zustimmung bereits
bei mehreren Gelehrten gefunden hat', so glaube ich doch nicht, dass
es nöthig sei, diese Vortragsart zu statuieren, über deren Ausführbarkeit
nieht zu streiten ist, wenn auch das Carmen selbst in seiner festen
Fügung, die ich darzulegen versuchte, der Annahme nicht gerade
Vorschub zu leisten scheint: aber ich meine, dem Dichter in anderer
Weise gerecht werden zu können, ohne dass es jener äusseren Krücke
des Verständnisses bedurft hätte.
Wir halten fest, was früher bemerkt worden, dass das mit Roma
si vestrum est opus (V.37) beginnende Gebet von den vorangegangenen
Anrufungen des Apollo und der Diana abgetrennt stehe, und erinnern
uns auch, was für das ganze Gedicht zu gelten hat, dass Horaz vom
letzten Tag der Festfeier zurückbliekend gleichsam den ganzen Inhalt
des Festes in seinem Gesange erschöpft und mit den jetzt am Apollo-
tempel dargebrachten Opfern in Verbindung setzt. Wenn er nun dieses
Gebet anhebend sagt ‘Wenn Rom euer Werk ist, ihr Götter, so ge-
währet dem römischen Volk was ihm frommt’, so hat er sich des
Diehterrechts bedient, das Allgemeine statt des Besondern zu setzen,
wie doch auch V.7 dis quibus septem placuere colles dicere carmen nicht
auf die eben genannten Apollo und Diana eingeschränkt ist und C. 4, 6
ego, dis amicum saeculo festas referente luces reddidi carmen eine allge-
meinere Bedeutung hat (vgl. Sibyllenor. V.20). Dieses Allgemeine aber
auf das gemeinte Besondere zu deuten, war durch den Gang des Festes
und die entsprechende Anlage des Gesanges besonders leicht gemacht,
ı
! Der Ansicht von Mommsen haben Stengel, Hermes 27 S.447 n.2, und be-
sonders Dressel sich angeschlossen, der im Anhang zu Mommsen’s Ausführungen in der
Ephem. ı891 unter der Aufschrift Nummi Augusti et Domitiani ad ludos saeculares per-
tinentes die auf die Saecularia bezüglichen Münzen einer Revision unterzogen, und die
S. 313 n. 10 besprochene Münze auf diese Procession der singenden Knaben und Mädchen
beziehen zu können geglaubt hat. Ob er die Figuren richtig beschreibt, darüber werde
ich mit einem so gewiegten Kenner nicht streiten: aber erklärt, so dass sich darauf
bauen liesse, sind sie gewiss noch nicht vollständig; und erscheint mir daher diese
Unterlage zu wenig fest, um Schlüsse über die Vortragsart des Horazischen Chor-
gesangs daraus zu ziehen.
Re
VAuLEen: Über das Säculargedicht des Horatius. 1019
so dass man jetzt, nachdem wir durch die neu aufgefundenen Acta
klüger geworden sind, glauben möchte, man hätte auch früher ein-
sehen müssen, dass, nachdem Hithyia, Parcae, Ceres vorangegangen,
mit Diana und Apollo aber geschlossen wird, die di der Mitte die
Hauptgottheiten des Festes, Jupiter und Juno, seien. Denn dass dies
Horatius’ Meinung ist, dafür giebt uns auch hier das C.4,6 einen
nützlichen Fingerzeig, das zwar den Apollo feiert, weil er den Achill
erschlagen und so Rom’s Gründung durch Aeneas ermöglicht habe,
aber nieht unterlässt, die glückliche Ausführung von Jupiters Zustim-
mung und Genehmigung zu leiten: ni twis (Phoebi) ‚flewus Venerisque
gratae vocibus divum pater adnuisset rebus Aeneae potiore ductos alite
muros (V.2ıff.). Nun hätte freilich Horaz, wie er allgemein mit di
begann, so auch mit einer allgemeinen Bezeichnung der Opfer seinen
Gedankenzug beschliessen können (‘Habt ihr Götter den Aeneas ge-
leitet, so möge Aeneas’ Sprössling erlangen um was er unter Opfer-
darbringung euch anfleht’), zumal, wie wir aus den Acta erfahren,
Augustus die sämmtlichen Opfer dargebracht hatte, er allein oder er
und Agrippa (Mommsen, Ephem. S.260). Allein obwohl damit der
Gleichartigkeit des Ausdrucks besser gedient war, zog es Horatius
vor, damit die allgemeine Bezeichnung der di ihre besondere Be-
ziehung auf die Capitolinischen Gottheiten erhalte, in den bobus albis
ein bestimmtes, diesen Göttern dargebrachtes Opfer zu nennen, das
überdies einem Jeden, der es zwei oder einen Tag zuvor mit ange-
sehen, in lebendiger Erinnerung haften musste, auch wenn jetzt das
Lied nicht Angesichts des Capitolinischen Jupiter gesungen wurde.
Und wie diese Nennung des Opfers dem Hörer wie dem Leser das Ver-
ständniss auch des Vorangegangenen eröffnet, so gewährte es auch dem
Dichter angemessenen Fortschritt von der Capitolinischen Opferfeier zu
den jetzt am Palatin dargebrachten Opfer, und gewinnt auch so das
ganze Gebet innerlich festen Zusammenschluss. Was aber die Worte
der Acta betrifft eodemgue modo in Capitolio (seil. carmen cecinerunt),, aus
denen Hr. Mommsen den Gedanken an Processionslied geschöpft hat,
so bin ich geneigter nach dem Wortlaut! wiederholten Vortrag des gan-
zen Liedes zu verstehen, nur nicht als integrierenden Theil der religiö-
sen Feier, sondern als ein Corollarium, das dem grossen Erfolg des Ge-
diehtes eingeräumt wurde. Horaz war selbst mit seiner Dichtung nicht
unzufrieden, die gewiss auch den Intentionen des Augustus entsprach.
In dem C. 4,6, das nur kurze Zeit vor der Aufführung des Carmen
saeculare gedichtet worden, wendet sich Horaz an Apollo, der wie
er Antheil habe an der Gründung Roms, so auch das dem Andenken
! Vgl. Z. 109 eodemque modo sellisternia matres familiae habuerunt, das mit Z. 101
zu vergleichen. Vgl. auch Z. 82,
92*
1020 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 24. November.
an die Gründung der Stadt gewidmete Festlied schirmen werde (V. 27):
Dauniae defende decus camenae, dann aber mit den Worten (V.29) spi-
ritum Phoebus mihi, Phoebus artem carminis nomenque dedit poetae an
den Chor der Knaben und der Mädchen, welche das Lied zu singen
auserwählt sind, virgimum primae puerique claris patribus orti ... Lesbi-
um servate pedem meique pollieis ictum usw. Die Säcularode, erkennt
man, liegt fertig und ist zu des Dichters eigener Befriedigung ge-
rathen: was noch erübrigt, ist der Erfolg der Aufführung, und diesen
sich zu sichern, hat er des Gottes Hülfe angerufen und ermahnt ein-
dringlich den Chor, es an sich nicht fehlen zu lassen. Aber er setzt
Hoffnung auf das Gelingen; den Mädchen, die im Chore singen, er-
öffnet er die Aussicht: nupta iam dices ‘ego dis amicum saeculo festas
referente luces reddidi carmen docilis modorum vatis Horati”'. Und die
Hoffnung hat ihn nicht getäuscht: Gedicht und Gesang muss mit
gleichem Beifall aufgenommen sein, wenn anders C.4,3 nichts ist als
der Widerhall von dem grossen Erfolge, den das Säcularlied seinem
Dichter eingetragen’. Wäre es bei dieser Sachlage undenkbar, dass,
wie Terentius’ Eunuchus, wie Aristophanes’ Frösche des grossen Bei-
falls wegen an demselben Tag und Fest ein da capo erlebten, von dem
die Aufführungsberichte melden, so auch dem Carmen saeculare, um
! Ich sehe daher auch in diesem Gedicht so sehr ein festgefügtes Ganze, dass
ich der Annahme nicht beitreten kann, der jüngst auch M. Hertz sich angeschlossen,
dass das Gedicht in zwei zu zerlegen sei, deren eines die VV.ı— 28, das andere den
Rest umfasse. Dieses erste, das nach volltönender Lobpreisung des Apoll nichts weiter
besagt als Dauniae defende decus camenae (V.27), bliebe unklar und empfinge doch erst
aus dem zweiten sein Verständniss, aus dem wir entnehmen, dass es das Lied sei,
welches saeculo festas referente luces (V.42) gesungen werden soll; und dass nun auch
die ganze Ausführung über Phoebus, den Bezwinger des Achill, aus dem Gedanken
an die Gründung Roms hervorgegangen, der die Säcularfeier eingegeben, entnimmt
man in diesem Zusammenhang zwar auch den VV.21ı— 24, aber man entnimmt es
noch deutlicher, wenn man damit das Säcularlied selbst (V.37ff.) vergleicht. Bei so
enger Gedankenverbindung kann der rein äusserliche Umstand, dass V.2gff. die An-
rede wechselt, kein Bedenken erregen, zumal auch dies aus der Grundstimmung
des Gedichtes sich fast nothwendig ergab.
2 Das Säcularlied ist freilich hier nicht genannt. Aber wenn Horaz singt:
Romae, principis urbium,
dignatur suboles inter amabiles
15 vatum ponere me. choros,
et iam dente minus mordeor invido
und wieder
21 Zotum mumeris hoc tuist,
quod monstror digito praetereumtium
Romanae fidicen Iyrae
so ist nicht zu verkennen, es muss etwas geschehen sein, das ihm diesen Ausdruck
befriedigten Hochgefühls eingegeben hat. Und fragt man, was das gewesen sein könne,
so kann bei einer in das vierte Buch aufgenommenen Ode die Antwort nicht anders
lauten als der Erfolg des Säcularliedes.
VARLen: Über das Säculargedicht des Horatius. 1021
dem beim Fest versammelten Volk diesen Genuss noch einmal zu be-
reiten, eine wiederholte Aufführung zu Theil geworden und die Quin-
deeimviri, als sie den Bericht über das abgehaltene Fest aufsetzten,
diese Nachrieht zugleich mit des Dichters Namen zu verzeichnen werth
gefunden? Dass dazu nicht der Palatinische Tempel sondern das Ca-
pitol gewählt ward, konnte äussere Gründe haben, und genügend
wäre allein, dass die zweite Aufführung eben nicht als ein Theil des
Festes angesehen werden sollte. Auch so hätten wir den Acta zu
danken, dass sie uns diese des Interesses nicht ermangelnde That-
sache aufbewahrt, und Hrn. Mommsen, dass er durch seine Behand-
lung auch dieser Fragen die Aufmerksamkeit der Gelehrten dahin
gelenkt hat, die nicht verfehlen werden, die hier angeregten Zweifel
endgültig zu erledigen.
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Die Unterlage des Laertius Diogenes.
Von H. Usenxer. :
(Vorgelegt am 17. November [s. oben S. 983].)
D. antike Überlieferung über die Geschichte der griechischen Philo-
sophie spaltet sich bekanntlich in zwei selbständig neben einander
herlaufende Arme: sie war entweder doxographisch oder biographisch.
Jene Strömung hat durch Herwm. Dress nieht nur die treffende Be-
zeichnung, sondern auch eine so erschöpfende Beleuchtung erhalten,
dass ich von jeder Bemerkung absehen kann. Die biographische
Geschiehtsschreibung wurde aus der isolirenden Behandlungsweise, in
welcher noch die umfassenderen Schriftsteller der älteren Generation,
ein Antigonos von Karystos und ein Satyros sich gefallen hatten, her-
ausgeführt und in feste, geschlossene Form gebracht durch Sotion.'
Er führte als Ordnungsprineip die Abfolge von Lehrer und Schüler,
die Succession (dıadoyy) ein; sein ausführliches Werk trug ebenso wie
viele gleichartige Schriften der Nachfolger geradezu den Titel Ausdoyaı.
Den Faden, an welchen die einzelnen Biographien aufgereiht wurden,
bildeten zwei Successionsreihen ,’ eine ionische, die mit Anaximandros
dem Schüler des Thales anhob, durch Vermittelung des Archelaos
den Sokrates einreihte und von diesem die verschiedenen Linien der
Sokratischen Schulen, vor allem Akademie und Peripatos, Kynismus
und Stoa ausgehen liess; und eine italische, die an Pythagoras und
seine Schule die Eleaten, an diese die Atomisten und daran einer-
seits die Skeptiker, andererseits Epikur anknüpfte. Das grundlegende
Werk des Sotion fand schon in der nächsten Generation, unter dem
sechsten Ptolemaeer (181-146), einen Epitomator in Herakleides
Lembos, dem Sohn eines Serapion, und noch spätere Darsteller dieser
Suecessionsgeschichte, wie Nikias und Hippobotos, werden in einer
Weise mit Sotion zusammen genannt, welche keinen Zweifel daran
lässt, dass ihre Arbeiten das Werk des Sotion oder vielmehr den
! Vergl. H. Dies, Doxographi S. 147 ff.
2 Genaueres gibt Ronpe in den Verhandluugen der 34. Philologen -Versammlung
zu Trier 1879 S. Sıff.
1024 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 24. Nov. — Mittheilung v. 17. Nov.
Heraklidischen Auszug daraus zur Unterlage hatten." Doch würde
es ein Irrthum sein daraus zu folgern, dass durch Sotion die Arbeit
in dieser biographischen Darstellung der griechischen Philosophie ab-
geschlossen gewesen wäre und alle weitere Schriftstellerei nur in
Auszügen oder Abschriften bestanden hätte. Um davon nicht zu
reden, dass das Leben der Philosophie um 200 v. Chr. nichts weniger
als abgeschlossen war, es blieb den Nachfolgern noch manche Gelegen-
heit zu selbständiger Förderung. Namhafte Männer wie Herakleitos®
und Diogenes von Apollonia hatten sieh nicht ohne weiteres dem
Diadochensystem anpassen lassen; bei Diogenes scheint das erst dem
2)
Antisthenes gelungen zu sein,” der nicht füglich vor dem Jahre 50 v. Chr.
geschrieben haben könnte, wenn er wirklich gegen. das Homonymen-
werk des Demetrios polemisirte, wie Nirrzscne meinte.“ Vor allem
wurde in späterer Zeit das Bedürfniss empfunden, genauere Überblicke
über die Lehrmeinungen der einzelnen Philosophen und Schulen zu
erhalten. Das umfassende Werk, das in Sullanischer Zeit auf der
Grundlage Theophrast’s geschaffen und durch den Auszug erst des
Aötios, dann des sogenannten Plutarch auf uns gebracht wurde, und
vergleichende Darstellungen der von den maassgebenden Schulen ver-
fochtenen Lehren, wie sie Antiochos von Askalon zu geben pflegte
und in Augusteischer Zeit Didymos Areios herstellte, mochten dazu
! Nikias: s. Athen. IV p. 162° ws Nizies 6 Nizasls iorogei ev rn reg) Twv ırorecdum
Irogie za Dwriwv 6 ArsEavögeus £v rais Aradoy,cis und XI p. 505’ ws Nizias 0 Nixzasüs
S Nee : ı IR En ERRON < Ne EN
Iarogei za Iwriu. Hippobotos: Laert. Diog. 9, 115 we 0e Immoßoros dyrı zaı Zwrimv.
U. v. Wıramowırz, Antigonos von Karystos (Philol. Untersuchungen IV) S. 105 Anm. 4
denkt an ‘namentliche Anführung’ Sotion'’s.
® S. Krısche’s Forschungen S. 58.
Nach Laert. Diog. 9, 57:
Nırrzsche, Rhein. Mus. 24, 203 f., seine Annahme beruht auf Laert. Diog. 9, 27:
aus demselben 6, 87 f. 9,35 könnte man aber mit gleichem Recht das umgekehrte
schliessen. Eher dürfte man aus dem Homonymenverzeichniss bei L. D. 6,19 za
Podtos rıc irrogiros entnehmen, dass Demetrios Magnes den Diadochenschriftsteller nicht
kannte und nur den von Polybios 16, ı4f. genannten Geschichtsschreiber erwähnt.
Mir scheint auch dies eine zweischneidige, unbrauchbare Waffe. Zeruer hat in diesen
Sitzungsberr. 1883 S. 1069 f. die Fälschung der von Phlegon aus dem Peripatetiker
Antisthenes berichteten Wundergeschichte treffend nachgewiesen. Aber den Diadochen-
schriftsteller mit dem-älteren Rhodischen Geschichtsschreiber zu identificiren, dafür
reicht das Praedicat 6 wsgıraryrızes diRorobes nicht aus, und dagegen scheinen mir
Bedenken zu sprechen, die sich aus der Geschichte der Diadochenschriftstellerei er-
geben. Anf die Fabulistik des Diadochenschriftstellers hat Dıers in den Verhandlungen
der 35. Philol.-Vers. zu Stettin S. 103 Anm. 24 ein Streiflicht geworfen. Wie wenn
er (so meinten schon Jossıus und Nietzsche a. a. O.204) eins wäre mit dem Peripate-
tiker Phlegon’s und in der Zeit des Mithridatischen Krieges jene Geschichtsfälschung
sich erlaubt hätte, die zwar dem Zeitraum, der von dem Rhodischen Historiker
des Polybios behandelt war, nicht fremd ist, aber zur Insel Rhodos gar keine Be-
ziehung hat? Weder der Antisthenes Phlegon’s noch der Verfasser der Adoy,aı ist
als Rhodier bezeugt.
“=
4
Usener: Die Unterlage des Laertius Diogenes. 1025
beigetragen haben, das Interesse am eigentlichen Inhalt der Geschichte
der Philosophie wieder zu beleben. Die jüngeren Compilatoren konnten
nicht umhin diesem Bedürfniss entgegenzukommen, und so nahmen
die vorher wesentlich biographischen Darstellungen seit der Augustei-
schen Zeit unwillkürlich einen wachsenden Bestandtheil doxographi-
scher Überlieferung in sich auf.
Von der überaus reichen Litteratur, die durch Sotion hervor-
gerufen war, ist uns nur das Werk des Larrrıus DioeEnes erhalten.
Es hat die Vorgänger in Schatten gestellt und verdrängt, nicht weil
es das beste, selbständigste oder übersichtlichste, sondern weil es
das vollständigste seiner Art war. Die doxographischen Übersichten
fand man darin aus einer zweiten, specielleren Quelle ergänzt‘; zur
Dogmatik der grossen Schulen war Diokles’ "Erikcun herangezogen,
für Epikuros sogar vier kleine Schriften des Meisters eingelegt und
dadurch vor dem Untergang bewahrt, die den Schulgründer mit
eigenen Worten den Überblick seiner Lehre geben lassen sollten; und,
was den grösseren Theil der Benutzer immer am meisten anzog, das
Biographische und Anekdotenhafte hatte zu allem, was inzwischen
hinzugewachsen war, eine beträchtliche Vermehrung erhalten durch
den reichen Ertrag, den Favorinus’ Sammlung geistvoller Aussprüche
(Arouvyuoveuuare) und ‘Mannigfaltige Geschichte” dem Compilator ge-
boten hatten. Wir dürfen uns Glück wünschen, dass Sotion’s
Werk uns nicht in einem dürftigen älteren Auszug sondern in der
reichhaltigsten Umgestaltung, die es im Alterthum erfahren hat, über-
liefert worden ist.” Wir werden in dieser Erkenntniss auch dank-
barer sein gegen einen Schriftsteller, dessen Nachlässigkeit und Un-
ordnung allenthalben die Benutzung ernstlich erschwert. Diese Mängel,
die unzertrennbar waren von der ganzen Überlieferungsgeschichte
dieses Litteraturzweigs, lassen sich durch genaue Interpretation und
Quellenforschung heben.
Wie der Mann seine Schrift hergestellt hat, tritt am hand-
greiflichsten hervor in’ seinem Abschnitt über die Epikurische Ethik.’
Er hat ein älteres Werk gleicher Art vorgenommen, einzelnes ge-
strichen, seine zahlreichen Zusätze theils am Rande beigeschrieben,
theils auf eingelegten Blättern gegeben, wenig bemüht um sachgemässe
Einfügung: die Herstellung des Zusammenhangs, der einheitlichen
Schrift blieb thatsächlich den Schreibern und ihrem Dietator über-
lassen. Bei dieser Entstehung liegt es auf der Hand, dass das einfach
1 S. Dırrs, Doxographi Gr. p. 163 ff.
? Ich freue mich darin mit v. Wıramowrrz’ Antigonos v. Kar. S. 328 über-
einzustimmen.
® S. Epicurea p. XXVII ff.
1026 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 24. Nov. — Mittheilung v. 17. Nov.
hinübergenommene Werk des Vorgängers in der neuen, unter des
Laertius Namen erschienenen Gestalt nicht genannt und als Autorität
angezogen sein kann. Aber je unselbständiger Laertius. gegenüber
dem Grundstock seiner Schrift verfahren ist, um so lebhafter empfinden
wir das Bedürfniss, den Verfasser dieser Unterlage und damit den
ungenannten Gewährsmann für einen grossen Schatz geschichtlicher
Nachrichten zu ermitteln. Die Erwägung, dass seit dem Epitomator
Sotion’s die Vorgänger des Laertius doch auch im Wesentlichen nur
einer den anderen abgeschrieben haben, kann dieses Wissensbedürfniss
zwar etwas abkühlen, aber nicht gänzlich unterdrücken. Es war
daher sehr natürlich, dass seit V. Rose zuerst die Frage gestreift,
ein wahrer Wettstreit zur Auffindung der Quelle des Laertius sich
erhoben hat. Die Namen freilich, auf die man verfiel, Demetrios
und Diokles aus Magnesia, Favorinus, führten in die Irre; es sind
Schriftsteller, die, wie Favorinus, sicher erst von Laertius oder, wie
die beiden ersteren, vermuthlich schon von seinem Quellenschriftsteller
zur Ergänzung der älteren Unterlage benutzt worden sind.
Wir müssen, wenn wir der Frage näher treten wollen, aus-
gehen von der selbstverständlichen Einsicht, dass ein Schriftsteller
nicht sich selbst als Zeugen dessen was er schreibt nennen kann.
Nieht nach dem Namen, sondern nach stehen gebliebenen Beziehungen
und Anspielungen, welche uns die Person des älteren Verfassers näher
bringen können, haben wir bei Laertius Diog. Umschau zu halten.
Es fehlt nicht ganz daran; und in einem Falle wenigstens ist die
Sachlage klar und anerkannt. Wenn gegen Ende der Einleitung
Laertius berichtet, dass ‘vor Kurzem’ (725 öAryov) eine eklektische Schule
von dem Alexandriner Potamon gegründet worden sei, wird Niemand,
der weiss, dass Potamon der Zeit des Augustus angehört, das als ein
Wort des Laertius in Anspruch nehmen." So gut als es diesen ‘Ver-
fasser’ nicht gestört hat, dass seine Schreiber die Epikurischen Ein-
lagen mit Haut und Haar, die Randscholien mitten im Text, wieder-
gaben, konnte es ihm begegnen, dass er Beziehungen seines Quellen-
schriftstellers, die mit seinen eigenen Verhältnissen unvereinbar waren,
übersah und fortpflanzen liess.
Wir ersehen ferner aus L.D.3,47, dass das ältere Werk einer
Dame gewidmet war, welche für Platon schwärmte”: und da gerade
! Laert. D. 1,21 &rı de 796 Orıyou Ha EHMEHTIAN To aigesıG En üms Moranuwvos
rov ArsEuvdgews vergl. Suidas u. Horeuwv. Richtig hat über die Natur dieser Worte
schon Nietzsche. Rhein. Mus. 24, 205 f. geurtheilt, ebenso Diers, Doxogr. S. 81, Anm.4;
ZELLER, Philos. d. Gr. IN ı?, S. 617 f. und v. Wıramowrrz, Antigonos v. Kar. S. 327
Anm. 8. Vergl. unten S.1033, Anm. ı.
® Vergl. Epieurea p. XXXIUI, und über die Benutzung des Thrasyllos Nachr,
v. d. Göttinger Gesellschaft der Wissensch. 1892 N.6 8.210 fi,
Usener: Die Unterlage des Laertius Diogenes. 1027
hier des Thrasyllos Einleitung in das Studium Platon’s benutzt wird,
so ergibt sich weiter, dass diese Darstellung der griechischen Philo-
sophie erst nach der Regierungszeit des K. Tiberius abgefasst sein
kann. Unbeachtet aber blieb bisher meist eine Andeutung, weil sie
in der Regel missverstanden wurde. Ein dem Kaiser Tiberius, dem
bekannten Förderer des Studiums Alexandrinischer Poesie gewidmeter
Commentar zu Timon’s Sillen wird 9.109 mit den Worten angeführt:
"Amorruviöns 6 Nixaels 6 map Aumv Ev TU moWrw TWv Eis Tols O1AAous Ümo-
Hınudrwv, & mpoopwvei Tıßssw Kaıvapı, dyoi xrA. An dem war uwv hatte
schon Menagius Anstoss genommen; er vermuthete mp0 Y., und diese
Vermuthung ist auch später nachgesprochen worden. Allmählich hat
man eingesehen, dass ein triftiger Grund zur Änderung nicht vorliegt,
und zu verstehen gesucht. Brrek glaubte darin eine Beziehung auf
die philosophische Secte des Verfassers sehen zu sollen." Das liesse
sich hören, wenn Apollonides Philosoph und nicht vielmehr Grammatiker
gewesen wäre.” Indess sehe ich einen Einwand voraus. Wenn den
Zusatz © rap Yuwv ein späterer, nicht hinlänglich unterrichteter An-
hänger der skeptischen Schule machte, so konnte er auf die einfache
Thatsache hin, dass Apollonides über Timon geschrieben, denselben
‚als einen der seinen in Anspruch nehmen: ‘ein Skeptiker wie wir.
So hat in der That C. Wacksmurn geurtheilt, der die Vermuthung
aufstellte, der gute Laertius selbst sei ein Skeptiker gewesen.” Dass
dazu sein Abschnitt über die Skeptiker nicht stimmt, brauche ich
nicht näher zu zeigen.” U. v. Wıramowırz schrieb den Ausdruck auf
Reehnung des späten Skeptikers, dem Laertius die bis auf Sextus
empiricus und dessen Schüler hinabreichende Suceessionsliste dieser
Schule (9,116) entnahm.’” Aber diese Liste steht nicht in innerem
Zusammenhang mit dem vorhergehenden, und ist Zuthat des letzten
Herausgebers Laertius, vielleicht aus einer gar nicht öffentlich um-
laufenden Quelle. Eine Bezeichnung der Secte konnte mit dem Aus-
druck also in keiner Weise bezweckt sein. Aber was hindert anzu-
nehmen, dass damit der von Laertius ausgeschriebene Schriftsteller
seine Heimath andeuten wollte? So verstand ©. WaAcusmuru® in seiner
ersten Bearbeitung der Sillen; ebenso, wie wir jüngst erfahren haben,
1
BERGK, Opusc. phil. 2,300.
Vergl. auch Priscianus de figuris numerorum 6 in Krır's Gramm. lat. Ill p.407, 2.
Wacnasmur# im Corpusculum poesis epicae ludibundae, fasc. Il p. 32.
Vergl. Epieurea p. XXII und Susenminr’s Gesch. d. griech. Litteratur in der
Alexandrinerzeit I S. 109 Anm. 505.
5 v. Wıramowırz, Antigonos von Karystos S. 32.
° De Timone Phliasio (Gratulationsschrift desBonner philol. Seminars zu WELCKER’S
Professorenjubilaeum 1859) p. 27 ‘verbis istis voluit fortasse Diogenes Apollonidem muni-
cipem suum dicere’. Reıske’s Bemerkung theilt Diers im Hermes, 24,324 mit.
2
3
4
1028 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 24. Nov. — Mittheilung v. 17. Nov.
schon J. J. REıske: nur dass beide an Laertius selbst dachten. Später
hat W. den gesunden Gedanken fallen - lassen. Fr. NıerzscHE hatte
diese Erklärung kurzweg unmöglich genannt.‘ Aber was in aller Welt
kann denn © rar Auwv anders heissen als ‘der von uns ausgegangene'
d. h. in diesem Falle ‘unser ehemaliger Mitbürger’ oder ‘unser Lands-
mann’? Jedem Schüler, der Xenophon gelesen, ist dieser den ver-
schiedensten Beziehungen des Ausgehens von einer Seite sich an-
sehmiegende Gebrauch der Praeposition ra%# mit dem Genetiv bekannt.
Man wird vielleicht einwenden, dass auf diese Weise die Bithynische
Heimath doppelt ausgedrückt würde. Allerdings, aber aus gutem
Grunde. Der Schriftsteller nennt zuerst in der üblichen Form des
genauen Citats seinen Gewährsmann ‘Apollonides aus Nikaia’, um
dann sielr und sein nächstes Publicum in eine ethische Beziehung zu
demselben zu setzen und mit einem gewissen Stolz hinzuzufügen
‘unser Landsmann’. Dieselbe Häufung, nur umgekehrt, findet man
bei Platon im Sophist p. 242° ro d& map Auuwv "EAeurıxov EIvos do
Zevobavous ... dofauevov: unsere Handschriften bezeugen hier den Genitiv,
der, weil er nicht verstanden wurde, schon bei Eusebios und dann
seit HEINDORF von den neueren Herausgebern durch „uiv ersetzt wurde.
In dem Werk des Laertius Diogenes werden ausser Sotion und
Herakleides Lembos folgende Diadochenschriftsteller zur Ergänzung
herangezogen: Alexander (Polyhistor), Antisthenes, Diokles, Hippo-
botos, Philodemos (von dessen Compilation uns nun die beiden Rollen
der Akademie und Stoa vorliegen) und Sosikrates. Das sind denn
auch ungefähr alle Vertreter dieses Litteraturzweiges, die wir kennen.
Denn das gleichartige Werk des Rhodiers lason, des Neffen des Posei-
donios, hat keine Spur hinterlassen; wir kennen nur eben den Buch-
titel aus Suidas, angeführt wird es meines Wissens nirgends. Aber
eine Quelle dieser Art ist allerdings noch übrig, das von Athenaios
benutzte Handbuch: die Awdoyaı des Nıxias 6 Nıxaevs. Laertius
Diogenes nennt ihn nirgends: er kennt ihn zu gut, er lässt ihn an
seiner Statt sprechen. Das ist die einfache und, wie mir scheint, ein-
wandfreie Lösung der vielbehandelten Frage. Ich freue mich damit
schon vor der Veröffentlichung dieser Zeilen nicht allein zu stehen. Dass
& rap yuwv aus der Feder des Nikias stamme, hat schon H. Diers erkannt
und an einem Orte, wo es mir bis jetzt entgangen war, geäussert.”
Ihre Richtigkeit muss sich durch die Vergleichung dessen, was
aus Nikias bezeugt wird, mit den bezüglichen Angaben des Laertius
bewähren. Nur dürfen wir bei dieser Prüfung nicht übersehen, dass
! Nıerzsche im Rhein. Mus. n. F. 24,206: ‘at hoc verba non significant’.
® In einer Bemerkung zu ‘Reiskii animadversiones in’ Laertium Diogenem’, Her-
mes 24, 324f.
Usener: Die Unterlage des Laertius Diogenes.
1029
unser Laertius, den wir doch frühestens unter Elagabal und Alexander
Severus uns thätig denken dürfen, von dem Schriftsteller der Nero-
nischen Zeit durch anderthalb Jahrhunderte getrennt ist, also das
Werk seines Vordermannes schwerlich in seiner ursprünglichen Ge-
stalt, sondern in einem Auszug vor sich gehabt haben wird.
Ich
stelle zu unbefangener Prüfung die Angaben des Athenaios und die
Stellen des Laertius zusammen.
\ \ b) m
I. Ath. XI, p. 505" po yap aurou
n2 & re. = /
(MAdrwvos) FoUI” eüpe To Eidos rwv Ao-
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ywv 6 Tnios Arekuuevos, ws Nixıas 0
Nıxasls ioropei zul Zwriwv. Apıoro-
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TEN 0 Ev TW Te momrWv oUTWs
ypauber Ovxouv oUde EuMErpous KA.
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II. Ath.XI, p. 506° ö ydp deurepos
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(Arxıßıadys TAdruves) Us Tıvwv Zevo-
bwvros eivaı Asyeraı, Ws Kal N AA-
\\ I a N n cl
xuwv Acovros TOoV Axadyuiaxov, Ws dyCL
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Nixıas 6 Nıixaevs.
III. Ath. XII, p. 592” xou Biwv ö° ©
BopvoSevirns BiAoTcbos Eraupas Av vios
"Orvurias Auxaıvns, Ws bycı Nixias 6 Nı-
Kauels Ev Tais rwv dıAoCodwv dadoy;die.
IV. Ath. IV, p. 162° Av yop (Ilep-
mw „7 > ’ \ mw I
Galos) OVTWs OIKETNS Yeyovws Tov ZY-
ir e = 7} c = \ ce wm >»
vwvos, ws Nixıas 0 Nixaeus LOTopei Ev
mn me Tuv dıAoocbwv ImTopie Kal
Zwriwv 6 Arekavdeels Ev Tais Aus-
doy,ais.
V. Ath.X,p.437° av de 6 Auo-
vuOLs ETI EX veov, Ws oycı Nixias 6
Nixasüs Ev Tals Adoy,ais, Moos Ta
dchpodioın Eruavns, al mpos Tas M-
uonias eioyeı maldıoxds ddlabopws. Kai
MOTE MopevoWEvos METL TIvwv Yvworamv
Ws Eyevero Kara To Maldıokeiov, Eis
6 N Moorspaie mapernAudws were
KAAKOUG, EX,WV TOTE Kara TUyNv EX-
TEIVAGS TAV XElpa Tavruv Opwvruv dire-
didav.
1
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L. D. 3, 47f. diaroyous rowuv bacı
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Tpwrov yoanlau Zyvwva Tov EAcdaryv
> or ©) ! m
Anıororeing Ö Ev TowWru mepl TomTwv
3 \ 3 ’ a j} e
Arekaevov Drupen 91 Tnıov, ws xdı
Badwpivos Ev Amouvnuovevunon.
L.D. 3,59 nennt den Alkibia-
des II. ohne pinakographisches Be-
denken.
Ders. 3,62 wv 9 AAxuwv Asovros
Tıvos eivaı doxei, xada ducı baßw-
Plvos Ev rw E ruv Amoumuoveuudrwv.
Vergl. Bion bei L. D. 4,46 ur»
de okay 6 TOIODToSs dv YyAudı, dr’ oixy-
Maroc.
L. D. 7, 36 Ilepoatos Anuyrpiov Kı-
TIeUs, ov ol uev Yuwpimov düre) (Zyvw-
vos), 01 de oixeryv eva Tv eis BußRuo-
ypabıav TeWrouEvW dur mapd Avrı-
Yovou.
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L. D. 7,167 as Te Ta Xaucuru-
m N ou > 7
meia Eloyeı Kal TAU drapaxaAumtws
BEN ’
NdvraSeı."
Vergl. v. Wıramowırz, Antigonos von Kar. S. ı25.
1030 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 24. Nov. — Mittheilung v. 17. Nov.
Durchweg gibt sich bei dieser Vergleichung die Fassung des
Laertius als die verkürzte zu erkennen. Besonders lehrreich ist der
erste Fall, wo die beiden Zeugen sich ergänzen; und es ist wichtig,
dass derselbe sich gerade in dem Abschnitt über Platon findet, den
der Vorgänger mit der Apostrophe an die Platonbegeisterte Dame ein-
leitete. Hier hat Laertius den Aristotelischen Schrifttitel genauer be-
wahrt, aber er gibt nur den Inhalt des Zeugnisses an, während Ath.
aus Nikias den Wortlaut des Aristoteles beisetzt. Die Variante der
Heimathsangabe (Styra statt des Aristotelischen Teos) hat dann Laertius
aus Favorinus zugesetzt, den er nicht unterlässt als Mitzeugen (xaı)
zu nennen. Der ungenügende Einklang bei Nr. H darf nicht auf-
fallen. Das verkürzte Exemplar des Laertius hatte in den beiden Listen
der Platonischen Werke (3, 55 — 6ı die in Tetralogien geordneten,
62 die voSa) jede Angabe eines pinakographischen Zweifels oder ab-
weichender Verfassernamen unterdrückt; und nur für die Alkyon holt
das dann L. aus Favorinus nach. Bei Bion (Nr. UI) giebt L. statt der
überkommenen Angaben über die Eltern, wie sie Nikias hatte, das
werthvollere Fragment des Bionischen Briefs an Antigonos Gonatas, ob
aus Favorinus? Diese Einlage scheint es bewirkt zu haben, dass der
alte Bestand, sei es von den Schreibern, sei es von Laertius selbst,
unterdrückt wurde. Die beiden weiteren Fälle sprechen für sich selbst.
Eine Anführung macht Schwierigkeit:
VI. Ath.VI p.273° & de Tlovrıxos "Eorıioc xaAWs Exauyaro WMTE
dvarerAovra MMTE Haraduonevov Tote Tov AAıov Ewpaxevaı did TO
madeıe Mayrı xaıpw mponeyew, ws 6 Nixaeis Nixias ioTopei ev Tais
Audoy,dis.
Jonsius bezog dies auf Hestiaios aus Amisos, den Lehrer des
Tyrannion in der grammatischen Kunst, und meinte daraus eine Zeit-
grenze für Nikias zu gewinnen'. Aber wie kam der Grammatiker in
die Asadoyaı dirccobuv herein? Der bekannte Schüler Platon’s stammte
aus Perinthos in 'Thrakien, war also Iporovrics, nieht Novrızos: über-
dies wird er bei Laertius 3, 46 gerade so wie in Philodemos’ Buch
über die Akademie (col. 6, 3) mit einfacher Namensnennung Eoridios
IepıvSıocs abgethan, und es ist wenig wahrscheinlich, dass ihm von
Nikias ein besonderer Excurs gewidmet worden wäre. Das Räthsel
hellt sich vielleicht bei genauerer Besichtigung der Athenäusstelle auf.
Es wird dort der Fleiss des Hestiaios in einen beabsichtigten Gegen-
satz zur Schwelgerei des Sybariten Smindyrides gesetzt, eines seit
langem in der moralischen Populärschriftstellerei geläufigen Beispiels.
x ! Jo. Jonsius, De scriptoribus historiae philos. 1. IV c. 39, t.II p.262 der zweiten
Ausgabe.
Usener: Die Unterlage des Laertius Diogenes. 1031
Zu einem solehen Gegensatze konnte Nikias nur in dem Vorwort Raum
finden, wenn er dort den Gemeinplatz über das Streben nach Bildung und
Das ganze Vorwort, an die Freundin Platon’s
gerichtet, musste selbstverständlich, wenn es nieht schon vom Epito-
mator preisgegeben war, von Laertius gestrichen werden. Es hindert
nun nichts mit Jonsius unter dem Pontiker den Amisener zu verstehen.
Auf indireetem Wege gewinnen wir noch zwei Fragmente des
Nikias, welehe den angenommenen Zusammenhang zwischen Laertius
und Nikias besonders deutlich zeigen:
VE: Ath.IVyp.163° Zw
Wissenschaft erörterte.
EBs6,T3
I U 5) s!
GıXpd- 2 Swoixparys Ö Ev
74: 6° &v or diRocobwv diadoyns
Baseı rw Yonoaodaı Tov Auod
ei rWywvı YpncaoDaı rov Auöw-
pav rov Aomevdıov 163°) ioropei xau
m I
Torrn Oladoy,wv Aradwpov Tov Aomev-
\ wu !
diov Kal Tuyuva xadeivaı xaı Gax-
! u / \
Tow xal mia YpyoDaı (l. Kpycacnaı).
roıwva dvanaBeiv zoum re bopyoaı,
Kara va rüber ryv Emirndevow TaU-
Tyv Eloayayovra, rWv mp6 aurov Iv-
IayopızWv Adumpe TE EoIyri dudiev-
vumevWv Kol Aourpols xul dAEIUUECı
Kovp& TE TN OUvMSe Ypwuevwv.
VII. Ath. X, p.422°%
Dune: / c/ I 5
6 KuviXoc, Ws bycı la MR RENG Ev
E..D.6, 90
D ’ N ); \ D
EL WEIL l UT AUTW UADTOUS Kal CLVOoV
Au 2
Kal Kodrns Ayunrpov rev bary-
Tadis Oladoy,dis, Ereppaimıge Anmrgicv wveidicev (Krates) eirwv 'eiIe yop ai
Tov Bahnpeaovı mn mpg Twv dera xogvaı »al diprous Ebepov.
Ka Adıyuvov meunbaura olvou‘ "eiSe Yo
Ebn Tas xpnvas xaı dprous Av depew.
Athenaios nennt ausser Nikias überhaupt nur noch zwei Dia-
dochenschriftsteller, Sotion und Sosikrates. Sotion wird zweimal ge-
nannt und beidemal im Gefolge des Nikias (Fr. I, IV); den Sotion hat also
Athenaios nur in der Gestalt gekannt, die er bei Nikias erhalten hatte
(s. oben S. 1024 Anm. ı). Dass er gerade so den Sosikrates nur durch
Nikias kannte, das ergeben die Parallelen des Laertius unter Nr. VII
und VII. Es ist also gewiss, dass Athenaios nur ein einziges Hand-
buch für die biographische Geschichte der Philosophie zu benutzen
pflegte, die Diadochen des Nikias. Laertius, der jüngere Zeitgenosse,
verwendete eine epitomirte Abschrift desselben Werkes als Unterlage
seiner Bio xaı yrauzı ruv Ev dıAovobıe eüdoxunodvrwv. Das verstehen
Das Werk des Nikias, gegen Ende der Neronischen Zeit
abgeschlossen, war bis in die spätere Antoninenzeit das geachtetste
und verbreitetste Handbuch seiner Art, offenbar weil es bis zu Laer-
tius die reichhaltigste Sammlung bot.
Auch anderes wird deutlicher. So die ungleichmässige Fort-
führung der einzelnen Successionsreihen bei Laertiuss. Während die
wir nun.
1032 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 24. Nov. — Mittheilung v. 17. Nov.
Liste der Skeptiker bis auf Saturninus den Schüler des Sextus, also
bis zur Zeit des Laertius herabgeführt ist, waren die Stoiker bis zu
Cornutus! behandelt, die Akademie nur bis Kleitomachos, der Peri-
patos gar nur bis zum vierten Schulhaupt Lykon, und die Nachfolger
Epikur’s nur in ganz summarischem Überblick bis zum vierten Sue-
cessor Basileides (10, 25) fortgeführt. Sotion hatte noch den Akade-
miker Lakydes (+ 215) und den Stoiker Chrysippos (7 207) behandelt
(L. D. 7, 183 am Ende); die Möglichkeit wenigstens lässt sich nicht
abstreiten, dass er die Nachfolge des Aristoteles schon mit Theophrast
abgeschlossen hatte.” Durchweg ausser bei der Stoa, wo uns die
mitten im Schriftenverzeichniss Chrysipp’s eintretende Lücke jede Mög-
lichkeit einer Nachprüfung entzieht, lässt sich bei Laertius noch der
Schluss des Sotionischen Werks erkennen. In der Akademie sind
nach Lakydes freilich noch Karneades (7 129) und Kleitomachos mit
Biographien bedacht, von den jüngeren Umbildungen der Lehre durch
Philon von Larissa und Antiochos aus Askalon ist nieht die Rede.
Aber zwischen Lakydes und Karneades liegen zwei Generationen; sie
sind in dem Capitel über Lakydes abgethan (4. 60) mit den Worten:
Kal wovos TÜV dm’ almvos luv mapsdwxe yv oyoAyv TnAsxiei za Eidvdow reis
Bwxelcı mad de Eudvöpov dıedekaro "Hyyoıvous Iepyawunvos, db” co) Kapveadye.
Euander war also noch Schulvorstand, als Sotion sein Werk abschloss,
und wurde darum einfach erwähnt. Die beiden berühmtesten Nach-
folger, Karneades und Kleitomachos, müssen in diese Überlieferung
eingeführt sein zu einer Zeit, wo die Kunde von der dureh Philon
und Antiochos geschaffenen Wandelung noch nicht in weitere Kreise
gedrungen war: man denkt unwillkürlich an Alexander Polyhistor.
Aber wer immer jene zuerst eingeführt hat, er besass entweder nicht das
Pfliehtgefühl oder nieht die erforderlichen Hülfsmittel, um die beiden
Schulvorsteher zwischen Lakydes und Karneades entsprechend zu be-
arbeiten. Bei den Skeptikern liegt biographische Überlieferung that-
sächlich nur für Pyrrhon und Timon vor., Beim letzteren merkt
L. D. 9, 115 an: rovrov diddoy,os, ws ev Myvoderos dmou, Yeyovev oudeis,
! S. Val. Rose im Hermes ı, 370 f.
2er Do durd zararnyeı de 9 mev eis Krsıronay,ov PR Xousımarov PR Ozopgasrov
lwvien.... 15 &s d8 Ozohgasrov ourws Mrerwvos "Agısroreäng, oV Osobgarros. Das
beruht jedenfalls auf eben so starker Bevorzugung des Theophrast wie Geringschätzung
der Nachfolger; und dies Urtheil wäre eher bei einem Peripatetiker bestimmter Rich-
tung als bei einem dieser Schule indifferent gegenüberstehenden denkbar. Man müsste
an Sotion denken, wenn diese Successionsliste nicht schon den Karneades und Rleito-
machos hätte. Es ist also eben so möglich und nach meinem Gefühl auch das allein wahr-
scheinliche, dass der Schriftsteller, welcher die Akademie fortführte, auch der Vater der
Schrulle war, den Peripatos nicht über Theophrast hinaus zu führen. Eine Spur davon
findet sich bei Laertius insofern, als erst nach Lykon der Phalereer Demetrios und Hera-
kleides (dieser nachweisbar auf der Grundlage Sotion’s s. 5, 86) abgehandelt werden.
Bes)
N
UsEser: Die Unterlage des Laertius Diogenes. 1033
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arra dlerımev 9 dywym, ws aüryv Irersudios 6 Kurmvaios dvermoaro. ws d
Irmoßoros dycı zul Zwriwv, dmxoucav aurou Auooxousidys Kurses xol
Nıxoroy,os "Podios xuı Eühpavwp Derevxels Ipaürcos re dmo Towddos ds #rA.:
also nur unmittelbare Schüler des 'Timon hatte Sotion aufgezählt,
aber weder einen Schulnachfolger hervorgehoben, den es nicht gab,
noch gar eine Abfolge von Schulnachfolgern vorgeführt. Die Namen-
liste der Successoren von Euphranor bis Saturninus, die zum Schluss
bei L. D. (9, 116) gegeben wird, ist bis zu Ainesidemos handgreitlich
ungenügend und lückenhaft; sie kann, wie schon oben S. 1027 bemerkt
wurde, erst von Laertius nach einer ihm vielleicht zufällig in die
Hände gefallenen Aufzeichnung jüngster Zeit zugefügt sein.
Nikias hatte die Successionen Sotion’s zu Grunde gelegt, der-
gestalt, dass der Benutzer überall, wo kein besonderer Zeuge angerufen
war, überzeugt sein durfte, den Bericht des Sotion vor sich zu haben
(S. 1023 f.). Sotion’s Werk hat daher auch den Rahmen für Nikias’
Schrift abgegeben und die Grenzpunkte der einzelnen Reihen bestimmt.
Nur für die Stoa hat Nikias eine Ausnahme gemacht, indem er sie
bis auf seine Zeit fortführte; er muss der Stoa nahe gestanden, wenn
nicht angehört haben. Dass der Akademie Karneades und Kleitomachos
zugewachsen sind, ist nicht das Verdienst des Nikias: er hatte sie
schon in seiner Vorlage vorgefunden ',
Was aber für Nikias gilt, die durchgängige Zugrundlegung Sotions,
muss auch für seinen Abschreiber Laertius gelten. Es scheint dagegen
die Thatsache zu sprechen, dass bei Laertius sowohl Sotion als sein
Epitomator Herakleides angeführt werden. Ich will das Gewicht dieses
Einwands nicht durch den Hinweis auf einzelne Fälle abschwächen,
in welchen die Anrufung des Sotion nachweisbar einem Berichte an-
gehört, der einer ausserhalb der Diadochenschriftstellerei stehenden
Quelle entnommen ist.” Es mag sein, dass das öfter vorgekommen ist,
als wir nachweisen können. Doch werden dadurch schwerlich alle Fälle
gedeckt. Aber die Erscheinung lässt sich nicht von einer anderen
trennen. Auch die Compilatoren Sotion’s bis auf Hippobotos, der zu
! Die S. 1032 Anın.2 besprochene Successionsliste, welche bereits die beiden Aka-
demiker hat, gehört zum älteren Bestand der Einleitung; erst am Ende derselben ist die
oben S. 1026 Anm. ı erwähnte Bemerkung über die eklektische Schule nachträglich ange-
schoben. Nikias fand also die Übersicht über den Verlauf der Sokratischen Schulen
(1,14 f.) mit dem übrigen schon vor. v. Wıramowırz nahm für jenen Zusatz Hippo-
botos in Anspruch: das scheint mir nicht eben unmöglich, aber weniger wahrscheinlich.
Hippobotos ist von Nikias gewissermaassen collationirt worden, um ihm Ergänzungen
und Berichtigungen zu entnehmen, aber wird in der Regel genannt. Die Zeitangabe
700 öAryov spricht nicht gegen Nikias, auch wenn er erst um 70 n. Chr. schrieb: er
misst das Aufstehen der neuen Schule an der Entstehungszeit der älteren.
2So z. B.. Laert.#9, 110 ws zcı Noriav Zu Tu Evdszaru drei, was aus der Ein-
leitung des Apollonides zu seinem Sillencommentar stammt.
Sitzungsberichte 1892. 93
1034 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 24. Nov. — Mittheilung v. 17. Nov.
Rom, gewiss nicht vor Beginn der Kaiserzeit geschrieben hat.' werden
bei Laertius zur Ergänzung herangezogen. Nach Sotion haben alle
Bearbeiter seines Gegenstandes sich nicht an das vollständige Werk,
sondern an den Auszug gehalten; ihre Absicht ging darauf, nutzbare
Handbücher zu schaffen. Der alte Stock wurde dünner und dünner.
Aber wie es bei fortschreitender Verkürzung geht, die verschiedenen
aus dem alten Grundstock abgeleiteten Darstellungen bewahrten die
eine hier die andere dort mehr des ursprünglichen Stoffes. Es musste
eine Zeit kommen, wo das Bedürfniss der Ergänzung und Vervoll-
ständigung sich regte. Schon Philodemos zog zu dem Zweck die
Chronik des Apollodoros heran. Andere verglichen mit ihrer Vorlage
die verwandten Bücher, deren sie habhaft werden konnten, wie der
Correetor eines Textes andere Handschriften herbeizieht, und sorgten
so für Vervollständigung und Berichtigung der vorliegenden Übersicht.
So konnte es kommen, dass sogar die Herakleidische Epitome und
in besonderen Fällen das Originalwerk des Sotion zur Ergänzung auf-
geschlagen wurde: ebenso wie Sotion’s Angaben jüngeren Diadochen-
schriftstellern entlehnt wurden. Dies ist mit Sotion’s Liste der Schüler
Timon’s geschehen, die in Nikias’ Vorlage ausgelassen war und nun
von ihm aus Hippobotos nachgetragen wurde (oben S. 1032).
Und in diesem letzten Falle können wir mit Händen greifen,
was uns oben (S. 1029£f.) die Vergleichung des Athenaios ergab, dass
Laertius auch den Nikias nur in einer jüngeren verkürzten Gestalt
benutzt haben kann. Dem Bericht des Hippobotos-Sotion wird die
Angabe des Menodotos entgegengesetzt, dass Timon überhaupt keine
Nachfolge gehabt habe.” Das ist der bekannte Empiriker aus der Zeit
etwa des Trajan. Die Bemerkung rührt also nicht von Nikias selbst
her. und hatte doch schon ihre feste Einfügung in dem von Laertius
der Schreiberstube übergebenen Auszug aus Nikias: sie war von einem
älteren Leser oder von dem Urheber des verkürzten Exemplars ein-
getragen worden. Im gleicher Weise werden wir die Berücksichtigung
des in der Zeit zwischen 70— 90 n. Chr. schriftstellernden Juden
Justus von Tiberias (L. D. 2, 41), des Plutarch (9, 60) und des der
Hadrianischen Zeit angehörigen Sabinus (3, 47) zu beurtheilen haben.
ıS. Laert. D. 8,72 über die Statue des Empedokles #95 roU "Puma Pourev-
Fnpiov. Über Hippobotos vergl. v. Wıramowrrz im Antigonos S. 103f. 327 ff.
® Genau genommen besteht zwischen beiden Berichten ein Gegensatz nur im
Ausdruck, nicht in der Sache. Auch Sotion hatte mit Timon die Skepsis geschlossen,
zwar Zuhörer aber keinen Öw@öcy,os genannt.
Ausgegeben am 1. December.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckevei.
1035
1892.
L.
SITZUNGSBERICHTE
DER
| KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
l. December. Gesammtsitzung.
Vorsitzender Seeretar: Hr. E. pu Boıs-REeymondD.
l. Hr. von Syvgen las über Mythenbildung in der Gegenwart.
Die Veröffentlichung wird später an einem anderen Orte stattfinden.
2. Hr. Weser liess durch Hrn. Scumiwr überreichen eine Abhand-
lung des Hrn. Prof. Dr. Ernst Leumann in Strassburg über: Jinabha-
dra’s Jitakalpa.
Die Mittheilung wird in einem späteren Stück erscheinen.
3. Hr. Harnack legte das mit Unterstützung der Akademie ge-
druckte Werk des Hrn. Dr. Carı Scnmwr vor: Gmnostische Schriften
in koptischer Sprache aus dem Codex Brucianus (Leipzig. 1892).
Ausgegeben am 8. December.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
Sitzungsberichte 1892, 94
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1037
1892.
L1.
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
S. December. Sitzung der philosophisch -historischen Ulasse.
Vorsitzender Secretar: Hr. Momnsen.
Hr. Dirımann las: Über den neugefundenen griechischen
Text des Henoeh-Buches.
Die Mittheilung folgt umstehend.
Sitzungsberichte 1892. } 95
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1% N . Fi Bar ? * b; i 3 Ri 2 ich} Ikwist 12 2 An N
Y | \ ENT en hu HN, LTE RER 7
nn
1039
Über den neugefundenen griechischen Text
des Henoch - Buches.
Von A. DiLLmann.
|ure bei den Ausgrabungen in Akhmim im Winter 1886/7 gefundene
Pergamentmanuscript von 33 Blättern enthält ausser den Fragmenten
des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus, über welche Hr.
A. Harnack in der Sitzung vom 3. November d. J. Ihnen berichtet
hat, als seinen Hauptbestandtheil den Anfang des griechischen Henoch-
32, 6), und Hr. U. Bovrıanr hat sich das grosse Ver-
Buches (Cap. ı
dienst erworben, in den Memoires publies par les membres de la
Mission archeologique Francaise au Caire, t. IX fase. ı P.93
diesen Text, versehen mit werthvollen einleitenden Bemerkungen,
130,
durch einen genauen Abdruck bekannt zu geben. Da ich selbst
seiner Zeit das aethiopische Henoch-Buch herausgegeben, auch in’s
Deutsche übersetzt und erklärt habe,' so habe ich diesen Fund mit
besonderer Freude begrüsst und ihn einer eingehenden Untersuchung
unterzogen. Die Ergebnisse derselben beabsichtige ich Ihnen hiermit
in Kürze darzulegen.
Im Manuseript umfasst der Henoch-Text S.21—66, während
die 20 ersten Seiten die Petrusbruchstücke enthalten. Die ersten
2'/, Seiten (S.21— 23 Z.7) geben aber nicht den Anfang des Henoch-
Buches, sondern den Abschnitt Hen.ı9, 3 (die letzten 4 Worte) bis
21,9 (die ersten 5 Worte). Dann erst kommt von 8.23 Z.8 an
bis S. 50 Hen. ı, 1— 14, 22, und von anderer Hand geschrieben
S. 51— 66 der Schluss von ı4, 22 und das Weitere bis 32, 6 (Mitte),
worin also auch Hen. 20, 1— 21,8 noch einmal vorkommt (von mir
als & bezeichnet). Dass die Anfangsseiten 21—23 Z.7, welche dieses
Stückehen auch enthalten (von mir als 8 bezeichnet), von einer an-
deren Hand geschrieben sind, als S.23 Z2.83—S.;5o, ist anzunehmen,
obwohl vom Hrn. Herausgeber nicht ausdrücklich gesagt. Datirt ist
keiner dieser 3 Theile des Manuseripts. Seules, les particularites
! Liber Henoch, Aethiopice, Lips. 1851. 4°; Das Buch Henoch, übersetzt und
erklärt, Leipz. 1853. 8°.
95*
1040 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 8. December.
qu’on releve dans l’eceriture ou dans la langue elle-meme, peuvent
nous mettre sur la voie, et montrent que le manuserit n'est pas an-
terieur au VIN® sieele ni posterieur au XI. Eine Bestätigung dieser
seiner Vermuthung über den terminus ad quem findet Hr. Bourıant
darin, dass das Mönchsgrab, in welchem das Manuseript gefunden
wurde, innerhalb des vom 5.—135. Jahrhundert von den Christen
benutzten, bis zu 700” sich ausdehnenden Begräbnissplatzes zu Akh-
mim von dem ältesten und zuerst benutzten Theil desselben schon
etwa 200” entfernt liegt. -Schriftproben der dreierlei Handsehrift-
theile hat der Herausgeber nicht mitgetheilt. Die itacistische Schreib-
weise beherrscht alle drei: &, ı, 7, a, v wechseln beliebig, ebenso
cı, &, % Aber auch o und w, ov und w, selbst o und & werden ver-
tauscht. Zweimal (Cp. 22, ı. 2) ist vor einer mit o anlautenden Doppel-
consonanz ein i-Laut vorgeschlagen: sıuorepexs, eusxorwo (für GTEpeds,
oxorewa). Schreibfehler, Versetzungen von Wörtern, Dittographien,
Auslassungen (z. B. von ganz Cp. 3 und 4), Weglassung von Casus-
endungen, barbarische Grammaticalformen finden sich sehr viele. Die
Sorgfalt der Schreiber, denen wir diesen Text verdanken, war dem-
nach keine grosse. Trotzdem haben wir allen Grund, für diesen
Textfund dankbar zu sein.
Wenn ich nun daran gehe, den Werth desselben zu beleuchten,
so kommt für mich zunächst in Betracht
ı. Das Verhältniss dieses griech. Textes zu den schon früher be-
kannten Bruchstücken des griech. Henoch. Das kurze Citat im Judas-
brief V.ı4 f. = Hen.ı, og stimmt in seinem Anfang mehr mit dem aeth.,
in seinem Verlauf und Ende mehr mit dem griech. Text, hat aber in
seiner Mitte rdvras roüs dveßeis gegen racav odpxa des Ae. und Gr.,
was alttestamentlicher und darum ursprünglicher klingt, während rav-
Tas rovs aceßeis christlich variirt sein kann. Das Citat des Origenes de
prine. IV. 35 »ambulavi usque ad imperfeetum«, welches ich seinerzeit!
trotz der unvollkommenen aeth. Übersetzung als aus Hen. 21, ı ge-
schöpft vermuthet habe, erweist sich jetzt durch das griechische x«
Ehwdeuou meypı (Ews) rrs dxaraczevacrov wirklich als dorther genommen.
Dagegen das andere des Clemens Al. (eclogae proph. ed. SyLBur& p. So1)
und Origenes (a. a. O.) xal eidov rds ÜAas Tdcds, »universas materias
perspexi« findet sich nicht (denn Hen. 19, 3, auf welche Stelle ich
S. LVI gerathen habe, kommt jetzt ausser Betracht); es scheint aber
auch kein eigentliches Citat zu sein, sondern nur eine zusammen-
fassende Hinweisung auf all die mannigfaltigen Naturdinge, welche
Henoch auf seinen Reisen Cap. 17ff. gesehen hat. Von grösserer
! Henoch übersetzt nnd erklärt, S. LVI der Einleitung.
Dirrmann: Über den neugefundenen griech. Text des Henoch - Buches. 1041
Wichtigkeit sind die ausführlicheren, bei Ge. Synkellos erhaltenen
Bruchstücke,' nämlich S. 20— 23 (der Disvorr'schen Ausgabe = Hen.
Bo, A, Kerner S. 42-47 = Hen./8, 4 >10, 14.15, 8-16, 1,, nebst
einem im aeth. Henoch fehlenden Abschnitt (Busspredigt an die Men-
schen). Über das Verhältniss dieses Synkellos-Textes zum aeth. Henoch-
buch habe ich mich seinerzeit” dahin ausgesprochen, dass nach ge-
nauer Vergleichung des Einzelnen dem Synk. keineswegs durchweg
der Vorzug der besseren Lesart zuzuerkennen sei, dass vielmehr, weil
Synk. das zweimal von ihm mitgetheilte Stück Hen. 8, 4—9,4 das
zweitemal ziemlich anders, als das erstemal anführt, und weil er hinter
den Engelnamen Hen. 6, 7 eine sicher von ihm selbst stammende
ehronologische Bestimmung in sein Citat hinein verwoben hat, endlich
in Anbetracht der Freiheit, welche er auch sonst bei Anführung an-
derer Schriftsteller sich erlaubt, manche Differenzen zwischen beiden
Texten eher aus der Ungenauigkeit der Anführung bei Synk. sich
erklären, dass jedoch mit Rücksicht auf die grössere Ausführlichkeit
des dem Hen. 7 u. 8 entsprechenden Abschnitts bei Synk., und na-
mentlich mit Rücksicht auf die von Synk. überlieferte, aber im aeth.
Henoch fehlende längere Busspredigt (Henoch’s oder Noah’s) an die
Menschen anzunehmen sei, dem Synk. habe ein asiatischer Text des
Henoehbuches vorgelegen, welcher in den Erzählungen über den Fall
der Engel und das dadurch in der Menschheit angerichtete Verderben
reichhaltiger war, als der in Aegypten gelesene Text. Ich habe dort
zugleich die Meinung ausgesprochen, dass diese vollere Recension nicht
ohne weiteres als die ältere gelten müsse, sondern ebensowohl auf
allmählicher Erweiterung des ursprünglichen Erzählungsstoffes beruhen
könne. Diese meine Ansieht hat Hr. O. von GesnArpT" lebhaft be-
stritten. Er machte geltend, die Abweichungen des Aeth. vom Text
des Synk., im Ausdruck sowohl als im Umfang, seien so überwiegend
viele, und das Plus des Synk. trage den Stempel der Ursprünglich-
keit in einem Maasse, dass der Recurs theils auf die dem Synk. bei
derartigen Anführungen eigenthümliche Freiheit, theils auf verschie-
dene dem Synk. und Ae. vorgelegene Textesrecensionen nicht aus-
reiche; vielmehr müsse daraus auf die Ungenauigkeit und Unzuver-
lässigkeit der aeth. Übersetzung geschlossen werden. Für diese seine
These konnte er sich, scheinbar sehr plausibel. auf ein von mir bei
meiner Ausgabe noch nieht gekanntes, von A. Mar in Patrum Nova
Biblioth. t. II veröffentlichtes, mit tachygraphischen Noten geschrie-
! Abgedruckt in meinem Henocheommentar S. 32 — 86.
N as O0 STERXL
3 In Merx’ Archiv für wissensch. Erforschung des Alten Testaments. Bd. 2
872) 8.294211.
1042 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 8. December.
benes, von GILDEMEISTER' entziffertes und bekannt gemachtes Bruch-
stück des griech. Henoch, nämlich Cap. 89, 42—-49, berufen, sofern
sich aus diesem ergebe, dass die aeth. Version dort fast in jedem
der 8 Verse lückenhaft und ungenau sei. Dieser Ansicht von GEB-
HARDT’S gegenüber habe ich jetzt die Genugthuung, durch den neu-
gefundenen griech. Text mein vor bald 40 Jahren gefälltes Urtheil wohl
bestätigt zu finden. In diesem griech. Text fehlen ebenfalls. alle die
bei Synk. überschüssigen Partien, und stimmt, von Einzelheiten ab-
gesehen,” der Aeth., sowohl im Inhalt als in der Ordnung des Vor-
getragenen, so vollkommen mit dem Griechen überein und gegen
Synk., dass man unmöglich mehr die grösseren Abweichungen des
Aeth. von Synk. auf Rechnung der Ungenauigkeit und Nachlässigkeit
des aeth. Übersetzers setzen kann, sondern zugestehen muss, dass
man in Aegypten einen gegenüber von Synk. kürzeren griech. Text
las. Ob die Mangelhaftigkeit des aeth. Buches in Cap. 89, 42—49
nicht dennoch ihren Grund in der Ungenauigkeit des aeth. Über-
setzers oder in allmähliger Textverderbniss bei den Abessiniern habe,
ist natürlich damit noch nicht entschieden, aber die Möglichkeit, dass
auch dort schon die griech. Vorlage des Aeth. Abweichungen enthielt,
kann ebensowenig zum voraus bestritten werden. Wenn man bedenkt,
dass in dem Stück Hen. 20, 1— 21,8, das in dem neuen Fund zwei-
mal vorkommt, beide Abschriften (« und £) mehrmals erheblich von
einander abweichen, theils in Lesarten (20, 5.6. 21,4), theils durch
Auslassungen (20, ı und Anfang von V. 2 fehlt in &; 20, 8 und damit
der 7. Erzengel fehlt in «, wie im Aeth.), so wird man die Ver-
muthung, dass schon die griech. Vorlage der aeth. Übersetzung des
Henoch theilweise mangelhaft gewesen sein kann, nieht im voraus
abweisen dürfen. Die Entwerthung, welcher das griech. Henochbuch
in der griech. Kirche allmählig anheimfiel, liesse es wohl glaublich
erscheinen, dass die Abschriften weiterhin nicht mit der Sorgfalt
gemacht wurden, die man auf die eigentlich biblischen Bücher ver-
wandte, und die Verderbniss der Handschriften durch Auslassungen
oder Zusätze leichter um sich greifen konnte.
Des weiteren handelt es sich um das Verhältniss des neugefun-
denen griech. Texts und der aeth. Version zu einander. Im allgemeinen
steht freilich zum voraus fest und bewährt sich auch hier, dass wo
von einem Buch ein griech. Text und eine daraus erst abgeleitete,
zumal orientalische Übersetzung vorliegt, dem ersten unbedingt der
Vorzug zukommt. Wenn aber der griech. Text nur in einer einzigen
! In ZDMG. IX (1855) 8. 621
2 Worüber unten mehr.
DıirLmann: Über den neugefundenen griech. Text des Henoch - Buches. 1043
und zwar, wie zum Eingang gezeigt wurde, wenig correeten Abschrift
vorhanden ist, dann behält auch eine Afterübersetzung trotz ihrer
Mängel ihren Werth, den Werth einer weiteren Abschrift. Ich werde
deshalb zunächst
2. nachweisen, dass und wo der griech. Text nach dem Aeth.
verbessert werden kann. Cap. ı,8 im Ae. etwas verworren, ist es
auch, obwohl in anderer Weise, im Gr. Fehlerhaft ist ı, 3 ou
nach &yıos, wohl auch 1,4 Em yw und &x ns mapsußorns (für ouv oder
Ev Ty maR.). ı, 6 hat mehrere unnöthige oder störende Erweite-
rungen, ebenso 1, 8 z.B. xaı ravrwv dvrirnunberan xar Bonsyce yulv (schon
durch Apiv verdächtig) und xal vemesı Er’ aürovs eionuuv; 1. 9 erscheint
cUv reis dyicıs aürov auch nach dem Judasbrief als minder ursprünglich,
denn NTAAZLT: P9.A%: (ev rais Mupdoı ruv dayıwv). 2,2 ist eoıv
—i9
#Sorr& sinnlos und fehlt im Aeth. 2,3 fehlt nach xanwva
vieles. Sofort von Cap. 3 sind blos die 6 Anfangsworte erhalten,
und fehlt alles weitere, was der Ae. hat; ebenso ganz Cap. 4, und
von Cap. 5,1 die Paar ersten Worte, alles ob homöoteleuton. 55
ist für zara ns Cwns nach Ae. xaı ra ern As Cwns herzustellen. 5,6
ist alles nach xuı &dosßeis Ev Univ ömovvraı folgende ein durch Ae. nicht
bezeugter Zusatz, zum Theil Vorausnahme von V.7. Ebenso 5,8
ist rore doyceras Tols Endexrois dWs Kal Yapis Kal aürei KAnpovougaounı
nv yyv falsche Wiederholung aus V. 7; ferner eÜ xar dryseav falsch
für o0 xar’ doeßeiav (oder oo zara Anm? Ae. hat A.NdA,d:. was »aus
Vergessenheit« bedeuten kann, wahrscheinlich aber »aus Gottlosigkeit«
bedeutet, vergl. 10,20); endlich am Schluss za eoraı & dvIoWmw redw-
rıousevw dus zul avdowrw Emormuoi (gegen das einfachere Ad: BIFR:
unov-: pgn:), schon durch seine Wortfassung verdächtig. 5,9
erscheint @A,BTDYr-: richtiger als cüde un dudsrwow, da über das
Niehtsündigen V. 8 schon genug gesagt ist. 6,5 fehlt der Schluss
Dr: Iran: ER, und ebenso ganz 6, 6 ob homöot. (dAANAous Ev
aurw). 6,8a.E. fehlt (das auch durch Synk. bezeugte) @N647:
mr: P’AAyYon-: 8,3 ist nach Ae. und Synk. Bapaxıya für PaxırA,
und Xuxaßma (vergl. 6,7) für Xwyyma zu lesen, und nach % (mit
BouRIANT) dw einzusetzen. 9, ı a. E. ist ob homöot. ausgelassen
xl macav TyV dvomıav Tyv Ywonevyv Emi 795 ns (auch nach Synk.). 9,2
ist für dwvn Bowv rav Em ns ns (wo Verb. fehlt) vielleicht richtiger
(Ae.) dwwmv Bowv aurwv yumım xpale 4 9,3 a. A. wird xai vüv
Univ oi dyıcı Tod oüpavov (Ae.) ob homöot. ausgelassen sein. 9, 4 hat
Ae. und Synk. besser rwv Bacırwv für rwv aiwvwv, und ist xaı neya
weder durch Ae. noch durch Synk. bezeugt. 9,5. E. ist (nach
Ae. und Synk.) za oüx corıv 6 xpußnvar ve Öyvardı ausgelassen, ebenso
9,6 a. A. opes oder eidec. 9, 7 ist vielleicht das Praedicat zu Ze-
1044 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 8. December.
nıacas ausgefallen. 10, ı ist IoroayA auch im Ae. ähnlich eorrumpirt,
aber 10,4 hat Ae. richtiger Acvdayr als Griech. AsxdovyA. 10,7
ist (für u Syoera 9% yn) mit Aec. und Synk. izoaı ryv av zu lesen,
ebenso ist, &rdra£av (obwohl auch im Ae. ebenso) falsch für sdefav
(Synk.). 10,8 ist ddavioSeioa zu streichen; 10, 10 für epyenıs eoraı
zu lesen &pwrycis oUx Earoı. 10,11 ist (für xaı eımev Mıyanı) za rw
Miyanı eimev 6 xuoos herzustellen. (Ebendort ist zwar dyAuoov Zenızdı
xaı Tols Aoımois rois auch durch Ae. bezeugt, aber nach dem folgenden
Accusativ uryevras muss eine andere Lesart, beiSynk., dy0ov Zenialav xal rovs
ardovs gewesen sein. Auch 10, 14 steht dem xaraxavosy des Gr. und
Ae. das zaraxcıyy des Synk. gegenüber). 10, 15 fehlt Fo-Z2T: @A
@-A-P.00-: was doch wohl echt ist. 10,16 ist @&Nn@-F: u. S. W.,
d.h. xai eoraı 9 Eoyacıw eis eUAoylav, dixduoauvy xal dAmSea doch wohl
nur ob hmt. ausgelassen. 10, 19 ist für yns ayarızcovraı wohl
richtiger (Ae.) 15 &yarrızcews zu lesen. Ob weiterhin das Plus des
Ae. DO: NCh: NEHZA: 3.Y: Ark: oAd.cTt: TINC: auf einer
Einbusse des Gr. ob hmt. beruhe (wie sicher der Ae. dort eine andere
Einbusse erlitten hat), kann man zweifeln, ebenso 10,21 bei @ßn-
ee: NA: AP: 11,1 wird (für xaı xareveyxev aura) Tou
Karsveyxeiv aura eis ryv yyv (Ae.) zu lesen sein. 12, 2 ist aurov für
aörwv und di ymepas für dimusre herzustellen, ebenso 12, 4 xal dpavızwov
HEyay Abarıcav ryv yyv (Hebraismus) für adavıouov weyav xaı Nbavıcare
ryv uw. 12, 5 lies avros für üuiv (vergl. V. 6). 13, ı ist opeu-
Seas für ropevov zu lesen und hinter Evay, zu stellen. 137 ee
ews für ws, 13,9 & &Qer.... für oeveßeroara. 13,10 a. A. fehlt
xal EAAANCa. 14, 3 ist os falsch für ws, ferner nach edwxev ob hmt.
ausgefallen dvSpwreis voeiv Aoyous yywoews, xal Zus exrıce zul eöwxev, auch
exrekaoIaı falsch für ereykaodau. 14, 4 wird rwv dyyerwv Glosse sein,
und das Plus des Ae. am Ende vielleicht richtiger. 14, 6 lies po
rovrwy (für re r.), und weoovvrar (für weooure). 14, 13 scheint reupy
des Ae. richtiger als rgopy des Gr. 14, 14 fehlt eis ro mposwrov mov
xaı hinter eresov, ebenso 14, 16 xal neyaAwovvm wore un nach rıun, 14,18
ev aürw hinter eidov. Für opzs d. i. opacıs hat Ae. pw. 14, 25 ist
&is To &yıov an seiner Stelle jedenfalls unriehtig, und könnte auf eine
Variante am Schluss des V.24 xai eis rov dyıov Aoyov mov (dxoucov, vergl.
Ae. mAPAr: PY.h:) hinweisen. 15,2 scheint Eypnyopeus ToU oUpavou
roıs hinter roıs, ebenso ep aurwv. epwrycai hinter epwrycaı ausgefallen.
15,7 lies ra rveunare yalp für 7a Tvsuud. 15, 8 ist mveunare xAy-
Sycovraı (Ae., Synk.) für rveuus zu setzen. Für ioxvpz hat Ae. Synk.
rovnpdl. 15,9 a.E. ist wohl (für rveuuare movmpa xAnSycere) TVEUUATA
223), > m nv ! \ I
movnpd EGovraı EMI TNS ns Kal TVeuuare Mond xAysycovrdı herzustellen.
. ! \ ! .
15, 11 wird wveunare oxAra yıyavrwv (nach Ae. und Synk.) zu tilgen
Dirtmann: Über den neugefundenen griech. Text des Henoch- Buches. 1045
sein. 15,12 i. A. lies xai eEavaornoovrau TA TVEUUATE TAUTA. 1743
hat Ae. noch xui Zibos Fuss hinter Iyxas aurwv. 17, 4 wird wapa-
deyomevov (für rapeyov) zu lesen sein; 17,5 #%ov (für 1ASopev). 17,6
ist xaı mey,pı ToV meyadou morauso zu tilgen, 17, 8 rys yys hinter Toramwv
zu stellen. 18,3 a. A. fehlt ob hmt. @CA.n: neo: 74AT: LLNN
pP: AAdASG: AB: und a. E. Am TE: @-AFao-: AbTIP: N7R:;
18,5 BCAM: ETW: nAAnNT: 18,4 ist diwsvovras (für dıavevovras)
zu lesen. 18.6 wird Trpos vorov nach mapmAIov, und rpeis nach 7o-
AureAwv einzusetzen sein. 18, 10 hat Ae. xaı romov eidov Exei (für Fomos
eorıv). 18,15 ist örı Tomos EEw ToÜ oüpavon xevos Eorıy zu streichen.
20,1 hat Ae. eine viel längere Überschrift. 20,4 ist exdixwv (für
exdaıcavy in a, und exexwv in ©) zu setzen. 20,5 geht Ae. mehr
mit ®, als mit «. In 20,6 ist « von ® verschieden, aber beide
sind unklar, ebenso wie Ae. 20,8 und damit der 7. Erzengel
fehlt, wie in Ae., auch in «. 21,4. ist « durch Ae. bestätigt gegen
ß. 21,7 ist in & (mit Ae. u. 8) $oßepd (für doßepwrepx) zu lesen;
ebenso in « und 8 neyarwv xurabepousvuv (Ae.). 21,9 ist Odoma
vor 6 eis einzusetzen; 21,10 uexgı aiwvos (für nexpı evos) zu lesen, und
ist eıs rov duwva wohl eine Variante dazu. 22,1 wird aA%o zu tilgen,
und 22,2 nach &yovres einzusetzen sein xaı mAdres. 22,3 lies exrıc-
Sncav für expesycav. 22,5 ist im Gr. schon ebenso lückenhaft,
wie im Ae. 22,6 i. A. lies rore Aowryca, 22, 8 Euwpiosnoav Ev dmo
To) Evos für egwmoIycav yv amo Tov wuwvoc. 22,13 ist für oca 2°
(Ae. öAcı) zu lesen ws oı. 24,1 i. A. scheint xaxeiIev Ebwodeuow Eis
&AAov Temwov ns yAs ausgefallen, ebenso 24, 2 rpia eis vor dvarords. 24, 2
a. E. ist op zu tilgen, und xai ro zu V.3 zu nehmen. 24, 3 ist edwön
(Ae.) besser als ezveidy. 24, 4 ist x ovdeıs erepos aurwv yudpavım
fehlerhaft, ebenso cı de weg rTov xapmov. 25, 2 ist drexpın (obwohl
durch Aw-2rh: Zehn: in e f bestätigt) doch minder richtig als &re-
xoiSyv (Ae.) 25,6 hat xaıi eis ro dyıov keinen rechten Sinn; Ae. hat
ev TW ayım. 26, 2 lies fucw für dvow, 26, 5 racaı statt woce. A:
hat Ae. noch xal rAdros oöx eyovcaı hinter Baseiaı. 26,6 ist hinter
Sauuaca ob hmt. ausgelassen reg T7s Terzas xal ENauuaoe. 27,1
a. E. fehlt dva ueoov aurwv, und 27,2 a. A. rore drexpisn Oo 6 eis
Tav Ayımv dyyeAuv 65 Wer’ Euoo Av xal eiwev. Ferner ist % daayE für 7
m, und für cı xexarmauevo res zu lesen oirwes (unter Tilgung von
xex.); auch hat a. E. für oıxerypiov der Ae. KoAauoTnDLov oder ÖlxaoTApLoV.
27,3 i. A. hat Ae. besser &v rais Eoyaraıs Nuspeıs Eoraı Em’ aüreus To
SIeouo (oder 9 öpaoıs) ns xpioews. Ebenda ist &oekeis falsch für euce-
Reis (Ae. AAsyueva?). 28,ı hat Ae. noch uk dvarords hinter Ero-
I I ) . > er
peuIyv, und rov öpovs hinter eis ro ueoov (vergl. 29, 1). 28,2 hat für
\ b) \ m / (u 2) \ m , / N
Kal dmo Tuv omsnarwv Udwp der Ae. dmo ToD omepMaros ToUToV xal dp.
1046 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 8. December.
s 1 ji
31,2 für rov weparwv T4s yns, was hier kaum einen Sinn gibt, hat
Ae. xal Ev alrw devooa dAons, und in dem fehlerhaften e£ aur4s wird
etwas wie Ad: (hart) stecken. 32,11. A. fehlt ob hmt. x«ı mo
rourwv ruv dowudrwv, und für wps dvarords gibt Ae. Erexewa (Emavw)
TWv Opewv. 32,3 für duw uev hat Ae. puoueva, und nach &xei hat
er noch eiwiy. -» 32,4 ist Tpoßıra (rrerze?) und ıRaua (Ae. xaAcı)
jedenfalls verdorben.
Diese Übersicht zeigt, dass auch nach Auffindung dieses greh.
Textes die aeth. Übersetzung noch ihren Nutzen hat.
3. Umgekehrt aber ergeben sich aus der Vergleichung in dem
von mir nach den 5 Handschriften, welche bis zum Jahr 1851 in
Europa vorhanden waren, herausgegebenen aethiopischen Text eine
Menge von Fehlern und Ungenauigkeiten dieses Textes. Dieselben
sind dreierlei Art: ı. solche, welche sich aus der Freiheit, die sich der
Übersetzer nahm, oder aus Missverständniss des griech. Textes er-
klären, welcherlei in allen übersetzten Büchern wahrzunehmen sind,
wie denn der Übersetzer oft mehr den Sinn, als den Wortlaut wieder-
gab; 2. solche, welche auf eine andere Lesart der griech. Vorlage
des Übersetzers zurückgehen; 3. solche, welche auf einer (innerabessi-
nischen) allmählichen Depravation des aeth. Textes beruhen. Von den
ersteren werde ich nachstehend nur solche verzeichnen, welche aus
Missverständniss entstanden sind. Bezüglich der zweiten Art kann
man im einzelnen Fall oft zweifeln, ob man es wirklich mit einer
Variante zu thun hat. Die Frage wird aber in der Regel dann ver-
neinend zu entscheiden sein, wenn die vom Griechen gegebene Lesart
auch in den Varianten des aeth. Textes vertreten ist. Und wirklich
ist das öfters der Fall, schon wenn man die in meiner Ausgabe ver-
zeichneten aeth. Varianten zu Rath zieht. Die vielen seither nach
Europa gebrachten Henoch -Handschriften habe ich noch nicht alle ver-
gleichen können, wohl aber einige derselben, die ich nachstehend
mit e d f bezeichnen werde. In der That geben diese theilweise
(namentlich e und f) manche Stellen in einer ursprünglicheren Gestalt.
Wo diese Handschriften mit dem griech. Text zusamınenstimmen,
wird die oben aufgeworfene Frage zu Gunsten der griech. Hand-
schrift zu entscheiden sein, und werde ich deshalb in der folgenden
Übersicht das immer bemerken. Doch ist auch so nicht alles ganz
sicher, denn Stellen wie 8,1. 10,10. 11. 25, 2. 30,2 können die
Vermuthung an die Hand geben, dass die mit dem greh. Ms. stim-
menden Lesarten des e und f auf einer nachträglichen Revision des
aeth. Textes nach einer andern griech. Vorlage beruhen. Bei der
dritten Art, den innerabessinischen Corruptionen, ergeben sich als
Ursachen weniger die Nachlässigkeit der Schreiber (wie z. B. bei den
- : = ”
Dirumann: Über den neugefundenen griech. Text des Henoch-Buches. 1047
Namen), als die Absicht, dunkle oder unverstandene Stellen des
aeth. Textes durch Interpretamente, Einfügung von Partikeln, Wort-
umstellung u. dergl. dem aethiopischen Leser verständlicher oder mund-
gerechter zu machen. Ausserdem aber bemerkt man sehr oft, was
ich auch sonst schon in der aeth. Bibelübersetzung nachgewiesen
habe, dass viele schlechte Lesarten durch falsche Vocalisation der
aeth. Gonsonanten herbeigeführt sind, welche dann im Zusammenhang
weitere Änderungen nach sich zog. Man muss ja immer bedenken,
dass in der ältesten Zeit, da die Bibel in’s Geez übersetzt wurde,
die Anfügung der Vocalzeichen an die Consonanten noch nicht regel-
mässig durchgeführt war, und die Späteren, welche diese Texte ab-
schrieben, leicht in der Vocalisation irrten. Ich gebe nun im Fol-
genden die Übersicht über die Verbesserungen, die auf Grund des
griech. Textes vorgenommen werden müssen, zugleich aber über die
wichtigsten andern Varianten, über deren Werth kein sicheres Urtheil
gefällt werden kann (soweit sie nicht schon in der Übersicht unter
Nr. 2 aufgeführt sind).
‚3 ergibt sich PNA: als Ace. von PNA: mapaorn, und ist
BO5A: (f) für NBmdAR: zu lesen. 1.4 1.A. ist O@AMPYP: zu streichen
und @A9’An: YA9J°: von V.3 herüberzuziehen. 1, 5 fehlt x: [ox]-
acwaw amoxpuba ev mACı Tois axpoıs Tns (Sic) xdı GEIoSyCovrdı Tavra To
axpa Tys Yas vor DRYZP AOD-: 1,7 zu lesen @twnT: für @Tw
ım9®?:; der Schluss mAdA: 3&P7F: Iheoo-: fehlt im Gr. 1, 9 scheint
etwas gekürzt. 2,ı fehlt @ vor NEY/ST:. und ist AP ZPCOFov-:
(e f) für AyTAHHaP-: zu lesen. 3, 1 lies mpt: DCHR: N.
5, I hat der Gr. für DBZ2.CE: zu was 6 x ap 65 dürwv Eis TıuNv Kal dokav.
5, 3 fehlt xaı oux dAAoovow und dro rwv Aoywv aürev, ebenso 5,4
orı Karerargoare Ev rois Wevouscw üuar. 5,5 ist für DQBNNI: @C
79°: zu lesen @ga0 J-F: VP-AN-: EN NT: NCIT: (NCIaor: haben
auch ef). xaı eionvn fehlt. 5,6 ist Aan: (e) für AAan: herzustellen.
5, 7 las Ae. Wapck statt Kalpıs. 5, 5 vocalisire @AP7Y: (für OA
aw',:). 6,3 ist Hk: von AH: zu streichen (f). 6,5 IeNneam-:
2° zu tilgen (e). 6,7 sind die Engelnamen bis zur Unkenntlichkeit
verdorben, zum Theil völlig verschieden, zugleich in anderer Ordnung
als’ im Gr. 6,8 hat ef At: Am-YE: UN&TF: DwCHt: H,AVoo-:
wie Gr. 7,3 ist Ad: für Ar: zu lesen, 7,5 a.E. AWP3Y: zu
streichen. S, ı ergibt sich das schwierige HAPL-I4W/Pov-: als
Aequivalent von 7& ueraia, was Ae. wer aurous las oder verstand;
Folge dieser Übersetzung war dann DPINLWoV-: Am-P4-f: statt
DPINFOO-: @AD-P4-t: (ef). Das a. E. des Verses stehende @F@-
Am: YA9°: muss dann eine später nachgeholte, aber am unrichtigen
Ort eingetragene Übersetzung von 74 WeraAAa sein. 8,2 ist; für
1048 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 8. December.
Da: HP: (oder DHPP: ohne NiEAF: D) zu lesen ayaı.:
(f). 8,3 erweist sich Argnzn: (oder APIN2.N: ef) als falsche
Lesart für Zeuiecas, und ANd-&%A: als verderbt aus a Auch
ist Ye: vor aANPF: zu streichen (e f). 9,ı ergibt sich
(nach Gr. und Synk.) @-CPF: @H-CP7YF: als innerabessinisches Mach-
werk (fehlt in f) aus ursprünglichem ®A-C}h,A: (was e hinter *7,n
1A: noch hat) und für das verlorene Padan. 9,4 ist AFTFZ®:
zu tilgen, ebenso T@-AR: 2° (ef), für Allav: zu lesen AyFt:, endlich
das letzte Wort (AF7Tt:) zu V. 5 zu ziehen. 9,6 ist CA.n:
(statt CA,M:) zu vocalisiren (d f); am Ende ist EMITNÖELOVTES Eyvwodv
avSpwmroı ausgelassen. 9, 7 ist ANDOFJ-T: verderbt aus Adna: (ef).
9, 8 scheint IM@&: Einsatz für ein geschwundenes P£&g:; von
nA: KHan-: AFhrt: ist noch eine Spur in Synk.; Ane7f: verderbt
aus ne: (f). 9,10 ist gEAT: zu vocalisiren, ebenso @A.PNA:
(e ff). 9,11 für za &&s aürovs hat Ae. übersetzt xaı ra aurwv; eben-
dort ist @ von @PYF: (oder DPF-F:) zu tilgen. 10, ı ist @ von
DAPZY: zu streichen (ef), und &M: nach AQ-A: einzusetzen. Die
Lesart ACHPAARL: (KcHRAPRA: ef) für &ChA: (Synk.) zeigt sich
als durch die griech. Vorlage veranlasst. 10,3 ist &£Al.z: zu tilgen,
und für P&C: zu lesen FT®-APR: (e f) oder FALL: PRC: 1.095
hat Ae. ewıdes statt ÜroIes übersetzt. 10, 7 ist APP&-C: 2° (fehlt in
A und d) statt eines geschwundenen rn (etwa Am@mbwegr:) herein-
gekommen. Dagegen ist PfA-: in der griech. Vorlage (erdra£av) be-
gründet. 10,9 ist Am-A-R: HJ: @ Glosse. 10,10 ist AAFTtA
WPav-: zwar durch griech. zu ep aurwv geschützt, aber in ef und
Synk. fehlt es. 10,11 ist für AM.AndhC: zu lesen AN,A:
rh-C: oder AMm.ANndhlC: h-C: (ef, AE). 10,12 1. A. lies mAfl:
(e) für All:, und 10,13 AYAP: (ef) für AYAaD: YAy°: 10,14
lies @AN: (e f) für @AibY: 10,16 vocalisire &TnA: (d e E).
10,17 ist 877%: aus BPRR: (ef) verderbt. 10, 20 hat Ae. Ib:
statt daxapIacıas 1°; 10, 22 duaprıas für dxapdacıac. 0, 22 her
fehlt in ef, wie im Gr. ı1,2 fehlt x rore, und ji rwv dvSoWrwv
hat Ae. rwv aiwvwv. 12,1 a. A. ist ®@ zu streichen (ef), und Ak:
für PA: zu lesen. ı2,2 sind $#8.4%: und TFY%: unter sich zu
umstellen (e f). 12,3 hat Ae. &yw für 'Eorws, ferner fehlt rev
dyıov Too meydAou, und ist a. E. rov yoaumarez rn dixauoouvms hinzu-
gesetzt. 12,5 ist NN: PC: zu tilgen (ef), ebenso 13, 2
het: (ef), und Adna: (f) für Am AR: ANA: zu setzen. 19,4
ist für IN: AM. ANdC: hr7E: zu lesen PR: A.A: AIR: (ef).
13,6 lies A277: (ef) für @Ar%7: Das mAA& Pandoo-: fehlt
im Gr. 19,7 hat Gr eu Adv für N9%: 13, S’hat TrundYEr.
cAPr: für ZAP:, und fehlt beim Ae. xaı YA%e bwvn Aeyoucd.
Diremann: Über den neugefundenen griech. Text-des Henoch - Buches. 1049
13,9 hat Gr. oweonA für A2bl: 13,10 fehlt xaı dvnyyaıra durois.
Von NF7P9°’P: ist E zu streichen (ef). 14, 2 ist vom Ae. ziemlich
frei übersetzt. 14,5 hat für aa-At: PC: der Gr. xaı &v rois
desmeis ne ne: - 14,8 a. E. kann D@PPrF-O-Z: (zei zareomevdalov ne)
ein aeth. Zusatz sein. 14,13 ist @ vor hB@t: zu tilgen (f).
14,14 ist NI%@: im Gr. nicht bezeugt. 14,15 sind die beiden
ersten Sätze beim Aeth. umstellt. 14,16 @ONB: fehlt im Gr.
14,17 lies HAhT: (ef) für AnT: BD. 14,18 für DPA: n.: hat Gr.
za opaclıs] %ep- 14,19 ist ON,&: zu tilgen (ef), und @A,PNA: (N)
für DA,eENA-: zu vocalisiren. 14, 21 fehlt eis rov oixov, und ist
DChe: (ef) für AP: zu sprechen; AP’Ag: fehlt im Gr., und Eory-
xzacıv im Aeth.; für Om Aki: APP: Pnd: Peat: hat Gr. Kaı
masMMoyos alreu Epyov. 14,23 Tov dyyarwy nach @P4.4%: fehlt im
Aeth., dagegen omYgAT: im Gr. (auch in ef). 14,24 hält, Are.
(mepı)xexarunuevos (FAN: für Behrnuevos, und für a aPAap: $#4.h: hat
Gr. x Tov Aoyov Lou dxoumev. 15,1 N PA: fehlt im Gr., ebenso A706:
OATELU: 15,2 @ von ®sh-C: ist zu tilgen. 15,4 ist mg.
@-P%7: P9.4%: zu umstellen (ef). 15,5 ist für &FiNc: zu lesen
AeTTI: (ef). 15,8 Amgaent: zu vocalisiren (für A997
hr:)- 15,11 Pany: (für Berdr:): Bad: ist schlechte Über-
setzung von Erırırrovra, wie hg: schlechte Lesart für Obonous (ob
TpoWov?); in DA,BZAIH-: ist (Gr. Synk) A, zu streichen, und Aß'T
omw#&: wohl verderbt aus &TOP%-: (schwerlich urspr. @&To@E:
schlechte Übersetzung des in Gr. fehlenden, aber bei Synk. stehen-
den xaı basuara Tolovvra). 15,12 ist A, von @A,RT7ZUh-: zu
streichen (e f); hinter @dh«: ist APZWPav-: ausgefallen, ferner für Aam:
(wPAN:) zu vocalisiren A9°, und das Wort zu 16, ı zu ziehen. 16.1
ist PT: (für DPF: 2Z0BTZ:). AIPTFAT: für AIITENAT:, HPMAT:
(für nBeJ:) und Peyny: (für BKay:) zu vocalisiren, vor 7%: 2° ein-
zusetzen F&4°7-F: (was AE, def noch statt 72: haben), APIAI”:
in AFt: YA”: zu verbessern, und a. E. APTr77: @LhYFT7: zu
tilgen. 16, 3 scheint 9°%.7: eine Lesart e£ouSevouuevov (für ex rou Su
yeyevyuevov) vorauszusetzen. 17,2 ®@@NY.7: zu vocalisiren. 173
NC/Y: für N4Y%: zu vocalisiren:; weiterhin scheint a-Nt: ARTE:
AN: dot: (f) Part: AT: zu lesen. 17,4 Pt: (ef) für Je:
zu lesen; NH&T77GC: fehlt im Gr. 17,6 Ar: zu tilgen (f); vor
PFAh-: die Negation A,: einzusetzen. 17,7 für Afnd: (cpn) hat
Gr. dveuovs, auch ist im Gr. PAß: und 098: umstellt. 18,6 zu
eidov rorov fehlt. 18, 7 entspricht dem &.a-M: raSev.' 18,9 lies
Ah: für Ihe: 18,10 gibt Ae. @CA.M-: UP: aohy: für Toms Eorıv;
! Worüber unten.
1050 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 8. December.
für TEpas las er EDV, und &TINA«: 07T: ist unrichtig für ouvere-
AeoIycav ol oupavaı. 18,117 ist PC: zu tilgen (ef), ebenso A097:
2° (e); überhaupt ist der Vers sehr frei übersetzt, und RAP*: un-
genau für WETDOV. 18,12 ist Add: 2° ungenau für vro auro.
18,13 0@94-9°: zu vocalisiren und zu V.ı2 zu ziehen. Das ana:
PYEÄ: NPAAAZ: (Gr. Fe wv mUSavouevov mo) setzt eine unrichtige
Lesung xa ws ma evruyyavolevov ML VOTAUS. 18,14 ist AI: ı° zu
streichen (ef). 18,15 ist APPRaD: ungenau für NPRLan: (ev
dp): 18,16 beruht Ngaw-f: Pr mc: auf der Lesung &viavro
nuornaov (Gr. EviaurwWv uvowv). 19,1 ist DAGEdtV’oo-: (für od:
D) und DPZ/H-APav-: (für Ach» :) zu lesen, ebenso Ad: dar: (für
Aha: NdAT:);: AANA: 2° zu streichen (ef); auch steht nam: AA:
nT: nicht im Gr. 19, 2 ist A7ßB: zu tilgen (ef), und entpuppt
sich jetzt das auffallende AAI@-PY: (wofür e noch AAFIPPT: hat)
als missverstandenes es ceıpyvas. 20,1 hat einen längeren (ob
jüngeren?) Text als Gr. x und %. 20523 wird HEY: DNLYL::
schwerlich inneraethiopische Verderbniss von ro) xoomov xal To) Tap-
rapov sein. 20,4 lies AgAm: NCEYTT: (rov Kooov Twv dworyuv).
20,5 kann AHN: (73 Aa0) richtiger sein, als rw yaw (aß). 26,6 für
NCPnA: haben &ß ZapınA. 20,7 ist zu stellen Pr: @AnßAT:
Dn.7MbA: (ef). 20,8 der 7. Engel fehlt im Ae. ganz (wie in o),
ebenso die Unterschrift (& ß) Ovonarcı ETTO. 21,2 vor A,NIe: ist
CA,N-: einzusetzen (e), AdA: für AQ-A: zu vocalisiren (f);: und HR
A@-: entweder zu streichen (e), oder HA,RA@-: zu lesen. 318
fehlt xaı EDuAEvOUG (7%.6.:). und steckt vielleicht in IMd: 2:00
hat Ae. ayeiro uov statt Ayaro aürwv. 21,6 fehlt rov oUpavov hinter
nPnnTt:, ist AO-A: zu streichen (e f), und Yan: statt YA: zu
lesen. 21,7 ist DA: aus oh: (ef) verderbt, und ist FAaros
ungenau mit IN®: übersetzt, ebenso eixacaı mit JA: 0RF-: DA
feht aA Am: vor NAFTMN: 22,1 ist w@gPT: fehlerhaft und
wohl aus 22,2 (ev aürs xomcı QdIos ey,ovres, wo Ae. xarcı gelesen hatte)
hereingekommen. 22,2 nam: Aav-%: NPFNedItl.: ist inneraethio-
pische Glosse zu Am-4:; ausserdem fehlen aber nach demselben ein
paar Zeilen des gr. Textes. 22,3 beruht wqP-F: auf der falschen
Lesung xarca (für xoAoı). 22,4 ist DANN: Aw: HZ, av-: DAR:
,: @ht: ON,P: verderbte Übersetzung von x& ueypı roü diorsuoo za
Ölopıomevou Y,povov. 22,5 fehlt evruyyavovrec. 22,6 ist im Aeth.
verkürzt. 22,7 ist N&@mdA: schlechte Übersetzung von ro &EeAdov
(für yadA:. 22,8 @NAFTM: zu tilgen (ef). Ferner ist vielleicht
NArrtkAv-: ONAYT: 172: Ar: inneraethiopische Verderbniss für ep
TÜV KURAWNATWV rdyrwv, indem ursprüngliches 0@-P:: (zuxrwna) als Forum
verstanden und durch 7fF42: ersetzt wurde. 22,9 ist für No
Diremann: Über den neugefundenen griech. Text des Henoch-Buches. 1051
]f:: zu lesen H@-Art:: (oder AN: ahrt::). 22,ı1ı hat Ae. rwv xary-
paevwv medial (N&4Jav-: statt pass. HBTFZIO0-:) gefasst; ferner ist
Adhn: AYAP: ONPA: Aythov-: (ueygıs diavos zaı Erdinyoews rav Luyav)
über den gr. Text überschüssig. 22,12 DAmy: Dh: AWPPLD:
YA: fehlt im Gr. 22,13 lies ana}: (für neoy:). Das Ad:
4.4.0777: ANA: beruht auf der Lesung Aa (gr. ovc, statt ws %), und
A,TTPTrA: ist blosses Surrogat für einen längeren Text. 22,14 ist
Ar: und Am.A: ANhT: und rar: (von HifAe:) zu streichen
(ef). 23,4 ist zu übersetzen: »der Lauf, den du gesehen hast«.
24, 1 & NG: entspricht dem 609, ist also Gebirg. aha rhat
Ae. aUrwv nach erı exew& nicht gelesen, daher a3z14U-:: übersetzt;
D37:9Y%: 2° ist zu tilgen (DE, ef). 24.3 ist Du Taf: BFeINde:
«
Ag°If-Arov-: verderbt aus @4P4: AT AMoo-: @RTaofA: 2458
las Ae. eveıdes für euwdes, und gab Zuy mit 4: 24.6 ON:
fehlt im Gr. 25,1 fehlt xai ri eSauuaoas. 25,4 für Th-F7:
hat Gr. ca. 25,5 hat Ae. eis Bopiav (für eis Bopav) gelesen und
xcdı umgestellt. 25,6 hat Gr. ßacava für hN%: 26,1 ist @P
AA: überschüssig, dafür das unentbehrliche & » devocs ausgelassen.
— = do c I c ! =
26,3 ist AM: für @nepy: zu lesen; vUro (Üroxarw) ist ungenau durch
any: übersetzt. 26,4 für Ft: hat Gr. Baseiav zur Enpav; für
ohAaAT: — DBßIMAT: ist onAAhT: BA: HP PT: a &-nAT: zu lesen.
26,5 &ThA: ist im Gr. negirt (cüx &purevero). 27,3 ® von @N
2322 zw\.tilgen (ef). 27,5 Ar: zu tilgen (ef); @IICH-: Ark: ist
schlechte oder verstümmelte Übersetzung von xa) mv dofav auToD Eiy-
Auca. 28,1ı Aht:F: zu streichen (ef). 28, 3 sehr verderbt, ist
herzustellen: PATCA,: ne: Add: (ef) nr: HPÄACN:, dann POCI:
(für POC:) zu lesen seq. 7P: @mäA: 29, 2 entspricht dem sonder-
baren BABN: gr. rveovra; A: vor 12%: ist zu streichen (ef) oder N:
zu lesen (DE). Hinten ist xapves (nGhb:) ausgefallen, und deshalb aus
ursprünglichem ®59@-7: &ranfiA-: (ef) gemacht worden Dd9@7: A,
era: 30, ı ist der Anfang xai &rexewa Tourwv Wy,omnv Mpos dva-
ToAds Waxpey im Ae. sehr entstellt. Wie hier mit AdA:, so ist auch
30,3. 31,2 mit fl: das erexewa ungenau übersetzt. Auch weicht
Pat: 77: nao: HA.RTPBAO: vom griech. ueyav (sie) Papayya Üdaros
stark ab. 30, 2 beruht wgP: (fehlt in f) vielleicht auf einer Lesung
pda (statt %pox). Aber e hat hinter wge@: für ang: neo: yA: viel-
mehr (dem Gr. mehr entsprechend) NHBaOAA: 60: angN: na: AYF+:
HAn.77: (vielleicht nach revidirter Übersetzung). 30,3 ist N74®:
(f) oder N7&6.00-: (e) statt 17&4,Wov-: zu lesen, und H: von HaoYıA:
zu streichen (e f). 31, ı ist für HAh: end: NAME: zu verbessern
hAkT: AENZ: In: @-Mirt: oder @NL-Rov-: (def,E). Ausgelassen ist
&?oy, und zu streichen ist DR @dAh: 2° (mit A) oder FB: @&@dh:
1052 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 8. December.
(mit ef). 31,3 ist 872”AP: vermuthlich verderbt aus PANBP:
(orav reußwew). 32,"1. hat"Gr.) "besser xcı apa) für DOM: angN:
32,2 soll @APZU-: Ch-P : nYn-: dem gr. x wor a Er drpwv xl dmo
rovrov entsprechen. 32,4 ist nach DBamA: ro devdsov Exeivo po-
Bırea ro Unbos, ra de bUAAa aurov ausgelassen oder weggefallen.
4. Betreffend die Frage nach dem Urtext des Buches Henoch
habe ich seinerzeit in Übereinstimmung mit Scausser (der nur die
Synkellos-Bruchstücke vor sieh hatte), LAURENncE, Horrmann, Ewarp
u. a. als selbstverständlich angenommen, dass das Buch, wenigstens
seine Hauptbestandtheile, ursprünglich hebräisch oder armäisch ge-
sehrieben und dann in’s Griechische übersetzt sei. Inhalt, Dietion
und speciell die apokalyptischen Abschnitte, sowie die 'Thatsache,
dass viele seiner Stoffe in der jüdischen Literatur noch bis in’s
Mittelalter hinein wieder vorkommen, schienen mir genügende Be-
weise dafür zu enthalten. Seither hat Har£vy' in seiner Weise den
Beweis für diese selbe These zu führen gesucht, während VoLKmar’
und Ferp. Prinippr” in dem Interesse, das Buch als ein nachchristliches
zu erweisen, behaupteten, das Griechische sei die Originalsprache des-
selben. Eine genauere Erörterung dieser Frage gehört nicht hierher.
Gegenüber von Behauptungen, wie dass auch ein hellenistisch gebil-
deter Jude den hebräischen Styl habe schreiben oder hebr. Engel-
und andere Namen habe bilden können, lässt sich nur durch um-
fassende Darlegung des gesammten Sachverhalts ein Gegenbeweis
führen, und an Aufzeigung von Übersetzungsfehlern konnte man, so
lange man nur den aeth. Text hatte, nicht denken. Um so erfreu-
licher ist es, dass der neue Fund uns einige Beiträge zur Erledigung
auch dieser Frage bringt. In Hen. 10, 9 sagt Gott zum Engel Gabriel:
ch-C: 3,000: AmYNLT: DATY-TT: @IN: @-A-P.: N7:, was ich
übersetzt habe: »ziehe aus gegen die Bastarde und die Verworfenen und
gegen die Hurenkinder«. Dass @®3712.%: dem hebr. mn entspricht,
war klar. Da aber ®3y1C: auch im Amharischen in der Bedeutung
»Wüstling« vorkommt, und da Synkellos für jene Worte mopelou em
ToUs yıyayras, Emi Tous Ku@dnAous, Em Tous vioos Tys mopveias hat, so war
die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit, dass erst der Aethiope den
Ausdruck ®®312.%: hier eingeführt habe. Nun hat aber der neu-
gefundene griech. Text wopsvov &mi roUs Malnpeovs, Emi Teüs xıBdnAous za
Tous vIOUS TAG mopveids, d. h. der Grieche hat den hebr. Ausdruck
unübersetzt in’s Griechische herübergenommen, und der Aethiope
! J.ı867 im Journ. As., Ser. VI Vol.IX S. 352 —95.
?2 J. ı860 in ZDMG. XIV S. ı31£.
® Prıuıprı, Das Buch Henoch, sein Zeitalter und sein Verhältniss zum Judas-
brief, Stuttg. 1868, S. 124 fl.
Diru.mann: Über den neugefundenen griech. Text des Henoch-Buches. 1053
hat ihn von dorther erhalten; Synkellos aber, der ihn nicht ver-
stand, hat dafür falsch yıyavras gesetzt. — In 10,19 wird ver-
heissen: Acht: eond.Ccth: »APdh: TINC:T PnPAT: HRT: »ein Maass
Oliven wird 10 Pressen Öl geben« (jetzt würde ich übersetzen
»10o Kufen«, weil PnPL-: gewöhnlich dem Anvos, UmoAAvuv, mooAAvIoV
entspricht). Der Grieche aber hat an jener Stelle ava Adrous dexa,
d.h. er hat in seiner Übersetzung den hebr. Ausdruck na beibe-
halten; dass ein hellenistischer Verf. Bzrovs statt eines griech. Aus-
drucks geschrieben hätte, ist sehr unwahrscheinlich. — In 18, 7 steht,
dass einer der Berge APANT: d.m-: war. Diesen Ausdruck, bedeu-
tend Heilstein, habe ich seinerzeit mit Spiessglas übersetzt, weil
die späteren Abessinier ihn in diesem Sinn gebrauchen (z. B. N%N%:
e.D-N: Noch: 08%7:), auf Grund von Apoe. 3,18, wo Za*-N: medi-
camentum dem xoAAsvgiev entspricht. Nun liest man aber Hen.ı8,7
beim Griechen dro AıSou raSev. Was raSev sei, weiss niemand, und
ein griechisches Wort, woraus es verderbt wäre, ist nicht zu errathen.
Ohne Zweifel ist auch dies ein vom griech. Übersetzer beibehaltenes,
aber in der Abschrift entstelltes hebr. Wort, ich vermuthe mo» Topas,
was hier gut passt. Der Aethiope aber las oder emendirte das un-
verständliche Wort etwa als ı@Sev, ıarrp, ıwrng oder dergl., und über-
setzte 4.@-Ah: An Stibium ist um so weniger zu denken, als dieses
sofort in 18,8 wirklich vorkommt. Hier nämlich heisst es, dass der
dem Thronsessel Gottes gleichende Berg APArN?: Th: war. Ich habe
das in der deutschen Übersetzung mit Alabaster gegeben, weil die
einheimischen Vocabularien und demnach Luporr im Lexikon den Aus-
druck mit album marmor erklären, habe aber später in meinem
Lexikon Sp. 1392 es mit 72 zusammengestellt. In der That bringt uns
nun der griech. Text &ro AıSov dovxa, und das ist nichts anderes, als
ein vom griech. Übersetzer beibehaltenes hbr. Pe stibium (vergl. dazu
Jes. 54, ıı. ı Chron. 29, 2), vielleicht (aber nicht sicher) aram. x>"2.
Original griechisch wäre so nicht geschrieben worden. — In 28, ı geht
Henoch ostwärts ANA: AR-NZL: am P-fi£-: »mitten hinein in das Gebirg
der Wüste«, und 29,1 geht er an einen andern Ort AP: mp-fl&-: »von
der Wüste«. Der Ausdruck ist, wie schon die Form ausweist, nicht
Geez, sondern hebr. 127% oder aram. 87372; er konnte aber dem Aethiopen
aus Jos. 5, 6 (vergl. 18, 12), wo im gewöhnlichen LXX-Text Maßdagirıdı
als Glosse zu 7 &oyuw steht und der Aeth. amßnZ«: übersetzt hat, ge-
läufig sein, und liess sich also auch hieraus ein Beweis für ein hebr.-
aram. Original nicht mit Sicherheit entnehmen. Nun hat aber der griech.
Henochtext wirklich Cap. 28, ı eis ro ueoov uavdoßape, und 29,1 &s
arAov Temov Ev rw Baßdnpa, was sich sofort sowohl durch seine Form,
als durch die Variante als ein vom Übersetzer herübergenommenes
Sitzungsberichte 1892. 96
1054 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 8. December.
Fremdwort ergibt. — Endlieh in Cap. 31, ı heisst es DB BOAAR: AI’
20.: Nov: zpPE: Hho®-: AL.: »und es kam etwas daraus hervor wie
Nektar, das man Sarirä nennt«. Im meiner deutschen Bearbeitung ver-
muthete ich, dass dieses sonst nicht bekannte Wort Add: aus orupaf
oder aus 2 verdorben sei. Im griech. Text heisst es nun &xrogevo-
Wevov EE aUToU vertap TO xaAouuevov oappav. Daraus ist klar, dass orupa£
nicht mehr in Frage kommen kann, sondern ein hebr.-aramäisches,
vom Übersetzer beibehaltenes Wort darin steckt. Ich kann auch jetzt
nur an hebr. "2 denken, etwa in seiner aramäischen Form I i. Löw!
zwar wollte auf Grund des aethiopischen %4:!: das arabische _u
GH ! J ! 5 . . .
32,0 zaAuuos dpwuarızes hierher ziehen, aber angesichts des griech.
Sappav muss diese Vermuthung aufgegeben werden. Durch die bei-
gebrachten Stellen des griech. Textes halte ich ein hebr.-aramäisches
Original wenigstens von Hen. 1—36 für hinlänglich erwiesen.
5. Und nun noch ein Paar Worte über den Ertrag, den der neue
Fund für das Geez-Lexikon bringt. Der Ausdruck @®37}C: ist nach dem
zuvor Auseinandergesetzten vermuthlich erst durch die Henoch-Stelle
in die äthiopische Literatur eingeführt, und aus dieser in’s Amharische
übergegangen nicht in seiner ursprünglichen Bedeutung, sondern in
dem Sinn, den man conventionell dem Fremdwort jener Stelle bei-
legte. Ferner der Gebrauch von Ans: d&.a-h: als stibium bei den
späteren Abessiniern verdankt seine Entstehung dem Missverständniss
eines Fremdworts, wie die spätere Deutung des Anz:Eh: als Ala-
baster blosser Einbildung. Das Wort Alldzefl:, das sonst dem KoATalp-
barraı und &ußgeı entspricht, ist dureh Hen. 28, 3 als Äquivalent für
Udpaywyos gesichert, wie es auch im Hexaömeron” p. ı2 dem arabischen
a1; entspricht. Ebenso ist jetzt Andi: nach der Hen. 28, 3 noth-
wendig gewordenen Correetur in der Bedeutung irrigare belegt
(s. mein Lexikon Sp. 240 unter ArZN:. Dass für n74,@: durch
Hen. 30, 3 ein Beleg erbracht ist, habe ich schon im Lexicon Sp. 858
bemerkt. Endlich ist jetzt im Lexicon Sp. 824 der Artikel Nnhndht:
zu streichen, und die Stelle Hen. 32, 3 ebendort Sp. 823 unter NA:
$. 2 einzureihen, denn Acht: V’av-: entspricht dort dem griech. uz-
KpoSsv (zirwv), und da def NhhtVoo-: oder Hyuhtar-: bieten, so
ist es von Mhn: oder Nhilch: = msdrn — ultra abzuleiten.
! Aramäische Pflanzennamen, Leipzig 1881. $ 291.
° E. Truner, Das Hexaömeron des Pseudo -Epiphanius, München 1882, 4° (aus
den Abhandlungen der K. Bayr. Akademie der Wissenschaften).
Ausgegeben am 15. December.
’
un
1055
1892.
Lil.
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADENIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
8. December. Sitzung der physikalisch-mathematischen Ulasse.
Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs-Revmonv.
l. Hr. WaLoever gab Beiträge zur Kenntniss der Anatomie
des harten Gaumens.
Die Mittheilung soll später in den Abhandlungen der Akademie
erscheinen.
2. Hr. Lanporr legte eine Abhandlung des Hrn. LADEnBURG in
Breslau vor über das Isoconiin, ein neues Isomeres des Co-
niins und über den asymmetrischen Stickstoff.
Die Mittheilung folgt umstehend.
96 *
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Er Ne A u Pi 3,0%;
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1057
Uber das Isoconiin,
ein neues Isomeres des Coniins, und über den
asymmetrischen Stickstoff.
Von A. LADENBURG
in Breslau.
(Vorgelegt von Hrn. Lanvorr.)
Dir Ausgangspunkt der folgenden Untersuchungen bildet eine Beob-
achtung, die ich vor etwa acht Jahren machte. Schon als die ersten,
sehr kurz gehaltenen Mittheilungen über das Conyrin erschienen, ver-
suchte ich, da ich mich damals schon mit der Synthese des Coniins
beschäftigte, diese Verbindung darzustellen. Die erhaltene Base reinigte
ich durch das Platinsalz, indem ich dasselbe dureh Waschen mit
Ätheralkohol, in welehem das Coniindoppelsalz leicht löslich ist,
von diesem trennte. Ich ’erhielt so ein sehr gut krystallisirendes
Platindoppelsalz, dessen Analysen aber auffallenderweise nieht auf
Propylpyridinplatin, sondern auf Propylpiperidinplatin stimmten. Ich
hatte damals diese Beobachtungen nieht weiter verfolgt, sondern mich
begnügt, mir die betreffenden Praeparate aufzubewahren und einige
Notizen in meine Tagebücher zu bemerken.
An diese Versuche, die mir längst aus dem Gedächtniss ent-
schwunden waren, wurde ich kürzlich wieder erinnert, als ich die
in meinem Laboratorium gefundenen Thatsachen über die Piperidin-
earbonsäuren mit denen anderer Forscher verglich. Ich kam so nämlich
auf die Möglichkeit von Stereo-Isomerie in dieser Reihe, und da trat
plötzlich jene Beobachtung wieder in mein Bewusstsein, und der
Wunsch, jene Isomerie etwas näher zu untersuchen, ward angeregt.
Mit IHülfe der noch vorhandenen Notizen und Praeparate ward
es nicht schwer, die früheren Beobachtungen zu bestätigen und durch
neue, weit eingehendere zu ergänzen.
Ich fand bald eine Methode, die neue Base, die ich früher schon
Isoconiin genannt hatte, welchen Namen ich vorläufig beibehalten
will, in genügender Ausbeute, 25 Procent vom angewandten Coniin,
1058 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 8. December.
zu erhalten. Man braucht nur das Chlorhydrat der Schierlingbase
mit "/, des Gewichts an Zinkstaub unter Zusatz von wenigen Tropfen
Wasser zu destilliren. Die Trennung der im Destillate befindlichen
3 Basen, des Coniins, Isoeoniins und Conyrins, bietet keine besonderen
Schwierigkeiten. Doch bemerke ieh, dass die Darstellung der Nitros-
amine keine vollständige "Trennung von Conyrin ermöglicht, sondern
(lass diese erst dureh Abdampfen in neutraler Lösung bewirkt: wird.
Die Trennung von Contin und Isoconiin beruht auf dem ganz ver-
schiedenen Verhalten der entspreehenden Platinsalze gegen Äther-
alkohol (2 Vol. Äther auf ı Vol. Alkohol), indem sich Coniinplatin
spielend löst und Isoconiinplatin ganz unlöslieh ist.
Das Isoeoniin ist eine farblose fNlüssiee Base, die mit dem Coniin
[w)
die grösste Ähnlichkeit zeigt. Der Siedepunkt derselben liegt unter
750""5 Druck bei 164.5, während unter genau denselben Bedingungen
Coniin bei 165° siedet (die eorrig. Siedepunkte sind 167°2 und 16777).
Die Zusammensetzung O,Il,,.N der neuen Base wurde dureh die
17
folgenden Analysen bestätigt:
Base: G,IL.N
17
Gefunden Berechnet
v 75.54 75.59
u 13.53 13.38
Chlorhydrat: G,H,NIIOI
Gefunden Berechnet
Ü 58.75 58.75
B 197 1207
Cl 211407 21.66
Platindoppelsalz: (C,H,NMON, PtCl,
(tefunden Berechnet
Ü 20.03 28.96
u 5.55 5.43
Pt 20.20 20.39
Das speeifisehe Gewicht des Isoconiins wurde bei 0° zu 0.8595,
bei 20° zu 0.8425 gefunden, während ieh früher für Coniin 0.8626
und 0.845 angegeben habe. Der Geruch ist dem des Conins sehr
ähnlich, doch finde ieh ihn ammoniakalischer. Der Schmelzpunkt
des Chlorhydrats liegt bei 216— 217°, der des aetiven Goniins ist
(früher zu 217— 218° bestimmt worden. Der Hauptunterschied im
Verhalten beider Basen liegt in den Platindoppelsalzen, von denen,
wie erwähnt, das des Isoconiins in Ätheralkohol unlöslich ist. Das-
selbe lässt sieh leicht in schönen durchsichtigen, gut ausgebildeten
nn
l,anennunrd: Uber das Isoconiin, 1059
Krystallen gewinnen, die Hr. Dr. Minen krystallographisch bestimmte,
Danach gehört es dem rhombisehen System an." Der Sehmelzpunkt
des Salzes liegt bei 168°.
In dem Verhalten gegen Goldehlorid, Jodkadmiumkalium, Pikrin-
sure und Sublimatlösungen zeigt das Isoconiin keinerlei Unterschiede
von Coniin. A
Die bemerkenswertheste Kigensehaft der neuen Base liegt in
dem Verhalten gegen polarisirtes Lieht. Sie besitzt nämlich ein be-
dleutendes Drehungsvermögen nach rechts, das aber doch wesent-
lieh geringer ist als das des Goniins. Ks beträgt 8°19, während
das des letzteren früher zu 13.79 bestimmt wurde. (Der Versuch
wurde mit der Base selbst im Deeimeterrohr angestellt, Der be-
obaehtete Drehungswinkel betrug 679 als Mittel aus drei Beobach-
tungen.)
Diese Thatsache hat mich sehr überrascht, und ich habe zunächst
ocrlaubt, sie dureh eine Beimengung von inaetivem Goniin erklären
zu sollen. Denn wenn auch das Platinsalz des Isoconiins dureh
Waschen mit Ätheralkohol, bis dieser eanz farblos abläuft, vom
Doppelsalz des innetiven und linksdrehenden Coniins, die darin leicht
löslich sind, getrennt werden kann, so war doeh die Möglichkeit
nicht von der Hand zu weisen, dass bei der Abscheidung der Base
aus dem Doppelsalz innetives Coniin gebildet werden könne. Um
diese Frage zu erledigen, wurde das Isoconiin wieder in Ghlorhydrat
verwandelt, dies zur Troekne gebracht und eine bestimmte Menge
davon in Platindoppelsalz übergeführt und eingedampft. Dieses wurde
nun mit Ätheralkohol von Neuem gewaschen, wobei eine kleine
Menge in Lösung ging, die in Chlorhydrat umgewandelt und ge-
wogen wurde. Danach waren 15 Procent Goniin entstanden, Bei
einem zweiten Versuch derselben Art wurde das aus «der Base ge-
wonnene trockene Chlorhydrat längere Zeit auf dem Wasserbad er-
wärmt und dann 1-2 Stunden mit Wasser gekocht, ehe es in Platin-
salz verwandelt wurde. 3jeim Auswaschen mit Ätheralkohol gingen
hier 26 Proeent in Lösung, Danach darf man also annehmen,‘ «dass
dem Isoeoniin höchstens 20 Procent Goniin beigemengt sind. (Kigentlieh
nur 10 Procent, denn bei der Rückverwandlung der Base in Platinsalz
wird wohl ebenso viel Coniin entstehen, wie bei der Herstellung der
Base aus dem Salz.) Wäre nun dieses Coniin innetiv, so würde der
Rest, wenn er noch das Drehungsvermögen «des Goniins besässe, ein
oO
solehes von etwa ı 1°, also ein wesentlich höheres als «dns des Isoeoniins
zeigen MÜSSEN.
' Die Messungen werden a. 0, n. 0 publieirt,
1060 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 8. December.
Ich habe aber noch durch besondere Versuche erwiesen, dass das
als Nebenproduct auftretende Coniin fast genau das Drehungsvermögen
der ursprünglichen Base zeigt.'
Es kann also keine Rede davon sein, die Veränderungen des
Drehungsvermögens, bei der Verwandlung des Coniins in Isoconiin
Verunreinigungen zuzuschreiben. Im Gegentheil scheint mir die That-
sache erwiesen, dass das Isoconiin wesentlich anders auf polarisirtes
Licht wirkt als Coniin.
War auch hierdurch die Art der Isomerie der beiden vielgenannten
Körper als Raumisomerie wahrscheinlich gemacht, so fiel mir doch
die Aufgabe zu, nachzuweisen, dass zwischen den beiden Verbindungen
keine Structurverschiedenheiten bestehen, namentlich dass nicht etwa
die Verwandlung der Propylgruppe in das Isopropyl als Ursache der
Verschiedenheit angenommen werden könne. Diesen Nachweis konnte
man führen durch Darstellung des bisher unbekannten A-- Isopropyl-
piperidin. Allein selbst wenn hier die Verschiedenheit mit dem Iso-
coniin erwiesen wäre, was ich mir für spätere Versuche vorbehalte,
so hätte der Einwand, dass dieses mit S- R- Isopropylpiperidin identisch
sei, schwerlich widerlegt werden können, da vorläufig zu dessen Ge-
winnung keine Methode bekannt ist.
Ich habe daher einen anderen Weg eingeschlagen, um die Frage,
ob Structurisomerie vorliegt oder nicht, zu entscheiden. Ich versuchte,
das «-Pipecolin, welche sich früher aus dem «-Pieolin dureh Reduetion
gewonnen hatte, durch Destillation mit Zinkstaub einer Ähnlichen Um-
wandlung zu unterwerfen wie das Goniin, da die Anzahl der möglichen
structurisomeren Verbindungen hier weit geringer ist und durch be-
kannte Körper repraesentirt wird. Der Versuch wnrde wie beim Coniin
ausgeführt und das Product wie dort gereinigt. Das erhaltene Chlor-
hydrat schmolz bei 208— 210°, während ich für reinstes Pipeeolin-
chlorhydrat 207— 208° fand. ‚(Früher war der Schmelzpunkt zu
niedrig angegeben worden.) Das Platindoppelsalz krystallisirt in eben-
solchen durchsichtigen Tafeln wie das des Pipecolin’s. Der Schmelz-
punkt wurde bei 201— 203° gefunden, während der des unverän-
derten Pipecolinplatins bei 199— 200° liegt. Auch die Löslichkeit
beider Salze war nahezu dieselbe. In Ätheralkohol waren beide
unlöslich, in 100 Th. Wasser lösten sich 26 bez. 27 Th. der Salze
bei 20°5. Danach schien das Ausgangsmaterial durch die Reaction
"Auch habe ich mich durch den Versuch überzeugt, dass bekannte Gemenge
von Coniin und Isoconiin eine Drehung zeigen, die fast genau der Summe der
Drehungen der Gemengtheile entspricht, was mit früheren ähnlichen Beobachtungen
übereinstimmt. (Vergl. Lanporr, Das optische Drehungsvermögen organischer Sub-
stanzen.
LADENBURG: Über das Isoconiin. 1061
unverändert geblieben, und es entstand die Frage, ob nicht, angesichts
dieser Thatsache, das Isoconiin doch als eine Isopropylverbindung
anzusprechen sei. Eine nähere Überlegung führte aber dazu, den eben
beschriebenen Versuch als für die Frage nicht beweisend zu erklären.
Es konnte doch immer erst das R-z-Pipecolin als mit dem Coniin
analog betrachtet werden, während zu dem Versuch gewöhnliches
inactives «-Pipecolin benutzt worden war. So unwahrscheinlich es auch
zunächst erschien, dass die Reaction mit Zinkstaub sich in ihrem Ver-
lauf durch die Anwendung physikalisch oder optisch isomerer Körper
ändere, — es liegen hierüber übrigens fast keine Beobachtungen vor —,
war die Frage einmal aufgeworfen, so musste der Versuch entscheiden.
Ich habe deshalb die Zinkstaubreaction ı. mit inactivem Coniin,
2. mit rechtsdrehendem Pipecolin wiederholt.
ı. Zu diesem Versuch diente synthetisches inactives Coniin,
welches aus «&-Picolin nach der von mir früher angegebenen Methode
hergestellt worden war." Die Reaction wurde genau unter denselben
Bedingungen ausgeführt, wie die oben beschriebene mit R-Coniin.
Das vom Conyrin möglichst vollständig getrennte, aus dem Nitrosamin
regenerirte Chlorhydrat wurde in Platindoppelsalz verwandelt, dieses
möglichst vollständig eingedampft und nun mit Ätheralkohol behandelt.
Es löste sich ziemlich rasch Alles, bis auf eine kleine Menge eines
gelben Pulvers, das sich auch in Wasser unlöslich zeigte und bei
näherer Untersuchung als Platinsalmiak erwies. Es war also keine
Spur von Isoconiin entstanden, während nach den angewandten
Mengen und der beim Goniin beobachteten Durchsehnittsausbeute 3°
Platinsalz hätten entstehen "sollen.
2. Das #-k-Pipecolin wurde nach der von mir früher angege-
benen Methode gewonnen.” Dabei zeigte es sich, dass es sehr leicht
ist, rechtsdrehendes Pipecolin zu gewinnen, dass es aber verhältniss-
mässig schwierig, zeitraubend und mit grossen Verlusten verknüpft
ist, wenn es sich um die Darstellung von chemisch reinem ZR-Pipe-
colin handelt. Ich glaube dies jetzt einigermaassen erreicht zu haben,
indem ich das zuerst abgeschiedene Bitartrat umkrystallisirte und die
daraus gewonnene Base abermals in weinsaures Salz verwandelte u.s. w.
Schliesslich ward ein Drehungswinkel von 29°29 im Decimeterrohr
beobachtet, woraus sich das Drehungsvermögen zu 34.62, also we-
sentlich höher als früher angegeben, berechnet.
Das Chlorhydrat dieses R-Pipecolins ward nun auch mit '/, seines
Gewichtes am Zinkstaub destillirt und das Product in durchaus gleicher
! Ann. Chem. 247, ı.
2 Ann. Chem. 247, 1.
1062 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 8. December.
Weise wie beim R-Coniin und inactiven Pipecolin weiter behandelt.
Die Trennung der vorhandenen Piperidinbasen von den Pyridin-
basen geschah wieder durch Darstellung des Nitrosamins, welches
aus der sauren Lösung durch Äther ausgeschüttelt wurde, wonach
die ätherische Lösung wieder mit verdünnter Salzsäure geschüttelt
wurde, um kleine Mengen von’in den Äther übergegangenen Picolin
zu entfernen. Das Nitrosamin wurde dann wieder in Chlorhydrat
verwandelt und dieses wiederholt abgedampft und in Platinsalz über-
geführt. Dies wurde durch mehrfaches Umkrystallisiren zu reinigen
versucht.
Das schliesslich erhaltene Platinsalz, dessen Einheitlichkeit aller-
dings nicht sicher steht, wurde in trüben Prismen oder in Warzen
erhalten, die selbst an feuchter Luft zu verwittern scheinen und zu
einer glanzlosen Masse nach und nach zerfallen. Der Schmelz- und
Zersetzungspunkt liegt bei 203°. Die Zusammensetzung wurde durch
eine Platinbestimmung controlirt:
Gefunden Berechnet für (C6 Hız NH Ch, Pt Cl,
Pukan.a 32.03
Das R-Pipecolinplatin dagegen bildet bei langsamer Verdunstung
durchsichtige schön ausgebildete Prismen oder weiche seideglänzende
Nadeln, die selbst bei längerem Liegen an der Luft ihren starken
Glanz beibehalten und bei 193°5 schmelzen. Auch die Löslichkeit
beider Salze wurde etwas verschieden gefunden. Es lösen nämlich
100 Th. Wasser bei 19°: 14.6 Th. R-z-Pipecolin, während unter den-
selben Bedingungen 17.2 Th. des veränderten Salzes gelöst werden.
Jedenfalls sprechen diese Beobachtungen dafür, dass nicht mehr
der ursprüngliche Körper vorliegt. Dies habe ich auch noch in
anderer Weise zu bestätigen gesucht.
Das Produet der Zinkstaubreaetion wurde, nachdem es von dem
gebildeten Kohlenwasserstoff und Picolin sorgfältig getrennt war, im
Base verwandelt und diese nach peinlichem Trocknen und Destillation
auf ihre optische Aetivität untersucht. Der Drehungswinkel fand sich
im Deeimeterrohr zu 26°3, also 3° niedriger als der von reinem Z-Pipe-
colin. "Trotzdem hat die Base genau die Zusammensetzung des Pipe-
colin, wie folgende Analyse zeigt:
Gefunden Berechnet für C6 Hız N
07 ,9208 12.72
I 713.20 13.13
Die Annahme, dass die Verminderung des Drehungsvermögens
durch die Anwesenheit von inactivem Pipecolin bedingt ist, erscheint
nach dem Versuchen beim Coniin sehr unwahrscheinlich.
R Me a
LADEngBURG: Über das Isoconiin. 1063
Dadurch glaube ich den Nachweis wirklich erbracht zu haben,
dass auch hier eine dem Isoconiin entsprechende Isoverbindung
entsteht.
Damit aber fällt die Hypothese, dass (das Isoconiin eine Iso-
propylverbindung sein könne. Ich glaube sogar behaupten zu dürfen,
dass die hier beschriebenen Umwandlungen nicht durch Struetur-
verschiedenheit erklärt werden können. Bei einer solchen Auffassung
bliebe es vollständig unverständlich, warum nur die optisch activen
Körper derartige Isoverbindungen zu bilden im Stande sind, und auch
die Erklärung der Veränderungen des Drehungsvermögens würden dieser
Ansicht sehr grosse Schwierigkeiten bereiten.
Kl Ich glaube daher diese Isomerie als Stereo-
Fig. 1.
2 Isomerie auffassen zu müssen. Betrachtet man
aber die Formel des Coniins (Fig. ı), so findet
man darin nur einen, den mit» bezeichneten,
Bazl. ii, N H asymmetrischen Kohlenstoff. Nach der herr-
schenden Theorie sind also ausser der race-
| ri nischen Verbindung nur 2 Isomere möglich.
el er Es muss daher die Theorie erweitert werden.
I | 5 Die folgenden Vorstellungen gebe ieh in
Form einer Hypothese, die mir aber wahr-
vr scheinlich erscheint, weil sie den beobachteten
Thatsachen in genügender Weise Rechnung trägt. doch bedarf sie noch
weiterer Bestätigung.
%s soll nämlich die Annahme gemacht werden, dass in dem
Piperidin und ähnlichen ringförmigen Gebilden, die Valenzen des
Stiekstoffs nieht in einer Ebene liegen, so dass schon bei den Mono-
substitutionsprodueten des Piperidins durch die Lage der 3., nicht
dem Ring angehörenden Valenz des Stickstoffs, Asymmetrie und
optische Activität hervorgerufen bez. verändert werden können.
Am einfachsten gestalten sich die Verhältnisse, wenn man an-
nimmt, dass die den Ring bildenden Atome und die dazu nöthigen
Valenzen in einer Ebene liegen, welche ich die Ebene des Rings
nennen will. Es werden dann die H-Atome der CH,-Gruppen auf zwei
verschiedenen Seiten der Ringebene zu liegen kommen, welehe eben
dadurch verschieden sind, dass einer der zwei #-Kohlenstoffatome ein
Alkyl enthält.‘ Es wird nun die dem Ring nicht angehörende Valenz
des Stickstoffs, die ich der Kürze wegen die räumliche Valenz_ des-
! Der Einfachheit wegen will ich vorläufig nur von «-substituirten Piperidinen
sprechen, für welche allein die Theorie geprüft ist. Ich bemerke jedoch, dass meiner
Ansicht nach bei den 2-Verbindungen ähnliche Verhältnisse sich finden werden, worüber
demnächst berichtet, werden soll. Auf die y-Verbindungen komme ich weiter unten.
1064 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 8. December.
selben nennen will, entweder auf derselben Seite mit dem Alkyl oder
auf der entgegengesetzten Seite zu liegen kommen, d.h. man wird
auch hier, wenn man sich der von BaEYErR eingeführten Nomenelatur
bedient, von Cis- und von Transverbindungen sprechen können.
Diese Gedanken lassen sich an Modellen sehr anschaulich zeigen.
Man kann sie aber auch dureh schematische Zeichnungen leicht ver-
ständlich machen.
Bei den hier gewählten Zeichnungen ist angenommen, der Ring
sei an einer Stelle aufgeschnitten und auf die Ebene des Papiers
Fig. 1 aufgerollt. Es ist ferner die
H durchaus willkürliche Annahme
He Von A ht hö li
ee en
4 & : a nn N gemacht, es gehörten die
’ ’ f ! ' | : schon länger bekannten Rechts-
a a 06-0, 0, .R und Linksverbindungen der
H ; ; Ih ® =
| | | N | Cisreihe an. Dann stellt Fig. ı
H H H H H . . .
das Rechtspipecolin und Fig. 2
Fig. 2. (las Linkspipecolin dar, die nur
e ’ 5 2 = der Einfachheit wegen statt
1 ! ! T T der Propylverbindungen ge-
<— 0 0 © IC Oo 70 2 "zeichnet „sind. "Die optische
d h N
| | \ l J | Activität der beiden Körper
Ele werde durch die Summe der
} r. ..
H Wirkungen erklärt, welche der
asymmetrische Kohlenstoff G° und der asymmetrische Stickstoff
hervorrufen.
Die von mir entdeckten und hier beschriebenen Isoverbindungen
entstehen nun meiner Ansicht nach dadurch, dass die Cisstellung in
eine Transstellung übergeht,
Fig. 5. x so dass Fig. 3 und Fig. 4 die
Beta Anschauung für Rechts- und
u BI a H ©. Links-Isopipecolin verdeut-
ini ER ED Duke Se lichen sollen. Das seunyz
( | ( C C N Ce Drehungsvermögen dieser
ir il 1 Hl i Mr Verbindungen erklärt sich
dadurch, dass jetzt die Wir-
Fig. 4. kungen der asymmetrischen
s = n e n > Atome entgegengesetzt sind
3 i N Hai | \ > L-Iso nd daher das beobachtete
r e = a N Drehungsvermögen als Diffe-
El e\ renz derselben erscheint.
RR: Soweit besteht also voll-
ständige Ubereinstimmung
“ M ar
LADEnBURG: Uber das Isoconiin. 1065
zwischen Theorie und Experiment. Etwas anderes gestaltet sich die
Sache, wenn wir jetzt auf die Versuche mit den racemischen Ver-
bindungen eingehen. Das inactive Pipecolin muss als eine Verbindung
von #£- und Z-Pipecolin (Fig. 2 und 3) angesehen werden. Bei der
Destillation mit Zinkstaub wird daraus wahrscheinlich die racemische
Isoverbindung entstehen, die als eine Aneinanderlagerung der Spiegel-
bilder Fig. 3 und 4 aufgefasst werden muss, aber bis jetzt noch hypo-
thetisch ist. Diese neuen racemischen Verbindungen werden den zur
Reaction benutzten viel näher stehen müssen, als der Rechtskörper
dem daraus gebildeten Rechts-Isokörper, schon weil beide optisch in-
activ sind. Sie werden aber untereinander nicht identisch sein können
und so finden wohl die kleinen Differenzen in den Eigenschaften, wie
sie Oben bei dem Versuch mit dem racemischen Pipeeolin geschildert
sind, und andere, die hier noch nieht erwähnt wurden bei dem Ver-
such mit inactivem Coniin, ihre Erklärung. In einem Punkt aber
müssen sich die beiden racemischen Verbindungen sehr wesentlich
unterscheiden, wenn sich diese Anschauungen bestätigen sollten: die
inactive Isoverbindung muss auch spaltbar sein, sie darf aber nicht
in die bekannten R- und Z-Verbindungen, sondern soll in die erst
nach dieser Theorie möglichen und nur zum Theil hier beschriebenen
R-Iso- und ZL-Isokörper zerfallen. Hier muss also das Experiment
erst die Folgerung der Theorie bestätigen.
Auch ist dies nicht die einzige Aufgabe, die dem Experimen-
tator noch zu lösen bleibt. Es ergeben sich aus den vorgetragenen
Anschauungen eine ganze Reihe von näher und entfernter liegenden
Folgerungen, die dem Versuch zugänglich sind. Von diesen will ich
nur einige hier anzuführen mir erlauben.
Die Ausdehnung der Versuche auf die &-Reihe des Piperidins und
die Hydrochinoline ist selbstverständlich. Dabei sind in der letzteren
Reihe einige Versuche auszuführen, welche von entscheidender Wichtig-
keit werden können.
Die y-Derivate des Piperidins, die nach der vav'r Horr-Le Ber’schen
Theorie keine Raumisomerie gestatteten, müssen in eine Isoform ver-
wandelt werden können. Die ringförmigen Gebilde mit zwei Stickstoff-
atomen, wie z.B. das von mir und Asgeı entdeckte Piperazin, das
bereits eine Rolle als Arzneimittel spielt, ferner die Dipiperidyle und
viele ähnliche Körper müssen in zwei isomeren Formen auftreten können,
und — Jast not least — Ammoniakderivate, die nicht geschlossene
Ketten bilden, könnten sich auch durch die Asymmetrie des Stick-
stofls, in optisch active Modificationen spaltbar erweisen.
Diese letztere Folgerung ist nicht als eine nothwendige, wohl
aber als eine mögliche Consequenz der hier vorgetragenen Hypothese
1066 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 8. December.
zu betrachten." Und hier begegne ich mich mit den Vorstellungen
Le Ber’s, der, schon voriges Jahr einer solchen Möglichkeit Rech-
nung tragend,” sie experimentell — aber ohne Erfolg — zu bestätigen
suchte. Auch ich habe bisher nach dieser Richtung nur negative Ver-
suche aufzuweisen. Doch habe ich neue Versuche in Angriff genommen,
über die ich vielleicht später etwas berichten kann.
Hier soll noch ein Punkt zur Sprache gebracht werden, der einer
näheren Aufklärung bedarf. Es giebt Verbindungen, die keinen
asymmetrischen Kohlenstoff, wohl aber einen asymmetrischen Stiek-
stoff, der einem Ring angehört, besitzen. Diese müssten, entsprechend
obigen Vorstellungen, als racemische Körper aufgefasst werden und
sich als spaltbar erweisen. Die bisher, namentlich beim Tetra-
hydrochinolin angestellten Versuche, sind aber ganz erfolglos ge-
blieben, obgleich dieselben bei sehr verschiedenen Temperaturen aus-
geführt wurden,
Hier sei ferner ausdrücklich betont, dass schon etwa vor drei
Jahren Hantzscn und Werner’ die Idee eines asymmetrischen Stick-
stoffs ganz allgemein ausgesprochen haben, namentlich um durch
dieselbe die Isomerie bei den Oximen erklären zu können. Später
hat aber Werner diese Auffassung dahin verändert,‘ dass optische
Isomerie bei Ammoniakderivaten nicht möglich sei, weil derartige
Moleeüle nur dann stabil sein könnten, wenn die drei am Stickstoff
gebundenen Radicale mit diesem selbst in einer Ebene liegen, und
dem hat sieh Hayzzsen angeschlossen.’
Andererseits hat Le Ber in der schon oben eitirten Abhandlung
experimentell die Spaltung asymmetrischer Ammoniakderivate, (d.h.
solcher die drei verschiedene an N gebundene Radicale enthalten),
aber mit negativem Erfolg versucht. Dagegen ist ihm die Spaltung
B
! Man kann sich vorstellen. dass die Bindungen dureh die Stiekstoffvalenzen so
labil sind, dass im Allgemeinen eine asymmetrische Form eines Moleeüls nieht in Er-
scheinung tritt. Anders ist es bei den Piperidinen, Hydrochinolinen und ähnlichen
Ammoniakderivaten, wo zwei Valenzen des Stickstoffs durch die Ringbildung gewisser-
maassen festgelegt sind.
? Comptes rendus, 112, 11; vergl. auch -Krarrr, Ber. cheın. Ges. 1890, 2780.
® Ber. chem. Ges. 23, ır u.s. w.; vergl. ferner: WırrGeropr, Journal für prakt.
Chemie 37,449; Buren und Marsh, Journ. chem. Soc. 1889, 656; Bıscuorr, Ber. chem,
Ges. 1890, 1967 u. S.W.
* Vierteljahrsschrift der Züricher naturforsch. Gesellschaft. Bd. 36.
5 Zeitschr. phys. Chemie X., 2.
-S ER APpT
LADEngurRG: Über das Isoconiin. 1067
eines Salmiakderivats, des Methylaethylpropylisobutylammoniumehlorids
in zwei optische Isomere gelungen.
Es darf daher schliesslich darauf hingewiesen werden. dass als
neue Resultate dieser Untersuchung das Folgende erscheint:
1. Chemische Reaetionen können durch optische Isomerie wesent-
lieh beeinflusst werden.
2. Bei gewissen Ammoniakderivaten ist die Asymmetrie des
Moleküls und die optische Activität durch die Asymmetrie des Stick-
stoffs mitbedingt.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei,
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1069
1832.
LAN.
SITZUNGSBERICHTE
- KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
15. December. Gesammtsitzung.
Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs- Revmonv.
l. Hr. Lannporr las über die Zahlenbeziehungen zwischen
den Atomgewichten.
Die Mittheilung wird später in diesen Berichten erscheinen.
2. Derselbe legte eine Mittheilung des Hrn. Dr. Rımsacn, Privat-
doeenten an hiesiger Universität, vor: Über das Atomgewicht des
Bors.
3. Hr. Dıirımann übergab eine zweite Mittheilung über den neu-
gefundenen griechischen Text des Henoch-Buches.
Die Mittheilungen 2 und 3 folgen umstehend.
Die Akademie hat durch den Tod verloren: am 3. December das
correspondirende Mitglied der philosophisch-historischen Classe, Hrn.
WiEseLER in Göttingen, am 6. December das ordentliche Mitglied
Hrn. WERNER VON SIEMENS.
Sitzungsberichte 1892. 97
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at BETEN, il un what] an Aloe 1 or
; Hape "als m:
in N Ka Be re ar
a oh, ie, er an Bu or RR
Rah
1071
Zum Atomgewicht des Bors.
Von Dr. E. Rımsach
in Berlin.
(Vorgelegt von Hrn. Lasvorr.)
IN chaem Berzeuıus' im Jahre 1824 das Atomgewicht des Bors aus
dem Glühverluste des krystallisirten Borax zu ır.or(o = 16 wie
stets im Folgenden) bestimmt hatte, ruhte, abgesehen von einigen
durch Drvirre” ausgeführten Versuchen, durch welche ein endgültiges
Ergebniss jedoch nicht erzielt wurde, die Angelegenheit lange Zeit
hindurch. Erst vor Kurzem erschienen einige Arbeiten, die sich
mit der Feststellung dieser Constante befassen. Apranaıı” fand für
dieselbe aus dem Halogengehalt des Borbromides die Zahl 10.825,
Ransay und Aston’ folgerten aus dem Wassergehalt des krystallisirten
Borax den Werth 10.921, aus dem Natriumgehalt des geschmolzenen
Borax, bestimmt nach Verflüchtigung der Borsäure in Form von Bor-
säuremethyläther, die Zahl 10.966. Diein Nachstehendem beschriebenen,
vor Bekanntwerden der ebengenannten Beobachtungen begonnenen
Versuche suchen das gleiche Ziel auf anderem Wege zu erreichen,
nämlich durch direete Titration des im Borax enthaltenen Natrons
vermittelst einer Säure bekannten Gehalts.
Jory’ machte zuerst darauf aufmerksam, dass einige Farbstoffe
wie Tropaeolin, Helianthin, Methylorange, von Borsäure nicht ver-
ändert werden, dass es also möglich ist, in Boraten die alkalische
Basis unter Zuhülfenahme eines dieser Indicatoren alkalimetrisch zu
bestimmen wie ein freies Alkali. Direete Zahlenbelege für diese An-
gabe liefert er nicht; einige nachstehend aufgeführte Vorversuche be-
stätigen jedoch die Richtigkeit derselben. — Versetzt man eine
=
! Pogg. Anm. 2. 129. 1824.
® Anm. chim. phys. (3) 55. 181. 1859.
> Journ. chem. soc. 61. 650. 1892.
* Chem. News 66. 92. 1892.
> C. R. 100. 103. 1885.
Or
1072 Gesammtsitzung vom 15. December.
Lösung von Borsäure und Chlornatrium, der Endproduete der mittelst
Salzsäure vorgenommenen Titration des Borax, mit einer bestimmten
Menge Methylorange, so muss, bei Indifferenz des Gemisches gegen
diesen Farbstoff, die zur Hervorbringung eines rothen Farbentones
erforderliche Menge Säure die gleiche sein. für die Salzlösung wie
für eine genau ebenso behandelte gleiche Menge reinen Wassers.
Die verwendete Salzsäure war die der Hauptversuche; die Feststellung
ihrer Menge geschah mittelst der später zu beschreibenden Gewichts-
pipetten. Es fanden sich folgende Zahlen:
Serbraneht IE Angewendet 1.
98 H;BO,, 55 NaCl 58 NaCl
Salzsäure: | = ee ER
| en. Far | Mittel
|
zur Salzlösung . . || 0.0695| 0.0612| 0.0777 a 0.0653 | 0.0593| 0.0622 0.0496| 0.0496) 0.0552
95 320 | 9 q c
zum Wasser ... .||0.0743| 0.0756| 0.0620
0.0519 0.0659 | 0.0608 0.0554| 0.0484| 0.0528| 0.0544
Die genaue Übereinstimmung der Mittel in Reihe I beweist die
Indifferenz des Gemisches beider Stoffe gegenüber Methylorange, sub-
sidiär zeigt Reihe II die Neutralität des benutzten Chlornatriums. —
Die Methode war demnach für die Bestimmung des Natriumgehaltes
im Borax verwendbar; im Nachfolgenden gebe ich die Beschreibung
der unter Zugrundelegung derselben ausgeführten Versuche.
Versuchsanordnung.
Zu den Wägungen diente eine grosse OErTLINe' sche Wage, als
Gewichtssatz ein neuer Westpnar'scher, dessen Fehler bestimmt und
unter einander ausgeglichen, jedoch erst in den Hundertstelmilli-
grammen liegend befunden wurden. Sämmtliche Wägungen sind nach
dem Gauss’schen Verfahren, mit theils zweimaliger, theils einmaliger
Umwechslung ausgeführt worden. Die in Tafel I aufgeführten, bei
denen es sich um eine möglichst sichere Massenbestimmung handelte,
bestanden aus je sechs, zur Eliminirung der inneren Veränderungen
der Wage symmetrisch zur Mitte angeordneten Theilwägungen; für
die übrigen Bestimmungen, die im Zusammenhang mit analytischen
Arbeiten standen, genügte die durch je drei Einzelwägungen hervor-
gebrachte Genauigkeit. Die Gleichgewichtslage der Wage berechnete
sich aus je drei, durch Fernrohrablesung ermittelten Elongationen;
zur Vermeidung etwaiger Fehler der Balkentheilung wurden die Milli-
gramme nicht durch Gewiehtshäkchen, sondern durch einen Satz
Differentialgewichte von 4, 5 und 7"# bestimmt. Die Gorreetion für
Rımsacn: Zum Atomgewicht des Bors. 1073
den Luftauftrieb anlangend, so wurde in Reihe a der Tafel I die
jJedesmalige Diehte der Luft aus den Werthen des Drucks, der Tem-
peratur und der dureh ein Haarhygrometer ermittelten relativen
Feuchtigkeit bestimmt, bei Reihe d derselben Tafel war das zu
wägende System so angeordnet, dass die Volumdifferenz zwischen
ihm und den Gewichten nur etwa o°2 betrug, die Correction also
mit dem Durchsehnittswerth der Luftdichte ausgeführt werden konnte,
bei sämmtlichen anderen Wägungen erschien gleichfalls die durch
Einsetzen des gewöhnlichen Mittelwerthes (1"®2 pro Gubikcentimeter)
erzielte Genauigkeit ausreichend. Nach diesen Ausführungen sind bei
den Wägungen der Tafel I die Zehntelmilligramme wohl ganz, die
Hundertstelmilligramme ziemlich verlässlich; für die übrigen Wägungen
gilt das Letztere mit gewisser Einschränkung.
Das Versuchsmaterial wurde in folgender Weise gewonnen.
Den Borax stellte man dar aus seinen Componenten. Reinste
Borsäure des Handels wurde geschmolzen, um die geringe derselben
fast immer anhaftende Spur Fettigkeit und freie Schwefelsäure zu
entfernen, dieselbe alsdann einmal aus verdünnter Salzsäure, dreimal
aus Wasser, unter jedesmaligem Absaugen und Auswaschen umkry-
stallisirtt. Die so erhaltene Säure, die mit Fluorwasserstoff abgeraucht
keinen Rückstand hinterliess, gab mit reinem, aus durch Alkohol ge-
fälltem Natriumbicarbonat durch gelindes Glühen gewonnenem Natrium-
carbonat im stoechiometrischen Verhältniss zusammengebracht den Bo-
rax, den man dann dreimal, jedesmal unter Verwerfung der gesammten
Mutterlauge, umkrystallisirte. Alle diese Operationen wurden in Platin-
gefässen ausgeführt. — Zur Erlangung der Salzsäure wurde reine
Salzsäure, die bei der Untersuchung grösserer Mengen keine andere
Verunreinigung als eine Spur Schwefelsäure auffinden liess, zu dem
bei 110° siedenden Hydrat verdünnt, über eine geringe Menge Chlor-
baryum, unter Verwerfung des ersten und letzten Viertels, reetifieirt
und das Destillat mit frisch destillirtem Wasser auf die Stärke von
ungefähr halbnormaler Säure gebracht. Die Destillation, die Auf-
bewahrung der Säure, ebenso die später zu beschreibenden Titrationen
erfolgten in Gefässen, die aus dem von Kähler und Martini in Berlin
in den Handel gebrachten widerstandsfähigen Glase gefertigt und auf
deren Innenfläche durch längeres Auskochen und wochenlanges Hin-
stellen mit Säure und Wasser die Alkaliabgabe möglichst beschränkt
war.' — Zur Feststellung des Gehaltes an Chlorwasserstoff wurden
endlich gewogene Mengen der Säure mit überschüssigem Silbernitrat
gefällt und das gewonnene Chlorsilber nach Erhitzung zum theilweisen
' Myrius und FoErsrer, Zeitschrift für Instrumentenkunde, 1891. 311—330.
1074 Gesammtsitzung vom 15. December.
Schmelzen dem Gewiehte nach bestimmt. Folgendes sind die er-
haltenen Zahlen:
- = Gewichts- |
Verwendete n Entspreehend a j
y ® Erhaltenes ; procentgehalt Abweichung
Nr. | verdünnte : : Chlorwasser- : 5
SCHERE Chlorsilber 3 | an Chlor- vom Mittel
Salzsäure stofl N
| waserstofl
) 53.0583 3.836009 0.981505 1.8498 — 0.00003
2 50.8610 3.069990 0.094077 1.8496 — 0.000237
8 48.0523 3.49719 0.889231 1.8505 -+ 0.000067
Total:| 151.9716 11.05718 2.811216
Mittel aus den Summen berechnet: 1.84983 Procent HCl.'
005
Versuehsreihen.
Es war zuvörderst nothwendig festzustellen, ob es gelänge, dem
krystallisirten Borax das anhängende Wasser zu entziehen, ohne dass
derselbe Krystallwasser verliert. Berzerius verfuhr seiner Zeit so, dass
er gleiche Mengen des Salzes verschieden lange Zeit der Luft aussetzte
und aus der Gewiehtsgleichheit der aus denselben erhaltenen Glüh-
rückstände rückwärts die vorhanden gewesene Gonstanz der Zusammen-
setzung des verwendeten Salzes folgerte. Diese Schlussweise ist nicht
ganz unanfechtbar: es schien zweekmässiger, durch länger fortgesetzte
Wägungen einer bestimmten Menge des Salzes die Grösse und den
Gang der Verwitterung desselben zu bestimmen. Bei den betreffenden
Versuchen befand sich das feingeriebene Salz in Mengen von etwa
20° in einer geräumigen, offen an der Luft, jedoch vor Staub ge-
schützt stehenden Platinschale; nach jeder Wägung wurde vollständig
umgerührt. Die angegebenen Zahlen sind die Gewichte der Schale
mit Inhalt.
' Man sieht, dass nur bei völligem Ausschluss einer Alkaliabgabe seitens des
Aufbewahrungsgefässes diese Zahl zugleich die wirkliche Acidität angiebt. Die Grösse
des Einflusses dieser unvermeidlichen Fehlerquelle zeigt für den vorliegenden Speeial-
fall nachstehende Beobachtung. 184.888 der zu den Versuchen benutzten Salzsäure
lieferten, nachdem die Säure drei Monate in ihrem Aufbewahrungsgefäss gestanden
hatte, beim Eindampfen einen Trockenrückstand im Gewichte von 0800154. Derselbe
löste sich unvollständig in Wasser, bestand also zum Theil aus Kieselsäure; das Filtrat
gab mit Silberlösung schwache Opalisirung. Nimmt man den Rückstand als zur Hälfte
aus Alkalichloriden bestehend an, so erleidet der Säuregehalt hierdurch eine Schwächung
von 0.00024 Procent. Von wohl gleich niederer Ordnung, jedoch in gerade entgegen-
gesetztem Sinne wirkend sind aber die unvermeidlichen Fehler der Bestimmungs-
methode selbst (geringfügige Reduction des Chlorsilbers, Löslichkeit desselben im
Waschwasser), und so folgt, dass obige für den Chlorwasserstoffgehalt erhaltene Zahl,
innerhalb der durch die Versuchszahlen gelieferten Fehlererenzen, auch als Maass der
Acidität volles Vertrauen verdient.
Rımpacn: Zum Atomgewicht des Bors. 1075
Tafel I.
a b
Dauer des Dauer des
Stehens Gewicht Stehens Gewicht
in Tagen in Tagen
143.63434 136.71350
2 143.63412 4 136.71175
3 143.63423 5 136.71199
6 143.63204 7 136.71159
7 143.63360 S 136.71115
8 143.63379 9 136.71 113
9 143.63357 | 11 136.71114
10 143.63350 NachAufstellen über H, SO, u. P, O,
> 1 136.534
12 143.63349 2 136.323
| 3 136.182
Man sieht, wie in beiden Versuchsreihen nach etwa sieben
Tagen die Gewichtsabnahme längere Zeit hindurch nur auf Zehntel-
bez. Hundertstelmilligramme sich erstreckt; die Verwitterung ist also
so gering, wenigstens für die Zeit, auf die sich die Beobachtungen
beziehen, dass sie als nieht vorhanden betrachtet werden kann. Un-
zulässig ist hingegen die Anwendung von Trockenmitteln. — Alle
zu den folgenden Versuchen nöthigen Salzmengen wurden deshalb
in obiger Weise behandelt; man wog jeden Tag und erst, wenn die
Gewichtsabnahme sich nur mehr in den Hundertstelmilligrammen be-
wegte, brachte man die zu den Einzelyersuchen dienenden angenäherten
Mengen in sofort fest zu verschliessende Wägegläser. Das abgewogene
Salz wurde, je nach seiner Menge, in 200
300°“ Wasser gelöst
und die Lösung mit genau 10°“ einer Methylorangelösung, die im
Liter 0°010o des Farbstoffs enthielt, versetzt; in einem zweiten
Becherglase gleicher Grösse befand sich eine gleiche Menge reinen
Wassers mit ebensoviel Methylorange. Die Salzsäure wurde aus einer
Gewichtsbürette hinzugegeben, deren Glasschliffe Fehler durch Ver-
dunsten während der Wägung u. s. w. ganz ausschlossen. Durch
Vergleich mit dem zweiten Becherglas gelang es, den Punkt des
Farbenumschlags mit grosser Genauigkeit zu treffen. Nach eingetre-
tenem Umschlag gab man aus einer kleinen, in einen leichten Stand-
eylinder luftdicht eingepassten, gewogenen Pipette zu dem mit Methyl-
orange gefärbten Wasser von der auf '/, verdünnten Salzsäure hinzu
bis zu genau gleicher Nüance der Färbung und zog diese Säure-
menge (sie schwankte, auf die stärkere Säure berechnet, zwischen
0°0o5 und 0%06) vom Gesammtverbrauch der Salzsäure ab. In der
folgenden Tabelle finden sich die derartig corrigirten Werthe. Hier-
1076
Gesammtsitzung vom 15. December.
durch eliminirte sich zugleich der Einfluss eines minimalen Alkali-
gehaltes des verwendeten Wassers.
Es ergaben sich folgende Resultate:
Bafel T.
I 2 3 4 5 6 7 R)
Verbraucht | Auf 10° | Abweichung | Gefundener Ab-
Aneewendet Borax ver- \vommittleren | Atom- 2
5 von Kraueht Solrssun | Gehalt an || i weichune
Nr. es titrirter Salz- praucen Dalzsaule- | gewicht oO
Borax - Se | Er N | r
N von titrirter | verbrauch a | vom
säure [a r h des Bors j
| Salzsäure | (103.1953) \in Procenten Mittel
8 | & | 8 g | I
1 10.00214 | 103.1951 | 103.1734 | — 0.0214 12.07081 10.9646 || + 0.0200
2 15232772 | 158.1503 | 103.1794 | — 0.0159 12.07138 10.9598 || + 0.0152
3 15.08870 155.7271 | 103.2105 | + 0.0142 12.07530 || 10.9273 || — 0.0173
4 '10.12930 104-5448 | 103.2103 | + 0.0150 12.07517 || 10.9298 || — 0.0148
5 5.25732 54.2571 | 103.2003 | + 0.0050 12.07435 10.9361 || — 0.0085
Ö 15.04324 155.2307 | 103.1899 | — 0.0054 12.07283 10.9486 || + 0.0040
7 15.0.4761 155.2959 | 103.2039 | + 0.0086 12.07448 || 10.9356 || — 0.0090
S 10.43409 107.6602 | 103.1811 —0.0142 12.07 176 10.9571 || + 0.0125
9 5:04713 | 52.0897 | 103.2065 + 0.0112 | 12.07480 || 10.9330 || — 0.0116
Summe| 101.37723 | 1046.1509 | | |
| | j !
Aus den Summen bereehnetes Mittel:
Na-Gehalt des Borax [2.07334 Procent
Atomgewieht des Bors 10.94457-
Mittlerer Wahrscheinlicher Fehler
der Einzelbestimmung 20.074) =+.0.009
des Resultats . +.0.005 = 0.003
Die zur Berechnung verwendeten Atomgewichte sind: O = 16;
Le 1.0082° (Krıser); Na =.23.0575 306] =)35.1529; Ag =107.9350
(die drei letzten Zahlen aus den Srtas’schen Bestimmungen berechnet
durch Ostwarp, Lehrb. d. allgem. Chemie I, 30 — 39. 1891).
Bei der Fehlerrechnung ist die verwendete Salzsäure als absolut
richtig angenommen. Man überzeugt sich leicht durch Differentiation
der zur Berechnung des Atomgewichts dienenden Formel, dass eine
Schwankung im Procentgehalt der titrirten Säure im Betrage von
eine Verschiebung des Atomgewichtes um + 0.01 nach
+ 0.0002 +
Setzt man, nach den oben gegebenen Ausführungen, die
sich zieht.
erstere Zahl als Fehlergrenze für den Chlorwasserstoffgehalt der be-
nutzten Säure, so ergiebt sich der maximale Gesammtfehler in der
+ 0.013, der wahrscheinliche etwa
Bestimmung des Atomgewichts zu
Seo) (0
Nachstehende Zusammenstellung zeigt die bis jetzt aus der Zu-
sammensetzung des Borax für das Atomgewicht des Bors erhaltenen
Werthe. Die Zahlen der Spalte 2 sind die von Ransay und Aston unter
zu
x ; --
Rıngacn: Zum Atomgewicht des Bors. 1077
Zugrundelegung der Atomgewichte o= 16; H= 1.008; Na = 23.05;
Cl = 35.45; gefundenen; diejenigen der Spalte 3 sind des Vergleichs
wegen mit Benutzung der in vorliegender Arbeit verwendeten, oben
aufgeführten Atomgewichte aus den direeten Versuchsergebnissen dieser
Autoren berechnet.
Aus dem Glühverlust des Borax, BERzELIUS I824........... 11.01 _ -
Aus dem Glühverlust des Borax, Ramsay und Aston 1892 .. — 10.921 10.902
Aus dem Natriumgehalt des Borax durch Überführen in Chlor- |
natknum, RAmMSAy und ASTON IOQ2... ...0sersenunecaune — 10.9066 10.070
Aus dem Natriumgehalt des Borax durch direete Titration | |
BIMERBIR TOD ee et ee te ame 2 Wehner 4 — — 10.945
Die von Rausay und Asrtox aus dem Glühverluste des Borax er-
haltene Zahl stellt, wenn die Beobachtungen von ABraHaıı (a.a. 0.654)
über eine unter Umständen beim Glühen eintretende theilweise Ver-
flüchtigung von Borax oder Natrium aus dem geschmolzenen Borax zu-
treffend sind, eine untere Grenze für das Atomgewicht dar: die zweite
von ihnen gebrauchte Methode, bei welcher geschmolzener Borax das
Ausgangsmaterial bildete, würde aus gleichem Grunde eher einen oberen
Grenzwerth liefern; die wirkliche Zahl fände sich dann in der Mitte.
Sehen wir von dem Berzeuıvs’schen Werth, dessen Versuchsgrundlagen
nur auf Gentigramme angegeben sind, ab, und legen den übrigen von
einander unabhängigen Reihen gleiches Gewicht bei, so erhalten wir
für das Atomgewicht des Bors, berechnet aus den Zahlen der Spalte 3,
als Gesammtmittel
— 7059 39, (016)
B-=110.912.0°— 15.96).
Hiervon weicht nicht unbedeutend ab die durch ABrAHALL (a. a. O.)
aus dem Bromgehalt des Bromids abgeleitete Zahl 10.825. Es ist nicht
meine Absicht, in eine Kritik der verschiedenen Methoden einzutreten,
doch scheint es von vorne herein, als ob die von den Halogenverbindun-
gen des Bors ausgehenden Verfahrungsweisen, bei der Schwierigkeit der
Reindarstellung und Handhabung dieser Körper, in Bezug auf Fern-
haltung constanter Fehler gegenüber denjenigen Methoden, die auf
der Verwendung des Borax fussen, sich doch wesentlich im Nachtheil
befänden.
u
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10
15
1079
Über den neugefundenen griechischen Text
des Henoch-Buches.
Von A. DiLımaAnn.
Zweite Mittheilung.
Denit das S.1039 ff. über den neugefundenen griechischen Text des
Henoch-Buches Vorgetragene für den, der diesen Text nieht bei der
Hand hat. leiehter verständlich werde, habe ich mieh entschlossen,
noch einen Abdruck des "Textes, den Hr. Bourmant in den Memoires
S.ıı1— 136 veröffentlicht hat, beizugeben. Ich habe ihn von den
Itacismen umd den offenbaren Schreibfehlern gereinigt, im Übrigen
ihn belassen, wie er lautet, und nur die allernothwendigsten Vor-
reeturen in den Fussnoten beigesetzt, ihn auch accentuirt und inter-
pungirt. Die Vers- und Gapitel-Eintheilung stammt nieht aus der
Handschrift, sondern ist aus meiner Ausgabe des aethiopischen Textes
und der deutschen Übersetzung eingetragen.
(Pag. 23) Aoyos eüroyias "Evo, Kay" Ov NÜAOYNTEV EXAEXTOUG dixalous,
oirwes Erovraı Eis NMepav ovaryans &Eapaı MavTas ToUs EX DpoUs, Kal WNY-
covrar dixaıcı. 2 Kal dvaradwv Tyv apa DoAnv auto) eimev Evwy,' avSowrros
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Kal TOoU olpavau, EdEILE Mor Kal ayıoloywv ayımv NKouca EyW, xal Ws NKouod
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Govraı MÄVTES Hal mIOTEVGOUEW oi Eypmyopaı, Kal |ow|aowew amexpupe Ev
macı Tols dnpas TNS, Kal GEOINCOVTaL Mavre Ta xp TNS ns, Kal Annbe-
Tau AüroLs Tootos xau «bodos nEeyas MEY,pL rwv TED WV T1S AGs 6. Kal GE-
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35
1080 Gesammtsitzung vom 15. December.
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Bauveucı rav idiav Tag. zidere mv Av zul dlavondyre mepl TWV Epywv Tuv
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ovraı coüdev Tuv Em ns, AAMd Tara Eoya Seo) Univ daiverau 3idere Tüv
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2 Xdl TA Epya auto) marra 05 0’ Emomoev Eis ToÜs aluvas dmo Evidurel eis
EvIaUTEv Yıvousva Tara, oVTus xal Tara 604 dmorshoüc aurw Ta Eeya
xal 00x dAAooUyraı aurwv Ta Eoya, AA WSTEpEl Kara Emırayyv Ta mare
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caoIaı xard TNs Cwns Unwv droreiran, xal Ta Ery Ts drwäsias Uuwv mAN-
SuvSycerdi Ev Kardpıe ulwvuv, Kal 00x Eoraı UMIv EAcos xal eionvn. 6 ToTE
eoTaı Ta dvouara UMmv Eis. xardoav aluıv macı reis dixaicıs xal Ev mi
Karapdoovrai MÄAVTEs ol KarapWmevor, Kal Mares ol dudprwic xu aoeBeis Ev
Uplv Ouolvrai, Kal TAvTEs ci auapryron Yapyoovrai, xal Eoraı aurels (p. 29)
Aucıs duapTınv Xu av EAcos Kal em xal Emisixeid, EOTdı durals GWrypie
bwWs dyadov, xal auroı KAupovoumaovoL rnv yyv, xaı macıv Uulv Tols Super
Adıs 00%, Urapkeı SWrnpid, AA Em Tavras Ünds Xararucıv Karapav. 7 Kal
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2 daryndec. 5 YEIMTETOL. 8 orı (ore?). amorssa(?). 9 eyEa(?) vel erE-
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20
25
30
35
7 » . 9)
Dırrmann: Uber den neugefundenen griech. Text des Henoch - Buches. 1081
Tols Exdextois Eotaı bWüs xal Ydpıs xl eipyvn, xal aurol KAnpovounoucı TAV
ya, üuiv de Tols doefeow Eoraı Kardpa. 8 Tore dodmoera Tois ExAexrois dws
Kal Yopıs, Kol Mlror KAmpovonmooucı TAv av. Tore dodyoeraı macı Tols EnAex-
Tols Dodıav, xl mavres curoı Cyoovrai, xl oÜ un duapryoovraı Erı od xar
aryDeiav cUTE Kara Umeoybavaav, xaı Eotaı Ev dvdpourw mebwrıouevw dus
za dvSowWrw Emio- (P.30) TyWovi vorun, za oÜ un mANumeANGoUCIW. 9 oUde
un duderwoı macas Tas Auspas TNs Luis aurwv, za od um dmoddvwaw ev
> m mn 3 \ \ > \ c n / \ c \
opyn DIumov, AAAd Fov dpmmov aurwv Lwys Auspwv mAnpWooUoW, zul 7 Lwy
aürwv augnnoerai Ev Eioyvn, Kal Ta Ern TNs Yapds abruv mAnduyoersi ev
dyamdıdreı xal eionvn auwvos Ev maocıs Tals Nuspais TYs ugs aürwv. VI,ı Kal
Eyevero ou av EmANDUvSyCav ci vier TwWv AvSpuwmruv Ev Exeivaıs Tals NuEDdıs Eyev-
vnonoav Suyarspss wWpeleı zul xandı. 2 xaı &Iedoavro durds 0 dyyero Dial
oüpavov, xaı EmeIuungav auras, xol eimav Moos AAAnAous‘ deure EnAekwuede
gdurois yuvalkas dmo Tuv dvdpwrwv, xl (P. 31) Yerıyowmev edureis Texvd.
3 xl EImE Oeualas Mpos Aureus, os Av dpy,wv aurwv" boßoumaı, un ol Iery-
GETE momoaı To Tpdyud ToUTo, xl Evomdı Eyw Movos ühsiaerng duaprias WE-
yarns. 1 dmenpionoav oÜv AürW Tavres' guonwpev 127 WavTeS za AVATEIId-
TIOWuEV MaAvTes ARIAAeUs, un dmoorpelaı rıv vun rauen, he 7225 ol dv
TEMEOWUEV AUTAV xl TOIMTWuEV TO ToRyud ToUTo. 5 TOTE WWOTAV MEUTES OMU
al dveIeudrıoav dAAMAous Ev Aurw. 7xal TaUTa Ta dvomara Tuv dpy,ovruv
auruv" oemala, ouTos Av dpymv auruv. apadar zım Spa’ vaumarn davemd
upedpws veumA wmpem Yuyapına elexma (P. 32) Barpını cadına arpımd
rapın! Bapuxına avavdva’ Iwvıma’ mama amearpa xemA TovpmA. 800701
EIOW apy,E aAurwv oi dexa. VIL,ı ar EAuBov Euurois yuvaltas, ErdoTtos aurwv
eEerefavro Eaureis yuvalzac, xal MpLavro EismopsueoIa Mpos durds xul Mıcı-
veoIaı Ev aurais, al Edidafav würds hapmaxeias xal Emacıdds Kal bıloronias,
za Tas Bordvas EöyAwoav aurais. 2.ui de Ev yacrıı Aulovonı Erexooav Yı-
Yavras MEyarous EX TAYWV Tpisyihiwv, 3 0lrıves KarEoIooav Tols Komous Tu
dvSpurwv. ws 8 00x Eduvadnoav auras cı dvIpwrei ERIWOpNyEID, 4 01 Yıyavres
Erorunoav Em au- (P. 33) Tos, xaı xursodooav Toüs dvdowmous. 5 xdl Ap-
Eavro äuapraven Ev TOlS TETEIWOLG Xal Tois Snpiois xal Epmerois xal Taols IX,-
Iycıw, za Arm Tas Galpxas xareoTıew, Kal To diua emimvov. 6Tore NM
EVETUYE Hard TWv dvamuy. VII, ı &didafe Tols dvdowmous AlanX Mayaıpas
mosiv xal Omia zul domidas za Swoaxas, didaryuare dyyeruv, ai Ümedeizev
Murois TA MEraMa xal Tyv Epyamıav alruv, za era xal xoouous Xal
oraßes xal To zandıSAsbapev zul mavracus Aous Exdexrous xaı Ta apızd.
2 xal Eyevero dosDein moAAN, Xu Emopvevoav za dmemiavnoycav xal Abavı-
oIycav Ev maoaıs Tals odeis aürwv. (P. 34) 3 vemialds Edidafev emadas za
biloronias. apuapws Emaoıdwv Auripiov. paxıma dorpoloyias‘ Yun Ta
any In F m zu ALS Su 2) > ’
4 Fohee. 5 arsßeıcev (an zare AySyv?). 8 Tuw ns Cugs aurum. II or. 24 ROY,
„ ’ „ n ! ? > l
(aoyyorres?). 27 Yasroı. 32 emwor. 36 arıßeıs.(?). 38 zraondes.
5
30
35
1082 Gesamntsitzung vom 15. December.
Onuswrird. 0adımAa KoTEpooxomiav. GepımA GEANvov@yıdc. 4 Tov vouv AvIeumwv
dmorrvuswv 9 [pwwn]| eis eupawous aveiO4. IX, ı Tore mlapa]euVavres urfamA
za olueılna xuı Baubaen Kol vage? oÜTOL EX ToU oupavou &Ieao|av|ro alu
moAU EXYUVVOMLEV Em TS Ns, 2 xal eirav os AAANAcUs* bwwn Bowv Twv Emı
TR as MEypı mUAWV ToU oupavou. 3 Evruyyaveuow ai Wuyal ruv dvIpwruv
Asyovruv’ eisaydyere ryv xpiow Munv mpos rov Unbiorov. ıxdl eıma Tw xupw
SU) Ei xusos ruv (P. 35) xupwv ul 6 Ieos ruv Yeuv zu Bauoıreis Twv aiw-
vwv. 6 Spovos Tys dogns Tou eis TAOas TuS Yeveds To) alwvos, Kal TO von
Fou To dyıov Xal meya Hal suAoyyrov Eis Tavras ToUs diwvas. 5001 Ydp Emom-
Gas 7% Mavrd, za maoav Tyv EEovoiav EYwv, al Mavra Evwmıov Gou bavepd
al dxdAumte, xal mavra OU öpde, 6 Emoimaev dlanı, os Edidafe macas Tas
ddızıas Emi TAs is, xl EdyAwos Ta MuoTAa ToU lmvos Ta Ev TW oUpaum,
& Erırmdeuevres Eyvworav avIpwrai, 7 x Veudlds, Ö Tv EEovoiav EdWwxdLs
apyen Twv OUv düry ana ovrwv. 8xal dm opeuSnoav Moos Tas Suyarspas Tv
dvspumu 715 yns; Kal GUVERONAM SAT uüreis, xl Euidvincav, zal EdyAweav
aürais Mdoas TAs dmaprıas. 9 xal ai yuvalxes Eyev- (P. 36) vnoav reırwvas,
Ub Wv EAN 4 m ErANOSN aludros xal ddizias. 10 xl vüv der Bowow ai
huyal TWv ETNAEUTNKOTWV, Kol Evruyyavoucı MEI Tuv mUAWV TOU oUpavau,
ka dveßy 5 orevayuos aurwv, xl oU duvaraı EfeAdeiv dmo Mooswmov TWV
EMI TIS As ywousvwv dvoumudruv. ıı Xdl OU mayta oldas mp ToU Mure yeve-
oda, xal TU öpus TaUTa, xl Eis aurcls, Kal cüde Amiv Asysıs, TI dei moleiy
abrois mepl Tourwv. x,ı Tore Unbıoros eime mept ToUTWwv 6 WEyas dyıos, Kal
Darnve xul eime, xul emeunbev ioroayA Moos Tov viov Acusy' 2Eimov dur
em TO Eu dvomarı" apunbov Oeaurov, Xu MAwmcov aur TEAoS Emepy,olevov,
dr nm dmemuraı (Pp. 37) Face, zul zaraxiusmos erde yweodaı Taons
en MG, Xdı dmodeosı mavra 60% Eoriv dumm. 3 xl Sido aurToV, OmWs Ex-
duyn xl Mevaı ro Sep auToU Eis TACAL Tds yeyeaic ToU alwvos. 4 xdı TW
Papa eimev' Onnov Tov aLamı mooı xdı KEpel; zo Bare aurov eis TO 0X0-
705, Xdı ovoıZov rav Eonuov Tav oUCau Ev Tu dadounA, xarel Qare auren, 5 Kal
Umodes auto Ardous rpayeis xal öfeis, xol EmindAunlev aure TW 0X0Tos, Kal
oiencdru EHE Eis Tols alwvas, zu ryv ob aurov Tmwuano, x dws WM
Sewpeiru, 6xXal &v m muspe Tns Heyanns INS zpiseus draysmoeren Eis Tov
ETUI uov, 7 Kal inomaera n m, A Abanısan Mi ayyekoı, xal NV iaoıw T9S
yns NAwcoy (p- 38), va Idowvraı ruv many; Lv 77 dmorwvraı maävres ol
vie TWv dıSguimun ev TW Muormw Aw w eraraga Mi Eypmyapaı xal ed
ToÜs vVIOUS aurwv, 8 xaı nen Taoa N ’ apanoDeisa ev Tols epyans Tys
ddarzaras alanı, za Em aürn yocıbov Tas dusprias maoas. 9 xdı TW Ya-
Bpıma eimev 6 KUplos“ mopeVou em ToÜs Walnpeous, Ei ToÜs KıadnAous Xu ToUs
7 m 5 ’ RR ’ =
I TEANvarYUrJaS. TU OUV. 4 Ery,uvouevor. 6 sımav. 9 u. 16 rıravas.
’ - I m ’ m» m «aA
18 rereAsuryzorwr. 26 Ev au. 27 ey. 30 auru. 32 rs delendum. 35-0
IR ERer 2 7
edsıcav. 2ördagan. 38 macngaovs.
15
20
25
30
35
[2 . rp\ j 9,
Dirumann: Über den neugefundenen griech. Text des Henoch-Buches. 1083
viols TAG Topveiac, xl omoAsvov ToUs viel; TWv Eyomyopwn demo Tuv dvdoumuv.
ep )LoD aurous Ev more dmwäAsıds. Haxporns yap as 0UX EOTıv aurwv,
10 xaı maAOd epyenıs EoTaı Tais rarpaoı aurTWv, xl ep aurwv orı EA iLauo
Cycaı Lwyv aiwwov, al orı Cuoerdı Exaoros aurwv (P. 39) ern mevraxocı.
11 Kal EITEV" MIXOMA Topsvov xl ÖMAwcov vemale xal Tols Acımals Tols GuV
aurw Tais yuvaıkı miyevras miavImvei Ev aurdis Ev TH dxapIacıe aürwv. 12 Kal
orav Kar. pryacı 0: vior aurun, x wo my drwAsıdv TWv Ayamıay, xal
ÖNCov aurous :Odaunrovra yeveds Eis TAs vards TNG yne uE xp muspars zpiTews
aurwv xaı SuvreAsouen, Ss TeAeoy To xpin TOU alwvos TWV alwvwv. 13 FTOTE
dmaySmeovra Eis To Kaas TU Ups Hal Eis Tv Idoavev Kal Eis To deouw-
TipIOv GUyYXAEITEUS Aiwvos. 14 ul oTav Karaxavoiy zul Ada dmo ou
vov per aurwv Snav desnavran HExpı TEAEIWOEWS 'Yeveds. 15 dmoAeTov Tara
Ta mieUHare Tuv Eyenyopaı did TO Adızyoaı Tous (p- 40) duSpumove. 16 Koll
dmoAsoov Fnv adızlav macav do INS YAS, Kal rau epyov movmplots Exheımeru,
Kal dvabaırw 70 burov ns dixauonuvng Kal Ins EINOSEIET eis ToUs alWvas
META apds bursumerau 17 xl vür mavrss ci dixaıcı Exhevkovrau xal Evovrai
Cwvris, Ews Yevyowaı Yırıddas, xl mandı dı muepaı veoryros dürwv zul Ta
caBara aurwv merd eiomuns mAnwWaovow. ı8 Tore Epyaodycerdi mäoa m A
Ev dixaisiouvn xal xarahureusmoerdi Öevdpov Ev aurf, xal mAnoIyGerXL EÜRo-
Yıas. 19 al Mavta To Övöpe TNs ns ayarıamovrai bursudmserdi, zal Evovraı
burevovres dumerous, aı 1 dumeAos, Av dv bUTEUCWeL, memGoucı MpOY,OUS oivou
Yırddas, xdı (P. 41) Um’ opov momoeı Xu” Exaorov METDOV EAaıas Fomceı
diva Barous dexd. zo Xu OU xadanıoov ryv av dmo maons dxadanıds Kai
imo maons ddımas za dmo |melons dudprias zul dmebeids, xaı mASas Tas
dxadapmias Tas Yıvouevas Em Tns As Efanenbov. 21 xal Enovraı mavtes Aurpeu-
ovTes oi Anal Kal EÜAOYOUvrEs MovTes &mol xal moosxuveuvres. 22 xaı Kadapnıayy-
Gera mACa N yN dmo mavres widuudrtos xl dmo mans dxadapoids xl öp-
ms xal udorıyos, xal oüx erı memnlw Em’ alroüs eis maoas Tas 'yevsds ToU
Aluvos. XI,ı Xal TOTE dvaikw TA Tanien Tys EUAoyias To ovra Ev TW oUpav
Ka KOATEVEVKEV AÜTE EMI TA Eoya, Em Tov Komov TWv viav dvdoWmw. a Xu
Tore AANDEA xal eioyn xowwwmcousw (P. 42) öMeV eis marras Tas Mueods ToU
ainvos Kal Eis MAOaS Tas 'yeveds TWV dvIpurun. XII, ı 6 Tourwv TWv Aoywv
BROS) "Evay,, Xu oUdels TwWv AvIowmuv eyvw, ToD EIAUBIN Kal mo Eorıy
Kal TI EyEvETO AÜTW. 2 xl TA Epya auTuv MErd TWv Eypyıyopwv Kal Mere TWv
ayımv Ömmepe adürov. 3 xal Eorus yuyv "Evwy, eÜAoywv TW zum TA Meyaru-
ouvys, TW Pacık rwv alwvuv, Xal io) ci Eyomyopoı TOD Ayıov TOD MEyarou
ExdAouv ne 4 Evwy,, ou YoOLIMMOTEUG 715 ÖlXaoOUvNg , Mopeuou Kal EIME TOls Eyonyo-
poıs TOD oUp&uvou, orrıves dmoALmOVTEs Tov oUpavav Tov uNbyAov, TO Aylaoua Ts GTEoE-
7 ’ > . , .
2 erran. 3 Egwrynis ovx. 6 de Accusativo nwyerres videas supra pP. 1044.
«aA EN fr , ’ \ ’ m > 2 e
II 05 (a Synk. 16 ureuoyseran. 17 Tasas Tas Nusgees INS. 20 ayarrıarens(?).
7 ’ 55 Ev
21 zuu. 21 Tomes:. 22 romrsı delendum. 27 MIRTWATOG. 30 FToU zareveyaeiv.
34 avrou. ASScH Yaegaes (an Örnnazgeve?). 37 ©.
30
1084 Gesammtsitzung vom 15. December.
WS TOD Almvos, META Tuv yuvamwv EMidvincau, Kal WETTE ci viel TyS YAs moloU-
ow, cörws (P. 43) xal aurer Maui, xal EAuDov Euurois yuvaltas, dibavıojov
aeıyay xaı npavıoare TUv ya‘ 5 xal oUx Eoraı uMıv eipmum oUTE apemıs, xal
Tepi wv Yaıpovsı Tav viov aurwv. 6Tov dovov TWV KyamırWv duTwv oyeyrau
za em m ATWAEE TWv vIWv aurwv Grevagousı xal denSmcovrai eis Tov dıimvd,
Kal 00x Eoraı Aurel EIG EAcov xdı sioyvnv' xı,ı6 de 'Evwy, rw alanı eımev
mopevou' oUX Eoraı Tor eipyvn. Apıua eye EEMANE Kara Co Noal 08, 2 xdl
dvoym Kal Epurmois Cor oUx EoTaı ep wv edeıfas ddınmudruv xal me Mmav-
Tuv Tuv Eoyuv ruv dosBemv zul TNs dölrids xal Tys duaprıac, 000 Umedeıfos
role dvdowmais. ı3 Tore mopeudeis eipmxa mac aüreis, *ai au- (P. 44) Toi
mavres eboßmomoav, 'xul EAuDev aürous TpoMos xaı oo. 4 xal pwrycav,
emws yoalw avrois UTOHMUATE Epwrncsws, iva Yevovraı aUrols dbecıs, Kol
va ey dvayva aurois To Ümonımua TA EowTucewWs Evumıov KUplov To oUpeLvoU,
soTı AuToL 00x Erı Öuvarrdı Aarmaas, oude emapaı aüruv Tols obIaruous eis
Tov eüpavov mo AiayUvns, mept wv MAapTNREISEN xal KaTexpiongeN. 6 Tore
eypanla To ÜrotuALe T7S epwrnsews Kuruv xdl Tas denceis ep Tuv FVeunaer u
auruv, Aal ep Wv deovral, OmWs aurwv Yevwvraı dubenis Kal Haxperns. 7 Kdı
mopeuSeis eradıca Emi rau Üda- (P. 45) Twv dav Ev ym dan, Mrıs Eoriv ex
definv Epumv cu Em dunews, aveyıyvwakun To Örenumac Tuv denoewv aurwv
ws Exonanon. 8 Xal ıIdov aveıpaı em Eus ASov, xaı opaweıs ET EUE ERETITTOV,
Kal eidov opaloeıs opyns; za ANNe van Aeyovoa‘ eimov Tols Vils Tou aupavov
ToU RE eybau Aurous. 9 xl EZUmVos Yevouevos naSoy mpos aöreis, xl maures
SuumyBeven EraaIyvro mevtouvres Sevebergara, Arıs Eoriv dvd Hesev ToV Aude-
vov xal GeveomA, Be 1EvoL Tnv em. 10 EVWTIOV AUTWV Kal dvyyyeıra
aurois maoas TAG opalceıs, ds Eldov Kara ToUs Umvous, Kal ApEanv Aurelv Toug
Aoyous TA5 Öixauoovuns (P. 46) Ereyywv Tovs Eypmyopous roL oupavou. xıv,ı QußAos
Acywv dixauouums xaı EAeyEews &ypmyopwv TWv dmo ToU diwvos Kara TAv Evro-
lv TOD ayıov To) Meydäou Ev Taurn Ty öpdaeı. 2EyW Eldov Kara Tous Umvous
uev wv vov Aeym Ev YAucoy Vapxıım &v TW mVeluarı ToU GToWATOS MoU, ©
Edwxev 6 Meyas Tols dvdpwmos Addeiv Ev aürels xl vonmei Xapdıdc. 306 Exrıoe
xaı Edwxev endefoaodeı Eypmyopovs Tols VIoUs ToL cUpavou. A EyW TAV Epwrnow
una Tuv dyyeru eyonla, xl Ev öpdo ei ou TOoUTO ee Kal oUTe 9
epurnıs Unwv mapedex SM; siva mxerı eis Tov oUpavov dvalyre Em mavras
Tous allıvels, xaı Ev Tols deomois (P. 47) TS "Ms ep oycaı ü Unds eis TACaS
TAG Yeveds TO aimvos, 6 xal Iva mep Tobrwv löyre Tyv dmWAcav TWv vimv UMwv
TOv dyamnruv, Kal 9Tı cUX Eoraı Umiv ovyCIs durwv, AAAd EOOUTE Evwmıov ÜMwv
2/3 za apanızmcv Paeycrn npavırav. 3 avrosc. 6/7 zb: sugeis eime TU) agemn.
12 e EUNFOL. 17 ye ZUNTa. 19 & eu ] za 22(?); 9 oa Dirns |[seriba verbis N oma
conieeturam suam Öyrews pro deEwv proponebat]. u Vayeyuarru. 20 Ews. 23 @
Ber... 24 [ze 2r.ernre] Evwarıov. 29 &. 30 von »agöras(P). uG.
34 [evSgwrois vosiv Aoyous YUWTEWS, HC Zus Errıse ac eöwzev] eycasTca. 35 me0.
36 meroWvrau.
15
30
Diremann: Über den neugefundenen griech. Text des Henoch -Buches. 1085
ev Maya. 7 xl 9 Epurnoıs UMwv ep alrwv oUx Eoraı, cUde ep ÜMmv, xail
UMEIS xAulovres al deonevor zul MM AadAouvres may inud Emo TuS Yoadbys, Ms
eypanla. 8 rd &uoi Eh’ öpaveı curws Edeny,n" ideu vedeAuu Ev my bpaveı Exd-
Acuv xl suryAdı Me Ehbwvouv, xl diadpouai TWv doTeuv xal ÖldoTpamaı WE
Karsomevdalov xal EDopußalev me, xl dvemo Ev rn öpdosı mov Efemeraodv
ue (p. 48), 9x0 Emypdv me dvw xal eisyveyxav Me Eis TEv olpavov, ul EbNA-
dov MEXpis nyyıpa TIyous oixodeuns Ev Alois Wandens za YAwoons TUpos
xUrdw raw, »adı Npkavro Exboßeiv me. 10x EiomAdev eis Tas YAuOOas Tou
mupoc, x ANyyıoa Eis olxov neyav orxodoummevov Ev Adoıs Yardlys, xal oi
Tolyı To) oixov Ws AdomAaxes, nal maoaı Yoav Ex Yuovos, xl Edahn Ylo-
veixd, ıı al ai oreyaı Ws diadbouai dorsmwv xal dorpamal, xal uerafU dürwv
Kepovdiv Rn Kol oUpavös dürwv Udwp, ı2 Kal TÜp dAeyauevov KUxAU Tu
TUXWV, Kal Sypaı mUpl xduomevor. 13 eioASov eis Tov (P. 49) oixov Exeivov,
Iepuov Ws müp xaı Vuxpev Ws Yıwv, xl TACd Tpopn Same oux Av Ev aurw*
boßes me Exdrunbe xal Tpouos me EAadev. 14 xal Aumv TeImEvos xal FEIN,
Kal Emeoov eSeopouv Ev N öpdosı Mou, ı5 Xal ide aAAyv Yıoav dveuynevnv
Karevavrı Hau, Kal 6 olxos Mellwv Toureu, Kal 6Aos ouxoduunuevos Ev YAuocaıs
mupos, 16 Xal 0Aos duupepuv ev doEn xal &v run duvaodaı me EZeimeiv üpdv
mwepi Tns doEns nal me TA MeyaAwovvys aurou. ı7 To Edeubos aurev: Av mupeS,
To 08 dvwrepov auto) Aoav dorpamal xal Öldöponai dOTsowv, Kal A OTEyN auToU
Av mÜp bAE- (P. 50) yov. 18 &Iewpouv de xal eidov Ipovov UnlyAov, xaı TO Eidos
auTeD ws ApuoraAAwv, xl TpEXos Ws MAlou Adumovros xl opds X,epoußır.
19 xl Ümoxdrw rou Ipovov EFemopevovro moramol TUpos bAeyousvor, Kal 00x
&duvaaodyv ide. zoxaı m doka 1 Meydaan ExdIyro Em’ auto, To mes BoAauov
auro) Ws Eidos MAıou, Adumporspov dans Yiovos. 2ı Xal 00x Eduvaro mas dyye-
Aos TapeADeiv Eis Tov OlXov ToUToVv Kal Idelv To EOCWmoV aureu, did To evrınov
Kal evdogov, Kal 00x Eduvaro maca Gapz ideiv aurou. 2 70 mÜD (bAeyoevov
KUrAw, xal mÜp ueya mapsıoryxeı auTw, Kal obdeis Eyyıgaı aurw. KUxAw uUpIctı
uvpddes eoryxa (P. 51) Evwmıov auroU, zul mas Aoyos aureu Epyov. 23 Xu ci
dyıcı rwv dyyeruv oi Eyyıkovres aUTW oUx dmoywpouaı vurTos oure dbioravrai
auto). HXayW Nur Ews TouTou Em Tposwmov OU BehAnusvos xaı TDEU.WV,
al 6 xUpos TW OToHarı dur) ExdAcce uE xl Eime wor” mposeATE WdE "Evo,
Kl Tov Aoyov MoU axouoov. 25 Kal TDOSEeAIWV nor EIS Tov Ayıov Myeıpe ME
Kal moosmyaye me wen Ti Spas‘ Eyw ÖL TO mposwmov mov xdrw Exuper.
xv,ı zal dmoxpideis eime Mor: 6 dvpwros dAyIwos xal ypaumareus T1s dAy-
Ieias, mpo0eAdE WdE, xl TAG bwvAs ou dxovaov. 2 mopeusyri xal eime Tols
meunbacı 08° Epwrioaı ÜUuds &dsı me ruv dvSpwruv, za Mn ToUs oivSpumrous
me Üuwv. 3 did TI dmeAimere Tov oupavov rov UnbnAov Tov dyıov TOD aiwvos,
% arrgamen. 7 Nyyıza TEIY,oUS. YAurraıs. 9 uRodoWnLEvoV. 11 Krovıza.
13 Foryon. zopevet, 16 [eis ro rEOSumOV mov ze] EFemgouv. Le grodoumusvos.
18 [z«: Meyaduruvr urTE vn] divarIcaı ‚Me. 22 agurrannn. Fewo ogurı6.
27 aUrov. 29 ermzalrw). 3ı [ro] maosu mov Wo. 33 eis row ya.
Sitzungsberichte 1892. 98
10
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1086 Gesammtsitzung vom 15. December.
| MET TWv u) eXomndyre, Xal Merd TWv Suyarepuv Tuv dvSpumun
Zuand (P- 52) TE xou Eraßere ENUTOIG Yuvalxds, Uwe vier ans NG Emomoure
za Eyeumoare Eavrols TEXVE, VIOs yıyavras; 4 xal UWels Are ayıcı xal mVeUl
Cuvra alwvin, Ev TW dimarı Tuv Yuvamzuv ämidvIyre, za Ev dimarı Gapxos
Eyeumoare, al Ev almarı dvdoumwv Emedunnoare, XaSws xal aureı maucı
Tapra Kaı au, oirwes dmodvioxoucı xl dmoAAuvrau. 5 did Teure Edwxa
aurols SmAeias, va GEgLATIS ou Eis auTdc Kal TEXVWOOUTIV Ev duroIs TEXVA
ourws, wa 1m ErAeimH aureis may Epyov Emi TS ‚ns. 6 Üneis de Urnpyere
mveuua Luvra aiwvia Kal oUX dmeSvmoxovra Eis mWaCas Tas ‘yeveds TOD alwvos.
7 xal dia ToUTo oUx Emoimoa Ev Op Smreias‘ Tl TMVeund Tol eüpaweu ev TW
eigen N Krroiknaıs aurwv. 8 x%dı vuv ol yıyavres ol yevunYevres do TWV TVEu-
Hera xal Oapxos aaa Ioyupa Emmi TuS yne x Ev nm KOATOlAmOIE aurwv
EoTau. 9 mveuual movnpd eEeADwv dmo ToU ow wnaros aurwv, dlorı do rwv dvw-
TepWV Eyevovro (P-53); zul Ex TWV ayıay Eyonyopwv Y oxıM Ns Krisews auruv
Kal DZ Senedlov, mVEUnATE move ON NOBE, 10 TVEUUE apotvo Ev TW
ar a xaromncıs duTwv Eordı, xl To mVEUnaITeL Em TIS yne To yerınSevra
ml The is a Haralyoıs aruv Eoraı. 1 Kal Ta MVEUUaTE Tav yeyavrun vecbe-
as ddızedvra, dbavikovra xal EumImTovra xal OUumaAdlovTd nal GUDpImToVTe
mi IS As Mveuuara Grand Yyıydıruy Kal Öpemous Folsuvra Kal umdev E0.Ieiov
AAX dorroüvra al dnbuvra xl Tmposxomrovra, ı2 mveund xdı eFavaoryc
Talra Eis Tols vIovs uv dvdourwv xl Tuv yuvaızıv, orı EEermAudacıw
dm’ alrav dme Ausoas adayns zul dmwäeıds xal Savarou, XVL,ıdd wv Ta
mveuura Exmopevousva EX TAG Yuan TNS Tapnos aurwv EoTaı apavıkovra
Xupls xpiOews, OUTWS dpanıovoı MEXpIS MEDES reNemgews TNS XpIoews TAG
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GE epurnoau men! Aura, oirwes &v olpavn Aoav' 3 uneis ev TW oöpenvı Ars,
xal Tau ı HuoTNgIoH, 6 oÜ- (p. 54) * dveranipSn Univ, xaı HuoTngIoV To EX ToU
Ieov yeyeumpaevey Ewure, Xal ToUTo Eumuoare Tells yuvaufıv Ev Tals we
Karpdieus una, xal Ev To puma 9 TourW mAuSUvouoı a Smaeıcı Kal ol av-
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mapanaBovres uE Eis Twa Tomov dmmyayov, &v W oi ovres Exel Yıyovral ws Up
bAeyov, xal orav Serum, hawvoyras ws & auSpwmo. 2 Kdı dmnyayev Be &ıs
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eis To depoßaSm, mov Too mupds Kal To Bern xl Tas Imxas aurwv xal
Tas AnTpommas manas, a Ko dmmyaryov 1AE BEXpe bdarwv Lwyrwv Kal MEYXDL
mupos durews, © 6 Eorı xaı a Taoas Tas ÖucEIs ToU NAov. 5 xal Nr%o-
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Dırı.mann: Uber den neugefundenen griech. Text des Henoch - Buches. 1087
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Moralov, Kal MEN ToU MEyKAoU Oxorous Karyvryod, Kal dmnAIov OmoU macd
ae (p. 55) oe mwepmarei. 7Eeidov ToUs dveuous TWv yvobwv ToUs Y,eusepvous
Kal NV Exyvow Tis dBvocov marrwv üderwv. 8 Eıdov TO GTOUN TAs yns Tavrwv
Twv morauwv xal To oreua Ts dvocov. XVII, ı dous Toüs Imoaupous TWV
diveuwv Tavruv, Eidov Orı Ev aurois Exoounge macas Tas Krioeis Kal Tov Se-
Werov FRE Ne, 2 Hal Fov Ardov Eidov TAS Ywvias TnG Ya. Eidov Tous TEOOApKS
dveuous yv yyv Raordlovras, Kal TO GTEDEWMA TOU cüpavou, 3 Kal durou EIOTd-
GW WerafU yAs Aal olpavo). 4Eidov dvemous TWv oupavwv GTpedovras Aal did-
vEUOVTAG TOV TooY,ov ToU MAlov, Xu mäytas Tols doreas. 5 Eldov ToUs Em TAG
ns dveuovs Qaordlovras ev veberm. Eidov Mepara TiS As To Ornpıyud ToU
oüpavov Emdvw. 6 mapmATov Kal Eidov Tomav Kaolevov VUXTOG Kal MMEDAG, DTroU
Tl EmTa 0on imo Adwv morUTEeAWV Es dvarorAds xdl Tpeis Eis vorov BarAovras.
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dmo Ardou mußDoV, 8 To dk
Ieol dire AIov bouxd, xKaı
pirov, Kal 16 dmo Adou raSev, T6 dE KAT vorov
ueoov aurwv (P. 56) My Eis oupavov, Wores Spovas
N xopubn Tou Ipovov dmo Arou owmheipov. 9% Up Kalolevov EIdov Kaxeıvd
Twv area ToUTWV. 10 Toms Eori mega TNS WEYarys Ns, exe GUVFEREOSMOEVTeN
ol eüpavar. 11 Kal Eldov YAOUa MEyd Eis ToUs OTUAos ToU mupes zaraBaivovras,
ol 00x Mu Merpov, ovre eis Bedas oUre eis Unbos. 12 zul Emexewa ToU Yacud-
To: Tourou eldov Tomov, Omou cÜdE Orepewua oupavou Erdvw, oUTE yyv Tyv TEIE-
UEAIWUEVNV ‚ÜMOXATW auToU, oUrE udwp Av Umo auro, oUTE mereivov, AAAd Tomos
Av epnuos a doßepos. 13 Exei Eidoy EmTa dorsoas ws copy WEyAAd KALOlLEVd,
regt wv Und Szlvokkeuay, Movı n eimev 06 yyeros‘ ourOs Eorıv 6 Tomos To TEAos
ToÜ a xal yns, despwrnpiov ToUTO Eyevero Tols anzpais xal Tals Öuvauecı
Tou odpavev, 15 Kal ol arTepes ol KURIEHEVOH ev TW up, o0raoı Eicw ol mapd-
Bavres mposrayna Aupisv Ev doyn TNS dvaroans aurwv, orı romos EEw Tou
oupavou KEvos Erw, OTI 00x EanASau. ev TOls Kaupeis aurwv, 16 Xu dev
(P. 57) aüreis xol Eedncev Mürous HExypı xaıpov TEAEIWOEWG EAUTWV GaapTias
aurWv, EviaurWv KUgiwv. XIX, ı X eime Wal op" evIade oı Myevres ayyeroı
Tais yuvaıfı OrNCoVTo, Kal TA TVEUuaTa aurwv morumopbe Yevousvd AUMeverdu
Toug AvSpwmous, Kal mA düroüs emitusv Tols Ödımovias, MEY TNS UE-
yarys xpioews, &v fi zpiSmooVTaN eis dmorsreiwow. 2 Xal al Yuvaixes dürwv
TWv rap Bayrw äyyarav Eis Geipnvas yerno Covral. 3 3 Rayw "Evwy, eidov Ta Se-
WONMATE WOVos, Tal Tara mayrwv, xal co 1m lön oUdE eis dvdowrwv, ws &yu
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vecheras. mreos Ta me gar. 13 Fgeis &is. PBanrovra. 17 Emrerewe. 19 Hai orU-
Aous (?) 21/22 yn red Semeruen. 22 Um are. 24 muVSavonevov Mou. 25 us
yns. 29 776. zı Aumaverraı, 32 mAavITEN emı Susw ().
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dyıwv dyyeAuv, 06 MET’ Eu) Av Xaı
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ayımv aAyyerAuv, 65 EM TWV TE) Acov
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Em TWwv Mveumarı duapravouow. 7 yd-
Bpmı, 6 eis TWv Ayıwv dyyerAwv, 6 Em
ToÜ Tapadsınou xaı Tuv Öpaxovrwv Kal
epovßıv.
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re m CHR. > ’
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Über den neugefundenen griech. Text des Henoch -Buches. 1089
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euros 6 Tomos deouwrnpiov dyyeAuv. wWOE FUEXEINTOVTEL MEXpL Evos Eis TOv
Aldvd. XXIL,ı Xaxeidev Ebwoevon Eis aAAov Tomov, xaı Edeife Mor mp6s duouas
ANNO Opos neya zul UnbnAov, MErDas OTEpeds. 2 Kl TEOGApES Tomol Ev Aurh
xonoi, Bddos Eyovres nal Alay Adler, Tpeis aurüv Oxorewol xal eis DWTEwöc,
xaı muyn Uoaros dvd Meoov Aurel. xal Eimov' mis Asia Ta xaAWMaTa Taüre
xl oAoßadn xaı oxorewa T7 öpaveı. 3 Tore dmerpinn padand, 0 Eis Tüv ayımv
dyyeruv, 05 MET’ EuoD N,
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Kol WEXPL TOD diopinmod zul dimpiomevou Wpovov, Ev W N xpiois 1 MeyaAn Eoral.
5 ev aurels rEeIesunı dvSpwrrous vExpoUs EvruyXalvoyros zo dam auroU HEXpL
ToV oupavod TpoeBouve xall Everüygaven. 6 xal Npurnoev papanı (p. 60) rov
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TIvos Eoriv, dio ourws 9 bwvn durou mpoßaiveı Kol Evruyyalvei Ews TOD oUpavol;
7 xoı amerpinn uoı Ascywy‘ ToDTo To mueÖul eorı 70 EGerSeV dmo AQer, ov
Epevevoe Kaiv 6 AdENDOs, xal Ader EvTuyyglvel ep auToL, HEXpL Tod dmoAcoaı
To Omepua aürov dimo mposuimeu Ts Yis; xl dmo ToÜ Gmepnamos TWv dv-
Ipwruv abavıcdm To omepus aürev. 8 Tore Apwryca mep TÜV KUXAWUdTUV
mayruv, Old Tı eXwmoINGav yv oma Tou auwvos. 9 xl dmexpinm Mor Acymy'
odror ol Tpeis Emomdnoav Wwpileodaı TA Tvsunara Tuv verpuv, Hal oUrWs
EXWpIONN Es TA mVeuuara TÜV dikaiwv, od A muyn Tod Udaros &v düra dw-
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1090 Gesammtsitzung vom 15. December.
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eux Evovraı Ovıc, dAAd auaprwäc 000 doeßels, xal HErd TWv dvammv EWovrai
ueroya. Ta Ö8 mVeuuara, ori oi &vDade SAußovres EAarrov KoAdlovraı aürüv,
ou TuwpnSyoovraı Ev Auepe Ts Kpioews, oUde un mMereyepIücw £vreüsev.
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Avamsojuevov oUdE EvAsımov TOoU Opaued, nuspas Kal vUXTOSs du dtalevov. 3 Kal
pwrnca Aeywv Ti Eorı ” um 22 dvamavow; 4 Tore dr Exp Rai paryeunı,
6 Eis TÜV ayıay dyyerwv, 06 per EIOU iv euros 6 Öpamos TOD TUp6s To pas
duouas möp To Exdıwxov Eorı mayras ToUs BaoTupne Toü eüpaved. XXIV, ı Xal
EdeıEE Mor Op Tupos Kausueva vuRTos. 2 Kal Em Exewa aurüv ErOpEUSNV Ka
Seaodun emra om Evdofa Mavra, Exdrepa TOD Exarepev ÖaAAaoTovre, wv
ASoı Evrıncı TN xaAAovf xal mavra Evriua xl Evdora zul EÜEION, avarords
Eorypıyueva Ev TO Evi, nal role Emi vorov Ev TO Evi. nal halpayıyes DarTeicı zo Tpa-
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aurwv nubpavIn, Hal oUdev Erepev oMolov MurW, Soumv Eiyev EÜWÖEOTEDEV mayrwv
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Fi ESaumaoas ev TH coun Toü ‚Sevopov xl dia Tı Sercıs TAV ärdjIeıay uaSelv;
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Fourou Obodpa. 3 xal amerpinn Aeywv‘ ToUTO To opos ünbyAcv, ou % xopubn SMoi
Ipovov Ieod, xaSedgw Eorıv, ou xalafeı 6 ueyas xUpios, 6 Ayıos Ts docns, 6
Bacırsls rov aiwvos, orav xaraıın Erısnelaosaı Tav yav Em Kyamın. 4 Koll TOUTO
To Beuöpov euwdids, nal oudenia GapE Eöeumiav € eycı aıhaoIaı aurov Weygt (p- 63)
Fns heyaldıns xpioews, an ErdiKnGS FavTWy KATEAEIWOIG WEY,PLE alwvos, Tore
dixdiois Kal oCloıs dosmoera 50 rapmos AUTOU TOIG EXAEXTOIG &is Cuv Eis Bopan, Kal
Herapursusnoerau Ev Tomw aim apa Tov oixov TOD Ieov Pacıreus FoU diwvoc.
6 Tore eüppauSnovTen eüppamausva, xal Kartaovran xoı EIG TO Ayıov EIGEAEU-
Fovraı ai doual auto) Ev Teils ooralcıs aurav, xdl Zumv mAsıova Cycovraı Em
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Diremann: Über den neugefundenen griech. Text des Henoch-Buches. 1091
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TAnpN vopdou KPNTTOV Kal OYUvov Xal Kıvvalwikou Kal TIMEDEWG. 2 Kal EXEIDEV
’ ’
1 NuAoyyee. 6 auaw. 7 pagayya. 8 vo] apud Bovrıant (vo). 10 be-
gayya. dageyya. 11 maraı. 13 Pdagayıyos. 16 mwavres orrwec. 20 sureleis.
’
28 Außavov (?). Slavovev (?). 29 zaglaus vel zagVcs. 30 hagayya. 35 mAngN.
/ DR WA
> SLR > ’
36 anuydaron vel ANUyYORAoU. 37 TORVTO ROWMATE.
10
1092 Gesammtsitzung vom 15. December.
spwdeuoa em Tas dpxas ar Tov Spewv TOUTWV, Maxpav ÄmeRa mpos ava-
ToAds TNS vn; za don Emravw Tns EpuIpats Saraoons; x W ya Er
AXpWV, Kal dmo ToUroU dreßnv eravw ToU Lwriei. 3 Kal EAIWv mpos Tov mapd-
deivov TAG dixnuonuums, xl Eidov MaxpoIev TWv devopwv Tourwy devdpa mAsIoVd
al MEyoara duw Mev Exil MEyaAa holen ara xal Evdoga xl MEyarorpemi,
Kol TO devdpov TNS dpovyoews, c EOTiouow ayıov TOD Kaupmol dUTCU xal EmIOTavTau
bpovnaw meyadnv. a omoov To devöpov Exeivo mpoßıren To übes, Ta de dUAAa
NÜTOD xeparı omoit, 6 E Xapmos Aurel Ws Ei Borpuss dumerov ılamor Aıav,
n 8 60m aurou dIETpEX,E ohpu mo ToD devdpou. s Tore eimov' ws xanov TO
devöpov, xal Ws emiyapn TN öpaceı. 6 Tore Amexpinm babanı, 6 Ayıos ayıyeAos,
6 wer” &uol wu‘ Touro vo devdpov bpowmaews, EE 00 Edbayev 6 Tarp Tov.
29
3
Anmerkung: Die auf S.1044 Z. 10—7 von unten zu Hen. ı4,25 gemachte
Bemerkung ist zu streichen. Bei nochmaliger Vergleichung mit dem Original habe
ich gesehen, dass dort nicht sıs ro ayıov, sondern sıs rov ayıcr steht, was als sis rur
ayıov gelesen einen guten Sinn gibt.
‘ / > ’
YASov 5 puoueve(P). 8 asperım. 10 Emiy,agss.
1093
Elektromagnetische Theorie der Farben-
zerstreuung.
Von H. vox HELNMHOLTZ.
(Vorgetragen am 27. October [|s. oben S. 851].)
Fine genügende Erklärung der Farbenzerstreuung auf Grundlage der
elektromagnetischen Theorie des Lichts scheint mir bisher gänzlich
zu fehlen. Dass eine solche nicht ohne Rücksichtnahme auf die
ponderablen Massen, die dem Äther eingelagert sind. zu bilden ist.
dürfte keinem Zweifel unterliegen, da die Dispersion des Lichts zu
denjenigen Vorgängen gehört, welche, wie auch die Brechung des-
selben, die galvanische Leitung, die Ansammlung wahrer Elektrieität
und das Bestehen magnetischer Pole niemals im reinen Äther eines
Vacuum, sondern nur in oder an der Grenze von Räumen vorkommen,
die ausser dem Äther auch ponderable Masse enthalten. Nun zeigt die
mathematische Theorie von Maxweır allerdings an, dass auch pondero-
motorische Kräfte innerhalb des von elektrischen Oseillationen durch-
zogenen Äthers wirksam werden müssen und eventuell schwere Atome,
die im Äther liegen, in Bewegung setzen könnten. Aber wenn die
ponderablen Theilchen nicht selbst elektrisirt sind, wären diese Kräfte
den Quadraten der elektrischen und magnetischen Momente des
oseillirenden Äthers proportional, und also für negative Werthe der-
selben in Grösse und Richtung gleich denen für positive. Sie würden
deshalb während jeder Schwingungsperiode zweimal ihren grössten
und zweimal ihren kleinsten Werth erreichen, so dass sie in der
Regel nicht Schwingungen von der Länge einer einfachen Periode
hervorbringen oder unterstützen könnten.
Nur wenn die wägbaren Theilchen Ladungen wahrer Elektrieität
enthalten, können die periodischen Wechsel der elektrischen Momente
im Äther ponderomotorische Kräfte der gleichen Periode hervorbringen.
Die entsprechende Annahme, dass eingelagerte Atome nur nördlichen
oder nur südlichen Magnetismus enthalten sollten, lasse ich als zu
unwahrscheinlich bei Seite liegen. Dagegen haben uns die elektro-
1094 Gesammtsitzung vom 15. Dec. — Mittheilung vom 27. Oct.
lytischen Erscheinungen, namentlich Faranay's Gesetz der elektro-
Iytischen Aequivalente, schon längst zu der Annahme geführt, dass
elektrische Ladungen von bestimmter Grösse an den Valenzstellen
chemisch verbundener Jonen haften, die bald positiv, bald negativ
sein können, aber überall dieselbe absolute Grösse für jede Valenz-
stelle eines jeden Atoms haben müssen.
Obgleich diese Annahme die Elektrieität wieder an einen sub-
stantiellen Träger heftet, so ist sie in keiner Weise im Widerspruch
mit Maxwerr’s mathematischer Formulirung seiner Theorie. Denn
auch in dieser kommt die Möglichkeit unveränderlicher Ladung ge-
wisser Volumelemente in Isolatoren vor, und Maxwerr's Gleichungen
sagen aus, dass diese Quanta bei allem Wechsel elektrischer, magnetischer
und ponderomotorischer Bewegungen unverändert bleiben, wenn sie
auch nach seiner Deutung der Erscheinungen nur als Integrations-
eonstanten, nicht als reelle Substanzen anzusehen sind.
Das schliesst nieht aus, dass die Kräfte, die von diesen Jonen
als ihren Centren ausgehend sich im Raume ausbreiten, bei eintretenden
Lagenänderungen der Molekeln sich in solcher Art verändern, und im
Raume fortschieben, wie es Maxweır's Gleichungen beschreiben.
Das Einzige, was die elektrochemische Theorie mehr verlangt,
als bisher in Maxwerrv’s Gleichungen vorgesehen ist, ist die Möglich-
keit, dass diese CGentralpunkte elektrischer Kräfte bei chemischen
Umsetzungen von einem zum anderen Ion herübergleiten können,
und zwar unter grosser Arbeitsleistung, so als ob sie an einem sub-
stantiellen Träger hafteten, der von den Valenzstellen verschieden-
artiger Jonen mit verschiedener Kraft angezogen würde.
Wird der ein Paar verbundener Jonen umgebende Äther von
elektrischen Kräften getroffen und dadurch dielektrisch polarisirt, so
werden die entgegengesetzt polarisirten Jonen den in Richtung der
Kraftlinie fallenden Spannungen ausgesetzt, also zwei gleich grossen,
aber entgegengesetzt gerichteten Kräften, die mit einander ein Kräfte-
paar bilden, welches den Schwerpunkt des Molekels nicht in Be-
wegung setzen, wohl aber die elektrische Axe des Molekels verlängern
oder verkürzen, sie der Richtung der Kraftlinie zu- oder ablenken würde.
Wir wollen im Folgenden die Bezeichnungsweise meines letzten
Aufsatzes vom Mai d.J. beibehalten, und also die Componenten der
elektrischen Momente der Volumenseinheit mit X,9),3 bezeichnen.
Dabei ist aber zu bemerken, dass in den dort aufgestellten Gleichungen
die Momente X,9),3 betrachtet werden, als nur abhängig von den
elektrischen Kräften X, Y,Z, und diesen proportional. Die mög-
licherweise in einzelnen Stellen des Raumes lagernde wahre Elek-
trieität, deren Dichtigkeit dort in Gleichung ı mit
vow Hersmorrz: Elektromagnetische Theorie der Farbenzerstreuung. 1095
OX 0) 03
Ge r— 7 Ir en DD. 00,0 ro a OD I
RE RE er
bezeichnet wurde, spielt dort allerdings eine Rolle, indem sie Verthei-
lung und Richtung der Momente mit bestimmt. Aber sie wird nicht
derjenigen Elektrieität zugerechnet, welche «die Polarisation der Volum-
elemente bewirkt. So sind auch in den nun zu bildenden Bewegungs-
gleichungen die elektrischen Momente, welche durch die wahre Elektri-
eität der Jonen gebildet werden, da sie von veränderlicher Grösse und
Riehtung sind, und auch von nicht elektrischen Kräften, Beharrungs-
vermögen, Reibung u. s. w. angegriffen werden, von denen des freien
Äthers zu trennen; wir bezeichnen sie mit d. d, 3, für die Volumeinheit.
Ein soleher mit Äther und Jonenpaaren gefüllter Raum würde für die
theoretische Betrachtung nach der älteren Vorstellung von der Existenz
bipolarer magnetischer Molekel, dem Innern eines magnetisirten Kör-
pers ganz analog sein, und da die Gesetze der Vertheilung magne-
tischer und elektrischer Kräfte für ruhende Zustände aus MAaxweur's
Theorie sich vollkommen übereinstimmend mit denen von Poıssox’s
Theorie ergeben, die mit magnetischen Molekeln und Fernkräften
rechnet, so lassen sich auch die aus jener älteren Theorie herge-
leiteten Berechnungen des Energievorraths in den Volumelementen
eines solchen Raumes mit moleeularer Vertheilung der Elektrieität
hier verwenden. Dass sowohl die Erscheinungen der dielektrischen
Polarisation, wie die der ponderomotorischen Kräfte solcher polarisirter
Massen auf denselben Werth der Energie zurückführen, habe ich in
einem früheren Aufsatze erwiesen.'
Nach der hier aufgestellten Hypothese unterscheiden sich unsere
Jonenpaare von den dielektrisch polarisirten Molekeln isolirender
Substanzen nur dadurch, dass sie träge Masse haben und deshalb
nicht immer in der Gleichgewichtslage sich befinden, vielmehr um
diese oseilliren können, so dass die 7,),3 unabhängig von den X,9,3
sich verändern können, und dass also die potentielle Energie der
Elektrisirung nicht bloss von den letzteren drei Grössen, sondern auch
von den ersteren abhängt. Ich habe es vorgezogen, statt von den
Maxweır’schen Gleichungen auszugehen, die neu hinzukommenden
Einflüsse in die von mir für die Elektrodynamik entwickelte Form
des Prineips der kleinsten Wirkung aufzunehmen, weil man dadurch
vor dem Übersehen einzelner nothwendig vorhandener Gegenwirkungen
! S. meinen Aufsatz: Ȇber die auf das Innere magnetisch oder dielektrisch
polarisirter Körper. wirkenden Kräfte « in Monatsberichte d. Berliner Akademie,
17. Februar 1881. — WiırpEmAann’s Annalen Bd. XIII S. 385—400. Gleichung 2 und 4°,
nebst den Bemerkungen am Schlusse.
1096 Gesammtsitzung vom 15. Dec. — Mittheilung vom 27. Oct.
in dem hier schon ziemlich verwickelten Spiel der Kräfte geschützt
wird, und dadurch die Anzahl der unabhängigen Hypothesen von
zweifelhafter Richtigkeit wesentlich vermindert wird.
Übereinstimmend mit Poısson und Maxwerı setzen wir die elek-
trische Kraft, welche nothwendig ist, um ein Moment x in der Vo-.
lumeinheit einer mit bipolaren Molekeln beladenen Substanz hervor-
zubringen, diesem Momente proportional also
Aa b: Bee ee 5. 0 oo or 8 re
ANGE .
Y=x ER A RA IT;
I
Zu 8 las lielelge ne Te utelrer ie Meifer uhren eigje,Letketzetke
Darin ist, wenigstens innerhalb gewisser Grenzen der Polarisations-
stärke, $ eine Constante. Wenn wir mit ox,0dy,c} verschwindend
kleine Änderungen dieser Werthe bezeichnen, so erhalten wir
I
23
Die linke Seite dieser Gleichung ist offenbar gleich der Arbeit, welche
die polarisirenden Kräfte bei der Änderung der Momente gethan haben,
und deshalb stellt die rechte Seite der Gleichung die Änderung der
durch die Polarisirung gewonnenen Energie dar, ohne dass die Gültig-
keit dieses Ausdrucks, wie in meiner früheren Arbeit, auf den Fall des
Gleichgewichts zwischen den polarisirenden Kräften und der dadurch
gewonnenen Polarisation beschränkt ist.
Denken wir uns die beweglichen Molekeln, deren Momente wir
mit %,),3 bezeichnet haben, eingelagert in ein continuirliches Medium,
dessen dielektrische Constante wir mit e bezeichnen. so dass seine
Momente und elektrischen Spannungen zusammenhängen durch die
Gleichungen
X- + + Z = — IE +Y HR] ....... Ban
Kr ee
2004
See Z,
so wird der Werth der elektrischen Energie (Gleichung 3° entsprechend):
nz M2 O2 Or Y\. s „2 2 2
o. — || jar-ay-us- Das Mr > y+3 Da ar a il
DE & 2%
Denkt man sich den Äther zwischen den Molekeln ungemischt
mit indueirbarer ponderabler Substanz, so wäre e= 47 zu setzen.
Der zweite, mit ®,, bezeichnete, magnetische Theil des kinetischen
Potentials kann unverändert bleiben, da die Jonen nicht nothwendig
Q
- ; i m
von Hernnorrz: Elektromagnetische Theorie der Farbenzerstreuung. 1097
ein anderes magnetisches Induetionsvermögen zu haben brauchen als
der Äther, und die Unterschiede in Wirklichkeit meist sehr klein sind.
Die Anwesenheit permanent magnetisirter Substanz brauchen wir nicht
zu berücksichtigen. Also:
[ff a u (U OB)
TB zer 02 de Y da)
Der dritte, elektromagnetische, Theil ®, redueirt sich, indem
wir die Glieder dritten Grades kleiner Grössen (zu denen aber © nicht
gehört) weglassen auf:
ıyı nn Na
AD! \9
— A EN! z +a0)+®B- + +M. = +y.6 ne
(No ot \
Das s ist überall gleich Null ausser an den elektrisch geladenen
U
Stellen der Jonen; also kommen auch nur deren Geschwindigkeiten
in Betracht. Da die elektrischen Kräfte, die auf sie wirken, reine
Kräftepaare sind, so muss, wie schon bemerkt, der Schwerpunkt der
Molekeln in Ruhe bleiben, und unter diesen Umständen ist zu setzen
und also:
B: 3 I
A| | [mas hu,, EHVA+R- LOHMAR LH 1
Endlich in den letzten Theil der Arbeit /, haben wir einzusetzen mit
negativem Vorzeichen, die lebendige Kraft und die Reibung der be-
wegten Jonen.
N da\: “ N:
[fr % == d2, = Sr +] gt, +Y-r,+3T,]dw-dy-dz
wo t,, rt, und t, die der Variation nicht unterworfenen Componenten
der Reibungskraft darstellen, deren Werth durch
dr
, EM pain Beikis! ar A herniertastteidetgefr ei /a
eh Vi
Men ee ee een LerneLahn el een ee ee IST
0
N ea ne ran. aeg
ausgedrückt werden mag.
a
5
1098 Gesammtsitzung vom 15. Dee. — Mittheilung vom 27. Oct.
Wenn man nun die Bedingungen dafür sucht, dass
OR Ye N Deo ee 12
werde, so ergiebt sich:
ı. Bei Variation der £,9),3
FR TER |
€ ot
) -— OM \
Ba An u Ber era 12%
€ ot
ae a re \
€ o/
woraus auch in der schon früher angewendeten Weise (s. Gleichungen
2, 4° und 4" der früheren Abhandlung) die Gleichungen gewonnen
werden können:
A. Ku = a =
et oy
„IN en elle et
En ot = 92 € dx € ORNITIDE DD / .
Ar AR = a 99
ot Pr €
2. Bei Variation der U,VB,W:
oe. oO /M ON
A . Ar (X + v) = DE (N) Fr (%) nn
ON oft
\) DE TR) We = ar“ c
A ar) =) =) ER N 12
0 RT oO /M
ee) 2) — U — a
_ „ar» (4) =) Te
3. Endlich bei der Variation nach %,d,3
92
-(&)+ all mi net, is
ot?
ul Sl,
was combinirt mit den Gleichungen (1 1") und (12°) giebt:
SE SD ES 0% or
=. Se: g+m, PrZ +Kk: ne.
und entsprechend
>D)) ee 0’Yy av Von
ar a Nm km, iR me
23 es 0° 03
ee
von Hernuorrz: Elektromagnetische, Theorie der Farbenzerstreuung. 1099
Der kürzeren Schreibweise halber setzen wir
Ba N
ee ET u AR RL IER
2 Ss
€ h
MU MER Serge Aare Srerehehe larie ce 12,
€
VE RN nn a lan. ae
somit wird
ort oL
a a De a a
=! ay+m AT7 + ap
N— a-r ee 2x.
ee ee
or 0?
DE En ne ln IE ARM N
3 Far et ot
System ebener Wellen in Richtung der &-Axe ablaufend.
Setze
a
DT Rn AR A ern. | 13
Sala,
K-3=-t-M=,=;=0,
so geben die Gleiehungen (12”) für die Werthe der Coeffieienten:
B-I
e Re BR
B
und(122): 13:
: £
ee N \
4
endlich (12'):
Br abe my b- inkl. sen. \ u
Setzt man |
ER N ee
also: e
I ;
h= — a
a — mn? + ink
so geben die Gleichungen (13°):
N) eu Ä I nl
1100 Gesammtsitzung vom 15. Dee. — Mittheilung vom 27. Oct.
Nach der Art des Vorkommens in den Gleichungen ı4 ist offen-
bar s die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen. Wenn’ nicht
k —= 0 ist, wird deren Werth complex sein, was bekanntlich Dämpfung
der fortlaufenden Wellen anzeigt.
Um die physikalische Bedeutung dieses Ausdrucks deutlicher zu
machen, und um die reellen und imaginären Theile von einander zu
trennen, bemerken wir zunächst, dass die Fortpflanzungsgeschwindig-
keit €, im continuirlichen Äther gegeben ist durch:
I
RS NE I
FR Ar see a
Setzen wir dann
q I |
a EEE Tao
l in 86 | ®
so ist nach der oben gemachten Anwendung des Exponenten p offenbar
6 die reelle Fortpflanzungsgeschwindigkeit der von uns betrachteten
Wellen und g der Dämpfungscoeffieient für die Längeneinheit des
Weges.
Dadurch wird Gleichung (13°)
a we
en ia
ı+h a@—- mn’ + kin ı
ı-h @— m > kin—ı
Setze
DR = MN u 10. COS Se
a = MINEN. PCI Ne ee Wal,
fa — Sin DE Sn \
wobei ;, und g, immer positiv genommen werden können, und die
Winkel $, und $, in den zwei ersten Quadranten, so dass sinS, und
sinS, immer positive Grössen sind, so wird
Bee m
P= gr) ER Re | IA
und
DI /sinSı RE e
- ee 6, ) N sın 5 IS, nat ee | Au,
(0 I I
a Ve Se SR :
6 Sin, > an z
schwach gedämpfter Wellen für die betreffenden Schwingungen bei
voxn Herumorrz: Elektromagnetische Theorie der Farbenzerstremmng. 1101
dem Übergang aus dem mit beweglichen Molekeln beladenen Äther
in den davon freien.
Zu bemerken ist, dass der Wurzelausdruck, der in den beiden
Gleichungen (14°) und (14') vorkommt, in beiden dasselbe Vorzeichen
haben muss.
Aus den Gleichungen ergeben sich die Werthe der Tangenten:
kn
tang%, = — —— 220. isn
© mm 1 N
14°
kn
tangy, = — Be en
Ba:
oder wenn wir
sure
NE he
m
R D5
Na
P? eh ——_—_ Melia m ee ,e 0) ei sei le) wiie/te, a: ‚eye e \
m
setzen,
angS &
an nn a ee re
SYo mN N n
N N 5
1 I 5 2
i 5 k I
Anno “ = NE Eee
Zu mP P n
N RP
welche zeigen, dass der Winkel $, ein Rechter wird, wenn n=N.
N ist aber der Werth, den » annehmen würde, wenn die Phasen
der elektrischen Verschiebungen X im Äther und x im Molekel gleiche
Riehtung haben und ohne Reibung unter dem Einfluss ihrer eigenen
Anziehungskräfte vor sich gehen, die in der Constante a’ zusammen-
gefasst sind.
m
Wenn @ >— und daher P reell ist, bezeichnet P eine andere
€
kleinere Schwingungszahl, welche eintreten würde, wenn die genannten
beiden elektrischen Kräfte einander gerade entgegenwirken.
Die in den Gleichungen (15°) für die beiden Tangenten gegebenen
Werthe zeigen, dass, wenn die Reibungsconstante % sehr klein ist,
die Tangenten nur dann endliche Grösse haben können, wenn auch
ihr Nenner nahe gleich Null wird, d.h. n nahehin gleich N oder
gleich P wird. Wenn dies eintritt, so wird für n = P der Winkel
Sr = für n = N dagegen I, = -
y
Sitzungsberichte 1892. 99
1102 Gesammtsitzung vom 15. Dee. — Mittheilung vom 27. Oct.
Das Verhältniss der beiden in (14°) und (15°) gegebenen Tangenten
findet sich:
tang 9, : tangS, = (N — ?): (PP — 9).
Da zum absolut grösseren Werth der Tangente auch der grössere
Sinus gehört, und für Winkel die nahehin = o oder = = sind, das
Verhältniss der Sinus mit dem der Tangenten zusammenfällt, so er-
giebt sich hieraus, dass der in den Gleiehungen (14°) und (14') vor-
2
kommende Factor "fürn = o den Werth hat, also grösser als
fe)
SID, iD:
Eins ist; fürn = oo dagegen wird sin 9, = sin S.-
Der genannte Factor wird steigen, bis n = P geworden ist,
I 2 2 . .
wird = I sein, wenn n’ = — (P?+ N’); wird noch weiter abnehmen,
D)
bis n— N geworden, endlich wenn n sehr gross, wieder zunehmen,
bis er für n = co wieder = ı geworden ist.
IS
Wie schon früher hervorgehoben, ist C — n das Brechungs-
verhältniss zwischen leerem und belastetem Ather, dagegen
ist der Erlöschungseoeffieient für eine Wellenlänge der betreffenden
Strahlen, dessen Werth sieh auch aus (14°) und (14) ergiebt, gleich
— tang (9, —- SE MR
2
während
i a sine) Ns
en
Für kleine Werthe von % ergiebt sich aus den vorher angestellten
. . I .
Betrachtungen, dass der hier vorkommende Winkel — ($,— S,) bei
2
T
n=o sehr klein ist, bei n= P ziemlich schnell bis nahe an —
2
steigt und bei n = N wieder ebenso schnell auf seinen früheren
kleinen Werth zurückgeht. Sein Sinus ist also für n = o, wie für
2 = ©0, sehr klein, zwischen n=P und n= N dagegen wird er
nahe gleich ı, und wird also nach Gleichung 16° zwischen beiden Linien
starke Absorption hervorbringen.
von Hernunorrz: Elektromagnetische Theorie der Farbenzerstreuung. 11035
Die Werthe des Brechungsverhältnisses dagegen ergeben sich aus
Be - siny, Na
Er ee e | de
sie werden also in dem ganzen Streifen starker Absorption herab-
obigen Gleichungen:
gedrückt gegen die durch den Ausdruck ] an dargestellten Werthe.
Letztere sind aber, wie wir gesehen, auf der Seite vom Absorptions-
streifen gegen das Roth hin höher als auf der Seite gegen das Violett
hin. Es zeigt dieses Verhältniss also anomale Dispersion an für
die neben dem Absorptionsstreifen sichtbar bleibenden Farben.
Bei den farblos durchsichtigen Körpern, bei denen gewöhnlich
die Brechungsverhältnisse untersucht worden sind, finden wir in dem
sichtbaren Theile des Speetrum keine deutliche Absorption, diese
kann nur jenseits der Grenzen desselben vorkommen. Der Verlauf
der Curve der Brechungsverhältnisse, wie er der viel gebrauchten
Formel von Caucav zu Grunde liegt, stimmt in unserer Theorie mit
dem Theil der Curve für Werthe von n, welche kleiner sind, als P.
Es wären also im Allgemeinen die Absorptionsstreifen, welche dies
veranlassen, jenseits des Ultraviolett zu suchen. Natürlich ist nicht
ausgeschlossen, dass auch Molekeln vorkommen können mit mehreren
eigenen Schwingungsperioden, die mehrere Absorptionsstreifen und
entsprechend verwickeltere Brechungsverhältnisse geben.
Zu bemerken ist noch, dass in stark absorbirten Stellen des
I ER: r .
Spectrum, wo der Factor cos — (S,—,) sehr klein wird, unsere Theorie
-
die Möglichkeit offen lässt, dass Brechungsverhältnisse kleiner als 1,
oder Geschwindigkeiten höher als im leeren Äther vorkommen, wie
das nach den Untersuchungen von Hrn. Kunpr in einigen Metallen
der Fall ist.
Fälle mit imaginärem P.
Die Fälle,
or IT,
bei denen P imaginär wird, ergeben einen anderen Verlauf. In diesen
wird tang(S,) immer negativ, also $, > — und desto grösser, je höher n;
2
wenn % klein ist, ist $, immer nur wenig von = unterschieden. Da-
gegen verhält sich $, wie in den früher besprochenen Fällen. Sobald
n den Werth N passirt hat, wird auch S, sich schnell dem Werthe 7
Se)“
1104 Gesammtsitzung vom 15. Dee. — Mittheilung vom 27. Oct.
de (=% ß . N 5 :
nähern. ———, welches vorher immer wenig kleiner war als ein
22
Rechter, wird für >N klein werden, und erst für solche Werthe
würde also die Dämpfung schwach werden, so dass die betreffenden
Strahlen gesehen werden könnten. Die Brechung würde ein Minimum
in der Gegend von n = N erreichen, von da ab, wo die Strahlen
anfangen sichtbar zu werden, weiter steigen und endlich für n = ©
den festen Werth =ı asymptotisch erreichen. Körper von diesem
Typus der Brechung lassen sich unter den bisher untersuchten noch
nicht erkennen.
Phasendifferenz.
Zu bemerken ist noch, dass aus Gleichung ı 3° folgt:
b Barry) ir
En ne okalie Yanpeize) von ante ee hie 16
B+b bo
Aus 13° aber folgt:
B-+b BD
De
da andererseits
gefunden ist, ergiebt sich
b er I +
C Verurpop:
Daraus geht hervor, dass eine Phasendifferenz zwischen den magneti-
| I
schen und den ponderablen Schwingungen besteht, welehe — (S,+%,)
22
e7
beträgt. Das Verhältniss ihrer Amplituden wird durch den ersten
Factor bestimmt:
I
Vermporpi
Die Grössen 7, und 2, können nieht Null werden, aber sie werden bei
kleinem Werthe von k sehr klein, wenn entweder n = N oder n—=P.
Die Gleichung (13°) lässt erkennen, dass zwischen der Osecillation
der elektrischen Momente und der der Jonen auch eine Phasendiffe-
renz ist. Setzt man
A MAN PN 6OSR,
kn = p,:sinS,),
\ . rg‘ . a BY
von Hernnorrz: Elektromagnetische Theorie der Farbenzerstreuung. 1105
so Ist
l
EU RL.
B j
i9:
ON ns
Das Verhältniss der Amplituden wird ein Minimum, wenn
"= —(P+ N)
Starke Schwingungen dieser Art würden möglicherweise die
Jonen aus ihren Verbindungen reissen können, namentlich wenn noch
eine elektrostatische Ladung der Substanz hinzukommt, und bei allen
Substanzen, wo starke Absorption an der Grenze des Ultraviolett
vorkommt, würde die von Hrn. Hrrrz beobachtete Entweichung der
Elektrieität unter dem Einfluss der ultravioletten Strahlen eintreten
können. Dass überwiegend leicht negative Elektrieität ausströmt, weist
allerdings auf eine besondere Beschaffenheit der negativen Jonen hin.
Verhalten in nieht absorbirenden Medien.
Wenn der Absorptionscoeffieient k=o ist, ist A reell, und die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit
6 I S /ı-h )
= —_l SS ae FRA 1
p Be AE \ 7
wird alsdann rein reell.e. Der erste Factor dieses Werthes
= I . !
U ee er I ER OL EEE 12
h AVeu \
ist bekanntlich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes im con-
tinuirlichen Ather, und für reelle Werthe ist
Ih de 7— mn?
ih ae — mn’ — ı ;
Dieser Factor ist positiv und das Verhältniss C:6, = ı:n demnach
reell, wenn entweder
m’ <ae—ı
oder
m’ > (dc -+ 1.
Der erste Fall ergiebt constant werdendes Brechungsverhältniss für
langsamere Schwingungen; die Geschwindigkeit ist in durchsichtigen
nicht absorbirenden Medien kleiner als im Vacuum. Der zweite Fall
ergiebt constant werdendes Brechungsverhältniss für sehr schnelle
Schwingungen, und das Brechungsverhältniss kleiner als Eins. Der
1106 Gesammtsitzung vom 15. Dee. — Mittheilung vom 27. Oct.
erste Fall entspricht also besser den Beobachtungen an den bekann-
teren sehr durchsichtigen Medien.
2
a 2
Wenn wir bemerken, dass — = N das Quadrat der Schwingungs-
m
zahl der vom Ather befreiten Jonen bezeichnet, so wird
s I
N —n? — —
Sk m
el
z Non
m
G
und da % = — ist, kann män setzen
n
2 72 G 2 2
(E-&)(N,-—;)+E +)
2 2 54 ”G 9) 22 0) ;
EI ae) er > ZEN 0
SE Mei ER
Gere gen. (8 eV (m een &)+
2 \ m
Da &° <6, sein soll, kann nur das untere Zeichen gelten.
Dürfen wir
2 I >.
r&|— —- N
m
als klein ansehen, so lässt der letzte Ausdruck eine Entwickelung der
Wurzel zu
u
6 a
N: 72 AL (4 ce 2
m
ee
BL m
N!
ne
,, &
Be . u 2 nz
IH m_i
m
Dies ist eine Formel, die sich der von Gaucenv nähert, wenigstens
für Medien mit kleiner Dispersion, in der TI als klein gegen N be-
trachtet werden kann. Denn dann kann man annähernd die Wurzel
. N . 7
von Hermsorrz: Elektromagnetische Theorie der Farbenzerstreuung. 1107
durch den binomischen Satz aus der letzten Gleichung ausziehen, und
erhält
Polarisation dureh Breehung.
Elektrische Schwingungen in der Einfallsebene.
Für den einfallenden Strahl sei beim Einfallswinkel & die ya-
Ebene die Einfallsebene, die Amplitude der magnetischen Schwingung €,
dem z parallel; die der elektrischen Schwingungen liegt dann in der
Einfallsebene, hat den Betrag nach Gleichung (13°) und (14)
Dr I
C &.Ar-(i+h
und der Winkel zwischen diesen Schwingungen und der y-Axe ist
gleich dem Einfallswinkel «, und ihre in die Richtung der y fallende
Componente ist also
C.» cos a
GAu(ı +4)
Die Grenzbedingungen ergeben sich aus den Gleichungen 12" und
ı2° dadurch, dass an der Grenzfläche die dort nach x genommenen
Differentialquotienten nicht unendlich werden dürfen, d.h. dass die
Werthe, von denen sie genommen sind, ebenda nicht discontinuirlich
N } a und —
€ € m
N —=ıBec0so =
sein dürfen. Es müssen also die Werthe von
sowie — auf beiden Seiten der Grenzfläche gleich gross sein. Bezeich-
”
nen wir die Grössen, die sich auf das Mittel des einfallenden Strahls
beziehen, mit dem Index ı, die des gebrochenen Strahls mit dem
Index 3, so ist also an der Grenze zu setzen:
ı. Für den einfallenden Strahl:
Vz er)
== COS &
1108 Gesammtsitzung vom 15. Dee, — Mittheilung vom 27. Oct.
2. Für den gebrochenen Strahl:
N, 2
Br
N, ih Be —b
— 3.c0sß.
3 &z
3. Für den gespiegelten Strahl:
N. zB mb.
— — 2.08%
& &
N, C,
Kı KM,
Nach Gleichung 13° ist für die verschiedenen Indices
B—b As
= ——=(.A.:
C p
oder
B,—b
I 1 %
= C, £ 6, „A
&
B,—b,
en === G,.&,-A
&,
B,—b
=) er &,.0,. A
o =)
€.
3
Die Grenzbedingungen fordern also
C+6, C,
” Ze herngungpionläctenik, ' |
| lt
und \
(0 CAR eos — 0, AB. cos 2
Da die Wellenphasen an der Grenztläche x = o, beiderseits mit gleicher
Geschwindigkeit fortlaufen müssen, ist bekanntlich
G, = ß,
sind sin®
und die Gleichungen I ergeben
u (GC, +0) cosß - sinß = (©, —C;)- cosa -sin«..... | I>
Mı
Da u, und u, bei den bekannten ungefärbt durchsichtigen Körpern
kaum unterschieden sind, kann man ihr Verhältniss gleich ı setzen,
und erhält
C, (sin2ß — sin2a) = — (, (sin (26) + sin 2a)
von Herunorrz: Elektromagnetische Theorie der Farbenzerstreuung. 1109
also C, = o, wenn
sin 28 = sin 2@,
was eintritt, wenn ta = =.
Es ist dies der Fall, wo der refleetirte Strahl: auslöscht. Die
Grösse des Polarisationswinkels entspricht Fresser's bekanntem Ge-
setze, und zwar für alle Farben.
Magnetische Schwingungen in der Einfallsebene.
Wir bezeichnen wieder die Amplitude derselben in den drei
Strahlen mit C,, C,, C, und die der elektrischen mit B,, B,,B..
ur) 2 3 I 2 i)
Die Grenzbedingung für die magnetischen Osecillationen wird
0G—6, C.
?.c0osa = — cosß
m u,
DEN BEN. GR
Zi -F x BET I
Indem wir diese Grössen wieder durch die entsprechenden C aus-
drücken, erhalten wir
[+ 0]%-A= 0,84
oder wenn wir u, = 4, setzen:
(GC) =c0s&.sin& = (C, + Ö)sina .cosß ........: | Ik
@ssm (Ba), Gina Bliss... EN E ls,
was FresseL’s bekannter Werth für die Intensität des reflec-
tirten Strahles in der anderen Polarisationsrichtung ist.
Sobald Absorption stattfindet, haben wir, wie bekannt, elliptische
Polarisation. Ihre Gesetze sind aus der vorgetragenen Theorie ohne
Lücke abzuleiten.
Ausgegeben am 22. December.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
Sitzungsberichte 1892. 100
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TEE
1892.
LIV.
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
22. December. Sitzung der physikalisch -mathematischen Ulasse.
Vorsitzender Secretar: Hr. E. pu Boıs- REevmonv.
1. Hr. Fucus las über die Relationen, welche die zwischen
je zwei singulären Punkten erstreckten Integrale der Lö-
sungen linearer Differentialgleichungen mit dem Üoefficien-
ten der Fundamentalsubstitutionen der Gruppe derselben
verbinden.
2. Hr. Kunpr legte vor eine Mittheilung der HH. DD. H.E. J.
G. pu Boıs, Privatdocenten der Physik, und H. Rusens, desgl. und
Assistenten am physikalischen Institut hierselbst, über Polarisation
ultrarother Strahlen beim Durchgang durch Metalldraht-
gitter.
Beide Mittheilungen folgen umstehend.
Sitzungsberichte 1892. 101
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1113
Über die Relationen, welche die zwischen je zwei
singulären Punkten erstreckten Integrale der
Lösungen linearer Differentialgleichungen mit
den Coeffieienten der Fundamentalsubstitutionen
der Gruppe derselben verbinden.
Von E- Ruens.
I. folgende Notiz nimmt auf meine Arbeit im 76. Bande des
Creize’schen Journals S. 177 ff. Bezug, welche den Titel führt: »Über
Relationen, welche für die zwischen je zwei singulären Punkten er-
streekten Integrale der Lösungen linearer Differentialgleiehungen statt-
finden«. In dieser Notiz soll auf die Rolle hingewiesen werden,
welche die Coeffieienten der Fundamentalsubstitutionen der Lösungen
der Differentialgleichung in jenen Relationen spielen. Zu diesem Ende
ist nur eine etwas veränderte Schreibweise der rechten Seite der in
der eitirten Arbeit mit (S) bezeichneten Gleichung erforderlich. Durch
diese Schreibweise tritt der Umstand besonders hervor, dass die rechte
Seite der Gleichung (S) lediglich von den Coeffieienten der Funda-
mentalsubstitutionen der Gruppe der Differentialgleiehung abhängt.
Dieser Umstand aber bringt es mit sich, dass die Relationen (S) und
(T) einen invarianten Charakter haben, in dem Sinne, dass sie für die
gesammte Ülasse von Differentialgleichungen, zu welcher eine vor-
gelegte Differentialgleichung gehört, die gleiche Form beibehalten.
Diese Invarianz macht es möglich, gewisse beschränkende Voraus-
setzungen, welche in der oben eitirten Arbeit über die Wurzeln der
determinirenden Fundamentalgleichungen gemacht worden sind, auf-
zuheben. Indem wir dieses in gegenwärtiger Notiz nachweisen, haben
wir, um Complieationen in der Darstellung zu vermeiden, hier noch
vorausgesetzt, dass die Differenzen zweier jener Wurzeln, wenn sie
nicht sämmtlich ganzzahlig sind aber zum Auftreten von Logarithmen
keine Veranlassung geben, nicht zum Theil ganzzahlig sein sollen,
und behalten uns vor, an anderer Stelle diesen Punkt einer beson-
1012
1114 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 22. December.
deren Erörterung zu unterwerfen. Ebenso haben wir die Anwen-
dungen, welcher die Relationen (S) und (T) fähig sind, für eine
andere Gelegenheit aufsparen müssen.
1.
Wir behalten hier, mit einigen unwesentlichen Abänderungen,
die Bezeichnungen der Abhandlung in B. 76 des Crerre’schen Journals
S.177-—213, die wir im Folgenden mit dem Zeichen Abh. eitiren
wollen, bei.
Es sei hiernach
Ha) = le -a)a a)... =a)le -b)& 5)... @ 6)
n
19 — We
(B) [v]; =» Fu- 4) @—1)(&) ä F(x) Ua
o
wo F(x) eine ganze rationale Function #“" Grades von x bedeutet,
und wo
(1) 7 ro
gesetzt ist.
Wir haben mit a,,4a,,...a, diejenigen singulären Punkte be-
zeichnet, in welchen sich die Integrale so verzweigen, dass nicht
ihre Quotienten sämmtlich ungeändert bleiben, mit db,,b,,...b_ die-
jenigen, bei deren Umkreisung sämmtliche Integral-Quotienten un-
geändert bleiben.
Die zu Gleichung (B) adjungirte Differentialgleichung:
(6) [2] Te Zi ı)° em ns a ı,(%) . Rin)2] =—=(0)
bringen wir ebenfalls in die Form:
n
„ N y a SE
2) [2]? = I,0n-0 Gn®) Er) 0,
{0}
G,(x) eine ganze rationale Funetion von &.
Wir setzen vorläufig noch wie in Abh. voraus, dass die Wurzeln
der zu a,,@,,...a, gehörigen determinirenden Fundamentalgleichungen
in ihren realen Theilen negativ und grösser als die negative Einheit
sind. Dann haben! auch bei der Gleichung (C) die Wurzeln der zu
A,,Q,,...a, gehörigen determinirenden Fundamentalgleichungen die
gleiche Eigenschaft.
7 'S. Abh. 8.180.
Fuens: Zur Theorie der linearen Differentialgleichungen. 06)
Setzen. wir
AN ——,H (n — x) PN) z F(x)*,
und bezeichnen mit A, diejenige Function von &, welche aus A, durch
Vertauschung von x mit & hervorgeht, sowie mit P, den Ausdruck
x
en | \ ul RE
———, so hat der in Abh. S. ı78 eingeführte Werth U die Form
Pe)
2 op. ep. 0
(3) Ü —- Fr‘ P% + ‘ TIER are = um in 2 or orr® Ere 7 N} Fa .
dw dw dx"
Es sei 9,,.9,,...9, das zu <= 00 gehörige Fundamentalsystem
I 2 n fo) fo) ©
von Integralen der Gleichung (B), &,,&,,...Ld, das entsprechende
Fundamentalsystem von Integralen der Gleichung (C), und zwar der-
art, dass 9,, Ö, adjungirte Integrale darstellen.
Herner bedeute 9,.,n,.. 0... das. zum!singulären «Punkte a
gehörige Fundamentalsystem von Integralen der Gleichung (B),
Ga near Om
das zu demselben singulären Punkte gehörige Fundamentalsystem von
#“+ 1
Integralen der Gleiehung (C), derart, dass wieder n,,. £,, adjungirte
Elemente sind. Wir setzen, wie in Abh. S.ı9o0:
S
c
ur
(4) i
& 3 > ae a ?
so ergiebt sich: ”
(5) DR Doc: — Oase
(0) > bi Ci —eln
I
wenn über die willkürlichen Faetoren in n,, &,, sowie in N, &u , auf
dieselbe Weise wie in Abh. S.193 Gleichung (8) und 8.195 Gleichung (3)
disponirt wird.
Sind 7,, 73, ... 7, die Wurzeln der zu a,,, gehörigen determini-
renden Fundamentalgleichung, für Gleichung (B), so fanden wir
im Abh.:S. 206:
(S) N dx
n A,-+1
+1: Ayo n at i
7 =
j da» Un, = (1m D DuCa ——
r
a" la
ee SINE
! Abh. S. 179.
2 Cf. Abh. S. 194 — 195.
1116 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 22. December.
Au-+ı A, I
(T) de (de-Uny= o
a, a,
x=1I,2,...25
an ER le
(a,, @,,, von jeder der Grössen a,, a,,, verschieden).
In diesen Ausdrücken bedeutet 3, diejenige Funetion
aus C, durch Vertauschung von x mit & hervorgeht.
Bezeichnen wir die Substitution
OR MAR,
(7) mit D,
by. A an Be
die Substitution
AO ©
2 AS 4
(8) EN mit L
0.20, 78
A =: e? Trail
a .
von , welche
und endlich die Substitution, welche das Fundamentalsystem
Ns Mas Mn
durch einen Umlauf um a,,, erleidet, mit S,, so ist:
(9) SS. eBLD
Wir wollen
, Ir» *»*- Iın
(10) Su £
Inı a ee SR Inn
setzen, und nunmehr um Complicationen zu vermeiden, zu den oben
über die Wurzeln der zu a,,... a, gehörigen determinirenden Funda-
mentalgleichungen gemachten Voraussetzungen noch die hinzufügen,
dass nicht die Differenz zweier einer ganzen Zahl gleich ist.
Alsdann ergiebt sich,' dass die Verhältnisse der Coeffieienten der
Substitution B”', folglich auch die Verhältnisse der Coefficienten 5,
sich rational durch die Grössen g, und A, ,%,,-..A,
stimmen lassen.
Aus den Gleichungen (5) und (6) folgt
(11) a.
AN
wo A die Determinante
Dr bin
(1 2) | A=|:
DEAD:
IS. m. Arb. Crerre’s Journ., B. 66, S.133, woselbst 9; mit
zontalreihen von (B)-! typisch mit x, , %2 , ... #„ bezeichnet sind.
vollständig be-
car und die Hori-
. . . . . lud
Fuc#s: Zur Theorie der linearen Differentialgleichungen. 1117
und
0A
I Bı=
( 3) »l ob,
Wir setzen (11) in Gleichung (S) ein, und erhalten
Y%+ı fUu+2 )
Ss’ da IMs (Zı)-2mi-N =, ago
( ) A fe N, = ( j" Neue nd .n
+1
wo
DB
ER l A ia
(14) AR) — er
Die Grössen A sind nur von den Verhältnissen der Grössen
bia$ Öza> --- du. abhängig. Es ergiebt sich also:
1a»
Die Grössen 4% sind wohlbestimmte rationale Func-
tionen der Grössen A,,A,,.-. , und 9;, sie sind daher ledig-
lich dureh die auf Urı bezügliche Fundamentalsubstitution
bestimmt.
Die Gleichungen (S’) repraesentiren hiernach n’ Glei-
chungen für die n? Coefficienten 9, der zu a,,, gehörigen
Fundamentalsubstitution des Fundamentalsystemes
N,> Na> - +» I
Betrachten wir nunmehr eine lineare Differentialgleichung
!
(1) Ay Ay al Ay® = oo,
deren Coefficienten ganze rationale Funetionen von x, und deren Inte-
grale überall bestimmte Werthe haben. Wir wollen für dieselbe die
einschränkenden Voraussetzungen, welche wir in Abh. S. 183 —ı84
über die Wurzeln der determinirenden Fundamentalgleichungen ge-
macht haben, fallen lassen, und vorläufig um Complieationen zu ver-
meiden nur Folgendes festsetzen: Die singulären Punkte b,,b,.... b,
seien so beschaffen, dass die sämmtliehen Differenzen der Wurzeln
der ihnen zugehörigen determinirenden Fundamentalgleichungen ganze
Zahlen sind, ohne dass sie zum Auftreten von Logarithmen in ihrer
Umgebung Veranlassung geben. Dagegen seien a,, a,,...a, singuläre
Punkte, in welchen sich sämmtliche Integrale verzweigen. und für
welche nieht die Differenzen zweier Wurzeln einer determinirenden
Fundamentalgleichung ganze Zahlen sind.
Ist nun
(2) is N ae 2 Se ap 5) RR
1118 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 22. December.
N N 5;
n—ıI
rationale Funetionen von x bedeuten, so genügt
u einer linearen Differentialgleichung r. Ordnung
(3) Cu =+ Cu + ... + C,u” ==)
derselben Classe mit (1). welche ebenfalls die singulären Punkte
q,, )
besitzt, und deren Integrale denselbenFundamentalsubstitutionen
us 2@
zugehören, welchen die Integrale von (1) unterworfen sind.
Wir wollen jetzt zeigen, dass wir die rationalen Funetionen
P,, P,,::. P,, so wählen können, dass die Gleichung (3) @ber-
haupt dieselben singulären Punkte wie (ı) besitzt, und dass
dresrealen Theile, der Wurzeln der aut a,,@,,..:.a, bezus,
lichen determinirenden Fundamentalgleichungen zwischen
Null und der negativen Einheit enthalten sind.
Wir können zunächst durch eine Substitution der Form
=— = —.}
(4) y=(z-a) "(@—a,) ”°...(e a) 'w,
wo die Grössen &,,&%,,...%, Null oder positive ganze Zahlen sind,
aus (1) eine Differentialgleichung in :v herstellen von der Beschaffen-
heit, dass die Wurzeln der zu a,. a,....a, gehörigen determinirenden
Fundamentalgleichungen in ihren realen Theilen positiv sind. Wir setzen
demnach voraus, dass schon die Gleichung (1) diese Eigenschaft habe.
Sei nunmehr »m,— ı die höchste ganze Zahl, welche in den realen
Theilen der Wurzeln der zu a,
mentalgleichungen enthalten ist, alsdann werde
gehörigen determinirenden Funda-
nm Ina
(5) I(2) =A2—- a) ea) 2.2. a,)
gesetzt.
Sei ferner
(6) ve) Ne Sa) a Na)
und
pa) (@)” ne |
P De A ON Narnao We ——
(7) „(@) a
wo ®,(2), ®,(&),. -. ®,_,(&) noch näher zu bestimmende ganze rationale
Funetionen bedeuten.
Wir wollen alsdann in Gleichung (2) für P,(&) die durch die
Gleichung (7) bestimmten rationalen Funetionen setzen.
Bezeichnen wir mit r,,7,;,... r„ die Wurzeln der zu einem Punkte a
gehörigen determinirenden Fundamentalgleichung, wo a aus der Reihe
Q,,@,,...a, entnommen ist, und mit y,,%,,...%, das bezüglich zu-
gehörige Fundamentalsystem von Integralen der Gleichung (1). Sei
Fucns: Zur Theorie der linearen Differentialgleichungen. 109)
ferner 'r, diejenige der| Grössen r,,r,,...r,, deren realer Theil die
höchste ganze Zahl m — ı (die oben dem Punkte a zugeordnet worden)
enthält. Wird $,(a) von Null verschieden angenommen, so gehört «, ,
welehes aus (2) durch die Substitution y = y, erhalten wird, zu einem
Exponenten, dessen realer Theil zwischen Null und der negativen
Einheit gelegen ist. Möge der reale Theil von r, die grösste ganze Zahl
m—ı-—p, enthalten (p, eine positive ganze Zahl oder Null) und sei
(8) MEICHUE ae. N RN
gar wollen wir 6.0, ,.. 2, so einrichten, dass
=D: Ar Se rast De V Er. Karte D I: zZ
| la Kal Er ea Aa Green
ale ie ia I a er II a n—I
+...+rlr, 1)... —n-+2)- Ara NG (6,_,V |
+r, +ı)r,°— Er N (8,4?) +
: E
BD n—I WR
Be (U) a
76 Ne: air ne + FA) (+ — ee He
er
Wenn in diesen Gleichungen successive a = 2, 3,...n gesetzt wird,
so erhalten wir für A= o n—ı Gleichungen für die Unbekannten
DIA BNA), 2.0, Q).:
Ebenso erhalten wir für X! =ı n-—1ı nu für die Un-
bekannten &,(a), ®,(a), --. ®n_1la); $,(a), Bla), ... P,_.(a), ebenso
für i=2n-—1 Gleichüngen für (die Unbekannten" #,(e),' ®,(@); ..:
2, (a Dora), a) la), BR a),’. :. HN (a) U. s. w.
Denken wir uns die Grössen r,,r,,...r, so geordnet, dass
m PD, 00 Dh
so liefern die Gleichungen (9) demnach für die Unbekannten
6% (a), (a), I ) BO. dl
im Ganzen p, (n — ı) Gleichungen. Da die Anzahl der Unbekannten
gleich p,n ist, so sind die Gleichungen immer erfüllbar.
Dieselbe Schlussweise bleibt für jeden der singulären Punkte a, gültig.
n
1120 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 22. December.
(10) 4.) = at — a,)®t' ee ayea 2
9 Ia + I c®
> 2,2, («—a,)
worin C%
willkürliche Grössen, /, positive ganze Zahlen bedeuten.
Nach dem Zusammenhange, welcher aus der Theorie der Zerlegung
einer rationalen Function in Partialbrüche zwischen den Grössen (0
und den Werthen we sich ergiebt, folgt daher, dass auch 9 (a,)
IE AG, Lee. Dior, RE 1 Dt pwallkuckeh
vorgeschrieben werden dürfen. Ist daher A = /, mindestens so gross
als der höchste Index A der im Gleichungssystem (9) für a = a, auf-
tretenden Grössen ®y’(a,), so ergiebt sich demnach, dass wir stets
n ganze rationale Funetionen 6,(2),'0,(8),:.. d,_,(@). von der
Beschaffenheit angeben können, dass $/)(a,) den (pa + Pa + --
+2p,) (a — 1) Gleichungen genügen, die sich aus (9) füra = a,
G,,... a, ergeben, wenn.p, für den singulären Punkt a, die-
selbe Bedeutung hat wie oben allgemein p, für den singu-
lären Punkt a.
Da die Wurzeln der zu a, gehörigen determinirenden Fundamental-
gleichungen sich nicht um ganze Zahlen unterscheiden, und da die
höheren Ableitungen ®,’(a,), die noch nicht im Gleichungssystem (9)
(für a = a,,a,,...a,) auftreten, ebenfalls willkürlich wählbar bleiben,
so ergiebt sich, dass daher (8). ®,(&),...®,_,(&) noch so gewählt
werden können, dass in (dem Resultat der Substitution von %,;
für y in (2)) nicht höhere et von £—a, verschwinden, als es
die Gleichungen (9) erfordern, so dass die realen Theile der Wurzeln
der sämmtlichen zu a, ,ay,...a, gehörigen determinirenden Fundamental-
gleichungen bei der Gleichung (3) zwischen Null und der negativen
Einheit liegen. |
la a
Hiermit ist das am Eingange dieser Nummer ausgesprochene
Theorem bewiesen.
Für den Fall, dass bei Gleichung (1) unter den Wurzeln der zu a,
gehörigen determinirenden Fundamentalgleichung eine solche sieh be-
findet, deren realer Theil ganzzahlig, also unter den Wurzeln der
entsprechenden Fundamentalgleichung bei (3) eine solche, deren realer
Theil Null, wenden wir auf Gleichung (3) die Substitution
u) u= (et — a)" (x — a): .. (a — a)‘ .Ww
an, wo g, eine reale positive zwischen Null und Eins gelegene Grösse
bedeutet, von der Beschaffenheit, dass r,, — & > Pas — &a >: Tan — & noch
Fuchs: Zur Theorie der linearen Differentialgleichungen. 1121
immer zwischen Null und der negativen Einheit gelegene reale Theile
haben, während e, die Null ist, falls sich unter den Wurzeln der zu a,
gehörigen determinirenden Fundamentalgleichung bei (3) nicht eine
solche befindet, deren realer Theil Null."
Sei wiederum die Fundamentalsubstitution der Integrale der
Gleichung (1), welche dem Umlaufe um a,,, entspricht
I DT Iın
=|: |
Rate
so ist dieses auch die Fundamentalsubstitution der Integrale der
Gleichung (3), welche demselben Umlauf entspricht, während die In-
tegrale der Gleichung in w (die aus (3) durch die Substitution (11)
hervorgeht) für denselben Umlauf der Substitution
II 24575 In
unterliegen, wo J= e 72%...
Es sind aber auf Gleichung (3) oder die Differential-
gleichung für w die Relationen (S), (S’) und T unmittelbar
anwendbar, aus welchen sich alsdann die Beziehungen für
die Substitutionscoefficienten g, bei Gleichung (1) ergeben.
3.
Die Gleichungen (S’) und (T) repraesentiren Relationen zwischen.
den Coeffieienten der Fundamentalsubstitutionen der Integrale 9,.9,....n,
und den bestimmten Integralen der Form
A,+1
(1) Ir lun.de
a,
du -ı
() 22 = (ertar.
a
7
Man erkennt, dass diese Ausdrücke den Gleichungen
(3) elenui —M, amip,,
(4) BD mn.
*
wo M, den Factor bedeutet, mit welchem », bei einem nur um die Punkte
US. Abh. S. 208.
1122 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 22. December.
4,,dy,...a, vollzogenen Umlauf multiplieirt werden, und die Grössen
Ks, ganze Zahlen oder Null bezeichnen. Die Ausdrücke J®, H®
bedeuten in den Gleichungen (3) und (4) bez. die Integrale
» dt, (tl,
Jane ! je Felck
a dt
7 P]
> 5
erstreckt längs des von a, über a,,a,,...a, führenden Schnittes, und
zwar auf demjenigen Ufer desselben, welches dem Ufer gegenüberliegt,
längs dessen die Integrale J%
„u?
Hu Düne 2 222 vollzogen sind.
Setzen wir in Gleichung (B) y = „,, multiplieiren dieselbe mit «*,
und integriren zwischen den Grenzen a,,q,}, so erhalten wir mit
Rücksicht darauf, dass die realen Theile der Wurzeln der zu a,,qa,,.. .@,
gehörigen determinirenden Fundamentalgleichungen zwischen Null und
der negativen Einheit gelegen sind, durch wiederholte Anwendung
der theilweisen Integration
du,-ı
(5) feln.de —a)
a,
Ebenso ergiebt die Integration von (C), nachdem wir 2 = d, gesetzt
und mit x" multiplieirt
Ayı
(6) J1arl.2.de oh
[2
M
Die Grössen [x], und [x], sind, wie aus Nr. ı hervorgeht, ganze
rationale Funetionen von x vom Grade x(r—ı)-+ a.
Wird suecessive dA =.0/,1, 2. ....in. (5); und (6), gesetzt,!so
ergiebt sich das Resultat: Sämmtliche Grössen Ji% lassen
Siehsdurch JU, JH nn Jan und sämmtliche Grössen,
durch Hure, Be 22, linear undhomogen. darstellem
4.
Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich, dass die Coefficienten der
Fundamentalsubstitutionen der Integrale 9,,9,..., vermittelst der
Gleichungen (S’) mit den Grössen J®, A füra=0,1, 2,...n(r—ı)—1,
und den Parametern der Differentialgleichung (B) algebraisch ver-
bunden sind. Zwischen den Grössen J®, H% bestehen überdies die
Gleichungen (3) und (4) voriger Nummer, deren Anzahl gleich 2n’(r— ı)
(nämlich für a = 0,1, 2...n(r—ı)—ı, x =1,2...n) und die im All-
gemeinen 2n°o(e — 3) Gleichungen repraesentirende Gleichung (T).
Fucens: Zur Theorie der linearen Differentialgleichungen. 1125
Indem wir uns vorbehalten auf diese Relationen, ihre Reduetion
und ihre Anwendungen bei anderer Gelegenheit näher einzugehen,
beschränken wir uns hier darauf noch die Reehnungen für ı und
n = 2 auszuführen.
Es sei
ler},
(1) (yı = Fe). Yy + File) y = 0
(2) [2], = [-F._, (a) + Fia)]az + F(a)2’= 0
Sei
N
Fe_(®) &, %, N, (vb
(3) Te +... + 1 +..4 |
F(x) —a, x —-a ı—b o—b
wo die realen Theile von &,,...«, positiv und kleiner als Eins, und
ß,,...9, ganze Zahlen bedeuten. Dann ist
4) n=le -a) '..@— a) rw a HT M (a B.\ 9
6) g=Ww- a"T"...@— a) (# un d,/ı=" NE u
Bezeichnen wir mit N,>» . das zu 4 eehörige Integral bez. der
mM m „I 8 fen) >
Gleichungen ( l ) und (2) .„ s0 ist
(6) ea,
und es wird nach einem Umlaufe von x um a,,,,n und £ bez. in
6) “mi ? 24 m . RL
Nas tl md det et übergehen. Auf‘ der rechten Seite der
Gleichung (S) haben db und ce den Werth Eins.
Es wird ferner
Y r \
'_()—- F_(a . d[F(&) — Fla)
(7) U= — +
c—ıu dx x &
’
und (5) und (T’) nehmen die Form an
Ayu-hı "dat m au kıi
(8) de Ide-Um =
Sin mar,
Ay Ay
"+ PAyrı
(9) dx da » Um == 0
“ «
[ER du
wo 3 aus & durch Vertauschung von x mit & hervorgeht.
Betrachten wir den besonderen Fall, dass die Gleichung (1) mit
ihrer adjungirten übereinstimmt. Hierzu ist nothwendig und hin-
reichend, dass
(10) F
1124 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 22. December.
Es fallen alsdann die Punkte d,,...d, weg, und es wird
I
u, =m=U,... I IF Zi
Die Gleichungen (ı) und (2) werden:
(1) Fa)y'+ —F (a9) 0
(22) Fix)2’+ - Fl0)27 0
Ferner ist
(4) =
j "YEla)
(5) = —
; VFle)
Ela) # I|F(x) — F
ee
du-1 du-2 ?
(8°) fa fe: —= — ES = m
Ay Au-+ı
Au-+ı ER 0%
N VER VEG)
Die Gleichungen, ei (09), sind unter Berücksichtigung der ab-
weichenden Bezeichnungsweise vollkommen übereinstimmend mit den
von Hrn. WEIERSTRASS' für die Periodieitätsmoduln der hyperelliptischen
Integrale aufgestellten Relationen, wie ich schon in Abh. 8.177 an-
gemerkt habe.
I 2
In diesem Falle ist
(11) [y), = Fa)y = Ra) Hay Fr Bi a), 0
ee ES nn] 19 > 2e ;E Pe
x —ı dx De.)
d? | Fix)” — Fa)’
da” 2 —& ;
in Bezug auf jede der Variablen x und & vom 27 — 3°” Grade.
! Programm des Braunsberger Gymnasiums August 1849 Nr. ı Gll. (4) und (3).
Fuchs: Zur Theorie der linearen Differentialgleichungen. 1125
Aus Nr. ı Gleichung (14) folgt
(13) A? 7 we i Aa N Au?
ae ER a Aw IR Aw)
(14) Ab bb,
Daher ist
a A, — I
As) —' I I s AU» EU ( I )
„.—A, 1,—A,
P
i A» Eve A =. Jia
(15) \ a
A®ı u A ig. Iaı i
z 1,—A
Bei dieser Rechnung ist zu berücksichtigen, dass A,,?, der
Gleichung
(16) N LEN NN =
genügen, und dass
(17) I 922 — I1292ı — ER
Die Gleichungen (S’) werden daher, wenn wir
Ay 1 Au 2
(18) f@ ‚(ein ya,
Ay du 1
setzen:
am
a, = Pe
(A, DE 1) (a 1)
— 2m
Ta g,
: De (ne:
R 1) @&- 1)
— 2m a
eo
2m 5
I [9 er les
(A, = 1) (A, 42) 1)
! Vergl. meine Arbeit CrELze Journ. B. 66 S. 133.
® Bei dieser Gelegenheit möge ein Rechenfehler angemerkt werden, der sich in
dem Beispiele Abh. S. 2ı1ı eingeschlichen hat. Aus den dortigen Gleichungen (15) er-
1126 Sitzung der plıysikalisch- mathematischen Classe vom 22. December.
BeirzuB.
2 R
20) Wh =slı DM” Hr eror+NYaly’—Bay=o.
Setzen wir
(21) Do pl oo
also
Belyeut- 2,0 = - (1—-o—p+2p), ß —_ Go 0
Substituiren wir
| — (1 + 6) (+ m)
(23) y-« nr "U,
so geht (20) über in
(202) F(a) -u®+2F(a)-F(ia)wW + Au=o
wenn wir
(24) F(a) = a(@— ı),
I 2° I 22 I 2 2 2
(25) Jah, = Pur —,) (w — ar a are
setzen.
Die Wurzeln der determinirenden Fundamentalgleichung bei (20°)
sind
nie I I
fr = 0: = Rt; te —=—lo 1)
2 2
I I
DT = le Te we)
3 I 3 I
Sl ar era han
2 2 2 2
Setzen wir voraus, dass f,, f,, fs Positive Grössen sind, kleiner
als -Eıns, 2so, hiegenr,,, 7, > La: zwischen‘ o und — Tr, dagegen
7 "x; zwischen ı und 2.
* .
1? 02
In unserem Beispiele ist
El EL; 1 ER
(12°) a a | ee
geben sich nicht die Gleichungen (16) — (16%), da bei der dortigen Bestimmung von
&15 62 (9.22.10), und? 95 (S. 21)
[&u2 » Su2] = — [wu Su]
le, 82] = — lwı, £ı]
(ef. Abh. S. 192— 194) sein muss, und demgemäss aus der für dieses Beispiel hiernach
abzuändernden Gl. (J.) sich nur dy1 d22 — biz daı = ı ergiebt.
und
Fuchs: Zur Theorie der linearen Differentialgleichungen. 1127
Die zu (20°) adjungirte Differentialgleichung lautet
(26) Pla) - ESF) (a). + Au =
dieselbe ist also mit (20°) identisch.
Es ist demnach
(27) & — N, ; & an N,
wo 9, 7, bez. &,, £, das zu # = 00 zugehörige Fundamentalsystem von
Integralen der Gleichung (20) bez. (26) bedeutet, und es ist
NE
tohe 2 a
FR u 9,
Die Gleichung (5) Nr. 3 lautet in unserem Beispiele:
+ 1
Be ala— ı)e —- ı? +2 —- 1) 2 —- 1)a+A]en.de=o.
Demnach ist unserem Falle J“ folglich nach Gl. (28) auch
zu
HB“ linear durch JY, J“) ausdrückbar, wie es nach Nr.3 er-
forderlich ist.
Bezeiehnen wir mit
(0) (0)
Kr nn
RN
21 22
und mit
(1) „(u
& NR, 11 912
J ma
" (1) „(1)
G51 922
bez. die zuxz= o und x = ı gehörige Fundamentalsubstitution von
1,9, so ergeben die Gleichungen (19), wenn wir
(30) fr [« Ureb, Di
(31) I de I
und
Ti
T
2 sin? Po
»
2 h
(32) ri
m — ee
T
2 sin? Pi
Sitzungsberichte 1892. 102
1128 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 22. December.
setzen:
\ N)
oe (0)
(33) Ä Ps TE 012
3
Sy (ra (0)
RB en 951
I )
\ m er lo. un)
m er (1)
(34) Pi — 8,912
- PV) — u.g"
| 21 ne ı 921
I —d, (a e 1) z
In den Ausdrücken (30) und (31) bedeuten 4,,v, Funetionen von a,
die aus ,.n, durch Vertauschung von x mit & hervorgehen.
Nach dem Obigen sind die linken Seiten der Gleichungen (33) und
(34) homogene Funetionen zweiten Grades der Grössen:
210) u) [0] 0
I» den, da; * da fr da
x & &
co co
Fa | 1 al »1
IK ee I da nad.
Man würde, wie wir nebenbei bemerken, wenn man in die
Gleichungen (33), (34) die bekannten Ausdrücke von ,,, vermittelst
bestimmter Integrale substituirt, aus diesen Gleichungen die Funda-
mentalsubstitutionen in der bekannten Form durch Evrer’sche Inte-
grale (Gammafunetionen) darstellen können.
1129
Über Polarisation ultrarother Strahlen beim Durch-
gang durch Metalldrahtgitter.
Von. H. BJ G-nu Boisskund H: Rusens
in Berlin.
(Vorgelegt von Hrn. Kvnpr.)
r einer früheren Untersuchung hat der eine von uns' den Nach-
weis geliefert, dass polarisirtes Licht, welches ungebeugt durch
ein enges Gitter aus parallelen Metalldrähten hindurchgegangen ist,
im Allgemeinen eine Drehung der Polarisationsebene erfährt. Diese
Drehung konnte dann als Folge des Umstandes gedeutet werden, dass
das Gitter für Strahlen, welche senkrecht zur Richtung der Drähte polari-
sirt sind, eine andere Durchlässigkeit besitzt, als für solche, deren
Polarisationsriehtung mit der Richtung der Gitterdrähte zusammenfällt.
Das Phänomen erwies sich als stark abhängig von der Wellenlänge
der angewandten Strahlen und zwar derart, dass der Unterschied mit
wachsender Wellenlänge erheblich zunahm. Es erschien uns daher
von Interesse, darauf bezügliche Messungen auch jenseits der Grenze des
sichtbaren Spectralgebiets vorzunehmen und möglichst weit in das
Gebiet der längeren Wellen vorzudringen. Es eröffnete sich uns hier-
bei die Aussicht, die Versuche mit Wellenlängen von der Grössen-
ordnung der freien Öffnung zwischen zwei benachbarten Gitterdrähten
ausführen zu können.
Da Energiemessungen im Wärmespectrum mit Hülfe des Bolo-
meters leicht und relativ genau ausgeführt werden können, beschlossen
wir, die Energie der senkrecht, bez. parallel zur Richtung der Gitter-
drähte polarisirten Strahlen nach ihrem Durchgang durch das Gitter
direet zu messen und mit einander zu vergleichen.
Wir bedienten uns zu diesem Zweck der folgenden Einrichtung,
welche in Fig. ı schematisch dargestellt ist. A bedeutet einen in
einem Kasten eingeschlossenen Lixxenans’schen Zireonbrenner, dessen
' H. pu Boıs. Reflexion und Transmission des Lichts durch gewisse äolotrope
Gebilde, Wırn. Ann. XLV], S. 542. 1892.
102 *
1130 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 22. December.
Strahlen durch die Linse /,
(von kurzer Brennweite)
Fig.1. auf dem Diaphragma d ver-
einigt werden, so dass an
dieser Stelle ein reelles
Bild des Zirconplättchens
entsteht, von welchem
das Diaphragma ein klei-
nes Stück herausschnei-
det. . Hinter dem Dia-
phragma werden dieStrah-
len durch die Linse /, pa-
" rallel gemacht und dann
unter dem Polarisationswinkel an einem Glasplattensatz Preflectirt. Der-
mm
dicken Glasplatten, welche in möglichst
starken, auf der Rückseite geschwärzten
selbe besteht aus zwei etwa '/,
paralleler Lage auf einer 3"”
verticalen Glasplatte befestigt sind. Man erreicht, wie wir uns über-
zeugt haben, durch diese Vorrichtung, dass die refleetirten Strahlen
nahezu vollkommen in der Horizontalebene linear polarisirt sind und
behält, da die Reflexion an fünf hinter einander liegenden Flächen er-
!/; der ursprünglichen Energie. Durch die ge-
ringe Dicke der Glasplatten wird ferner deren Absorption von Strahlen
folgt ungefähr '/, bis
grosser Wellenlänge möglichst vermindert.
Nach der Reflexion an dem Glasplattensatz P durchlaufen die
Strahlen den Tubus Q, welcher zur Aufnahme des Gitters dient.
5 Dieser Apparat ist in Fig. 2 perspectivisch
Fig. 2. gezeichnet. Er besteht aus einem 5°” weiten
Messingrohr F F’, welches an seinem einen
Ende senkrecht, an dem andern unter 45°
Neigung zu seiner Axe abgeschnitten ist. Beide
Enden sind mit Verschlussplatten (A und 5)
versehen, von denen sich die eine (A), welche
die senkrecht abgeschnittene Rohröffnung
verschliesst, nach Belieben entfernen lässt.
Beide Platten, sowohl A als B besitzen centrisch gebohrte Diaphragmen,
welche ein Strahlenbündel von genau kreisförmigem Querschnitt durch
den Tubus hindurchlassen. Es wird dies erreicht, indem man dem
Diaphragma der Platte B die Form einer Ellipse giebt, deren Axen
sich wie ı zu Y2 verhalten. Durch zwei kreisförmige Blenden von
entsprechendem Durchmesser, welche sich in unmittelbarer Nähe
der Platten A und D befinden, kann der Querschnitt des durch den
Apparat hindurchgehenden Strahlenbündels nach Bedürfniss verringert
H. ou Boıs u. Rusens: Über Polarisation ultrarother Strahlen. 1131
werden. Der Tubus FF’ ist im Innern eines Metallringes @ von
4°” Breite derart befestigt, dass er um seine Axe gedreht werden
kann. Durch sorgfältiges Einschleifen des Rohrs F F’in den Metall-
ring G wurde bewirkt, dass bei seiner Drehung die Axe eine un-
veränderte Lage beibehielt. Der Metallring ( bildet das obere Ende
eines massiven Messingstativs, welches durch Kniegelenke nach jeder
Richtung verschoben und durch Schraubklemmen in jeder Lage fest-
gestellt werden kann. Das Gitter selbst wird nach Belieben auf der
Endplatte A oder B mit Hülfe zweier Schraubklammern befestigt,
so dass die Gitterebene der betreffenden Platte genau parallel ist,
d. h. entweder auf der Strahlrichtung senkrecht steht, oder mit
dieser einen Winkel von 45° bildet. Eine auf dem Tubus ange-
brachte Kreistheilung ermöglicht mit Hülfe einer auf dem Ring @
befindlichen Marke die Einstellung des Tubus bez. Gitters in be-
stimmte Azimuthe.
Hinter dem Apparat Q befand sich eine Sammellinse /,, welche
die Strahlen in die Spaltebene eines zu Messungen im Wärmespeetrum
geeigneten Speetrometers vereinigte. Hier entstand also ein scharfes
Bild des ersten kreisförmigen Diaphragmas d, dessen vertiealer Durch-
messer auf den Spalt s des Speetrometers fiel. Wurde ein Metallgitter
in der beschriebenen Weise auf dem Apparat Q befestigt, so erblickte
man neben dem Üentralbild eine Reihe von Beugungsbildern in der
bekannten symmetrischen Anordnung. Da es sich in der vorlie-
genden Arbeit ausschliesslich um die Untersuchung des Öentral-
bildes, d.i. der nicht gebeugten Strahlen handelt, wurde die
Grösse des Diaphragmas d und die Länge des Spalts s stets so ge-
wählt, dass in keiner Stellung des Gitters eins der Beugungsbilder auf
den Spalt fiel. Die Änderung der Spaltlänge, bez. des Durchmessers
des Diaphragmas d geschah durch Einsetzen besonderer Blenden. Da
der Abstand der Beugungsbilder vom Centralbild unter sonst gleichen
Umständen der Wellenlänge der betreffenden Strahlung proportional
ist, so ist es mit den Versuchsbedingungen verträglich, mit wachsender
Wellenlänge weitere Diaphragmen und grössere Spaltlängen anzu-
wenden, deren Dimensionen sich in einfacher Weise aus den Brenn-
weiten der Linsen /, und /, sowie aus den Gitterconstanten berechnen.
Das erwähnte Wärmespeetrometer war ein Instrument von Schmivr und
Hänscn, bei welchem das Fadenkreuz des Fernrohrs durch den tem-
peraturempfindlichen Widerstand eines Linearbolometers ersetzt war.
Die Einrichtung dieses Bolometers ist von dem einen von uns! bei
Gelegenheit einer früheren Untersuchung beschrieben worden, Der
! H.Rusens. Über Dispersion ultrarother Strahlen. Wırv. Ann. XLV, S. 238, 1892.
Dy Se F 2 a n N:
1132 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 22. December.
mm,
Belichtungswiderstand bestand aus drei o""2 breiten und ı0"" langen
neben einander aufgespannten Streifen eines sehr dünnen Eisenblechs,
ı/ mm
welches dureh Aushämmern eines '/,"" dieken Eisendrahts entstanden
mm
war. Die Breite des Bolometers betrug 0""7, sein Widerstand 4.5 Ohm.
1
Durch Anwendung eines Galvanometers‘ von hoher Empfindlichkeit
und relativ constanter Lage des Nullpunkts, gelang es uns, bei grosser
Empfindlichkeit zu arbeiten und dennoch kleine Ausschläge von ı""
sicher messen zu können. Meist betrug die Stärke des Hauptstroms
in der WnraAtstone' schen Brücke 0.05 Amp. Dies entsprach einer
Empfindlichkeit des Bolometers, welehe ungefähr durch den Umstand
definirt ist, dass durch Belichtung des Bolometerwiderstandes durch
eine in ı" Abstand befindliche Herser'sche Amylacetatlampe ein Sealen-
mm
ausschlag von etwa 750"" hervorgebracht wurde.
Da es unsere Absicht war, unsere Untersuchungen bis zu mög-
lichst grossen Wellenlängen auszudehnen, mussten wir die Einschaltung
von stark absorbirenden Substanzen in den Strahlengang vermeiden.
So bestehen nur die — sehr dünnen — Platten des Polarisators P aus
Glas, dagegen die Linse /, aus Sylvin, /, und /, aus Steinsalz, ferner
die Speetrometerobjective /, und /, sowie das Prisma p aus Fluorit.
Dennoch ist es uns nicht möglich gewesen unsere Messungen
für, Strahlen, deren Wellenlänge A = zu =,” überschreitet,
fortzusetzen, da in diesen Gebieten die Energie des Brenners,
selbst abgesehen von den zahlreichen Schwächungen, welche die
Strahlen in Folge der Versuchsanordnung erleiden, eine sehr ge-
ringe wird.
Das benutzte Fluoritprisma ist das gleiche, welches in der Arbeit
von Rugens und Snow” bezüglich seiner Dispersion untersucht wurde
und dessen Bereehnungsindices daher bis zu einer Wellenlänge A = 8u
bekannt sind. Die folgende Tabelle enthält die zu einer Reihe von
Minimalablenkungen & gehörigen Wellenlängen A, bei welcher die
meisten Versuche der vorliegenden Arbeit ausgeführt sind. Die Werthe
der Ablenkungen sind aus den Zahlen von Rusens und Snow durch
Interpolation erhalten. Dabei ist die Ablenkung für die D-Linie =o
gesetzt.‘ Die Minimumstellung des Prismas wurde durch eine auto-
matische Vorrichtung bewirkt. >
' Die Beschreibung dieses von uns construirten Galvanometers soll demnächst
in einer gesonderten Abhandlung folgen.
2 H. Rusens und B. W. Snow. Über die Brechung der Strahlen von grosser
Wellenlänge in Steinsalz, Sylvin und Fluorit. Wırv. Ann. XLVI, S. 529, 1892.
° Die Minimalablenkung für die D-Linie betrug 31° 36’, so dass sich der ab-
solute Betrag der. Ablenkung irgend eines Strahls von der Wellenlänge A= $#, — $,
= 31° 36’ — db, ergiebt. 5
”r
ww
H. ou Boıs u. Rugens: Über Polarisation ultrarother Strahlen. 113
Tabelle 1.
0.67 u O8 1.75 u 0° 44 3.00 u | 1.10%
0.80 » 16 2.00 » 50 3:50 3) 30
1.00» | 25 2.25 » 56 4.00» | 46
125» | 31 2.50 » I 02 Au5oRe 024 2
1.50 » 38 2.75 » 0) 5.00 » 932 19
Bei unseren Untersuchungen standen uns ausser dem Silberdraht-
gitter, welches zu den optischen Versuchen des einen von uns a. a. O. ge-
dient hatte, zwei weitere Gitter zur Verfügung, von denen eines aus Gold-
das andere aus Platindraht gefertigt war. Da auch die beiden neuen
Gitter in der gleichen Weise hergestellt waren wie das Silbergitter,
nämlich durch bifilares Aufwickeln zweier gleich starker Drähte aufeinen
doppelten Metallrahmen und nachheriges Abwickeln des einen von beiden,
so ist ihre »Gitterconstante« gleich der doppelten Dicke des betreffenden
Drahts, oder die freie Öffnung zwischen zwei benachbarten Drähten
gleich der Drahtdicke. Der Durchmesser des Golddrahts betrug
d= 0""028, derjenige des Platindrahts d = 0""o24. Die Herstellung
der Gitter aus so feinen Drähten ist mit grossen Schwierigkeiten
verknüpft und ist nur durch die ausserordentliche Geschicklichkeit des
hiesigen Institutsmechanikers Hrn. E. Nönpen möglich geworden.
Selbst wenn man jedoch von den Schwierigkeiten bei der An-
fertigung der Gitter absieht, scheint es uns kaum durchführbar,
wesentlich feinere Drähte in Anwendung zu bringen, da die Her-
stellung direct gezogener Drähte in so langen Stücken wie sie zu den
Gittern verwendet werden (50 bis 100”) mit der Kleinheit des Quer-
schnitts rasch an Schwierigkeit zunimmt und wir die Benutzung von
Wollastondraht wegen seiner schlechten Oberflächenbeschaffenheit nicht
ohne Weiteres für zulässig halten.
Bevor wir zur Ausführung der definitiven Versuche schritten,
haben wir uns durch einige Controlmessungen davon überzeugt, dass
unsere Apparate gut funetionirten und unsere Methode einwurfsfreie
Resultate lieferte.
Zunächst wurde mit Hülfe eines zwischen Q und /, eingeschalteten
Nicols das von dem Glasplattensatz / retleetirte Licht auf seinen Polari-
sationszustand geprüft. Es wurde zu diesem Zweck das Bolometer auf
verschiedene Wellenlängen des ultrarothen Speetrums eingestellt und
bei einer Reihe von Azimuthstellungen des Nicols, welches mit einem
Theilkreis versehen war, Ausschläge gemessen. Es zeigte sich, dass
die von P reflectirten Strahlen nahezu vollständig in der Horizontal-
ebene linear polarisirt waren, denn es gelang, durch Drehen des
Nicols die Galvanometerausschläge bis auf ungefähr '/, Procent ihres
1134 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 22. December.
maximalen Werths zum Verschwinden zu bringen und dies wurde
erreicht, wenn der Hauptschnitt des analysirenden Nicols vertical war.
Es wurde ferner durch besondere Versuche festgestellt, dass durch
Drehung des Tubus Q, wenn sich kein Gitter auf demselben befand
eine Ausschlagsänderung am Galvanometer nicht bewirkt wurde, ein
Beweis für die ausreichende Centrirung des Apparats.
Wir haben drittens den Glasplattensatz P durch eine vorderseitig
versilberte Glasplatte ersetzt, so dass das refleetirte Licht, welches
wiederum durch ein zwischen Q und /, eingeschaltetes Nicol in der
beschriebenen Weise analysirt wurde, sich als nahezu unpolarisirt
erwies. Befand sich nun auf dem Tubus Q eines der Gitter, so
konnte bei Drehung desselben keine merkliche Ausschlagsänderung
wahrgenommen werden, während bei Anwendung linear polarisirten
Liehts, wie es von dem Glasplattensatz P retleetirt wird, unter sonst
gleichen Umständen die bei einer Gitterdrehung um 90° sich er-
gebenden Differenzen mehr als 20 Procent des gesammten Ausschlags
betragen. Wir schliessen aus diesem Versuch, dass die von uns be-
obachteten Änderungen der Strahlungsintensität lediglich durch Ein-
wirkung der Drahtgitter auf die polarisirten Wärmestrahlen hervor-
gebracht werden.
Schliesslich möchten wir noch erwähnen, dass wir für einige
Punkte im sichtbaren Spectralgebiet die Grösse ee d. i. das Verhältniss
der durchgelassenen Energiemengen, wenn die Gitterdrähte parallel
bez. senkrecht zur Polarisationsrichtung stehen, sowohl nach unsrer
holometrischen Methode als auch auf optischem Wege ermittelt und
zwischen beiden Versuchsergebnissen befriedigende Übereinstimmung
gefunden haben.
Bei den ersten quantitativen Versuchen, welche wir mit Hülfe
der oben beschriebenen Versuchsanordnung ausführten, wurde das
Bolometer auf eine bestimmte Stelle des Speetrums eingestellt, der
Tubus FF’ so gedreht, dass die Gitterdrähte horizontal, d. h. der
Polarisationsriehtung parallel waren, und nun durch Aufziehen eines
in den Strahlengang eingeschalteten mit Schnurlauf versehenen Fall-
bretts den Strahlen der Zutritt zu dem Belichtungswiderstand gestattet.
Der hierbei entstehende Galvanometerausschlag wurde notirt, das Fall-
brett niedergelassen, das Gitter um 90° gedreht und so mehrere Male
hinter einander in sämmtlichen 4 Quadrantenstellungen des Gitters
die hindurchgegangene Energie beobachtet. Dann wurde aus den
verschiedenen Beobachtungen bei der gleichen Gitterstellung das Mittel
B}
genommen und schliesslich der Quotient RT gebildet. Wir gewannen
H. pu Bois u. Rurens: Über Polarisation ultrarother Strahlen. 1135
jedoch bald die Überzeugung, dass wir schneller und sicherer zum
Ziele gelangten, wenn wir nur am Anfang und Schluss einer jeden
Versuchsreihe durch Messung einiger Ausschläge die Grösse P fest-
stellten und uns im Übrigen darauf beschränkten, nur die bei einer
Drehung des Gitters um 90° erfolgenden Ausschlagsänderungen
möglichst genau zu bestimmen. Da diese Differenzen meist beträchtlich
kleiner sind als die Ausschläge selbst, ist an der genauen Messung
der ersteren mehr gelegen als an der Bestimmung der Gesammt-
ausschläge. Es braucht kaum hinzugefügt zu werden, dass auch hier
stets in allen 4 Quadrantenstellungen des Gitters beobachtet wurde.
Jedes der drei Gitter wurde nieht nur bei normaler Stellung der Gitter-
ebene gegen die Strahlrichtung, sondern auch bei einer Neigung um
45° vollständig untersucht. In diesem letzteren Falle erscheint die
Entfernung zwischen zwei benachbarten Gitterdrähten im Verhältniss
Y2-1ı):
In der nachfolgenden Tabelle II geben wir die Resultate der an
ı vermindert.
Die für erhaltenen
&
4 -
den drei Gittern angestellten Beobachtungen.
Zahlen werden im Allgemeinen einen Fehler von 2 Procent nicht über-
schreiten und in denjenigen Speetralgebieten, in welehen die Energie
sehr gross ist, erheblich genauer sein. Die mit einem Sternehen (‘)
versehenen Werthe sind nach der von dem einen von uns früher an-
gegebenen Methode im hiesigen Institut optisch beobachtet worden.
Tabelle I.
Silber
Gold
Platin
Wellenlänge | Drahtst. = 0""048 | Drahtst. — 0""028 | Drahtst. = o""024
% B=0° | P=45° | E=0° | P=45° | P=o° | P=45°
PIS P/S P/S P/S Pisa. IS
(F) 0.49 u 0.981” 0.956* 0.980* 0.967* 0.964" 0.880"
(Li«) 0.67 » 0.968* 0.913* 0.970* 0.932” 0.936* 0.830*
0.80 u 0.90 0.85 0.93 0.85 0.93 0.84
1.00 » 0.90 0.81 0.91 | 0.76 0.95 0.86
125 0.93 — 9:91.4410076 = 0.90
1.50 » 0.96 0.88 0.92 | 0.78 BOZEN L0:93
2.00 » 0.99 0.99 0.95 | 0.89 1.01 1.02
2.50 Frog Ton} 0.08 0.94 1.03% © 11 21.09
3.00 » 1.04 1.09 FI = KO,
3.50 » — 1.16 1.05 1.10 L-1O.2, WEERAO
4.00 1.10 = 1.08 _ 1.14 | 1.60
4.50 » = 1.22 — — 1.20 1.80
5.00 » 403 1.25 1.12 = 1.24 | —
In den Figuren 3, 4 und 5 ist der Inhalt der Tabelle II graphisch
dargestellt und zwar ist das Verhältniss als Funetion der Wellen-
Sl
1136 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 22. December.
° Bu
1,2 Fig. &, BE
Silberdrahtgitter Po,
Drahtstärke - 0048 mm. Z :
4,1
p
5 sichtbar
10 EN _
0,9
0,8
Fig. A.
a Golddrahtgitter
Drahtstärke - 0,028 mm
P
S sichtbar
40 PORDE
404 2,0
a 0
& & ? oO >
0,9 \ 2 \
\ %
\ /
® /
\ /
0,8 \ 2
! \ /
\ Ir
as E04
1,8
4,7
23 Fig.5.
154 Platindrahtgitter
‚‚ı Drahtstärke -0,024.mm
13 YA
%% 0°
12 Be I) pP
A -
ıtp =
h o
5 sichtbar Bi ;
10 ZU „ee
5 a 4,0% 97720 3,0 40 50 e
Nase ze
09 a. Kr
0,8 5
Yu
H. ou Boıs u. Rusess: Über Polarisation ultrarother Strahlen. 1137
länge A aufgetragen. Es ist zunächst zu erkennen, dass für jedes
einzelne Gitter die Beobachtungen bei senkrechter und schiefer Lage
gegen die Strahlenriehtung qualitativ genau die gleichen Resultate
liefern. Nur die Grösse der Wirkung ist bei den schief gestellten
Gittern, der kleineren scheinbaren Breite der Gitteröffnungen ent-
sprechend, eine stärkere. Die Abseissen der charakteristischen Curven-
punkte sind in beiden Fällen innerhalb der Grenzen der Versuchsfehler
identisch. |
Ferner lehren uns die Gurven der Figuren 3 bis 5, dass für alle
drei Gitter die Grösse g im Ultrarothen ein Minimum erreicht, dann
mit wachsender Wellenlänge ununterbrochen zunimmt, so dass die
Curve 3 — (A) diesßerade - — 1 sehneidet.
LS
Drittens tritt in den Gurven das individuelle Verhalten der ver-
schiedenen Metalle deutlich hervor.' Die Lage der charakteristischen
Punkte ist für diese sehr merklich verschieden, wie aus der folgenden
kleinen Tabelle hervorgeht.
Tabelle I.
Abseisse des
Abseisse des
Metall I | 2
Minimums |\Punktes R —ı
Silben... 0.9 u 2.1 u
Golden... 1.2 » 2.8»
Blatine 2. 0.7 » | 1.9 »
Dennoch zeigen sämmtliche Curven denselben typischen Verlauf, d.h.
zunächst abnehmende, dann aber beständig wachsende Werthe von 7%
KL
In der schon mehrfach erwähnten optischen Untersuchung des
einen von uns über äolotrope Gebilde ist bereits auf die Analogie
der am Silbergitter beobachteten Polarisationswirkung mit den Gitter-
versuchen des Hrn. Hertz hingewiesen worden. Es wurde jedoch
darauf aufmerksam gemacht, dass nach dem heutigen Stande der
elektromagnetischen Liehttheorie die elektrischen Schwingungen als
zur Polarisationsebene senkrecht angenommen werden müssen,” und
! Dass die polarisirende Wirkung des Gitters qualitativ nicht nur von der schein-
baren, sondern auch von der thatsächlichen Breite der Gitteröffnungen unabhängig ist,
haben uns vorläufige Versuche mit einem aus stärkerem Draht angefertigten Platingitter
gelehrt. Zwar waren die Wirkungen beträchtlich geringer, jedoch ergab sich die Lage
P
des Minimum sowie des Punktes a als innerhalb der Beobachtungsfehler mit
[>
den in Tabelle III angegebenen Werthen identisch.
2 Vergl. Trourox, Phil. Mag. (5) 32. S. 80. 1891 und Krementic Wien, Ann. 45,
S. 62. 1892.
‘ 1. . . . 95
1138 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 22. December.
dass daher die Analogie der beobachteten optischen Erscheinung mit
der Wirkung der Herrz’schen Gitter auf elektromagnetische Wellen
in einer Hauptsache, d. h. im Sinne der Polarisation versagte.
Durch die vorliegenden Versuche wird nun dieser scheinbare
Widerspruch in der einfachsten Weise beseitigt, da sich bei den drei
untersuchten Metallen der Sinn der Polarisation im Ultrarothen um-
kehrt. Freilich ist es auch diesmal nieht möglich gewesen, in Be-
ziehung auf die Wellenlänge und die Abstände der Gitterdrähte zu
räumlichen Verhältnissen zu gelangen, wie sie den Herrz’schen Ver-
suchen zu Grunde liegen. Immerhin aber war es bei einzelnen Ver-
suchen möglich, die Wellenlänge so gross und die Gitteröffnungen so
schmal zu nehmen, dass beide Grössen derselben Ordnung angehörten.
Dann ist, wie aus dem vorgelegten Beobachtungsmaterial hervorgeht,
die Wirkung stets sehr beträchtlich und in dem von Hrn. Herrz be-
obachteten Sinn.
In der Ausdrucksweise der elektromagnetischen Liehttheorie lassen
sich die Versuchsergebnisse, welche in Tab. II bez. in den Fig. 3 bis 5
niedergelegt sind, auch folgendermaassen formuliren: »So lange die
» Wellenlänge einen bestimmten, für das betreffende Metall charakteri-
»stischen, Betrag nicht überschreitet, wird ein grösserer Bruchtheil
»der auffallenden Strahlung hindurch gelassen, wenn die Richtung
».er elektrischen Schwingung mit der Drahtrichtung zusammenfällt;
»für grössere Werthe der Wellenlänge ist dagegen die Durchlässig-
»keit des Gitters eine grössere, wenn die magnetischen Schwingungen
»in der Drahtriehtung erfolgen. «
! Bei dem unter 45° zur Strahlenrichtung geneigten Platingitter ist die schein-
are ite der Gitteröffnungen = 0.024 » 0.41 = 098, währen ie grösste
bare Breite der Gitteröffnung 0.024 » 0.41 ommo098, während die grösste
Wellenlänge, bei welcher noch beobachtet wurde, A — ommo045 beträgt Die
Grösse ergiebt sich hierbei = 1.80.
1159
Der Wärmeaustausch an der Erdoberfläche und
in der Atmosphaere.
Von WILHELM von BeEZoLD.
(Vorgetragen am 28. Mai 1891 [s. S. 467].)
Erste Mittheilung.
Einleitung. — Allgemeine Sätze. —- Der Wärmeaustausch
im Erdboden.
Seit ALEXANDER Von Hunsorpr ist die » Wärmevertheilung an der Erd-
oberfläche« oder richtiger gesprochen »die Temperaturvertheilung in
der untersten Luftschicht« zum Gegenstande vielfacher und eingehender
Untersuchungen gemacht worden.
Insbesondere waren es DovEe, Wırp und Hann, welche das von
HunsoLpr nur in wenigen Zügen flüchtig entworfene Bild mehr und
mehr vervollständigten, und für einen grossen Theil der Erdoberfläche
bis in’s Einzelne ausarbeiteten.
Hiedurch hat man wenigstens im Allgemeinen die Einflüsse kennen
gelernt, welche neben der vor Allem in Betracht kommenden Be-
strahlung durch die Sonne die Wärmevertheilung bedingen, und so
den Linien gleicher Temperatur eben jene Gestalt verleihen. wie man
sie in den von den genannten Forschern entworfenen Karten vor
sich sieht.
Hiebei beschränkte man sich jedoch im Allgemeinen auf rein
qualitative Betrachtungen. Man begnügte sich damit, den Einfluss
der Vertheilung von Festland und Wasser, sowie von Luft- und Meeres-
strömungen dem Sinne nach anzugeben, Versuche diese Einflüsse nach
Maass und Zahl zu bestimmen, oder gar den gesammten Wärmehaus-
halt in der Atmosphaere und an der Erdoberfläche im Zusammenhang
zu betrachten, sind bisher nur im bescheidensten Umfange gemacht
worden.
Zu nennen ist in dieser Hinsicht vor Allem ein Abschnitt aus
S. Hausnton’s Physical Geography.' Ferner gehören hieher in gewissem
! Samver. Hausnron. Six lectures on physical Geography. Dublm and London 1380.
1140 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22.Dee. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
Sinne die Arbeiten von Zenker.' Auch bei WosEıkorr” begegnet man
Bestrebungen nach ähnlicher Richtung und das Gleiche gilt von einer
kürzlich erschienenen hochinteressanten Abhandlung von W. TRABERT."
Nur einer Seite dieser Aufgabe hat man bisher die Aufmerksam-
keit in erhöhtem Maasse zugewendet, nämlich der Lehre von der Be-
strahlung der Erde durch die Sonne und von der Ausstrahlung nach
dem Weltraum, ein Capitel. über welches bekanntlich eine reiche Litte-
ratur vorhanden ist.
Aber wenn man auch zugeben muss, dass exacte Bestimmung
dieser beiden Elemente mit die wichtigsten Punkte der ganzen Frage
sind, so darf man doch anderseits nicht vergessen, dass sich gerade
hier die allergrössten Schwierigkeiten entgegenstellen, sowie man sich
nicht auf rein theoretische Betrachtungen beschränken will, wie dies
J. H. LAnßert, Mreon und WIENER gethan haben.
Wie bedeutend die Schwierigkeiten sind, und wie gross dem-
entsprechend die Unsicherheit ist, welehe trotz alles aufgewendeten
Seharfsinnes auf diesem Gebiete noch immer besteht. dies hat Hr.
OÖ. Cuworson’ erst kürzlich vortrefflich klar gelegt.
Dass der Grad der Genauigkeit, den man bei Bestimmung der
Intensität der Sonnenstrahlung bisher erreicht hat. zur Zeit noch ein
recht mässiger ist, geht übrigens schon aus dem einfachen Umstande
hervor, dass sich der Einfluss von Sonnennähe und Sonnenferne bis
jetzt in den Messungen noch nicht zu erkennen giebt, obwohl er doch
!/; des Gesammtbetrages ausmachen muss.
Angesichts der Schwierigkeiten, welche schon die Lösung dieser
scheinbar einfacheren Fragen bietet, und im Hinblick auf die Un-
sicherheit, welehe noch hinsichtlich der wichtigsten Constante besteht,
mag es freilich verwegen erscheinen. die Untersuchung auf die un-
gleich verwickelteren Vorgänge ausdehnen zu wollen, ‚welche die von
der Sonne gelieferten Wärmemengen von ihrem Eintritt in die Atmo-
sphaere bis zu ihrem Wiederaustritt nach dem Weltraum zu durch-
laufen haben.
Und dennoch muss dieses Wagestück einmal unternommen werden.
Es muss versucht werden, wenigstens annäherungsweise zu bestimmen.
welcher Bruchtheil der Wärmemenge, die an irgend einer Stelle der
Erdoberfläche oder der Atmosphaere in gegebener Zeit zum Austausch
! Die Vertheilung der Wärme an der Erdoberfläche. Berlin 1880. Ferner in
Hann u. Herımann Met. Ztschft. f. 1892. S. 336— 344 u. S. 380 — 394.
2 Die Klimate der Erde. ‚Jena 1887.
3 Der tägl. Gang d. Temp. u. d. Sonnenscheins auf d. Sonnblickgipfel. Denkschrftn.
d. Wien. Akad. math. Cl. Bd. LIX. 1892.
! Über den gegenwärtig. Zustand d. Actinometrie. Wırp. Rep. XV. Nr. ı. 1892.
von BezorLn: Wärmeanstausch. 1141
kommt, durch direete Einstrahlung geliefert, und durch direete Aus-
strahlung entzogen wird, wie viel durch einfache oder zusammen-
gesetzte Convection gebracht und weggeführt wird, wie viel zur Ver-
dunstung des Wassers oder zum Schmelzen des Eises dient. wie viel
in dem Erdboden aufgespeichert wird, um später wieder abgegeben
zu werden u.s. w. Wenn es gelingt, diese Fragen, sei es auch nur mit
grober Annäherung, ja nur der Grössenordnung nach, zu beantworten,
so ist dies schon als ein grosser Gewinn zu verzeichnen.
Treten doch dann erst die vielen Einzelfragen hervor, aus denen
sich die Gesammtaufgabe zusammensetzt, und werden doch nur so
die Gesichtspunkte gewonnen, die man schon bei der Sammlung des
Beobachtungsmaterials festhalten muss, wenn es überhaupt jemals
gelingen soll, das Endziel im vollkommenerer Weise zu erreichen.
Diese und später folgende Abhandlungen sollen einen Versuch
in diesem Sinne enthalten.
Hiebei will ich nach einigen einleitenden Betrachtungen zunächst
eine Anzahl ganz allgemeiner Sätze aufstellen, und dann erst die ein-
zelnen Capitel zur Bearbeitung bringen.
Hinsichtlich der Ordnung, in welcher diese Einzeluntersuchungen
auf einander folgen, werde ich mich an keine vorausbestimmte Reihen-
folge binden, ich werde dies vielmehr einzig und allein davon ab-
hängen lassen, wie es mir gerade gelingt, die einzelnen hieher ge-
hörigen Fragen zu einem gewissen Abschluss zu bringen.
Dabei will ich mich bei Aufstellung der allgemeinen Sätze der
grössten Strenge befleissen, während ich mich bei Behandlung der
Einzelfragen vielfach mit ersten Annäherungen begnügen werde, da
ich es nicht für richtig halte, mit fünf Deeimalen zu rechnen, wo man
kaum die Ganzen verbürgen kann. oder kunstvoll gebaute Formeln
zu entwickeln auf einem Gebiete, auf dem man erst über die Grund-
lagen Klarheit zu schaffen hat.
Bevor ich jedoch der eigentlichen Aufgabe wirklich näher trete,
scheint es mir zweckmässig, einmal einen flüchtigen Streifzug durch
das ganze Gebiet zu unternehmen, und zu versuchen. an der Hand
der wichtigsten bekannten Constanten wenigstens ein oberflächliches
Bild davon zu gewinnen, mit welchem Gewichte die später genauer
zu betrachtenden Vorgänge in die Rechnung eintreten, da man nur
dadurch erfahren kann, welche Punkte man in erster Linie zu be-
rücksichtigen hat, und was man vernachlässigen darf, so lange man
doch noch keinen hohen Grad der Genauigkeit erreichen kann.
Zu einem solehen Überblick gelangt man am leichtesten indem
man die Wärmemengen aufsucht, welche erforderlich sind, um gewisse
Wirkungen an der Erdoberfläche hervor zu bringen, und wenn man
1142 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22. Dec. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
sie in Vergleich setzt mit jenen Mengen, die im Stande sind eine
Eisschicht von bestimmter Mächtigkeit zu schmelzen oder eine Wasser-
schicht von bestimmter Höhe zur Verdunstung zu bringen, ein Mittel
der Versinnlichung, das übrigens schon öfter, insbesondere auch von
Havsnron, angewendet worden ist.
Hiebei wähle ich als Wärmeeinheit immer die grosse, oder
Kilogrammealorie, als Längeneinheit, sofern nicht ausdrücklich eine
andere angegeben ist, das Meter, als Zeiteinheit die Minute.
Dies vorausgesetzt, findet man als Zahl der erforderlichen Wärme-
einheiten:
zur Erwärmung von ı°®" Wasser um ı° .. 1000
zur Erwärmung von ı°”" Erdreich' um ı° . 300—-600
zur Verdunstung einer Schicht Wasser” von
ı"””® Höhe pro Quadratmeter Grundfläche . 600
zum Schmelzen einer Schicht Eis von ı"" Höhe
pro Quadratmeter ATI 76
zur Erwärmung der über 1°" Grundfläche
lastenden Luttsäule umrew.ulin Le. 2454
zur Erwärmung von ı°°" Luft von 0° bei
constantem Druck von 760”" um 1°... 0.307.
So elementar diese Zusammenstellung ist, so giebt sie doch schon
werthvolle Fingerzeige. Zunächst sieht man, dass der Unterschied in
der Wärmecapaeität von Wasser und festem Erdreich, den man nicht
selten als einen Haupterklärungsgrund für die Verschiedenheit von
Land- und Seeklima angeführt hat, sich wesentlich vermindert, wenn
man nicht gleiche Massen, sondern was hier weit richtiger ist, gleiche
Volumina mit einander vergleicht. d. h. wenn man die Volumencapa-
eitäten betrachtet statt der Gewichtscapaeitäten. Vor Allem aber zeigt
sie, weleh’ ganz enorme Rolle im Wärmehaushalt der Natur der Ver-
dunstung zufällt, und wie sie es ist, welche neben der Beweglichkeit
des Wassers bei der eben berührten Frage in erster Linie in Betracht
kommt. ein Umstand, den übrigens schon Dove in seiner Abhandlung
über Linien gleicher Monatswärme' betont hat, während man später
trotzdem noch manehmal den Unterschied der Wärmecapaeitäten über
Gebühr hervorgehoben findet.
ıS.S. 1177 dieser Abhandlung.
2 Bei der Verdampfung des Wassers an der Erdoberfläche kommen vorzugs-
weise Temperaturen zwischen 0° und 30° in Betracht. Für diese Temperaturen liegt
die Verdampfungswärme nach Resnaurr zwischen 606.5 und 585.6 und kann deshalb
rund 600 gesetzt werden.
3 Unter der Voraussetzung, dass der Druck am Erdboden 760Wm betrage.
* Abhandlgn. d. Berl. Akad. 1848, S. 219.
von BezorLp: Wärmeaustausch. 1143
Noch mehr fällt dieser gewaltige Einfluss der Verdunstung in die
Augen, wenn man sich an der Hand der mitgetheilten Zahlen klar
macht, dass zur Verdunstung von ı"" Niederschlag ebensoviel Wärme
erforderlich ist, als zur Schmelzung einer rund achtmal diekeren Eis-
schieht und dass diese Wärmemenge hinreicht, um den Erdboden auf
ı bis 2” Tiefe um ı° zu erwärmen oder die gesammte auf der gleichen
Grundtläche lastende Luftsäule bis zur Grenze der Atmosphaere um '/,”.
Im Anschluss an diese Betrachtung ist es auch unschwer, sich
eine Vorstellung davon zu bilden, mit welchem Betrage die gesammte
in der Atmosphaere vorhandene actuelle Energie, wie man sie in der
translatorischen Bewegung, d. h. im Winde vor sich hat, im äussersten
Falle bei diesen Untersuchungen in Betracht kommen kann:
Angenommen ein Kilogramm Luft bewege sich mit der Ge-
>
Pr
schwindigkeit v, so entspricht dies der Energie — = gh, wo gh die
= D)
e
dieser Energie entsprechende Arbeitsleistung ist. Denkt man sich
- IR . 2 2 l { ; ;
diese Arbeit in Wärme verwandelt, so giebt dies —— Üalorien, eine
424
Wärmemenge, die hinreicht, um ein Kilogramm Luft bei eonstantem
h { h x
oe d.i. um rund —— Grade zu erwärmen.
424 0.2375 100
Diese Zahl giebt demnach die Temperaturerhöhung an. welche die
Luft erfahren würde, wenn man sie plötzlich zum Stillstand bringen
und ihr dabei gestatten würde, sich auszudehnen bis Gleichgewicht
Druck um
erreicht ist.
Hätte man für » der Reihe nach die Werthe 10, 20, 30" gehabt,
so würde dies Erwärmungen um rund o0°o5, 0°2 und 0°45 ent-
sprechen.
Nun ist es aber wohl schon zu hoch gegriffen, wenn man als
mittlere Windgeschwindigkeit der ganzen Atmosphaere 20" annehmen
wollte — für die unterste Luftschicht wäre 10” schon zu hoch —
und doch würde dann erst bei plötzlicher Verwandlung der trans-
latorischen Bewegung der ganzen Atmosphaere in Wärme eine 'Tem-
peraturerhöhung der gesammten Luftmasse um o?2 eintreten.
Diese Temperaturerhöhung entspricht aber nur einer Wärme-
menge, die noch nicht einmal hinreicht, um eine Wasserschicht von
ı”" Höhe zur Verdunstung zu bringen. Die potentielle Energie, wie
man sie in Form von Differenzen des Luftdruckes bez. in gehobenen
Flächen gleichen Druckes vor sich hat, ist selbstverständlich von der
gleichen Ordnung, wie die aus ihrer Umwandlung entstehende actuelle
Energie translatorischer Bewegung und so sieht man, dass die Mengen,
welche in diesen Formen von Energie vorhanden sind, sehr klein
Sitzungsberichte 1892. 103
1144 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22. Dee. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
sind gegen jene, welche bei der Änderung des Aggregatzustandes des
Wassers, insbesondere bei der Verdunstung und Condensation, zum
Austausch kommen.
Der Gehalt an Wasserdampf muss dementsprechend auch bei Be-
stimmung der totalen Energie eines Stückes der Atmosphaere in erster
Linie mit berücksichtigt werden.
Um den hier angestellten Schätzungen ihren vollen Werth zu
verleihen, ist es jedoch nothwendig, den Wärmeaufwand zu den eben
aufgezählten Zwecken noch mit den Wärmemengen zu vergleichen,
welche innerhalb gegebener Zeit von der Sonne geliefert werden.
Leider befindet man sich hiebei in recht schwieriger Lage, da
die Solareonstante, d. i. die Zahl der Grammcalorien, welche ı
Oberfläche an der Grenze der Atmosphaere bei senkrecht auffallenden
Strahlen in ı Minute von der Sonne erhält, noch nicht mit Sicher-
heit bestimmt ist.
Die Werthe, welche man für diese Constante, die ich mit s be-
zeichnen will, erhalten hat, schwanken nämlich zwischen den Grenzen
1.763 und 4.0.' Da jedoch die Mehrzahl derselben zwischen 2 und
3 liegen, so will ich, um wenigstens eine gewisse Vorstellung zu ge-
winnen, hier den Werth s = 2.5 benutzen, oder wenn man Quadrat-
meter und Kilogramm zu Grunde legt und die so erhaltene Constante
durch S bezeichnet, S = 25.
Unter dieser Voraussetzung erhält die ganze Erde in der Minute
25 zr” Wärmeeinheiten, wenn man unter r den Halbmesser der Erde
mit Einschluss der Atmosphaere versteht. Diese Wärmemenge ver-
theilt sich auf die von der Sonne beleuchtete Halbkugel, d. h. auf
eine Fläche von der Ausdehnung 2rr’, und liefert demnach die Sonne
jedem Quadratmeter der gerade von ihr beschienenen Erdhälfte im
Durehsehnitt 12.5 Calorien in der Minute, oder da die mittlere 'Tages-
länge — immer abgesehen von der Excentrieität der Erdbahn — für
alle Punkte der Erde ı2 Stunden beträgt, 12.5xX60%X 12 Üalorien
im Tage.
Diese Wärmemenge wäre im Stande eine Eisschicht von ı 184
zu schmelzen oder eine Wasserschicht von 15"” zur Verdunstung zu
bringen, was auf das Jahr berechnet einer Wasserhöhe von rund
550°" oder einer Eisschicht von 43" entspricht.
Fügt man vorgreifend (s. S. 1177) hinzu, dass die im Erdboden
während eines Jahres ausgetauschten Wärmemengen im äussersten Falle
eine Wasserschicht von 40”" zur Verdunstung bringen können, und
drückt man überhaupt die hier in Betracht kommenden stets auf die
I S.o. Cuwouson a. a. 0. S.10—14.
er / =
von BzzoLp: Wärmeaustausch. 1145
ganze Erdoberfläche bezüglichen Grössen durch die Höhe einer hie-
dureh verdampften Wasserschicht oder einer geschmolzenen Eisschicht
aus, so erhält man die nachstehende Tabelle:
Es entspricht Verdunstung Schmelzung
em em
Ber Ssonnenstrählung im. Tag; .. 2... .2...2.. L.5 12.0
» » De EDER Ar Ra 4 75350:0% , 43250
dem jährlichen Wärmeaustausch im Erdboden... < 4.0 31.0
der Erwärmung der Atmosphaere um ı°....... 0.4 322
der kinetischen Energie der Atmosphaere ...... =,0.08 0.6
Vergleicht man die hier als Aequivalenzwerth der gesammten
Sonnenstrahlung angegebene Verdunstungshöhe mit den beobachteten
Niederschlagshöhen, so kommt man zu dem Schlusse, dass entweder
selbst der Werth s = 2.5 noch viel zu hoch ist, oder dass von der
gesammten auf die Grenzfläche der Atmosphaere fallenden Strahlen-
menge nur ein viel kleinerer Theil in die unteren Schichten gelangt,
als man nach den an ganz heiteren Tagen angestellten Messungen
über die Absorption in der Atmosphaere vielleicht erwarten möchte.'
Diesen Bruchtheil könnte man recht gut schätzen, wenn die
mittlere Niederschlagshöhe der. ganzen Erde bekannt wäre, da nach
dem eben Gesagten gerade die Wiederverdunstung der gefallenen
Niederschläge die Hauptarbeit darstellt, welche die Sonnenwärme zu
leisten hat.
Leider ist man aber nicht im Stande über diese Niederschlags-
höhe einigermaassen sichere Angaben zu machen, da für den grössten
Theil der Erdoberfläche nämlich für das Meer Niederschlagsmessungen
so gut wie gänzlich fehlen.
Wäre die mittlere Niederschlagshöhe 55°" und s = 2.5 so betrüge
die zur Verdunstung dieser Mengen erforderliche Wärme !/,o der ge-
sammten von der Sonne gelieferten und müsste man demnach an-
nehmen, dass die in die tieferen Schichten der Atmosphaere gelangenden
Wärmemengen nicht viel mehr als '/;o betrügen, wäre die mittlere
Niederschlagshöhe ı 10”, was wohl zu hoch sein dürfte, so müsste
man daraus schliessen, dass etwa !/, der gesammten Strahlung den
em
unteren Schichten zu gute käme.
Jedenfalls aber werden die wirklich zum Erdboden gelangenden
Wärmemengen einen viel kleineren Bruchtheil der Gesammtstrahlung
ausmachen, als die Messungen an vollkommen wolkenlosen Tagen er-
geben haben.
Es wird eben ein sehr erheblicher Bruchtheil der auffallenden
Strahlen von den Wolken absorbirt, und wohl ein noch viel grösserer
ı S. Ancor-PErnter in Hann u. Körren Zschft. f. 1886 S. 545.
103 *
1146 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22. Dec. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
an der oberen Begrenzungsfläche derselben retleetirt und so eine Menge
strahlender Energie gleich an der Schwelle zurückgewiesen.
»Es bedarf eines einzigen Blickes von einer Bergspitze auf das
»darunter. liegende von der Sonne bestrahlte Nebelmeer, um sich
»davon zu überzeugen, dass die dort auftretende diffuse Reflexion
»unvergleichlich stärker ist als die Reflexion an der Erdoberfläche
»oder von einem Wasserspiegel, und dass sie deshalb im Wärmehaus-
»halt der Erde eine höchst bedeutende Rolle spielen muss. «
Wie stark diese Reflexion ist, auf die ich übrigens schon häufig
hingewiesen habe, die aber sonst noch wenig Beachtung gefunden zu
haben scheint, geht auch aus Beobachtungen im Luftballon hervor,
welche Hr. Assmann demnächst veröffentlichen wird.
Es wäre sehr wichtig, Methoden auszudenken, welche in den
Stand setzen, die Rückstrahlung von der Oberfläche der Erde und
der Wolken wenigstens annäherungsweise zu messen. Doch dies sind
Fragen, die später ausführlich zu erörtern sind.
Hier handelte es sich nur darum, einmal einen flüchtigen Über-
blick zu gewinnen über die wichtigsten hier in Betracht kommenden
Grössen.
Dieser Zweck dürfte erreicht sein, und so will ich nun der Sache
selber näher treten.
Bevor ich jedoch daran gehe, die einzelnen Aufgaben, welche
sich hier darbieten, eingehend zu behandeln, will ich eine Reihe all-
gemeiner Sätze aufstellen, welche für alles Folgende als Faden und
Führer dienen sollen.
Diese Sätze sind so einfacher Natur, dass sie beinahe als selbst-
verständlich gelten können und sich leicht in Worten ausdrücken lassen.
Ich will sie jedoch auch in Formeln bringen, obwohl die letzteren
viel verwickelter ausfallen als man es nach dem einfachen Wortlaute
der Sätze erwarten sollte.
Trotzdem halte ich es für zweckmässig, ihnen auch ein solches
Gewand zu verleihen.
Man gewinnt nämlich dadurch nicht nur an Strenge des Aus-
druckes und schliesst somit jedes Missverständniss aus, sondern man
kann aus den Formeln auch eine Menge von Einzelheiten herauslesen,
die man sonst übersehen würde.
Allgemeine Sätze.
Die nachstehenden Sätze beruhen sämmtlich auf der Annahme,
dass man den Wärmezustand der Erde als einen stationären oder
richtiger gesagt, als einen periodisch stationären ansehen dürfe.
“ (mi
von BezoLp: Wärmeaustausch. 1
Sie setzen demnach voraus, dass es für alle in Betracht kommenden
Grössen Mittelwerthe giebt, die innerhalb kleiner Fehlergrenzen immer
denselben Betrag aufweisen, soferne man sie nur aus einer hinreichend
langen Reihe von Beobachtungsjahren abgeleitet hat, ohne Rücksicht
darauf, wie gross die Zahl der Beobachtungsjahre an sich ist, noch
darauf, mit welchem Jahre die Reihe begonnen hat.
Sie stützen sich auf die gewiss berechtigte Annahme, dass die
Erde wenigstens innerhalb der Zeiträume, die unserer Beobachtung
zugänglich sind, weder merklich wärmer noch kälter geworden sei,
und dass auch der Wechsel der Jahreszeiten sich an jedem Punkte
der Erdoberfläche im Durchschnitt immer in der gleichen Weise ab-
spiele.
Alle im Folgenden - vorkommenden Grössen, mit Ausnahme der
Zeiten oder Dimensionen u. s. w. stellen demnach Mittelwerthe dar,
wie man sie aus Beobachtungsreihen erhalten würde, die lang genug
sind, um das Gesetz der grossen Zahlen auf sie anwenden zu dürfen,
und doch nicht so lang, um jene Änderungen berücksiehtigen zu
müssen, wie sie in geologischen Perioden vor sich gehen.
Den Gleichungen, welche im Nachstehenden aufgestellt werden,
wäre demnach streng genommen jederzeit noch eine Grösse + e bei-
zufügen, wobei sich e auf die Unsicherheit bezöge, welche den Mittel-
werthen ihrer Natur nach eigen ist: der Einfachheit wegen soll dies
Jedoch unterlassen werden.
Bevor ich jedoch daran gehe, die angekündigten Sätze wirklich
aufzustellen, sollen von Allem erst Bezeichnungen eingeführt werden,
und zwar seien:
t die Zeit in Minuten von Jahresanfang gerechnet,
T= 525949 die Dauer eines Jahres in Minuten,
qg’ die Wärmemenge, welche zur Zeit tin der Zeiteinheit durch
die Oberflächenheit an einer beliebigen Stelle der Erdober-
fläche oder der Atmosphaere eintritt, d. h. in dem einen
Sinne hindurchströmt, |
q” die Wärmemenge, welche durch das Element austritt, d.h.
im entgegengesetzten Sinne hindurchströmt,
q, und q, die Wärmemengen, die durch die Oberflächen-
I,2 1,2
- .
einheit in dem Zeitintervall Z, bis £, ein- bez. austreten,
oder abgekürzt g/ und g,, wenn der Zeitabschnitt ,, d.h.
von Z, bis £, kurzweg durch 7 bezeichnet wird,
q die zur Zeit an der Grenze der Atmosphaere in der Zeit-
einheit durch die Oberflächeneinheit eintretende Wärme-
menge,
1148 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22. Dec. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
qg, — g und Q die entsprechenden Mengen für das Zeitinter-
T
2
vall {,, und für das Jahr,
g; q, — g und Q die entsprechenden durch die Obertlächen-
T
I,2
einheit an der Grenze der Atmosphaere austretenden Wärme-
mengen,
q und q” die in der Zeiteinheit durch eine geschlossene Fläche
von endlicher Ausdehnung zur Zeit ? ein- und austretenden
Wärmemengen,
q und q die entsprechenden Werthe für die Grenze der Atmo-
sphaere, d.h. für eine die ganze Atmosphaere einschliessende
Kugeltläche,
4, 4, 4, 1% oder abgekürzt q/, q/, q,, q, die ent-
sprechenden Werthe für das Zeitintervall {, bis Z,,
& und ©” sowie Q und Q die entsprechenden Werthe für
das»ganze Jahr, d.h. ir „eu ='"T
> > > 9: as > Qu U. Ss. w. die entsprechenden Grössen
für bestimmte endliche Stücke a, b u. s. w. der oben ge-
nannten Fläche oder der Begrenzung der Atmosphaere für
die Zeiteinheit,
Qu. 9. u. s. w. die entsprechenden Grössen für das Zeitinter-
vall i
DO, und ©, O, und ©, die innerhalb eines ganzen Jahres dureh
ein Stück a der genannten Fläche bez. der Begrenzung der
Atmosphaere ein- und austretenden Wärmemengen,
u die in einem allseitig begrenzten Stücke der Erdoberfläche
oder der Atmosphaere zur Zeit ? enthaltene totale Energie,
u, die entsprechende Grösse zur Zeit it, u. s. w.,
r der Radius einer um den Erdmittelpunkt geschlagenen Kugel,
welche die ganze Atmosphaere umschliesst, also eine Grösse,
die den grössten Radius der Erde etwa um 100°" übertrifft,
ds das Flächenelement,
® die geographische Breite,
? die geographische Länge,
S die Solarconstante auf Quadratmeter, Kilogramm und Minute
bezogen.
Überblickt man diese Bezeichnungen noch einmal, so sieht man,
dass bei der Wahl derselben die folgenden Gesichtspunkte festgehalten
wurden:
Die auf die Oberflächeneinheit bezüglichen Grössen sind durch
lateinische, die auf ein grösseres Stück bez. auf die Begrenzung der
I,2?
ganzen Atmosphaere bezüglichen durch deutsche Buchstaben bezeichnet.
von Bezorp: Wärmeanustausch. 1149
Die auf die Zeiteinheit bezogenen Grössen sind dureh kleine Buch-
staben bezeichnet: handelt es sich um einen anderen Zeitraum, der
jedoeh nicht die Länge eines Jahres umfasst, so sind ebenfalls solche
Buchstaben benutzt, aber mit besonderem Index. Für alle auf ein
ganzes Jahr bezüglichen Grössen sind grosse Buchstaben gewählt.
Die Wärmemengen sind als absolute Grössen betrachtet, und zwar
werden alle zugeführten durch einen, alle entzogenen durch zwei
Striche markirt. Diese Striche sind wie die gewöhnlichen oberen
Indices rechts oberhalb der Buchstaben angebracht, wenn der Wärme-
austausch durch Flächen erfolgt, die innerhalb der Begrenzungstläche
der Atmosphaere liegen, über den Buchstaben aber und zwar in hori-
zontaler Riehtung, wenn der Austausch durch diese Begrenzung selbst
hiedureh stattfindet.
Dies vorausgeschickt lassen sich nun die nachstehenden Sätze
aufstellen :
I. »Die im Laufe eines Jahres der ganzen Erde durch Bestrahlung
»zugeführten und durch Ausstrahlung entzogenen Wärmemengen sind
»im Durchschnitt einander gleich. «
Wären nämlich diese Mengen einander nicht gleich, so müsste
entweder fortgesetzte Erwärmung oder fortgesetzte Abkühlung ein-
treten, was wenigstens innerhalb der genauerer Untersuchung zugäng-
lichen Zeiträumen nicht der Fall ist.
In Buchstaben übersetzt nimmt der Satz die einfache Form an
= N (1)
Hiebei ist nach den gegebenen Definitionen
= | Qds,
wobei das Integrale über die ganze Kugelfläche vom Radius r aus-
zudehnen ist, mithin
ar +
9 — r [dr |Q cos Bdß,
.—
D
—
o 212
oder da die Wärmemenge Q. welche der Flächeneinheit an einer
bestimmten Stelle der Grenzfläche der Atmosphaere im Laufe eines
Jahres durch Strahlung zukommt, nur eine Funetion der geographi-
schen Breite ist
I
ne or [Q cos Bdß. (3)
2
1150 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22.Dee. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
Überdies gilt, wie schon Langer nachgewiesen hat, für diese Function
Q = (6) die Gleichung
pP) = HP),
d. h. unter gleicher Breite gelegene Punkte der nördliehen und süd-
lichen Hemisphaere erhalten im Laufe eines Jahres die gleichen Wärme-
summen durch Strahlung.
Man kann demnach die Gleichung (2) auch in die Form bringen:
r
D = 4rr? |9(ß) eos Laß. (4)
o
Die Werthe der Funetion $(%) sind nach den Untersuchungen
von Mercn und WıEner' angebbar und nur noch mit der Unsicher-
heit behaftet, wie sie der als Coeffieient auftretenden Solarconstante
innewohnt.
Übrigens erhält man den Werth von O bekanntlich auch auf die
einfachste Weise aus der Überlegung, dass die der ganzen Erde inner-
halb eines gegebenen Zeitraumes zukommende Strahlensumme jener
gleich ist, welche auf den zur Verbindungslinie von Erde und Sonne
senkrecht stehenden grössten Kreis der ersteren trifft.
Es ist demnach auch
QD = sr TS (5)
wenn man die Solarconstante mit S bezeichnet und diese für die
mittlere Entfernung zwischen Erde und Sonne bestimmt ansieht.
Auch für O lassen sich ähnliche aber bei weitem nicht so ein-
fache Formeln aufstellen.
Es gilt nämlich für Q ebenfalls die Formel
27 E
= | [ac Bd (6)
v|a
aber die Grösse Q ist nicht wie Q nur eine Funetion der geographischen
Breite, sondern auch eine solche der Länge, insoferne für die Aus-
strahlung die individuelle Beschaffenheit jedes einzelnen Elementes der
Begrenzungsfläche bez. des unterhalb gelegenen Theiles der Atmo-
sphaere und der Erdoberfläche in Betracht kommt.
Die Strahlensumme, welche ein an der äussersten Grenze der
Atmosphaere gelegenes Element im Laufe eines Jahres von der Sonne
erhält, hängt nur von der geographischen Breite ab, die Menge,
' Österr. Zeitschrift f. Meteorologie, Bd. XIV 1879 S. 113 ff.
es R
von BezoLw: Wärmeaustausch. 1151
welche durch ein solches Element wieder nach dem Weltraum aus-
gestrahlt wird, wechselt im Allgemeinen von Punkt zu Punkt.
Es ist demnach Q — /(8,?r) wobei die Funetion Y niemals in
einfacher Form, ja kaum empirisch angebbar sein wird.
Die Formel
a ji Yß, ?1) cos Bdß (7)
ist mithin keiner weiteren Umformung oder Vereinfachung fähig;
während sich freilich das Endresultat auf Grund der eben durch-
geführten Überlegungen, d. h. der mit Hülfe der Gleichungen (4) und
(5) @.h.
unmittelbar angeben lässt.
Die auf die Ein- und Ausstrahlung bezüglichen Grössen zeigen
demnach eine recht grosse Verschiedenheit, indem die einen durch
streng mathematische Formeln darstellbar sind, während dies bei den
anderen nicht der Fall ist, sofern man nicht nach Sätzen, die sich
auf die Gleichheit ein- und ausgestrahlter Mengen beziehen, die
letzteren durch erstere ausdrücken kann.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen von Grössen
wäre noch auffallender, wenn die sogenannte Solarconstante ihren
Namen wirklich mit Recht trüge, d. h. wenn die Strahlungsintensität
der Sonne thatsächlich unverändert bliebe.
Unter dieser Voraussetzung wären nämlich alle auf die Ein-
strahlung bezüglichen Grössen mathematisch scharf angebbar, im
Gegensatz zu den auf die Ausstrahlung bezüglichen, die nur als
Mittelwerthe denkbar sind.
Übrigens machen es die Veränderungen, die maı an der Sonnen-
oberfläche beobachtet, höchst unwahrscheinlich, dass die Strahlungs-
intensität unveränderlich sei, und so muss man wohl annehmen, dass
auch die auf die Einstrahlung bezüglichen Werthe immer nur den
Charakter von Mittelwerthen an sich tragen.
I. »Die Wärmemengen, welche einem bestimmten Stücke der
»Erdoberfläche oder der Atmosphaere auf den verschiedenen möglichen
»Wegen im Laufe eines Jahres zugeführt oder entzogen werden, sind
»einander im Durchschnitte gleich. «
Der Satz ist ebenso wie Satz I eine unmittelbare Folge der Vor-
aussetzung, dass sich Sonne und Erde in gewissem Sinne in einem
stationären Zustande befinden, d. h. dass man überhaupt berechtigt
1152 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22.Dee. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
sei, von Mittelwerthen der verschiedenen in Betracht kommenden
Grössen zu sprechen.
II. »Die Wärmemengen, welche einzelnen Stellen der Erdober-
»tläche oder der Atmosphaere im Laufe eines Jahres durch Strahlung
»zugeführt und durch Ausstrahlung entzogen werden, sind im All-
»gemeinen einander nicht gleich, es giebt vielmehr Theile der Erde,
»an denen die Einstrahlung und andere, an denen die Ausstrahlung
»überwiegt. «
Die Richtigkeit dieses Satzes folgt aus der einfachen Thatsache,
dass fortgesetzt warme Luft und warmes Wasser aus den aequatorialen
Gegenden polwärts fliesst, während umgekehrt kalte Luft und kaltes
Wasser bzw. Eis aus den polaren Gegenden nach den aequatorialen
strömen.
Es wird demnach dem aequatorialen Gürtel immerfort Wärme
durch Conveetion — wohl auch in Form von Energie translatorischer
Bewegung — entzogen, die durch überwiegende Einstrahlung ersetzt
werden muss, wenn die Mitteltemperaturen constant bleiben sollen,
während für die polaren Gegenden das umgekehrte gilt.
Man kann mithin die ganze Erde in drei Zonen theilen, in eine
acquatoriale, in welcher die Einstrahlung und in zwei polare, in
welchen die Ausstrahlung überwiegt.
Diese Zonen will ich als »Strahlungszonen« oder als » Radiations-
zonen« bezeichnen.
Die Linien, welche an der Begrenzungsfläche der Atmosphaere
diese Zonen von einander trennen, sollen »Linien gleicher Aus- und
Einstrahlung« oder »Linien des Strahlungsgleichgewichtes« oder noch
kürzer »neutrale Linien« heissen.
Es giebt zwei solcher Linien des Strahlungsgleichgewichtes, von
denen die eine der nördlichen. die andere der südlichen Halbkugel
angehört. Es wäre jedoch nicht undenkbar, dass ausserdem noch
kleinere, in sich geschlossene derartige Linien vorkommen, die als
Begrenzung inselartiger Gebiete erscheinen müssten.
Giebt man den von der Sonne zugestrahlten Wärmemengen das
positive, den nach dem Weltraum ausgestrahlten das negative Vor-
zeichen, so ist die algebraische Summe der durch die Begrenzungs-
fläche der Atmosphaere ausgetauschten Wärmemengen in der aequato-
rialen Zone positiv, in den polaren negativ.
Man kann sich demnach im Jahresmittel den ganzen Wärme-
austausch innerhalb der Atmosphaere und an der Erdoberfläche sche-
matisch durch einen Wärmestrom ersetzt denken, der in der aequato-
rialen Zone durch die Begrenzungsfläche der Atmosphaere eintritt, und
. ‘
von Bezorp: Wärmeanustausch. 1153
nachdem er sich in zwei Äste gespalten hat, in den polaren Zonen
austritt.
Die Bestimmung der Linien des Strahlungsgleiehgewichtes und
die Ermittelung der Intensität dieses schematischen Stromes, d.h.
der Wärmemengen, welehe auf diese Weise zum Austausch kommen,
bilden eine wichtige Aufgabe des hier betrachteten Capitels der Physik
des Luftmeeres.
In Wirklichkeit hat man es freilich nicht mit einem solch ein-
fachen Strome zu thun, sondern mit Doppelströmen, indem gleichzeitig
warme Massen polwärts und kalte gegen den Aequator hingeführt
werden, deren Summe erst den einfachen Strom des Schemas liefert.
Es zeigen demnach die hier anzustellenden Betrachtungen eine gewisse
Verwandtschaft mit jenen, dureh welche man von der Vorstellung
eines Doppelstromes, wie ihn die binäre Theorie der Elektrieität an-
nimmt, zu der unitarischen Anschauung übergeht.
In Buchstaben ausgedrückt nehmen die eben aufgestellten Sätze
die nachstehenden Formen an:
Q > Q in der aequatorialen Zone,
Q < Q in den polaren Zonen, (8)
Q = auf zwei Linien,
die sich durch die Gleichungen
®(+ß,r2)=o und #(-ß,r)=o
darstellen lassen, wenn man $ seinem absoluten Werthe nach ver-
steht, und die nördlichen Breiten positiv, die südlichen negativ rechnet.
Hiezu will ich vorgreifend bemerken, dass, soweit ich es bis
jetzt übersehen kann, die Werthe von 3 um Mittelwerthe schwanken.
die zwischen 35° und 40° zu suchen sind.
Bezeichnet man nun die in der aequatorialen Zone im ganzen
Jahre durch Strahlung ausgetauschten Mengen durch Q, und Q,, die
in den beiden polaren zusammengenommen ein- und ausgestrahlten
aber durch Q, und Q,, so erhält man
=
und
2 9,19%
Hieraus ergiebt sich unter Berücksichtigung des Umstandes, dass
Sa
DD —D, (9)
d.h. der Überschuss an Einstrahlung in der aequatorialen Zone wird
dureh einen genau gleich grossen Überschuss der Ausstrahlung in
den polaren Zonen ausgeglichen, und zwar erfolgt diese Ausgleichung,
1154 Sitzung der phys -math. Classe v. 22. Dec. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
indem der in der aequatorialen Zone gewonnene Überschuss durch
Uonveetion nach den polaren geschafft wird.
Die Differenz Q, — Q, ist demnach gleich den Wärmemengen,
welche im Laufe eines Jahres durch Convection — im weitesten
Sinne des Wortes mit Einschluss der Energie bewegter Luftmassen —
durch die beiden neutralen Querschnitte von der aequatorialen Zone
nach den polaren Zonen hin abfliessen.
Der Quotient
ED
T 7
aber stellt die mittlere Intensität des in der Aequatorialzone ein-
tretenden und nach den Polen hin abfliessenden Wärmestromes dar,
welchen man im Schema an die Stelle des wirklich stattfindenden
Austausches innerhalb der Atmosphaere gesetzt denken kann.
Dieser Quotient soll deshalb durch J, bezeichnet werden, so
dass man hat
a — (10)
Dagegen zerlegt man die auf die Polarcalotten bezüglichen
e]
Grössen zweckmässiger Weise in zwei Theile, von denen sich der
eine auf die nördliche, der andere auf die südliche Halbkugel bezieht.
Giebt man den auf die nördliche Halbkugel bezüglichen Grössen
den Index n, den auf die südliche bezüglichen den Index s. so erhält
man (die Formeln
a Sn 98
=
| re
und
ee (11)
sowie
I: = N, ),
1
und
ee
TE
von BEzotLp: Wärmeanstausch. 1155
Da man nun alle auf die Einstrahlung bezüglichen Grössen
unter Zugrundelegung eines bestimmten Werthes der Solarconstante
wenigstens annäherungsweise berechnen kann, wenn man den Ver-
lauf der neutralen Linien kennt, und da auch die angenäherte Er-
mittelung der Intensitäten J, und J, der beiden Zweige des schematischen
Wärmestromes keineswegs auf unübersteigliche Schwierigkeiten stossen
wird, so ist demnach auch die Möglichkeit gegeben, die in den
einzelnen Strahlungszonen ausgestrahlten Mengen zu. finden, mit Ein-
schluss der in den höchsten Regionen der Atmosphaere zurück-
geworfenen.
Diese Formeln lehren, dass man Aufschlüsse erhoffen darf über
den Wärmeaustausch in den höchsten unzugänglichen Schichten der
Atmosphaere, sowie es nur gelingt, die Solarconstante genau genug
zu bestimmen. sowie die Intensität des durch die neutralen Q@uer-
schnitte fliessenden schematischen Wärmestromes.
Die letztere Aufgabe aber erscheint wenigstens innerhalb gewisser
Grenzen nicht unlösbar, da für diesen Strom vorzugsweise die unteren
erreichbaren Schichten in Betracht kommen dürften.
Ähnliche Sätze, wie sie eben für das ganze Jahr ausgesprochen
wurden, lassen sich auch für kürzere Zeitabschnitte aufstellen. Einige
derselben mögen hier Platz finden:
IV. »Die Wärmemengen, welche einzelnen Theilen der Erdober-
»fläche oder der Atmosphaere innerhalb bestimmter Abschnitte des
»Jahres zugeführt und entzogen werden, sind einander im Allgemeinen
»nicht gleich. «
Der Beweis des Satzes liegt in der einfachen Thatsache, dass
der thermische Zustand der Erdoberfläche und der Atmosphaere perio-
dischen Schwankungen unterworfen ist, d. h. er ist nichts anderes
als ein Ausdruck der Thatsache, dass es Zeiten überwiegender Ein-
strahlung und solche überwiegender Ausstrahlung giebt.
Unter Benutzung der oben eingeführten Bezeichnungen nimmt
dieser Satz die nachstehenden Formen an:
/ >= „ h
Ta she = Ga E ( I 3)
oder auch
„
g.do Ts Aa,r — A Ma,r
oO,
AIIV
wenn das Integrale über die geschlossene Fläche @ ausgedehnt wird,
wobei das Weglassen der Striche bei g, und q,,, andeutet, dass die
Grössen als algebraische zu betrachten sind, und dementsprechend ver-
schiedene Vorzeichen haben können.
1156 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22.Dee. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
5 pn") S
Handelt es sich nieht um eine geschlossene Fläche, sondern nur
um endliches Stück der Begrenzungsfläche der Atmosphaere, so er-
hält man
= Au,r- (14)
Hiebei ist der Fall, in welchem die aufgestellten Ungleichheiten
in Gleichungen übergehen, nur als Ausnahmefall zu betrachten, und
An, T
wird man im Allgemeinen die Zeichen Z zu benutzen haben.
Ist q,., > 0, so stellt dies den Überschuss der zugeführten Wärme-
menge über die abgegebenen dar, ist q,,, <o den Verlust, welchen
die in dem Raume a enthaltenen Körper während des Zeitabsehnittes r
d.h. von {, bis i, erfahren haben.
Man kann mithin auch schreiben
[4 „
or = les == U, == U, ; (1 5.)
Ein positiver Werth dieser Differenz bedeutet demnach einen Zu-
achs von Energie in dem betrachteten Raumstück, ein negativer
Werth eine Abnahme.
Der Zuwachs besteht in Zunahme der Temperatur, Vermehrung
der vorhandenen Dampfmenge, Verwandlung von Eis in Wasser, Er-
zeugung oder Vergrösserung von Druckdifferenzen oder Bewegungen.
Häufig wird man eine solche Vermehrung der Energie auch
passend als Aufspeicherung von Wärme bezeichnen.
Ist dagegen q, negativ, so lehrt dies, dass sich die Energie in
dem betrachteten Zeitraum vermindert hat, was sich als Sinken der
Temperatur, Condensation oder Gefrieren des Wassers sowie durch
Verminderung der Druckdifferenzen oder der vorhandenen Bewegungen
kund geben muss. Handelt es sich dabei um Veränderungen an Körpern,
die wenig oder gar nicht beweglich sind, wie das zu Eis erstarrte
Wasser oder gar der Erdboden, so könnte man auch von auf-
gespeicherter Kälte sprechen.
Für ,— 4, = Twird 9, = 0 oder u, ee da nach der Voraus-
setzung, wie sie der ganzen Untersuchung zu Grunde liegt, der ther-
mische und Bewegungszustand der Erde nach Verlauf eines Jahres
immer wieder derselbe ist, welchen Augenblick {, man auch als Aus-
gangspunkt wählen mag.
Da dementsprechend die gesammte Wärmezufuhr innerhalb eines
Jahres gleich Null ist, während sie doch in den einzelnen Abschnitten
endliche Werthe besitzt, so zerfällt das ganze Jahr für jeden Punkt
der Erde in Perioden überwiegender Wärmezufuhr und überwiegender
Wärmeentziehung, oder kurz ausgedrückt in Abschnitte der Erwärmung
und der Abkühlung.
von Bezorp: Wärmeaustausch. 57
Bei dem Ubergange von einem Abschnitte der einen Art zu
LER da
einem solehen der anderen wechselt der Differentialquotient E das
di
Vorzeichen, und q selbst erreicht dementsprechend zu diesen Zeit-
punkten Maximal- oder. Minimalwerthe.
Solche Extremwerthe werden innerhalb jedes Tages erreicht, die
absoluten Maxima und Minima aber im Allgemeinen innerhalb Jahres-
frist je einmal, unter dem Aequator zweimal.
Sieht man von den täglichen Extremen ab, so kann man wenigstens
ausserhalb der Tropen und bei passender Wahl des Anfangspunktes
das Jahr so theilen, dass es in zwei Hälften zerfällt, von denen die
eine der Wärmeaufnahme die andere der Wärmeabgabe dient.
Diese Hälften werden im Allgemeinen ungleich sein, da die
Wärmezufuhr nach ganz anderem Gesetze erfolgt als die Wärmeabgabe.
Ist demnach 4 = o so gewählt, dass u, das absolute Minimum
ist, und hat man die secundären Maxima und Minima durch ein ge-
eignetes Ausgleichsverfahren beseitigt, ist ferner u,, der absolut grösste
Werth von u, 4, aber der Zeitpunkt zu welchem dieser Werth
erreicht wird, dann ist
dk ln
ga ICH
dt > Im
und
dq, =
u <amWrh,
dit <
und ausserdem ist
da,r, == Ua,t Ua,o
und
Ya,r, == Ug,0i7 Ua ,t,,
wenn unter r, der Zeitraum von o bis £, und unter r, der Zeitraum
von Z, bis T verstanden wird.
Es ist mithin auch
Ya,r, u Im,r, 5 (16)
d. h. die Wärmesumme, welche von einem bestimmten Stücke der
Erde oder der Atmosphaere in der Jahreshälfte überwiegender Wärme-
zufuhr aufgenommen wird ist genau gleich jener, welche in der Hälfte
überwiegender Abgabe verloren wird.
Übrigens gilt Gleichung (16) auch, wenn man das Jahr in zwei ganz
beliebige Abschnitte theilt, sofern nur r, + r, = T ist, jederzeit muss
die Wärme, die in dem einen Theile aufgenommen wurde, in dem
anderen wieder abgegeben werden, nur ist bei solcher beliebigen
Theilung gar, kein Maximum. Ist jedoch dieser Werth ein Maximum,
1158 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22. Dee. —- Mittheilung v. 28. Mai 1891.
dann soll er als »der jährliche Wärmeaustausch des betrachteten
Stückes« bezeichnet werden.
Hieraus folgt: »Der jährliche Wärmeaustausch in einem aus der
»Erde oder der Atmosphaere oder aus beiden zusammen heraus-
»geschnittenen Stücke ist gleich der Differenz zwischen dem Maximum
»und Minimum der in dem Stücke enthaltenen Gesammtenergie «.
Für die kleineren Perioden bez. für die tägliche Periode be-
darf der Satz einer kleinen Modification, da für diese im Allgemeinen
in der Zeit der Wärmeabgabe nicht eben so viel entzogen wird, als
während des Abschnittes der Wärmeaufnahme gewonnen worden ist,
sondern in der einen Jahreshälfte weniger in der anderen mehr.
Bezeichnet dementsprechend wieder gr, die Wärmezufuhr vom
Zeitpunkt eines secundären Minimums der Gesammtenergie, bis zu
dem des nächsten seeundären Maximums, gq:, den Verlust von diesem
Zeitpunkt bis zu- dem des nächsten secundären Minimums, so ist
=
Ir, > Ur,
wobei jedoch der Unterschied zwischen den beiden Mengen gr, und
dr, immer nur ein kleiner ist.
Das Maass des täglichen Austausches aber bildet consequenter
Weise die Grösse:
Diese Betrachtungen haben von selbst auf die Bestimmung der
Gesammtenergie geführt, die einem Stücke der Atmosphaere oder der
Erde innewohnt.
Für die vorliegenden Zwecke ist es wichtig, dieses Stück zweck-
mässig zu wählen, und mit einem abgegrenzten Theile der Erdoberfläche
in Verbindung zu bringen.
Ich will deshalb unter der »Gesammtenergie eines Theiles der
Erdoberfläche« die totale Energie in dem Stücke der Erdrinde und
der Atmosphaere verstehen, das durch eine Gerade ausgeschnitten
wird, welehe durch den Mittelpunkt der Erde gehend jenen Theil der
Erdoberfläche umläuft, während es nach oben durch die Grenze der
Atmosphaere seinen Abschluss findet, nach unten aber durch eine der
Erdoberfläche parallele Fläche, die so gewählt ist, dass in ihr die
jährliche Periode der Temperatur nicht mehr merkbar ist.
Unter der »Gesammtenergie einer bestimmten Stelle der Erdober-
fläche« aber verstehe ich die Energie innerhalb eines abgestumpften
Kegels, dessen Spitze in dem Erdmittelpunkte liegt, während sein
Mantel aus der Erdoberfläche die Flächeneinheit ausscheidet, und
von BezorLp: Wärmeaustausch. 1159
dessen obere und untere Fläche wieder durch die Grenzfläche der
Atmosphaere und eine hinreichend tief unterhalb der Erdobertläche
verlaufende mit letzterer parallele Fläche gebildet werden.
Die Bestimmung der Gesammtenergie für die verschiedenen Punkte
der Erdoberfläche sowohl ihrem Mittelwerthe nach als auch nach ihrem
zeitlichen Verlaufe bildet eine wichtige Aufgabe der Lehre vom Wärme-
haushalt der Erde.
Ihre Amplitude, d. h. der Unterschied der Extremwerthe, giebt
das Maass des Wärmeaustausches sowohl für die jährliche als auch
nach kleiner Modification für die tägliche Periode.
Die Zeitpunkte dieser Extreme führen zu einer Theilung des
Jahres in Abschnitte der Erwärmung und Abkühlung, die andere
Gesichtspunkte eröffnet, als die Theilung auf rein astronomischer
Grundlage.
Die Vertheilung der Gesammtenergie über die Oberfläche der Erde
giebt erst ein Bild von der wirklichen Vertheilung der Wärme an der
Erdoberfläche, während man bisher nur die Temperaturvertheilung
in der untersten Luftschicht mit diesem Namen belegt hat.
Freilich muss man sich erst noch über einen Nullpunkt ver-
ständigen, wenn man die Energie für die verschiedenen Stellen der
Erdoberfläche mit einander vergleichen will, ein Umstand, der bei
der Untersuchung .des jährlichen oder täglichen Ganges an einer
bestimmten Stelle ganz ausser Betracht bleibt.
Doch ist dies ein Punkt, auf den ich erst in einer späteren
Mittheilung näher eingehen will. )
Hier mag nur bemerkt werden, dass die angenäherte Berech-
nung der Gesanmmtenergie in dem eben festgestellten Sinne kaum auf
unübersteigbare Schwierigkeiten stossen dürfte.
Der auf die feste Erdrinde bezügliche Antheil lässt sich sogar
verhältnissmässig leicht ermitteln, wie noch im zweiten Theile dieser
Mittheilung gezeigt werden soll.
Wie ausserordentlich wichtig aber die Lösung dieser Aufgabe
ist, dies mag schon aus den Bemerkungen entnommen werden, die
gleich zu machen sind, wenn von den merkwürdigen Schwankungen
gesprochen wird, welche die sogenannte Mitteltemperatur der ganzen
örde, d. h. der untersten Luftschicht auf der ganzen Erde, im Laufe
der Jahresperiode erfährt, wobei sich ergeben wird, dass es nicht zu-
lässig ist, hieraus unmittelbar auf Schwankungen in der Gesammt-
energie der ganzen Erde zu schliessen. In ähnlicher Weise wird die
Bedeutung dieser Frage hervortreten bei Beleuchtung des eigen-
thümlichen Verhaltens, das die Polarregionen zur Zeit «des höchsten
Sonnenstandes zeigen.
Sitzungsberichte 1892. 104
1160 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22. Dec. — Mittheilung v. 28.Mai 1891.
V. »Die im Laufe bestimmter Abschnitte des Jahres durch die
»Begrenzung der ganzen Atmosphaere ein- und austretenden Wärme-
»mengen sind einander nicht nothwendiger Weise gleich.«
Wäre die Erdoberfläche und die Atmosphaere wenigstens in jeder
den Erdmittelpunkt concentrisch umgebenden Schicht vollkommen
homogen, und wäre überdies die Erdbahn kreisförmig, so müsste
solche Gleichheit bestehen, da jedoch diese Bedingungen nicht erfüllt
sind, sondern da sich die Gebiete überwiegender Einstrahlung und
überwiegender Ausstrahlung im Laufe des Jahres verlagern, und zwar
an Stellen mit ganz verschiedener Oberflächenbeschaffenheit, so ist kein
Grund zu solcher Gleichheit vorhanden.
Es giebt demnach vermuthlich auch für die ganze Erde Ab-
schnitte des Jahres, in denen die Wärmeaufnahme und andere, in
denen die Abgabe das Übergewicht hat, mit anderen Worten »die
Gesammtenergie der ganzen Erde ist wahrscheinlich innerhalb des
Jahres periodischen Schwankungen unterworfen«.
Die Thatsache, dass die Mitteltemperatur der untersten Luft-
schieht der ganzen Erdoberfläche in dem nördlichen Sommerhalbjahre
eine höhere ist als in dem Winterhalbjahre, scheint in diesem Sinne
zu sprechen.
Freilich darf man hiebei nicht vergessen, dass diese Temperatur
noch lange kein Maass für die Gesammtenergie ist. Es ist im Gegen-
theile sehr wahrscheinlich, dass die Änderungen der Gesammtenergie’
der ganzen Erdoberfläche mit Einschluss der Atmosphaere lange nicht
so gross sind, als man nach der Änderung der Mitteltemperatur der
untersten Luftschieht erwarten sollte. |
Da nämlich die Wassermassen, welche im Laufe eines Jahres
zu Eis erstarren, und nachher wieder geschmolzen werden, auf der
südlichen Halbkugel vermuthlich viel grössere sind als auf der nörd-
lichen, und da wohl das Gleiche von jenen Wassermengen gilt. die
verdampft und eondensirt werden, so wird auch während des Sommers
der südlichen Halbkugel ein -grösserer Theil der zugeführten Energie
zu den Arbeiten des Schmelzens und Verdampfens verwendet werden
als im Sommer der nördlichen. Es wird deshalb selbst bei gleicher
Gesammtenergie die Mitteltemperatur der ganzen Erde im nördlichen
Winterhalbjahre niedriger sein müssen als im Sommerhalbjahre, da
im Winterhalbjahre der Nordhemisphaere die überwiegende Wärme-
zufuhr auf Gegenden trifft, in welchen der Aufwand an Energie für
Änderungen des Aggregatzustandes beträchtlicher ist, als er auf der
nördlichen Halbkugel jemals werden kann.
In welchem Umfange aber die ebenangedeutete Compensation ein-
tritt, oder anders ausgedrückt, ob und inwieweit die Gesammtenergie
von BEzoLp: Wärmeaustausch. 1161
der ganzen Erde an der Jahresperiode theilnimmt, dies lässt sich nur
auf Grund eingehender Untersuchung entscheiden.
Freilich wird man sich auch hiebei wie auf diesem ganzen Ge-
biete zunächst mit Schätzungen begnügen müssen, jedenfalls aber ist
die Aufgabe, die sich hier aufdrängt, wieder ein schlagendes Beispiel
dafür, zu welch’ eigenartiger Fragestellung man durch diese ganz
allgemeinen Betrachtungen geführt wird.
Um diesen Satz in Formeln zu bringen, genügt es, die bereits
aufgestellten Gleichungen (14) und (15) allgemeiner aufzufassen bez. ein
klein wenig zu verändern.
Man hat nämlich einfach den Index a wegzulassen, der oben
beigefügt war, um anzudeuten, dass von einem aus der Erde oder
der Atmosphaere ausgeschnittenen endlichen Stück die Rede war, und
die horizontalen Striche oberhalb anzubringen, um hervorzuheben, dass
es sich um die Begrenzungsfläche der Atmosphaere handelt, so ver-
wandeln sich die Gleichungen in die nachstehenden
und (17)
.-,=M—U
wobei man jedoch stets im Auge behalten muss, dass die Differenz
u,—u,; die ich mit u, bezeiehnen will, hier, wo es sich um die
ganze Erde handelt, immer klein bleibt im Vergleiche zu den Grössen
7 und da.
Natürlich gilt auch hier wieder die Gleichung (16) nach der ent-
sprechenden Modification, und muss demnach, wenn man u, —U,, durch
u, bezeichnetund ul, durch U,,; und wenn man dann rs, +r,=T
setzt,
sein; d.h. wenn man das Jahr in zwei beliebige Abschnitte theilt, so ist
der Zuwachs an Energie, den die ganze Erde in dem einen Abschnitt
gewonnen hat, dem Verluste gleich, den, sie in dem anderen erleidet,
Denkt man sich nun den Jahresanfang so gewählt, und die Theilung
in Abschnitte so vorgenommen, dass in dem einen Theile u immer über,
im anderen immer unter dem Jahresmittel liegt, so zerfällt das Jahr
in zwei, im Allgemeinen ungleiche Hälften, von denen man die
eine die wärmere, die andere die kältere Jahreszeit der ganzen Erde
nennen kann.
Da die Einstrahlung an den verschiedenen Punkten der Erd-
oberfläche zu jeder Zeit des Jahres ausserordentlich grosse Verschieden-
heiten aufweist, indem sie an einzelnen Stellen sogar gleich Null ist,
104 *
1162 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22.Dec. — Mittheilung v. 28.Mai 1891.
während die Ausstrahlung überall zur Geltung kommt, und da ander-
seits die Gesammtenergie der ganzen Erde innerhalb des Jahres jedenfalls
nur kleinen periodischen Änderungen unterworfen ist, so dass u, immer
klein bleibt gegen q und q, so kann man jedenfalls die ganze Be-
grenzung der Atmosphaere so in Theile zerlegen, dass an den einen
die Einstrahlung, an den anderen die Ausstrahlung das Übergewicht hat.
Bezeichnet man die auf das Gebiet überwiegender Einstrahlung
bezüglichen Grössen durch den beigefügten Index a, die anderen durch
den Index p, so kann man demnach die Gleichung (17) umformen in
dur ER = Te nr Gi. = u. $) (18)
wobei u, klein ist gegen die Differenzen, die hier auf beiden Seiten
stehen.
Man kann diesen Satz so aussprechen, dass man sagt:
»Die Erdoberfläche zerfällt zu jeder Zeit des Jahres in Gebiete
»mit überwiegender Einstrahlung und in solche mit überwiegender
» Ausstrahlung. «
Der aequatoriale Gürtel gehört, sofern man von der täglichen
Periode absieht, immer zu dem Gebiete überwiegender Einstrahlung,
die begrenzenden neutralen Linien aber sind im Laufe des Jahres
bedeutenden Änderungen unterworfen.
Der Beweis für diesen Satz liegt einfach darin, dass von den
Tropengegenden zu jeder Zeit des Jahres warme Ströme polwärts
fliessen, während Ein- und Ausstrahlungsverhältnisse sich dort das
ganze Jahr hindurch ziemlich gleich bleiben und diese Ströme dem-
entsprechend nur zu einem kleinen Bruchtheil durch aufgespeicherte
Energie gespeist werden können.
Die polaren Gegenden gehören einen, wenn auch nur kleinen
Theil des Jahres zu dem Gebiete überwiegender Einstrahlung, da sie
während des Hochsommers der betreffenden Hemisphaere innerhalb
begrenzter Zeiträume mehr Wärme von der Sonne empfangen als die
Orte niedrigerer Breite oder gar als jene der anderen Hemisphaere.
Während demnach die beiden neutralen Linien von der mittleren
Lage, die sie zur Zeit der Aequinoetien einnehmen, in gleichem Sinne
weiter schreiten, also im nördlichen Frühjahr beide nordwärts, im
südlichen beide südwärts, so verengert sich das von der einen um-
schlossene polare Gebiet fortwährend, bis es im Hochsommer gänzlich
verschwindet.
Wenn trotzdem die Wärmezufuhr durch Conveection aus niedrigen
Breiten auch während des Hochsommers der betreffenden Hemisphaere
andauert, so erklärt sich dies nur daraus, dass die gesammte durch
überwiegende Einstrahlung und durch Conveetion gewonnene Wärme
von BezoLp: Wärmeaustausch. 108
zur Deckung des Energieverlustes verbraucht wird, den die Polar-
gegend während des Winterhalbjahres erlitten hat und der die Bildung
enormer Eismassen und die Verringerung des Dampfgehaltes der
Atmosphaere im Gefolge hatte.
Die Gleichungen der neutralen Linien für beliebige Zeitpunkte
des Jahres nehmen demnach die Form an:
Be Koh undh el or) oo
wobei für bestimmte Werthe von ? die eine oder die andere dieser
Gleichungen gegenstandslos wird, da die betreffende Linie ganz ver-
schwindet.
Wäre die Erdoberfläche vollkommen homogen, und die Erdbahn
kreisförmig, so bestände zwischen den Funetionen ® und Y die
Gleichung:
,
Be OR .(- BEREEE z)
d. h. unter dieser Voraussetzung würde die neutrale Linie auf der
einen Halbkugel in einem gegebenen Augenblick genau dieselbe Lage
einnehmen, welche sie vor oder nach einem halben Jahre auf der
anderen eingenommen hat.
Auch würden beide Halbkugeln gleich lang ausschliesslich dem
Gebiete überwiegender Einstrahlung angehören.
Zwischen dem Gebiete überwiegender Einstrahlung und jenem
überwiegender Ausstrahlung findet nun ähnlich wie im Jahresdurch-
schnitt ein Wärmeaustausch durch Conveetion statt.
Die Gleichungen für diesen Conveetionsstrom werden jedoch für
kleinere Zeiträume viel verwickelter als für den Jahresdurchschnitt.
da im letzteren Falle alle auf die Aufspeicherung von Energie bezüg-
liehen Grössen in Wegfall kommen, während sie bei kürzeren Ab-
schnitten eine wesentliche Rolle spielen.
Um diess zu übersehen zerlegt man am besten die Energie u,
in Gleichung (18) in zwei Theile uw, und u,, von denen sich der eine
auf das Einstrahlungs- der andere auf das Ausstrahlungsgebiet bezieht.
Thut man diess, so nimmt die Gleichung die Form an:
du FR du B 55 U, = In [7 g, Ein u, (19)
Hiebei stellt die linke Seite der Gleichung den Rest von Wärme
dar, der noch übrig bleibt, wenn man von der im Einstrahlungs-
gebiete zugestrahlten Wärme die ausgestrahlte, so wie die aufge-
speicherte Wärme abzieht.
Dieser Rest muss offenbar als Convectionsstrom nach dem Aus-
strahlungsgebiete hin abtliessen.
1164 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22.Dee. — Mittheilung v. 25. Mai 1891.
Die mittlere Intensität dieses Stromes ist:
ATi _ ul
a (20)
-
und dieser Strom ist es, der im Ausstrahlungsgebiet theilweise den
dureh die überwiegende Ausstrahlung bedingten Verlust ersetzt, während
der noch verbleibende Rest durch Energieverlust, d. h. durch Ab-
kühlung, Eisbildung u. s. w. zu decken ist.
Diese Formel unterscheidet sich nun recht wesentlich von der
früher als Gleichung (10) für das ganze Jahr aufgestellten. Während
dort der Conveetionsstrom nur von der Differenz zwischen Ein- und
Ausstrahlung abhängig war, sind hier auch noch die Mengen von
Energie zu berücksichtigen, welche innerhalb des betrachteten Zeit-
raumes in dem Gebiete aufgenommen oder abgegeben werden.
Es wäre deshalb theoretisch gesprochen nicht undenkbar, dass
der Einfluss der Strahlungsdifferenz durch Aufspeicherung von Energie
ganz aufgehoben ja vielleicht sogar übercompensirt würde.
Dies ist nun freilich für das Gesammtgebiet der überwiegenden
Einstrahlung nicht der Fall, da jederzeit ein Ausströmen von Wärme
nach der Winterhälfte hin stattfindet, dagegen macht sich dieser Um-
stand zur Zeit des höchsten Sonnenstandes in den Polargegenden in
der allereinschneidensten Weise geltend.
Bekanntlich fliessen auch im Hochsommer dem Pole noch
immer warme Ströme aus niedrigeren Breiten zu, während kalte
Luft und kaltes Wasser von dort her abströmen, sofern nicht etwa
föhnartige Erscheinungen an einzelnen Stellen Ausnahmen im Gefolge
haben.
Es bleibt demnach der polwärts gerichtete Convectionsstrom auch
während jener Jahreszeit bestehen, in welcher der Pol mehr Sonnen-
strahlen erhält als irgend ein anderer Punkt der Erde bez. der Grenz-
fläche der Atmosphaere.
Denkt man sich nun irgend eine den Pol umschliessende Linie,
über welche dieser Strom hinfliesst, als Trennungslinie zwischen einem
polaren Theile und dem übrigen Einstrahlungsgebiete, das deshalb als
aequatoriales bezeichnet werden mag, und bezeichnet man alle auf das
erstere bezüglichen Grössen durch den Index p, so erhält man für
die Intensität J, des Stromes die Gleichung
eg (21)
. 12
Da nun der Strom nach dem Pole hinfliesst, so muss J, das näm-
liche Vorzeichen haben, welches sich ergäbe, wenn g, und u, beide
von BEezoLp: Wärmeaustausch. 1165
gleich null wären, d.h. wenn innerhalb der Trennungslinie nur Aus-
strahlung vorhanden wäre. J, muss demnach negativ sein.
Da aber um die Zeit des Sommersolstitiums jedenfalls
9 rs 9 os
® (22)
ist, so muss
sein.
Der Überschuss an Einstrahlung, wie er um diese Zeit in der
Polarregion in so hohem Maasse vorhanden ist, reicht demnach noch
immer nicht hin, um den Wärmebedarf zu decken, wie er zur Ver-
mehrung der Energie d. h. zum Schmelzen des Eises und zur Ver-
dampfung erforderlich ist.
Es wäre nicht schwer, aus diesen Sätzen noch weitere abzu-
leiten und so ihre Zahl zu vermehren.
Da es sich jedoch hier nur darum handelte, die allgemeinen
Gesichtspunkte zu gewinnen, unter denen nun verschiedene Einzel-
untersuchungen auszuführen sind, und da die bereits aufgestellten Sätze
für diesen Zweck hinreichen, so mag es bei ihnen sein Bewenden
haben.
Die angestellten allgemeinen Betrachtungen zeigen, dass es im
Wesentlichen drei Punkte sind, welchen man bei den Untersuchungen
über den Wärmehaushalt die Aufmerksamkeit zuzuwenden hat:
Erstens: Ein- und Ausstrahlung mit Einschluss der Reflexion.
Zweitens: Zu- und Abnahme der Energie an den einzelnen
Theilen der Erdoberfläche und in der Atmosphaere.
Drittens: die Conveetion d. h. die Übertragung der Wärme dureh
Luft und Wasser.
Das erste dieser Capitel hat bekanntlich schon viele Bearbeiter
gefunden und soll deshalb hier zunächst nicht zum Gegenstande
neuer Untersuchungen gemacht werden.
Dagegen soll die Aufmerksamkeit den beiden anderen Gapiteln
zugewandt werden, die, wie mir scheint, keine so grossen Schwierig-
keiten darbieten als das erstgenannte, aber trotzdem bisher nur wenig
bearbeitet wurden.
Der Wärmeaustausch im Erdboden.
Der Erdboden nimmt während der warmen Tages- und Jahres-
zeit Wärme auf, die er während der kalten wieder abgiebt. Er spielt
dementsprechend die Rolle eines Accumulators, der zu bestimmten
Zeiten Energie aufspeichert, die zu anderen wieder verbraucht wird,
1166 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22. Dec. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
Dabei tritt die Energie hier in der einfachsten Form auf und
bietet deshalb diese Untersuchung unter allen auf den Wärmeaustausch
bezüglichen weitaus die geringsten Schwierigkeiten.
Enthält nämlich der Erdboden gar kein Wasser, was freilich
nur bei Felsgestein und in der Wüste annäherungsweise der Fall sein
wird, oder bleibt der Wassergehalt unverändert, während zugleich
die Temperatur desselben niemals unter dem Gefrierpunkt sinkt, so
ist die gesammte aufgespeieherte Energie nur in der Form thermo-
metrisch messbarer Wärme vorhanden.
Ist er wasserhaltig, und wird der Gefrierpunkt in dem einen
oder anderen Sinne überschritten, so werden die Verhältnisse etwas ver-
wickelter, die hierauf bezüglichen Aufgaben bleiben jedoch immer noch
viel einfacher als die meisten anderen aus dem hier behandelten Gebiete.
Überdies kommt dieser Umstand, wie später gezeigt werden soll.
bei Bestimmung der innerhalb der Jahresperiode, d. h. abgesehen von
dem täglichen Austausch, aufgenommenen und abgegebenen Wärme-
mengen, wenigstens in niedrigen und mittleren Breiten gar nicht in
Betracht.
Für den hier verfolgten Zweck handelt es sich nun im Wesent-
lichen um Lösung der beiden nachstehenden Fragen:
ı. Wie gross ist der Unterschied zwischen den innerhalb eines
gegebenen Zeitraumes durch die Oberflächeneinheit aufgenommenen
und abgegebenen Wärmemengen, d. h. wie gross ist der Zuwachs oder
die Abnahme an Energie, welchen der unterhalb der Oberflächeneinheit
liegende Erdboden innerhalb dieses Zeitraumes erfahren hat?
2. Wie gross ist der Unterschied zwischen dem Maximal- und
Minimalwerth der innerhalb eines gegebenen Zeitraumes in dem be-
trachteten Stücke des Erdbodens vorhandenen Energie?
Die Beantwortung der ersten Frage giebt die während eines be-
stimmten Zeitraumes in dem Boden aufgespeicherte oder von dem
vorhandenen Vorrath abgegebene Energie.
Durch Beantwortung der zweiten aber erhält man einen Maass-
stab für die Wirkung des Erdbodens als Wärmeregulator sofern man
nur den untersuchten Zeitraum so wählt, dass er eine volle Periode
des Wärmeaustausches, also einen ganzen Tag oder ein ganzes Jahr,
umfasst.
Die Beantwortung dieser beiden Fragen ist, wie gleich gezeigt
werden soll, ausserordentlich einfach, da sie nur die Kenntniss der
"Temperaturen in verschiedenen Tiefen und jene der Wärmecapaeität
der Volumeneinheit, die sogenannte Volumencapaeität voraussetzt, wäh-
rend die Leitungsfähigkeit des Erdbodens sowie die Strahlungsverhält-
nisse der Oberfläche ganz aus dem Spiele bleiben.
von BezoLp: Wärmeanstausch. - 1167
Überdies genügt es zur Lösung der zweiten Frage, wenn man die
Bodentemperaturen zu jenen Tages- oder Jahreszeiten kennt, zu welchen
das Wärmegefälle in der obersten Bodenschicht gleich Null ist.
So leicht deshalb gerade diese Fragen zu beantworten wären, und
so wichtig sie vom meteorologischen Standpunkte aus scheinen, so ist
doch das Material, welches die fast überreichen Beobachtungen über
Bodentemperaturen zur Beantwortung derselben bieten, ein äusserst
dürftiges, da man nur in wenigen Fällen .die Volumencapaeität des
betreffenden Erdbodens direet bestimmt hat, und somit die unentbehr-
liehste Constante fehlt.
Hier sollen nun die gestellten Fragen zunächst theoretisch be-
antwortet und dann erst versucht werden, inwieweit sich die ge-
fundenen Formeln in Zahlen übersetzen lassen, auch soll der Ein-
fachheit wegen zunächst angenommen werden, dass die Temperaturen
entweder stets oberhalb des Gefrierpunktes bleiben oder dass der
Boden ganz wasserfrei sei.
Dies vorausgesetzt, beantwortet sich die erste der beiden Fragen,
d. i. Frage nach dem Energiezuwachs des Erdbodens innerhalb eines
gegebenen Zeitraumes Z#, ,t,, aus nachstehender Betrachtung:
Sei € die Wärmecapacität der Volumeneinheit, 4% die nach ab-
wärts gerechnete Entfernung eines Punktes von der Erdoberfläche,
9, die Temperatur desselben zur Zeit i,, 9, die entsprechende Grösse
zur Zeit Zt, und denkt man sich unterhalb der Oberflächeneinheit ein
Prisma aus dem Erdboden ausgeschnitten, so hat ein unendlich nie-
driges von horizontalen Ebenen begrenztes Stückchen dieses Prismas
von der Höhe dh in dem betrachteten Zeitraum die Wärmemenge
eo jan
aufgenommen.
Die Wärmemenge aber, welche das ganze Prisma bis zu der
Tiefe H aufgenommen hat, d. i. die Änderung der Energie in dem
betrachteten Prisma, ergiebt sich aus der Gleichung
H
Dee Send
oder wenn (Ü constant ist
H
[ne (23)
Hiebei sind 9, und 9, Funetionen von Ah, die sich bei wachsenden
Werthen von A sehr schnell der Gleichheit nähern, so dass man so-
fern es sich nicht um grosse Genauigkeit handelt schon für 7 = ıom
1168 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22. Dee. — Mittheilung v. 28.Mai 1891.
die Differenz #, —#, = o setzen darf, selbst wenn Z, und t, sehr ver-
schieden sind. Handelt es sich nun um kleine Zeiträume etwa um
24 Stunden so darf man schon bei HA = ı diese Grenze als erreicht
ansehen, und 9, = 9, setzen.
Bringt man die Gleichung (23) in die Form
H H
= cf. dh — [in +u,
und wählt man 4 als Ausgangspunkt für die Zählung der Zeiten so
dass 4 = o ist, so.kann man auch schreiben
H
U, = o (%an +K
oder indem man den Index weglässt, kurzweg (24)
«H
1 = Cl dan Er,
6
wo K eine Gonstante ist, deren Werth davon abhängt, was man als
Nullpunkt der Energie betrachten will. Theoretisch wird es am
richtigsten sein hierfür den absoluten Nullpunkt zu wählen, manchmal
wird es sich jedoch als vortheilhaft erweisen, von dem Nullpunkte
der gewöhnlichen Thermometerscala auszugehen. Freilich kann man
alsdann in bestimmten Fällen auch negative Werthe der Energie er-
halten, was jedoch keinen Anstoss erregen wird, sofern man sich nur
über die Bedeutung derselben klar ist.
Die zuletzt aufgestellte Gleichung kann man übrigens auch in
die Form bringen
wenn man
7 ddh—= © (25)
setzt.
Dieser Werth © ist aber nichts anderes als die Mitteltemperatur
eines aus dem Erdboden ausgeschnittenen Prismas von der Grund-
fläche ı, und der Höhe H, CH hingegen ist der sogenannte Wasser-
werth dieses Prismas, wenn man sich des in der Öalorimetrie gebräuch-
lichen Ausdruckes bedienen will.
von BEzoLp: Wärmeanstausch. 1169
Bezeichnet man nun wieder die den Zeiten f und Z, entsprechenden
Werthe von © durch ©, und ©, so erhält man:
u, - u, = CH(09, — ©,) (26)
In Worten heisst dies:
Die Änderung der Energie im Erdboden während eines bestimmten
Zeitraumes, bezogen auf die Oberflächeneinheit, ist gleich der Än-
derung der Mitteltemperatur des Bodens von ‘der Oberfläche bis zu
der Tiefe, in welcher die Schwankungen unmerkbar werden, multi-
plieirt mit dem Wasserwerthe eines Prismas von der Grundfläche ı,
das man sich bis zu dieser Tiefe aus dem Boden ausgeschnitten denkt.
Die in dem Boden aufgespeicherte Energie erreicht demnach ihre
Extremwerthe gleichzeitig mit den Mittelwerthen der Bodentemperatur,
wenn man bei Bestimmung der letzteren die Temperaturen bis zu
jenen Tiefen berücksicht, in denen die Schwankungen verschwindend
klein werden.
Die Gleichung (23) gestattet eine höchst einfache geometrische
Versinnlichung.
Wählt man nämlich die Tiefen A als Ordinaten, wobei man natur-
Fig. 1. gemässer Weise die nach abwärts ge-
S richteten als positiv ansehen wird, die
A, A,
Temperaturen 9 aber als Abseissen, so
wird die Temperaturvertheilung im Erd-
boden zur Zeit 4 und bis zu der Tiefe A
(Fig. ı) dargestellt durch eine Curve A,B..
Ist nun die Temperaturvertheilung
zur Zeit ft, eine andere geworden, und
wird sie durch die Curve A,5, versinnlicht, dann giebt das von den
beiden Curven, sowie von der Abseissenaxe und einer ihr parallelen
um A davon abstehenden Geraden begrenzte Flächenstück A,B,B,A,,
das durch f bezeichnet werden mag, sofort ein Maass für die auf-
genommene Wärmemenge, da
en — je — d)dh
{0}
ist.
Gleichzeitig giebt diese Art der Darstellung sofort Aufschluss
darüber, in welchem Sinne die Wärmebewegung zu den betrachteten
Zeiten in den verschiedenen Schichten des Erdbodens vor sich geht,
da die Linien durch ihren Verlauf unmittelbar erkennen lassen, ob
die Temperaturen nach der Tiefe hin zu- oder abnehmen.
In der Figur ist die Richtung des Wärmestromes durch Pfeile
angedeutet.
1170 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22. Dee. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
Wegen der grossen Vortheile, welche die Betrachtung dieser
Curven gewährt, will ich ihnen einen besonderen Namen beilegen,
und zwar will ich sie »’Tautochronen« nennen, da jede dieser Curven
die Temperaturen darstellt, wie sie zu der nämlichen Zeit in den
verschiedenen Tiefen herrschen.
Ks mag nebenbei bemerkt werden, dass man sich von diesen
Curven ein ausserordentlich anschauliches, man kann sagen. hand-
greilliches Bild machen kann.
Nimmt man nämlich an, man habe in den verschiedenen Tiefen
ganz genau gleiche "Thermometer, d.h. solehe, bei denen der Grad
genau die nämliche Länge hat, und denkt man sich diese horizontal
und parallel in dem Boden eingebettet, in der Art, dass alle Null-
punkte senkreeht über einander liegen, dann ist eine die Endpunkte
aller Quecksilbersäulen verbindende Curve die Tautochrone des be-
treffenden Augenblicks.
Da die Phase der innerhalb der täglichen und jährlichen Periode
in jeder Schicht vor sich gehenden Oseillation von Schicht zu Schicht
wechselt, so schneiden sich die Gurven A,B, und A,B, in bestimmten
Tiefen und zwar allgemein gesprochen unendlich oft; da sie sich
Jedoch mit zunehmender Tiefe fortgesetzt nähern und schon in sehr
mässigen Tiefen beinahe zusammenfäallen, so wird man nicht leicht
mehr als zwei solcher Durcehschneidungen zu beachten haben.
Natürlich sind die Flächenstücke zu beiden Seiten soleher Schnitt-
punkte bei Berechnung der gesammten Wärmeaufnahme oder Wärme-
abgabe mit verschiedenen Vorzeichen zu versehen, wie in Fig. 2 dureh
Einschreiben dieser Zeichen angedeutet ist.
(Ganz besonders werthvoll aber wird die Betrachtung dieser Gurven
dadureh. dass sie sofort erkennen lassen, wann die unterhalb einer
bestimmten Horizontalebene im Erdboden enthaltene Wärmemenge
einen Maximal- oder Minimalwerth an-
Fig. 2.
nimmt.
Dies ist natürlich nur dann der Fall,
wenn dureh die betreffende Ebene
weder in dem einen noch in dem an-
deren Sinne Wärme hindurchgeht, d.h.,
wenn das Temperaturgefälle in der-
selben gleich null, oder wenn
d9
dh
=> ..O,tjst;
An solehen Stellen ist demnach die Tangente der zur Versinn-
liehung benutzten 'Temperatureurve eine Verticale.
von BzEzorLv: Wärmeaustausch. 1171
Kennt man dementsprechend nur die mittleren Tagestemperaturen
für die obersten Bodenschichten, so findet man unmittelbar die zwei
Tage des Jahres, an denen die im Boden enthaltenen Wärmemengen
ihr Maximum oder Minimum erreichen, indem man eben jene Tage
sucht, an denen die oben aufgestellte Bedingung erfüllt ist, bez.
die Temperatureurve auf der Erdoberfläche senkrecht steht.
Ist dann auch noch für diese Tage die Temperaturvertheilung in
den darunter liegenden Schichten bekannt. so giebt die Fläche zwischen
den diesen beiden Tagen »entsprechenden Tautochronen unmittelbar
ein Maass für den Unterschied zwischen der grössten und der kleinsten
innerhalb der Jahresperiode im Boden enthaltenen Wärmemenge
natürlich immer unter dem Vorbehalte, dass die Volumencapaeität
des Bodens bekannt sei.
Dieser Unterschied ist aber die Wärmemenge. welche innerhalb
eines Jahres durch die Erdoberfläche hindurch zum Austausch kommt,
natürlich abgesehen von den Wärmemengen, die innerhalb der täg-
liehen Periode ausgetauscht werden und von denen hier nur der nach
Ablauf jedes Tages verbleibende Rest in Rechnung zu ziehen ist.
»Die eben angestellte Betrachtung hat zu dem überraschenden
»Ergebniss geführt, dass es zur Bestimmung des jährlichen Wärme-
»austausches genügt, wenn man die Temperaturvertheilung im Erd-
»boden zu jenen Zeiten des Jahres kennt, zu welchen die Wärme-
»aufnahme in Abgabe übergeht und umgekehrt. «
Diese Zeitpunkte scheinen in mittleren Breiten annäherungsweise
mit den Tag- und Nachtgleichen zusammen zu fallen.
Selbstverständlich lässt sich der Wärmeaustausch innerhalb der
Tagesperiode in ganz ähnlicher Weise ermitteln.
Man erfährt nämlich den Wärmeaustausch innerhalb der täglichen
Periode, indem man von den Tautochronen für einzelne Stunden
wiederum jene beiden aussucht, welehe auf der Erdoberfläche senkrecht
stehen, und dann den von beiden eingeschlossenen Flächenraum
bestimmt bez. das entsprechende Integral bildet.
Eine Bestimmung der Zeitpunkte, zu welchen dies eintritt, d. h.,
der Tagesstunden zu welchen die Energie im Erdboden ihren Maximal-
und Minimalwerth erreicht. ist natürlich nur dort möglich. wo für
die obersten Schichten des Erdbodens stündliche Beobachtungen oder
wenigstens solche für ziemlich kurze Intervalle vorliegen.
Allgemein lässt sich einstweilen nur angeben, dass das Um-
springen von Wärmeaufnahme in Wärmeabgabe einige Zeit nach
Sonnenaufgang und ziemlich lang vor Sonnenuntergang eintritt. In
Pawlowsk' erfolgt dies zu den nachstehenden Tagesstunden: im De-
' Leyse, Bodentemperaturen. Wırv. Rep. Bd. XIII. Nr.7. 1890.
1172 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22. Dec. — Mittheilung v. 28.Mai 1891.
cember um ı1ı* und kurz vor ı?, im Januar nach ıı" und vor >P,
im Juni dagegen nach 5° und etwa um 5'/,, im Juli um 5° und vor
6’, wie daraus hervorgeht, dass um diese Zeiten die Differenz zwischen
den Temperaturen in o”oı und 0"o2 Tiefe das Vorzeichen wechselt.
In Nukuss' fällt dieses Umspringen im Januar ungefähr auf 8°
und 4'/,, im Juli aber auf 6* und 6?.
Leider werden diese Zeitpunkte der Tagesperiode kaum jemals
sehr genau bestimmbar werden, da sich gerade in den obersten
Bodenschichten die meisten Störungen geltend machen.
Noch ungünstiger aber gestaltet sich die Bestimmung der inner-
halb der täglichen Periode zum Austausche kommenden Wärmemengen,
da die Volumencapaeität des Erdbodens gerade in diesen Schichten
wegen des wechselnden Wassergehaltes fortgesetzten Schwankungen
unterworfen ist.
Bei Bestimmung des jährlichen Austausches wird man deshalb
gut thun, die allerobersten Schichten zunächst ganz aus dem Spiele
zu lassen, und sich auf Ermittelung der Wärmemengen zu beschränken,
welche durch eine etwas unterhalb der Erdoberfläche z. B. in 0”5
Tiefe verlaufende Ebene ausgetauscht werden, den hiedurch began-
genen Fehler aber durch einen Zuschlag zu verbessern, der jedoch
seiner Natur nach immer weniger Vertrauen verdienen wird als die
übrigen Zahlen.
Alle bisher angestellten Betrachtungen ruhten auf der Voraus-
setzung, dass man es entweder mit einem vollkommen wasserfreien
Boden zu thun habe oder dass die Temperaturen 9, und 9, das
gleiche Vorzeichen haben.
Bei Ermittelung des jährlichen Austausches ist die letztere Be-
dingung stets erfüllt, so lange man die Untersuchung auf Gegenden
beschränkt, in denen der Boden zur Zeit der Tag- und Nachtgleichen
frostfrei ist.
Will man von den eben erwähnten Einschränkungen absehen
und auch solche Fälle in Betracht ziehen, in denen 9, <o und 9, > o,
und überdies der Boden wasserhaltig ist, so erhält man die ent-
sprechenden Formeln aus der nachstehenden Überlegung:
Sei c die Volumencapaecität des vollkommen trockenen, porösen
Bodens, x der Wassergehalt der Volumeneinheit ausgedrückt in Bruch-
theilen der Masseneinheit so erhält man für die Volumencapaeität des
durchfeuchteten Bodens © den Werth:
C=c+tx, für 9>o
! H. Wırp., Über d. Bodentemp. in St. Petersburg u. Nukuss. Wiırp. Rep. VI.
Nr. 4. 1878.
von BezoLp: Wärmeaustausch. 1175
für jene des gefrorenen Bodens aber
ee Pose, tür lo.
Ausserdem bedarf es zum Aufthauen der Volumeneinheit des
gefrorenen Bodens von 0° einer Wärmemenge von 80.0 Calorien.
Nimmt man nun an, der Boden sei bei dem betrachteten Anfangs-
zustande d.h. zur Zeit £ bis zu der Tiefe F, gefroren und es sei
dementsprechend db <ofürA<H, und d,>o für A>H,, während
zur Zeit i{, der Boden vollkommen eisfrei, also De onsersssohtrikt
an die Stelle der Gleichung (23) die nachstehende etwas verwickeltere:
n je EI, :H
w,— u = a) Bar 0,dh + SorH, + |(c + x)9,dh + |(c+x) (0, — 9,)dh
° 0 H,
H. H, RR
—=c16,—9)da+= ||, —— \dh+(c+ a) |(9,—9,)dh+8osxH,, (27)
2
H,
wobei man jedoch stets darauf zu achten hat, dass 9, immer positiv
ist, während 9, in die beiden ersten Integrale mit dem negativen
Vorzeichen einzuführen ist.
Man kann natürlich auch diese Formel wieder geometrisch ver-
sinnlichen, da jedoch die dabei erhaltene Darstellung bei weitem
nicht so einfach und durehsichtig wird als oben, wo die in Betracht
kommenden Temperaturen entweder sämmtlich über oder sämmtlich
unter dem Gefrierpunkt lagen, so soll hier von einer Wiedergabe
dieser Darstellung abgesehen werden.
Aus diesen Darlegungen sieht man, wie ausserordentlich leicht
es ist, die durch die Erdoberfläche ausgetauschten Wärmemengen zu
bestimmen, sofern man nur den Gang der Temperatur in verschie-
denen Tiefen kennt, sowie die Volumencapacität des Bodens, bei
Temperaturen unter 0° auch noch den Wassergehalt.
Umsomehr ist es zu bedauern, dass die Zahl jener Beobachtungs-
reihen über Erdbodentemperaturen, für welehe die Volumenecapaeitäten
des betreffenden Bodens aus direeten Versuchen bekannt sind, .nur
so ausserordentlich geringfügig ist.'
! Ich habe solche für die Bodenart auf welche sich die Temperaturmessungen
beziehen, bisher nur in der Abhandl. von Lord Kervın (Wırzıan Tnonson) On the
reduction of underground temperature. Edinbgh. Trans. Vol. XXI. Pt. II p. 405—427.
ı860 finden können, in welcher die von Forges angestellten Bestimmungen discutirt
sind. Die dabei angegebenen Werthe sind: Trapp-Felsen von Calton Hill 0.5283, Sand
des Beobachtungsgartens 0.3006, Sandstein vou Craigleith 0.4623.
1174 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22. Dee. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
In einer später zu gebenden Mittheilung will ich versuchen, wie
weit sich die vorhandenen Beobachtungen verwerthen lassen um
daraus den jährlichen, vielleicht auch in einzelnen Fällen den täg-
lichen Wärmeaustausch im Erdboden für verschiedene Orte und unter
möglichst verschiedenen klimatischen Bedingungen ziffernmässig zu
ermitteln.
Hier will ich mich darauf beschränken einstweilen beispielsweise
die Tautochronen für München und für Nukuss mitzutheilen.
Für München hat Hr. Sıseer' aus den fünfundzwanzig Jahre
umfassenden Beobachtungen v. Lamont’s zehntägige AMittelwerthe
abgeleitet, und eignet sich diese Reihe deshalb ganz besonders zur
örmittelung der Zeitpunkte, zu denen der Wärmegehalt des Bodens
ein Maximum und ein Minimum wird, und damit zur Bestimmung
des jährlichen Wärmeaustausches.
Leider fehlen jedoch bei dieser Reihe Beobachtungen aus geringen
Tiefen, so dass für die oberste ı"29 mächtige Schicht die Werthe
extrapolirt werden mussten.
Diese Extrapolation habe ich auf graphischem Wege unter Be-
nutzung der Lufttemperaturen freilich nur in sehr roher Weise vor-
genommen; da jedoch wie sich gleich bei den Beobachtungen von
Nukuss zeigen wird, die Temperaturen der obersten Schichten bedeu-
tenden Störungen ausgesetzt sind, so schien es nicht angezeigt, viel
Zeit und Mühe auf die Gewinnung eines Resultates aufzuwenden,
das schliesslich doch nicht die Bürgschaft grösserer Genauigkeit in
sich trüge.
Um diese Unsicherheit jedoch gleich in der Figur erkennen zu
lassen, sind die ergänzten Theile der Curven gestrichelt worden.
Übrigens sind die
Tautochronen nur für
Intervalle von je 20 Ta-
gen in die Figur (Fig. 3)
eingetragen, obwohl man
in der Abhandlung des
Hrn. Sınser die Anga-
ben von ıo zu ıo Tagen
findet, da sonst die Fi-
gur zu stark mit Linien
50 0° 5° 10° s® 20 überladen worden wäre.
‘Nur die Curven für den ı. April und für den 28. September
glaubte ich noch aufnehmen zu müssen obwohl sie bei der Benutzung
! Lang u. Erk, Beobachtungen für 1389. Anhang, S. 10.
„ m
von BEzoLp: Wärmeaustausch. 1175
der mit dem ı. Januar beginnenden 2otägigen Intervalle unberück-
sicehtigt hätten bleiben sollen, da eben diese beiden Tage es sind,
welehe unter den in der Smerr'schen Tabelle enthaltenen den Zeit-
punkten des minimalen und maximalen Wärmegehaltes des Erdbodens
am nächsten zu kommen scheinen.
Es ist übrigens sehr wohl denkbar, dass am 2ı. März und
22. September diese Bedingung noch genauer erfüllt ist, ich wollte
mich jedoch absichtlich an das Material, wie es gerade vorliegt,
halten, ohne irgend weiter rechnerische oder graphische Operationen
vorzunehmen, um nicht den Schein einer grösseren Genauigkeit zu
erwecken, als ich sie wirklich verbürgen kann.
Merkwürdig ist gerade bei dieser ungekünstelten Benutzung der
Zahlen die grosse Symmetrie, welche die beiden in der Figur dureh
das Aneinanderdrängen der Linien leicht kenntlichen Curven für die
genannten Zeitpunkte zeigen.
Eine besondere Erläuterung der Figur ist wohl kaum nöthig,
dla die Temperaturgrade unterhalb derselben, die Tiefen in Metern
aber, zu beiden Seiten eingetragen sind. Die kurzen gestrichelten
Linien an den Seiten geben die Tiefen, in denen sich die Thermo-
meter befanden, die Durehsehnitte der verlängert gedachten Graden
mit den Curven sind demnach die aus den Beobachtungen abgeleiteten
Punkte derselben.
Der Zeitpunkt, auf welchen sich jede einzelne Curve bezieht,
ist durch Beischreiben des Datums in arabischen und römischen
Ziffern markirt.
Als Gegenstück zu den Münchener Curven zeigt Fig. 4 die 'Tau-
tochronen von Nukuss.
Fig. 4.
Dim u Bi XN VR vi va vI
Ss Bewfenzalien T ; - iR a
Sms
j = les
men mn: (IL u U 2
3 4 ser == 3
CE | 4
-5° 0? 5° 10° 15° 20° 25° 30° 35°
Sie bieten insofern besonderes Interesse, als diese Station, am
Amu Darja gelegen, einem Gebiete ausserordentlich starker Ein- und
Ausstrahlung und sehr geringer Niederschlagsmenge angehört.
Überdies ist die Beobachtungsreihe eine der wenigen, welche
das nöthige Material für die Bestimmung des Ganges der Temperatur
in den allerobersten Schichten enthält.
Sitzungsberichte 1892. 105
1176 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22. Dee. — Mittheilung v. 23. Mai 1891.
Freilich sind die Temperaturen dieser Schichten nur aus ein-
jährigen Beobachtungen abgeleitet, während die Zahlen für die
grösseren Tiefen dreijährige Mittel sind.
Dies macht sich auch in der Figur, die ohne alle weitere Intra-
polation oder Abrundung einfach nach den von Hrn. Wiırp! mit-
getheilten Zahlen construirt ist, auffallend geltend, indem die Curven
in den obersten Theilen die grössten Unregelmässigkeiten zeigen.
Dies ist auch leicht erklärlich, da bei den vielen Störungen,
mit denen man dicht unter der Erdoberfläche zu rechnen hat, erst
nach vieljährigen in kurzen Intervallen angestellten Beobachtungen
einigermaassen sichere Mittelwerthe zu erwarten sind,
Da für Nukuss nur monatliche Mittelwerthe vorliegen, so müsste
man es als einen reinen Zufall bezeichnen, wenn unter den nach
diesen Werthen eonstruirten Tautochronen sich solehe befänden, die
auf der Erdoberfläche genau senkrecht stünden und demnach den
Extremwerthen der im Boden aufgespeicherten Energie entsprächen.
Es würde dies ja voraussetzen, dass die Zeiten, zu denen diese Extreme
eintreten, ziemlich nahe in die Mitte zweier Monate fielen.
Lässt man jedoch die Werthe für die allerobersten Schichten
als zu unsicher unberücksichtigt und fasst man die Curven erst von
o”4 an in’s Auge, so findet man auch hier als Monate des geringsten
und des grössten Wärmevorraths im Boden den März und den Sep-
tember. Dabei hat es jedoch den Anschein, als ob die September-
curve nicht mehr dem vollen Maximum entspräche, während anderseits
im August dieses Maximum noch nicht erreicht ist.
Dies scheint darauf hinzudeuten, dass in Nukuss die Wärme-
aufnahme schon vor dem Herbstaequinoetium ihr Ende erreicht und
in Abnahme übergeht, wenn man anders berechtigt ist, aus Mitteln,
- die nur so wenige Jahre umfassen, derartige Schlüsse zu ziehen. i
Berechnet man nun auf Grundlage dieser Betrachtungen that-
sächlich den jährlichen Wärmeaustausch für München und Nukuss,
indem man im ersteren Falle die Bodentemperaturen vom ı. April
und vom 28. September, im zweiten die Monatsmittel dieser Tem-
peraturen für März und September zu Grunde legt, so findet man
als Maximalwerth von u, —u, annäherungsweise
für München 36 (,,
für Nukuss 48 G,,
wenn man unter (C, und €, die Wärmemengen versteht, welche in
7
München bez. in Nukuss erforderlich sind um die Volumeneinheit
des betreffenden Erdbodens um ı° zu erwärmen.
EN a. 0. SAA5 UND:
von BEezorLn: Wärmeaustausch. TA
Leider lässt sich über diese beiden Grössen gar nichts anderes
sagen, als dass sie auf das Cubikmeter bezogen, kaum kleiner als
300 und nicht wohl grösser als 600 sein dürften.‘
Übrigens sind auch die Zahlen 36 und 48, wie sie eben für
München und Nukuss angegeben wurden, noch mit grosser Unsicherheit
8°5 8
behaftet, da die Angaben in München erst in ı"29 Tiefe beginnen
> 5 9) 5 >
m
während sie in Nukuss bereits bei 4” endigen, so dass in dem einen
Falle nach oben, in dem anderen nach unten extrapolirt werden musste.
Freilich war das letztere, wenn auch in geringerem Maasse bei der
Münchener Reihe ebenfalls nothwendig.
Als Werthe des »täglichen Austausches« erhält man in Nukuss,
natürlich wiederum nur in roher Annäherung, 0.5 €, für den Januar
ul 1.5 C, im Juli.
Immerhin genügen diese Zahlen, um die Rolle, welche der feste
Erdboden als Wärmereservoir bez. als Temperaturregulator spielt,
wenigstens der Grössenordnung nach zu bestimmen.
Setzt man nämlich, um eine runde Zahl zu erhalten, kurzweg
C
n
— (0, = 500, so würden. die innerhalb der Jahresperiode aus-
getauschten Wärmemengen genügen, um in München eine Wasser-
mm
schicht von 30"”” und in Nukuss eine solche von 40"" Höhe zur
Verdunstung zu bringen.
Verglichen mit der jährlichen Niederschlagshöhe, die in München
rund 800”" beträgt, in Nukuss aber nur 85””, ergiebt sich demnach
das Resultat, dass die innerhalb der warmen Jahreszeit im Erdboden
aufgenommene und in der kalten wieder abgegebene Wärmemenge in
München kaum !/s6 der jährlich fallenden Niederschlagsmenge wieder
zur Verdunstung bringen könnte und selbst in Nukuss, das dem regen-
ärmsten Gebiete des ganzen europäisch -asiatischen Continents angehört,
noch nicht die Hälfte.
Dagegen sind die innerhalb der Tagesperiode in Nukuss zum Aus-
tausch kommenden Wärmemengen jedenfalls erheblich grösser als sie
zur Verdunstung der mittleren täglichen Regenmenge daselbst erforder-
lich wären.
Hiebei darf freilich nicht vergessen werden, dass die zur Ver-
dunstung verbrauchten Wärmemengen theilweise schon in den 'Tem-
peraturen der obersten Schichten zur Geltung kommen, so dass die
im Boden ausgetauschten Wärmemengen in Folge dieses Umstandes
schon etwas kleiner erscheinen müssen, als sie wirklich sind.
I S, v. LierengerG, Über den gegenwärtigen Stand der Bodenphysik. Worsv,
Forschungen Bd. I S. 3 ff. 1878. Ferner C. Lang, Wärmecapaeität der Bodenconsti-
tuanten. Ebenda S.ı0g ff. Vergl. auch A. Scamivr, Schriften d. physik.-ökon. Ges,
zu Königsberg i. Pr. XXXI S. ı23.
105°
1178 Sitzung der phys.-math. Classe v. 22.Dec. — Mittheilung v. 28. Mai 1891.
Die in dem zweiten Abschnitt dieser Abhandlung durchgeführten
Untersuchungen haben zu den nachstehenden Ergebnissen geführt:
»Die in dem festen Erdboden zum Austausch kommenden Wärme-
»mengen sind im Allgemeinen klein gegen diejenigen, welche zur
» Verdunstung der Niederschläge erforderlich sind.
»Zur Bestimmung der innerhalb der Jahresperiode im Erdboden
»ausgetauschten Wärmemengen genügt in mittleren Breiten die Kenntniss
»der Bodentemperaturen im Frühjahr und Herbst, im Verein mit der
»Kenntniss der Wärmecapaecität der Volumeneinheit des betreffenden
» Bodens. «
Hiebei sind jedoch die nachstehenden Punkte zu berücksichtigen:
Die Bodentemperaturen sind wenigstens in den genannten Jahres-
zeiten, mindestens für Dekaden, noch besser für Pentaden, zu ermitteln.
unter der Erdoberfläche be-
em
Die Beobachtungen sollten in 5
ginnen und sich mindestens auf 6” Tiefe erstrecken.
Innerhalb der obersten ı” mächtigen Schicht ist die Temperatur
mindestens an drei Stellen zu ermitteln und zwar so, dass die Ent-
fernung der aufeinanderfolgenden Thermometer mit der Annäherung
an die Erdoberfläche immer abnimmt.
»Zur Bestimmung des täglichen Wärmeaustausches sind wenigstens
»in den Stunden nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang
»stündliche Beobachtungen jener Thermometer nothwendig, auf welche
»die tägliche Periode ihren Einfluss äussert.«
Noch wünschenswerther wären Registrirungen aus diesen Schichten,
doch gelangen die letzteren erst dann zu ihrer vollen Bedeutung,
wenn es sich ermöglichen lässt, zugleich, sei es auch nur in grösseren
Intervallen, fortlaufende Bestimmungen der Wärmecapaeität der Vo-
lumeneinheit in diesen Schiehten anzustellen, bez. sieh über den Wasser-
gehalt derselben zu unterrichten.
Überhaupt erhalten alle Messungen von Bodentemperaturen erst
dann ihren wahren Werth, wenn zugleich die Wärmecapaeität der
Volumeneinheit des betreffenden Bodens, und zwar bei mittlerer
Durchfeuchtung, direet bestimmt wird.
Es wäre ausserordentlich wünschenswerth, wenn diese Bestim-
mungen für alle Orte, von denen bereits Bodentemperaturen vorliegen,
noch nachträglich ausgeführt würden.
Ausgegeben am 12. Januar 1893.
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
22. December. Sitzung der philosophisch -historischen Classe.
Vorsitzender Secretar: Hr. Mommsen.
Hr. Currius las: Die Deichbauten der Minyer.
Die Mittheilung folgt umstehend.
VE >
Be
A
<
F
1181
Die Deichbauten der Minyer.
Von E. Currius.
Mit einer Karte der Kopais von Dr. J. A. Kaurerr (Taf. VIII).
B; ist eine merkwürdige Thatsache in der Geschichte unserer Alter-
thumsstudien, dass ein einzelner Stamm der hellenischen Vorzeit,
welcher bis dahin keine besondere Beachtung erweckt hatte, gleich-
zeitig von zwei hervorragenden Forschern zum Gegenstande eigener
Schriften gemacht wurde. Im Jahre 1820 trug Burrmann der Akademie
der Wissenschaften seine Abhandlung über die Minyer vor und in
demselben Jahre veröffentlichte K. ©. Mürrer sein Buch über Orcho-
menos. Beide Gelehrten schrieben vollkommen unabhängig von ein-
ander und kamen zu sehr verschiedenen Ergebnissen. BUTTMAnN
betrachtet die Minyer als einen mythischen Stamm der Legende,
welehem nieht mehr geschichtlicher Inhalt zu Grunde liege als den
Lapithen und Kentauren; MürLrr erkannte in den böotischen Königs-
sagen einen festen Kern von Geschichte und stützte sich dabei auf
die Denkmäler, welche damals zu Tage getreten waren, namentlich
auf den durch Lord Erem aufgegrabenen Kuppelbau des Minyas. In
ein neues Stadium trat die von den beiden Gelehrten angeregte Unter-
suchung, als Hr. vox Proxzscn den mit Inschriften bedeckten Kalk-
felsen bei Hag. Stephanos in Santorin entdeckte und Böckn 1836 die
akademische Abhandlung über die theräischen Inschriften vorlegte.
Der Meister verstand es, aus den eingekritzelten Namenreihen histo-
rische Schlüsse von grosser Tragweite zu ziehen und in Ortsnamen
wie in Gottesdiensten die weitverbreitete Wirksamkeit der Minyer
nachzuweisen. 1840 besuchte Mürzer selbst die Denkmäler der Stadt,
über deren Geschichte er sein erstes Buch geschrieben hatte, und
wenig Jahre später folgte seinen Spuren Urrıcns, der erste Gelehrte,
der mit voller Musse die Landschaften Mittelgriechenlands durch-
forschte. In seinen »Reisen und Forschungen« (1840) wurde von dem
wichtigsten Schauplatz minyscher Vorzeit zuerst ein zusammenhängendes
und anschäuliches Bild gegeben. Die Denkmälerkunde machte seitdem
keinen Fortschritt; ja die wichtigsten der von Lord Erem entdeekten
1182 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 22. December.
Überreste wurden ı867 für die Herstellung von Neubauten vernichtet,
bis noch in letzter Stunde ScHLiEmann veranlasst wurde, auch auf
böotischem Boden die geschichtliche Bedeutung der Heroenzeit auf-
zudecken. 1880, 1881, 1886 erfolgte die Ausgrabung des Kuppel-
grabes, welche, wenn auch unfertig gelassen, dennoch unsere Kenntniss
der heroischen Vorzeit in wesentlichen Punkten gefördert hat. Endlich
ist in den letzten Jahren die Geschichte der Minyer durch ganz neue
Entdeckungen erhellt worden, welche alle früheren Ergebnisse weit
überragen: denn sie stellen uns nicht einzelne Gründungen und Bauten
vor Augen, sondern ein weitverzweigtes, in sich zusammenhängendes
grosses Werk antiker Cultur, wodurch eine ganze Periode vorzeitlicher
Landesgeschichte in ein klares Licht gestellt wird.
Das Thalbecken der Kopais kennen wir in der Geschichte nur
als ein ungesundes und dem Anbau widerstrebendes Sumpfland. Von
Pherekrates, dem Dichter der alten Komödie, haben wir das ge-
flügelte Wort: »Bist du verständig, geh nieht nach Böotien« (MEINExE,
Fragm. Com. II 343) und Orrrıep Mürter’s Tod wurde von den grie-
chischen Ärzten damit in Verbindung gebracht, dass wir ‚auf unserer
Reise im Sommer 1840 durch Verspätung gezwungen waren, eine
Nacht innerhalb des Dunstkreises der sumpfigen Niederung unter freiem
Himmel zuzubringen; die Hirten stellten einen Kreis von Büffeln um
unser Lager herum, um uns dadurch vor Stechmücken zu schützen.
In diesem unheimlichen und verödeten Zustande hat die Regierung
des Königreiches das böotische Binnenland aus den Händen der Türken
empfangen. Sie ist unablässig bestrebt gewesen, den Übelständen
abzuhelfen, den Abfluss des stockenden Wassers zu regeln, die natür-
lichen Abzugshöhlen zu reinigen; aber alle vereinzelten Maassregeln
erwiesen sich wirkungslos und die Gitter, welche man vor den Abzugs-
höhlen anbrachte, um ihre Verstopfung zu verhindern, wurden von
dem steigenden Wasser in die Höhlen hinabgerissen. Endlich hat
man sich entschlossen die Trockenlegung der Kopais als eine Gesammt-
aufgabe den Bemühungen einer Gesellschaft französischer Ingenieure
zu übergeben." Über die Ergebnisse ihrer mehrjährigen umfassenden
Arbeiten ist im letzten Heft des Bull. de corr. hell. ein erster Bericht
von Hrn. Kamranıs veröffentlicht; zugleich eine Karte von Hrn. LALLıEr,
welche, von Hrn. Dr. Kaurerr bearbeitet, diesem Aufsatze beigegeben
ist. Diese Karte und der darauf bezügliche Bericht der französischen
Techniker sind jetzt die wichtigsten Urkunden zur Geschichte der
alten Minyer.
! In den »Mittheilungen der Geographischen Gesellschaft«, Wien 1892, Nr. 7—8
ist unter dem Titel »Sumpf- und Seebildungen in Griechenland« von Franz Kraus
über die technischen Arbeiten der Franzosen gehandelt.
Schilf und Buschwerk, das den Seeboden überwuchert.
Die dritte Leitung (canal de la rive droite) ist von ihrem Anfang
bei Marmura — 2"” vom Sumpfrande — deutlich zu verfolgen. Sie
hatte die kleinen Zuflüsse des Südufers, die von Koroneia (Phalaros,
Koralios), den Lophis von Haliartos und das Quellwasser der Tilphusa
ar Rgsber. d. Berl. Akad. d. Wiss 1892.
Bearb. u. ae aller auf Crund der französischen Karte in 1:2.00000 Die e Er RER ER
v. JA Kaupert. Feen, Aeste der Deich-u. Canalbauten im Seeboden.
ET ER TE BR Schwarz bezeichnet sind die gegenwärtigen Orts-u_Bergnamen
. it 5 = 3 30 E sw Yeinche Curtius :Die Deichbauten der Minyer. u.Wege.
Currius: Die Deichbauten der Minyer. 1183
Das grosse Werk war ein dreifaches. Zuerst galt es die Wasser-
masse des Kephisos und des Melas, welche ihrer Nähe wegen aus-
einander zu halten unmöglich war, durch die tiefste Senkung des
Thalbodens am Nordrande hindurch zu führen. Das ist der so-
genannte Canal de la rive gauche. Hier war die grösste Wasser-
masse zu bewältigen. Der Kephisos strömt, wenn der Winterschnee
am Parnassos schmilzt, mit steigender Fluth in den eingeschlossenen
Bergkessel, der wesentlich durch ihn zum Seeboden wird; daher auch
seit ältester Zeit der kephisische See genannt. Der Melas (Schwarz-
bach), am nordwestlichen Seerande, nördlich von Orchomenos, aus
reichen Quellen gebildet, ist ein träge fliessendes Wasser, welches das
Jahr hindurch mit gleicher Fülle den Moorboden durchzieht. Beide
Gewässer werden durch fächerartig sich ausbreitende Deiche auf-
gefangen, in kanalisirtem Bette am Nordrande des Seethals entlang
geführt, dessen linkes Ufer dureh das natürliche Steilufer gebildet
wurde, das rechte aber durch einen starken Deich. Er geht hinter
der Insel Stroviki vorbei, wendet sich bei dem alten Kopai (Topölia)
vom Ufer ab und schneidet, von hier ab an beiden Seiten eingedämmt,
die östliche Bucht in der Richtung auf die geräumigsten aller Abzugs-
höhlen, im Ostwinkel der langgestreckten Bucht. So ist das Fluss-
wasser, das oberhalb des Sees seiner natürlichen Strömung über-
lassen werden konnte, südlich von Orchomenos ein erst einseitiger,
dann doppelseitiger Kanal geworden, dessen ursprüngliche Tiefe sich
aus der Masse des zu den Deichen benutzten Materials abschätzen lässt.
Die untere Breite der Deiche wird auf 40 — 50” berechnet, die er-
haltene Höhe auf ı"50.
Die zweite Leitung (canal central) hat ihren Anfang bei dem
Dorf Rakhi. Auch ihre Dämme erweitern sich fächerförmig nach
der Landseite, um das Wasser wie in einen Triehter zu fassen. Sie
war bestimmt, die Gewässer vom Helikon aufzunehmen, namentlich
die Herkyna von Lebadeia, und zugleich die unterirdischen Quellen,
welehe in der Südwestecke des Seethals auftauchen. Sie geht durch
die Mitte des Seebeckens; das Kanalbett ist verschüttet, die Dämme
sind siehtbar geblieben, bei denen nach den Ergebnissen der Techniker
auf einen Meter Länge 100°”" Erde verwendet worden sind. In der
Mitte des Beckens werden die Spuren des eingedeichten Kanals un-
kenntlicher; sie verlieren sich in undurchdringlichem Dickicht von
Schilf und Buschwerk, das den Seeboden überwuchert.
Die dritte Leitung (canal de la rive droite) ist von ihrem Anfang
bei Marmura — 2°” vom Sumpfrande — deutlich zu verfolgen. Sie
hatte die kleinen Zuflüsse des Südufers, die von Koroneia (Phalaros,
Koralios), den Lophis von Haliartos und das Quellwasser der Tilphusa
1184 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 22. December.
aufzunehmen. Sie zieht sich in geringer Entfernung um die Abhänge
des Sphinxberges herum und fliesst dann, am Rande des Östufers
mit dem Central-Kanale vereinigt, der Bucht von Topolia zu. Kopai
gegenüber bei der Felsinsel Gla, gehen alle drei Kanäle zusammen
den grossen Katabothren zu. Dort, wo die Kanäle sich einst ver-
banden, waren die Arbeiten mit ganz besonderer, wie die Techniker
urtheilen, übertriebener Solidität ausgeführt. Die mächtigen Deiche,
die sich nach aussen mit flacher Böschung abdachen, sind nach innen,
wo der Wasserschwall andrängte, mit Polygonmauern unterstützt, deren
zum Theil wohlerhaltene Stücke unverkennbar dem ältesten Baustil
von Tiryns und Mykenai gleichen.
Die Katabothren, die für Sage und Geschichte so wichtige Natur-
form des hellenischen Bodens, sind von FORCHHAMMER in seinen Hellenika
zuerst in den Kreis unserer Alterthumsstudien gezogen worden. Neuer-
dings haben sich die französischen Geologen mehrfach mit denselben
beschäftigt und auch die der Kopais sind von Hrn. SavvacE! unter-
sucht worden; es liegen uns aber bis jetzt noch keine ausführlicheren
Mittheilungen vor.
So bleiben wir einstweilen noch ohne nähere Einsicht in Betreff
der unterirdischen Verbindungen der Kopais mit dem Meere sowie
mit den östlich gelegenen Seethälern, dem hylischen und dem See
Paralimni, welche beide nach alten Beobachtungen mit der Kopais
steigen und sinken. Zu den schon jetzt vorliegenden Thatsachen ge-
hört der Nachweis, dass in der Richtung auf das Kephalari bei Larymna
ein künstlicher Tunnel durch den Höhenrücken geht, welcher aber
nur zwei Kilometer weit ausgeführt worden ist. Zum Bau dieses Tunnels
haben, wie die Untersuchungen des Hrn. SauvacE zeigen, die sechzehn
Schachte gedient, welche in gewundener Linie der 'Thalsohle folgen.
Der tiefste derselben geht 35" auf den unterirdischen Gang hinunter.
Andere unvollendete Versuche künstlicher Ableitung sind auch
an anderen Stellen gefunden, und zwar in Form oberirdischer Kanäle,
so am llügel von Karditza bei Moriki und am Meeresrande beim alten
Anthedon: die betreffenden Punkte sind auf der Karte bezeichnet.
Auch in Beziehung auf die Werke im Innern des Seethals ent-
halten wir uns billig eines näheren Eingehens auf die Technik der
Anlagen, da die gegebenen Berichte nur vorläufiger Art sind und
genaue Aufnahmen noch fehlen. Das Ganze liegt aber schon jetzt
mit erfreulicher Klarheit vor Augen und wir sehen, wie die Alten
nach langem Ringen mit den schwierigsten Naturverhältnissen end-
! Öbservations sur la geologie d’une partie de la Grece confinentale et de l'ile
d’Eubee. (Annales des Mines, 1V® Serie, Tome X, p. 101.)
een
Curris: Die Deichbauten der Minyer. 1185
lich dahin gelangt sind, ein Werk herzustellen, welches erprobte
Wassertechniker unserer Tage als eine unübertreffliche Leistung in
seiner Gesammtanlage sowohl wie in der Ausführung des Einzelnen
mit Bewunderung anerkannt haben.
Die ganze Anlage ist auch dem Laien eine durehaus verständliche,
denn ihre Genialität beruht wesentlich darauf, dass ein schwieriges
Problem der Landescultur auf die einfachste Weise endgültig erledigt
worden ist. Es galt -eine Bodenfläche von 239°” (= 4.365 geogr.
Quadratmeilen) dem menschlichen Anbau zu sichern; die regellosen
Wasserläufe und stockenden Quellen mussten in geordneten Fluss ge-
bracht werden, um den durch die Fülle des Wassers veranlassten
Unsegen in Segen zu verwandeln. Zu dem Zwecke hat man dem
qkm
Kephisos, dem von Natur zur Beherrschung des Thalgebietes berufenen
Strome, seine Hegemonie zurückgegeben, und die abtrünnigen Bäche
von SW. und S., welche sein Bett nicht erreichen konnten, wieder
mit ihm vereinigt, so dass dort, wo das runde Seebecken selbst in Form
eines langgestreckten Flussthals nach Osten ausläuft, der Kephisos mit
gesammelter Wasserkraft in gerader Linie den grossen Katabothren
zuströmt, um am jenseitigen Fusse der einschliessenden Felsberge in
das Meer von Euboia zu münden.
Am Rande der Bucht finden sich neun Abzugshöhlen; der Ab-
fluss aber ist wesentlich ein zwiefacher. Im äussersten Ostwinkel
öffnet sich die »grosse Katabothra«, welche einen Theil des Gewässers
gerade nach Osten in die Meeresbucht von Skroponeri führt; nördlich
liegen die Zwillingsgrotten der Bineia, deren unterirdischer Gang sich
nordwärts bei Anchoe öffnet, und hier taucht der parnassische Fluss
nach seinem abenteuervollen Laufe als Kephisos neugeboren aus der
Tiefe hervor und strömt im Frühjahr reichlich nach Larymna hinunter.
Den neugriechischen Namen Mriyvas hat Urrıens, wie ich glaube,
richtig auf eurivev zurückgeführt; ein Name, der die das Wasser auf-
trinkende oder einschlürfende Höhle passend bezeichnet.
Der Anschluss an die Natur giebt sich auch darin zu erkennen,
dass man alle von derselben dargebotenen Hülfen sorgfältig und ver-
ständig benutzte. Man zählt aber im Ganzen einige zwanzig Kata-
bothren, welche am Ostrande der Kopais, dem ein vielfach zerrissenes
und zerklüftetes Steilufer eigenthümlich ist, in langer Reihe vertheilt
sind. Hier haben sich im Laufe von Jahrhunderten durch Alluvion
hohe Ränder vor den Mündungen der Höhlen gebildet, die dem
Wasser den Eingang sperren. Dagegen sind im Alterthum noch
heute kenntliche Gräben angelegt worden, welche das Anstauen des
! Uber die Terminologie alter und neuer Zeit vergl. Peloponnesos I S. 56.
1186 Sitzung der philosophisch historischen Classe vom 22. December.
Wassers verhindern und auch die kleinsten Wasseradern den nächsten
Katabothren zuleiten. So namentlich am südöstlichen Rande bei
Haliartos.
Eine andere, aber unwesentlichere Nachhülfe war die, dass man
die Mündungen der Höhlen zur Aufnahme des Wassers erweiterte;
senkrechte Bearbeitung der Höhlenwände ist an mehreren Stellen be-
obachtet worden.
Als das ganze Kanalsystem vollendet war, konnten nur noch in
einzelnen Buchten. welche zwischen den Kanälen und dem Seeufer
lagen, Reste des alten Sumpfsees sich erhalten. Diese Buchten wurden
bei ihrem Eingange durch besondere Dämme geschützt, wie dies bei
der Bucht von Akraiphia der Fall war, die wir als das athamantische
Feld des Alterthums ansehen dürfen.
Wo die Natur den Menschen so entgegengekommen ist, um das
schwierige Landgebiet zu einem gedeihlichen Anbau tauglich zu machen,
lag es den Alten fern, ganz neue Vorkehrungen zu diesen Zwecke
zu veranstalten. Wenn uns also durch die letzten Entdeckungen ein
Felstunnel bekannt geworden ist, der die natürlichen Höhleneingänge
theilweise überflüssig machen sollte, so glaube ich nicht zu irren,
wenn ich diese Arbeiten der makedonischen Zeit zuschreihe, als man sich
von der Natur immer mehr entfernte und eigenwillig, mit mechanischen
Mitteln, in die Bodenverhältnisse eingriff. Schon Alexander hat die
böotischen Culturarbeiten von neuem in Angriff genommen, wie wir
aus dem Briefe des berühmten Ingenieurs Krates an den König wissen
(Strabo p. 407). Krates meldet, dass seine Arbeiten an der Uneinigkeit
der umliegenden Städte gescheitert seien; es ist mir also wahrscheinlich,
dass der Anfang des Tunnels und die 16 Schachte dieser Zeit an-
gehören. Ganz entsprechend ist der Tunnelbau, den die Römer am
Fueinersee gemacht haben.
Ein grosses Werk, planmässig ausgeführt, in einer Zeit von
einer mächtigen Gentralstelle aus durchgeführt, wo man die reichsten
Mittel hatte und Werkleute, die im Deich- und Dammbau erfahren
waren. Bei aller Fülle der Mittel doch eine weise Oekonomie, die
sich besonders darin zeigt, dass man sich an der Nordseite mit einem
Deiche zu begnügen wusste. Auch am Südrande scheint nur auf
einer Seite, und zwar hier auf der Landseite, ein Schutzdeich gewesen
zulsein.
Es leuchtet ein, von welcher geschichtlichen Bedeutung die in
der Kopais gemachten Entdeckungen sind. Es sind auch ohne Schrift
redende Denkmäler der Vorzeit. Sie ergänzen in denkwürdiger Weise
die bisher zu Tage getretenen Monumente des heroischen Zeitalters.
welche sämmtlich den Herrenburgen angehören und den lebenden
Currius: Die Deichbauten der Minyer. 1187
Herrschern zu Schutz und Trutz sowie zur Ausstattung ihrer Paläste,
den Verstorbenen zu unvergänglicher Ehre bestimmt waren. Hier
haben wir ein grosses Werk gemeinnütziger Landescultur, ein Denk-
mal friedlieher Verwaltung, und wenn auch nicht die wiederaufge-
fundenen Überreste polygoner Futtermauern für das Zeitalter von
Tiryns und Mykenai zeugten, so kann man bei dem ganzen Werke,
das, wie aus einem Guss gemacht uns jetzt vor Augen liegt, nur an
die Zeit denken, von der in den Homerischen Gedichten ein ferner,
aber deutlicher Nachklang erhalten ist, an die Zeit der Blüthe des
minyschen Orchomenos. Was dem, der jetzt die verödeten Sumpf-
gelände umwandert, wie ein Märchen erscheinen muss, dass sie einst
eine wohlhabende Landschaft von einem dichten Kranze blühender
Städte umgeben gewesen seien, tritt uns jetzt als ein historisches
Bild anschaulich vor Augen.
Die Minyer haben, wie Strabo glaubwürdig berichtet, erst am
Südrande des Seebeckens gesessen und sind dann an den Fuss des
Akontion übergesiedelt, wo sie die Herrschaft des ganzen Landgebietes
errangen. Es ist die erste Stadt des griechischen Binnenlandes, die
wir in grossartigen Überresten des höchsten Alterthums nachweisen
können; es ist eine Stadtlage einzig in ihrer Art, wie bereits die
Alten erkannten; denn auf der einen Seite zieht sich der Strom des
Kephisos in gewundenem Schlangenlauf um den Fuss der Burg, erıy-
uevos eicı Opaxwv Ws Hesiod bei Strabo 424. auf der andern taucht
der Melas auf, der gleich aus der Quelle zum Flusse wird; es ist
der unvergleichliche Quellort der Chariten, der Schutzgottheiten der
altgeborenen Minyer, wie sie Pıspar Ol. XIV nennt, der erste Sammel-
ort böotischer Landesteste.
Wenn man also wohl über Ortrrıep MÜLLERS » Orchomenos «
spötteln konnte, als wenn er in abenteuerlicher Weise für seine Minyer
ein ausgedehntes Reich ersonnen habe, so ist seine Anschauung jetzt
voll gerechtfertigt. Beim Eintritt der beiden Hauptgewässer in das
Seethal herrschend gelegen, war Orchomenos berufen, den Segen zu
erkennen, welehen für den Wohlstand der Landschaft diese im öst-
lichen Griechenland beispiellose Fülle von Wasser. schaffen könne,
wenn sie mit Energie und sachkundiger Technik behandelt würde.
Dämme und Deiche sicherten die zu beiden Seiten liegenden Weide-
und Ackerfluren der umwohnenden Gemeinden. Die Deiche waren
schon während der grossen Arbeit unentbehrliche Transportbahnen und
nach ihrer Vollendung bildeten sie, während der Reisende jetzt auf
beschwerlichen Umwegen das weite Thal umwandern muss, ein Netz
bequemer Verkehrswege von einer Uferstation zur andern. So wurde,
was schon den Alten wie eine Fabel klingen musste, Orchomenos
\ “9 A . c > oc
1188 Sitzung der philosophisch -historischen Classe vom 22. December.
eine der belebtesten Verkehrsstädte des Alterthums, wo man von ver-
schollenen Menschen, wie Orestes, am ehesten Kunde zu erlangen
hoffen konnte, die goldreiche Königsstadt, in der so viel Einkünfte
zusammenströmen, wie in dem hundertthorigen Theben; darum konnte
man sich auch den alten Grabbau, dessen würdevolle Ausstattung wir
erst durch Senruıemann näher kennen gelernt haben, nur als die Schatz-
kammer des reichen Minyas denken. Das Bild dieser alten Landes-
hauptstadt tritt uns jetzt erst in geschichtlicher Wirklichkeit vor Augen.
Auf dem breiten Rücken der Deiche haben die französischen Techniker
auch Spuren alter Anlagen gefunden, so z. B. eines Tumulus, und
wenn diese Beobachtung richtig ist, so waren auch hier, wie an be-
suchten Verkehrsstrassen, Grabhügel auf den Deichen aufgeschüttet.
Bei solehen Werken handelt es sich nicht nur um Macht und Mittel,
sondern um eine langerprobte Technik.
Die Minyer kennen wir nur als ein Seevolk,;, und wenn ihr
glänzendster Wohnsitz ein binnenländischer war, so ist dies nur so
zu erklären, dass sie, von der Küste kommend, hier einen Thalgrund
erkannten, der bei weiser Bewirthschaftung zu einem hervorragenden
Wohlstande sich entwickeln konnte. Die Argonauten sind Minyer;
an der Küste von Attica, in Euboia, am Euripos, in Thessalien kennen
wir ihre Stationen. Sie waren einer der doppelseitigen Stämme
griechischer Vorzeit. Das hat schon Burrmann (was mir früher ent-
gangen war) bei der Person des Erginos deutlich anerkannt, des
minyschen Königs, der in Milet zu Hause ist; denn er spricht (Mytho-
logus II S. 210) seine Ansicht dahin aus, dass Ionier und Achäer vor
uralten Zeiten auf beiden Seiten des ägäischen Meeres und auf vielen
Inseln ansässig gewesen seien. So sehr es also auch seiner geistigen
Richtung entsprach, den Inhalt der Heroensage mythologisch zu ver-
flüchtigen, gehört er dennoch in die Reihe der Forscher, die ich
von der Zeit des Uasaubonus bis auf unsere Tage zusammengestellt
habe (Griech. Gesch. I° S.637. Hermes 25, ı51 £.), der Männer, welche
der natürlichen Gestaltung der Insel- und Küstenwelt gemäss, in den
Wechselbeziehungen der Gegengestade die Anfänge aller Cultur- und
Staatenbildung erkannten.
Wir finden zuerst die Uferbazare und Emporien der Phönizier,
welche in Heiligthümern, Ortsnamen und Industriezweigen zu er-
kennen sind. Den stammfremden Nationen sind Mischvölker gefolgt,
wie Karer und Leleger. deren schwärmende Züge auf Küsten und Inseln
ihre Spuren zurückgelassen haben; endlich die Ansiedlungen stamm-
verwandter Völker, die, von ritterlichen Geschlechtern geleitet, Städte
und Staaten in Hellas gegründet haben, von denen die Denkmäler
zeugen. Es liegt in der Natur der Verhältnisse, dass die jenseitigen
Currius: Die Deichbauten der Minyer. 1189
Ausgangspunkte dunkel bleiben, wie es bei abenteuernden Seevölkern
nicht anders sein kann; was uns aber bei unserer so rasch erweiterten
Kenntniss vorzeitlicher Denkmäler immer mehr wie ein Entwickelungs-
gesetz entgegentritt, das ist die Thatsache, dass mit dem Übertritt
auf den diesseitigen Boden eine wesentlich höhere Entfaltung volks-
thümlicher Kraft erfolet ist. Denn wenn auch die in den Denk-
mälern bezeugte Kunst auf jenseitiger Gultur und herübergebrachten
Mitteln beruht, so ist doch unseres Wissens in der überseeischen
Heimath nichts zu Stande gekommen, was mit den Baudenkmälern
auf europäischem Ufer wetteifern könnte.
Der Minyer asiatische Herkunft, die schon Burrmann erkannte, hat
Böck bei den theräischen Inschriften näher besprochen und sieh ihre
Züge ähnlich wie die der aus Lydien stammenden Tyrrhener gedacht.
Er hat zugleich die bei Niederlassungen der Minyer wiederkehrenden
Ortsnamen benutzt, um ihre Wanderzüge sicherer zu erkennen: sie
sind zugleich ein deutliches Zeugniss von der den Hellenen verwandten
Nationalität der Minyer. Endlich führt auf die asiatischen Wohn-
sitze des Stammes auch die örtliche Überlieferung von Tralles: dort
bestand nach Plut. quaest. graee. 46 ein Gesetz, welches bestimmte,
dass, wer einen Minyer oder Leleger todtgeschlagen habe. rein sein
solle, wenn er den Verwandten einen Scheffel Feldfrucht zugemessen
habe. Hier finden wir also die Minyer mit den Lelegern als einen
Rest alter Einwohner, welche von den Stadtgründern in den Zustand
einer untergeordneten Landbevölkerung gebracht wurden, nachdem die
ritterlichen Geschlechter in die Ferne ausgewandert waren. Sie waren
wie die Aeolier in Thessalien zu Penesten geworden.
Was die Minyer aus ihrer jenseitigen Heimath an Cultur mit-
gebracht haben, können wir aus ihren Denkmälern erkennen. Wasser-
bau ist eine Kunst, die nur unter besonderen Verhältnissen erlernt
wird. Auch in Deutschland haben Ausländer sie eingeführt, wie die
Friesen in Schleswig-Holstein die reichen Marschländer bebauen
lehrten (Wartz: Geschichte von Schleswig-Holstein S. 91). Bei den
Griechen war der älteste auf diese Technik hinweisende Ausdruck:
yedvpa, ein aus einheimischer Wurzel unerklärliches Wort. welches
in verschiedenen peloponnesischen und böotischen Localformen vor-
kommt und zwar zunächst in der Bedeutung künstlicher Einfassung von
Flüssen und Seen. Die Werkmeister heissen Gephyräer; man kannte
sie in Böotien ansässig, namentlich in dem sumpfigen Asoposthale,
wohnhaft &v oyedizıs zunaıs (Etym. M.; Preuver: Demeter p- 392); das
sind leicht gebaute, durch Deiche geschützte Dörfer im Gegensätze
zu den Stadtburgen. Sie dürfen ihrem Namen gemäss als die typischen
Urheber der böotischen Deiche und Dammwege angesehen werden,
1190 Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 22. December.
Nach alter Überlieferung sind sie, aus Böotien verdrängt, in Athen
zu ungleichen Rechten aufgenommen worden und haben den Cha-
rakter des Fremdartigen immer in besonderem Grade behalten. Auch
das Adjectiv yedypis wird als Synonym von £em, Eraioaxros angeführt
(Suidas). Depus« (der ältere Name des böotischen Tanagra) kennen
wir als Stadt in Syrien; Tepvowry in Libyen. Im Nildelta, wo alle
Städte auf Dämmen liegen und alle Gewässer künstlich gefasst sind,
war Deichbau seit ältester Zeit zu Hause.
Die Techniker des Wasserbaues haben nach Herodot auch die Kunst
der Schrift zu den Griechen gebracht. Er ist den Spuren dieses Ge-
schlechts mit besonderer Wissbegierde sorgfältig nachgegangen, und
wenn er die Herkunft der attischen Gephyräer, welche sich selbst
aus Eretria ableiteten, über Euboia hinaus nach dem Morgenlande
verfolgte, so ist diese Ansicht nicht dadurch zu widerlegen, dass man
darin einen Widerspruch gegen die Familientradition erkennt; denn
dass die Gephyräer, denen Harmodios und Aristogeiton angehörten,
die Wurzel ihres Stammes nicht im fernen Osten suchen wollten, das
begreift sich leicht, wenn man die seit der homerischen Zeit tief-
gewurzelte Abneigung der Hellenen gegen alles Semitische erwägt;
man weiss ja auch, dass der alte Geschichtschreiber schwer verlästert
wurde, weil er die Freiheitshelden mit den verhassten Phöniziern in
Beziehung setzte.
Auf keinem Punkte aber kommen, so viel ich sehe, so viel merk-
würdige und von einander durchaus unabhängige Zeugnisse morgenlän-
discher Herkunft zusammen, wie bei diesem vielgewanderten Geschlecht,
und nirgends ist das dem hellenischen Wesen widersprechende Fremd-
ländische so deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Denn als nach
- delphischer Überlieferung die Gephyräer dem Apollo gezehntet wurden,
wurden sie von der Pythia mit dem denkwürdigen Spruche gekenn-
zeichnet: divdpi Tepupaw oixos Qıros, oixos apıores. Das Vorherrschen
von Stamm und Familie im Gegensatz zu Staat und Vaterland gilt
auch heute noch als ein besonderer Charakterzug der Semiten.' So
haben die Entdeckungen in der Kopais, wie ich glaube, auch auf
die Gephyräer ein neues Licht geworfen, welche dem Herrscherstamm
der Minyer als Werkleute dienten, wie die Lykier den Dynasten in
Argos.
Das neuaufgeschlagene Blatt alter Denkmälerkunde wird weitere
Forschungen anregen; ich begnüge mich einige Gesichtspunkte anzu-
deuten.
An grossartiger Pracht kann Orchomenos mit Tiryns und Mykenai
nicht wetteifern. Die Hochstadt der Minyer mit ihrer steilen Fels-
! NÖLDERE, Orientalische Skizzen S. ı2.
Currıus: Die Deichbauten der Minyer. 7291
treppe erscheint mehr wie eine Ritterburg, ein Lug in’s Land. Es
ist ein enger Mauerring, (wie man auch ’Epxeueves mit &pxos in Ver-
bindung gesetzt hat). Dennoch sind die Überreste des Alterthums,
wie wir sie jetzt vor Augen haben, noch charakteristischer und ur-
kundlicher. Auf den Terrassen der argivischen Stadtburgen wird es
schwer sein. alles mit Sicherheit als Überrest einer Zeit nachzuweisen,
und wer wird es in Abrede stellen können, dass noch in einer spä-
teren Zeit, namentlich damals, als die antidorische Bewegung sieg-
reich war, Tyrannen wie Pheidon die alten Achäersitze bewohnt und
neu eingerichtet haben, ebenso wie die Pisistratiden die Akropolis
wieder zum Fürstensitze machten? Der böotische Wasserbau ist, was
auch im Einzelnen daran ausgebessert sein mag, im Grossen und
Ganzen ein einheitliches Werk, das einer Zeit angehört.
Was die Ortslage der Heroensitze betrifft, so unterscheiden wir
solche, die aus Landungsplätzen der Seestämme Fürstensitze geworden
sind (wie die Strandfeste Tiryns und die Burg bei Hissarlik), von
denen, die von Anfang an zur Beherrschung einer Landschaft aus-
erlesene Gentralpunkte waren, wie Mykenai, das durch die Sterren’sche
Aufnahme zuerst als eine zwei Meerseiten und ihre Verkehrsstrassen
beherrschende Stadt erkannt worden ist. So ist auch Orchomenos
ein Centralpunkt, der nicht auf den ersten Griff gewonnen werden
konnte, und wenn die Minyer erst im Süden des Thalbeckens sassen,
wo die versunkenen Städte Athen und Eleusis genannt werden, so
dürfen wir, den Forschungen Böckr's nachgehend, der die Minyer-
namen von Thera nach dem attischen Ufer verfolgt hat, wohl die
Vermuthung aussprechen, dass die Minyer von Attika weiter nach
Süd-Böotien vorgedrungen sind.
Die anderen Einwanderungen des Seestammes erfolgten vom
Euripos, (dessen stilles Fahrwasser nicht weniger geeignet war, die
jenseitigen Seevölker anzulocken, wie der Golf von Argos) und vom
thessalischen Meere, wo wir die Bucht von lolkos als die älteste
Station diesseitiger Seefahrt kennen.
Von diesen drei Seeküsten aus denken wir uns die Minyer in das
Binnenland vordringend, wo sie unerwartet eine Landschaft fanden,
die ihren klugen Unternehmungsgeist. in ausserordentlicher Weise an-
regte. Die Überreste ihrer W erkthätigkeit sind in ihrer Art ungleich
lehrreicher und ergiebiger als die argivischen Königsbauten, indem
wir ein ganzes Landgebiet von dem eingewanderten Fürstengeschlechte
mit hervorragender Weisheit und Energie organisirt sehen, eine Land-
schaft von waldreiehen Gebirgen schützend umgeben, mit unerschöpf-
lichem Weideland und reichen Ackerfluren mitten im Lande, zur
Fischerei vorzüglich geeignet, mit einem bequemen Netze von Wasser-
Sitzungsberichte 1892. 106
!192 Sitzung der philosophisch - historischen Classe vom 22. Decembe:.
und Landstrassen. Wir würden also. wenn wir auch nichts von
den Schätzen des Minyas bei Homer gehört hätten, doch aus den
Überresten das Bild eines vollgesegneten Landgebiets vor Augen haben.
Was das Verhältniss der herrschenden Städte zu den Heilig-
thümern betrifft, so war hier ein besonders enges Band vorhanden.
Denn ein solches kann doch nicht nachdrücklicher bezeugt werden
als wenn Pindar die in formlosen Steinen verehrten Chariten »Or-
ehomenos’ Königinnen« und Schutzgöttinnen nennt, deren Auge über
den Minyern wacht (Ol. XIV). Dies Heiligthum war nicht so fern
wie das Heraion von Mykenai, aber auch kein Burgheiligthum wie
der Athenatempel in Ilion und in Athen, sondern in der Niederung bei
der Melasquelle, wo des Minyas Grab, in einem Bergwinkel heimlich
und versteekt gelegen, als heiliger Mittelpunkt festlicher Kampfspiele
die Herrschaft der Minyer lange überlebt hat (Pind. Isthm. I.: r0v Mwva
nur).
Die Minyer sind immer Argonauten geblieben. Sie sind der sagen-
reichste Seefahrerstamm, dessen Wanderzügen auch Böckn gegen seine
sonstige Gewohnheit nach 'Thera, Lemnos, Attika, 'Tainaron, Sparta,
Triphylien, Kyrene, Sieilien mit warmer Liebe gefolgt ist, indem er
die wiederkehrenden Gottesdienste des Poseidon, der Unterweltsgott-
heiten, deren Gultus die Lieder der Minyas erfüllte, sowie den Demeter-
dienst an weit entlegenen Stellen nachwies und auch in der böo-
tischen Siebenzahl eine geschichtliche Spur der Minyer erkannte. Als
ein vor allen zur Herrschaft berufener Stamm blieben sie in lebendiger
Erinnerung des Volkes bis in die historische Zeit hinein, so dass, wie
Pausanias berichtet (IV. 3,6), die Aufnahme der Herakliden und Dorier
in Messenien dadurch erleichtert wurde, «dass die neuen Herrscher sich
von den Minyern in lolkos ableiteten (vergl. Peloponn. II, 188). Wie
man Geschlechter der Heroenzeit bei Gründung von Neustaaten heran-
zuziehen suchte, zeigt auch die Berufung des Achäers Agorios aus
Helike nach Pisa (Paus.V. 4, 3).
So glorreich das Andenken der Minyer bei den Griechen war, so
haben wir doch erst durch die neuesten Entdeckungen das Bild ihrer
vorgeschichtlichen Wirksamkeit vor Augen. Der grosse Deichbau der
Kopais, unter sicherer Landeshoheit von Orchomenos ausgeführt, war
ein Friedenswerk. Es ist so wenig wie die anderen Denkmäler der
Heroenzeit aus eigener Schwäche zu Grunde gegangen, sondern durch
absichtliche Zerstörung. Künstliche Wasserbauten sind immer am
meisten zum Schaden der Landesbewohner verwerthet worden, indem
die Schutzwehren des einheimischen Wohlstandes die gefährlichsten
Angriffswaffen kriegerischer Nachbarn wurden. So hat man auch an
unserer Nordsee das Versinken fruchtbarer Ufergelände lange Zeit
\
Currius: Die Deichbauten der Minyer. 1193
Naturgewalten zugeschrieben, während neuere Forschungen gezeigt
haben, dass solche Überschwemmungen, wie die des Dollart bei
Emden nicht dureh Sturmfluthen hervorgerufen, sondern in Folge er-
bitterter Nachbarfehden entstanden sind. (Vergl. FÜürgBrınser, Stadt
Emden, 1892, S. 7.) Als. Theben sich gegen Orchomenos erhob, um
sich aus seiner bis an das Meer reichenden Übermacht zu befreien, hat
auch in Böotien ein soleher Nachbarkrieg begonnen. Der thebanische
Herakles soll die Abzüge der Kopais verstopft und das austliessende
Wasser auf die Felder der Minyer zurückgeleitet haben (Diod. 4, ı8:
Eudpa£os 10 bei >pov EmONTE Auuvalew TAv Kupav Kal bIapyvaı TR Kar ar
aravra). So ist nach böotischer Landessage die blühende Orehomenia
zu einem Sumpfsee geworden, und wir warten jetzt mit Spannung
ab, ob es gelingen wird, der Landschaft den Wohlstand zurück-
zugeben, den sie vor drei bis vier Jahrtausenden unter der Herr-
schaft der Minyer erreicht hatte.
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1195
Jinabhadra’s Jitakalpa,
mit Auszügen aus Siddhasena’s Cürni.
Von Ernst LEUMANN
in Strassburg.
(Vorgelegt von Hrn. Weser am 1. December [s. oben S. 1035|.)
De hier gebotenen Materialien geben uns ein chronologisches Räthsel
auf. Mochte man auch die einheimische Ansicht über das Alter der
beiden im Titel genannten Autoren nicht theilen, man war mit der-
selben doch wenigstens darin einig, dass Siddhasena früher als Jina-
bhadra gelebt habe. Nun zeigt sich ein Commentar des ersteren zu
einem Werke des letzteren, und zwar einer, der sogar noch zwei
frühere Commentare zum selben Werk voraussetzt, indem er einen
von diesen (zu 70°) als ‘den zweiten’ eitirt. Allerdings beruht die
Thatsache, dass unsere Cürni von Siddhasena verfasst sein soll, bloss
auf der Schlussangabe des MS.; allein dieselbe ist durchaus un-
verfänglich, umsomehr als sie (mit dem Ausdruck krti) in eine
Form gekleidet ist, welche schon nach Haribhadra kaum mehr ge-
braucht wird. Weitere Forschungen müssen zeigen, ob wirklich
Jinabhadra und er allein einer so frühen Zeit angehört, wie die
Tradition annimmt.
Der Text ist eine Bussenliste für Jaina-Mönche. In neuerer
Zeit, seitdem nämlich eine ähnliche Bussenliste für die frommen
Laien (Sräddha-Jitakalpa) ' hergestellt worden ist, heisst die unsrige
zum Unterschied von dieser in der Regel Yati-Jitakalpa, so z. B.
in dem samvat 1456 von Sädhuratna dazu verfassten Skt-Commentar.
Jinabhadra giebt als Inhaltsübersicht in Vers4 eine Auf-
zählung der bekannten ‘zehn Bussen’ (dasaviha pacchitta), die man
mancherorts im Canon (z. B. in Aupap. $30T’) genannt findet; seine
Strophe ist eine Adaption der für diese Aufzählung von jeher cur-
! Ein Sävaga-pacchitta in bloss ı6 Pkt-Äryäs folgt in unserm MS. dem
Jitakalpa als eine Art Appendix.
1196 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 22. Dee,
Mittheilung v. 1. Dee.
renten', die bei ihm zur Anknüpfung an das Vorhergehende einfach
die Worte tam dasaviham vorgesetzt bekommen hat. Jeder der zehn
Bussen widmet er eine Anzahl von Versen, am meisten (23—79)
der Fasten -Busse (6). Nach Str. 102 können die beiden letzten Bussen,
der bedingungsweise (9) und der gänzliche” (10) Ausschluss aus dem
Orden, seit Bhadrabähu nicht mehr durch Fasten (6) ersetzt werden,
während früher allerdings (nach Str. 9ı und 100) fortgesetzte Fasten-
übungen als Aequivalent gegolten hatten, wobei sich die erforderliche
Dauer bei Lästerungen (äsäyanä) auf 6—12 Monate und bei geschlecht-
lichen Vergehen (padisevanä) auf 1—ı2 Jahre belief.
Das Werk will nach der Anfangs- und Schluss-Strophe nur ein
samkshepa oder samäsa des Jitakalpa oder Jitavyavahära sein, d. h. eine
summarische Darstellung des gewohnheitsmässigen Straf-
verfahrens’”. Es giebt im Ganzen fünf verschiedene Arten der Straf-
praxis, unter denen jene die letzte ist. Ihre Namen findet man in
Vyavahära-sütra X, 2, wozu das betreffende Bhäshya mehrere hundert
Strophen (X, 50 - 718) beisteuert. Darnach kann das Strafverfahren
r. dem ägama, 2. dem sruta (der Tradition), 3. der äjnä (einem Auftrag),
4. der dhäranä, 5. dem jita (der alt hergebrachten Gewohnheit) folgen.
Indem Nisitha-, Kalpa- und Vyavahära-sütra wesentlich die zweite
Art zur Darstellung bringen, tritt also Jinabhadra’s Versificat diesen
Werken als eine weit jüngere Ergänzung an die Seite, die in der
That in moderner Zeit zuweilen als sechstes Chedasütra aufgefasst
wird. Sie ist nothwendig geworden, weil nach und nach das ‘ge-
wohnheitsmässige” Strafverfahren den andern Vyavahära- Arten gegen-
über die Oberhand gewann, wie aus Vyavah.-bh. X, 690f. zu ersehen ist.
Siddhasena’s Commentar ist durchaus in Pkt abgefasst, während
bekanntlich die eanonischen Cürni-Texte (Avasyaka-, Kalpa- u. s. w.)
zum "Theil in’s Skt übergehen. Er beginnt mit ıı und schliesst mit
2 Gana-Distichen, deren Zeilen meist 8, zuweilen auch 7'/, oder
8'/, Füsse zu 4 Moren haben. Wir werden das Metrum, das im
Jaina-Canon den Namen vedhaya führt, in einem Aufsatz über Nandi-
shena’s Ajitasänti-stava genauer besprechen.
Ausser den identifieirten Citaten aus der Äcärachdä (zu Str. ı)
sowie aus dem Kalpa-bhäshya (zu Str. 71”), Vyavahära-bhäshya,
aloyana ı padikamane 2 misa 3 vivege 4 tahä viussagge 5
tava 6 cheya 7 müla 8 anavatthayä 9 ya pärancie 10 ceva ||
So in Äv.-niry. XIX, 1, Vyavah.-bh. pedh. 53. X, 351, u. s. w.; ferner bei Haribh.
zu Das.-niry. 48, ı, Abhay. zu Sthän. IV, ı, Sänty. zu Ütt. XXX7 31, Hemac. zu
Visesh. V, 779, u. s. w. ? päranciya aus *päräncika von paränc, während bei den
Buddhisten päräjika für *päräcika steht und auf paräc zurückgeht. ® Es heisst
desshalb bei Sädhuratna in der vierten Einleitungsstrophe samkshipta-Jitakalpa.
Leumans: Jinabhadra’s Jitakalpa. 1197
Viseshävasyaka-bhäshya (zu Str.96) und der Ogha-niryukti führt
Siddhasena (zu 46 Anf., 67’ und 92 Anf.) eine Menge anderer Strophen
auf, die wohl meist dem Kalpabhäshya entnommen sind. Von den
Textstrophen giebt er nur die pratika, bloss 97 in extenso.
Die Materialien zu dieser Arbeit verschafften mir Erziehungs-
direetor K. M. CuatrieLn in Bombay und Prof. Buanparkar in Poona.
Jita-Kalpa von Jinabhadra.
Poona Palmbl.-MS. Kielh. Rep. 80/8ı p. 5ı N® 75.
kaya-pavayana-ppanamo voccham paechittadäna-samkhevam
E
samvara-vinijjaräo mokkhassa paho, tavo paho täsim,
Jiyavvavahära-gayam jivassa visohanam paramam
tavaso ya pahän’angam pacchittam, jam ca nänassa
säro caranam, tassa vi nevvänam, carana-sohan’attham ca
pacchittam, tena tayam neyam mokkh’atthinä "vassam
E
tam dasaviham: äloyana ı padikamanöbhaya 2 f. vivega 4 vosagge 5
tava6 cheya7 mülaS anavatthayäg ya pärancie1o ceva
| 4
ı. karanijjä je jogä tes’ uvauttassa niraiyärassa
chaumatthassa visohi jaino äloyanä bhaniyä
5
ähär’äi-gahane taha bahiyä niggamesu 'negesu
uecära-vihäravani-ceiya-jai-vandan’äisu || 6
Jam ec’ annam karanijjam jaino hattha-saya-bähir’äyariyam,
aviyadiyammi asuddho, äloento tayam suddho ||
kärana-viniggayassa ya sa-ganäo para-gan'ägayassa vi ya
uvasampayä-vihäre äloyanam anaiyärassa || s
gutti-samii-pamäe guruno äsäyana vinaya-bhange
icch’äinam akarane lahusa musä’dinna-muechäsu || o_
avihiya käsi-jambhiya-khuya-väyasamkilitthakammesu
kandappa-häsa-vikahä-kasäya-visayanusange ya
khaliyassa ya. savvattha vi himsam anävajjao jayantassa
sahasä 'näbhogena va micchakkäro padikkamanam || :
äbhogena vi tanuesu neha-bhaya-soga-bäus’äisu
kandappa-häsa-vikah’äie ya neyam padikkamanam ||:
3. sambhama-bhay’äur’ävai sahasa anäbhog’ anappa-vasao vä
savva-vvayaiyäre tad-ubhayam äsankie ceva || »
duceintiya dubbhäsiya duecetthiya evam-äiyam bahuso
uvautto vi na jänai jam devasiy’äi-aiyäram || 14
savvesu vi biya-pae damsana-näna-caranavarähesu
äuttassa tadubhayam sahasakkär’äinä ceva |
[87
| oo
15
ı0 Anf. °hie käsa jimbh°; (C wie oben.) 13 Anf. -vay°, auch C.
ı4> yäan° C. 15 Anf. ya statt vi C.
1198 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 22. Dee. — Mittheilung v. 1. Dee.
4.
II.
III.
DEIENGN
pindövahi-sejj’äi gahiyam kadajoginövauttenam
pacchä näyam asuddham, suddho vihinä vigincanto || 6
käl’addhänaiechiyam anuggay’atthamiya-gahiyam asadho u
kärana-gahi’uvvariyam bhatt’äi vigineiyam suddho |
gaman’ägamana-vihäre suyammi sävajja-suvinay’äisu ya
nävä-nai-samtäre päyacchittam viussaggo || ı5
bhatte päne sayan’äsane arahanta-samana -sejjäsu
uccäre päsavane panuvisam honti üsäsä |
17
19
hattha-saya-bähiräo gaman’ägaman’äiesu panuvisam,
pänavah’äi-sumine sayam, atthasayam cautthammi
20
desiya räiya pakkhiya cäummäsa varisesu parimänam:
sayam addham tinni sayä& panca-say’ atth’uttarasahassam || >:
uddesa-samuddese sattävisam anunnavaniyäe
atth’ eva ya üsäsä patthavana-padikkamana-m-äi || »
uddes’ajjhayana-suyakkhandh’angesu kamaso pamäissa
kälaikkaman’äisu nän’äyäraiyäresu:
23
nivvigaiya purim’addh’egabhattam äyambilam ce’ anägädhe,
purim’äi khaman’antam ägädhe, evam atthe vi
24
sämannam puna sutte mayam, äyamam cauttham atthammi,
appattapattavatta väyan'uddesan’äisu ya || >
kälavisajjan’äisu mandali-vasuhä-"pamajjan’äisu ya
nivviiyam a-karane, akkha-nisejjä y’ abhatt’attho
äagädha-m-anägädhe savva-bhange ya desa-bhange ya
Joge ehattha eauttham cauttham äyambilam kamaso
sank’äiesu dese khamanam micchövabühanäe ya,
purim’äi khaman’antam bhikkhu-ppabhiina va caunham
evam eiya patteyam uvabüh’äinam akarana jaina,
äyäm’antam nivviyag’äi päsattha-saddhesu || »o
pariväar’äi-nimittam mamatta-paripälanä& vacchalle
sähammio tti samjama-heum vä savvahim suddho
26
»7
28
|»
egindiyäna ghattanam agädha-gädha-pariyävan’uddavane
nivviyam purimaddham äsanam äyämagam kamaso || 3:
purim’äi khaman’antam ananta-vigal’indiyäna patteyam,
paneindiyammi egäsan’äi kallänagam ah’ egam || »
mos’äisu mehuna-vajjiesu davv’äi-vatthu-bhinnesu
hine majjh’ ukkose äsanam äyäma-khamanäim ||
levädaga-pariväse "bhattattho sukka-sannihie ya,
iyari@ chattha-bhattam, atthamagam sesa nisibhatte ||
uddesiya carima-tige kamme päsanda sa-ghara mise ya
bäyara-pähudiyäe sapaccaväy’ähade lobhe || 5
-
26b Anf. ?vviy° C; lies akk°. 29° °han’äinam.
Leumann: Jinabhadra’s Jitakalpa. 1199
AA
airam ananta nikkhitta pihiya sähariya misiy Aisu
samjoga sa-ingäle duviha-nimitte ya khamanam tu
E
2. kamm’uddesiya-mise dhäy’äi-pagäsan’äiesum ca
purapacchakamma kuechiya samsatt’älitta-kara-matte ||
RS | aimäna-dhiima-kärana vivajjae vihiyam äyämam || ss
3. ajjhoyara kada püiya mäyä 'nante paramparagae ya
misänantänantaragay’äie ce’ egam äsanayam || »
4. oha-vibhäg’uddesövagarana püiya thaviya pägadie
lo’uttara pariyattiya pameya parabhävakie ya || «
saggäm’ähada daddara jahanna mäl’ohade jhare padhame
suhuma-tigiechä samthava tiga makkhiya däyago vahae || «ı
patteya parampara thaviya pihiya mise anantar’äisu
purimaddham, sankäe jam sankai tam samävajje || «
5. ittara thaviyaga suhuma sasaniddha sasarakkha makkhie ceva
misa parampara thaviy’äiesu biesu nivvigai || 4
sahasä 'näbhogenam jesu padikkamanam ähiyam tesu
äbhogao 'ibahuso aippamäne ya nivvigai |
44
dhävana devana samgharisa-gamana kiddä kuhävan’äisu
ukkutthi giya cheliya jivaruy’äisu ya cauttham
tivihövahino viccuya-vissariyapehiyaniveyanae
|
nivviiyam purim’ egäsan’äi, savvammi e’ äyämam | 46
häriya-dho’-uggamiyaniveyanadinna-bhoga-dänesu
äsanam äyäma-cautthagäi, savvammi chattham tu || x
muh’anantaya rayaharane phidie nivviiyam cauttham ca
näsiya häravie vä jiena cauttha-chatth’äi ||
käl’addhänaie nivviiyam khamanam eva paribhoge,
avihi-vigincaniyäe bhatt’äinam tu purimaddham || #
pänassasamvarane bhümitigapehane ya nivvigai,
savvassasamvarane agahana bhange ya purimaddham || so
eyam ciya sämannam navapadimä’bhiggah’äiyänam pi
nivviyag’äi pakkhiya-puris’äi-vibhägao neyam || sı
phidie sayam ussäriya bhagge v’ eg’äi vandan’ussagge
a A
nivviiya-purim’egäsanäi, savvesu c’ äyämam |
52
akaesum purim’äsanam äyämam, savvaso cauttham ca
puvvam apehiya thandila nisi vosirane divä suvane || ss
kohe bahudevasie äsava-kakkolag’äiesum ca;
lhasun’äisu purimaddham, tann’äi-vanca-muyane ya
E
ajhusira-tanesu nivviiyam tu, sesa-panaesu purimaddham
appadilehiya-panae äsanayam tasa-vahe jam ca || ss
thavanam anäpucechäe nivvisane viriya-gühanäe ya
38? — 364, bloss paritta statt an°. 43 Schl. avigai. 46 Anf. °vih°, auch C.
46% Anf. °vvüy°. 49° Schl. °go. 53 Schl. diya C. 54° Anf. °san°.
1200 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 22. Dee. — Mittheilung v. 1. Dec.
jien’ ekkäsanayam,' sesiya-mäyäsu khamanam tu I 56
dappenam pancindiya-voramane samkilittha-kamme ya
dih’addhän’äseviya giläna-kappavasäne ya
5
savvövahi-kappammi ya purimattä’pehane ya caramaäe
cäummäse varise ya sohanam panca-kallänam || ss
chey’äim asaddahao miuno pariyäya-gavviyassa vi ya
chey’äie vi tavo jiena. ganahivaino ya
r
jam-jam na bhaniyam ihaim tass’ ävattiya däna-samkhevam
bhinn’äiyäya voccham chammäs’antäna Jjienam ||
bhinno avisittho eeiya mäso cauro ya chaec ca lahu-guruyä
nivviig’äi atthamabhatt’antam dänam_ eesim || 6:
iya savv’ävattio tavaso näum jJaha-kkamam samae
jiena dejja nivviig’äi-dänam Jahä’bhihiyam ||
eyam puna savvam eiya päyam sämannao viniddittham
B
davvam ı khettam ır kälam ım bhävam ıv purisa v padisevanäo vı ya
dänam vibhägao puna davv’äi-visesiyam jäna
näum iyam ciya dejja tam-mattam hinam ahiyam vä || &4
ı. ähär’äi-davvam baliyam sulabham ca näum ahiyam pi
dejjä hi, dubbalam dullabham ca näuna hinam pi || 6
ı. lukkham siyala sähäranam ca khettam, ahiyam pi siyammi
66
lukkhammi hinatarayam: ım. evam käle vi tivihammi
gimha-sisira-väsäsum dejj atthama-dasama-bäras’antäim
| 67
ıv. hattha-gilänä bhävammi: dejja hatthassa, na u gilänassa,
näum vihinä navaviha-suyavavahärövaesenam
jävaiyam vä visahai tam dejja, sahejja vä kälam || os
v. purisä giyagiyä sahasahä taha sadhasadhä kei
parinämaparinämä aiparinämä ya vatthünam || so
taha dhii-samghayanöbhaya-sampannä tad-ubhaena hinä ya,
äya-paröbhaya-nöbhayataragä taha annataragä ya
kappatthiy’ädao vi ya cauro je seyar& samakkhäyä
sävekkheyara-bhey’ädao vi je täna purisänam || ı
I»
Jo jaha-satto bahutara-guno vva tassahiyam pi dejjä hi,
hinassa hinataragam, jhosejja va savva-hinassa || 7
ettha puna bahutarä bhikkhuno tti akayakaranä 'nabhigaya ya
jantena jiyam atthamabhatt’ante nivviy’äiyam || 7
vı. äuttiyäya dappa-ppamäya-kappehi vä nisevejja.
davvam khettam kälam bhävam vä sevao puriso || 7
Jam jJiya-dänam uttam eyam päyam pamäya-sahiyassa,
etto eeiya thän’antaram egam vaddhejja dappavao || 75
Auttiyä& thän’antaram ca, satthänam eva vä dejjä,
5ZaCOr. 61b Anf. nivvüig?, 64® Anf. oder näu miy? C,
10)0
. jo jena jattha düsai padisiddho tattha so khette |
II.
Levmann: Jinabhadra’s Jitakalpa. 1201
kappena padikkamanam tad-ubhayam ahavä viniddittham || 76
äloyana-kälammi vi samkesa-visohi-bhävao naum
hinam vä ahiyam vä tam-mattam vä vi dejjä hi ||
iti davv’äi-bahu-gune guru-seväe ya bahutaram dejjJä,
hinatare hinataram, hinatare jäva jhosa tti
er
Jhosijjai subahum pi hu jien’ annam tavarıham vahao,
veyävaccakarassa ya dijjai sänuggahataram vä ||»
tava-gavvio tavassa ya asamattho tavam asaddahanto ya
tavasä ya jo na dammai aiparinämappasangi ya ||
subahuttara-guna- bhamsi chey’ävattisu pasajjamäno ya
päsatth’äi jo vi ya jaina paditappio bahuso || sı
ukkosam tava-bhümim samaio savasesa-carano ya
cheyam panag’äiyam pävai Ja carai pariyäo | 82
äuttiyä& paneindiya-ghäe, mehune ya dappena,
seses’ ukkosäbhikkha-sevan’äisu tisum pi || s
tavagavviy’äiesu ya mül’uttara-dosa-vaiyara-gaesu
5
accant'osannesu ya paralinga-duve ya mülakamme ya
damsana-caritta vante eiyatta-kiecce ya sehe ya
bhikkhummi ya vihiya-tave 'navattha-päranciyam patte || ss
cheenam pariyäe 'navattha-päranciyavasänesu
mülam mül’ävattisu bahuso ya pasajjane bhaniyam || s6
ukkosam bahuso vä pauttha-citto vva teniyam kunai
paharai ya jo sa-pakkhe niravekkho ghora-parinämo || %
abhiseo savvesu vi bahuso päranciyavarähesu
anavatthapp’ävattisu pasajjamäno ya 'negäsu || ss
kirai anavatthappo, so lingaı. kkhetta ır. kälao ım. tavao ıv.
lingena davva bhäve bhanio pavvävananariho |
appadivira’ osanno na bhävalingariho 'navatthappo;
89
90
Jattiya-mettam kälam; ıv. tavasä u jahannaena cham mäsä
samvaccharam ukkosam äsäi jo jin’äinam II o:
vasam bärasa väsä padisevi, kärane ya savvo vi
thovam thovataram vä vahejja, muccejja vä savvam |
92
vandai na ya vandijjai, parihära-tavam su-duccaram carai,
samväso se kappai, n’ älavan’äini sesäna || os
titthagara pavayana suyam äyarıyam ganaharam mahiddhiyam
äsäyanto bahuso äbhinivesena päranei || oı
Jo ya sa-linge duttho kasäya-lingehi räya-vahao ya
ray aggamahisi-padisevao ya bahuso pagäso ya
thinaddhi-mahädoso annonn’äsevanä-pasatto ya
|
$ı Schl. °ppao (°tarpakah) © ().
1202 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 22. Dee. — Mittheilung v. 1. Dec.
carima-tthän’ävattisu bahuso ya pasajjae jo u || #6
so kirai päranei lingäo ı. khetta ıı. kälao ım. tavao ıv.
1. sampägada-padisevi lingäo thinagiddhi ya ||
ı. vasahi-nivesana vädaga sähi nioya pura desa rajjäo
khettäo päranei kula-gana-sangh’älayäo vä || 08
I sau 5 \
jatth’ uppanno doso uppajjissai ya jattha näünam
tatto tatto kirai khettäo khetta-päranci |
99
ım. jattiya-mettam kälam; ıv. tavasa päranciyassa u sa eva
kälo du-vikappassa vi anavatthappassa jo "bhihio || ıo
egägi khetta-bahim kunai tavam su-viulam mahäsatto,
avaloyanam äyario pai-dinam ego kunai tassa
| IOI
anavatthappo tavasä tava-päranci ya do vi viechinnä
eoddasapuvvadharammi, dharanti sesä sayä kälam || ı:
iya esa Jiyakappo samäsao suvihiyanukampäe
kahio, deo so puna pattesu pariechiya-gunesu || 10
Jitakalpa-Cürni von Siddhasena.
Poona Palmbl.-MS. Kielh. Rep. 8%/g, p. ı7 N® 23.
sildhattha-siddha-säsana siddhattha-suyam suyam ca Siddhatthassa
vira-varam vara-varayam vara-varaehi mahiyam namaha jiva-hiyam || ı
ekkärasa vi ganahare duddhara-guna-dhärae dharä’hiva-säre
JambuPpabhav’äie panamaha sirasä samatta-sutt’attha-dhare || >
dasa-nava-puvvi aisesino ya avasesa-nänino ya jattenam
savve vi savva-kälam tigarana-suddhena namaha jai guna-ppavare || 3
etto nevvän’angam nevvänam gamayatıti nivvänam-gam
pagayam pasattha-vayanam pahäna-vayanam ca pavayanam namaha sayä ||
namaha ya anuoga-dharam jugappahänam pahäna-nänina mayam
savva-sui-sattha-kusalam damsana-nänövaoga-maggammi thiyam
|;
jassa muha-nijjharamaya-maya-vasa-gandhahiväsiyä iva bhamarä
näna-mayaranda-tisiyä ratti diyä ya muni-varä sevanti sayä
sasamaya-parasamay ägama-livi-ganiya-cchanda-sadda-nimmäo
dasasu vi disäsu jassa ya Anuoge bhamai anuvamo jasa-padaho ||
nänänam nänina ya heüna ya pamäna ganaharäna ya puechä
avisesao visesä visesiy’ Ävassayammi anuvama-mainä | 8
jena ya Cheyasuy’atthä ävattidäna-virayanä& jattenam
purisa-visesena phudä nijjüdhä jiyadänakappammi vihi || o
para-samay’ägama-niunam su-samiya-su-samana-samähi-maggena gayam
16
|
32, lies -nnän°. 6b. °ttim MS. 7b. °go bh’ MS. 8a. ya vor pam? zu streichen.
Leumann: Jinabhadra’s Jitakalpa. 1203
Jinabhadda-khamäsamanam khamäsamanänam nihänam iva ekkam || ıo
tam namium maya-mahanam män’ariham lobha-vajjiyam jiya-rosam
tena ya jiya-viraiya-gähänam vivaranam bhanihämi jah’attham || ::
ko vi siso vinio ÄvassayaDasakäliyaUttarajjhayanÄyäraNisihaSüyagada-
DasaKappaVavahära-m-Aiyam angapavittham bähiram ca suttao atthao
ya ahijjiüna gurum uvagamma...... vinnavei: bhagavam, KappaVa-
vahäraKappiyakappiyalullakappaMahäkappasuyaNisih’äiesu Chedasutte-
su aivittharena pacchittam bhaniyam,...... || tao gurunä...... "Ji-
yavavahärassa esa jogo’ tti gurunä' bhannae: suna......
Vyavah.-bh. X, 687°. 638— 649’. eine andere Fassung von
650— 655 (welche er vom Skt-Comm. der Äcäracnlä zu-
gewiesen werden). 632. 634f. 630. 656—667. 687.
2°. *täsim samvara-vinijjaränam.
2. Schl. mit dem Anf. von 3 zu verbinden.
3”. ‘neyam’ jäniyavvam.
4. Oghaniry. 1136 (Vyavah.-bh. u. s. w.)
6”. Anf. avani = bhümi (uecärabhümi-vihärabhümi).
7, Schl. ee 1o parenam jam äyariyam tam äyarittä.....
avassa äloeyavvam, jam Dun hatthasay' abbhantar' äyariyam
tattha kimei äloijjai kimei n’ äloijjai.
ı0. Anf. ‘avihie’ hattham adäuna muhapottiyam vä.
10°. väyakamma zweierlei Art: nach oben (wobei die Hand oder die
muhap. vorzuhalten ist) oder nach unten (kuechiya-sadda, den
man puyavakaddhana-lambanena unterdrücken muss); asam-
kilitthakammam puna cheyana-pilana-bheyana-ghamsana-abhi-
ghäya-sincana-käya-khär’äi -asusira - susiranantara - parampara-
bheya-bhinnam.
Ant. VWyayah.-bh. X ,228f.
13. Anf. ‘*bhayam’ dassu-milakkhu-bohiya-Mälav’äi-sagäsäo.
16°. ‘kadajogi’ giyattho bhannai, Pind’esanäVatthaPä’esanäthhe-
yasuy äiyam sutt’atthao ahiyäni jena so giyattho.
ı8”. ‘nävä’ cauvvihä: samudda-nävä ujjäni oyäni tiriechagämini;
aima samudde, paechillä tinni naie, ujjäni padisottagämini, oyäni
puna anusoyagämini, tiriechagämini naim chindanti gacchai.
19°. ‘arahantase]jä’ ceiyagharam, ‘samanasejjä padissao.
21. Schl. värisiya-padikkamane cattälisäe ujjovehim panuvisä gu-
niya sahassam ussäsänam hoi, anne attha üsäsä namokkäre
kajjanti, tao atth’uttarasahassam hoi.
23. Schl. nän’äyära achtfach (vergl. Das.-niry. 190).
ob. lies °mas“! n®. ııb. lies gg° (?) und °nih° oder °nämi.
! asyndetisch wiederholt. ® 645 —-649 bloss in summarisch abgekürzter Form.
1204 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 22. Dee. — Mittheilung v. 1. Dec.
26. Anf. kälassa apadikkamanam, ‘äi’-saddena aniogassa avisa-
‚Janam.
26°. mandali-bhümi, sa tihä: sutte atthe bhoyane, eesim tinha
vi appamajjane.
26. Schl. sutte atthe va nisejjam na karei, akkhe vänara- patite,
khamanam, ‘ca’-saddä vandana-käussagge na karei, tahä vi
khamanam ceva.
28. Anf. (damsan’äyära, cf. Das.-niry. ı88); die Zeile ist ohao
gemeint.
28”. vibhägao' puna: sank’aisu atthasu vi dese bhikkhussa puri-
maddham, vasabhassa ekkäsanagam, uvajjhäyass’ äyambilam,
äyariyassa abhatt’attho”.
29°. mit 30 zu verbinden.
33. Anf. musäväya-adatta-pariggahesu.
34°. sukka(‘sauer‘)-sannihiesu vi, sunthi haradai- vahedag’äisu
abhatt’attho°;
34”. iyarä gilla-sannihi gula-kakkaya-ghaya-tell’äi, tie chattham;
‘sesa nisibhatte’ atthamam, oha-uttäo Jam annam tam sesam,
kime’ oh’uttam padhama-bhango; sesä tinni bhangä sesa-nisi-
bhatta-saddena bhannanti. evam eyam mülagunaiyäre mehuna-
vajjie pacehittam bhaniyam, mehunaiyärassa puna müla-tthäne
bhanihii.
35. Einl. iyänim uttaragunaiyära-pacchittam bhannai; ...... ee
savve vi Pindanijjutt'anusärena bhäniyavvä.
35f. Aufzählung der Fälle, welche die khamana(abhattattha°)-
Busse erfordern; ebenso 37f. Fälle für äyäma, 39 für ekkä-
sana, 40—42 für purimaddha, 43 für nivviüya.
*. samgharisena gamanam ‘ko siggha-gai?'tti, jamalio vä
gacchai. kiddä atthävaya-cauranga-jüy’äi, kuhävanam indajäla-
vattakhedd’äi, ‘äi’-saddena samäsa - paheliya-kuhedagä ghep-
panti.
45". “ukkutthiya’ pukkäriya-kalakalo, ‘cheliyam’ sentiyam, jiva-
ruyam’ mayüra-tittira-suya-särasa-särag’ädi-laviyam, ‘äi’-sad-
45
dena ajivarue® vi arahatta-gaddiyä°’-päuyä-saddesu vi.
46. Anf. (ef. Oghaniry. 993 ff.)
Oghaniry. 1002 f.
° padie puna laddhe.
53°. eauttham auch mit 53” zu.verbinden, ebenso noch mit 54*.
54°. ‘äsavo’ viyadam, tam äpiyante cauttham; ‘kakkolaga’-lavanga-
46°. “viceue’
I! 2500 .MS5" 2u/abbhi° MS. 03° ravamıMS. ı 14 OP rüye MS @eamdd° MS,
6 vieynte,
Leumann: Jinabhadra’s Jitakalpa. 1205
pügaphala-jäiphala-tambol’äisu savvattha ‘cauttham’ puvva-gähäo
(53°) anuvattävijjai. 54”. ‘tannaga’ mayüra-tittir’äi.
55. Anf. beim akärana-paribhoga von ajh”.
55°. Die übrigen panaya (Pentaden) sind tana-, düsa-, pottha-,
camma-, das zweite doppelt, daher im Ganzen fünf; (cf. Av.-
ey SV 1227 2): 56. Anf. thavana -kuläni.
56”. Anf. jiya-vavahäre eyam, suyavavahär'äisu annahä.
57f. Fälle für pancakall.
59°. jo cheyam na saddahai kim vä chijjai na chijjai evam bhanai:
‘miuno’ tti jo ehijjamäne vi pariyäe na samtappai Jahä me pa-
riyäo chinno tti, ahavä annesim omaräinio jäo tti;
‘pariyäya-gavvio’ jo diha-pariyäo so pariyäe vi chinne tahä vi
annehimto abbhahiya-pariyäo na omaräinio hoi, na vä bihei
pariyäya-cheyassa.
59”. eesim jah’udditthänam cheyam ävannäna vi tavo dijjai;
‘Ai’-saddena mülanavattha-päranciya-pay ävannäna vi Jiyavava-
hära-maena .....
60°. “iha’ jiyavavahäre, ....‘ävatti päyaechitta-tthäna-sampatti,
sä ya NisihaKappaVavahärabhihiyä suttao atthao ya änä-ana-
vattha-miechatta-virähanäa sa-vittharä tavaso, so ya tavo pa-
nag’ädi chammäsa-pajjavasäno aneg’ävattidäna-virayanä-lakkhano
tesu savvesu ganthesu, iha puna jiyavavahäre samkhevenam
ävattidänam nirüvijjai.
61. Wo der suyavavahära einen bhinna (mäsa) irgend welcher
Art (avis°, nämlich panaga lahuga guruga dasaga' 1°' g°' pan-
narasaga ]° g° visaga 1° g° pancavisaga 1° g°) verhängt, da
wird jiena überall nivvigai verlangt: so entsprechen sich lahu-
mäsa und purimaddha, gurumäsa und ekkäsanaya, lahu-cau-
mäsa und äyäma, cau-gurumäsa und cauttha, chal-lahumäsa
und chattha, cha-gurumäsa und atthhama.
65. jammi dese täim (ähär’äini) baliyäim jahä annavaese sälikkharo
balio’ sahävenam ceva sulaho ya evam nälna Jjam Jiya-
bhaniyam dänam tass’ abbhahiyam avi dejja; Jattha puna
canaka-nipphäva-kanjiy äi-lukkh’ähäro dullaho va tattha Jiya-
dänam hinam avi dejjä.
66. Anf. “lukkham’ näma neha-rahiyam khettam väya-pittalam
vä; siyalam puna siniddham bhannai annavakhettam vä; nid-
dhalukkham sähäranam bhannai: iha ya Jiya-däne niddhakhette
ahiyam dejjä, sähärane jahäbhaniya-samam dejja, lukkhakhette
hinam dejjä.
! fehlt im MS. ? cal? MS.; ‘in einer Seegegend’ (arnavadese, nachher
[zu 66 Anf.] in derselben Bedeutung annavakhetta). 3,
1206 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 22. Dee. — Mittheilung v. 1. Dee.
67°. Im gimha (lukkha) sind die drei tava-Stufen (jahanna majjha
ukkosa): cauttha ch° atth°, im hemanta (sähärana): ch” atth°
dasama, im väsäratta (niddha): atth° das” bärasa: esa navaviho
vavahäro.
67". so ya navaviho vavahäro imo: Vyavah.-bh. II, 85 —90
(137 — 142).
68. Schl. ‘man warte eine Zeit lang’ bis er gesund ist.
70*. dhii-samghayane caubhango, dhiie samghayanena ya pa-
dhamo sampanno, iha ya padhama-paechimä bhangä duve sam-
gahiyä suttena, majjhamillä duve bhäniyavvä. ahavä bitiya-
CGunnikärabhippäena cattäri vi sutten’ eva gahiyä. kaham?
dlhii-sampanna na samghayanena, samghayanena vä sampannä
na dhiie, ubhaya-sampannä, ubhaya-hinä ya. (Natürlich ist die
zweite Ansicht allein richtig.) ;
70”. ‘äyatarago’ näma jo upaväsehim dadho, ‘paratarago’ näma
jo veyävaccakaro gacchövaggahakaro ya tti, ‘annatarago’ näma
jo ekkam sakkei käum tavam veyävaccam vä, na puna do vi
sakkei.
71*. Die Vier sind kappatthiyä parinayä kadajogi taramana; sey°:
ak° ap® ak° at; kapp° sind die in dem zehnfachen kappa —
Kalpabh. VI, 302 --- befindlichen.
71. Schl. gen. zu 72. Anf. jo jaha sakkei tavam käum.
72. Schl. ‘sosejjä’ na kimei dejjä‘.
73. Anf. ‘ettha’ eyammi jiyavavahäre.
73”. “janta’-vihänam bhanämi: tiriyäe terasa gharae käum hetthä-
hutto vva jäva nava gharäim punnäim täva thäveyavvam,
paechä eesim navanham hetthä jäim dähinena ante thiyäni
donni gharayäim täim mottünam aho egam gharayam vaddhä-
vijjai, tähe tiriy’äyayä ekkärasa-gharayä hoti, evam duve-duve
chaddantenam gharayäim hetthilla-dähinilläim tä neyavvam aho
ekkekka-gharaya-vuddhie jäva ekkam eva gharayam savvaho
jäyam. evam eyassa ghara-jantayassa savv'uvarim tiriy’äyayä
sedhi, tise sedhie uvarim savv’äie niravekkham thävejja, nira-
vekkhassa dähinena......
75. Das Gesagte gilt im Allgemeinen nur für den dritten (pa-
mäya) der in 74* genannten vier Fälle; beim zweiten (dappa)
tritt ega-tthäna-vuddhi ein (statt nivviy’äi atthamabhatt’anta
also: purim’äi dasam’anta).
76°. ebenso beim ersten (ekkäsan’äi duvälas’anta), ahavä satthä-
nam 2 pänaiväe mülam satthänam jam jammi vä avarähe savva-
bahuyam tassa dijjai tam ceva satthänam hoi.
! dijjai MS. ?
Leunmann: Jinabhadra’s Jitakalpa. 1207
76°. beim vierten ist pad° (miechädukkada) oder ‘Beides’ (älo-
yana und micch°) vorgeschrieben.
78. Schl. savva-hinassa jhoso vä kajjai.
79. Schl. (san° =) thovataram.
8o. Schl. aiparinämago aipasangi vä.
8Sı. Schl. paditappai veyävaccam karei.
83”. bei den andern drei Hauptsünden im Wiederholungsfalle
(abhikshnam).
84. Anf. in den 8o* und 80” Anf. genannten Fällen.
84”. damsane vante niyamä carittam vantam, carittammi dam-
sane bhayana,......: kiecäim damsan’äini, tap-pariccäena ci-
yatta-kicco.
85°. ‘paralinga-dugam’ gharattha-lingam annatitthiya-lingam ca.
"mülakammam’ itthigabbh’ädäana-sädanam.
86. Anf. chijjamäne 2 jayä pariyäo niravaseso chinno tao se
mülam. 88. Anf. ‘abhiseo’ uvajjhäo.
89°. Schl. ‘so’ ya anavatthappo cauvviho: lingao khettao kälao
bhävao (!); [ef. 97°].
91. Schl. “Wer die Jina u. s. w. (cf. 94°, resp. Aupap. $ 30 II’ 2”)
lästert”', z. B. sagt mokkha-desanäe JoisaJonipähudaGäni-
tena va kim paoyanam!?
92. Anf. Beim pad” dagegen ist das Minimum ı Jahr und das
Maximum ı2 Jahre.
95°. kasäya-dutthe udäharanam: säsava-näle muhanantae ya si-
hirini uluyacchio tti. 95. Schl. *öffentlich'.
96. Anf. paduttha-puvvabhiläsiövari sutto va värae Kesava-bal’a-
ddham ca jäyae.
udäharana ime: Visesh. I, 234* evam-äi uyäharana°.
97°. Auch hier (wie zu 89* Schl.) bhävao!
101”. jmakappiya-padirüvio khetta-bähim thäi, atthajoyana- bä-
hirao, jJao viharai äyario tao 2 so vi viharai.
102. tava-anavatthappo tava-pärancio ya Bhaddabähu-sämimmi
carima-caudasapuvvadhare do vi vocchinnä, die andern drei
103. Anf. Jiyakappo Jiyavavahäro kappo vannana parüvana- tti
eg’atthä.
iti jena Jiyadänam sähtin’ aiyära-panka-parisuddhi-karam
gähähi phudam raiyam mahura-pasatthähi pävanam parama-hiyam |:
" asäti yo jin’ädinäm. ” Dies ist eine Paraphrase von Kalpabh. I, 497®; un-
mittelbar vorher wird auch @ paraphrasirt. ® Paraphrase von Visesh. I, 234b.
Sitzungsberichte 1892. 107
1208 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 22. Dec. — Mittheilung v. 1. Dee.
Jinabhadda-khamäsamanam nicchiya-sutt attha-däyagamala-caranam
tam aham vande payao paramam paramövagära-kärina mah’aggham || :
Jitakalpacunni samaptäa. Siddhasena-krtir eshä.
Übersetzung der Einleitungsstrophen zur Jıtakalpacurni
auf Grund eines Skt-Commentars!.
ı — 4 Preisstrophen an Mahavıra (1), die Ganadhara (2). die Sthavira (3)
und das Pravacana (4).
5— 10 » » Jinabhadra, den Verfasser des Jıtakalpasutra.
ı. Der seinen Zweck erreicht, seine Lehre bekannt gemacht und die
Überlieferung (sruta) der (neun) Prineipien (artha) gesichert hat,
den Sohn Siddhartha’s |
den besten der Helden, den beste Wünsche gewährenden und von
den besten der Besten” geehrten verehret. der da den Seelen
Heil bringt.
2. Die elf Schaarenführer (d. h. Hauptjünger), die schwer zu er-
werbende Vorzüge besitzen und des Erderhalters (Meru unerschütter-
liches) Wesen theilen |
Jambu, Prabhava und die übrigen verehret (durch Verneigung)
mit dem Haupte, die da alle Texte und deren Erklärungen kennen.
3. Die da noch zehn oder noch neun Purva(-Texte) kennen und
magische Kenntnisse (atisesha)” oder anderes Wissen besitzen’, mit
Eifer |
sie alle und allezeit, mit dreifach reinem’, verehret, die durch
Tugenden ausgezeichneten Asketen‘.
4. Ferner jenes ‘Nirvana-Mittel’, das wegen seiner ‘Mittheilung des
Nirvana’ auch ‘Nirvana-Mittheil’ heissen könnte
das als vorgeschrittenes vorzügliches Wort und vortreffliches
Wort aufzufassende ‘Vor-Wort (d. h. die heilige Lehre) ver-
ehret immerdar.
5. Und verehret (Jinabhadra) den als Meister des Unterrichts und als
Führer seines Zeitalters von den hervorragendsten Kennern an-
erkannten |
! Siddhatthety -Adi-gathäcatushtaya-vivaranam (sollte heissen °dy -ekädasagäthä-
v°): Kıera. Rep. 1880/8ı p.5ı N° 75 Schl. 2 ‘varä' dev’ädayo yatayas ca tebhyo
‘varakäh’ pradhänäh Sakr'ädayah ganadharäs ca taih. > avadhi- manahparyäaya-
‚Näninah. * matiSrutajhaninah. > Der Comm. verbindet tig° nicht mit jattenam,
sondern ergänzt bhävena ‘Innern. 6 “die durch Asketen - Tugenden ausgezeichneten’
(yati-guna-pravarän) nach dem Comm.; doch muss jaı der Länge wegen Accus. plur.
sein. Oder ist jai-guna-pavare zu lesen, worauf dann wohl anch in der ersten Zeile
das letzte ya, das indessen vom Comm. gestützt wird. zu streichen wäre? " Der
Leusass: Jinabhadra’s Jitakalpa. 1209
den in allen Lehrbüchern der Tradition® bewanderten und auf
dem Pfade der Glaubens- und Wissens-Förderung” befindlichen,
6. welchen", von seines Mund-Teiches"' Lotusblumen - Gewaltduft
bienengleich erfüllt” | und von seines Wissens Blumensaft'' ge-
sättigt, Tag und Nacht die besten Mönche immerdar umringen,
und dessen auf eigene und fremde Religions-Überlieferung, Schrift-
kunde, Rechenkunst, Metrik'” und Grammatik'" gegründete |
Ruhmestrommel nach (allen) zehn Richtungen auf dem Gebiete
des Unterrichts (Anuyoga)" als eine unvergleichliche umher-
wandert,
8. durch den'” die Unterschiede (1) der Wissensgrade und Wissenden
sowie (2) der Gründe und Axiome'” und (3) die Fragen der
Hauptjünger” |
unterschiedslos (d. h. gleichmässig vollständig) im Avasyaka”
unterschieden (d. h. klargelegt) worden sind mit unvergleich-
lichem Verständniss,
1
9. und durch den ‚aus der die Bussen - Verhängungen zusammen-
stellenden Cheda-Tradition mit Sorgfalt |
und Kennerschaft”” der klare im Verhängen von gewohnheits-
Comm. umschreibt pradhänajhäninäm bahumatam und bezieht also die Anerkennung
nicht ausdrücklich auf die Meisterschaft und Führerschaft. ° sarvasrutisästräni
Sabdasästra - prabhrtini. ° darsanajnänayor yo 'säv upayogamärgas tatra. 10 jassa
für jam, weil attrahirt durch muha und näna; der Comm. ergänzt padapadmıam ‘dessen
Fusslotus’. !! <mukham’ eva ‘nirjharo’ 'mbhasäm prasastasthänam tatra. 2? amr-
tam jalam tena nirvrttam ‘“amrtamayam’ padmam tasya ‘vaso’ ’dhino yo ‘gandhas’ tena.
Also etwa ‘“Lotusblumen-entströmtem Duft’; doch scheint uns vasagandha synonym
init gandhavasa zu sein; auch ist vorher vielleicht eher °ta-mada zu transcribiren:
“Mund-Baches Nectar-Rauschtrank‘. Eine zweite Auffassung des Comm. nimmt maya
im Sinne von mata: ‘amrtam’ iva yan ‘matam’ jin’ägamas tasya ‘vaso’ 'dhino yo ‘gandhah’
parimalah mähätmya-rüpas tenäabhiväsitäs tad-äkrshta-mänasäh. ® “abhi’ sama-
styena ‘vasitah’ ahutah sabditä iti yävat, väsr Sabde ity. Der Comm. transeribirt also
eigentlich abhiväsitäh *hergebrüllt’ (!) statt adhiväsitäh. * kimjalkas tatra. » Pin-
gal’ädıni. 1° Sabdasästram. Offenbar Anspielung auf ein bestimmtes Werk,
etwa auf die Bhäshya-Bestandtheile des Anuyogadvära - sütra 1° jena aus der
folgenden Strophe zu entnehmen. ” .... (Lücke) ca viseshäh pramänänäm viseshäh.
?° In der That findet sich die Behandlung von (1) in Visesh. ], 80—835 (zu Av.-niry.
I, 1—79) und von (3) in Visesh. I, 1—475 (zu Av.-niry. VI, 1—64). 22°2d. heim
Visesh’ävasyaka, indem sich das Wort visesha ‘Unterschied’ aus dem Zusammenhang
ergiebt. °* wörtlich ‘durch den vorzüglichen Mann’ — ein Epithet analog dem am
Schluss von Strophe 8 stehenden. Anders der Comm., welcher auch das Übrige zum
Theil verschieden auffasst:
yena ‘Chedasruta-sthä’ präyascittänäm “Apattir" ya sa ‘vidhir niryüdhah' äecäryo-
pädhyay'ädikam purushavisesham äsritya*, ‘sphutah’ prakatah. kena krtvä? "dänasya
viracanät yo yatnas tena kva? jitena dänam tasya Kalpasütre. 'nye tu: yena Cheda-
Srutärthät katham-bhütat? äpattidänayor viracanam yatra tasmät Jitadänakalpa - vishayo
vidhih purusha-visesham äsritya * sphuto yatnena niryüdha nddhrtas tam namateti
vyacakshate.
* asrtya MS.
1210 Sitzung der phil.-hist. Classe v. 22. Dee. — Mittheilung v. 1. Dec.
mässigen (Bussen) geltende Grundriss (d.h. das Jıtakalpasutra)
ausgezogen worden ist,
ı0. den in fremder Religions-Überlieferung erfahrenen und auf dem
Andachts-Pfad” wohlgezügelter guter Mönche befindlichen |
Jinabhadra-kshamasramana, der gleichsam ein einziger Hort von
‚milden Mönchen’ ist °*,
ıı. diesen verehrend, den Dünkel-brechenden, Hochmuthfeind- ver-
nichtenden”, Gier-befreiten, Zorn-besiegenden |
will ich eine sinngemässe Erklärung der von ihm nach altem
Brauch verfassten Strophen vortragen”.
23 samädhi-märgah pratidin’äcaraniyam anushthänam tena. ?: kshamä-pradhä-
na ye Sramanäs teshäm nidhänam ivaikam, anenänekasusishyasampat-samanvitatvam
tasy’äha. 25 manärim hanti manärihas tam. Näher läge natürlich zu übersetzen
den Ehre-verdienenden’; doch scheint die spitzfindige Deutung vom Verfasser bezweckt
zu sein, da die vier Attribute offenbar die Überwindung der vier kashäya (krodha
mana maya lobha) andeuten wollen. 2° Die zweite Zeile ist schlecht oder ver-
dorben: ya hat keinen Sinn, jıya ist auffällig und die metrische Dehnung der Silbe
vor gah® ungehenerlich. Der Comm. übergeht die Zeile ganz, weil sie deutlich genug sei.
Ausgegeben am 12. Januar 1893.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
1211
Nachtrag.
Adresse an Hrn. RuDoLF VoN JHERING
zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums
am 6. August 1892.
Hochverehrter Herr!
>: Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften nennt Sie
mit Freude und Stolz den ihrigen; sie betrachtet es daher als Recht
wie als Pflicht Sie am heutigen Ehrentage mit den herzlichsten Glück-
wünschen zu begrüssen.
Als Sie vor funfzig Jahren in die gelehrte Laufbahn eintraten, da
schlossen Sie Sich zuerst der geschichtlich -eonstructiven Methode Ihres
Meisters Pucnta an. Und auch später folgten Sie in zahlreichen grund-
legenden Abhandlungen der Richtung, die leitenden Grundgedanken
der Rechtsinstitute zu erforschen und sie von innen heraus als die
Entfaltung einer immanenten Idee zu entwickeln. Aber Sie waren
wohlberechtigt, in späteren Jahren über die »Begriffsjurisprudenz «
Ihren aristophanischen Spott auszugiessen. Denn trotz einer macht-
vollen Dialektik, deren Sie Sich als Ihrer besonderen Gabe bewusst
waren, haben Sie doch das praktische gesellschaftliche Leben und den
Zweck aller Rechtsordnung, ihm eine schützende Form zu sein, nie-
mals aus den Augen verloren. Ihr praktischer Sinn bewährte sich
schon 1847, als Sie zum ersten Male Ihre »Civilrechtsfälle« erscheinen
liessen, die im anmuthigsten Erzählertone die feinsten Fragen zur
Entscheidung stellen.
Indessen nicht in diesen drei Bände füllenden Abhandlungen liegt
Ihr eigentliches Lebenswerk beschlossen. Es besteht vielmehr in dem
von verschiedenen Seiten her unternommenen Versuche, das Problem
der Entstehung und Fortbildung des Rechtes überhaupt zu lösen. In
diesem Sinne suchten Sie zuerst den »Geist des römischen Rechtes «
zu bestimmen. Aber das Buch gestaltete sich wie von selber zu einer
Sitzungsberichte 1892. 108
1212
Darlegung der in jeder Rechtsentwickelung schaffenden Kräfte und
führte Sie naturgemäss auf eine der wirksamsten und bedeutendsten,
den Zweckgedanken. Indem Sie dieser neuen Idee in Ihrem zweiten
grossen Werke nachgiengen, wuchs die Arbeit zu einem Systeme der
Recehts- und Soeialphilosophie. Es ist erklärlich, dass beide Werke
nicht vollendet sind: sie haben den Rahmen des ursprünglichen Planes
gesprengt und sind selbst über die Grenzen der Rechtswissenschaft
weit hinausgegangen. Gerade damit aber haben Sie anregend und
befruchtend auf dem Gesammtgebiete der Geisteswissenschaften ein-
gegriffen, so dass Ihnen der Dank nicht bloss der Juristen heute wie
in alle Zukunft gesichert ist.
Freilich nur mühsam unter Kampf und Streit konnten Sie all-
mählich ®egen die überlieferte Wissenschaft Sieh Bahn schaften; es
war nicht anders möglich, wo an den Grundlagen der bisherigen
Auffassung und Methode gerüttelt wurde. Haben Sie doch selbst
die anscheinend festgefugte Besitzlehre des grossen Erneuerers der
Rechtswissenschaft in ihren Grundgedanken und ihrem Aufbaue rück-
haltslos angegriffen. Allein Sie Selbst haben es schön und treffend
ausgeführt, wie der neue Gedanke im Rechte nicht still und pflanzen-
haft wächst, sondern aus dem Widerstreite geboren wird und sich
kämpfend emporringt. Und so ist es auch in der Wissenschaft vom
Rechte.
Wir aber, die wir Sie noch so willenskräftig und waffenmächtig
auf dem Plane sehen, wir wünschen nicht nur am heutigen Tage,
sondern wir sprechen die zuversichtliche Hoffnung aus, dass Ihnen
noch lange Jahre rüstiger Thätigkeit und uns noch viele reife Früchte
Ihrer Arbeit beschieden sein möchten.
Die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften.
Berlin, gedruckt in der Keichsdruckerei
VERZEICHNISS DER EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
ERSTES VIERTELJAHR.
(Die Schriften, bei denen kein Format angegeben ist, sind in Oetav. — Die mit * bezeichneten
Schriften sind mit Unterstützung der Akademie erschienen, die mit ? bezeichneten durch Ankauf
erworben.)
Leopoldina. Amtliches Organ der K. Leop. Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher.
Heft XXVI. N. 23—24. 1891. Heft XXVII. N.1-—-4. 1892. Halle a. S. 1891.
1892. 4.
Abhandlungen der historischen Classe der K. Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Bd. XIX. Abth. 2. 3. München 1891. 4.
Rırzrer, S. Gedächtnissrede auf WILHELN voN GIESEBRECHT gehalten in der öffentlichen
Sitzung der K. Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München zur Vorfeier
ihres 132. Stiftungstages am 21. März 1891. München 1891. 4.
Siützungsberichte der philosophisch- philologischen und historischen Classe der K. Bayerischen
Akademie der Wissenschaften zu München. 1891. Heft III. — Der mathematisch-
physikalischen Classe. 1891. Heft III. München 1891. 1892.
Nachrichten von der K. Gesellschaft der Wissenschaften und der Georg- Augusts- Universität
zu Göttingen. 1891. N.8—11. Göttingen 1891.
Abhandlungen der mathematisch- physischen Classe der K. Sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften. Bd. XVII. N. I1.—IV. Leipzig 1892.
Berichte über die Verhandlungen der K. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu
Leipzig. Mathematisch-physische Classe. 1891. III. IV. Leipzig 1891. 1892. — Der
‚philologisch- historischen Classe. 1891. Il. III. Leipzig 1892.
Jahrbücher der K. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. N. Folge. Heft XVII.
Erfurt 1892.
Jahrbuch des Kaiserlich Deutschen Archäologischen Instituts. Bd. VI. 1891. Heft 4. Berlin
1892. 4.
Mittheilungen des K. Deutschen Archäologischen Instituts. Römische Abtheilung. Bd. V1.
Fase. 2. 3. Rom 1891. Athenische Abtheilung. Bd. XVI. Heft 3. Athen 1891.
Berliner Astronomisches Jahrbuch für 1894 mit Angaben für die Oppositionen der Planeten
(1) — (283) für 1892. Berlin 1892.
Neue Heidelberger Jahrbücher. Herausgegeben vom hist. philos. Vereine zu Heidelberg.
Jahrg. 11. Heft 1. Heidelberg 1892.
Mittheilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins in Giessen. N.Folge. Bd.3. Giessen 1892.
Landwirthschaftliche Jahrbücher. Bd. XXT. (1892.) Heft 1. 2. Berlin 1892.
Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande. Heft XCI. Register zu
den Jahrbüchern LXI—-LXXXX. Bonn 1892.
Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft. Bd. XLII. Heft 3. Berlin 1891.
Abhandlungen des K. Preuss. Meteorologischen Instituts. Bd. I. N.5. — Assmann, R.
Das Aspirations- Psychrometer. Ein Apparat zur Bestimmung der wahren Tem-
peratur und Feuchtigkeit der Luft. Berlin 1892. 4.
Sitzungsberichte 1892. A
(2) Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Erstes Vierteljahr.
Preussische Statistik. N. 114. 115. Berlin 1891. 4.
Zeitschrift für Naturwissenschaften. Herausgegeben von Dr. O. LuvEDecke. Bd. 64. Heft4. 5.
Leipzig 1891.
Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinen-Wesen im Preussischen Staate. Bd.XXXIX.
Statist. Lief.2. Bd. XL. Heftl. 2. Mit einem Atlas enthaltend die Tafeln 1—7
und Heft2. Berlin 1891. 1892. 4. u. Fol.
Verhandlungen der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin im Jahre 1891. Zehnter Jahr-
gang. Berlin 1892.
Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft. Jahrg. 24. N. 19. Jahrg. 25. N. 1—4.
Berlin 1892.
Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft. Jahrg. 26. Heft 4. Leipzig 1891.
Astronomische Nachrichten. Bd. 128. Kiel 1891. 4.
Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 67.2. Görlitz 1891.
Zeitschrift der Gesellschaft zur Beförderung der Geschichts-, Alterthums- und Volkskunde
von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften. Bd. 10. Frei-
burg i. B. 1891.
®Die Fortschritte der Physik im Jahre 1885. Dargestellt von der physikalischen Gesell-
schaft zu Berlin. Jahrg. XLI. Abth. 1. Jahrg. XLII. Abth. I. Berlin 1891. 1892.
Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Jahrg. 1891. Berlin
1891.
Mittheilungen aus der Zoologischen Station zu Neapel. Bd. 10. Heft 2. Berlin 1891.
# Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik. Bd. XXI. Jahrg. 1889. Heft1l. Berlin 1892.
Deutsches Meteorologisches Jahrbuch für 1890. Beobachtungs-System der Deutschen
Seewarte. — Ergebnisse der Meteorologischen Beobachtungen an 9 Stationen
II. Ordnung, an 9 Normal-Beobachtungs-Stationen in stündlichen Aufzeichnungen
und an 43 Signalstellen. Jahrg. XIII. Hamburg 1891. 4.
Deutsche Seewarte. Wetterbericht 1891. Jahrg. XVI. N. 274— 365. Hamburg 1891. Fol.
Deutsche übersichtliche meteorologische Beobachtungen. (esammelt und herausgegeben von
der Deutschen Seewarte. Heft IV. Hamburg 1892. 4.
Monatsbericht der Deutschen Seewarte. Juli. August 1891. Hamburg 1891.
Ergebnisse der Meteorologischen Beobachtungen im System der Deutschen Seewarte für das
Laustrum 1886 — 1890. Herausgegeben von der Direction der Deutschen Seewarte.
Hamburg 1891. 4.
tHedwigia. Organ für Kryptogamenkunde. Bd. XXX. 1891. Heft 6. Dresden.
Jahrbuch der Hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten. Jahrg. VIll. 1890. IX. 1891.
Hamburg 1891.
=H.v. Syger und G. ScHwoLLEer. Preussische Staatsschriften. Bd.3 Berlin 1892.
Numtiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken. Abth. 1.1.2. 1533 —
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tJ. Grimm und W. Grimm. “ Deutsches Wörterbuch. Bd. VIIl. Lief. 8. Leipzig 1891.
Monumenta Germaniae historica. Epistolarum T. 1. P. II. Gregorii i Registri L. V—VII.
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Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Bd. XVll. Heft 2.
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Lursch, H. Die Kunstdenkmäler des Reg.- Bezirks Liegnit.. — Die Denkmäler der
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v. Esersrein, L. F. Beschreibuny der Kriegsthaten des General- Feldmarschalls ERNST
ALBRECHT VON EBERSTEIN. Berlin 1592. 2. Ausgabe.
r ” . * .r rs . °
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7189 — 190ste Publication des litterarischen Vereins in Stuttgart. Tübingen 1890. 1891.
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ReınkE, J. Dr. Atlas deutscher Meeresalgen. Heft II. Lief. III—V. Tafel 36—50.
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Jan.— März. Berlin 1592. 4.
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Verhandlungen der K. K. zoologisch- botanischen Gesellschaft in Wien. Jahrg. 1891. Bd. XLI.
Quartal 3.4. Wien 1891. 4.
Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. Bd. XXI. Heft 4—6. Wien
1891. 4.
Mittheilungen der K. K. Geographischen Gesellschaft in Wien 1891. Bd. XXXIV. Wien 1891.
Verhandlungen der K. K. Geologischen Reichsanstalt. N. 15—18. (1891). N.1. 1892.
Wien 1891. 1892.
Annalen des K. K. Naturhistorischen Hofmuseums. (Separatabdruck aus Bd. VII. Heftl.)
Franz v. Haver's siebzigster Geburtstag. Wien 1892.
Astronomische Arbeiten des K. K. Gradmessungs- Büreau. Herausgeg. von E. Weıss und
R. Schram. Bd.Ill. Längenbestimmungen. Wien 1891. 4.
Astronomische Arbeiten der Österreichischen Gradmessungs- Commission. Bestimmung der
Polhöhe und des Azimutes auf den Stationen Krakau, Jauerling und St. Peter
bei Klagenfurt. Herausgegeben von Dr. W. Tınrer. Wien 1891. 4.
PAS
(4) Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Erstes Vierteljahr.
Mittheilungen der Section für Naturkunde des Österreichischen Touristen-Chub. Jahrg. IV.
N. 1.2. Wien 1892. 4.
Wiener Entomologische Zeitung. Jahrg. XI. Heft 1. Wien 1892.
STEENSTRUP, J. Die Mammuthsjäger - Station bei Predmost im Österreichischen Kronlande
Mähren nach seinem Besuche daselbst im Juni- Juli 1588. Aus dem Dänischen über-
setzt von Dr. R. Muc#. Wien 1890. 4. Sep. Abdr.
Abhandlungen der mathematisch -naturwissenschaftlichen Classe der K. Böhmischen Gesell-
schaft der Wissenschaften von den Jahren 1890/91. — Der Classe für Philosophie,
Geschichte und Philologie 1890/91. Folge Vll. Bd.4. Prag 1892. 2 Bde. 4.
Sitzungsberichte der K. Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften. Mathematisch - natur-
wissenschaftliche Classe. 1891. — Der philos. hist. philol. Classe. 1891. Prag 1891.
Jahresbericht der K. Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften für das Jahr 1891. Prag
1892.
Böhmische Preisschrift. VI. Weyr, E. OÖ Theorii Ploch. Praze 1891.
Rechenschafts - Bericht erstattet von dem Vorstande der Gesellschaft zur Förderung Deutscher
Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen in der Vollversammlung am 3. Februar
1892. Prag 1892.
Lotos. Jahrbuch für Naturwissenschaft. N. Folge. Bd. XII. Prag 1892.
Marına, G. Romania e Germania ovvero ll Mondo Germanico, secondo le relazioni di
Tacito e nei suoi veri caratteri, rapporti e influenza sul mondo romano. 'Trieste 1892.
Verhandlungen und Mittheilungen des Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften in
Hermannstadt. Jahrg. XLI. Hermannstadt 1891.
Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau. 1891. Dec. 1892. Januar. Febr.
Krakau 1891. 1892.
Atlas geologieny Galieyi. Zeszyt IV. Kart Piec: Tuchla (X. 9), Ökörmezö (X. 10),
Dolina (XI. 9), Porohy (XI. 10), Brustura (XI. 11); Opracowat Dr. E. Dusıkowskı.
Kraköw 1891. Fol.
Collectanea ex Archivo Collegü historici. T. Vl. Kraköw 1891.
DEnmETRYKIEwICZz, W. Index Osobowy i Rzeczowy do Tomow I, II, III, IV. Sprawozdan
Komisyi dla badania Historyi Sztuki w Polsce. Kraköw 1891. 4.
Sprawozdania Komisyi do badania Historyi Sztuki w Polsce. 'T.V. Zeszgt. I. Krakowie
1891. 4.
Rocznik Zarzadu, rok 1889. Krakowie 1890.
Pamietnik Wydziatu filologieznego i historyczno-filosoficznego. T.S. Kraköw 1890. 4.
Pamietnik Wydzialu matematyezno-przyrodniezego. T.18. ı. Krakowie 1891. 4.
Rosprawy Wydziatu filologieznego. T. 14. 15. Krakowie 1391.
Rozprawy Wydziatu historyczno-filozoficeznego. T. 25 — 27. Krakowie 1891.
Rosprawy Wydziatu matematyezno-przyrodniezego. Ser. U. T.1—3. Kraköw 1891.
Monumenta mediü aevi historica. T.12. Krakowie 1891.
Sprawozdanie Komisyi fizyjograficznej. T.25. Krakowie 1890.
Zbior wiadomosci do antropologü krajowej. T.14. 15. Kraköw 1890. 1891.
Sprawozdania Komisyi jezykowej). T.4. Krakow 1891. 4.
Sprawozdanie Komisyi do badania history sztuki. 'T.1V.4. Krakow 1891. 4.
Biblijoteka pisarzow polskich. 'T.9—15. Krakowie 1890. 1891.
Korura, B. Distributio Vasculosarum in montibus Tatrieis. Krakow 1889/90.
Verhandlungen des Vereins für Natur- und Heilkunde zu Presburg. N. Folge. Heft 7.
Jahrg. 1857—1891. Presburg 1891.
Almanach der Ungarischen Akademie der Wissenschaften für 1891. Budapest 1891. (ung.)
Mittheilungen aus dem Jahrbuche der K. Ungarischen Geologischen Anstalt. Bd. IX. Heft 6.
Budapest 1891.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Erstes Vierteljahr. (5)
Földtani Közlöny. (Geologische Mittheilungen). Kötet XXI. Fuzet 10—12. Budapest 1891.
Archäologischer Anzeiger. N. Folge. Jahrg. X. 3—5. X1.1—3. Budapest 1890. 1891. (ung.)
Archäologische Mittheilungen. Bd. XVI. Budapest 1591. (ung.)
Ungarische Revue. Herausgeg. von K. Heinrich. Jahrg. XII. 1892. Heft 1—3.
Budapest 1892.
Philologische Mittheilungen. Bd. XXU. Heft 1.2. Budapest 1590. (ung.)
Sprachwissenschaftliche Abhandlungen. Bd. XV., Nr. 6—10. Budapest 1890. 1891. (ung.)
Naturwissenschaftlicher und mathematischer Anzeiger. Jahrg. VIll. Nr. 6—9. IX. 1—9.
Budapest 1390. 1391. (ung.) ö
Naturwissenschaftliche Abhandlungen. Bd.XX.1—4. XXI. 1.2. Budapest 1590. 1891. (ung.)
Mathematische und Naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. Bd. VIII. (Det. 1859 bis
Oct. 1890.) Bd. IX. (Oct. 1890 — Oct. 1891.) Budapest 1891. 1892.
Archaeologiai Közlemenyek. Kötet XVI. Budapest 1590. 4.
Sociahwissenschaftliche Abhandlungen. Bd. XI. Heft 1—4. Budapest 1590. 1891. (ung.)
Mathematische Abhandlungen. Bd. XIV. 4. Budapest 1890. (ung.)
Mathematische und naturwissenschaftliche Mittheihungen. Bd. XXIV. 1—7. Budapest 1590.
1891. (ung.)
Monumenta Hungariae ‚Juri- hist. Corpus statutorum Hungariae Munieipalium. T.1l. P. 2.
Budapest 1890. (ung.)
Barassa, J. Ungarische Dialekte. Budapest 1591. (ung.)
Ungarische Sprachdenkmäler. Bd. XIV. Budapest 1590. (ung.)
Szıräsyı, S. Siebenbürgen und der Nord-Ost- Krieg. Bd.1I. Budapest 1890. (ung.)
Munxäscı, B. Votjakisches Wörterbuch. Heft 1. Budapest 1390. (ung.)
Verics, A. Defteran der türkischen Schatzkammer in Betreff Ungarns. Bd. 11. 1540—1639.
Budapest 1590. (ung.)
Litteraturgeschichtliche Denkmäler. Bd.1l. Werke italienischer Autoren des XV. Jahr-
hunderts zur Verherrlichung des Königs Mathias. Budapest 1890. (ung.)
Uistorische Abhandlungen. Bd. XIV, Heft 10. XV, Heft 1. Budapest 1891. (ung.)
Ginpery, A. Dokumenten-Sammlung zur Geschichte GABR. BETHLENS. Budapest 1890.
Ormay, A. Insectophobos und Zooanophor. Ein Nachklang zum XL. Jahrbuche (1390)
des Hermannstädter naturwissenschaftlichen Vereins. Beregszasz 1891.
Gömöri, Havas Sandor. Budapest Regisegei. III. Budapest 1891. 4. (ung.)
Rad Jugoslavenske Akademije znanosti i umjetnosti. Knjiga CVll. Razred matematicko-
prido rodoslovni. Xlll. Zagrebu 1891.
Ljetopis Jugoslavenske Akademije znanosti i umjetnosti za Godinu 1891. 6° Suezak.
Zagrebu 1891.
Viestnik hrvatskoga arkeologickoga Drustva. God. XIV. Br. 1. Zagrebu 1892.
Rapvınsky, V. Die prähistorischen Fundstätten, ihre Erforschung und Behandlung mit be-
sonderer Rücksicht auf Bosnien und die Hercegovina sowie auf das österreichisch-
ungarische Fundgebiet. Sarajevo 1891.
Proceedings of the Royal Society. Vol.L. N. 303. 304. 305. London 1892.
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Journal of the Chemical Society. Vol. LXI u. Vol. LXII. N. CCCLI 1892. Jan. Febr.
March. Supplementary Number, containing Title-Pages, Contents and Indexes. 1891.
Vols. LIX and LX. London.
Proceedings of the Chemical Society. Session 1390/91. N.90. Session 1891/92. N. 104—109.
London 1891. |
Proceedings of the Royal Geographical Society and Monthly Record of Geography. Vol. XIV.
N. 1—3. 1892. London.
* . . . . . *
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Proceedings of the Royal Society of Edinburgh. Session 1890/91. Vol. XVIH. (Pp. 261—
374). Edinburgh 1892.
Proceedings of the Philosophical Society of Glasgow. 1890/91. Vol. XXI. Glasgow 1891.
Journal of the Royal Microscopical Society. 1891. P.6. Dec. 1892. P. 1. Febr. London.
Transactions of the Cambridge Philosophical Society. Vol. XV. P.II. Cambridge 1891. 4.
Proceedings of the Cambridge Philosophical Society. Vol. VII. P.V. Cambridge 1892.
Proceedings of the London Mathematical Society. Vol. XXI. XXI N. 426 — 432.
London 1891/92.
The Quarterly Journal of the Geologieal Society. Vol. XLVIM. P.1. N. 189. London 1892.
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Cavıev, A. Collected Mathematical Papers. Vol.IV. Cambridge 1891. 4.
Catalogue of the Birds in the British Museum. Vol. XX. London 1591.
The Jataka together with its Commentary being tales of the anterior births of Gotama Buddha.
For the first time edited in the oriental Päli by V. Fausserr. Vol. V. London
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Caleutta 1891. Fol.
Memoirs of the Geological Survey of India. Vol. XXI. — Grisspacn: Geology of the
Central Himalayas. Caleutta 1591.
Records of the Geological Survey of India. Vol. XXIV, P.4. 1891. Caleutta 1891.
Epigraphia Indica and record of the archaeological Survey of India. P. VI. Vol. 1.
Caleutta 1591. 4.
Results of Observations of the fixed stars made with the Meridian Circle at the Government
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Archaeological Survey of India. South-Indian Inseriptions. — Hunizscn, E. Tamil inserip-
tions. Vol. Il, P.I. Inseriptions on the Walls of the Central shrine. Madras 1591. 4.
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Proceedings of the Royal Society of Vietoria. Vol. Il. (New Series). Melbourne 1891.
Victoria. Reports and statisties of the Mining Department for the quarter ended 30th
September. 1891. Melbourne. Fol.
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Melbourne 1891.
Report of the Trustees of the Public Library, Museums, and National Gallery of Victoria,
for 1890. With a statement of income and expenditure for the financial year 1889/90.
Melbourne 1891.
1889. Meteorological Observations made at the Adelaide Observatory, and other places in
South Australia and the Northern Territory, during the year 1889. under the Direction
of Ca. Topv. Adelaide 1891. Fol.
. . . . Rn r* . 77
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Erstes Vierteljahr. (‘)
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Sem. 2. N. 25.26. T. CXIV. 1892. Sem. 1. N. 1—12. Paris 1891. 1892. 4.
Bulletin de la Societe zoologique de France pour Pannde 1891. 'T.XVl. N.9.10. (Nov.
u. Dec.) T. XVII. N. 1.2. Paris 1891. 1892.
Memoires de la Societe zoologigque de France pour Vannde 1891. T.1V. Part. 5 et derniere.
T. V. Part. 1. Paris 1891..1892.
Bulletin de l’Academie de Medecine. Ser. Il. T. XXVI. N.5l. T.XXVN. N.1-—12.
Paris 1891. 1892.
Bulletin de la Societe mathematique de France. T. XIX. N.7.8. T.XX. N.1. Paris
1891. 1892.
Bulletin de la SocietE de Geographie commerciale de Bordeaux. Annce 14. Ser. 2. 1891.
N. 21.23—24. Annee 15. Ser. 2.1892. N. 1—6. Paris.
Compte-rendu des scances de la Commission centrale de la SocidtE de Geographie. 1891.
N. 19.20. 1892. N. 1—5. Paris.
Bulletin de la SocietE de Geographie. Ser. VI. T. XU. Trim. 3. 1891. Paris 1891.
Bulletin de la Socidte geologique de France. Ser. 11. T. 19. 1891. N. 8. 10. Paris 1890/91.
Compte-rendu sommaire des scances de la Societe philomatique de Paris. 1892. N.5—10.
Paris.
Bulletin de la SocietE philomatique de Paris. Ser. VII. T. III. N.4. (1890/91). Paris 1591.
tComptes rendus des scances de U Academie des Inscriptions et belles-lettres. Ser. IV. T. XIX.
Sept. Oct. 1891. Paris 1891.
Annales de la Faculte des sciences de Toulouse. T.V. Annce 1801. Fase. 3.4. Paris 1591. 4.
Fewlle des Jeunes Naturalistes. Ser. III. Annce 22. N. 254—257. Paris 1891. 1892.
Catalogue de la Bibliothöeque. Fase. 14. Paris 1892.
Polybiblion. Revue bibliographique universelle. — Part. tech. Ser. Il. T. 17. Livr. 12.
7.18 Live. 1—3. Part. litt. Ser. II. T. 34. Livr. 6. T. 35. Livr. 1-3, Paris
1891. 1892.
tRevue archeologique. Ser. 3. T. XVII. 1891. Nov. Dee. T. XIX. 1892. Janv.-Fevr.
Paris 1891. 1892.
Revue scientifigque. T.49. 1892 N.1—13. Sem. 1. Paris 1892. 4.
Annales des Ponts et Chaussces. Memoires et documents. Ser. 7. Annce I. Cah. 11. 1891.
Nov. Dec. Ser. 7. Annee II. Cah. 1. 1892. Janv. Paris.
!Annales de Chimie et de Physique. Ser. VI. 1892. T.XXV. Jan. Fevr. Mars. Paris
1891. 1892.
Annales des Mines. Ser. VIll. T.XX. Livr. 5. 1891. Ser. IX. T.I. N.1. 1892. Paris
1891. 1892.
Vivien DE Saıwr-Marrın. Noweau Dietionnaire de Geographie universelle. Yase. 61. 62.
Paris 1891. 1892. 4.
Rıcour. La carte du Maroni. Paris 1892. Extr.
Denırte, H. Chartularium Universitatis Parisiensis. 1200-— 1286. T. 1. Il. Seet. 1. 1286-—
1350. Paris 1889. 1891. 4.
Le Prince ArLserr I pe Monaco. Sur une nowelle Carte des courants de Ü Atlantique nord.
Paris 1892. 4 u. Carte in Fol. Extr.
Atti della Reale Accademia dei Lincei. Anno CCLXXXVIU. 1891. Ser. IV. Rendieonti.
Vol. VII. Fasc. 11. 12 e Indice del Volumine. Sem. 1. Ser. IV. Sem. 2. Ser. V.
Vol. I. Fasc. 1.2. (1892). Classe di scienze morali, storiche e filologiche. Vol.IX.
T. II. Notizie degli scavi. Sett. Ottobre Novembre. 1891. Roma 1891. 4. Anno
CCLXXXIX. 1892. Ser. V. Classe di scienze fisiche matematiche e naturali. Vol.l,
Sem.]. Fasc. 3.4. Roma 1891.
(8) Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Erstes Vierteljahr.
Atti della Societa Toscana di scienze naturali residente in Pisa. Processi verbali. Vol. VII.
1891 — 1893. Memorie Vol. VI. Fasc. 3 e ult. Pisa 1892.
Monitore zoologico Italiano. Annoll. 1891. N 12. Firenze 1891.
Atti della Societa Veneto- Trentina di scienze naturali residenti in Padova. Anno 1891.
„Padova 1892.
Rendiconto dell’ Accademia delle Scienze fisiche e matematiche. Ser. 11. Vol.V. Fase.1—12.
Napoli 1891. 4.
Atti della R. Accademia delle Scienze di Torino. Vol. XXV1N. Disp. 1. 2. 1891—1892.
Torino.
Atti della Accademia Pontaniana. Vol. XXI. Napoli 1891. 4. Indice del lavori scienti-
fiei e letterarii contenuti nel Rendiconti dell’ Accademia Pontaniana pubblicati
del 1853 al 1877 Napoli. 4.
Bolletino della Societa geografica itahana. Ser. Il. Vol. V. Fase. 1. Gennajo 1892. Roma
1892.
R. Stazione bacologica di Padova. E. Verson. Altre cellule glandulari di origine post-
larvale (Cellule glandulari epigastriche.) VII. Padova 1892.
Bullettino di Archeologica cristiana del Commendatore G. B. pe Rossı. Ser. V. Anno.
N#l. Roma 18917
Rendiconti del Circolo matematico di Palermo. T.V. Fasc. VI. 1891. Nov. Dec. Palermo
1891.
Societa Reale di Napoli. Atti della Reale Accademia delle Sceienze fisiche e matematiche.
Ser. II. Vol. IV. Napoli 1891. 4.
Societa de letture e conversazioni scientifiche. Ponsiglioni, A. Commemorazione di Jacopo
Virgilio. XIX Novembre 1891. Genova 1892.
Annali del! Universita di Perugia. Yacolta di Medieina. — Atti e rendiconti della
Accademia medico-chirurgiea di Perugia. Vol. Ill. Fase. 2—4. Perugia 1891.
Annali dell! Ufficio meteorologico e geodinamico italiano. Ser. 11. Vol. IX. P.I—V. 1887.
Roma 1889/91. 4.
Rassegna delle Scienze geologiche in Italia. Anno]. 1891. Sem. 2. Fase. 3. 4. Roma1892.
Commentari dell’ Ateneo di Brescia per "anno 1891. Brescia 1891.
Archivio della R. Societa Romana di storia patria. Vol. XIV. Fasc. III—IV. Roma 1891.
Morrı, G. A.M.S. A. Risoluzione della (Quadratura del Circolo. Pavia 1892.
Pırrarore, F. Flora italiana continuata da T. Carver. Vol.IX. P.U. Firenze 1892.
Bacnasco, G. G. Americae retectio. Atlas-Monography. Palermo 1892.
R. Osservatorio astronomico di Brera in Milano. Pını, E. Osservazioni meteorologiche
eseguite nell’ anno 1891. Col riassunto composto sulle medesime. Milano 1891. 4.
VeccHi, St. Teoria geometrica delle restituzioni prospettive per immagini date sopra super-
‚ficie curve. Parma 1891. 2 Ex.
VıncEnTIo ALBANESE DI BorERNo. Del potere temporale. Discorso secondo. Modica 1892
Memoires de U’ Academie Imperiale des sciences de St. Petersbourg. Ser. VII. T.XXXVII,
N. 4—6. St. Petersbourg 1891. 4.
Bulletin de U’ Academie Imperiale des sciences de St. Petersbourg. N. Ser. II(XXXIV). N. 3.
St. Petersbourg 1892.
Gelehrte Schriften der K. Kasanschen Universität. Jahrg. 59. N. 1. 1892. Kasan 1892. (russ.)
Bulletin de la Societe Imperiale des Naturalistes de Moscou. Annee 1891. N.2.3. Moscou 1892.
Sitzungsberichte des Senats der K. St. Petersburger Universität. N. 43.44. St. Petersburg
1891. 1892. (russ.)
Denkschriften der neurussischen Gesellschaft der Naturforscher. Bd. XV1, I. II. Mathematische
Abtheilung. Bd. Xl1l. XIII. Odessa 1891. 1592. (russ.)
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Erstes Vierteljahr. (9)
Universitätsnachrichten. Bd. XXXI. N. 11.12. Kiew 1891.
Wirp, H. Annalen des Physikalischen Central-Observatoriums. Jahrgang 1890. St. Peters-
burg 1891. 4.
Wiırv, H. Repertorium für Meteorologie. Bd. XIV. St. Petersburg 1891. 4.
Weinrauen und A. v. Orwringen. Meteorologische Beobachtungen angestellt in Dorpat in
den Jahren 1886 —1890. Jalırg. 21— 25. Bd. 5. Dorpat 1892.
Fennia. 4. Bulletin de la Societe de Geographie de Finlande. Helsingfors 1891.
MiELBERG, J. Beobachtungen der Temperatur des Erdbodens im Tifliser Physikalischen Obser-
vatorium im Jahre 1884. 1885. Tiflis 1886. 1891.
, Magnetische Beobachtungen des Tifliser Physikalischen Observatoriums im
Jahre 1890. Titlis 1591.
, Meteorologische Beobachtungen des Tifliser Physikalischen Observatoriums im
Jahre 1890. Tiflis 1891.
Öfversigt af Kongl. Vetenskaps- Akademiens Förhandlingar. Ärg. 48. 1891. N.S—10. Ärg.49.
1892. N.1. Stockholm 1891. 1892.
Antiquarisk Tidskrift för Sverige. Genom Hans Hırpeerann. Deel XI. Häft 8,4. 9.3.
10,6. 11,1. Stockholm 1884/91.
Bergens Museums Aarsberetning for 1890. Bergen 1891.
Jahrbuch des Norwegischen Meteorologischen Instituts für 1889. Herausgegeben von Dr.
H. Moun. Christiania 1591. 4.
Nyt Magazin for Naturvidenskaberne. Bd. 32. Heft 3. Christiania 1891.
Archiv for Mathematik og Naturvidenskaberne. Udgivet af S. Liz 08 G.O. Sars. Bd. XV,
Hefte 1. Christiania 1891.
Academie Royale Danoise des sciences et des lettres. Bulletin. 1891. N.2. Copenhague 1891.
Memoires de U’ Academie Royale Danoise des sciences et des lettres. Classe des sciences.
Ser. VI. Vol.V. N.4. VI. N. 3.4. Copenhague 1891. 4.
Bydragen tot de Taal- Land-en Volkenkunde van Nederlandsch- Indie. Volg.V. Deel VII.
Afl. 1. ”sGravenhage 1892.
Tijdschrift voor Nederlandsche Taal- en Letterkunde. 'Tiende Deel. — N. Reeks, Deel 2.
Afl.4. Leiden 1891.
t Mnemosyne. Bibliotheca philologiea Batava. N. Ser. Vol. XX.P.1.2. Lugd. Bat. 1892.
Levensberichten der afgestorven Medeleden van de Maatschappij der Nederlandsche Letter-
kunde. Leiden 1591.
Handelingen en Mededeelingen van de Maatschappij der Nederlandsche Letterkunde te Leiden
wer het Jaar 1890/91. Leiden 1891.
Oewres completes de Christian Huygens. Publ. par la Soeiete Hollandaise des sciences.
T. IV. Correspondance 1662—1663. La Haye 1591. 4.
Verhandelingen van het Bataviaasch Genootschap van Kumsten en Wetenschappen. Deel
XLVI. Batavia 1891.
Tijdschrift voor Indische Taal-, Land- en Volkenkunde. Deel XXXIV. Atl.6. Batavia 1391.
Notulen van de Algemeene en Bestuurs-Vergaderingen van het Bataviaasch Genootschap van
Kumnsten en Wetenschappen. Deel XXIX. 1891. Afl. II. Batavia 1591.
VAN DER Unıss. Dagh-Register gehouden int Casteel Batavia vant passerende daer ter plaetse
als over geheel Nederlandts- India Anno 1663. Batavia 1891.
VERBEER, R. D.. M. Oudheidkundige Kaart van Java. (Behoort bij de Verhandelingen
van het Bataviaash Genootschap van Kımsten en Wetenschappen, Deel XLVL)
Batavia 1891. Fol.
Sitzungsberichte 1892. B
(10) Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Erstes Vierteljahr.
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N. 11. 12. Bruxelles 189].
Annuaire de l’Academie Royale des sciences de Belgique. 1892. Annee 58. Bruxelles 1892.
Annales de la SocietE geologique de Belgique. T. XVII. Livr.2. T. XIX. Livr. 1. Liege
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Coutumes des Pays et Comte de Flandre. Quartier de Bruges. — Coutumes des petites Villes
et Seigneuries enclavees. T.2.3. Par L. Gırrionrs van SEVEREN. Bruxelles 1891. 4.
Ansracn, L. L’Ecole alsacienne a-t-elle raison contre Zeuner? Le role de l’eau dans les
eylindres a vapeur. Bruxelles 1891.
Publications de la Section historique de U Institut Royal Grand-Ducal de Luxembourg.
XXXIX (XVII) Cartulaire du Prieure de Marienthal. Vol. 2. 1317—1783. Luxem-
bourg 1891. Vol. XLI. XLU. Fase. 1. Luxembourg 1390. 1891.
Publications de U’ Institut Royal Grand-Ducal de Luxembourg. (Section des Sciences naturelles
et mathematiques). T. XXI. Luxembourg 1891.
Observations meteorologiques, faites «a Luxembourg de 1584—1888. — Moyennes de 1584 —
1888 et de 1854—-1888. Par F. Reuter-Chome. Vol. V. Luxembourg 1590.
Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. Bd. IX. Heft2. Basel 1891.
Worr, R. Astronomische Mittheilungen. LXXIX. Zürich 1892.
Nivellement de preeision de la Suisse execute par la Commission geodesique federale sous la
Direction de A. Hırscn et E. Prawramour. Livr. 9. 10. Geneve et Bäle 1391. 4.
Beiträge zu einer geologischen Karte der Schweiz. Text. Lief. 25. 31. Bern 1891. 4.
Bulletin de la Societe Vaudoise des Sciences naturelles. N. 102. Ser. 3. Vol. XXVI XXVNH.
N. 105. Lausanne 1891. 1892.
Memorias de la Real Academia de Ciencias exactas, fisicas y naturales de Madrid. T. XV.
Madrid 1890/91. 4.
Boletin de la Real Academia de la Historia. T. XIX. Cuad. VI. Dee. 1891. T.XX. Cuad. 1.
Enero II. Febr. 1892. III. Marzo 1392. Madrid 1591. 1392.
Almanaque Nautico para 1893, caleulado en el Instituto y Observatorio de Marina de la
Ciudad de San Fernando. Madrid 1891.
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—— Filosofia practica. Madrid 1891. 2 Ex.
Buletinul Societatu de scünte fizice din Bucuresei- Romänia. Anul.1. N. 1—-4. Bucuresei
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Academia Romänd. Serbarea aniversarä de la 1 (13) Aprile 1591 pentru implinirea a
XXV ani dela Infiintarea Ei 1866 — 1891. Bucuresci 1891. 4.
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Akademie der Wissenschaften. 1891. Heft IV. München 1892.
Nachrichten von der K. Gesellschaft der Wissenschaften und der Georg - Augusts- Universität
zu Göttingen. 1892. Nr. 1——4. Göttingen 1892.
t,Journal für die reine und angewandte Mathematik. Bd. 109. Berlin 1891. 4.
#Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik. Bd. XXI. Heft 2. Jahrg. 1589. Berlin 1892.
Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft. Jahrg. XXV. Nr.5—8. 11. Berlin 1892.
Landwirthschaftliche Jahrbücher. Bd. XX (1891). Ergänzungsband Ill. Berlin 1892.
Preussische Statistik. 117. Die Geburten, Eheschliessungen und Sterbefälle im preussi-
schen Staate während des Jahres 1390. Berlin 1892. 4.
Mittheilungen des K. Deutschen Archäologischen Instituts. Römische Abtheilung. Bd. VI.
Fasc. 4. Rom 1891. — Athenische Abtheilung. Bd. XVI. Heft 4. Athen 1891.
‚Jahrbuch des K. Deutschen Archäologischen Instituts. Bd. VII. 1892. Heft 1. Berlin 1892. 4.
Abhandlungen zur geologischen Specialkarte von Preussen und den Thüringischen Staaten.
Bd. IX, Heft3. X, Heft 3. Neue Folge, Heft 5.
Atlas zu den Abhandhıngen zur geologischen Specialkarte von Preussen und den Thüringischen
Staaten. Bd. IX. Heft 3. 4. Berlin 1391. 1892.
Acta Borussica. Denkmäler der Preussischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert.
Herausgegeben von der K. Akademie der Wissenschaften. Bd. 1—3. Berlin 1892. 4.
Astronomische Nachrichten. Bd. 129. Kiel 1892. 4.
Publicationen der Sternwarte in Kiel. VII. — Der Brorsen’sche Comet. — 1. Theil.
Die Verbindung der Erscheinungen 1873 und 1879 und die Vorausberechnung für
1890 von Prof. Dr. E. Lane. Kiel 1892. 4.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Zweites Vierteljahr. (13)
Astronomische Mittheilungen von der K. Sternwarte zu Göttingen. Th. ll. Herausgegeben
von Dr. W. Scuur. Göttingen 1891. 4.
Verhandlungen des naturhistorischen Vereines der preussischen Rheinlande, Westfalens und
des Reg.- Bezirks Osnabrück. Jahrg. 48. 2. Hälfte. Bonn 1391.
Jahresbericht und Abhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins in Magdeburg. 1891.
Magdeburg 1892.
Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde. Bd. 17. Heft3. Han-
nover 1892.
Mittheilungen aus dem naturwissenschaftlichen Verein für Neu-Vorpommern und Rügen in
Greifswald. Jahrg. 23. 1891. Berlin 1892.
Deutsche Seewarte. Resultate meteorologischer Beobachtungen von deutschen und hol-
ländischen Schiffen für Eingradfelder des Nordatlantischen Ozeans. Quadrat 113.
Herausgegeben von der Direction. Nr. X. Hamburg 1891. 4.
Monats- Bericht der Deutschen Seewarte. Jahrg. XVI. 1891. Sept. Oct. Nov. u. Beiheft II.
Dec. Hamburg. 4.
Deutsche Seewarte. Wetterbericht vom 1. Jan. bis 31. März 1892. Jahrg. XVII. Nr.1— 91.
Hamburg 1892. Fol.
Deutsches Meteorologisches Jahrbuch für 1891. — Beobachtungssystem des Königreichs
Preussen und benachbarter Staaten. — Ergebnisse der Meteorologischen Beob-
achtungen im Jahre 1891. Herausgegeben durch W. von Bezorv. Berlin 1892. 4.
Abhandlungen des K. Preussischen Meteorologischen Instituts. Herausgegeben von W. von
Bezorp. Bd. 1. Nr. 4.5. Berlin 1892. 4.
Deutsches Meteorologisches Jahrbuch für 1890. — Ergebnisse der meteorologischen Beob-
achtungen im Reichsland Elsass-Lothringen im Jahre 1890. Strassburg i. E. 1892. 4.
Die Attischen Grabreliefs. Herausgegeben im Auftrage der K. Akademie der Wissen-
schaften zu Wien von A. Conze. Lief. 1—3. Berlin 1890. 1891. 1892. Fol.
Königstädtisches Gymnasium in Berlin. XV. Ostern 1892. Bericht über das Schuljahr
1891 bis Ostern 1892. Nebst einer wissenschaftlichen Abhandlung. Berlin. 4.
Fünfter Jahresbericht über die II. Städtische Höhere Bürgerschule in Berlin. Schuljahr 1891/92.
Hierzu eine wissenschaftliche Beilage. Berlin 1392. 4. 3 Ex.
IV. Städtische Höhere Bürgerschule in Berlin. — IV. Bericht über das Schuljahr von
Östern 1891 bis Ostern 1392. Nebst einer wissenschaftlichen Abhandlung. Berlin
1892. 4. 3Ex.
V1. Städtische Höhere Bürgerschule in Berlin. 11. Ostern 1892. Bericht über das Schul-
jahr Ostern 1891 bis Ostern 1892. Nebst einer wissenschaftlichen Beilage. Berlin
1892. 4. 3. Ex.
VII. Städtische Höhere Bürgerschule in Berlin. 1. Ostern 1892. — Bericht über die Zeit
von Michaelis 1890 bis Ostern 1892. Nebst einer wissenschaftlichen Beilage. Berlin
1892. 4. 3 Ex.
VII. Städtische Höhere Bürgerschule in Berlin N. 1. Bericht über die Zeit von Michaelis
1890 bis Ostern 1892. — Hierzu eine wissenschaftliche Beilage. Berlin1892. 4. 3 Ex.
Lessing - Gymnasium zu Berlin. — X. Jahresbericht. Ostern 1892. — Nebst einer wissen-
schaftlichen Abhandlung. Berlin 1892. 4. 3 Ex.
Jahrbücher der K. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. N. Folge. Heft XVI.
Erfurt 1892.
Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum ex Monumentis Germaniae hist. recusi.
— Gesta Federici I. Imperatoris in Lombardia auct. Cire Mediolanensi. Hannoverae
1892.
Bericht der zur Untersuchung der Rheinstromverhältnisse niedergesetzten Reichskommission.
s.l.e.d. Fol.
(Bis
(14) Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Zweites Vierteljahr.
Verhandhıngen der vom 8. bis 17. October 1891 zu Florenz abgehaltenen Conferenz der per-
manenten Commission der Internationalen Erdmessung. Berlin 1892. 4.
Urkundenbuch der Stadt Lübeck. Th. IX. Lief. 5.6. Lübeck 1892. 4.
Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft. Jahrg. 27. Heft 1. Leipzig 1892.
Abhandlungen herausgegeben vom naturwissenschaftlichen Vereine zu Bremen. Bd. Xll. Heft 2.
Bremen 1892.
Abhandlungen der math. physischen Classe der K. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften.
Bd. XVII. N. V. VI. der philol. hist. Classe. Bd. XIII. N.IV. Leipzig 1892.
Berichte über die Verhandlungen der K. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig.
Mathematisch-physische Classe. 1591. V.1892.1. Leipzig 1892.
‚Jahresbericht der Fürstlich Jablonowski’schen Gesellschaft. Leipzig, im März 1892.
Zeitschrift für Naturwissenschaften. Herausgegeben von Dr. OÖ. LvEDEckE. Bd. 64. Heft 6.
Leipzig 1892.
Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Bd.45. Heft 4. Bd. 46. Heft 1.
Leipzig 1891. 1892.
! Hedwigia. Organ für Kryptogamenkunde. Bd. XXXI. 1892. Heft 1—3. Dresden
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Acht und zwanzigster Bericht der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde.
Giessen 1892.
Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Neue Folge. Jahrg. I. 1892.
Heft 1.2. nebst Beilage: Württembergisch Franken. Neue Folge. IV. Schw. Hall.
Stuttgart 1892. 4.
Bulletin mensuel de la Societe des sciences, agrieulture et arts de la Basse- Alsace. T.XXVI.
1892. Fasc. 4. 5.6. Strassburg 1892.
Sitzungsberichte der physikalisch - medicinischen Gesellschaft zu Würzburg. Jahrg. 1891.
Würzburg 1892. ;
Verhandlungen der physikalisch - medicinischen Gesellschaft zu Würzburg. Neue Folge.
Bd. XXV (1890/91). Würzburg 1892.
Anzeiger des germanischen Nationalmuseums. Jahrg. 1591. Nürnberg 1891.
Mittheilungen aus dem germanischen Nationalmuseum. Jahrg. 1891. Nürnberg 1891.
Katalog der im germanischen Museum befindlichen Bronzeepitaphien des 15.—18. Jahr-
hunderts. Nürnberg 1891.
Katalog der im germanischen Museum befindlichen Kunstdrechslerarbeiten des 16.— 18. Jahr-
hunderts aus Elfenbein und Holz. Nürnberg 1891.
WERNER SıEmENs. Wissenschaftliche und technische Arbeiten. Bd.1.2. 2. Aufl. Berlin
1889. 1891.
Drei grosse Mappen mit Photographien etc. der sämmtlichen Werke des Prof. Dr. ADoLPpH
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Danzig 1890. Sep. - Abdr.
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Abdr.
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Sep. -Abdr.
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feste S. Maj. des Kaisers und Königs Wilhelm Il. Berlin 1892. 4.
#*Voıer, W. Bestimmung der Constanten der Elastieität und Untersuchung der inneren
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‚ Die Logarithmen complexer Zahlen in geometrischer Darstellung. Erfurt 1892.
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Pziser, F.E. Die Hetitischen Inschriften. Berlin 1892. 4.
Huserrı, L. Gottesfrieden und Landfrieden. Rechtsgeschichtliche Studie. Buch I. Ans-
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Sitzungsberichte der philos.- historischen Classe der K. Akademie der Wissenschaften. Bd. 124.
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Abth. IIa. 1891. Nr. 1—7. Abth. IIb. 1891. Nr. I—7. Abth: Ill. 1891. Nr. 1—7.
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Ärstlicher Bericht des K.K. Allgemeinen Krankenhauses zu Wien vom Jahre 1890. Wien 1892.
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Jahresbericht des Vereines für Siebenbürgische Landeskunde für das Vereinsjahr 1890/91.
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Földtani Közlöny. — Geologische Mittheilungen. Köt. XXI. Füzet 1.2. Budapest 1392.
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tComptes rendus des seances de l’ Academie des inscriptions et belles-lettres de l’annee 1891.
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) ” n . . 5 r 2 . A
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Tatiani Evangeliorum harmoniae arabice. Nune primum ex dupliei codice edidit et
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Register zu den Verhandlungen des historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg.
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Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft. Jahrg. 27. Heft 2. Leipzig 1892.
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Ergebnisse der Untersuchung der Hochwasserverhältnisse im Deutschen Rheingebiet. Be-
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40. und 41. Jahresbericht der Naturhistorischen Gesellschaft zu Hannover für die Geschäfts-
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Mittheilungen aus der Zoologischen Station zu Neapel, zugleich ein Repertorium für Mittelmeer-
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Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 68. Heft 1. Görlitz 1892.
Neue Heidelberger Jahrbücher. Herausgegeben vom Hist. Philosoph. Vereine zu Heidel-
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39. Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Mit einem
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Monumenta Germaniae historica. Auctorum antiquissimorum T.IX. P.2. — Chronica
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Ephemeris epigraphica corporis inscriptionum Latinarum Supplementum. Vol. VII. Fase. IV.
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Mittheilungen des K. Deutschen Archaeologischen Instituts. Athenische Abtheilung. Bd. XV.
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Die Handschriften-Verzeichnisse der K. Bibliothek zu Berlin. Bd. V. Verzeichniss der
Sanskrit- und Präkrit-Handschriften von A. Weger. Bd. ll. Abth. 3. Berlin 1892. 4.
tJ. Grium und W. Grıum. Deutsches Wörterbuch. Bd. VIII. Lief. 10. Leipzig 1892.
Perıscn, W. Die Arabischen Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Gotha. Bd. 5.
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und historischen Denkmale. Bd. XVII. Heft 1.2. Wien 1892. 4.
Mittheilungen der Section für Naturkunde des Österreichischen Touristen-Club. Jahrg. IV.
1892. N.7.8. Wien 1892. 4.
Jahrbuch der K. K. Geologischen Reichsanstalt. Jahrg. 1892. Bd. XLII. Heft 1. Wien 1892.
Abhandlungen der K. K. Geologischen Reichsanstalt. Bd. XVII, 1.2. Wien 1892. 4.
Jahrbücher der K. K. Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus. _Officielle
Publication. Jahrg. 1890. N. Folge. Bd. XXVII. Wien 1892. 4.
Verhandlungen der K. K. zoologisch - botanischen Gesellschaft in Wien. Jahrg. 1892. Bd. XL.
Quartal 1.2. Wien 1892. E
50. Bericht über das Museum Francisco-Carolinum. Linz 1892.
Publicationen der v. KUrFFNeER'schen Sternwarte in Wien (Ottakring). Herausgegeben von
Dr. N. Herz. Bd. 11. Wien 1892. 4.
Magnetische und meteorologische Beobachtungen an der K. K. Sternwarte zu Prag im Jahre
1891. Jahrg. 52. Prag 1892. 4.
‚Jahresbericht des naturhistorischen Landesmuseums von Kärnten für 1891. Klagenfurt 1892.
Nachrichten der Museumsgesellschaft für Krain. 2. Jahrg. Ljubljani 1892. (kroat.)
Ordnung der Vorlesungen an der K. K. Deutschen Carl- Ferdinands- Universität zu Prag im
Wintersemester 1892/93. Prag 1892.
Srossıch, M. I Distomi dei Mammiferi. Trieste 1892. Estr.
Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau. 1892. Juni. Juli. Krakau 1892.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Drittes Vierteljahr. (25)
Archiv des Vereines für siebenbürgische Landeskunde. N.Folge. Bd. 24. Heft 2. Herman-
stadt 1892.
Programm des evang. Gymnasiums A. B. in Schässburg und der damit verbundenen Lehr-
anstalten zum Schlusse des Schuljahres 1891/92. Schässburg 1592. 4.
Almanach der Ungarischen Akademie für 1892. Budapest 1892. (Ung.)
Archäologische Mittheilungen. N. Folge. XV,4.5. X11l, 1.2. Budapest 1891. 1892. (Ung.)
Ungarische Revue. Herausgegeben von Dr. K. Heinrich. 1892. Jahrg. XII. Heft VI.
VI. Budapest 1592.
Mathematische und naturwissenschaftliche Berichte. 1X,1.2. Budapest 1592. (Ung.)
Mathematische und naturwissenschaftliche Mittheilungen. XXIV, S—10. Budapest 1891.
. (Ung.)
Naturwissenschaftliche Abhandlungen. XXI, 4. XXII, 1.2.3. Budapest 1891. 1892. (Ung.)
Mathematische Abhandlungen. XIV,5. XV, 1. Budapest 1891. 1892. (Ung.)
Sociahvissenschaftliche Abhandlungen. X1.5.6. Budapest 1891. 1892. (Ung.)
Naturwissenschaftlicher und mathematischer Anzeiger. X, 1—7. Budapest 1891. 1892. (Ung.)
Philologische Miüttheilungen. XXI, 3.4. Budapest 1591. (Ung.)
Historische Abhandlungen. XV, 2—6. Budapest 1891. 1892. (Ung.)
Ungarländische Studierende im Auslande. 11. Budapest 1892.
Munkacsı BernAr. Sammlung vogulischer Volksdichtungen. 1.11. Budapest 1892. (Ung.)
Karäcsonvı, J. Urkunden des Königs Stefan des Heiligen. Budapest 1891. (Ung.)
Sımoxyı, Z. Die Bestimmungsworte im Ungarischen. 11,1. Budapest 1892. (Ung.)
Szıräayı SAnvor. Siebenbürgen und der Krieg im Nord-Osten. 11. Budapest 1891. (Ung.)
Codex diplomaticus Hungaricus Andevagensis. VI. (1353 —1357.) Budapest 1891.
Körösı, J. (Comitats- Monographien. 1. Budapest 1391. (Ung.)
Rapport sur Pactivitd de U Academie hongroise des sciences en 1891. Presente par C. SzıLy
Budapest 1892.
Die Rumänische Frage in Siebenbürgen und Ungarn. Replie der Rumänischen akade-
mischen Jugend Siebenbürgens und Ungarns zu der von der Magyarischen aka-
demischen Jugend veröffentlichten » Antwort« auf die »Denkschrift« der Studenten
der Universitäten Rumäniens. Wien, Budapest, Graz, Klausenburg. 1892.
Societas historico-naturalis croatica. Swossich, M. Össervazioni elmintologiche. Zagrebu
1892.
Viestnik hrvatskoga arkeologiekoga Druztva. God. XIV. Br. 3. Zagrebu 1892.
Rad Jugoslavenske Akademije znanosti i umjetnosti. Knjiga COX. Razr. filol.-hist. i filos.
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The Transactions of the Linnean Society of London. Botany. Vol. Il. S.4—7. London
1891. 1892. 4.
The Journal of the Linnean Society. Botany. Vol. XXVI, 176. XXVIIL, 194— 198. Zoo-
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Proceedings of the Linnean Society of London. From November 1888 to June 1890.
London 1891.
List of the Linnean Society of London. 1891/92. London 1891.
Proceedings of the Royal Geographical Society and Monthly Record of Geography. Vol. XIV.
N. 6.7.9. 1892. London 1892.
Proceedings of the Royal Society. Vol. L,N.307. Vol. LI. N. 310— 313. London 1892.
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Vol. LII. N.8 and List of fellows,
London 1892.
° g . . ” .pn * r. .
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Proceedings of the Chemical Society. Session 1892/93. N. 114. London.
Report of the 61. meeting of the British Association for the Advancement of Science. 1891.
London 1892.
‚Journal of the Royal Microscopical Society. 1892. P. IV. London 1892.
Journal of the Chemical Society. N. CCCLVYI— CCELVIM. 1892. Vol. LXI. LXII. London
1892.
The Quarterly Journal of the Geological Society. Vol. XLVUI. 1892. N.191. London
1892.
Memoirs and Proceedings of the Manchester litterary and philosophical Society 1891/92.
Ser. IV. Vol.5. N. 1. Manchester 1892.
Proceedings of the London Mathematical Society. N. 440 — 444. London 1892.
Catalogue of the Birds in the British Museum. Vol. XV1. XVII. London 1892.
Hooker, J. D. The Flora of British India. P. XVII. (Vol. VI.) London 1892.
Disranı, W.L. A monograph of oriental Cicadidae. Published by Order of the Trustees
of. the Indian Museum, Caleutta. . P. V. pp. 97’—120. 1892. P. VI. pp. 121—144.
London 1892. 4.
Transactions of the Royal Society of Edinburgh. Vol. XXXVIl. P.I. (N. 4.) Edinburgh
1892. 4.
Proceedings of the Royal Society of Edinburgh. Session 1891/92. Vol. XIX. (Pp. 1—80.)
Edinburgh 1892.
Reports from the Laboratory of the Royal College of Physicians, Edinburgh. Vol. IV. Edin-
burgh and London 1892.
Tenth Annual Report of the Fishery Board for Scotland, being for the year 1891. P.1. 1. II.
Edinburgh 1892.
Royal Irish Academy. Cunningham Memoirs. N. VH. Dublin 1892. 4.
Journal of the Asiatie Society of Bengal. New Series. Vol. LX. P.I. N. II. 111. 1891.
P.U. N.II-—-W. 1891. Vol.LXL B.I. N.I. P.B>N.1. 1892 and Title page and
Index for 1891. Calcutta 1891. 1892.
Proceedings of the Asiatie Society of Bengal 1891. N.7—10. 1892. N.1— UI.
Records of the Geological Survey of India. Vol.XXV. P.2. 1892. Caleutta 1392.
Mavravı Mırza Asurar Arı. Catalogue of the Persian books and manuseripts in the
Library of the Asiatic Society of Bengal. Fasc. 1.11. Caleutta 1892. 4.
Epigraphica Indica of the Archaeological Survey of India. P.IX. Vol.1. 1892. Supple-
mentary of the Corpus inser. Indicarum of the Archaeol. Survey by J. Burgess.
Vol. I. Caleutta 1892. 4.
Archaeological Survey of India. (New Series.) Fünrer, A. The Monumental Antiquities
and Inseriptions, in the North-Western Provinces and Oudh. Allahabad 1891. 4.
Results of Observations of the Fixed Stars made with the Meridian Circle at the Government
Observatory Madras in the years 1874, 1875 and 1876. Madras 1892. 4.
Geological and Natural History Survey of Canada. Rüsr, D. Contributions to Canadian
Micro-Palaeontology. P. IV. Catalogue of Canadian Plants. P. VI. Musci by
J. Macoun. Montreal 1892. Ottawa 1892.
The Canadian Record of Science. Vol. V. N. 3. Montreal 1892.
The Benefactors of the University of Toronto, after the great fire of 14th February 1890,
Toronto 1892.
Transactions of the Canadian Institute. 1892. Vol.11. P.2. Toronto 1892.
a
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Drittes Vierteljahr. (27)
Fremminc, S. An Appeal to the Canadian Institute on the rectification of Parliament.
Toronto 1892.
Annual archaeological Report and Canadian Institute. (Session 1891). Being an appendix
to the report of the Minister of Education, Ontario. Toronto 1891.
The Proceedings and Transactions of the Nova Scotian Institute of Science, Halifax, Nova
Scotia. Session of 1890/91. Sec. Series. Vol.I. P.I. Halifax 1891.
Cape of Good Hope. Geodetic Survey of South Africa. Cape Town 1892.
Australian Museum, Sydney. (Catalogue N.15.) BrazıEr, J. Catalogue of the Marine
shells of Australia and Tasmania. P. Il. Petropoda. Sydney 1892.
1892. Victoria. Annual Report of the Secretary for Mines during the year 1891,
Melbourne. Fol.
Transactions of the Royal Society of South Australia. Vol. XV. P.I. Adelaide 1892.
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N.1—11. Paris 1892. 4.
! Academie des inscriptions et belles-lettres. Comptes rendus des seances de l’annee 1392.
Ser. IV. T.XX. Bulletin de Mars- Avril. Paris 1892.
Compte-rendu sommaire des Scances de la Societe philomatique de Paris. 1892. N. 17.18.
19. 20. Paris 1892.
Bulletin de la Societe philomatique de Paris. Ser. VIII. T.IV. N.2. 1891/92. Paris 1892.
Polybiblion. Revue bibliographique universelle. Partie techn. Ser. II. T. 18. Livr. 7— 9:
Partie litt. Ser. II. T. 36. Livr. 1—3. Paris 1892.
Annales des Mines. Ser. IX. T.I. Livr. 5. 1892. Paris 1892.
Comite international des poids et mesures. (Juartorzieme rapport aux Gouvernements signa-
taires de la Convention du Metre sur l’exereice de 1890. Paris 1891. 4. 2 Ex.
Annales du Musee Guwimet. Revue de l’histoire des religions. Annee Xll. T. XX11l.
IN 23% I-AXIV.EN: 1.52. Paris.1891.
Annales du Musee Guimet. 'T.XVIll. Avadäana-Cataka. Cent legendes (Bouddhiques)
trad. du Sanskrit par Leon Feer. Paris 1891. 4.
Bulletin archeologique du Comite des travaux historiques et scientifiques. Annee 1891. N. 1.
2. Paris 1891.
Bulletin de la Societe de Geographie. Ser. VH. T. XIII. Trim.1. 1892. Trim. 2. Paris 1892.
Comptes rendus des seances de la Societe de Geographie. 1892. N. 12—14. Paris 1892.
Annales des Ponts et Chaussees. Memoires et documents. Tables generales. VI® Ser.
Periode decennale 1881 —1890. Paris 1891.
Bulletin de la Societe zoologique de France pour l’annee 1892. T. XVII. N.6. Paris 1892.
Memoires de la Societe zoologique de France pour l’annee 1892. T.V. P.4. Paris 1892.
!Revue archeologique. Ser. IH. T. XIX. 1892. Mai-Juin. Paris 1892.
Bulletin de la Societe mathematique de France. T.XX. Nr. 4. Paris 1892.
Bulletin de la Societe geologique de France. Ser. III. T. XIX. 1891. N.13. T.XX. 1892.
N.1. Paris 1892.
!Annales de Chimie et de Physique. Ser. VI. T.XXVI. 1892. Juli-Sept. Paris. 1892.
Nomwelles Archives du Musee naturelle. Ser. 11. T.3. Fase. 1. Paris 1391. 4.
Feuille des Jeunes Naturalistes. Ser. Ill. Annee XXN. 1892. N. 262. 263. Paris 1892.
Revue scientifique. T.50. Sem. 2. N.2—14. Paris 1892. 4.
Bulletin de l’Academie de Medecine. Ser. 3. T. XXVII. Annee 56. 1892. N. 27— 38.
Paris 1892.
Bulletin de la Societe d’etudes scientifiques de Paris. Annee 14. 1891. Sem. 1.2. Paris 1892.
Annales des Ponts et Chaussees. Memoires et documents. Ser. VII. Annee II. Cah.5.6.7.
Paris 1892.
(28) Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Drittes Vierteljahr.
Vivien DE Saınr-Marrın. Nouveau dictionnaire de Geographie universelle. Fasc. 64. 65.
Paris 1892. 4.
Bibliothegue Nationale. Manuserits latins et francais ajoutes anx fonds des nouvelles
acquisitions pendant les annees 1875—1891. Deriste, L. Inventaire alphabetique.
PAS Barisal89l:
LEmoıseE, E. Sur les transformations systematiques des. formules relatives au triangle.
Paris 1891.
‚ Trois theoremes sur la geometrie du triangle. Paris 1891. 4. Extr.
___, Etude sur une nowelle transformation dite transformation continue. Gand
et Paris 1892. Extr.
SCHRADER, F. Nouvelles Geographiques. Annee II. 1892. N.1. Paris 1892. 4.
Catalogue de l’Observatoire de Paris. Etoiles observees aux instruments meridiens de
1837 a 1881. T.II. (VIPA XIIh). Positions observees des £toiles. 1837—1881.
T.H. (VIk A XIIb). Paris 1891. 4.
Bisourvan, M. G. Observations de Nebuleuses et d’amas stellaires. Paris. 4. Extr.
„ Histoire de l’ Astronomie a Toulouse. Paris 1883. 4. Extr.
a Observations pour determiner la parallaxe de @) Victoria. Paris 1883.
4. Extr.
‚ Mesures d’etoiles doubles faites a l’equatorial de la tour de l’Ouest
de 1880 a 1884. Paris 1883. 4. Extr.
Annales de la Faculte des Sciences de Toulouse pour les sciences mathematiques et les
sciences physiques. T.V1l. Annee 1892. Paris 1892. 4.
Annales de la Faculte des Sciences de Marseille. T.1I. Marseille. Paris 1891. 4.
Memoires de la Societe Nationale des sciences naturelles et mathematiques de Cherbourg.
T.XXVN. (Ser. II. T. VII.) Paris- Cherbourg 1891.
Memoires de la Societe d’emulation du Doubs. Ser. Vl. Vol. V. 18590. Besancon 1891.
Memoires de l’Academie de Stanislas 1890. Annee CXLI. Ser. V. T. VIII. Nancy
1891. R
Bulletin de la Societe des sciences de Nancy. Ser. Il. T. XI. Fasc. XXV. Annce XXIV.
1891. Paris 1892.
Memoires de U’ Academie des sciences, arts et belles-lettres de Dijon. Ser. IV. T.1I. Annee
1890/91. Dijon 1891.
Memoires de l’Academie des Sciences et lettres de Montpellier. — Section des Lettres.
Tome IX. N. 1.2. Section de Medecine. Tome VI. N.2. Montpellier. 4.
Bulletin de la Societe d’etudes scientifiques d’ Angers. Nouvelle Serie. XX® Annee 1890.
Angers 1891.
Union geographique du Nord de la France, siege « Douai. Bulletin. T. XII. 1891. Jan.-
Aug. Donai 1891.
Bulletin de la Societe Geographie commerciale de Bordeaux. Annee XV. Ser. 2. N. 13—16.
Bordeaux 1892.
Annales de la SocietE Linneenne de Lyon. Annee 1888. 1889. 1890. (N. Ser.) T. 35 — 37.
Lyon 1889. 1890. 1891.
Precis analytique des travaux de l’Academie des sciences, belles-lettres et arts de Rouen
pendant l’annee 1889/90. Rouen 1891.
Bulletin d’histoire ecclesiastigue et d’archeologique religieuse des Dioceses de Valence ete.
Annee XI. Livr. 69— 75. 1891. Romans.
Memoires publies par les membres de la Mission archeologique frangaise au Caire. T. V1.
Fase-#L..T. VI. -Base.2.. Paris 189121892: 4.
BarTHELENY-Saımr Hıraıre, J. Traduction generale d’Aristote. Table alphabetique
des matieres. T.1.2. Paris 1892.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Drittes Vierteljahr. (29)
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1891.
-, La priorite des noms de Plantes. Paris 1590.
Crova, A. Sur les observations actinometriques faites pendant lannee 1887 a l’Observa-
toire meteorologique de Montpellier. (Section des sciences.) T. XI. N. 2. Montpellier.
Sep.-Abdr. 4.
Pranche, A. Balarue-les- Bains. De ses boues minerales. (Sect. Medicine.) T.VI. N. 2.
Sep.-Abdr. 4.
della R. Accademia dei Lincei. Anno CCLXXXIX. 1892. Ser. IV. Classe di scienze
morali, storiche e filologiehe. Vol. VI—VII. X,2. Memorie. Roma 1890. 1892. 4.
della R. Accademia dei Lincei. Anno CCLXXX. 1892. Ser. V. Rendiconti. CUlasse
di scienze fisiche, matematiche e naturali. Vol.I. Sem. I. Fase. 11. Sem. ll. Fase.
Attı
=
Attı
=
1—5. Classe di seienze morali, storiche e filologiche. Ser. V. Vol.I. Fase. 5—7.
Roma 1892. 8°.
Atti della R. Accademia dei Lincei. Anno CCLXXXINX. 1892. Rendiconto dell’ adunanza
solenne del 5 Giugno 1892. Roma 1892. 4.
Atti della R. Accademia delle Scienze di Torino. Vol. XXVII. Disp. 9—15. 1891/92.
Torino 1892.
Össervazioni meteorologiche fatte nell’ anno 1891 all’ Osservatorio della R. Universita di
Torino. Torino 1892.
Bullettino di Archeologia ceristiana. Del Commendatore G. B. pr Rossı. Ser. V. Anno ll.
N. 3.4. Roma 1892.
Bullettino della Reale Accademia di Scienze, lettere e belle arti di Palermo. Anno IX.
N.1—3. 1892. Palermo 1892. 4.
Rendiconto dell’ Accademia delle Scienze fisiche e matematiche (Sezione della Societa Reale
di Napoli. Ser.22. Vol. VI. (Anno XXXI.) Fasc.6. 1892. Napoli 1892. 4.
Atti del Reale Istituto Veneto di scienze, lettere ed arti. (T.38.) Ser. VII. T.U. Disp. 10.
(T. 50.) Ser. VII. T. III. Disp. 1— 3. Venezia 1890/91. 1891/92.
Memorie del Reale Istituto Veneto di scienze, lettere ed arti. Vol. XXIV. Venezia 1891. 4.
Atti della R. Accademia dei Fisiocritiei in Siena. Ser. IV. Vol.1V. Fasc. 5. 6. Siena 1892.
Archivio della R. Societa Romana di Storia Patria. Vol. XV. Fasc. 1. Il. Roma 1892.
Rendiconto del Circolo matematico di Palermo. T. VI. 1892. Fasc. III e 1V. Palermo 1892.
Annali dell’ Ufficio centrale meteorologico e geodinamico italiano. Ser. 2. Vol.X. P.I—IV.
1883. ,Ser.2. Vol. XI. P.111. 1889, Roma,1891. 18927 Kol.
Bollettino della Societa di letture e conversazioni scientifiche di Genova. Anno XV. 1892.
Genn. -Giugno. Genova 1892.
Annali dell’ Universita di Perugia. Facolta di Medieina. Atti e rendiconti della Ac-
cademia medico-chirurgica di Perugia. Vol. IV. Fasc. 2. Perugia 1892.
FarcaHı, J. Vetulonia e la sua Necropoli antichissima e replica alle Össervazioni del
P.C. A. DE Cara sul libro » Vetulonia e la sua Necropoli antichissima.«. Firenze 1892.
‚ Replica alle Osservazioni del P. C. A. DE Cara sul libro » Vetulonia e la sua
Necropoli antichissima«. Firenze 1892.
La Biblioteca comunale e gli antichi Archivi di Verona nell’ anno 1891. Verona 1892. 4.
Bacrıonı, B. II concetto etico nella scienza moderna. Firenze 1392. 2 Ex.
' Rama, M. Sull’ escursione diurna della declinazione magnetica a Milano in relazionr col
periodo delle macchie solari. Milano 1891. Estr.
Sylloge epigraphica Orbis Romani cura et studio H. DE RussıEro edita. Vol. 11. Inscriptiones
Itäliae continens. Ed. Dawres Vacrıesı. Fasc. I. Romae 1892.
PorArı, G. Una primizia dell’ Etrusco e le lingue tirreno-pelasgiche. s.1. 1892. Estr.
Sitzungsberichte 1892. F
D > . . . . 7. .
30 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Drittes Vierteljahr.
(olo) fe) J
Memoires de l’ Academie Imp. des sciences de St. Petersbourg. Ser. VU. T. XXXVIIL N. 9.
11—13. St. Petersbourg 1892. 4. ”
Bulletin du Comite geologique. 1890. T.IX. N.9.10. 1891. T.X. Nr. 1I—5. Suppl. au
T.X. St. Petersbourg 1891.
Memoires du Comite geologique. Vol. XI. Nr. 2. St. Petersbourg 1891. 4.
Nachrichten von der Universität Kiew. Bd. XXXNH. 1892. N.4.5. Kiew 1892. 3
Sitzungsberichte der Naturforscher - Gesellschaft bei der Universität Dorpat. Bd.9. 1891.
Dorpat 1392.
Schriften herausgegeben von der Naturforscher - Gesellschaft bei der Universität Dorpat. N. VI.
v. Kenner, J. Die Verwandschaftsverhältnisse der Arthropoden. Dorpat 1591. 4.
Öfversigt af Finska Vetenskaps - Societetens Förhandlingar. XXXNI. 1890/91. Helsing-
fors 1891.
Acta Societatis scientiarum Fennicae. T. XV1l1l. Helsingforsia 1591. 4.
Fennıa, S. Bulletin de la Societe de Geographie de Finlande. Helsingfors 1892.
Verhandlungen der russisch-kaiserlichen mineralogischen Gesellschaft zu St. Petersburg. 2. Serie.
28. Bd. St. Petersburg 1391. (russ.)
Archives des sciences biologiques publ, p. U’ Institut imperial de Medecine experimentale a St.
Petersbourg. T.1. N.3. St. Petersbourg 1892. 4. (russ. u. franz.)
Schriften der historisch-philosophischen Facultät der Kais. Universität St. Petersburg. Bd.12.13.
St. Petersburg 1358— 90. (russ.)
Arbeiten der naturforschenden Gesellschaft an der Kais. Universität Kasan. Bd. 21. Hft.1.
W. Rosuansky, Zur Lehre über das Verhältniss des Rückenmarks und der sym-
pathischen Ganglien zum Gefässsystem. Kasan 1539. (russ.)
Bericht über den Stand und die Thätigkeit der Kais. Universität St. Petersburg f. 1890 zu-
sammengestellt vos BErscHarzeı. St. Petersburg 1890/91.
Bericht über den Stand und die Thätigkeit der Kais. Universität St. Petersburg f. 1891 zu-
sammengestellt von Konowarow. St. Petersburg 1891/92. (russ.)
Übersicht über die an der Kaiserl. Universität St. Petersburg gelesenen Wissenschaften im
Herbst- und Frühlingsjahr 1891/92. St. Petersburg 1891. (russ.)
Nachrichten der Kais. Gesellschaft der Freunde der Naturforschung, Anthropologie und
Ethnographie. Bd. 28. Arbeiten der ethnographischen Abtheilung der Kais. Gesell-
schaft der Freunde der Naturforschung an der Universität Moskau. Buch 4. Moskau
1877. (russ.) 4. -
Verhandlungen der Neurussischen Gesellschaft von Naturforschern. 16. Bd. 1. Lfg. Odessa
1891. (russ.)
Verhandlungen der mathematischen Abtheilung der Neurussischen Gesellschaft von Natur-
Jorschern. 13. Bd. Odessa 1391. (russ.)
Gelehrte Schriften der Kais. Universität Kasan. 59. Jg. Buch 1— 4. Kasan 1392.
(russ.)
Verhandhmgen der ostsibirischen Abtheilung der Kais. russischen geographischen Gesellschaft
für allgemeine Geographie. Bd.1. Lfg. 1. Arbeiten russischer Handelsleute in der
Mongolei und China. Irkutsk 1890. (russ.)
Verhandhingen der Ostsibirischen Abtheilung der Kais. Russischen Geographischen Gesellschaft
in der Section Ethnographie. Bd.1. Heft 1. Sagen und Erzählungen von Burjat,
ges. v. CHANGALOW, SArToPLaJEw u.a. Bd.2. Heft2. Schamanensagen der Fremd-
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s = = ap 7 =. r 5W
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Serbische Königliche Akademie. Denkmäler. 2—18. Belgrad 1390—92. (serb.)
Serbische Königliche Akademie. Jahrbuch II 1888. Belgrad 1589. (serb.)
Der Bote der Serbischen Gelehrten-Gesellschaft. Beh. 75. Abhandlungen. Belgrad 1892. (serb.)
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Sitzungsberichte der philosophisch-philologischen und historischen Classe der K. Bayerischen
Akademie der Wissenschaften in München. 1892. Heft 2.3. München 1892.
Abhandlungen der mathematisch-physischen Classe der K. Sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften. Bd. XVII. N. Vlll. Leipzig 1892.
Berichte über die Verhandlungen der K. Sächsischen Gesellschaft zu Leipzig. Math.-physische
Classe. 1892. 111. Leipzig 1892.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Viertes Vierteljahr. (39)
Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig.
Philologisch -historische Classe. 1892. I. II. Leipzig 1892.
Abhandlungen der K. Preussischen geologischen Landesanstalt. Neue Folge, Heft 6—8
und 13 -und 1 Karte in Fol. Berlin 1892.
Abhandlungen zur geologischen Spezialkarte von Preussen und den Thüringischen Staaten.
Bd. X. Heft 4. Berlin 1892.
Jahrbuch des K. Deutschen Archäologischen Instituts. Bd.Vll. 1892. Heft 3. Berlin
1892. 4.
Mittheilungen des K. Deutschen Archäologischen Instituts. — Athenische Abtheilung. Bd. XV1.
Heft. 2. Athen 1392. — Römische Abtheilung. Bd. VII. Fase. 1.2. Rom 1892.
Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft. 1892. Jahrg. 25. N. 15—18. Berlin 1892.
Zeitschrift für das Berg- Hiütten- u. Salinen-Wesen im Preussischen Staate. Bd. XL.
Heft 4. Text u. Atlas in Fol. Berlin 1892. 4.
Ergebnisse der Beobachtungsstationen an den deutschen Küsten über die physikalischen Eigen-
schaften der Ostsee und Nordsee und die Fischerei. Jahrg. 1891. Heft IV— XI.
Berlin 1892. 4.
Mittheilungen aus dem Telegraphen - Ingenieurbüreau des Reichs - Postamts. 1. Juni 1889 bis
März 1892. Berlin 1892.
Zeitschrift des K. Preussischen Statistischen Büreaus. Jahrg. 30. 1890. Vierteljahrsheft 4.
Jahrg. 31. 1891. Vierteljahrsheft III. IV. Berlin 1890. 1891. 4.
Preussische Statistik. 119. Die Ergebnisse der Ermittelungen des Ernteertrages im
Preussischen Staate für das Jahr 1891. Berlin 1892. 4.
Astronomische Beobachtungen auf der Königl. Sternwarte zu Berlin. 2. Serie. Bd. I. Zonen-
beobachtungen der Sterne zwischen 20 und 25 Grad nördlicher Declination, aus-
geführt und bearbeitet von Dr. E. Becxer. Th.1. Berlin 1892. 4.
Beobachtungs- Ergebnisse der K. Sternwarte zu Berlin. Heft N. 6. Berlin 1892.
®Die Fortschritte der Physik im Jahre 1886. Dargestellt von der Physikalischen Gesell-
schaft zu Berlin. Jahrg. XLI. 1889. Heft3. Jahrg. XLII. 1890. Abthl. 1—3.
Berlin 1592.
Landwirthschaftliche Jahrbücher. Bd. XXI. (1892). Heft 6. Berlin 1892.
Ephemeris epigraphica Corporis inscriptionum Latinarum supplementum. Vol. VIll. Fase. 11.
Berolini 1892.
Übersicht über die Geschäftsthätigkeit der Aichungsbehörden während des Jahres 1891.
Herausgegeben von der K. Normal - Aichungs- Commission. Berlin 1892. 4.
Mortke’s Militairische Werke. 11. 1. Morrke’s taktische Aufgaben aus den Jahren
1855 — 1882. Herausgegeben vom grossen Generalstabe. Berlin 1892.
Wizrueım Wepger's Werke. Herausgegeben von der K. Gesellschaft der Wissenschaften
zu Göttingen. Bd.I. Akustik, Mechanik, Optik und Wärmelehre. Bd. II. Magnetis-
mus. Berlin 1892.
®Politische Correspondenz FRıEDrICH's des Grossen. Bd. 19. Berlin 1892.
"Supplementum Aristotelicum. Vol.1l. P.1I. Alexandri Aphrodisiensis praeter Commentaria
seripta minora. Ed. Il. Bruns. Berolini 1892.
#SCcHUMANN, K. Morphologische Studien. Heft1. Leipzig 1892. 2. Ex
®TASCHENBERG, OÖ. Bibliotheca zoologica. 11. Lief. 10. Leipzig 1892. 2 Ex.
"Gnostische Schriften in Koptischer Sprache aus dem Codex Brucianus. Herausgegeben,
übersetzt und bearbeitet von Dr. C. Scamipr. Leipzig 1892. 2 Ex.
®KrÜünner, OÖ. Reisebeschreibung der Plankton - Expedition. Kiel u. Leipzig 1592. 4. 2 Ex.
#VANHÖFFEN, E. Die Akalephen der Plankton- Expedition. Kiel u. Leipzig 1892. 4. 2 Ex.
Astronomische Nachrichten. Bd. 130. Kiel 1892. 4.
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G*
‘ Q . . . .n r. Y. .
(36) Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Viertes Vierteljahr.
Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande, Westfalens und
des Reg.- Bezirks Osnabrück. Jahrg. 49. Neue Folge. Jahrg. 9. Hälfte 1. Bonn 1892.
Schriften der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. N. Folge. Bd. VIII. Heft 1. 2.
Danzig 1592. 1893. 5
Jahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt am Main für das Rechnungsjahr 1890/91.
Frankfurt a. M. 1892.
Bericht über die SENCKENBERGische naturforschende Gesellschaft in Frankfurt a. M. 1892.
Frankfurt a.M.
BoerrGer, O. Kataloy der Batrachier- Sammlung im Museum der SENCKENBERGISchen
naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt a. M. 1892. Frankfurt a.M.
Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft. Jahrg. 27. Heft 3. Leipzig 1592.
Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Bd. 46. Heft 2.3. Leipzig 1892.
Deutsche Seewarte. Wetterbericht von N. 183—274. 1892. Jahrg. XVII. Hamburg. 4.
Jahrbuch der Hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten. Jahrg. IX. Hälfte 2. 1591.
Hamburg 1892.
Bremisches Jahrbuch. Herausgegeben von der Historischen Gesellschaft des Künstler-
vereins. Bd. XVI. Bremen 1892.
Urkundenbuch der Stadt Lübeck. 'T’h.IX. Lief. 7.8. Lübeck 1892. 4.
Beiträge zur Kunstgeschichte. Neue Folge XIX. Sremmann, E. Die Tituli und die
kirchliche Wandmalerei im Abendlande vom V. bis zum XI]. Jahrhundert. Leipzig
1892.
V. und VI. Jahresbericht (1889. 1890) der Ornithologischen Beobachtungsstationen im König-
reich Sachsen. Bearbeitet von Dr. A. B. Meyer und von Dr. Hern. Dresden 1890. '
1892. 4.
tHedwigia. Organ für Kryptogamenkunde. Bd. XXXI. 1892. Heft 5. Dresden 1892.
Abhandlungen und Berichte des K. Zoologischen und Anthropologisch-ethnographischen Mu-
seums zu Dresden. 1886/87. 1388/89. 1890/91. Herausgezeben von Dr. X. B. Meyer.
Berlin 1887. 1889. 1892. 4. z
Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg. Jahrg. 48. Stutt-
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1892. Fasc. N.7 —9. Strassburg 1892.
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baden 1892. 4.
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bis 10). Hamburg und Leipzig. 1592.
Srurm, R. Die Gebilde ersten und zweiten Grades der Liniengeometrie in systematischer
Behandlung. Th.1. 2. Leipzig 1892. 1893.
Rever, Ed. Geologische und Geographische Experimente. Heft Il. Vulkanische und Massen-
Eruptionen. Leipzig 1892.
Mever, A. B. Abbildungen von Voygel-Skeletten. Lief. NII— XVII. Dresden 1888/92. 4.
Henry, J. Aeneidea, or ceritical, exegetical, and aesthetical remarks on the Aeneis. Indices.
Meissen 1892.
Rawrrz, B. Der Mantelrand der Acephalen. Th. 3. Jena 1892. Sep.- Abd.
Linguae Guarani Grammatica hispanice a Paulo Restivo secundum libros A. Ruiz de Mon-
toya, Simonis Bandini etc. ed. et »Arte de la lengua Guarani« inseripta, opera et
studiis Ca. F. Sevsorp. Stuttgardiae 1892.
Anzeiger der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der K. Akademie der Wissenschaften
in Wien. Jahrg. 1892. N, XIX— XXU. Wien 1892.
T . . 0 ” r. r. ” U f
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Viertes Vierteljahr. (37)
Jahrbuch der K. K. Universität Wien für das Studienjahr 1891/92. Wien 1892.
Übersicht der akademischen Behörden, Professoren u. s.w. an der K. K. Universität zu Wien
für das Studienjahr 1892/93. Wien 1892.
Öffentliche Vorlesungen an der K. K. Universität zu Wien im Sommer -Semester 1892. —
Winter - Semester 1892/93. Wien 1892.
Die feierliche Inauguration des Rectors, der Wiener Universität für das Studienjahr 1892/93
am 24. October 1892. Wien 1892.
Publicationen der v. Kurrner’schen Sternwarte in Wien (Ottakring). Herausgegeben von
Dr. N. Herz. Bd. II. Wien 1892. 4. f
Publicationen für die Internationale Erdmessung. — Astronomische Arbeiten des K. K.
Gradmessungs-Bureau. Bd. IV. Längenbestimmungen. Wien 1892. 4.
Verhandlungen der österreichischen Gradmessungs-Commission. — Protokolle über die am
21. April und 2. September 1892 abgehaltenen Sitzungen. Wien 1892.
Mittheilungen der Section für Naturkunde des Österreichischen Touristen- Club. Jahre. IV.
1892. N. 9—12. Wien 1892. 4.
Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. Bd. XXI. Heft II—V. Wien
1892. 4.
Astronomische Beobachtungen an der K. K. Sternwarte zu Prag in den Jahren 1888, 1889,
1890 und 1891, nebst Zeichnumgen und Studien des Mondes. Appendix zum 49. bis
52. Jahrgang. Prag 1893. 4.
Mittheilungen der Deutschen mathematischen Gesellschaft in Prag. Prag. Wien. Leipzig 1892.
Lotos. Jahrbuch für Naturwissenschaft. N. Folge. Bd. XIll. Prag 1893.
Personalstand der K. K. Deutschen Carl- Ferdinands- Universität in Prag zu Anfang des
Studien- Jahres 1892/93. Prag.
Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg. 3. Folge. Heft 36. Innsbruck 1892.
‚Jahresbericht des Kärntnerischen Geschichtsvereines in Klagenfurt für 1891 und Voranschlag
für 1892. Klagenfurt 1892.
Carinthia. Mittheilungen des Geschichtsvereines für Kärnten, I. — Jahrg. 82. N. 1—6.
Klagenfurt 1892.
Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark. llerausgegeben von dessen Aus-
schuss. Heft XL. Graz 1892.
Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen. Werausgegeben vom historischen
Vereine für Steiermark. Jahrg. 24. Graz 1592.
BErGBonm, J. Entwurf einer neuen Integralrechnung. Wien 1892.
Neuwırın, J. Geschichte der bildenden Kunst. Bd.1 mit Lichtdrucktafeln. Prag 1893.
Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau. 1892. October. November.
Krakau 1892.
Rozprawy Akademii umiejetnosci. Wydziat. Filologiezny. Ser. I. T.I. — Historyezno-
filolozofiezuny. Ser. I. T. Il. IV. Matematyezno - przyrodniezy. Ser. II. T. II.
Kraköw 1892.
Archiwum do Dziejow literatury i oswiaty w Polsce. T. VII. Krakowie 1892.
Markarowskı, W, Budownictwo Laıdowe na Podhalu. C. Tab. in Fol. Kraköw 1892. 4.
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Polybiblion. — Revue bibliographique universelle. Part. techn. Ser. U. T. XVIN. Livr.
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Heft 50. (Bd. V, S. 439—512) und Supplement zu.Bd.V. Nihongi. II. Theil.
Buch 22— 24. Yokohama 1892. 4.
Der erste Jahresband endet mit Seite 542. (45)
NAMENREGISTER.
Aıry, Sir G.B., starb am 2. Januar zu Greenwich. 23.
ASCcHERSson, Prof. Dr. P. in Berlin, erhält 2000 Mark zu Vorarbeiten für eine neue
Ausgabe von Kocn’s Synopsis der Flora von Deutschland. 616.
=AUWERS, Beiträge zur Kenntniss des Sirius-Systems. 29.
= __————-, Festrede zur Feier des Leisnızischen Gedächtnisstages. 601.
,„ Antwort auf die Antrittsrede des Hrn. Vocer. 604—-606.
Baumnaver, Dr. H. in Lüdinghausen, erhält S00 Mark zu Untersuchungen über die
Ätzfiguren der Krystalle. 616.
Berrı, starb am 12. August in Pisa. 842.
von Bezorp, zur Thermodynamik der Atmosphaere. Vierte Mittheilung. 207.
279 — 309.
— —— , der Wärmeaustausch an der Erdoberfläche und in der Atmosphaere:
1139 — 1178.
puü Boıs-Reymonn, Mavperrivis. Festrede zur Feier des Geburtstages Frır-
prie#’s Il. und des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs. 393.
393 — 442.
-, Bericht über die Humsorpr -Stiftung. 39— 40.
5 =, Antwort auf die Antrittsrede des Hrn. Danss. 608 —610.
— —— , fiber Versuche an im hiesigen Aquarium neugeborenen Zitter-
rochen. 967.
nu Bois, Dr. H. E. J. G. in Berlin und Rusens, über Polarisation ultrarother
Strahlen beim Durchgang durch Metalldrahtgitter. 1111. 1129 —1138.
von Brücks, starb am 7. Januar in Wien. 23.
=BRUNNER, Untersuchungen zur Rechtsgeschichte des Eides. 209.
Burmeister, starb am 2. Mai in Buenos Aires. 563.
Conze, liber Darstellung des menschlichen Auges in der antiken Seulptur. 23. 47—598.
— — — _, jiber einen auf Samothrake gefundenen Inschriftenstein. 213.
— —_—_—__, Jahresberieht über die Thätigkeit des Kaiserlich deutschen archaeologischen
Instituts. 385. 565-571.
Cvurrıus, Adresse an ihn zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums 23.
25—27.
‚ die Deichbauten der Minyer (hierzu Tafel VII). 1179. 11851 — 1193.
Danmes. Prof. Dr. Wilhelm in Berlin, zum ordentlichen Mitglied der physikalisch-
mathematischen Classe gewählt. 347.
— , Antrittsrede. 606 — 608.
DıeErs, zu Herodas. 1. 17 —19.
‚ zum sechsten und siebenten Gedichte des Herodas 373. 357 — 392.
und Zerter, Bericht über die Ausgabe der Aristoteles - Cummentatoren. 99.
(46) Namenregister.
Dırımann, über die griechische Übersetzung des Qoheleth. 1. 3— 16.
‚ über den neugefundenen griechischen Text des Henoch -Buches. 1037.
1039 — 1054. — Zweite Mittheilung. 1069. 1079 — 1092.
=Diıutaey, Erfahren und Denken. 373.
®DÜNNLER, zur Lebensgeschichte Alchvin's. 477.
‚ Jahresbericht der Centraldireetion der Monumenta Germaniae historica.
671 — 676.
‚ Vorlage neuer Bände der Monumenta Germaniae. 841—842. 983 — 984.
®ENGLER, über die systematische Anordnung der monokotyledonen Angiospermen. 375.
Fausgörr, Prof. in Kopenhagen, erhält 1000 Mark zur Herausgabe des 6. Bandes
des Jataka-Werkes. 563.
Freıscnmann, Dr. A. in Erlangen, der einheitliche Plan der Placentarbildung bei
Nagethieren. 443. 445 — 457.
Franz, Prof. Dr. J. in Königsberg, erhält 3200 Mark zur Anschaffung eines Appa-
rates zur Ausmessung der auf der Liek -Sternwarte aufgenommenen Mondphoto-
graphien. 616.
Fucns, über lineare Differentialgleichungen, welche von Parametern unabhängige
Substitutionsgruppen besitzen. 155. 157 — 176.
‚.über die Relationen, welche die zwischen je zwei singulären Punkten er-
streckten Integrale der Lösungen linearer Differentialgleichungen mit dem Coef-
ficienten der Fundamentalsubstitutionen der Gruppe derselben verbinden. 1111.
1115— 1128.
VON DER GABELENTZ, Vorbereitendes zur Kritik des Kuan-tsi. 125. 127 — 152.
‚ zur Beurtheilung des koreanischen Schrift- und Lautwesens.
585. 587 — 600.
,„ über Inschriftenfunde am Jenissei und Orkhon. 983.
®GABRIEL, Prof. A. in Berlin, und von Hormann, über das Produet der Einwirkung
des Jods auf Thiobenzamid. 443.
77. 183 — 204. 3
‚ erhält 282 Mark zur Katalogisirung der in der Bibliothek zu Hannover
GERHARDT, Desargues und Pascal über die Kegelschnitte.
befindlichen mathematischen Manuscripte von Leisnız. 843.
Graf GıurLıarı, starb am 24. Februar in Verona. 211.
GoerrE, Prof. A. in Strassburg, über die Entwickelung von Pelagia noctluca.
851. 853 — 861.
Gorpsrein, Prof. E. in Berlin, über die sogenannte Schichtung des Kathodenlichts
inducirter Entladungen. 825. 827 — 839.
Harnack, die ältesten christlichen Datirungen und die Anfänge einer bischöflichen
Uhronographie in Rom: 615. 617—658.
—— , Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 893.895 — 903.
947. 949 — 965.
Harrwıc, Dr. E. in Bamberg, erhält 1200 Mark zur Fortsetzung einer Beobachtungs-
reihe über die Veränderungen der Polhöhe und zur Bestimmung der Aberrations-
constante. 616.
HEıBERG, J. L. in Kopenhagen, Handschriftliches zum Commentar des Simplieius
zu Aristoteles de caelo. 23. 59 —76.
von Hernsorrz, das Princip der kleinsten Wirkung in der Elektrodynamik. 207.
459 — 475.
, elektromagnetische Theorie der Farbenzerstreuung. 851. 1093— 1109.
- ‚ Ansprache an ihn zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums.
905 — 909.
Der erste Jahresband endet mit Seite 542. (47)
Herz, Dr. N. in Wien, erhält 1000 Mark zur Bearbeitung seiner auf der Kuffner-
schen Sternwarte angestellten Beobachtungen. 44.
HırscHhrerp, die aegyptische Polizei der römischen Kaiserzeit nach Papyrusurkunden.
213. 815 — 824.
und Mounusen, Bericht über die Sammlung der lateinischen Inschriften.
34— 55.
von HormAnn, starb am 5. Mai. 385.
= und GABRIEL, über das Product der Einwirkung des Jods auf
Thiobenzamid. 4453.
Janun, Dr. Hans in Berlin, und Laxporr, über die Molecularrefrraction einiger ein-
facher organischer Verbindungen für Strahlen von unendlich grosser Wellenlänge.
727. 1729 — 758.
VON JHERING, starb am 17. September in Göttingen. 842.
,‚ Adresse zur Feier seines fünfzig jährigen Doctorjubilaeums. 1211—1212.
=Kavser, Prof. H. in Hannover, und Runge, über die Spectren der Elemente.
29.619.
Kerser, Dr. in Freiburg i. B., erhält 1000 Mark zu Untersuchungen über die Ent-
wickelungsgeschichte des Schweins. 44.
Kırcunorr, Bericht über die Sammlung der griechischen Inschriften. 33 — 34.
#2 Er ‚ der Roman eines Sophisten. 863. 865 — 891.
Krarr, Dr. J. in Berlin, Specimen eines Jaina-Onomastikons. 347. 349 — 362.
Kreın, über das Krystallsystem des Apophyllits und den Einfluss des Drucks und der
4422153210 265:
Köuter, die Zeiten der Herrschaft des Peisistratos in der rorıraıa Ayyvarw. 311.
259-345,
— ., über das Verhältniss Alexander's des Grossen zu seinem Vater Philipp. 495.
497 — 514.
von KÖLLıKkEr, zum auswärtigen Mitgliede der physikalisch - mathematischen Classe
Wärme auf seine optischen Eigenschaften. 43
gewählt. 267.
Korr, starb aın 20. Februar in Heidelberg. 205.
Kränzrın, Oberlehrer Dr. F. in Berlin, erhält 900 Mark zu Untersuchungen über
die Orchidaceen. 616.
KRONECKER, starb am 29. December 1891. 23.
*Kunpr, über die Doppelbrechung bewegter reibender Flüssigkeiten. 277.
LADENBURG, Prof. A. in Breslau, über das Isoconiin, ein neues Isomeres des Coniins,
und über den asymmetrischen Stickstoff. 1055. 1057—1067.
Laune, Prof. in Berlin, erhält 1000 Mark zur Herausgabe der »Fortschritte der
Mathematik«. 44.
®LAanporr, über den vermutheten Einfluss etwaiger bei chemischen Reactionen ein-
tretenden Gewichtsänderungen auf die Werthe der Atomgewichte. 43.
*__, über die Zahlenbeziehungen zwischen den Atomgewichten. 1069.
— nnd Jann, über die Molecularrefraction einiger einfacher organischer
Verbindungen für Strahlen von unendlich grosser Wellenlänge. 727. 729 — 758.
494.
=LEUMANN, Dr. Ernst in Strassburg, Jinabhadra’s Jitakalpa, mit Auszügen aus
Siddhasena’s Cürni. 1035. 1195 — 1210.
Lınck, Dr. G. in Strassburg, erhält 600 Mark zum Abschluss seiner petrographischen
Larvysc#ew, Bürgereid der Chersonesiten. 477. 479
Untersuchungen in Veltlin. 616.
MEıER, Dr. Jonw in Halle, erhält 900 Mark zur Herausgabe rheinischer Sprach-
studien. 563.
(48) * Namenregister.
®MILCcHHÖFER, Prof. A. in Münster, Untersuchungen über die Demenordnung des
Kleisthenes. 385.
Mösıus, die Behaarung des Mammuths und der lebenden Elephanten, vergleichend
untersucht. 267. 527— 538.
Mommsen, Bericht über die Sammlung der lateinischen Inschriften. 34— 35.
und Hırscurern, Bericht über die Prosopographie der römischen Kaiser-
zeit. 39.
‚ Bericht über das Corpus nummorum. 36.
‚ über die Stellung der juristischen Person im römischen Vermögensrecht. 725.
,„ Rhodische Inschrift. 841. 845 — 850.
,„ neue Bände der Monumenta Germaniae. 842.
MüÜrtEer, Dr. G. W. in Greifswald, erhält 1000 Mark zu Untersuchungen über die
Östracoden. 615.
Munk, über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. 385. 677. 679 — 723.
=___—_, fortgesetzte Untersuchungen über die Schilddrüse. 1001.
Nacer, Dr. W. in Berlin, über die Entwickelung der Harnblase beim Menschen und
bei Säugethieren. 155. 177—181.
®PERNIcE, über den sogenannten Realverbalvertrag. 153.
#PRINGSHEIM, über Wachsthum chemischer Niederschläge in Gallerte. 967.
RAMMELSBERG, über die Leueit- Nephelingruppe. 541. 543 — 561.
RAnGABE, starb am 29. Januar in Athen. 44.
Rınmsacn, Dr. in Berlin, über das Atomgewicht des Bors. 1069. 1071—1077.
Röse, Dr. €. in Freiburg i. B., erhält 1000 Mark zu Untersuchungen über die Zahn-
entwickelung bei den Beutelthieren, Edentaten und Reptilien. 616.
Roupve, Dr. Emil in Breslau, Muskel und Nerv bei Nematoden. 495. 515 — 526.
—— ——, Muskel und Nerv bei Mermis und Amphioxus. 615. 659 — 664.
‚ gibt es Holomyarier? 615. 665 — 667.
Rosenrnar, Prof. I. in Erlangen, calorimetrische Untersuchungen an Säugethieren.
Fünfte Mittheilung. 267. 363 — 372.
Rorn, starb am 1. April. 385.
Rusens, Dr. H. in Berlin und H.E.J.G. vu Boıs, über Polarisation ultrarother
Strahlen beim Durchgang durch Metalldrahtgitter. 1111. 1129 —1158.
#=Runge, Prof. ©. in Hannover und Kayser, über die Speetren der Elemente. 29. 615.
SacHau, zur historischen Geographie von Nordsyrien. 311. 313 — 338.
#SCHEINER, J., Assistent am Astrophysikalischen Observatorium in Potsdam, über
den grossen Sternhanfen im Hercules (Messier 13). 583.
ScHEenck, Dr. H. in Bonn, erhält 1000 Mark zur Herausgabe des zweiten Theils seines
Werkes über die Anatomie der Lianen. 615.
Scumirz, Prof. Fr. in Greifswald, erhält 600 Mark zum Abschluss seiner Bearbeitung
der Florideen. 615.
SCHMOLLER und von Syser, Bericht über die Politische Correspondenz FRıEDRICH'S
des Grossen. 36— 37.
eu eg E ‚„ Bericht über die Acta Borussica. 37— 38. 347.
SCHRADER, die Vorstellung vom novozeows und ihr Ursprung. 211. 573—581.
#® __——, über Dr. F. E. Pzıser's Versuch einer Entzifferung der hetitischen In-
schriften. 585.
=, weitere Mittheilung über die Asarhaddon-Stele von Sindjerli. 947.
SCHRÖTER, starb am 3. Januar in Breslau. 23.
Scrürt, Dr. Franz in Kiel, über Organisationsverhältnisse des Plasmaleibes der
Peridineen. 215. 377— 384.
Der erste Jahresband endet mit Seite 542. -(49)
SCHULZE, über freie Nervenendungen in der Epidermis der Knochenfische. 77. 87— 88.
ö ‚ über die inneren Kiemen der Batrachierlarven. Zweite Mittheilung. 205.
#_ ____, iiber einen Fall schützender Ähnlichkeit. 677.
SCHUMANN, Dr. in Berlin, erhält 300 Mark zur Herausgabe eines Nachtrags zu
seinem Werk über den Blüthenanschluss. 44.
#=SCHWENDENER, über ÖOrientirungstorsionen der Blätter und Blüthen. 21.
——, zur Kritik der neuesten Untersuchungen über das Saftsteigen. 825.
911 — 946.
VON SIEMENS, starb am 6. December. 1069.
VON SPIEGEL, Adresse an ihn zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums.
997 — 999.
"von SysBer, über Mythenbildung in der Gegenwart. 1035.
und ScHmoLLEr, Bericht über die politische Correspondenz FrıEDrıc#’s
des Grossen. 36 — 37.
en ‚ Bericht über die Acta Borussieca. 37 — 38.
TASCHENnBERG, Prof. Dr. OÖ. in Halle, erhält 1000 Mark zur Fortsetzung seiner
»Bibliotheca zoologica«. 615.
*ToBLER, über Handschriften und Ursprung der Proverbes dou vilain. 31.
Toerter, Beitrag zur Kenntniss der elektrischen Oscillationen von sehr kurzer
Schwingungsdauer. 267. 269 — 276.
TorNntER, Dr. in Berlin, erhält 900 Mark zu Untersuchungen über die Phylogenese
des terminalen Segments der Säugethier- Hintergliedmaassen. 44.
UsENnER, die Unterlage des Laertius Diogenes. 983. 1023—1034.
VAHLEN, über das Saeculargedicht des Horatius. 1003. 1005— 1021.
VIEREcCK, Dr. Paul in Berlin.- erhält 600 Mark zum Zweck der Publication der
aegyptischen Papyri. 843.
VırcHmow, über den troischen Ida, die Skamander-(Quelle und die Porta von Zeitunlü.
893. 969 — 982.
Voszr, Geh. Regierungs-Rath Prof. Dr. Hermann Karl in Potsdam, zum ordentlichen
Mitglied der physikalisch-mathematischen Classe gewählt. 347.
——, Antrittsrede. 601 — 604.
Vor, Prof. Dr. H. W. in Charlottenburg, erhält 171 Mark zur Instandsetzung
speetrographischer Apparate. 616.
DE Vrıes starb am 9. August in Leiden. 842,
WALDEYER, über die Plastik des menschlichen Auges am Lebenden und an den
Bildwerken der Kunst. 43. 45 — 46.
‚„ über den feineren Bau des Magens und Darmkanales von Manatus
americanus. 71. 79 — 8.
—, Beiträge zur Kenntniss der Anatomie des harten Gaumens. 1055.
WarrEnBaAcH, über erfundene Briefe in Handschriften des Mittelalters, besonders
Teufelsbriefe. 89. 91 — 123.
‚ Jahresbericht des Königlichen Historischen Instituts in Rom. 669—670.
‚„ Adresse an ihn zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums.
727. 759 — 761.
WEBER, über den väjapeya. 763. 765 — 813.
— — —-, über Bähli, Bählika. 893. 985 — 995.
WEIERSTRASSs, Bericht über Herausgabe von Jacorı's Werken. 39.
’ >
, erhält 782 Mark als Rest der Kosten der neuen Ausgabe der Werke
Jacorı's. 44.
=WEınHoLD, Glücksrad und Lebensrad. 539.
Sitzungsberichte 1892. H
(50) Namenregister.
WELTNeErR, Dr. W. in Berlin. erhält 600 Mark zu Untersuchungen über den Bau
der Sisswasserschwämme. 615. »
Wernıcke, Mediecinalrath in Breslau, erhält 800 Mark zur Herstellung eines Atlas
des Grosshirns. 616.
WIESELER, starb in Göttingen am 3. December. 1069.
Wvrrr, Dr. L. in Schwerin i. M., erhält 1000 Mark zur Beschaffung von Instrumenten
für krystallographische Untersuchungen. 616.
ZacHarıas, Dr. OÖ. in Plön, erhält 1000 Mark zur Vervollständigung der Ausrüstung
der biologischen Station daselbst. 44.
ZELLER und Dırrs, Bericht über die Ausgabe der Aristoteles-Commentatoren. 35.
#=______, über die Entstehung ungeschichtlicher Überlieferungen. 983.
Der erste Jahresband endet mit Seite 542. (ad)
SACHREGISTER.
Acta Borussica, Bericht. 37—38. 347. — Publicationen. 585.
Adressen: an Övurrıus zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums. 23. 25—27.
— an Warrengach desgleichen. 727. 759—761 — an von Hrrnnourz desgleichen.
905 — 909. — an von SPıEGEL desgleichen. 997—999. — an von JHERING des-
gleichen. 1211—1212.
Aegyptische Polizei der römischen Kaiserzeit nach Papyrusurkunden, von Hırsca-
FELD. 213. 815 — 824.
Ähnlichkeit, über einen Fall schützender —, von Senvurze. 677.
Alchvin, zu dessen Lebensgeschichte, von Dünmter. 477.
Alexander der Grosse, über das Verhältniss desselben zu seinem Vater Philipp, von
Könter. 495. 497 — 514.
Amphioxus, s. Mermis.
Anatomie und Physiologie: pu Boıs-Reynonnv, über Versuche an im hiesigen Aquarium
neugeborenen Zitterrochen. 967. — A. Freischmann, der einheitliche Plan der
Placentarbildung bei Nagethieren. 443. 445— 457. — A. GorrrE, über die Ent-
wickelung von Pelayia noctiluca. 851. 8553 — 861. — W. Nacer, über die Ent-
‚wickelung der Harnblase beim Menschen und bei Säugethieren. 155. 177—181. —
E. Ronpe, Muskel und Nerv bei Nematoden. 495. 515—526. — Derselbe,
Muskel und Nerv bei Mermis und Amphiowus. 615. 659— 664. — Derselbe, Gibt
es Holomyarier? 615. 665— 667. — 1. Rosentuar, Calorimetrische Untersuchungen
an Säugethieren. Fünfte Mittheilung. 267. 363— 372. — ScHuLzE, freie Nerven-
endungen in der Epidermis der Knochenfische. 77. 87—88. — Derselbe, über
die inneren Kiemen der Batrachierlarven. Zweite Mittheilung. 205. — WALDEYER,
über die Plastik des menschlichen Auges am Lebenden und an den Bildwerken
der Kunst. 43. 45—46. — Derselbe, über den feineren Bau des Magens und
35.
Angiospermen, über die systematische Anordnung der monokotyledonen —, von
Darmkanales von Manatus americanus. 77. 79
Enter. 375.
Apophyllit, über sein Krystallsystem und den Einfluss des Drucks und der Wärme
auf seine optischen Eigenschaften, von Kreın. 43--44. 215. 217 — 269.
Archaeologie: Conze, über Darstellung des menschlichen Auges in der antiken
Sculptur. 23. 47—58. — Warpever, über die Plastik des menschlichen Auges
am Lebenden und an den Bildwerken der Kunst. 43. 45 — 46.
Archaeologisches Institut: Jahresbericht. 355. 565 —571.
Aristoteles de caelo, Handschriftliches zum Commentar des Simplieius dazu,
"von J. L. Hrısere. 23. 59-76.
rorırsia AIyvaiow, die Zeiten der Herrschaft des Peisistratos in derselben,
von Könrer. 311. 339—345.
Aristoteles-Commentatoren: Bericht. 35. — Geldbewilligung. 563. — Neue
Publieationen. 947.
Asarhaddon-Stele von Sindjerli, weitere Mittheilung über dieselbe, von Schraper. 947.
als
(52) Sachregister.
Astronomie: Auwers, Beiträge zur Kenntniss des Sirius-Systems. 29. — J. ScHEiNER,
über den grossen Sternhaufen im Hercules (Messier 13). 583.
Atomgewichte, über den vermutheten Einfluss etwaiger bei chemischen Reactionen
eintretenden Gewichtsänderungen auf die Werthe derselben, von Lanporr. 43. —
Über Zahlenbeziehungen zwischen den Atomgewichten, von Demselben. 1069.
— Über das Atomgewicht des Bors, von Rımsacn. 1069. 1071—1076.
Auge, über Darstellung des menschlichen, in der antiken Senlptur, von Conze. 25.
47 —58.
— —., iber die Plastik des menschlichen, am Lebenden und an den Bildwerken der
Kunst, von WALDEYER. 43. 45 — 46.
Bähli, Bählika, über —, von WEBER. 893. 985 — 995.
Batrachierlarven, über die inneren Kiemen derselben, von Schutze. 205.
Bopp-Stiftung, Bericht. 40.
Botanik: Enerer, über die systematische Anordnung der monokotyledonen Angio-
spermen. 375. — ScHwENDENER, über Orientirungstorsionen der Blätter und
Blüthen. 21. — Derselbe, zur Kritik der neuesten Untersuchungen über das
Saftsteigen. 825. 911-— 946.
Briefe, über erfundene, in Handschriften des Mittelalters, besonders Teufelsbriefe,
von WarrEnBAcH. 89. 91—123.
Calorimetrische Untersuchungen an Säugethieren, von I, Rosentrnar. 267. 363— 872.
Charlotten-Stiftung, Preis. 612-
Chemie: von Hormann und A. Gasrien, über das Produet der Einwirkung des Jods
auf Thiobenzamid. 443. — A. Lapvensurg, über das Isoconiin, ein neues 1so-
meres des Coniins, und über den asymmetrischen Stickstoff. 1055. 10571067.
— Lanporr, über den vermutheten Eintluss etwaiger bei chemischen Reactionen
eintretenden Gewichtsänderungen auf die Werthe der Atomgewichte. 43. —
Derselbe, über Zahlenbeziehungen zwischen den Atomgewiehten. 1069. —
Prın6sucım, über Wachsthum chemischer Niederschläge in Gallerte. 967. —
Rınsacn, zum Atomgewicht des Bors. 1069. 1071 — 1076.
Chersonesiten, Bürgereid derselben, von Larvscnew. 477. 479 — 494.
Christliche Datirungen, die ältesten, und die Anfänge einer bischötlichen Chrono-
graphie in Rom, von Harnack. 615. 617 — 658.
Corpus Inseriptionum Graecarum: Bericht. 33—34. — Geldbewilligung. 563.
_ — — Latinarum: Bericht. 34— 35.
Nummorum: Bericht. 36.
Desargues und Pascal über die Kegelschnitte, von Gernarpr. 77. 183 — 204.
Diez-Stiftung, Preis. 612.
Differentialgleichuneen, über lineare —. welche von. Parametern unabhängige
fe} >
Substitutionsgruppen besitzen, von Fuens. 155. 157— 176.
Doppelbrechung bewegter reibender Flüssigkeiten, über dieselbe, von Kunpr.
277.
Eid, Untersuchungen zur Rechtsgeschichte desselben, von Brunner. 209.
Elektrische Öseillationen von sehr kurzer Schwingungsdauer, Beitrag zur Kennt-
niss derselben, von TorrLer. 267. 269 — 276.
Elektrodynamik, das Prineip der kleinsten Wirkung in derselben. von von Hrın-
Horrz. 207. 459 — 475.
Elektromagnetische Theorie der Farbenzerstreuung, über dieselbe, von von Hrun-
Horrz. 851. 1093— 1109.
Elephanten, s. Mammuth.
Eller'sches Legat, Preisausschreiben. 613.
Der erste Jahresband endet mit Seite 542. (53)
Erfahren und Denken, von Divruev. 373.
Farbenzerstreuung, elektromagnetische Theorie derselben, von v. Hernnortz.
851. 1093—1109.
Festreden: zur Feier des Geburtstages Frıepdrıcr's II. und des Geburtstages Seiner
Majestät des Kaisers und Königs (pu Bois- Reynmonn). 33. 393 — 442. — zur Feier
des Leisnizischen Gedächtnisstages (Auwers). 601.
Friedrich der Grosse, s. Politische Correspondenz.
Fühlsphaeren s. Grosshirnrinde.
Gaumen, Beiträge zur Anatomie des harten —, von WALDEvER. 1055.
Geldbewilligungen zur Fortführung der wissenschaftlichen Unternehmungen der
Akademie: Jacosı's Werke. 44. — Politische Correspondenz Frırnrıcn's des
Grossen. 563. — Corpus Inseriptionum Graecarum. 563. — Aristoteles - Commen-
tatoren. 563.
Geldbewilligungen für besondere wissenschaftliche Untersuchungen und Veröflent-
liehungen: Ascherson, Kocns Synopsis der Flora von Deutschland. 616. —
Baunnaver, Ätzfiguren der Krystalle. 616. — Faussörn, Jataka-Werk. 563. —
Franz, Ausmessung der Mondphotographien. 616. — Gernarpr, Manuseripte
von Leisnız. 843. — Harrwıc, Veränderungen der Polhöhe. 616. — Herz,
astronomische Beobachtungen. 44. — Keıser, Entwickelungsgeschichte des
Schweins. 44. — Kränzuın, Orchidaceen. 616. — Lampe, Fortschritte der
Mathematik. 44. — Liner, petrographische Untersuchungen im Veltlin. 616.
MeEıER, rheinische Sprachstudien. 563. — Mürrter, OÖstrakoden. 615. — Rösz,
Zahnentwickelung bei Beutelthieren, Edentaten und Reptilien. 616. — Scuenck,
Anatomie der Lianen. 615. — Scnnrrz, Florideen. 615. — Senumann, Blüthen-
anschluss. 44. — Tascnenpers, Bibliotheca zoologiea. 615. — Tornıer, Phylo-
genese des terminalen Segaments der Sängethier - Hintergliedmaassen. 44. —
VIERECK, aegyptische Papyri. 843. — H. W. Voser, speetrographischer Apparat.
616. — Werrner, Süsswasserschwämme. 615. — Wernıcke, Atlas des Gross-
hirns. 616. — Wvrrr, krystallographische Untersuchungen. 616. — ZacHARrtas,
biologische Station in Plön. 44.
Geographie: Sacnau, zur historischen Geographie von Nordsyrien. 311. 313—338.
Vırcnow, über den troischen Ida, die Skamander-(Wuelle und die Porta von
Zeitunlü. 893. 969 — 982.
Geologie und Mineralogie: Krrın, über das Krystallsystem des Apophyllits und
den Einfluss des Drucks und der Wärme auf seine optischen Eigenschaften.
43 — 44. 215. 217— 265. — Rannersgerg, über die Leueit- Nephelingruppe. 541.
543 — 561.
Geschichte: Acta Borussica. 37—38. 347. 585. — Corpus nummorum. 36.
Currıuvs, die Deichbauten der Minyer. 1179. 1181—1193. — Dünmnter, zur
Lebensgeschichte Alchvin’'s. 477. — Hırscrrenp, die aegyptische Polizei der
römischen Kaiserzeit nach Papyrusurkunden. 213. 815—824. — Historisches
Institut in Rom. 495. 669 — 670. — Könter, die Zeiten der Herrschaft des
Peisistratos in der rorıraıa Asvvarwv. 311. 339— 345. — Derselbe, über das
Verhältniss Alexander's des Grossen zu seinem Vater Philipp. 495. 497— 514.
— Larvscnhew, Bürgereid der Chersonesiten. 477. 479—494. — MircHHörer,
Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes. 385. — Monumenta
Germaniae historica. 671—676. 841— 842. 953— 984. — Politische Correspondenz
Frıeprien's des Grossen. 36— 37. 563. —— Römische Prosopographie. 35. —
von SygBEL, über Mythenbildung in der Gegenwart. 1035. — Warrensgacn, über
erfundene Briefe in Handschriften des Mittelalters, besonders Teufelsbriefe. 89,
(54) Sachregister,
91—123. — ZeELLER, über die Entstehung ungeschichtlicher Überlieferungen. 983.
— Vergl. Kirchengeschichte.
Gewichtsänderungen, über den vermutheten Einfluss etwaiger bei chemischen
Reactionen eintretenden — auf die Werthe der Atomgewichte, von Lanporr. 43.
Glücksrad und Lebensrad, von WeEınHoLn. 539.
Grosshirnrinde, über die Fühlsphaeren derselben, von Munk. 385. 677. 679— 723.
Harnblase, über die Entwickelung derselben bei Säugethieren, von W. Nager.
155. 177—181.
Helmholtz - Stiftung, Errichtung derseiben und Verleihung ihrer ersten vier
Medaillen. 610 —611.
Henoch-Buch, über den neugefundenen griechischen Text desselben, von DirLmann.
1037. 1039 — 1054.
Herodas. zu demselben von Diers. 1. 17—19. — zum sechsten und siebenten Ge-
dichte desselben, von Demselben. 373. 387— 392.
Hetitische Inschriften, über Dr. F. E. Prıser'’s in Breslau Versuch einer Entzifferung
derselben von SCHRADER. 589.
Historisches Institut in Rom, Publicationen. 495. — Jahresbericht. 669 — 670.
Holomyarier, über deren Vorkommen, von E. Roupe. 615.. 665 — 667.
Humboldt-Stiftung: Bericht 39 — 40.
Jacobi, Ausgabe seiner Werke. Bericht. 39. — Geldbewilligung. 44.
Jaina-Onomastikon, Speeimen eines solehen, von J. Krarr. 347. 349 — 362.
Ida, über den troischen —, die Skamander - Quelle und die Porta von Zeitunlü, von
Vırcnow. 893. 969 — 982.
Jenissei und Orkhon, über Inschriftenfunde am —. von v. D. GABELENTZ. 983.
Jinabhadra’s Jitakalpa, von E. Leumann. 1035.
Inschriften: Conze, über einen auf Samothrake gefundenen Inschriftenstein. 23.
47T— 58. -— von DER GABELENTZ, über Inschriftenfunde am Jenissei und Orkhon.
983. — Laryschew, Bürgereid der Chersonesiten. 477. 479— 494. — Monmnsen,
Rhodische Inschrift. 841. 8345— 850. — ScHrADER, über Dr. F. E. Peıser’s in
Breslau Versuch einer Entzifferung der hetitischen Inschriften. 585. — Derselbe,
weitere Mittheilung über die Asarhaddon -Stele von Sindjerli. 947. — Vergl. Corpus
Inseriptionum.
Jod, über das Product der Einwirkung desselben auf Thiobenzamid, von v. Hor-
MANN und GABRIEL. 443.
Isoconiin, über das —, ein neues Isomeres des Coniins, und über den asyınmetrischen
Stickstoff, von A. Lapensurc. 1055. 1057—1067.
Juristische Person, über die Stellung derselben im römischen Vermögensrecht,
von Momnsen. 725.
Kathodenlicht indueirter Entladungen, über die sogenannte Schichtung derselben
von E. Gorpsreın. 825. 827— 839.
Kegelschnitte, Desargues und Pascal über dieselben, von GErHARDTr. 77. 183 — 204.
Kirchengeschichte: Dirrmann, über die griechische Übersetzung des @oheleth.
1. 3—16. — Derselbe, über den neugefundenen griechischen Text des Henoch-
Buches. 1037. 1039 —1054. — Harnack, die ältesten christlichen Datirungen und
die Anfänge einer bischöflichen Chronographie in Rom. 615. 617— 658. — Der-
selbe, Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus. 893.
895 — 903. 947. 949 — 9693.
Kleinste Wirkung, das Prineip derselben in der Elektrodynamik, von v. Hern-
HoLrz. 207. 459 — 475.
Kleisthenes, Untersuchungen über die Demenordnung desselben, von MiLcHHörer. 399.
Der erste Jahresband endet mit Seite 542. (55)
Knochenfische, freie Nervenendungen in der Epidermis derselben, von Scnurze. 77,
87—88.
Koreanisches Schrift- und Lautwesen, zur Beurtheilung desselben, von vox DER
GaABELENTz. 585. 587— 600.
Kuan-tsi, Vorbereitendes zur Kritik desselben, von v. p. Gagerentz. 125. 127—152.
Laertius Diogenes, über die Unterlage desselben, von Usexer. 983. 1023—1034.
Leucit-Nephelingruppe, über dieselbe, von Rammeısgere. 541. 543 — 561.
Mammuth, die Behaarung desselben und der lebenden Elephanten, vergleichend
538.
Manatus americanus, über den feineren Bau des Magens und Darmkanales des-
untersucht. von Mößsıvs. 267. 527
selben, von WALDEYER. 77. 79—85.
Mathematik: Fuchs, über lineare Differentialgleichungen, welche von Parametern
unabhängige Substitutionsgruppen besitzen. 155. 157—176. — Derselbe, über
Relationen, welche die zwischen je zwei singulären Punkten erstreckten Integrale
der Lösungen linearer Differentialgleichungen mit den Coefficienten der Fun-
damentalsubstitutionen der Gruppe derselben verbinden. 1111. 1113— 1128. —
GERHARDT, Desargues und Pascal über die Kegelschnitte. 77. 183 — 204. —
Jacosı, Ausgabe seiner Werke. 39. 44.
Maupertuis. Festrede von pu Boıs-Reymonn. 33. 393 — 442.
Mensch, über die Entwickelung der Harnblase bei demselben und bei Sängethieren.,
von M. Nacer. 155. 177—181.
Menschliches Auge, über Darstellung desselben in der antiken Sceulptur, von Coxze.
23. 47 —58.
-, über die Plastik desselben aın Lebenden und an den Bildwerken
der Kunst, von WaALrpEeyEer. 43. 45—46.
Mermis und Amphioxus, Muskel und Nerv bei derselben, von E. Ronune. 615. 659-664.
Meteorologie: von Bezorv, zur Thermodynamik der Atmosphaere. 207. 279—309. —
Derselbe, der Wärmeaustausch an der Erdoberfläche und in der Atmosphaere.
1139—1178.
Mineralogie, s. Geologie.
Molecularrefraction einiger einfacher organischer Verbindungen für Strahlen
von unendlich grosser Wellenlänge, von Lanporr und H. Jaun. 727. 729
— 758.
Movoxsgows, die Vorstellung von demselben und ihr Ursprung, von Scnraper. 211.
573 — 581.
Monumenta Germaniae historica, Jahresbericht 671 —676. — Neue Publieationen.
841— 842. 983 — 984.
Muskel und Nerv bei Nematoden, von E. Ronpe. 495. 515-—526. — bei Mermis
und Amphioxus, von Demselben. 615. 659 — 664.
Mythenbildung in der Gegenwart, über solche, von v. Syeer. 1035.
Nagethiere, der einheitliche Plan der Placentarbildung bei denselben, von A. Freısch-
MANN. 443. 445 — 457.
Nematoden, Muskel und Nerv bei denselben, von E. Rnope. 495. 515 — 526,
Niederschläge, über Wachsthum chemischer — in Gallerte, von Prinasueım. 967,
Nordsyrien, zur historischen Geographie desselben, von Sacnav. 311. 313— 338.
Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen, über solche, von ScHwENDENER. 21.
Pascal und Desargues über die Kegelschnitte, von GErHARDT. 77. 183 — 204.
Peisistratos, die Zeiten der Herrschaft desselben in der rorırsı« ASyveiov, von
Könter. 311. 339 — 345.
Pelagia noctiluca, über die Entwickelung derselben, von A. Gorrre. 851. 853 — 861,
(56) Sachregister.
Peridineen, über Organisationsverhältnisse des Plasmaleibes derselben, von F. Scnürr.
215. 377 — 384.
Personaländerungen. 41—42. — Vergl. Todesanzeigen und Wahlen.
Petrus, Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse desselben, von Harnack.
893. 895 — 903. 947. 949 — 965.
Philologie, allgemeine: ScHRADER, die Vorstellung vom Movorsgus und ihr Ursprung.
211. 573— 581.
‚ griechische: Aristoteles- Commentatoren. 35. 563. 947. — Dirıs, zu
Herodas. 1. 17—19. — Derselbe, zum sechsten und siebenten (Gedichte des
Herodas. 373. 3837 —392. — J. L. Heıgers, Handschriftliches zum Commentar
des Simplicius zu Aristoteles de caelo. 23. 59 —76. — KırcHHorr, der Roman
eines Sophisten. 863. 865 — 891. — Usener, die Unterlage des Laertius Diogenes.
983. 1023 — 1034.
„ lateinische: Vanren, über das Säculargedicht des Horatius. 1003.
1005 — 1021.
_—__, orientalische: von DER GABELENTZ, Vorbereitendes zur Kritik des
Kuan-tsi. 125. 127—152. — Derselbe, zur Beurtheilung des koreanischen
Schrift- und Lautwesens. 585. 587— 600. — J. Krarr, Specimen eines Jaina-
Onomastikons. 347. 349— 362. — E. Leumann, Jinabhadra’s Jitakalpa, mit Aus-
zügen aus Siddhasena’s Curni. 1035. 1195—1210. — Weser, über den väjapeya.
763. 765— 813.
— _ , romanische: Toster, über Handschriften und Ursprung der Proverbes
dou vilain. 31.
Philosophie: Dirrnev, Erfahren und Denken. 373.
Physik: H.E. J. G. ou Boıs und H. Rusens, über Polarisation ultrarother Strahlen
beim Durchgang durch Metalldrahtgitter. 1111. 1129 —1138. — E. Gorpsteın,
über die sogenannte Schichtung des Kathodenlichts indueirter Entladungen. 825.
827-—-839. — vos Hernmorrz, das Prineip der kleinsten Wirkung in der Elektro-
dynamik. 207. 459—475. — Derselbe, über die elektromagnetische Theorie der
Farbenzerstreuung. 851. — H. Karyser und C. Ruxse, über die Speetren der
Elemente. 29. 615. — Kunxpr, über die Doppelbrechung bewegter reibender
oO oO
Flüssiekeiten. 277. — Laxporr und H. Jaun, über die Molecularrefraction einiger
{eo} 9 fe)
einfacher organischer Verbindungen für Strahlen von unendlich grosser Wellen-
länge. 727. 729—758. — Torrrer, Beitrag zur Kenntniss der elektrischen
Öscillationen von sehr kurzer Schwingungsdauer. 267. 269— 276.
Physiologie, s. Anatomie.
Placentarbildung, der einheitliche Plan derselben bei Nagethieren, von A. FLEıscH-
mann. 443. 445 —- 457.
Politische Correspondenz Frieorıcn’s des Grossen: Bericht. 36
37. — Geld-
bewilligung. 563.
Preise: Dırz- Stiftung. 612. — Cnuarrorrex - Stiftung. 612. — Errer’sches Legat. 613.
Prosopographie der römischen Kaiserzeit, Bericht. 35.
Proverbes dou vilain. über Handschriften und Ursprung derselben, von Tosrer. 31.
Qohelet, über die griechische Übersetzung desselben, von Dırımann. 1. 3—16.
Realverhalvertrag, über den sogenannten, von PErnıcr. 153.
Rechtsgeschichte: Monusen, über die Stellung der juristischen Person im römi-
schen Vermögensrecht. 725. — Pernice, über den sogenannten Realverbal-
vertrag. 153.
Rhodische Inschrift, von Monnmsen. 841. 845 — 850.
Römische Prosopographie, s. Prosopographie.
Der erste Jahresband endet mit Seite 542. (are
Römisches Vermögensrecht, über die Stellung der juristischen Person in derselben,
von Monnsen. 725.
Roman eines Sophisten, der —, von Kırcunorr. 863. 365— 891.
Säugethiere, über die Entwickelung der Harnblase bei denselben und beim Menschen,
von W. Naser. 155. 177—181. — Calorimetrische Untersuchungen an denselben,
von I. Rosenruar. 267. 363—372.
Saftsteigen, zur Kritik der neuesten Untersuchungen über dasselbe, von SchwEn-
DENER. 825. 911 —946.
Samothrake, über einen dort gefundenen Inschriftenstein. 213.
Savigny-Stiftung, Bericht. 40—41.
Schilddrüse, fortgesetzte Untersuchungen über dieselben, von Musk. 1001.
Simplicius, Handschriftliches zum Commentar desselben zu Aristoteles de caelo,
von J. L. Heıgere. 23. 59—76.
Sindjerli, s. Asarhaddon -Stele.
Sirius-System, Beiträge zur Kenntniss desselben, von Auwers. 29.
Skamander-Quelle, s. Ida.
Spectren der Elemente, von H. Kayser und C. Runge. 29. 615.
Sternhaufen im Hercules (Messier 13), von J. ScHEiser. 533.
Teufelsbriefe, s. Briefe.
Thermodynamik der Atmosphaere, von v. BzezoLnd. 207. 279 — 309.
Thiobenzamid, s. Jod.
Todesanzeigen: Aıry. 23. — Berrı. 842. — von Brücke. 23. — BurMEISTER. 563.
— Graf Gıurıarı. 211. — von Hormann. 385. — von JHERING. 842. — Kopr.
205. — Kronecker. 23. — Rıancase. 44. — Rorne. 385. — ScHRÖTER. 23. —
VoN SIEMENS. .1069. — DE VrıEs. 842. — WIESELER. 1069.
Treischer Ida, s. Ida.
Ungeschichtliche Überlieferungen, über die Entstehung solcher, von ZErzer. 983.
Väjapeya, über denselben, von Weser. 763. 765—813.
Volkskunde: Über Glücksrad und Lebensrad, von WeınHoLp. 539.
Wahl von auswärtigen Mitgliedern: vow KörLixer. 267.
von ordentlichen Mitgliedern: Daumzs. 347. — VogeEL. 347.
Zeitunlü, s. Ida.
Zitterrochen, über Versuche an im hiesigen Aquarium neugeborenen, von nu Bors-
Reymoxn. 967.
Zoologie: Mösıus, die Behaarung des Mammuths und der lebenden Elephanten,
vergleichend untersucht. 267. 527— 538. — F. Schürr, über Organisationsverhält-
nisse des Plasmaleibes der Peridineen. 215. 377—3834. — SchuLzE, über einen
Fall schützender Ähnlichkeit. 677.
Vergl. Anatomie und Physiologie.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
Sitzungsberichte 1892. J
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SITZUNGSBERICHTE
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
XXIX. XXX.
2. Junı 1892.
nov Boat \
Bun
BERLIN 1892.
VERLAG DER KÖNIGLICHEN ARADEMIE DER WISSENSCHAFTEN,
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.
relerzteraleelepeleraletelegetereleteleteleTeIeTeISTeI-TeIST=IeTZISTeIST-ISTSISTeISTSISTSISTSISTSIT SET ITSITIeTSISTSIT IT]
Anzeige.
7x
Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die » Monatsberichte der Königlich
Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sind
an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten,
Bestimmungen gelten.
(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«. ».
SaE
2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross-
Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach
jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender-
jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit
fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten
ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der
Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs-
nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi-
kalisch-mathematischen Classe allemal gerade, die über
Sitzungen der phuosopuchz -historischen Classe ungerade
Nummern.
322.
1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung Be Seneen
geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten Hber
wiesenen rgenseBaniehen Arbeiten, Fund zwar in der
Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört,
druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren
Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen BehdE
tigen Stücken nieht erscheinen konnten.
ga.
2 Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
wird vierteljährlich ausgegeben.
8 28.
‘1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be-
stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung
druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder,
sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung
eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes
zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon-
dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt-
akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der
vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes. Mit-
glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren
Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem
zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.
Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.
S 6.
2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in
Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte
nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche
der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses
Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist
‚nur nach ausdrücklicher Ziistimmune der Gesammtaks-
demie oder der betreffenden Classe statthaft.
3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal-
tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus
für welehe unter anderen folgende
‚ <
Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz. einer "Mit-
theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der i in den
Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von.
besonders beizugebenden Tafeln us volle erforderliche
Auflage a ist,
7.
Eine für die Sitzungsberichte bestimmte ee
liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe
des betreffenden. Stückes anderweitig, sei es auch“ nur
auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut- =
‚scher Sprache veröffentlicht sein oder werden.
Wenn. F
der Verfasser
Mittheilung diese andersveit früher zu veröffentlichen
ae als ihm dies gesetzlich zusteht, 5 bedarf er
dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der.
betreffenden Clässe, TEE
: y 8 8.
a Ausware werden Correeturen nur auf] besonderes
Verlangen verschiekt. Die Verfasser verzichten damit
auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht; Tagen, = SE
SE. © Sr ae
1: ENEBEn der vollständigen Ausgabe der Ban 2
‚beriehte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher
Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt
werden, dass EINEN mit Sondertitel und fortlaufender
Paginirung versehen und. mit ‚besonderem Verkaufspreis
in den Buchhandel Bebzanı werden. ERBETEN.
N ie er “: X ee +
l. Jeder Verfasser einer unter den » Wissenschaft-
. lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent-
geltlich fünfzig rs mit einem Umschlag, auf
ne der Titel der Arbeit. wiederholt wird.
2. Dem Verfasser steht frei, auf ‚seine Kosten weitere
gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von ‚noch zweihundert
zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen,
sofern er hiervon rechtzeitig dem re di igiren d en 8 ecre-
tar Anzeige gemacht hat, N Alle REN
; $ DEE } « ; E
Den Bericht über jede einzelne. Sitzung, stellt. der.
Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz "hatte.
Derselbe Seeretar führt. die Oberaufsieht ü er die Redae- -
tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei-
nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in di ze
heisst er der Anl Secretar. ae
ET N. 29.
1. Der reiligirende Seeretar ist“ für. den Tal de
geschäftlichen Theils der Sitzungsb hte e verantwortlich.
Für alle übrigen Theile derselben s ind ı
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ur) nur er en: N ortlich,
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einer aufgenommenen wissenschaftlichen ee
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SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
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16. Junı 1892.
MIT TAFEL V. - 3 OB Co
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BERLIN
VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.
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Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben ‚die Mensthenehe der Köni; ich
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Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört, und es sınd
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3. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross-
Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach
jeder Sitzung. Die simmtlichen zu einem Kalender-
jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit
fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten
ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der
Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs-
nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi-
kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über
Sitzungen der Philosopbjsch- -historischen Classe ungerade
Nummern.
N 2.
1. ‘Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten
geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über-
wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der
Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört,
druckfertig übergebenen, dann die, welche in a
Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö-
tigen Stücken nicht erscheinen konnten.
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2 Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
wird vierteljährlich ausgegeben.
8 28.
1. Die zur’ Aufnahme in die Sitzungsberichte be-
stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung
druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder,
sowie alle Nichtmitglieder ‚ haben hierzu die Vermittelung
eines ihrem Fache "angehörenden ordentlichen Mitgliedes
zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon-
dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt-
akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der
vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit-
glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren
Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem
zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.
Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.
8 6.
2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 ‚Seiten in
Octav in der gewöhnlichen Schrift "der Sitzungsberichte
nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche
der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses.
Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist
nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka-
demie oder der betreffenden Classe statthaft.
3. Abgesehen von einfachen in den Text ‚einzuschal-
tenden Holsschnkten sollen Abbildungen auf durchaus |
Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit-
theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den
Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind. und von
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SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU. BERLIN.
AXXH. XXX XXXIV.
23. 30. Junı 1892.
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VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN,
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Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die Monntsbekehken der Königlich
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jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit
fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten
ausserdem eine dureh den Band ohne Unterschied der
Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs-
nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi-
kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über
Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade |
Nummern. \
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1. Jeden Sitzungsberieht eröffnet eine Übersicht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung Berjeneren
geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen die den Sitzungsberiehten über-
wiesenen wissenschaflichen Arbeiten, rn zwar in der
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2 Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
wird a ausgegeben.
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1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be-
stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung
druckfertig vorgelegt werden.
sowie alle Niehtmirshieder, haben hierzu die Vermittelung
eines ihrem Fache "angehörenden ordentlichen Mitgliedes.
zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon-
dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt-
akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der
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VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
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Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die „Monaisberichte der Königlich
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2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross-
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jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender-
jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit
fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten
ausserdem eine dureh den Band ohne Unterschied der
Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs-
nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi-
kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über
Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade
Nummern.
8.2.
Jeden Sitzungsberieht eröffnet eine Übersieht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten
. geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über-
wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, nad zwar in der
Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört,
druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren
Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö-
rigen Stücken nicht erscheinen konnten.
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2 Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriten
wird vierteljährlich ausgegeben.
8 28.
1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be-
stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung
druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder,
sowie alle Nichiiteheder ‚ haben hierzu die Vermittelung
eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Miteliedes
zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder eorrespon-
dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt-
akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der
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Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem
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oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
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8 6.
2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in
Octav in der gewöhnlichen Schrift nr Sitzungsberiehte
nicht übersteigen. Mittheilungen von eresern welche
der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses
Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist
nur nach ausdrücklicher Zustimmung, der Gesammtaka-
demie oder der betreffenden Classe statthaft.
3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal-
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ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der
Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs-
nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi-
kalisch-mathematischen Classe allemal gerade, die über
Sitzungen der philosophisch -historischen Classe ungerade
Nummern.
8 2.
1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten
geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über-
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Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört,
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2 Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
wird vierteljährlich ausgegeben.
8 28.
1. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be-
stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung
druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder,
sowie alle Niehtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung
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zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon-
dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt-
akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der
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zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.
Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.
8.16:
2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in
Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte
nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern , welche
der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses
Umfanges beschränkt. Überschreitung ‚dieser Grenzen ist
nur nach ausdrücklicher an. der Gesammtaka-
demie oder der betreffenden Classe statthaft.
3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- -
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wiesenen wisdensphaftlichen Arbeiten, Fund zwar in der
Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört,
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Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö-
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wird vierteljährlich ausgegeben.
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Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem
zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.
Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
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8 6.
2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in
Octav in der gewöhnlichen Schrift "der Sitzungsberichte
Mittheilungen von Verfassern, welche‘
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Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich
Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen ‚aufgehört,
an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten,
und es sind
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Bestimmungen gelten
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2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross-
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kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über
‘Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade
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l. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten
geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über-
‘wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der
‚Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört,
druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren
Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö-
vigen Stücken nicht erscheinen konnten.
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2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
wird vierteljährlich ausgegeben.
8 28.
l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be-
stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung
druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder,
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zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon-
dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt-
akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der
vorsitzende Secretar selber oder dureh ein anderes Mit-
glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren
Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem
zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.
Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.
86.
2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in
Öctav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte
nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche
der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses
Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist
nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka-
demie oder der betreffenden Classe statthaft.
3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal-
tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus
Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit-
theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den
Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von
besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche
Auflage eingeliefert ist.
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Eine für die Sitzungsberiehte bestimmte wissenschaft-
liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe
des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur
auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut-
scher Sprache veröffentlicht :sein oder werden. Wenn
der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen
Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen
beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er
dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der
betreffenden Classe.
58.
3. Auswärts werden Correceturen nur auf besonderes
Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit
auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.
829,
l. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs-
berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher
Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publicirt
werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender
Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis
in den Buchhandel gebracht werden,
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l. Jeder Verfasser einer unter den » Wissenschaft-
lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent-
geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf
welehem der Titel der Arbeit wiederholt wird.
2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere
gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert
zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen,
sofern er hiervon reehtzeitig dem redigirenden Secre-
tar Anzeige gemacht hat.
8.5.
Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der
Seeretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte.
Derselbe Seeretar führt die Oberaufsicht über die Redae-
tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei-
nenden wissenschaftlichen Arbeiten; in dieser Eigenschaft
heisst er der redigirende Secretar.
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l. Der redigirende Secretar ist für den Inhalt des
geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich.
Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder
Richtung nur die Verfasser verantwortlich.
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2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross-
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jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender- _
jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit
fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten
ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der
Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs-
nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi-
kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über
Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade
Nummern.
$ 2.
l. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten
geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über-
wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der
Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück ‚gehört,
druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren
Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö-
rigen Stücken nicht erscheinen konnten.
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2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
wird vierteljährlich ausgegeben,
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l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be-
stimmte Mittheilung muss in einer nen Sitzung
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sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung
eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes
zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon-
dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt-
akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der
vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit-
glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren
Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem
zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.
Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.
S 6.
2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in
Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte
nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche
der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses
Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist
nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka-
demie oder der betreffenden Classe statthaft.
3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal-
tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus
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Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich
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2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross-
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jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit
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ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der
Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs-
nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi-
kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über
Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade
Nummern.
l. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten
geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über-
wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der
Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört,
druckfertig übergebenen , Ad die, welehe in früheren
Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö-
rigen Stücken nicht erscheinen konnten.
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2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
wird vierteljährlich ausgegeben.
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l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be-
stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung
druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder,
sowie alle Niehtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung
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Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.
8 6.
2. Der Umfang der Mittheilung dr 32 Seiten in
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der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses
Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist
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Mit dem Decemberheft des Jahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich
Preussischen Akademie der Wissenschaften« zu erscheinen aufgehört.
an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten,
und es sind
für welche unter anderen folgende
Bestimmungen gelten.
(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte.«.)
81.
2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross-
Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach
jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender-
jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit
fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten
ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der
Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs-
nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi-
kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über
Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade
Nummern.
82.
l. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten
geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen -die den Sitzungsberiehten über-
wiesenen wissenschaftliehen Arbeiten, und zwar in der
Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört,
druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren
Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö-
rigen Stücken nieht erscheinen konnten.
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2. Das Verzeichniss der eingegangenen Drucksehriften
wird vierteljährlich ausgegeben.
8.28.
l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be-
stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung
druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder,
sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung
eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes
zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon-
dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt-
akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der
vorsitzende Seeretar selber oder durch ein anderes Mit-
glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren
Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem
zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.
Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.
8.6.
2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in
Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte
nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche
der Akademie nieht angehören, sind auf die Hälfte dieses
Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist
nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka-
demie oder der betreffenden Classe statthaft.
3. Abgesehen von einfachen in den Text: einzuschal-
tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus
Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit-
theilung wird erst begonnen, wenn die Stöcke der in den
Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig sind und von
besonders beizugebenden Tafeln die volle erforderliche
Auflage eingeliefert ist.
8.7.
Eine für die Sitzungsberiehte bestimmte wissenschaft-
liche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Ausgabe
des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur
auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut-
scher Sprache veröffentlicht sein oder werden. Wenn
der Verfasser einer aufgenommenen wissenschaftlichen
Mittheilung diese anderweit früher zu veröffentlichen
beabsichtigt, als ihm dies gesetzlich zusteht, bedarf er
dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der
betreffenden Classe.
SB.
3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes
Verlangen verschiekt. Die Verfasser verzichten damit
auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.
89
l. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs-
berichte können bestimmte Kategorien wissenschaftlicher
Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt
werden, dass dieselben mit Sondertitel und fortlaufender
Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis
in den Buchhandel gebracht werden.
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l. Jeder Verfasser einer unter den » Wissenschaft-
lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent-
geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf
welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird,
2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere
gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert
zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen,
sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre-
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Den Berieht über jede einzelne Sitzung stellt der
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Derselbe Seeretar führt die Oberaufsiceht über die Redac-
tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei-
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geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich.
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nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi-
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Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade
Nummern.
8.2.
1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten
geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über-
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Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem
zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.
Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.
8 6.
2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in
Oetav in der gewöhnlichen Sehrift der Sitzungsberichte
nieht übersteigen.
Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist
nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesamnitaka-
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die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
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2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über-
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Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört,
druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren
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zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.
Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
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S 6.
2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in
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AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
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VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
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Mit dem Decemberheft des J ahrganges 1881 haben die »Monatsberichte der Königlich
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an deren Stelle »Sitzungsberichte« getreten ,-
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- für welche unter anderen. folgende
Bestimmungen gelten.
(Auszug aus dem Reglement für die Redaction der » Sitzungsberichte«.)
81.
2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken "in Gross-
Oetav regelmässig Donnerstags acht Tage nach
jeder Sitzung. Die sämmtlichen zu einem Kalender-
jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit
fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten
ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der
Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs-
nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi-
kalisch - mathematischen Classe allemal gerade, die über
Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade
Nummern.
52
1. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten
geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über-
wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der
Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört,
druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren
Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö-
rigen Stücken nicht erscheinen konnten.
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2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
wird vierteljährlich ausgegeben.
$ 28.
l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be-
stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung
druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder,
sowie alle Nichtmitglieder, haben hierzu die Vermittelung
eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes
zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder correspon-
dirender Mitglieder, welche direct bei der Gesammt-
akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der
vorsitzende‘ Secretar selber oder durch ein anderes Mit-
glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren
Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem
zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.
Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.
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2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in.
Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte
nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welehe
der Akademie nieht angehören, sind auf die Hälfte dieses
Umfanges beschränkt.
nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka-
demie oder der betreffenden Classe statthaft.
3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal-
tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus
Überschreitung dieser Grenzen ist
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1. Jeder Verfasser einer unter den „Wissenschaßt-
lichen Mittheilungen « abgedruckten Arbeit erhält. unent-
geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf
welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird.
2, Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere a
gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert
zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen,
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nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi-
kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über
Sitzungen der philosophiseh - historischen Classe ungerade
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2. Diese erscheinen
Nummern.
S.2.
l. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten
geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über-
wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der
Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört,
druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren
Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö-
rigen Stücken nicht erscheinen konnten.
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2. Das Verzeichniss der eingegangenen Drucksehriften
wird. vierteljährlich ausgegeben.
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l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsherichte be-
stimmte Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung
druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder,
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eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes
zu benutzen. Einsendungen auswärtiger oder
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akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der
vorsitzende Seeretar selber oder durch ein anderes Mit-
glied zum Vortrage zu bringen. Mittheilungen, deren
Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er einem
zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.
Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
akademischen Schriften ordnungsmässis zu beschliessen.
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2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in
Oetav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberiehte
nieht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche
der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses
Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist
nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka-
demie oder der betreffenden Classe statthaft.
3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal-
tenden Holzsehnitten sollen Abbildungen auf durchaus
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und es sind
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Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wissenschaft-
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beabsichtigt, als ikm dies gesetzlich zusteht, bedarf er
dazu der Einwilligung der Gesammtakademie oder der
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3. Auswärts werden Correeturen nur auf besonderes
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auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.
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l. Neben der vollständigen Ausgabe der Sitzungs-
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in den Buchhandel gebracht werden.
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l. Jeder Verfasser einer unter den » Wissenschaft-
lichen Mittheilungen« abgedruckten Arbeit erhält unent-
geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf
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2. Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere
gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert
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Den Bericht über. jede einzelne Sitzung stellt der
weleher darin den Vorsitz hatte.
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Derselbe Seeretar führt
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versehen und mit besonderem Verkaufspreis:
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nenden wissenschaftlichen Ar beiten; in dieser Eigenschaft: ;
heisst er der redigirende Seeretar.
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1. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des 2
geschäftlichen Theils der Sitzungsberichte verantwortlich.
Für alle übrigen Theile derselben sind nach jeder
Richtung nur - die Verfasser verantwortlich.
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3. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross-
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Polklaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten
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Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs-
nummer, und zwar die Berichte über Sitzungen der physi-
kalisch- mathematischen Classe allemal gerade, die über
Sitzungen der philosophiseh - historischen Classe ungerade
Nummern.
8.2.
l. Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über
die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit-
theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten
geschäftlichen Angelegenheiten.
2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über-
wiesenen wissenschaftlichen Arbeiten, und zwar in der
Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört,
druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren
Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö-
rigen Stücken nicht erscheinen konnten.
Ss 4.
2. Das Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
wird vierteljährlich ausgegeben.
$ 28.
l. Die zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be-
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druckfertig vorgelegt werden. Abwesende Mitglieder,
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dirender Mitglieder, welche direet bei der Gesammt-
akademie oder bei einer der Classen eingehen, hat der
vorsitzende Secretar selber oder durch ein anderes Mit-
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Verfasser der Akademie nicht angehören, hat er cinem
zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überweisen.
Unter allen Umständen hat die Gesammtakademie
oder die Classe die Aufnahme der Mittheilung in die
akademischen Schriften ordnungsmässig zu beschliessen.
S 6.
2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in
Octav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte
nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welche
der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses
Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen. ist
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Auflage eingeliefert ist. 2 |
57. 5
Eine für die Sitzungsberiehte bestimmte wissensehaft-
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des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch nur
auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deut-
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Mittheilungen auch abgesondert in der Weise publieirt
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Paginirung versehen und mit besonderem Verkaufspreis
in den Buchhandel gebracht werden.
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l. Jeder Verfasser einer unter den »Wissenschaft-
lichen Mittheilungen« abgedruekten Arbeit erhält unent- an
geltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf
welchem der Titel der Arbeit wiederholt wird. 2
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