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Full text of "Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin"

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HARVARD     UNIVERSITY. 


LIBRARY 


MUSEUM  OF  COMPARATIVE  ZOOLOGY. 


^t^.fUL  'S,  l^p 


JUN 

SITZUNGS-BEEK^TE 

DER 

GESELLSCHAFT 
NATURFORSCHENDER  FREUNDE 

ZU 

BERLIN. 


JAHRGANG  1902. 


-  BERLIN. 

In  CoMMissiON  BEI  R.  Friedländer  und  Sohn. 

NW.  Carl- Strasse  U. 

1902. 


SITZUNGS-BEKIOHTE 


DER 


GESELLSCHAFT 
NATTIREORSCHENDER  FREUNDE 


ZU 


BERLIN. 


JAHRGANG  1902. 


\l 


^  BERLIN. 

In  Commission  bei  R.  Friedländer  und  Sohn. 

NW.  Carl-Strasse  11. 

1902. 


'S/ 


JUN      3     190.1 


1 11  li  a  1 1  s  -  V  e  r  z  e  i  c  h  11  i  s  s 
aus  dein  Jahre   1902. 


Vorträge: 

AscHERSON,  P.,  legte  ein  Friiclitexemplar  von  Odontospenniim  pyijmaenin 
aus  der  östlichen  Wüste  bei  Cairo  vor,  p.   18. 

BÖRNER,  C.  Die  Gliederung  der  Laufbeine  der  Ätelocernta  Heynions, 
mit  2  Tafeln,  p.  205. 

1).\HL,  Fr  Feber  einen  „sehr  seltenen"  Vogel  aus  dem  Bismarck- 
Archipel,  p.  2f).  —  Ueber  abgebrochene  Copulationsorgane  männ- 
licher Spinnen  im  Körper  der  Weibchen,  p.  36.  --  Ueber  Stufen- 
fänge echter  Spinnen  im  lliesengebirge.  (Eine  vergleichend  etho- 
logische  Studie.)     Mit  !    Tabelle,  p.  185. 

Grönroos,  II.  Ueber  zwei  Oberarmmuskeln  bei  der  Gattung  Hylobates, 
p.  245. 

Grünberg.  Ueber  neue  Odonaten  aus  dem  Njassa-Gebiet,  gesammelt 
von  Dr.  Fülleborn,  p.  230. 

VON  IIanstein,  R.     Ueber  Bryubia  ribis  Thomas,  p.  128. 

IIartmeyek,  R.  Ueber  Varietätenbildung  und  eine  geographische  Va- 
rietät von  Ciona  intestinalis  (L.),  p.  203. 

Hilgendorf,  f.,  legte  eine  neue  Chromiden-Art  aus  Deutsch-Südwest- 
afrika vor,  Paratilapia  luebberti,  p.   141. 

Jacobi,  A.  Ueber  neue  Homopteren  aus  Tonking,  p.  20.  —  Ueber 
Heteropsaltria  n.  g.  Cicadarirtm  Stridulantiuni,  p.  73. 

J.\ekel,  0.  Ueber  Coccosteus  und  die  Beurtheilung  der  Placodermen, 
mit  1  Tafel,  p.  103. 

Kolbe,  H.  Ueber  vorschnelle  Entwickelung  von  Puppen-  und  Iniago- 
Organcn  bei  Raupen  von  Lepidopteren  [Demlrolimus  pini  L.),  p.  158. 

KopSCH,  Fr.  Die  künstliche  Befruchtung  der  Eier  von  Cristiceps 
argentatus,  p.  33. 

VON  Martens.  Nachtrag  zu  den  früheren  Mittheilungen  über  das 
neue  Auftreten  der  Helix  obvia  Menke  auf  der  Insel  Wollin  in 
den  Sitzungsber.  vom  Juni,  October  und  November  1890,  p.  45. 
T>ber  einige  Schnecken  der  Cocosinsel,  p.  59.  —  Die  geographische 
Verbreitung  von  Pomatias  scptemspiralis  Raz.  {inacidatus  Drap.), 
p.  62.  —  Die  Meeres-Conchylien  der  Cocos-Insel,  p.  137.  —  Eine 
für  die  Provinz  Brandenburg  neue  Süsswasserschnecke,  Physa 
acuta  Drap.,  p.  166.  —  Einige  neue  Arten  von  Meer-Conchylien 
aus  den  Samndungen  der  deutsehen  Tiefsee-Expedition  unter  der 
Leitung  von  Prof.  Carl  Chun  1898—99,  p.  237. 

Matschie,  P.  Ueber  rumänische  Säugethiere,  2.  Theil,  p.  30  (nicht 
zum  Abdruck  gelangt). 

MÖBiu.s,  K.,  legte  Sapphirinen  vor,  die  das  Zoologische  Museum  von 
der  Zoologischen  Station  in  Neapel  erhalten  hatte,  p.  33. 


Nehring,  A.  Ueber  einige  griechische  Nager:  3Ias  epiinclas  n.  sp.. 
Cricetulus  atticus  n.  sp.  und  Mijoxus  nitedula  Wimjei  n.  subsp.. 
p.  I.  —  Ucbcr  Spcddx  Fritschi,  sp.  n.  foss.,  aus  der  Antelias- 
H(')hle  um  Libanon,  p.  77.  —  Ueber  die  heutige  Verbreitung  der 
Süugethiere  in  Palastina,  p.  85.  —  Ueber  Nesokia  <jraciUs,  n.  sp., 
von  der  Insel  Ceylon,  p.  116.  —  Ueber  einen  neuen  Sumpf  luchs 
{Lyncus  chrysomehmotis  n.  sp.)  aus  Palästina,  p  123.  —  Ueber 
Mustela  foina  syriaca  n.  subsp.  und  Musteld  palaesyriaca  n.  sp., 
p.  145.  —  Nachträgliche  Bemerkungen  über  die  Sumpf  luchse  von 
Palästina,  p.  147.  —  Ueber  Foetorius  sarmaticus  und  Spermophiltis 
(citiUus?)  von  Constantinopel,  p.  148.  —  Ueber  eine  neue  3Iyoxus- 
Species  [Myoxus  intermedius  Nhrg.)  aus  Tirol,  p.   155. 

Neumann,  0.  lieber  neue  nordost-  und  ostafrikanische  Säugethiere, 
mit  2  Tafeln,  p  49;  Fortsetzung  p.  93.  —  Die  verschiedenen 
Arten  des  Klippspringers  (Oreotrayus),  p.  169.  —  Ueber  einige 
afrikanische  Eichhörnchen,  p.  175.  —  Ueber  einige  neue  Arten 
von  Ginsterkatzen,  p.  181.  —  Zwei  neue  Formen  des  Genus 
.fülobus'-'  Illig.,  p.  2-15  (nicht  zum  Abdruck  gelangt). 

Schneider,  G.  Ueber  das  Vorkommen  von  Larven  des  Bandwurms 
Botliriotacnia  proboscidca  Batsch  im  Magen  und  Darm  von  Ostsee- 
heringen {Clupea  hareniiiis  membras  L.),  p.  28. 

Vekhoefk,  K.  W.  Dermapteren  (2.  Aufsatz."  Neue  ungeflügelte  Euder- 
maptcren-Gattungen),  p.  7.  —  Die  verwandtschaftliche  Stellung  von 
Heiiiiiiierns,  p.  87.  —  Chilopoden  von  Südsteiermark,  Krain  und 
Kroation,  p.  90.  —  Die  zusammengesetzte  Zirpvorrichtung  von 
Geotrupes,  p.   149. 


Berichte  über  die  Referirabende:  pp.  31,  47,  76,  102,  120,  121, 
143,  144,  184,  244,  252,  253. 


Nr.  1.  1902. 

Sitz  ungs-Be  rieht 

der 

Gesellschaft  iiaturtbivscheiider  Freunde 

zu  Berlin 
vom  21.  Januar  1902. 


Vorsitzender:  Herr  Braxco. 


Herr  A.  Nehring  sprach  über  einige  griechische 
Nager:  Mus  epimelas  n.  sp.,  Cricetulics  atticus  n.  sp. 
und  Mi/oxus  niiedula   Wingei  n.  subsp. 

Ueber  die  kleineren  Säugethiere  Griechenlands  sind 
bisher  nur  wenige  Arbeiten  publicirt  worden;  die  einzige 
genauere  Publication[,  welche  mir  über  dieselben  bekannt 
geworden  ist,  nämlich  die  von  H.  Winge,  ^)  ist  leider 
in  dänischer  Sprache  geschrieben  und  in  Folge  dessen  für 
Nichtdänen  etwas  schwer  verständlich.  Daher  kommt  es 
wohl,  dass  selbst  der  vielbelesene  Troüessart  diese 
wichtige  Arbeit  in  seinem  „Catalogus  Mammalium",  2.  Ausg., 
nicht  berücksichtigt  hat.  ^) 

Die  drei  Nager-Arten,  welche  hier  besprochen  werden 
sollen,  gehören  zu  einer  kleinen  Collection.  die  ich  vor 
einigen  Jahren  für  unsere  Sammlung  durch  die  bekannte 
Naturalienhandlung  von  W.  Schlüter  in  Halle  erworben 
habe.  Es  handelt  sich  um  Bälge  mit  den  zugehörigen 
Schädeln,  bei  Agoriani  am  Parnaasus  (in  Phocis)  gesammelt, 
abgesehen  von  dem  kleinen  Hamster,  welcher  vom  Pentelicon 


^)  „Om  graeske  Patted)^,  samlede  af  L.  Munter",  in  Vidensk. 
Mcddel.  fra  den  naturh.  Foren,  i  Kjöbenhavn  1881,  p.  7—59.  Als 
Sep. -Abdruck  von  Herrn  Custos  Matschie  mir  freundlichst  zugänglich 
gemacht;  die  unten  folgenden  Citate  beziehen  sich  aber  auf  die  etwas 
abweichenden  Seitenzahlen  der  genannten  dänischen  Zeitschrift. 

')  Vergl.  a.  a.  0.  p.  481,  507  und  454. 

1 


2  Gesellscluift  miturforschender  Freunde^  Berlin. 

in  Attica  stammt.  Winge  hat  dieselben  Nager-Species 
bereits  1881  in  Händen  gehabt  und  als  M\is  mystacinus, 
Cricetus  arenarius  und  Eliomys  dnjas  besprochen;  wenn  ich 
hier  darauf  zurückkomme,  so  geschieht  es  einerseits  der 
neuen  Fundorte  wegen,  andrerseits  weil  ich  auf  Grund  der 
neueren  mammalogischen  Anschauungen  bei  meiner  Unter- 
suchung hinsichtlich  der  Species-Bezeichnung  zu  etwas  ab- 
weichenden Resultaten  gekommen  bin. 

1.  Mus  epimelas  Nheg.,  n.  sp. 

Vertreten  durch  einen  Balg  mit  zugehörigem  Schädel, 
ö^,  gesammelt  am  19.  Juli  1895  bei  Agoriani  am  Parnassus. 
Diese  Maus  ist  nahe  verwandt  mit  Mns  mystacimis,  welche 
Danford  und  Alston  vom  Bulgar  Dagh  (Kleinasien)  in 
den  Proc.  Z.  S.  Lond.  1877,  p.  279  f.  beschrieben  und  auf 
Tafel  31  abgebildet  haben,  weicht  aber  in  einigen  we- 
sentlichen Punkten  von  dieser  kleinasiatischen  Art  ab. 

Mus  mystacinus  hat  hinter  jedem  Ohr  einen  grossen 
rehbraunen  Fleck;  dieser  fehlt  bei  M.  epimelas.  Die  Ohren 
sind  bei  jener  Art  relativ  klein;  bei  dieser  sind  sie  gross  und 
reichen,  angedrückt,  mehrere  Millimeter  über  den  Vorder- 
rand des  Auges  hinaus.  Dort  ist  der  Rücken  nur  schwarz 
überwaschen,  hier  erscheint  die  hintere  Hälfte  des  Rückens 
fast  ganz  schwarz,  indem  die  sonst  aschgrauen  Haare 
relativ  lange,  tiefschwarze  Spitzen  haben.  An  den  Flanken, 
welche  bei  M.  mystaeimis  eine  rehbraune  Farbe  zeigen, 
ist  bei  M.  epimelas  von  dieser  Farbe  kaum  eine  Andeutung 
zu  sehen.  An  den  Vorder-  und  Hinterbeinen  reicht  die 
weisse  Färbung  bei  M.  mystac.  weiter  als  bei  M.  epimelas; 
insbesondere  ist  bei  jenem  die  Vorderseite  der  Hinterbeine 
weiss,  bei  diesem  dunkelgrau.  Endlich  findet  sich  in  der 
Färbung  des  Schwanzes  ein  deutlicher  Unterschied,  da  bei 
M.  epimelas  die  Oberseite  desselben  glänzend  schwarz  (tief- 
schwarz), die  Unterseite  weiss  behaart  ist  und  beide 
Farben  sich  scharf  gegen  einander  absetzen;  bei  M.  mysta- 
cinus wird  aber  die  Behaarung  der  Oberseite  des  Schwanzes 
nicht  black,  sondern  „dusky"  genannt,  und  diese  Farbe  ist 
gegen  die  der  Unterseite  nicht  scharf  abgegrenzt.  Vergl. 
die  Abbildung  a.  .a  0.,  Taf.  31. 


Sitzung  vom  21.  Januar  1903.  3 

Oh  auch  im  Schädel  Ahwcichun^ijon  vorhanrloa  smkI, 
lässt  sich  voi'liiulig  nicht  feststellen;  ich  glaube  aber,  schon 
nach  den  oben  angeführten  äusseren  Abweichungen  die  mir 
vorliegende  Maus  vom  Parnass  specifisch  von  M.  mystacinus 
abtrennen  zu  dürfen,  da  diesijlben  grösser  sind  als  diejenigen 
vieler  anderer  Species,  welche  von  anerkannten  Säugethier- 
forschern  neuerdings  aufgestellt  worden  sind.  Wegen  des 
starlcen  Ilervortretens  der  schwarzen  Farbe  an  der  Ober- 
seite des  Rumpfes  und  des  Schwanzes  habe  ich  den  Namen 
epimelas  (obenauf  schwarz)  gewählt. 

Länge  von  Kopf  und  Rumpf  (wahrscheinlich  etwas  ge- 
schrumpft und  dadurch  verkürzt)  ca.  100  mm,  Ohr  19, 
Hinterfuss  26.  Schwanz  (die  Spitze  fehlt)  ca.  110,  Länge 
des  hinten  etwas  lädirten  Schädels  ca.  31—31.5  (Länge  der 
vorhandenen  Partien  30,5).  „Condylarlänge"  des  Unterkiefers 
18,  Länge  der  oberen  Backenzahnreihe  5,4. 

Die  von  Winge  a.  a.  0.,  S.  21—29  und  S.  57—59 
als  2his  mijstacinns  beschriebenen  Exemplare  von  Dekelia  in 
Attica  zeigen  einige  Abweichungen  von  meinem  Exemplar 
aus  Phocis,  doch  weichen  sie  auch  von  den  typischen 
p]xcmplaren  der  kleinasiatischen  Art  deutlich  ab.  Es  be- 
darf weiterer  Untersuchungen  hierüber. 

2.   Cricetulus  atticus  Nhrg.,  n.  sp. 

Sehr  interessant,  aber  bisher  wenig  beachtet  ist  das 
Vorkommen  einer  Cricehdus'^^^aicii  in  Attica  bezw.  Griechen- 
land. WiNGE  hat  das  Verdienst,  a.  a.  0.  dieses  Vorkommen 
zuerst  nachgewiesen  zu  haben.  Es  wurde  hierdurch  ein 
Zwerghamster  weitab  von  den  sonstigen  Verbreitungsgebieten 
der  Cricdulns-kviQn  constatiert;  denn  in  den  zwischen  Süd- 
russland und  Attica  gelegenen  Distrikten  hat  man  bisher 
keine  Cruefulus -Avt  gefunden  und  auf  der  andern  Seite 
(nach  Kleinasien,  wo  Cr.  phaeus  vorkommt)  bildet  das  Mittel- 
meer eine  für  Hamster  unüberschreitbare  Grenze. 

WiNGE  hat  die  von  ihm  untersuchten  Zwerghamster 
von  Dekelia  (Attica)  mit  Cric.  arenarius  Pall.  identificiert; 
ich  selbst  bin  durch  die  Untersuchung  des  mir  vorliegenden 
Exemplars,    eines  massig  alten  .:f ,   <las  am   19.  Mai  1895 

1* 


4  GesellscTuift  naUirforschender  Freunde,  Berlin. 

am  Pentelikon  gefangen  wurde,  (repräsentirt  durch  Balg  mit 
Schädel)  zu  der  Ansicht  gekommen,  dass  es  sich  hier  um 
eine  besondere  Art  handelt,  welche  am  nächsten  mit  dem 
vorderasiatischen  Cric.  phaeiis  verwandt  ist. 

Cric.  arenarius  wurde  von  Pallas  zunächst  aus  sandigen 
Distrikten  der  Baraba- Steppe  beschrieben  (Nov.  Spec.  Glir., 
1778,  S.  265  ff.),  und  diese  Beschreibung  (nebst  Abbildung) 
muss  als  massgebend  betrachtet  werden.  Hiernach  erstreckt 
sich  bei  dieser  Art  das  Weiss  der  Bauchseite  über  die  gan- 
zen Extremitäten,  über  die  Nachbarschaft  der  Schwanzwurzel 
und    den  Schwanz.     Ausserdem    zeigt    der  Hinterfuss   nur 

5  Sohlenwülste.  Hiervon  ist  der  attische  Zwerghamster 
deutlich  verschieden;  bei  ihm  ist  die  Aussenseite  der 
Hinterbeine  bis  nahe  an  den  Tarsus  hinab  deutlich  grau,  die 
Nachbarschaft  der  Schwanzwurzel  schwarzgrau  gefärbt  und 
die  Oberseite  des  Schwanzes  mit  zarten  schwarzgrauen  Här- 
chen besetzt;  der  Hinterfuss  zeigt  6  Sohlenwülste.  Ausser- 
dem sind  die  meisten  Körpermaasse  etwas  kleiner,  als  bei 
Cric.  arenarius. 

In  der  Färbung  und  Farbenvertheilung  ähnelt  der 
attische  Zwerghamster  mehr  dem  Cric.  phaeus,  doch  kann 
ich  ihn  auch  mit  diesem  nicht  identificieren.  Cric.  atticus 
ist  kleiner  und  hat  dabei  auffallend  grosse  und  relativ 
stark  behaarte  Ohren;  sein  Schädel  ist  kleiner  und  zeigt 
ein  gebogenes  Profil,  während  der  des  Cric.  phaeus  grösser 
und  zugleich  gestreckter  ist.  Nach  Pallas  a.  a.  0.  und  nach 
Brandt  (Melanges  Biolog.,  1859,  Bd.  III,  p.  208)  soll  der 
echte  Cricet.  phaeus  nur  5  Sohlenwülste  haben;  dagegen 
fand  ich  bei  acht  vorderasiatischen  Zwerghamstern,  welche 
hergebrachter  Weise  als  Cric.  phaeus  bezeichnet  werden, 
6  Sohlenwülste,  wie  bei  Cric.  atticus.  Ich  bemerke,  dass 
ich  7  Zwerghamster  von  Lenkoran  in  Transkaukasien  und 
1  Zwerghamster  von  Sidon  in  Syrien  (alle  in  Spiritus)  er- 
halten und  somit  gutes  Material  in  Händen  habe,  abge- 
sehen  von  mehreren  Exemplaren  aus  Transkaspien. 

Nach  meiner  Ansicht  hat  Cric.  atticus  die  nächsten  Be- 


Sitzung  vom  St  Jamiar  190S.  5 

Ziehungen  zu  dem  kleinasiatischen  Cric.  phaeus  auforum;^) 
doch  müssen  diese  Beziehungen  durch  eingehende  Ver- 
gleicliungen  noch  genauer  festgestellt  werden.  Mir  selbst 
liegt  leider  kein  Material  aus  Kleinasien  vor. 

Ich  begnüge  mich  für  heute  mit  der  kurzen  Beschreibung 
unseres  Exemplars  von  Cricetulns  atticus.  Kopf-  und  Kumpf- 
länge  85,  Schwanzlänge  22,  Ohrlänge  18,  Länge  des 
sehr  zierlichen  Hinterfusses  14,  Länge  des  Schädels  25. 
des  Unterkiefers  14,5,  der  oberen  Backenzahnreihe  4  mm. 
Oberseite  aschgrau  mit  vielen  feinen,  schwarzen  Ilaarspitzen, 
Unterseite  weiss;  beide  P'arben  au  den  Flanken  ziemlich 
scharf  gegen  einander  abgegrenzt.  Ueber  die  Färbung  der 
Hinterbeine,  der  Schwanzwurzelpartie  und  des  Schwanzes 
ist  oben  schon  das  Nöthige  gesagt  worden.  Die  Messungen, 
welche  VVinge  a.  a.  0.  von  zwei  erwachsenen  Exemplaren  (cT 
und    y )   augiebt,   harmonieren  recht  gut  mit  den  meinigen. 

Nach  einer  Mittheilung,  welche  Herr  Gustos  P.  Matschie 
mir  freundlichst  zugehen  Hess,  besitzt  das  hiesige  Museum 
für  Naturkunde  je  einen  Cncehdns-Bdih^  aus  Attika  und  von 
der  Insel  Skyros.  Letzteres  Exemplar  erscheint  vom  zoo- 
geographischen Standpunkte  besonders  interessant;  ob  der 
Zwerghamster  von  Skyros  genau  mit  dem  von  Attika  über- 
einstimmt, muss  nach  genauer  untersucht  werden.  Unsere 
Sammlung  besitzt  von  der  Insel  Skyros  einen  Balg  von 
Arvicola  (Microius)  Sani  Selys,  einer  Species,  welche  wir 
auch  aus  Mittel-Griechenland  in  mehreren  Bälgen  erhalten 
haben, 

3.  Myoxus  nitedula   Wingei  Nhrg.,  n.  subsp. 

Der  mir  vorliegende,  sehr  sauber  präparirte  Balg  eines 
männlichen  Baumschläfers,  der  am  29.  August  1895  am 
Parnass  erbeutet  ist,  veranlasst  mich  zur  Aufstellung  obiger 
Subspecies,  die  ich  zu  Ehren  Wixge  s  benenne.  ^) 

Dieselbe  ist  zwar  nahe  mit  M.  nitedula  Pall.  (^=  M. 


•)  Vergl.  Danford  and  Alston,  Mammals  of  Asia  Minor,  P.  Z. 
S.  1880,  p.  61.     R.\DDE  u.  Walter,  Zoolog.  Jahrb.,   1889,  p.   1032. 

*)  WiNOE  hat  a.  a.  0.,  p.  50,  die  von  ihm  untersuchten  Baum- 
schläfer aus  Attica  (1  Q  ad.,  2  9  pull)  als  Eliov}yft  dryas  bestimmt, 
wie  oben  schon  kurz  erwähnt  wurde. 


6  GeseÜscJiaft  natwforsdietider  Freunde,  Berlin. 

(Irinas  ScHREB.;    verwandt,    unterscheidet  sich   aber    durch 
folgende  Abweichungen: 

1)  Es  ist  eine  deutlich  ausgeprägte,  röthliche  Quer- 
binde vorhanden,  w^elche  von  der  Schultergegeud 
sich  über  Ober-  und  Unterarm  hinzieht. 

2)  Die  Färbung  der  Oberseite  des  Rumpfes  wird  von 
der  hellen  Färbung  der  Unterseite  durch  eine  scharfe 
Grenzlinie  getrennt. 

3)  Der  Rücken  ist  sehr  lebhaft  rostbräunlich  gefärbt. 

4)  Der  Schwanz  erscheint  weniger  buschig  behaart,  als 
bei  dem  typischen  ßaumschläfer,  der  mir  in  3  guten 
Bälgen  von  der  unteren  Wolga  (Sarepta)  vorliegt. 

5)  Die  Dimensionen  sind  geringer  und  die  Formenver- 
hältnisse  zierlicher.  Länge  von  Kopf  und  Rumpf 
95,  Schwanzlänge  incl.  der  Endhaare  93,  Hinterfuss 
19  mm. 

Durch  ihre  geringe  Körpergrösse  und  das  Vorhandensein 
der  unter  Nr.  1  erwähnten,  röthlichen  Querbinde  erinnert 
diese  Form  des  Baumschläfers  an  den  persischen  Myoxus 
pictus  ßLANB\,  weicht  aber  sonst  von  diesem  deutlich  ab. ') 

Den  Schädel  habe  ich  nicht  untersucht,  da  ich  fürchtete, 
den  sehr  schön  präparirten  Balg  durch  Herausnahme  des- 
selben zu  schädigen.  Dagegen  habe  ich  kürzlich  2  Schädel 
von  M.  niteduln  (=  M.  dryas)  näher  studirt  mid  dabei  fest- 
gestellt, dass  die  Alveolen  der  beiden  letzten  unteren 
Molaren  mit  denen  von  Myoxios  (jUs  übereinstimmen,  nicht 
mit  denen  von  Eliomys  quercinus;  jene  beiden  Molaren  (m  2 
und  m  3  inf.)  haben  nämlich  bei  M.  nitedula  nur  je  2  Wur- 
zeln, welche  hinter  einander  stehen,  während  sie  bei  KUomys 
quercinus  (ebenso  bei  E.  melamirus  Wagn.)  drei  Wurzeln 
haben,  welche  im  Dreieck  zu  einander  stehen. 

Ich  bin  mir  w^ohl  bewusst,  dass  die  obigen  Mittheilungen 
über  die  vorgelegten  griechischen  Nager  wenig  erschöpfend 
sind;  ich  hoffe  aber,  dass  sie  eine  Anregung  zum  genaueren 
Studium  der  kleinereu  Säugethiere  Griechenlands    und    der 


')  Vergl.  Eastern  Porsia,    Bd.  II,   S.  51—53  und  Taf.  IV,  Fig.  2. 


Sitzung  vom  Sl.  Januar  JDOS.  7 

zugehörigen  Inseln,  sowie  ihrer  Beziehungen   zu   der  klein- 
asiatischen Fauna  geben  werden. 

Ueber  die  griechische  Bliudniaus  {Spalax  graccns 
mihi)  habe  ich  1898  in  Nr.  555  des  „Zoologischen  Anzeigers" 
einige  nähere  Mittheilungen  gemacht  und  namentlich  das 
Gebiss  beschrieben.  Leider  konnte  ich  mir  seitdem  kein 
neues  Spalax-AIaterial  aus  Griechenland  verschaffen. 

Herr  KARL  W.  Verhoeff    sprach    über  Dermapteren 

(2.    Aufsatz:      Neue      ungeflügelte      Eudermapteren- 
Gattungen').) 

Die  folgenden  Zeilen  sollen  als  Fortsetzung  meines 
1.  Aufsatzes  dienen,  welcher  jetzt  im  Zoologischen  Anzeiger 
erscheint  und  u.  A.  eine  Darstellung  der  höheren  Gruppen 
der  Dermapteren  bringt,  welche  sich  auf  grossentheils  neue 
oder  wenig  beachtete  Merkmale  gründet.  Den  7  dort  unter- 
schiedenen Familien  wii'd  in  Folgendem  noch  eine  8.  bei- 
gefügt: 

I.    Die  total  flügellosen  Eudermaptera-Dlandria,  Gonolabiden, 
Anisolabiden  und  Isolabiden. 

Ueber  die  Begriffe  der  beiden  ersteren  Familien  sprach 
ich  bereits  und  bemerke  jetzt  noch  Folgendes: 

A.  Gonolahidne  Vekh.:  Bauchplatte  des  Prothorax 
hinten  bedeutend  verschmälert,  wodurch  die  Hüften  der 
Vorderbeine  auffallend  genähert  sind.  Pygidium  mit  der 
10.  Dorsalplatte  des  Abdomens  völlig  verwachsen,  aber 
doch  nicht  als  dreieckiges  Squamopygidium  nach  hinten 
vorgezogen.  (Immerhin  zeigt  diese  Familie  in  diesem. 
Punkte  eine  gewisse  Annäherung  an  die  Apachyiden.)  Supra- 
analplatte  deutlich  abgesetzt  und  sehr  breit.  Ductus  eja- 
culatorius  im  Praeputialsack  in  eine  Flasche  eintretend. 
(Sonst  schliesst  sich  diese  Familie  am  nächsten  an  die 
Anisolahidae  an.) 

a.  Gonolahis  (Burr)  et  mihi:  Pygidium  bei  c^  und  $ 
steil  abfallend.     Abdomen  des  cf  keulenförmig,  hinten  am 


*)  Auch  dieser  Aufsatz  behandelt  Material  des  Berliner  zoologischen 
Museums. 


8  Gesellschaft  naturf(yrschender  Freunde,  Berlin. 

breitesten.  Zangen  des  cT  symmetrisch.  Im  Praeputial- 
sack  tritt  der  Duct.  ejac.  in  eine  regelmässige,  längliche 
Flasche,    auf  deren  Ende  ein  kurzer  Hals  sitzt. 

(Typus:  G.  lativentris  Phil.) 

b.  G  onoiah  hl a  n.  g.  Pygidium  bei  cf  und  2  schräg 
abfallend.  Abdomen  des  (f  in  der  Mitte  am  breitesten, 
Zangen  des  cT  asymmetrisch.  Im  Präputialsack  tritt  der 
Duct.  ej.  ebenfalls  in  eine  Flasche  ein,  dieselbe  ist  aber 
sehr  unregelmässig,  indem  vom  Grunde  her  ein  Nebensack 
ausgestülpt  ist,  welcher  kürzer  ist  als  der  Haupttheil. 
Beide  Theile  sind  keulenförmig. 

Gonolahina  Kuhlgatzi^)  n.   sp. 

Länge  20—24  mm  (ohne  Zangen^),  Zangen  des  9  473, 
des  cT  fast  5  mm.     Antennen   19gliedrig,   einfarbig  braun. 

Körper  schwarz,  etwas  glänzend,  Beine  gelbbraun, 
Thorax  gelbbraun,  die  Mitte  der  3  Rückenschilde  mehr  oder 
weniger  verdunkelt,  l.  Abdomialtergit  wie  die  Rücken- 
scliilde  des  Thorax  gefärbt.  Mundtheile  bräunlich,  Kly- 
peus  gelb. 

Stirnfurche  und  Furche  zwischen  den  Augen  deutlich. 
Augen  ziemlich  gross,  um  etwa  1  '/s  ihres  Längsdurchmessers 
vom  Hinterhaupte  entfernt.  Pronotum  an  den  Vorderecken 
mit  Borsten,  jederseits  der  Mitte  vorn  mit  einem  Grübchen. 
Der  niedergedrückte  Seitenrand  ist  in  der  Mitte  am 
breitesten,  indem  er  nach  innen  vorspringt,  aussen  aber  ist 
er  gerade.  Meso-  und  Metauotum  seitwärts  fein  punktirt 
bis  gerunzelt.  Abdomen  deutlich  punktirt,  beim  cT  ent- 
schieden dichter  und  kräftiger  als  beim  $.  Vom  4.-5. 
Abd.-S.  an  sind  die  Tergitseiten  mehr  und  mehr  gerunzelt, 
beim  d'  springen  die  Hinterecken  der  Tergitseiten  des 
6. — 9.  Abd.-S.  etwas  eckig  nach  hinten  vor  und  sind  be- 
sonders runzelig.  10.  Abdominal-Segment  am  Tergit  hinten 
in  der  Mitte  niedergedrückt,  beim  (^  viel  stärker  als  beim  $ , 
auch  ist  dieser  Theil  beim    $   nackt,   beim  cT  dicht  pelzig 


')  Benannt  nach  meinem  Kollegen  am  Berliner   zoolog.  Museum 
Dr.  KuHiiöATZ. 

')  Ich  werde  die  Körperlängo  stets  ohne  Zangen  angeben. 


[  Sitzung  vovi  21.  Januar  1902.  9 

behaart.  Ilinterraiid  des  Tergit  beim  cf  etwas  trapezisch 
vortretend  imd  iu  der  ]\Iitte  mit  2  kleinen  Knötchen.  Eine 
Andeutung  der  Verwachsung  von  Tergit  und  Pygidium  fehlt, 
beim  9  dagegen  findet  sich  eine  feine  Querlinie,  welche 
die  Stelle  anzeigt,  wo  die  beiden  Theile  verwachsen  sind. 
Das  Pygidiumgebiet  springt  beim  $  in  einen  deutlichen 
Höcker  vor,  der  von  oben  dreieckig  erscheint.  Supraanal- 
platte  gross  und  sehr  breit,  in  beiden  Geschlechtern  deut- 
lich abgesetzt.  Zangen  bei  cf  WQ'J  9  weit  auseinander 
stehend,  besonders  aber  beim  d'.  Zangen  im  Querschnitt 
oval,  innen  olVne  Bezahnung,  beim  9  in  der  Endhälfte  leicht 
nach  innen  gebogen,  in  der  Grundhälfte  dicker,  beim  c/  ist 
die  rechte  Zange  leicht,  die  linke  stark  eingekrümmt,  beide 
in  der  Grundhälfte  nicht  verdickt. 

Subgeuitalplatte  bei  J   und   9   hinten  abgerundet. 

Paramerenendglieder  länglich  ohne  Innenzahn,  am 
Ende  abgerundet,  viel  kleiner  als  die  Grundglieder,  an 
denen  keine  auffallenden  Spangen. 

Penis  liäutig.  Praeputialsäcke  ohne  grössere  Stachel- 
bildungen, die  Flasche  am  Grunde  durch  Grundausstülpung 
in  2  Theile  getheilt,  von  denen  der  Nebensack  etwa  7»  so 
lang  ist  wie  der  Haupttheil,  am  geschlossenen  Ende  keulen- 
förmig und  hier  aussen  theilweise  mit  sehr  dicht  stehenden 
Wärzchen  besetzt.  Der  Haupttheil  ist  viel  stärker  keulen- 
förmig und  zugleich  dickwandiger.  In  der  Wandung  dieses 
Theiles  verläuft  eine  deutliche  Längsrinne.  Duct.  ejac. 
mit  hyaliner  Intima. 

Vorkommen:  Das  Berliner  zoologische  Museum  be- 
sitzt von  dieser  Form  2  cT  2  9  mit  dem  Zettel  „Tumbes 
Juni  94,  Plate."     Chile. 

B.  Anisolahidae  Verh. :  Bauchplatte  des  Prothorax 
hinten  breit  abgestutzt,  indem  die  Vorderbeinhüften  wie 
gewöhnlich  weit  von  einander  abstehen.  Pygidium  deutlich 
vom  10.  Abdominaltergit  getrennt.  Supraanalplatte  deutlich 
abgesetzt,  aber  nicht  auffallend  breit.  Ductus  ejacul.  im 
Praeputialsack  nicht  in  eine  Flasche  eintretend. 

Kopf  vorne  ziemlich  breit,  Augen  nicht  auffallend 
gross  und  mindestens  um  ihren  eigenen  Durchmesser  vom 


10  Gesellschaft  naturforschenäcr  Freunde,  Berlin. 

Hmtei'haupte  entfernt.  Stirn  vorne  ohne  auffälligen 
Eindruck,  2.  TarseugUed  sehr  kurz,  bedeutend  kleiner  als 
die  andern.  3.  und  4.  Abdominalsegnient  höchstens  mit 
schwachen  Drüsenfalten.  10.  gross,  länger  als  das  8.  und 
9.  zusammen.     10.  Tergit  hinten  nicht  ausgeschnitten. 

Subgenitalplatte  des  r/  vorne  mit  recht  langem  endo- 
skelettalem  Fortsatz,  der  jederseits  einen  Verdickungsfaden 
zeigt.  Ductus  ejaculatorii  aus  kleinen  festwandigen  Samen- 
kapseln entspringend,  übrigens  von  ungewöhnlich  fest- 
wandiger  Intima  und  kolossaler  Länge. 

Praeputialsäcke  ohne  Virga  und  ohne  Verdickungs- 
plättchen,  Penes  häutig.  Paramerengrundglieder  lang,  aber 
nur  am  Grunde  in  der  Mediane  verwachsen,  am  Grunde 
nicht  dreieckig  verschmälert.  Vom  Grunde  der  Parameren 
geht  auch  ein  den  Ductus  ejaculatorii  entsprechend  kolossal 
langer  endoskelettaler  Fortsatz  aus,  der  jederseits  einen 
Verdickungsfaden  besitzt.  Endglieder  der  Parameren  kürzer 
als  die  Grundglieder. 

Anisolahis  ist  unter  den  völlig  ungeflügelten  Berma- 
p^ere» -Familien  die  am  weitesten  verbreitete  Gattung,  was 
sich  aus  der  Vorliebe  mancher  Arten  für  die  Meeresküsten 
erklärt. 

C.  Isolahichie  n.  fam.:  Prosternum  und  Pygidium  wie 
bei  den  Amsolahidae .  auch  die  sonstige  Thoraxgestalt, 
Supraanalplatte  fehlend  oder  verkümmert  (d.  h.  nur  noch 
häutig  angelegt),  Antennen  13  —  14  gliedrig.  Kopf  vorne 
auffallend  dreieckig,  Augen  sehr  gross,  höchstens  um  7^ 
ihres  Durchmessers  vom  Hinterhaupte  entfernt.  Stirn  mit 
auffälligem  Längseiudruck  (2  Längsfurchen  oder  ein  Huf- 
eisen). 2.  Tarsalglied  verhältlich  gross,  mindestens  ^  so 
lang  wie  das  3.  Das  3.  und  4.  Abdominalsegment  mit 
kräftigen  Drüsenfalten,  10.  Abdominalsegment  klein,  d.  h. 
nicht  so  lang  als  das  8.  und  9.  zusammen.  10.  Tergit  des 
cT  hinten  deutlich  ausgeschnitten  oder  gebuchtet.  Elytreu 
und  Flügel  fehlen  völlig. 

Paramerenendglieder  sclimal.  klauenartig,  spitz.  Grund- 
glieder kurz,  gruudwärts  dreieckig  verschmälert,  in  ziemlich 
lange,    anfangs    beineigende    Spangen    auslaufend.      Penis 


Sitzung  vom  21.  Januar  W03.  H 

häiitii;-.  Praoputialsäcke  stellenweise  bestachelt,  mit  ver- 
schieden langer  aber  niciit  vorstehender')  Virga,  neben 
ihr  im  rraeputialsack  ein  längliches  Verdicknngsplättchen, 
das  stets  kürzer  ist  als  die  Virga.  Dnctus  ejaculatorius 
hyalin.  — 

Ich  kenne  bisher  3  Gattungen,  welche  alle  der  aethio- 
pischen  Kegion  angehören: 
*  Kopf  breit  an  den  Prothorax  sich  anschliessend,  Tergit 

des  1.  Abdomiualsegmentes  deutlich  ausgebildet,  Antenne 

ziemlich  schlank. 

a.  Das  3.  Antennenglied  ist  doppelt  so  lang  als  breit, 
die  Seiten  des  Mesonotum  sind  vorne  etwas  wulstig 
aufgetrieben,  besitzen  aber  keine  Seitenkante.  Zangen 
des  c  am  Grunde  von  einander  entfernt,  am  Ende 
nicht  gekreuzt,  ^"orderer  Theil  des  Prosternum  nur 
mit  Andeutung  einer  Absetzung.  Virga  ungefähr  so 
lang  wie  der  Praeputialsack ,  ein  feiner  P'aden  ragt 
aber  heraus Isolahis  n.  g.  (1,  A.). 

b.  Das  3.  Antennenglied  ist  nur  wenig  länger  als  breit, 
die  Seiten  des  Mesonotum  besitzen  eine  scharfe, 
stark  vorspringende  Seitenkante,  welche  von 
der  Schulter  bis  zum  Hinterrande  reicht.  Zangen 
des  Männchen  am  Grunde  sehr  nahe  beisammen 
stehend,  am  Ende  gekreuzt.  Vorderer  Theil  des 
Prosternum  durch  eine  tiefe  Querrinne  vom  Haupttheil 
abgesetzt.  Virga  nur  halb  so  lang  wie  der  Praeputial- 
sack     Ctenisolahis  n.  g.  (1,  A.). 

"^  Kopf  auf  einem  dünnen  Halse  sitzend,  daher  vom  Pro- 
thorax abstehend.  Tergit  des  1.  Abdominalsegmeutes 
sehr  klein  oder  ganz  fehlend.  Antenne  in  der  Endhälfte 
etwas  dicker  als  in  der  Grundhälfte.  Das  3.  Antennen- 
glied ist  nur  so  lang  als  breit.  Die  Seiten  des 
Mesonotum  besitzen  keine  Seitenkante,  sondern  sind 
nur  an  der  Schulter  ein  wenig  aufgetrieben.  Zangen 
des    Männchens     am    Grunde    sehr    nahe     beisammen 


^)  Unter  vorstehender  Virga  verstehe  ich  eine  solche,  deren  Ende 
aus  dem  Praeputialsack  herausreicht. 


12  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

stehend,  am  Ende  gekreuzt.  Vorderer  Theil  des 
Prosternum  durch  einen  Quereiudruck  leicht  abgesetzt. 
Virga  noch  nicht  halb  so  lang  als  der  Praeputialsack 

Leptisolahis  n.  g.  |2.  A.). 

Indem  ich  nun  zu  den  4  Arten  dieser  3  Gattungen 
übergehe,  genügt  es,  eine  derselben  genauer  zu  erörtern, 
bei  den  andern  beschränke  ich  mich  mehr  auf  die  Unter- 
schiede: 

Leptisolahis  usamharana  n.  sp. 

r/".     Länge  7V2  mm.     Zangen  Vjz  mm. 

Antennen  dick,  schnurförmig,  14gliederig  (?).  schwarz, 
7.  und  8.  Glied  weiss.  Körper  schwarz,  matt,  mit  sehr  dichter, 
kurzer  Behaarung,  welche  stellenweise  einen  grausilbernen 
Schiller  erzeugt.  Seitenkanten  des  Prothorax  rothbraun 
durchscheinend.  Beine  schwarz.  Kniee,  Enden  der  Schienen 
und  die  Tarsen  weisslich.  Kopf  annähernd  dreieckig,  die 
Augen  sehr  gross,  der  Raum  zwischen  ihnen  und  dem  Hinter- 
kopf ist  kaum  halb  so  breit  wie  der  Augendurchmesser. 
1.  Antennenglied  keulenförmig,  etwa  bis  zur  Mitte  der  Augen 
reichend,  3.  Antennenglied  wenig  länger  als  breit,  4.  so  lang 
als  breit.  Der  Kopf  sitzt  auf  schmalem  Halse  und  ist  da- 
durch stark  gegen  den  Thorax  abgesetzt.  Prosternum  sehr 
lang,  hinten  breit  abgestutzt.  Pronotum  entschieden  länger 
als  breit,  nach  hinten  allmählig  etwas  verbreitert,  die 
Vorderecken  stumpfwinkelig,  indem  sich  vor  ihnen  eine 
trapezische  Halsverschmälerung  findet.  Mesonotiim  hinten 
kaum  eingebuchtet,  beinahe  gerade,  seitwärts  abgerundet. 
Metanotum  hinten  tief  eingebuchtet,  hinten  jederseits  ab- 
gerundet. 1.  Abdominaltergit  sehr  schmal  und  klein,  aber 
deutlich  nach  vorn  und  hinten  abgesetzt. 

1.  Tarsenglied  ungefähr  so  lang  wie  das  2.  und  3.  zu- 
sammen, das  2.  einfach  und  auffallend  lang,  -jz  so  lang 
als  das  3.  Abdomen  des  Männchens  hinter  der  Mitte 
am  breitesten,  hinten  auffallend  verschmälert  und  allmählich 
abfallend,  10.  Abdominaltergit  klein  (kaum  länger  als  das  8.). 
in  der  Mitte  hinten  breit  eingebuchtet,  zu  Seiten  der  Ein- 
buchtung etwas  eckig.     Subgenitalplatte  hinten  abgerundet, 


Sitzmuj  vom  :21.  Januar  190:2.  13 

in  der  Mitte  schwach  vortretend.  Zangen  des  Männchens 
dicht  aneinander  stehend,  im  Querschnitt  annähernd  rund, 
innen  schwach  ^^ezähnelt.  im  letzten  Drittel  gekreuzt,  indem 
das  spitze  Ende  leicht  nach  innen  gebogen  ist.  4.Abdominal- 
segmeut  mit  deutlichen  Drüsenfalten.  Pygidium  schmal 
trapezisch.  Supraanalplatte  rudimentär.  Innere  Copulations- 
organe  doppelt,  Praeputialsack  mit  kurzer  Virga,  neben 
welcher  eine  schmale  Chitinplatte  in  der  Praeputialsack- 
wandung.  Penis  häutig.  Grundglieder  der  Parameren  am 
Grunde  dreieckig  verschmälert  und  dann  in  lange,  endo- 
skelettale  Stäbe  ausgezogen.  Endglieder  dreieckig,  in  kurze 
Spitzen  ausgezogen.  Wand  des  Praeputialsackes  reichlich 
mit  Wärzchen  besetzt,  an  zwei  Stellen  auch  mit  kurzen 
Stacheln. 

Vorkommen:  Das  einzige  Männchen  wurde  von 
L.  KoNRADT  in  850  m  Höhe  Dezember  1891  bei  Derema 
in  Usambara  gesammelt. 

Die  2.  Art  L.  fheoriae  n.  sp.  lässt  sich  am  besten 
durch  folgende  Gegenüberstellung  erörtern: 

X.   Hftambarana.  L.  fheoriae^). 

1.    Abdorainaltergit      vor-  1.  Abdominaltergit  fehlend, 

banden,     zwar     sehr    klein,  auch   Reste    habe    ich    nicht 

aber   doch    deutlich    sowohl  aufgefunden, 
vom  2.  als  auch  vom  Meta- 

notum  getrennt.  —  Metanotum  Metanotum    beinahe    win- 

in     leichtem    Bogen    ausge-  kelig  ausgebuchtet, 
buchtet. 

Paramerenendglieder     mit  Dieselben  nur  mit  Spuren 

deutlichen  Längsriefen.  von  Längsriefen. 

L.  thcoriae  n.  sp.   stimmt  in  allem  Uebrigen  mit  der 


')  Diesen  Namen  wählte  ich  zur  Erinnerung  an  die  komische  That- 
sache,  dass  die  Behauptung  von  de  Bormans,  das  Metanotum  sei  bei 
den  ungeflügelten  Formen  „mit  dem  1.  Abdominaltergit  innig  ver- 
wachsen" (Thierreicli,  11.  Lief.,  1900,  S.  2),  zwar  sonst  allgemein  un- 
richtig ist,  bei  dieser  Art  aber  ausnahmsweise  scheinbar  richtig,  ganz 
richtig  aber  auch  nicht,  denn  das  1.  Abdominaltergit  verwächst  nicht, 
sondern  verkümmert, 


•  14  Gesellschaft  naturforselmider  Freunde,  Berlin. 

anderen  Art  tiberein  und  könnte  vielleicht  auch  als  Unter- 
art derselben  behandelt  werden. 

Vorkommen:  Es  liegen  2  Männchen  vor,  welche  aus 
Mikindani  in  Deiitsch-Ostafrika  stammen. 

Isolahis  Braneri  n.  sp.  *) 

Länge  1 3  —  1 3  V2  mm.  Zangen  des  Männchens  2  '/^  mm  lang. 

Körper  matt,  reichlich  und  meist  kurz  behaart,  braun, 
Beine  und  Antennen  gelbbraun. 

Die  Eindrücke  der  Stirn  sind  vorn  stumpfwinkelig  nach 
aussen  gebogen.  Pronotum  vorn  jederseits  mit  einem  läng- 
lichen, gebogenen,  ziemlich  tiefen  Eindruck.  Metanotum  in 
der  Mitte  nur  halb  so  lang  als  das  Mesonotura.  10.  Ab- 
dominaltergit  mit  deutlicher  Mittelfurche.  Zangen  des  Männ- 
chens am  Ende  etwas  übereinander  greifend,  ohne  sich 
aber  zu  kreuzen.  Abdomen  hinter  der  Mitte  stärker  ge- 
wölbt als  im  Uebrigen. 

Virga  ungefähr  so  lang  wie  der  Praeputialsack.  im 
mittleren  und  letzten  Drittel  dicker  als  im  gruudwärtigen. 
Ueber  die  Endmündung  der  Virga  hinaus  ragt  noch  ein 
langer  Faden,  der  auch  noch  ein  Stück  aus  dem  Praeputial- 
sack hervorhängt.  Das  Verdickungsplättchen  ist  grundwärts 
hakig  umgebogen,  übrigens  etwas  breiter,  aber  viel  kürzer 
als  die  Virga.    Spangen  der  Paramerengrundgiieder  sehr  lang. 

Vorkommen:  3  Männchen  wurden  verglichen,  welche 
mit  dem  Vermerk  „Kuako  bis  Kimpoko"  (R.  Büttner)  ver- 
sehen sind  und  offenbar  aus  dem  westafrikanischen  Guinea- 
gebiet stammen. 

Ctenisolahis  togoensis  n.  sp. 

Lg.  8V2— 9  mm.  Zangen  des  Männchens  ly^  mm  lg. 

Körper  matt,  braun,  dicht  und  kurz,  stellenweise 
seidenschimmernd  behaart.  Boine  gelbbraun,  die  Schenkel 
grundwärts  verdunkelt.  Eindrücke  der  Stirn  tief,  vorn 
stark  nach  aussen  gebogen,  hinten  beinahe  verbunden. 
Pronotum  vorne  jederseits  mit  2  seichten  Längsfurchen. 
Metanotum  in  der  Mitte  fast  so  lang  als  das  Mesonotum. 


')  Iknaiint  nach  Prof.  F.  Brauer,  dem  Verfasser  der  klassischen 
Arbeit:  „Systematisch-zoologische  Studien". 


Sitznnij  vom  J^.  Jaiitatr  1902.  15 

10.  Abdominaltcrgit  nur  mit  schwacher  Mittellinie.  Abdomen 
oben  i^anz  platt. 

raramereneudglieder  in  der  Endhälfte  sehr  schmal 
imd  spitz,  schmäler  als  bei  7.  Bramri.  Spangen  imd 
Onindglicder  nicht  auffallend  lang.  Verdickungsplättchen 
do  rraepulialsackes  am  Grunde  hakig  umgebogen,  halb  so 
lang  und  kaum  breiter  als  die  Virga.  welche  etwa  halb  so 
lang  ist  wie  der  Praeputialsack  und  ohne  Endfaden.  In 
der  Grundhälfte  des  Praeputialsackes  stehen  zahlreiche 
kleine  Zähnchen,  die  aber  nicht  weiter  vorkommen  als  das 
Ende  der  Virga  reicht.  (Daher  reichen  sie  bei  I.  Brauen, 
der  langen  Virga  entsprechend,  viel  weiter.) 

Vorkommen:  Untersucht  habe  ich  3  Männchen,  welche 
von  Bisraarckburg  in  Togo  stammen  (R.  Büttnek). 

II.    Total  flügellose  Eudermaptera-Monandria. 

Ich  habe  die  Familie  der  Cheliduriden  schon  früher 
charakterisirt. ')  Dieser  Begriff  muss  aber  eine  Erweiterung 
erfaliren,  nachdem  ich  eine  Form  untersucht  habe,  welche 
eine  zweite,  recht  merkwürdige  Uuterfamilie  darstellt,  die 
im  Habitus  auffallend  an  die  flügellosen  Diandria  erinnert. 

Ich  gebe  hiermit  eine  Uebersicht  der  beiden  Unter- 
familien : 

A.  Chelidurinae  mihi:  Virga  schlank,  höchstens  am 
Grunde  mit  einer  Spirahvindung.  3.  und  4.  Abdominal- 
segment mit  Drüsenfalten.  ]\Iesonotum  skutelloid  ausge- 
bildet und  freiliegend.  Elytren  vorhanden.  2.  Tarsalglied 
kurz  und  mit  2  Fortsätzen. 

Chelidnru,   Chelidurella  und  Mcsochelidura. 

B.  Isolahellinae  n.  subfam.:  Virga  ganz  aus  Spiral- 
windungen bestehend.  3.  und  4.  Abdorainalsegment  ohne 
Drüsenfalten.  Skutellum  und  Elytren  fehlen.  2.  Tarsen- 
glied  -jz  so  lang  als  das  3-,  ohne  Fortsätze. 

Isolahella  n.  g.  Antennen  ISgliedrig.  zwischen  den 
Augen  keine  Querfurche.  Scheitel  mit  Längsfurche.    Zangen 


')  Im  Vergleich  mit  den  Isolabiden  haben  die  Cheliduriden 
recht  kleine  Augen,  welche  um  das  2\'i — 3  fache  ihres  Durchmessers 
vom  Ilinterhaupte  abstehen.  Alle  Cheliduriden  besitzen  ferner  eine 
deutlich  abgesetzte,  breite  Supraaualplatte. 


16  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin, 

des  Männchens  stark  eingebogen,  symmetrisch,  ungezähnt. 
Pygidium  trapezisch,  gross,  nur  wenig  länger  als  breit. 
Supraanalplatte  schmal,  quer.  Abdomen  etwa  in  der  Mitte 
am  breitesten. 

I.  graeca  n.  sp.  Lg.  11  mm,  Zangen  3 Va  mm.  Körper 
schwarz,  kaum  glänzend,  Beine  braunschwarz.  Metanotum 
hinten  stark  eingebuchtet,  in  der  Mitte  fast  so  lang  wie  das 
an  den  Seiten  abgerimdete  Mesonotum.  Pronotum  mit 
deutlicher  Mittel  furch  e ,  vorne  jederseits  ohne  Furche. 
1.  Abdominaltergit  deutlich  aber  sehr  klein.  Abdomen 
dicht  und  fein  punktirt  und  sehr  kurz  behaart.  10.  Tergit 
mit  Mittelrinne,  jederseits  derselben  hinter  der  Mitte  ein 
Höckerchen.  Pygidium  in  der  Mitte  mit  hügeligem  Höcker 
vortretend.  Subgenitalplatte  abgerundet,  Paramerenend- 
glieder  länglich,  einfach,  am  Ende  fast  spitz,  die  Grund- 
glieder doppelt  so  lang  als  die  Endglieder,  grundwärts  in 
ziemlich  lange,  anfangs  weit  von  einander  stehende  Spangen 
verlängert.  Penis  massig  festwandig.  mit  quer  abgestutzter 
Mündung,  über  welche  ein  abgerundetes  Läppchen  vorragt. 
Virga  mit  8  Schraubenwindungen,  aus  einem  länglichen, 
kräftigen  Bläschen  entspringend  und  gegen  das  Ende  all- 
mählig  zartwandiger  werdend.  Praeputialsack  mit  den  ge- 
wöhnlichen kleinen  Wärzchen,  aber  ohne  Zähnchen. 

Vorkommen:  Das  Museum  besitzt  von  dieser  be- 
merkenswerthen  Form  leider  nur  1  Männchen,  welches  den 
Zettel  trägt:  „Graecia,  Coli.  Stein". 

Hinsichtlich  der  hintersten  Segmenttheile  des  Abdomens 
der  Dermapteren  hat  man  bisher  keine  ganz  richtige  Vor- 
stellung gehabt,  worauf  ich  hier  schon  kurz  eingehen  muss, 
damit  hinsichtlich  der  Begriffe  Pygidium,  Supraanal- 
platte und  10.  Ventralplatte,  wie  ich  sie  oben  ge- 
brauchte, kein  Missverständniss  entstehen  kann. 

Brünner  von  Wattenwyl  hat  (z.  B.  in  seinem  Pro- 
domus  1882)  die  Subanalplatten  verkannt  und  auch  hin- 
sichtlich der  Afterlage  sich  geirrt.  Er  sagt,  „die  Subanal- 
platten sind  stets  verwachsen  und  meist  von  dem  Pygidium 
ganz  zurückgedrängt.     Was  er  aber  Subanalplatten  nennt, 


Sitzung  wm  21.  Januar  1002.  17 

ist  thatsächlich  die  Supraanalplatte,  denn  die  wirklichen 
Subanalplatten.  welche  sich  als  zwei  kleine,  blasse, 
bohorstete  Platten  unter  dem  After  befinden,  sind 
bisher  allgemein  übersehen  worden.  Daher  kann  auch  von 
einer  Verwachsung  der  Supraanalplatte  nicht  die  Rede  sein. 
H.  Saussure  in  seiner  Note  suppleraentaire  über  Ilemvuems 
1896  hat  eine  ähnliche  Anschauung  wie  Brunner  v.  W., 
was  durch  folgende  Formel  zum  Ausdruck  kommt: 
v^  7-7  ^  (1)  2  3  4  5  6  7  8  9  10 
ForficuMes:  ^    q     2     3     4     5     6     7     8     9     vv  *• 

Er  unterscheidet  gar  nicht  einmal  Pygidiura  und  Supraanal- 
platte. R.  Heymons  in  seiner  schönen  Arbeit  über  „die 
Segmentirung  des  Insektenkörpers"  (1895  Berlin)  hat  richtig 
auf  den  obigen  Fehler  Brunner's  hingewiesen,  er  selbst 
aber  hat  sich  geirrt,  wenn  er  meint,  dass  die  über  dem 
After  liegende  Platte  „dem  Pygidium  selbst  angehört". 
Seine  Ansicht  ist  aber  dadurch  zu  erklären,  dass  er  nur 
Forfimki  untersucht  hat,  wo  die  Supraanalplatte  allerdings 
ziemlich  schwach  ist.  Das  Verhältniss  Yon  Pygidium  und 
Supraanalplatte  ist  für  die  einzelnen  Dermapteren-Familien 
ein  recht  wichtiges  und  zwar  ist  die  letztere  nicht  etwas 
„spät  Abgegliedertes"  sondern  im  Gegentheil  ein  ursprüng- 
liches, bei  den  niederen  Gruppen  besonders  gut  entwickeltes 
Merkmal,  das  erst  bei  einem  Theile  der  phylogenetisch 
secwndsiven  Mo 71  an dria  zur  Rückbildung  gelangt,  aber  auch 
bei  den  Isolabiden.  Zu  bemerken  ist  aber,  dass  sich 
immer  noch  Spuren  der  Supraanalplatte  nachweisen  lassen. 
Es  ist  nun  merkwürdig,  dass  während  Heymons'  Ergebnisse 
für  die  ,.p]-imäre"  Anlage  bei  den  Embryonen  mit  meinen  ver- 
gleichend-morphologischen ungefähr  übereinstimmen,  seine 
Angaben  für  die  entwickelten  Thiere  in  einigen  Punkten 
nicht  stimmen.  Er  hat  die  beim  Embryo  richtig  gefundenen 
Theile  bei  der  Imago  theüweise  nicht  wiedererkannt,  so 
hat  er  das  1.  Abdominaltergit  für  das  Metanotum,  die 
Hälften  des  10.  Sternit  für  „Laminae  subanales"  gehalten. 
Die  ^^irklichen  L.  s.  hat  er  also  auch  nicht  gesehen.  Ich 
gebe  folgende  Formeln  von  Heymons: 


1[3  Gesellschaft  naturfors  hender  Freunde,  Berlin. 

Forficula    (^  \     )    123456789  10    [11]    A 
Primär  angelegt  \    1  2  3  4  5  6  7  8  9  10  [11?]  A 
—  1  2  3  4  5  6  7  8  9     A 

^"^^"-     -12  3  4  5  6  7  8 T 

Nach  meinen  Beobachtungen  an  sämmtlichen  Familien 
und    Unterfamilien    und    über    40    Gattungen    erhalte    ich 
folgende  Formeln  für  entwickelte  Dermapteren-Männchen^j: 
•     123456789  10    11        t       . 

iypUS.  c^oA^.anQC\^^^l^\\      l^r^A     '    ' 


Apachyidae: 


2  3  4  5  6  7  8  9  10  (11)    (vv) 

XX       XX 

123456789    10     11       (t) 


—  23456789  (10)  (11)    (w) 

XX         XX 

Die  Bauchplattenhälften  des  11.  Segmentes  sind  zwar 
klein,  aber  überall  entwickelt  und  besonders  am  Gelenk  der 
Cerci  oder  Zangen  betheiligt.  Die  Dermaptera  bestätigen 
also  Heymons'  Entdeckimg,  dass  die  Cerci  zum  11.  Abdo- 
minalsegment gehören. 

Herr  P.  ASCHERSON^)  legte  ein  Fruchtexemplar  von  Odon- 
tospermum  pygmaeum  aus  der  östlichen  Wüste  bei  Cairo 
vor.  bei  dem  im  trockenen  Zustande  die  Hüllblätter  des 
Köpfchens  bogenförmig  aufwärts,  bis  zur  Berührung  ihrer 
Spitzen  gekrümmt  sind,  so  dass  die  Hülle  völlig  geschlossen 
erscheint.  Er  tauchte  dasselbe  sodann  in  Wasser  ein, 
worauf  innerhalb  weniger  Minuten  die  Hüllblätter  sich  stern- 
förmig ausbreiteten  und  im  Centrum  der  flachen  Köpfchen- 
axe  ein  Schopf  noch  nicht  ausgefallener  Früchte  und  Spreu- 
blätter frei  gelegt  ward.  Die  Bewegung  wird  durch  das 
hygroskopische  Verhalten  des  aus  dickwandigen  Zellen  ge- 
bildeten Gewebes  auf  der  Innen- (Ober-)  seile  der  Hüllblätter 


^)  Die  Formeln  für  die  Weibchen  sind  ebenso,  nur  muss  man 
die  bekannten  Unterschiede  im  8.  und  9.  Abdominalsegmente  berück- 
sichtigen. 

*)  Die  runden  Klammern  bedeuten,  dass  die  betr.  Gebilde  schwach 
entwickelt  sind ,  die  Kreuze  x  X  zeigen  die  Zweitheilung  an.  t  = 
Telson,  vv  =  Subanalplatten  desselben. 

*)  Vgl.  auch  P.  ASCHERSON  in  Sitzb.  Bot.  V.  Brand.  XXIII  (1881), 
S.  44. 


Sitzimg  vom  21.  Jmmar  1903.  19 

hervorgebracht,    das  bei  Wasserzusatz  stark  aufquillt  und 
sich  besonders  in  der  Längsrichtung  streckt.  \vährend  es  in 
trockenem    Zustande    einschrumpft. ')      Hierdurch    \vird    in 
«Tsterem   Falle   die   Streckung,    in   letzterem  die  Einwärts- 
krümmung der  Hüllblätter  bewirkt.    Der  Vorgang  ist  wegen 
jenes  raschen  Eintretens  das  instructivste,   für  die  Demon- 
stration in  Vorlesungen  geeignetste  Beispiel  der  Erscheinung, 
welche  Vortr.   vor  einem  Jahrzehnt  mit  dem  Namen  Hy- 
grochasie    bezeichnet   hat^),   jener    „bei  einigen  Pflanzen 
von  Gebieten,    wo  Trockenzeiten    mit  Perioden  von  mehr 
oder  weniger  reichlichen  Niederschlägen    abwechseln,    seit 
Jahrhunderten    bekannten   Erscheinung,    dass    ihre  Frucht- 
stände oder  Früchte  (zuweilen  beide)  in  Folge  von  Durch- 
tränkung mit  Wasser  Bewegungen  ausführen,   die  die  Aus- 
streuung  von   Samen  oder  Sporen  erleichtern,    beim  Aus- 
trocknen aber  sich  wieder  schliessen.  Es  ist  diese  Erscheinung 
dem  Verhalten  der  grossen  Mehrzahl  der  übrigen  Gewächse 
entgegengesetzt,    welche   entsprechende,    die  Dissemination 
befördernde  Bewegungen  in  Folge  des  Austrocknens  ihrer 
Gewebe  ausführen.     Man  kann  deren  Verhalten  als  Xero- 
chasie  bezeichnen".    „Die  biologische  Bedeutung  der  Hygro- 
chasie  ist  in   den  meisten  bisher  bekannten  Fällen  unver- 
kennbar: Schutz  der  Früchte  bez.  Samen  und  Sporen  bezw. 
Vermeidung  der  nutzlosen  Ausstreuung  derselben  während 
der  Trockenzeit,  Freimachen  und  Aussaat  derselben  in  der 
für  die  schnelle  Keimung  und  Weiterentwicklung  günstigen 
Regenzeit"  (P.  Aschersox,  a.  a.  0.,  S.  96). 

Das  am  längsten  bekannte  Beispiel  der  Hygrochasie 
bietet  die  allgemein  als  „Rose  von  Jericho"  bezeichnete 
Crucifere  Änastafica  IlierocMntina,  welche  im  entsprechenden 
Zustande,  nach  der  Fruchtreife  abgestorben,  einen  kugel- 
runden Knäuel  darstellt,  der  sich,  mit  Wasser  durchtränkt, 
aufrollt,  wobei  die  im  Innern  verborgen  gewesenen  Früchte 
nun  zu  Tage  treten  und  aufspringen.     Dieser  Vorgang  er- 


')  Casimir  de  Candolle,   Arch.  sc.  phys.   et  nat.  Geneve,  XIV, 
p.  322  (1886).     VOLKENS,  Flora  der  aeg.-arab.  Wüste,   S.  126  (1887). 
*)  Ber.  Deutsch.  Bot.  Ges.,  X,  S.  94  (1892). 


20  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

fordert  indess  eine  weit  beträchtlichere  Zeit  und  lässt  sich 
nicht  innerhalb  der  üblichen  40—45  Minuten  einer  akade- 
mischen Vorlesung  zur  Anschauung  bringen. 

Herr  A.  Jacobi  sprach  über  neue  Homopteren  aus 
Tonking. 

Die  von  Herrn  H.  Fruhstorfer  in  den  Jahren  1900 
und  1901  in  Tonking  gewonnene  entomologische  Sammel- 
ausbeute  enthält  auch  ein  beträchtliches  Material  an  Cicaden, 
worunter  sich  viele  schöne  und  neue  Formen  befinden.  Mit 
der  Durchsicht  desselben  beschäftigt  gebe  ich  heute  die 
Diagnose  einer  Anzahl  bisher  unbekannter  Cicadidae  und 
Cercopidae.  Genaue  Beschreibungen  der  neuen  Arten  nebst 
Abbildungen  werde  ich  in  einer  Arbeit  liefern,  welche  auch 
das  übrige  Material  behandelt  und  in  den  „Zoologischen 
Jahrbüchern"  erscheinen  soll.  Die  Typen  der  neube- 
schriebenen Species  befinden  sich  in  meiner  Sammlung. 

I.   Cicadidae  s.  Stridulantia. 

1.  Gaeana  electa  n.  sp. 

2  :  Statura  valida;  capite  cum  oculis  pronoto  antico 
aeque  lato;  tegminibus  sat  angustis.  margine  costali  a  stigmate 
usque  ad  apicem  paululum  concavis.  Holosericea- nigra, 
parum  cyaneo  nitens;  pronoti  lateribus  depressis 
margin eque  laterali  -  posteriore  ochraceis  ;  marginibus 
posterioribus  mesonoti  ochraceoclavatis.  Tegminibus 
alisque  opacis ,  cinereo-fuscis .  nervis  nigris,  late 
infuscatis;  area  costali  antica  tegminum  fulva,  postica 
nigra;  parte  basali,  clavo.  areae  radialis  parte  sub- 
costali  nee  non  fascia  transversa  satis  extensa  laete 
ochraceis.  Alarum  dimidio  basali  ochraceo.  —  Longr. 
corp.  27  mm,  Exp.  87  mm;  Hab.  Tonking.  Montes 
Mau-Son,  April  — Mai. 

Diese  sehr  schön  und  eigenartig  gezeichnete  Art  weicht 
im  Bau  des  Rumpfes  nicht  unerheblich  von  den  Gattungs- 
verwandten ab.  Diese  Abweichungen  bestehen  in  der  Breite 
des  Kopfes  und  dem  vorn  und  hinten  gleich  breiten  Vorder- 
rücken, dessen  Seiten  kielförmig  zusammengedrückt  sind; 
es  kommt  hierdurch  ein  Anklang  an  die  Genera  Tacua  und 


Sitzung  vom  31.  Januar  1902.  21 

Tosena  zustande,  sodass  ich  zuerst  über  die  Gattungszuge- 
hörigkeit etwas  in  Zweifel  war  und  dies  um  so  mehr,  als 
unter  den  drei  vorhandenen  Exemplaren  sich  nur  das  weib- 
liche Geschlecht  vertreten  fand.  Jedoch  entspricht  die 
Form  der  Flügel  fast  ganz  der  von  Gaeana  als  charakte- 
ristisch bekannten,  weshalb  ich  nicht  zögere,  die  neue  Spe- 
cies  bei  dieser  Gattung  unterzubringen. 

2.  Talainga  JMstanti  n.  sp. 

(/ :  Abdoiuine  admodum  porrecto.  Operculis  tympani 
oblongis.  truucatis,  obliquis.  Nigra;  ima  parte  frontis, 
maculis  clypei  quattuor.  striga  coxarum  anticarum,  macula 
mediarum  et  posticarum,  oculis  eorumque  fundo,  verticis 
maculis  duabus.  pronoti  quattuor  eiusque  lateribus  et  mar- 
gine  postico.  pronoti  signatura  undulata  eiusque  partis 
cruciformis  lateribus  ochraceis.  Tegminibus  totis  den- 
sissime  reticulatis,  fuscis,  nervis  et  area  costali  ochraceis, 
macula  magna  pone  apicem  areae  radialis  sita  alba 
instnictis.  Alis  opacis  lacteis.  raargine  apicali  et  nervormn 
parte  apicali  fere  quarta  infuscatis.  —  Long.  corp.  37  mm, 
Exp.  78  — 80  mm.  —  Hab.  Tonking,  Montes  Mau-Son, 
April  bis  Mai. 

Die  netzartige  Nervatur  der  Vorderflügel  und  die  ocker- 
gelbe Zeichnung  unterscheidet  diese  Form  bedeutend  von 
den  beiden  anderen  Arten  T.  Binghami  Dist.  und  T.  chinensis 
DiST.,  auch  ist  ihr  Abdomen  ungewöhnlich  gestreckt.  Durch 
die  Oberflächen-Struktur  und  die  Farbe  gemahnt  sie  auf- 
fallend an  Polyneura  äucnlis  (Westw.).  obwohl  diese  einer 
ganz  verschiedenen  Unterfamilie  angehört.  —  Ich  benenne 
die  neue  Art  nach  Herrn  W.  L.  Distant,  dem  verdienst- 
vollen Monographen  der  orientalischen  Singcicaden. 

3.  Mogannia  caesar  n.  sp. 

cf:  Major.  Fronte  maxime.  rostri  quadam  forma, 
producta,  villosa.  Nitide  nigro-cyanea,  metasterno.  apice 
excepto.  testaceo.  Abdominis  segmentis  dorsalihus  sexto 
et  septimo  vittula  pilosa,  laete  flava  instructis.  Teg- 
minibus hyalinis,  partim  flavide  infumatis;  area  costali 
et  i)ostcostali.  cellula  basali.  clavo  et  vitta  sat  lata  trans- 
versa, antrorsum  angulifera.  stigma  et  apicem  clavi  connec- 


22  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Bci-lin. 

tente  nitide  fusco-atris.  Alis  hyalinis;  parte  anali  interna 
opaca,  albo-papyraoea.  —  Long.  corp.  16  mm,  Exp. 
40  mm.  —  Tonkiug,  Moutes  Mau-Son,  April— Mai. 

Von  allen  bekannten  Arten,  insbesondere  von  M.  Sandei 
NouALH.  und  M.  nasalis  (Whitp:)  wohl  unterschieden,  welch 
letzterer  M.  caesar  in  der  Zeichnung  der  Flügeldecken 
etwas  ähnelt.  Die  Stirn  ist  besonders  stark,  fast  rüssel- 
förraig  verlängert,  nach  unten  gebogen  und  auf  der  Veutral- 
seite  konkav;  die  feine  Körperbehaarung  auf  der  Stirn 
länger  und  dichter,  pelzartig, 

4.  Ter^pnosia  posidonia  n.  sp. 

cf :  Major,  viridis.  Fronte  furcula  longitudinali  nigra 
ornata:  margine  apicali  loborum  verticis,  pronoti  lineis  duabus 
longitudinalibus  medianis  distantibus,  sulcis  ner.  nou  maculis 
duabus  subquadratis,  angulis  posticis  vicinis,  nigris;  meso- 
noto  signatura  forma  tridentis  nigra  valde  cons^ncua 
instructo;  tegminibus  area  costali  subviridi,  apice  fumigato. 
anastomosi  prima  ac  secunda  infuscatis.  —  Long, 
corp.  30  mm,  Exp.  74  mm.  —  Hab.  Tonking,  Montes 
Mau-Son,  April— Mai. 

Diese  Terpnosia  dürfte  in  systematischer  Beziehung  der 
T.  nigricosta  MoTSCH.  von  Japan  verwandt  sein,  doch  machen 
sie  die  scharfe  Zeichnung  des  Pronotums,  welche  einem 
Dreizack  sehr  ähnelt,  wie  auch  die  angerauchten  Spitzen 
der  Vorderflügel  sehr  kenntlich. 

5.  Tihicen  reductus  n.  sp. 

cf :  Viridi-testacea,  canescenti-pilosula. 

Fronte,  vertice,  oculis  olivaceis;  pronoto  margine 
laterali  et  postico  pallide  viridibus.  in  disco  fascia  longi- 
tudinali mediana  castanea,  lineis  duabus  aterrimis 
inclusa,  instructo;  mesonoto  rubido,  maculis  longitudi- 
nalibus prasinis  tribus,  plus  minusve  counexis,  ornato; 
abdomine  fascia  mediana  viridula  longitudinali;  tegminibus 
hyalinis,  area  costali  viridescente,  nervis  olivaceis  vel  fuscis; 
alis  areis  apicalibus  sex,  lobi  clavicularis  margine  postico, 
nervo  radiante  interne  et  suturali  aduinbratis;  oper- 
culis  tympani  parvulis,  falcatis.  —  Long.  corp.  24  mm. 


Sitzung  vom  Sl.  Januar  1903.  23 

Exp.  (')0  mm.  —   Ifab.  Tonking,  Montes  Mau-Son.  April 
bis  Mai. 

Zur  Charakteristik  dieser  vielleicht -zur  Gattung  QuintiUa 
gehörigen  Tibiceuide  verweise  ich  hauptsächlich  auf  den 
kastanienbraunen  Mittelstreifen  des  Vorderrückens  und  die 
eigenartige,  durch  ihre  grasgrüne  Farbe  scharf  hervortretende 
Zeiclinung  des  Mesonotums.  Die  ventralen  Stimmdeckel 
sind  sehr  klein,  sodass  sie  noch  hinter  den  Hüftdornen 
zurückbleiben ,  und  sind  etwas  sichelförmig  nach  innen  ge- 
krümmt; den  Eingang  zur  Paukenhöhle  lassen  sie  fast 
ganz  frei. 

//.    Cercopidae. 

Genus  Cosmoscaria  StAl. 

1.  C.  Fruhstorferi  n.  sp. 

Viridi-nigra,  abdomine  violaceo-nitente.  Tegminibus 
fusco-piceis,  albo-fusco  bivittatis:  vitta  altera  teg- 
minis  cuiusque  lata,  subrecta.  margines  versus  contracta, 
ante  partem  secundam  tegminis  sita.  altera  lineari,  undata, 
ante  partem  reticulatam  sita.  Alis  fuscis,  nervis  nigris. 
Long.  corp.  12— 14  mm.  Exp.  33— 35  mm.  —  Hab.  Central- 
Tonking,  Chiem-hoa,  April  -  September. 

Aus  der  Gruppe  der  C.  nagasana  Dist.  und  C.  montana 
DisT.  Die  Flügeldecken  sind  ziemlich  düster  gefärbt;  die 
vordere  Binde  ist  bisweilen  verkleinert  und  rauchbrauu 
überlaufen. 

2.  C.  sp. 

Nigra.  Capite  et  pronoto  cyaneo-nigris ,  rostro 
ochraceo.  metastethio.  scutello,  abdomine  ochraceo- 
rufis;  abdominis  segmentorum  supra  marginibus  anticis.  apice 
excepto  nigro  raarginatis.  subtus  nigro  tesselatis;  pe- 
dibus  ochraceis  vel  fulvis,  tarsorum  apicibus  nigris. 
Tegminibus  nigris,  clavi  parte  basali  tertia,  striga 
lanceolata  subcostali  ea  conjuncta,  fascia  recta 
angusta  subapicali  aurantiacis.  Alis  basi  auran- 
tiacis.  Long.  corp.  12  mm.  Exp.  33  mm.  —  Hab.  Ton- 
king.  Than-Moi,   Juni— Juli.     Assam  (Hartert). 

Ob  identisch  mit  C.  egevs  WK.oder  C.  monUina  Dist.?  Durch 
die  hakenförniij^e  Verteilun^r  der  oran^jeroten  Farbe  an  der 


24  Gesellscfuift  naturf(yrscliender  Freutide,  Berlin. 

Basis  der  Flügeldecken  gekennzeichnet.  Die  Querbiude  vor 
dem  Spitzenteile  ist  bisweilen  unterbrochen. 

3.  C.  trichodias  n.  sp. 

Minor.  Ochraceo  -  rufa.  Capite,  prouoto,  prostethio, 
tarsis  nigris.  Tegminibus  nigris,  vittis  tribus  signatis: 
una  ad  basin,  retrorsum  angulo  acuto  ampliata,  altera  recta 
media,  tertia  subapicali  curvata.  —  Long.  corp.  9  mm,  Exp. 

25  mm.  —  Hab.  Tonking,  Montes  Mau-Sou,  April 
bis  Mai. 

C.  triciwdias  dürfte  mit  C.  decisa  Wk.  und  6.  thoracica 
DiST.  eine  Gruppe  bilden. 

Genus  Phymatlwstetha  StÄl. 

1.  P.  insignis  n.  sp. 

Major.  Nigra,  cyaneo-nitida.  Abdomine  apice  et 
lateribus  rufo-castaneis.  Fronte  basi  sauguinea.  Pro- 
noti  lateribus  anticis  late  sanguineis,  disco  macula  lanceo- 
lata  marginem  nee  anticum  nee  posticum  attingente  sau- 
guinea ornato.  Mesonoti  margine  postico  eiusque  angulis 
acutis  sanguineis.  Tegminibus  piceis.  nonnihil  nitidis, 
maculis  Septem  laete  sanguineis,  apice  anguste  luride 
limbato.  Alis  sanguineis,  fusco  limbatis.  Long.  corp. 
23  mm,  Exp,  52  mm.  —  Hab.  Tonkiug,  Montes  Mau- 
Son  April— Mai. 

Diese  besonders  stattliche  und  schöne  Art  schliesst 
sich  an  die  Gruppe  an,  welche  von  P.  dorsivitta  (Immeralis) 
Wk.  und  P.  nangla  DisT.  gebildet  wird.  Die  Abweichungen 
bestehen  vor  Allem  in  der  prächtig  carmim-oten  Färbung 
der  Hinterflügel ,  welche  nur  am  Innen-  und  Hinterrand 
graubraun  sind. 
f    2.  P.  icterica  n.  sp. 

Nigra.  Abdomine  purpui*ascente .  apice  et  lateribus 
ochraceis.  Pronoto  ochraceo-rufo,  fasciis  duabus  longi- 
tudinalibus  saepe  plus  minusve  interruptis,  postice  angu- 
lose  ampliatis  et  coniunctis.  Scutello  ochraceo,  nigro 
marginato.  Mesonoti  postici  angulis  ochraceis.  Teg- 
minibus nigris,  apice  late  lorido,  maculis  ochraceo-rufis 
octo  iustructis.    Alis  sat  clare  cinereo-t'uscis,  basi  ochraceo- 


Sitzung  vom  21.  Januar  1902.  25 

rufis.  —  Long.  corp.  21  mm,  Exp.  49  mm.  —  Hub. 
Toukiag.  Moutes  Mau-Soii,  April-Mai. 

Ebenfalls  zur  Gruppe  der  P.  dordvitta  gehörig,  jedoch 
mit  grü8stentheils  gelbbraunem  Sdiildchen,  sowie  röthlich- 
gelber  Zeichnung   des  Kopfes,   Pronotums   und  der  Flügel. 

3.  I*.  quadriplagiata  n.  sp. 
Violaceo-nigra.    Capiterufo,  clypeo  nigro,  pronoto 

ochraceo-rufo,  fasciis  duabus  latis,  postice  angulosis  et 
coniunctis  nigris.  Tegminibus  brunneo-nigris.  apice 
luride  limbato ,  maculis  sat  magnis  quattuor  fulvis, 
quarum  duabus  in  clavo,  duabus  in  disco  postpositis.  Alis 
fuscis,  basi  fulva,  nervis  nigris.  —  Long.  corp.  18  mm, 
Exp.  44  mm.  —  Hab.  Tonking,  Montes  Mau-Son,  April 
bis  Mai. 

Unter  den  mir  bekannten  Arten  etwas  einzelnstehend, 
von  einfacher  Zeichnung. 

4.  jP.  Moi  n.  sp. 

Mediocris.  Nigra.  Capite  testaceo,  basi  nigro. 
Pronoto  nigro,  vitta  transversa  flava.  Abdomine  supra 
nitide  purpureo-nigro.  Tegminibus  nigris;  basi,  fascia 
transversa  fere  mediana,  maculis  tribus  parti  apicali  con- 
finibus  flavis;  apice  angustissime  luride  limbato.  —  Long, 
corp.  16  mm,  Exp.  38  mm.  —  Hab.  Tonking,  Than-Moi, 
Juni— Juli. 

In  der  Verteilung  der  Farben  erinnert  diese  Art  nicht 
wenig  an  Cosmoscarta  dimidiatu  Dall.   (=  undata  Wk.^. 

5.  P.  2>eZfa«*a  n.  sp. 

Nigra.  Capite  rufo-castaneo.  Prosterni  marginibus 
et  maculis  quattuor  albo-flavidis.  Pronoto  albo-flavido. 
maculis  duabus  fuscis  foveis  vicinis  instructo.  Abdomine 
nigro -purpureo.  Tegminibus  brunneo -fuscis,  apice 
sordide  ochraceo,  striga  costali  postice  ampliata,  macula 
postcostali  et  clavali  maculisque  duabus  suturalibus  disci 
albo-flavidis.  —  Long.  corp.  18  mm,  Exp.  45  mm.  — 
Hab.  Tonking,  Montes  Mau-Son,  April— Mai. 

Eine  mit  P.  Mrenia  Dist.  von  Bii'ma  nahe  verwandte, 
durch  die  Zeichnung  des  Vorderrückens  und  der  Vorder- 
flügel unterschiedene  Art. 


26  Gesdlsclrnft  naturfoi'scfiender  Freunde,  Berlin. 

Herr  Fr.  Dahl  sprach  über  einen  „sehr  seltenen', 
Vogel  aus  dem  Bismarck-Archipel. 

Während  meines  Aufenthaltes  im  Bismarck-Archipel  in 
den  Jahren  1896  und  1897  war  es  mir  trotz  eifrigen 
Suchens  nicht  gelungen,  eine  der  dort  lebenden  Rallen  zu 
Gesicht  zu  bekommen.  Ich  konnte  daher  in  meiner  kleinen 
Schrift,  „Das  Leben  der  Vögel  auf  den  Bismarckinseln" ') 
nur  Vermuthungen  über  ihr  Vorkommen  und  ihre  Lebens- 
weise aussprechen. 

Herr  Parkinson,  der  sich  bisher  unausgesetzt  mit 
grossem  Eifer  um  die  Erforschung  der  Kolonie  bemüht  hat, 
ist  nun  so  freundlich  gewesen,  unserm  Museum  eine  Hi/2)otae. 
nidia  insüpiis  ScL.  zu  schicken.  Es  ist  das  eine  Art,  die  mit 
Recht  als  äusserst  selten  gelten  kann.  Soweit  ich  sehe,  ist 
bisher  nur  erst  die  im  britischen  Museum  befindliche  Type 
gefunden.  Sie  stammt  ebenfalls  aus  Neu -Pommern  und 
wurde  vom  Missionar  Bkown  bei  Kabagada  daselbst  ge- 
funden. Das  neue  Exemplar  stammt  aus  den  Bainingbergen 
an  der  Nordküste  der  Insel  und  wurde  von  einem  Schiess- 
jungen in  einer  Tarropflanzung  am  Boden  laufend  ge- 
schossen. Nach  Aussage  der  Eingeborenen,  die  ihn 
„Läichupki"  nennen,  kommt  er  in  Pflanzungen  und  an 
Orten,  wo  sich  früher  Pflanzungen  befanden,  vor,  niemals 
aber  im  Walde.  Er  läuft  meist  am  Boden  und  fliegt,  über- 
rascht und  aufgescheucht,  empor,  aber  niemals  hoch  und 
fällt  nach  höchstens  20 — 25  m  wieder  ein.  Niemals  geht 
er  auf  Bäume.  Im  Magen  befanden  sich  „Würmer"  (wie 
ich  vermuthe  Insektenlarven  und  nicht  Regen wüi'mer). 

Herr  Parkinson  macht  mir  zugleich  noch  einige  weitere 
Mittheilungeu  über  das  Vogelleben  der  Bainiugberge.  Da 
ich  selbst  nur  einmal  einen  eintägigen  Ausflug  in  die  Vor- 
berge dieses  Berglandes  machen  konnte  und  vor  mir  dort 
überhaupt  Niemand  gesammelt  hat.  sind  alle  Forschungen 
in  jenem  Gebiete  natürlich  sehr  erwünscht. 

Der  schwarze  Spornkuckuck  Ccntropus  violaceus  Qu. 
Gaim.,     den    ich    selbst    im    Bismarck-Archipel    ebenfalls 


>)  Mitt.  aus  d.  zool.  Museum  in  Berlin  v.   1,  lieft  3,  p.   146. 


Sitzung  vom  2t  Januar  1902.  27 

niemals  beobachtet  habe,  kommt  nach  Herrn  Parkinson's 
Augabe  in  den  Baiuingbergen  ziemlich  häufig  vor.  Er  wird 
dort  von  den  Eingeborenen  „Urastenilvi"  genannt.  —  Vom 
Nashornvogel  Itliytido'eros  pHcaiiis  Forst,  theilt  mir  Herr 
Parkinson  mit.  dass  er  bei  einem  Ausfluge  nach  den 
Wasserfällen  mehrere  Exemplare  auf  dem  Boden  nach 
Nahrung  suchen  sah  und  in  dem  Magen  des  einen  Stückes, 
das  er  erlegte,  ausser  Früchten  auch  asselartige  Thiere 
fand.  Die  Mittheiluug  ist  interessant,  weil  sie  uns  wieder 
einmal  zeigt,  dass  es  in  der  Ethologie  wohl  nur  wenige 
Thatsachen  ohne  jegliche  Ausnahme  giebt.  Wie  aber  die 
Schwalbe,  die  nach  sicheren  Beobachtungen  gelegentlich 
auch  einmal  ein  sitzendes  Insekt  aufpickt,  doch  mit  Recht 
als  ein  Vogel  gilt,  der  sich  von  fliegenden  Insekten  nälut, 
so  wird  auch  der  Nashornvogel  nach  wie  vor  als  ein  Vogel 
bezeichnet  werden  müssen,  der  seine  in  Früchten  bestehende 
Nahrung  auf  Bäumen  sucht.  Die  zahlreichen  bisher  vor- 
liegenden Beobachtungen  und  auch  der  ganze  Bau  des 
Vogels  sprechen  entschieden  dafür,  dass  der  von  Herrn 
Parkinson  beobachtete  Fall  eine  seltene  Ausnahme  von 
der  Regel  ist,  wie  es  deren  überall  giebt. 

Wenn  ich  in  der  letzen  Sitzung  der  Gesellschaft  die 
Gründe  für  die  Seltenheit  gewisser  Thierarten  darzulegen 
versuchte,  so  liefert  uns  Hypotacnidia  .insignis  gewisser- 
maassen  ein  Gegenstück  zu  der  dort  genannten  Aranea 
simmermanni  Thor.  Von  beiden  liegt  jetzt  das  zweite  be- 
kannt gewordene  Stück  vor.  Der  Grund  der  grossen 
Seltenheit  in  den  wissenschaftlichen  Sammlungen  ist  aber 
hier  ein  ganz  anderer.  Zweifellos  wird  der  Vogel  auf 
Neu-Pommern  keineswegs  selten  sein.  Er  erscheint  uns 
nui'  so  selten,  weil  einerseits  in  dem  engeren  Verbreitungs- 
gebiete desselben  noch  sehr  wenig  gesammelt  wurde  und 
andererseits  die  Rallen  äusserst  versteckt  leben  und  des- 
halb sehr  schwer  zu  finden  sind.  Die  meisten  Exemplare 
von  Rallen  dürften,  wie  auch  dieser  Fall  wieder  zeigt, 
durch  einen  glücklichen  Zufall  in  die  Hand  eines  Sammlers 
gelangen. 


28  Gesellschaft  naturfwschender  Freunde,  Berlin. 

Herr  GuiDO  SCHNEIDER  sprach  über  das  Vorkommen 
von  Larven  des  Bandwurms  Botliriotaenia prohoscidea 
Batsch  im  Magen  und  Darm  von  Ostseeheringen 
{Clupea  harenyus  mcmhras  L.) 

Botliriotaenia  prohoscidea  Batsch  (Bothriocephalus 
infundibuliformis  Rud.)  kommt  sehr  zahlreich  vor  iu  dea 
Lachsen  des  Ostseegebietes,  bedeutend  seltener  im  Gebiete 
der  Nordsee.  ^) 

In  einem  etwa  meterlangen  Exemplare  vom  Est- 
ländischen  Strande  fand  ich  hunderte  von  Exemplaren 
dieser  Bothriotaenia,  welche  zu  mehreren  in  allen  Pylorus- 
anhängen  sassen  und  noch  ausserdem  das  Lumen  des 
Pylorustheiles  des  Darmes  ganz  erfüllten. 

Es  liess  sich  daher  a  priori  schon  erwarten,  dass  die 
Larve  eines  so  massenhaft  vorkommenden  Raubfischband- 
wurmes auch  entsprechend  zahlreich  in  kleineren  wehrlosen 
Fischen  der  Ostsee  angetroffen  werden  müsse,  die  dem 
grossen  Räuber,  Salmo  salar,  zur  Nahrung  dienen. 

Ich  glaube  nun  iu  der  That,  die  Larve  von  Bothriotaenia 
prohoscidea  Batsch  mit  Sicherheit  im  Darm  der  Ostsee- 
heringe oder  Strömlinge  {Clupea  harengus  niembras  L.)  des 
Finnischen  Meerbusens  gefunden  zu  haben.  Im  Darme  der 
von  mir  untersuchten  Exemplare  des  Ostseeherings  fand 
ich  nicht  selten  junge  Cestoden  von  2  bis  7  mm  Länge. 
Der  Rumpf  der  Ideinen  Würmer  zeigt  schon  sehr  deutlich 
die  Gliederung  in  Proglottideu  durch  quer  verlaufende 
Furchen,  aber  noch  keine  Spur  von  der  Anlage  der  Genital- 
organe. 

Der  bereits  sehr  gut  entwickelte  Scolex  zeigt  die 
-grösste  Aehnlichkeit  mit  dem  sehr  characteristischen  Kopfe 
.von  Bothriotaenia  prohoscidea.  Es  sind  sehr  deutlich  die 
beiden  flächenständigen ,  längsovalen ,  tiefen  Sauggruben 
sichtbar,  vor  denen  der  Scolex  sich,  genau  wie  beim  er- 
wachsenen Bandwurme,  zu  einer  Platte  ausbreitet,  die  sich 


*)  Vgl.  F.  ZscnoKKE ,  Die  Parasitenfauna  von  Trutta  salar, 
Ccntralbl.  i.  Bact.,  Par.  otc.  Bd.  10,  1891,  p.  794,  und  MfuLiNG,  Die 
Helniinthcnfauna  der  Wirbolthiorc  Ostprcussens,  Arch.  f.  Naturgeschichte 
Bd.  G4,  1898,  p.  35. 


Sitzung  vom  Hl.  Jamiar  W05.  29 

durch  jMuskelwirlaing  kiippolförmig  oder  rüssclartig  erhoben 
lind  vorstrecken  kann  Auf  Längsschnitten  sieht  man  an 
4  mm  langen  Larven  schon  ganz  deutlich  die  Theilung 
des  Kumpfes  in  etwa  30  Proglottiden.  die.  wie  beim  Er- 
wachsenen, mit  den  hinteren  Rändern  trichterförmig  über 
den  Vorderrand  der  nächstfolgenden  Proglottis  hinüberragen. 

Die  ^Muskulatur  ist  wohlentwickelt,  aber  von  Genital- 
organen ist  in  diesem  Stadium  auch  auf  Schnitten  noch 
nichts  zu  entdecken.  Die  sog.  Markschicht  wird  von 
einem  wenig  differenzirten  Parenchym  und  Muskelzügen 
gebildet. 

Die  meisten  dieser  Bandwurmlarven,  und  zwar 
22  lOxeraplare  im  ]\[agen  eines  einzigen  Strömlings,  fand 
ich  am  21.  Juni  1900.  Zu  anderen  Zeiten  des  Sommers 
fand  ich  sie  auch,  jedoch  nicht  in  so  grosser  Zahl.  Im 
ganzen  waren  von  28  untersuchten  Exemplaren  von  Clupea 
harenrjus  mcmhras  4  mit  den  Bandwurmlarven  inficiert. 
Fr.  Zschokke  ^)  glaubte  die  Larven  von  Bothriotaenia 
prohoscidea  gefunden  zu  haben  in  kleinen  Cysten  an  der 
Aussenwand,  seltener  an  der  Innenwand  des  ganzen  Darm- 
tractus  von  Perca  fhiviatiUs,  Trutta  vulgaris,  Esox  lucius, 
Salmo  umUa,  Thijmallns  vulgaris  und  Lota  vulgaris.  „Ils 
se  ti'ouvaient  aussi  sur  le  foie.  la  rate,  les  ovaires,  le 
peritoine  des  memes  poissons."  Diese  Cysten  enthielten 
nach  Zschokke  kleine  Cestodenlarven  von  2  bis  6  mm 
Länge. 

Obgleich  zugegeben  werden  muss.  dass  die  Larven 
von  B.  proboscidea  gewiss  auch  in  Süsswasserthieren  zu 
fLnden  sein  können,  so  kann  ich  mich  doch  nicht  ent- 
schliessen.  alle  von  Zschokke  gefundenen  Larven  für  die 
Larven  des  in  Rede  stehenden  Lachsparasiten  zu  halten. 
„S'il  est  difficile  de  constater.  a  quelle  espece  appartient 
cette  larve  de  Cestode.  je  peux  pourtant  affirmer  avoir  eu 
ä   faire,    pour    une    grande    majorite  des  cas  au   „scolex" 


')  Recherches  sur  l'organisation  et  la  distribution  zoologique  des 
vers  parasites  des  pojssons  d"eau  douce.  Arch.  de  Biologie.  Tome  V, 
1884,  p.  179-181. 


30  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

d'un  Bothriocephalus"  (1.  c.  pag.  179),  sagt  Zschokke 
selbst  von  diesen  Larven,  die  er  für  junge  B.  pröboscidea 
hält.  Hätten  die  von  Zschokke  gefundenen  Larven  mehr 
Aehnlichkeit  gehabt  mit  denen,  die  ich  irn  Ostseeheringe 
fand,  so  hätte  Zschokke  den  ganz  typischen  Bau  des  Scolex, 
wie  ich  ihn  oben  beschrieben  habe,  auch  nicht  einmal  an 
den  2  mm  langen  Larven  übersehen,  oder  an  der  bothrio- 
cephalusähnlichen  Natur  derselben  zweifeln  können.  Der 
Vergleich  mit  den  Plerocercoiden  von  Bothriocephalus  latus 
hätte  auch  ganz  anders  ausfallen  müssen,  als  in  der 
citirten  Arbeit  von  Zschokke  (1.  c.  p.  181),  da  der  evidente 
Unterschied  eine  Verwechslung  von  vornherein  ausschliesst. 
Ich  fand  übrigens  die  Larven  im  Magen  und  Darme  des 
Ostseeheringes  frei  und  nicht  in  Cysten.  Daher  muss  ich 
annehmen,  dass  dieser  Fisch  nicht  der  erste,  sondern  der 
zweite  Zwischenwirth  des  Bandwurmes  ist.  Erster  Zwischen- 
wirth,  in  welchem  der  Wurm  sein  Cystenstadium  durch- 
läuft, muss  wohl  ein  Arthropode  (Kruster  oder  Insectenlarve) 
sein,  der  dem  Ostseeheringe  sehr  oft  zur  Nahrung  dient. 

Falls  meine  Annahme  richtig  ist,  woran  ich  nicht 
zweifele,  das  Clupea  harengus  memhras  L.  derjenige 
Zwischenwirth  ist,  mit  dem  der  Ostseelachs  direct  die 
Larven  von  B.  prohoscidea  in  seinen  Darmkanal  aufnimmt, 
so  erklärt  sich  leicht  das  Zustandekommen  solcher  Masseu- 
infectionen,  wie  sie  an  den  Ostseelachsen  beobachtet  werden. 


Der  am  17.  Dccember  1901  gehaltenene  Vortrag  des 
Herrn  P.  Matschie  über  rumänische  Säugethiere. 
Zweiter  Theil  wird  in  einem  der  nächsten  Hefte  abge- 
druckt werden. 


Sitzung  vom  31.  Januar  1903.  31 


Referirabend  am  14.  Januar  1902. 

Besprechung  über  deu  principiellen  Unterschied 
zwischen  Species  und  Subspecies. 
Herr  K.  MÖBIUS  legte  zunächst  nochmals  die  von  ihm 
auf  dem  letzten  Keferirabend.  am  10.  December  1901 
(Siehe  Jahrg.  1901  dieser  Sitzungsberichte,  p.  267—269], 
vertretene  Auffassung  ausführlich  dar.  An  der  folgenden 
Debatte    betlieiligteu    sich    dann    die    Herren:    Matschie, 

WlTTMACK.      MÖBIUS,      F.    E.     SCHULZE ,      NeUMANN,      DaHL, 
ASCHEUSON. 


J.  F.  Starcke,  Berlin  W. 


Nr.  2.  1902. 

Sitziings-Bericht 

der 

Gesellschaft  natiirtbrschender  Freunde 

zu  Berlin 
vom  18.  Februar  1902. 


Vorsitzender:  Herr  Branco. 


Herr  K.  MÖBIUS  legte  Sapphirinen  vor,  die  das  Zoo- 
logische Museum  von  der  Zoologischen  Station  in  Neapel 
erhalten  hatte.  Sie  sind  so  gut  conservirt,  dass  sie  wunder- 
voll grün,  blau  und  gelbrot  schillern.  Diese  den  Männchen 
eigenen  Interfereuzfarben  werden  hervorgebracht  durch 
dichte  Reihen  sehr  kleiner  Körnchen,  welche  unter  der 
dorsalen  Cuticula  der  Rumpfsegmente  liegen. 

Herr  Fr.  Kopsch  sprach  über  die  künstliche  Be- 
fruchtung der  Eier  von  Cristiceps  argentatus. 

Die  Erlangung  jüngster  Entwicklungsstadien  von  Wirbel- 
thiereiern  ist  vielfach  erst  dann  verhältnissmässig  leicht  und 
sicher,  sobald  die  künstliche  Vereinigung  der  Geschlechts- 
produkte möglich  ist.  Selbst  bei  niederen  Wirbelthieren  ist  es 
trotz  reichlichen  Vorkommens  einer  Species  oft  niu"  einem  glück- 
lichen Zufall  zu  danken,  wenn  der  Untersucher  in  den  Besitz 
jüngster  Entwickhmgsstadieu  (ich  meine  die  ersten  Theilungen 
und  die  Zeit  vor  der  Furchung)  gelangt.  Deshalb  scheint 
mir  jede  Erfahrung,  welche  den  Untersucher  vom  Zufall 
unabhängig  macht,  werth,  veröffentlicht  zu  werden. 

Dass  bei  Cristiceps  argentatus  die  künstliche  Befruchtung 
gelingt,  ist  besonders  werthvoll  deswegen,  weil  die  Eier 
tlieses  kleinen  Blenniiden  relativ  gross  (ca.  1,5  mm  Durch- 
messer) und  so  durchsichtig  sind,  wie  nur  wenige  von  den 
in  grösseren  Mengen   zu    erhaltenen  Teleostiereiern  (z.  B. 

2 


34  Gesellschaft  nnturfarscJiender  Freunde,  Bertin. 

Betone  ncus,  Cremlabrus  pavo).  Durch  diese  Eigenschaften 
sind  sie  ganz  besonders  brauchbar  für  morphologische  und 
entwicklungsphysiologische  Untersuchungen. 

Cristiceps  argentatns  ist  nach  Lo  Biaxco  ')  (für  Neapel) 
und  GüiTEL^)  (Banyuls-sur-Mer)  ein  in  zalilreichen  Exem- 
plaren leicht  zu  beschaifendes  Material.  Er  laicht  in  Neapel 
(s.  Lo  BiANCO  S.  557)  in  den  Monaten  März  und  April. 
Seine  Gewohnheiten  beim  Laicligeschäft  und  die  Bewachung 
der  Eier  durch  das  Männchen,  haben  durch  Guitel  eine 
eingehende  Darstellung  erfahren,  welche  ich  bestätigen  l^ann. 
Zu  den  von  diesem  Autor  angegebenen  Geschlechtsunter- 
schieden kommt  zur  Laichzeit  noch  die  erhebliche  Corpulenz 
der  weiblichen  Thiere.  welche  in  praxi,  d.  h.  bei  Vornahme 
der  künstlichen  Befruchtung,  insofern  wohl  das  beste  Unter- 
scheidungsmerkmal der  Geschlechter  ist,  als  es  am  schnellsten 
zum  Ziele  führt.  Die  Züchtung  der  Thiere  ist  leicht,  da 
sie  in  der  Gefangenschaft  das  gereichte  Futter  gut  annehmen; 
sie  ist  zu  empfehlen,  weil  die  Eier  der  unreif  eingebrachten 
weiblichen  Thiere  auch  in  der  Gefangenschaft  reif  werden,, 
und  unter  den  frisch  gefangenen  Thieren  nur  wenige  reife 
Weibchen  sind. 

Die  Eier  gewinne  ich  nicht  durch  Streichen  des  Thieres, 
sondern  durch  Ausschütteln  des  Ovariums  in  einem  Schäl - 
chen  voll  Seewasser.  Ob  die  Eier  reif  sind,  erkennt  man 
bei  Betrachtung  des  Ovariums  daran,  dass  zwischen  der 
überwiegenden  Menge  grosser  durchsichtiger  Eier  nur  ganz 
kleine,  für  die  nächste  Laichung  bestimmte  vorhanden  sind, 
während  die  Eier  des  unreifen  Ovariums  eine  sehr  ungleiche 
Grösse  haben.  Ein  weiteres  sicheres  Zeichen  der  Reife  besteht 
darin,  dass  beim  leichten  Schütteln  des  Ovariums  in  Wasser, 
die  Eier  schnell  frei  werden  und  die  Haftfäden  zu  einer 
einheitlichen  Masse  sich  verflechten,  indess  der  übrige  Theil 
des  Eierstockes  zurückbleibt. 


')  Lo  BiANCO,  Salvatore.  Notizie  biolopiche  riguardanti  spc- 
cialmente  il  periodo  di  maturitä  sessuaie  degli  animali  del  golfo  di 
Napoli.    Mittheil.  d.  zool.  Station  Neapel.     Bd.  XIII.  1899.  S.  448—573. 

')  Guitel,  Fr^deric.  Observations  sur  les  moeurs  de  trois  Blen- 
niides  Clinus  argentatns,  Blennius  Montmjni  et  Blennius  sphi/npc.  Arclj. 
?:ool.  exper.  et  gen,     Ser.  III,  T.  I.     1893.     S,  325—384, 


Sitzung  vom  18.  Februar  1902.  35 

Das  Sperma  gewinnt  man  aus  dem  zerdrückten  Hoden. 
Da  nicht  alle  Männchen  reife  Spermien  in  genügender  Zahl 
besitzen,  ist  es  gut,  sich  durcli  das  Mikroskop  von  der 
Menge  und  der  Lebendigkeit  derselben  zu  überzeugen. 
Hierzu  zerdrückt  man  ein  kleines  Stück  des  betreffenden 
Hodens  unter  Zusatz  von  etwas  Seewasser  zwischen  Deck- 
glas und  Objectträger.  Die  Plauptmasse  des  Hodens  wird 
ohne  Zusatz  von  Seewasser  und  vor  dem  P^introcknen  ge- 
schützt (am  einfachsten  auf  einem  hohlgeschliffenen  Object- 
träger mit  einem  Deckglas  bedeckt)  bis  zur  Verwendung 
bei  Seite  gestellt,  denn  die  Spermien  der  Teleostier  sterben 
bekanntlich  im  Wasser  sehr  bald  ab. 

Die  Vornahme  der  Befruchtung  gestaltet  sich  folgender- 
maassen:  Man  stelle  bereit:  das  Mikroskop,  Scheere, 
Pincette.  einen  Objectträger  mit  Hohlschliff,  ein  Deckglas, 
zwei  Uhrschäl chen  voll  Seewasser.  Zuerst  wird  ein  Männ- 
chen getödtet.  der  Hoden  herausgenommen  und  in  den 
Hohlschliff  des  Objectträgers  gelegt.  Dann  schneidet  man 
ein  Stückchen  Hoden  ab  und  zerdrückt  es  auf  dem  ebenen 
Theil  des  Objectträgers  nach  Zusatz  von  einem  Tropfen 
Seewasser  mit  Hülfe  des  Deckglases,  und  sieht  sofort  nach, 
ob  die  Spermien  sich  lebhaft  bewegen  und  in  reichlicher 
Menge  vorhanden  sind.  Ist  dies  der  Fall,  so  schiebt  man 
das  Deckglas  über  den  Hohlschliff  und  schützt  dadurch  die 
dort  liegenden  Hoden  vor  dem  Trocknen.  Hat  man  geeignete 
Hoden  gefunden,  so  suche  man  das  dickste  Weibchen  aus, 
nehme  jedes  Ovarium  für  sich  aus  der  Bauchhöhle  und 
schüttele  es  in  einem  Uhrschälchen  voll  Seewasser  leicht 
hin  und  her,  bis  die  Haftfäden  der  Eier  sich  mit  einander 
zu  einer  Masse  verflechten.  Alsdann  fasst  man  diese  Masse 
an  und  schüttelt  noch  ein  wenig  die  Eier  hin  und  her, 
wodurch  aus  den  verflochtenen  Fäden  ein  Strang  wird,  an 
dessen  Oberfläche  die  einzelnen  Eier  wie  die  Beeren  einer 
Traube  hängen.  Nun  zerdrückt  man  die  Hoden  in  dem 
Hohlschliff  des  Objectträgers  (ohne  Wasserzusatz!)  und  bringt 
die  Eier  in  die  zerdrückte  Hodenmasse  hinein.  Das  an 
ihnen  befindliche  Wasser  ist  zur  Verdünnung  des  Spermas 
völlig  genügend.    Nach  einer  Minute  werden  die  Eier  in  ein 

2* 


36  GeseUsehaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

Uhrschälchen  mit  reinem  Seewasser  gebracht  und  durch 
leichtes  Bewegen  von  den  Hodentheilchen  befreit.  Darnach 
kann  man  sie  in  fliessendem  Wasser  auf  Algen  liegend  weiter 
züchten.  Ich  habe  an  derartig  befruchteten  Eiern  die 
Furchung  beobachtet  und  die  Entwicklung  bis  zur  Vollendung 
der  Dotterumwachsung  verfolgt.  Dass  ich  sie  nicht  weiter 
verfolgen  konnte,  lag  daran,  dass  die  Zeit  meines  Auf- 
enthaltes in  Neapel  abgelaufen  war;  ich  glaube  annehmen 
zu  dürfen,  dass  die  Entwickluog  auch  noch  weiter  vor  sich 
gegangen  sein  würde. 

Die  Farbe  der  jungen  Eier  ist  gelblich  (lachsfarbig). 
An  reifen  und  frisch  befruchteten  Eiern  ist  eine  eigenartige 
Structur  vorhanden,  welche  eine  überraschende  Aehnlichkeit 
mit  einem  gefurchten  Keim  besitzt.  Ich  habe  dies  selber  anfangs 
geglaubt,  bis  ich  mich  am  conservirten  Material  und  durch 
Erscheinungen,  welche  am  lebenden  Ei  nach  der  Befruch- 
tung eintreten,  davon  überzeugte,  dass  dies  täuschende  Bild 
durch  eine  besondere  Structur  des  Dotters  hervorgerufen 
wird.  Die  Dottermasse  besteht  nämlich  aus  verhältniss- 
mässig  grossen  polyedrischen,  durch  schmale  Zwischen- 
räume getrennten  Stücken.  Das  Bild  des  gefurchten  Keims 
entsteht  nur  dadurch,  dass  die  Substanzen  der  Zwischen- 
räume und  der  Stücke  sich  optisch  verschieden  verhalten.  Merk- 
würdig ist  dabei,  dass  diese  Structur  in  dem  Maasse  unsicht- 
bar wird,  als  sich  das  Protoplasma  am  Eipol  sammelt,  so 
dass  sie  zur  Zeit  der  ersten  Theilung  nicht  mehr  zu 
sehen  ist. 

Herr  Friedr.  Dahl  sprach  über  abgebrochene  Copu- 
lationsorgane  männlicher  Spinnen  im  Körper  der 
Weibchen. 

Ueber  die  genaue  Lage,  welche  der  männliche  embolus 
bei  der  Copulation  im  weiblichen  Körper  einnimmt,  dürfte 
bisher  nichts  Sicheres  bekannt  sein.  Freilich  hat  man  oft 
die  Copulation  der  Spinnen  beobachtet,  man  konnte  aber 
dabei  naturgemäss  nicht  ins  Innere  des  weiblichen  Körpers 
hineinsehen  und  war  bei  diesen  Beobachtungen  meist  auf 
schwache    Lupenvergrösserungeu    angewiesen.     Was    man 


Sitzung  vom  18.  Februar  1902.  37 

bisher  über  die  Anpassung  der  männlichen  an  die  weib- 
lichen Copulationsorgane  gesagt  hat,  beruht  in  erster  Linie 
auf  Vermuthungen :  Nach  den  Analogien  im  Bau  der 
beiderseitigen  Organe  machte  man  eben  seine  Schlüsse.  — 
P>  dürfte  deshalb  nicht  überflüssig  sein,  directe  Beob- 
achtungen an  die  Stelle  der  Vermuthungen  zu  setzen,  selbst 
wenn  die  Beobachtungen  jene  Vermuthungen  bestätigen. 

Bei  einer  Untersuchung  der  Giftspinnengattung  Latro- 
(Jccfus  nach  ihren  zahlreichen  Arten  habe  ich  versucht, 
ausser  andeni  Formmerkmalen,  auch  Unterschiede  im  Bau 
der  Copulationsorgane  zu  verwenden,  und  als  ich  constante 
äussere  Merkmale  vielfach  nicht  fand,  machte  ich  Canada- 
balsam-Praeparate.  zunächst  von  der  ganzen  Vulva  und 
dann  auch  von  den  inneren  Tlieilen.  Bei  diesen  Unter- 
suchungen fand  ich  wiederholt  einen  abgebrochen  männlichen 
embolus  oder  Einbringer  in  der  weiblichen  Vulva. 

Dass  männliche  Copulationsorgane  gelegentlich  bei  der 
Befruchtung  abbrechen  können,  weiss  man  aus  verschiedenen 
Thiergruppen.  Ich  erinnere  nur  an  die  Bienen  und  gewisse 
Tintenfische,  bei  denen  es  regelmässig  geschieht.  Bei  den 
Spinnen  kennt  man  einen  derartigen  Vorgang,  so  weit  ich 
sehe,  erst  durch  Bertkau  ^),  der  ihn  bei  einer  einheimischen 
Gattung  Oxyptila  feststellen  konnte.  Der  Gattung  OxyptUa 
kann  ich  also  die  Gattung  Latrodectus  als  zweite  an  die 
Seite  stellen.  Ich  muss  annehmen,  dass  das  Abbrechen  bei 
dieser  Gattung  recht  oft.  vielleicht  sogar  regelmässig  erfolgt; 
denn  unter  den  60  Vulven,  die  ich  hinreichend  genau  unter- 
sucht habe,  enthielten  8  einen  embolus,  die  eine  sogar 
zwei,  einen  auf  jeder  Seite. 

Die  inneren  weiblichen  Copulationsorgane  bestehen, 
wie  die  Figur  1  zeigt,  aus  einem  jederseitigen  receptaculum 
seminis  (punktirt  gezeichnet)  und  einem  lateral  ziehenden  völlig 
hohlen  Schlauch  (in  der  Figur  sieht  man  das  receptaculum  und 
den  Schlauch  durch  die  behaarte  Haut  durchscheinen).  Der 
Schlauch  geht  von  der  Geschlechtsöffnung  (in  der  Figur  unten) 
aus  und  windet  sich  spiralig  erst  in  drei  Windungen  nach 


')  Zoolog.  Anzeiger  v.  12,  1889,  p.  451, 


S8 


OeseUsclmft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 


Fig.  1.     Weibliche  Copulationsorgane  von  Latrodectus  13-guttatnf}, 
mit  Nelkenöl  durchsichtig  gemacht. 

aussen,  um  dann  mit  engerem  Volumen  und  kleineren,  von 
der  ersten  Spirale  eingeschlossenen  Spiral  Windungen  zum 
receptaculum  zurückzukehren.  (Die  inneren  Windungen  sind 
schwerer  zu  erkennen  und  in  der  Figur  fortgelassen.) 

Diesem  Schlauch  des  Weibchens  entspricht  der  embolus 
des    Männchens    (Fig.  2).     Auch    er   ist    bei    der    Gattung 


Fig.  2.     Männliche  Copulationsorgane  von  Latrodectus  13-gvttatt4s. 

Latrodectus  in  eine  sehr  lange  Spirale  ausgezogen.  Man 
zählt  etwa  fünf  Windungen.  Kurz  vor  seinem  distalen 
Ende  befindet  sich  ein  Absatz,  an  welchem  ein  nach  dem 
Ende  allmählig  breiter  werdender  Hautsaum  endet.  Der 
embolus  ist  der  Länge  nach  von  einem  Eohr  durchzogen, 
welches  sich  als  Fortsetzung  des  Samenbehälters  im  Innern 
der  Tasterkolbe  darstellt. 

Wie   der  embolus  bei  der  Begattung  in  dem  Schlauch 
der  weiblichen  Vulva  steckt,  zeigt  die  Figur  3.    Das  band- 


Fig.  3.    Innere  weibliche  Copulationsorgane  von  iMtrodectus  13-gnttatxis, 
jederseits  mit  abgebrochenem  embolus. 


Sitzung  vom  18.  Februar  IdÖH.  39 

förmige  Organ  hat  den  Spiralschlauch  erst  nach  aussen  und 
(laun  nach  innen  zu  durchdringen,  um  erst  dann  in  das 
receptaculum  einzutreten  (in  der  Figur  sieht  man  nur  die 
äusseren  Windungen  an  der  zugewendeten  Seite).  —  Un- 
willkürlich fragt  man  sich,  wozu  denn  dieser  gewaltige 
und  complicirte  Umweg  nöthig  ist.  warum  nicht  vielmehr 
der  embolus  direct  von  der  Geschlechtsöffnung  in  das 
recej)taculum  eintritt.  Soweit  ich  sehe,  ist  nur  eine  zwei- 
fache Erklärung  möglich.  Entweder  es  hat  der  lange 
IJebertragungsweg  und  namentlich  das  Steckenbleiben  des 
embolus  das  Zurückfliessen  des  Spermas  zu  verhindern, 
oder  aber  der  complicirte  Weg  hat  das  erfolgreiche  Ein- 
führen anders  gestalteter  Einbringer  unmöglich  zu  machen. 
Im  ersten  Falle  würde  es  sich  also  um  eine  Einrichtung 
zum  sicheren  Eintritt  der  Befruchtung,  im  letzteren  um  eine 
Einrichtung  zur  sicheren  Vermeidung  der  Kreuzung  handeln. 
—  Die  erstere  Erklärung  ist  weniger  wahrscheinlich,  da  der 
Einbringer,  wie  dies  die  Figur  3  zeigt,  bei  weitem  nicht  den 
ganzen  Schlauch  ausfüllt,  so  dass  das  Sperma  auch  neben 
ihm  zurückfliessen  könnte.  Gegen  die  zweite  Erklärung 
wüsste  ich  vor  der  Hand  nichts  einzuwenden.  Sie  liesse 
sich  vielmehr  mit  allen  andern  Thatsachen  recht  wohl  in 
Einklang  bringen.  —  Es  ist  eine  allen  Araneologen  be- 
kannte Erscheinung,  dass  nahe  verwandte  Spinnenarten, 
wenn  sie  neben  einander  vorkommen,  sich  in  erster  Linie 
durch  abweichende  Formen  der  Copulationsorgane  unter- 
scheiden. Sind  dagegen  die  Arten  örtlich  von  einander  ge- 
trennt, so  lassen  die  Copulationsorgane  bei  der  Unter- 
scheidung oft  vollkommen  im  Stiche.  Autoren,  welche  die 
Copulationsorgane  für  allein  brauchbare  Unterscheidungs- 
merkmale der  Arten  ausgeben  möchten,  kennen  meist  nur 
eine  specielle  Fauna  auf  der  Erde  genauer.  Sobald  man 
die  Ai'ten  einer  Gattung  von  der  ganzen  Erde  vergleicht, 
erweisen  sich  die  Copulationsorgane  oft  als  völlig  unzu- 
reichend. —  Von  dieser  keineswegs  neuen  Thatsache  konnte 
ich  mich  auch  bei  der  Bearbeitung  der  Gattung  Latrodecfus 
aufs  neue  überzeugen.  Nur  dann,  wenn  zwei  Latrodecfus- 
Arten  an  demselben  Orte  leben,  thun  die  Copulationsorgane 


40  Gesellschaft  naturfwschender  Freunde,  Berlin. 

bei  der  Unterscheidimg  auch  hier  bisweilen  gute  Dienste,  in 
fast  allen  andern  Fällen  versagen  sie.  Die  Variatiousgrösse 
nimmt  dann  zu  und  die  Variationskreise  zweier  Arten 
schliessen  einander  nicht  aus. 

Um  angeben  zu  können,  wie  sich  das  Steckenbleiben 
des  embolus  auf  die  bisher  daraufliin  untorsuchten  Arten 
vertheilt.  muss  ich  hier  zunächst  eine  kurze  Uebersicht  der 
Arten,  die  ich  untersuchen  konnte,  geben.  Ausführlicher 
beschreiben  werde  ich  die  neuen  Arten  in  einer  Arbeit, 
die  ich  demnächst  veröffentlichen  zu  können  hoffe.  Ich  werde 
dann  die  auch  sonst  noch  beschriebenen  Arten,  die  mir 
nicht  vorliegen,  in  gebührender  Weise  berücksichtigen.  Da 
die  Männchen  und  die  jungen  Thiere  von  den  meisten 
Arten  mii"  nicht  bekannt  sind,  kann  ich  eine  Uebersicht 
nach  Formmerkmalen  naturgemäss  nur  für  reife  Weibchen 
geben.  Da  aber  dem  Forscher  die  auffallenderen,  grösseren, 
bisweilen  auch  lebhafter  gefärbten  Weibchen  immer  in  erster 
Linie  zugehen,  dürfte,  vom  praktischen  Standpunkte  aus. 
diese  Beschränkung  auf  die  Weibchen  nicht  sehr  unangenehm 
empfunden  werden.  Hervorheben  muss  ich,  dass  man  bei 
der  Bestimmung  (nach  dieser  meiner  Uebersicht)  ohne  Ka- 
nadabalsam-Präparate, die  nach  meinen  frühereu  Angaben  ^) 
hergestellt  werden  können,  nicht  auskommt.  Da  es  sich 
hier  um  grössere  Thiere  handelt,  möcht  ich  empfehlen  die 
äussere  Vulva  mit  den  darunter  liegeaden  Theilen  (vgl. 
Fig.  1)  gesondert  zu  präpariren. 

Uebersicht  der  Latrodectus-kviQii. 

I.  Alle  Haare  auf  der  Dorsalseite  der  Kniee.  auch 
die  dickere  steiler  aufgerichtete  Borste,  enden  ebenso  spitz 
wie  die  an  der  Veutralseite  der  Metatarsen.  (Amerika, 
Afrika,  Madagaskar.) 

A.  Die  beiden  receptacula  seminis  liegen  parallel;  der 
Vorderrand  der  weiblichen  Geschlechtsöffnung  nur  in 
der  Mitte  stark  eingedrückt.  (Madagaskar,  Afrika  und 
Süd-Amerika.) 


')  S.-B.  d.  ües.  naturf.  Freunde  Berlin,  v.  19U1,  p.  4  ff. 


Sitzung  rmn  18,  Fefmiar  1902.  41 

a.  Der  erste  Metatarsus  ist  3V3  bis  VI2  mal  so  lang  als 
der  Tarsus;  die  Kür[)eri^rösse  ist  bediMitender.  meist 
über  18.5  mm,  bis  zu  23  mm;  der  lliuterleib  ist  meist 
schwärzlich.     (Madagaskar.)  L.  obscurior  n.  sp. 

b.  Der  erste  Metatarsus  ist  fast  4  mal  so  lang  als  der 
1.  Tarsus;  die  Länge  des  weiblichen  Körpers  höchstens 
18,5  mm;  das  Abdomen  ist  hell  gefärbt  und  mit 
dunklen  Zeichnungen.  (In  und  an  Häusern  lebend  und 
deslialh  weit  verschleppt,  bisher  in  Afrika  und  Süd- 
Amerika  beobachtet.  Die  ursprüngliche  Heimath 
dürfte  Afrika  sein.  Die  Kocfi'sche  Type  befindet  sich 
im  Berliner  Museum.  Syn.:  Theridium  Zickzack 
Kaksch) L.  geometricus  C.  L.  KoCH. 

B.  Die  beiden  receptacula  seminis  divergiren  nach  vorn 
stark  (vgl,  Fig.  1);  der  Vorderrand  der  weiblichen 
Geschlechtsöffnung  querüber  gleichmässig  eingedrückt 
(Nord-  bis  Mittel-Amerika  und  Antillen). 

a.  Die  Beine  sind  weniger  schlank,  die  4.  Schiene  ist, 
von  der  Seite  gesehen,  nur  4  bis  5  mal  so  lang  wie 
vor  dem  Ende  dick;  neben  den  Spinnwarzen  befindet 
sich   kein  lieller  Punkt.     (Nord-   bis  Mittel-Amerika.) 

I..   macfans  (F.). 

b.  Die  Beine  sind  schlanker,  die  4.  Schiene  ist  5V2  bis 
6  mal  so  lang  wie  vor  dem  Ende  dick;  neben  den 
Spinnwarzen  jederseits  zwei  helle  Punkte,  die  da- 
durch undeutlicher  werden  können,  dass  der  ganze 
Grund  heller  wird.  (Antillen.)  L.  insularis  n.  sp. 
a.  Auf  dem  hinteren  Theil  des  Abdomens  eine  rothe 

Längsbinde;  weiss  sind  eine  Binde  um  den  Vorder- 
rand und  ein  Mondfleck  jederseits  auf  der  Dorsal- 
seite. (St.  Thomas).  L.  insularis  insularis  n.  subsp. 
ß.  Eine  dunkel  ausgefüllte  in  der  Mitte  abwärts  ge- 
bogene Binde  um  den  Vorderrand  des  Abdomens, 
ein  Fleck  über  den  Spinnwarzen  und  kleine 
Mondflecke  auf  der  Oberseite,  welche  zu  je  zw-eien 
einen  runden  dunklen  Fleck  einschliessen,  sind  hell. 
(Haiti.)  .  .  .  Z.  insularis  lunulifer  n.  subsp. 
IL  Auf  der  Dorsalseite  des  Knies  befindet  sich  wenig- 


42  Gesellschaft  naiurforschender  Freunde,  Berlin. 

stens  eine  (etwas  mehr  aufgerichtete)  Borste,  welche  weit 
stumpfer  ist  als  die  Haare  an  der  Ventralseite  des  Meta- 
tarsus.  (Süd-Amerika,  Neu-Seeland,  Australien  über  Süd- 
Asien  bis  Afrika,  Europa  und  Madagaskar.) 

A.  Die  Haare  auf  der  Dorsalseite  der  Tibien  (auch  auf  der 
Basis  der  Vordertibien)  sind  mit  Ausnahme  eines  einzigen, 
mehr  aufgerichteten  Haares  nicht  merklich  stumpfer  als 
die  an  der  Ventralseite  des  Metatarsus  vor  dessen 
distalem  Ende.    (Süd-Amerika  und  Neu-Seeland.) 

a.  Die  Unterlippe  ist  am  distalen  Ende  breiter  gestutzt. 
(Süd-Amerika.) 

a.  Der  Vorderrand  der  weiblichen  Geschlechtsöffnung  ist 
fast  winklig  gebrochen;  grössere  Art;  die  4.  Schiene 
-f-  Knie  5  bis  5,4  mm  lang.     (Chile.) 

L.  variegahis  NiC. 

ß.  Der  Vorderrand  der  weiblichen  Geschlechtsöffnung 

nicht   stärker   gebogen    als    der    Hinterrand    (vgl. 

Fig.  1);  die  4.  Schiene  -\-  Knie  3  bis  4,6  mm  laug. 

(Brasilien,  Paraguay). 

'^  Die  4.  Schiene  -\-  Knie  unter  3,5  mm  lang; 
Rücken  des  Abdomens  vorn  mit  dreieckigem 
hellen  Fleck  und  dahinter  mit  einer  Längsbinde 
bis  zu  den  Spinnwarzen,  welche  vorn  jederseits 
eine  Schrägbinde  abgiebt.     (Porto  Alegro.) 

L.  sagittifer  n.   sp. 
**  Die    4.    Schiene  -|-  Knie    4    bis   4,6  mm    lang; 
Rücken  des  Abdomens  mehr  hell  als  dunkel  ge- 
färbt. (Brasilien,  Paraguay).  L.geographicus  y .YLasb. 

b.  Die  Unterlippe  ist  querüber  etwas  gerundet  oder  nm* 
sehr  leicht  gestutzt;  die  Längsbinde  über  das  Abdomen 
wohl  immer  ununterbrochen  oder  aber  ganz  fehlend. 
(Neu-Seeland) L.  katipo  Powell. 

B.  Die  Haare  auf  der  Dorsalseite  der  Tibien,  namentlich 
der  Vordertibien  (bei  300  facher  Vergrösserung)  weit 
stumpfer  erscheinend,  oft  auch  kürzer  als  die  an  der 
Ventralseite  des  distalen  Endes  der  Metatai'sen.  (Neu- 
Holland  über  Neu-Guinea  und  Asien  bis  Europa,  Ma- 
dagaskar und  Afrika). 


Sitzung  vom  IS.  Februar  1902.  43 

a.  Die  dickste  und  stumpfeste  Borste  au  der  Dorsalseite 

der  Tibieiibasis,    die    sich    auch    durch    ihre   steilere 

Stelluni;  vor  andcru  oft  auszeichnet,  ist  über  halb  so 

laQ<;  als  die  Tibia,   von  der  Seite  gesehen,  au  dieser 

Stelle    dick     ist.     (Neu- Holland.     Neu -Guinea     uud 

Philippinen,  vielleicht  bis  Vorder-Indieu). 

a.  Die  längereu  Haare  au  der  Ventralseite  der  Tibia 

wenigstens    theilweise    kurz  und  gebogen  einseitig 

zugespitzt,    während    die   Haare    vor  dem  distalen 

Ende    der    Veutralseite    des    Metatarsus    alle    fast 

gleichmässig  zugespitzt  sind;  in  der  gleichen  Weise 

unterscheiden  sich  die  längereu  Haare  des  distalen 

Endes    der  Dorsalseite    des  Metatarsus   von  deueu 

der  dorsalen  Seite  des  Tarsus.  (Neu-HoUand,  Neu- 

Guinea). 

§1.  Die    kleinereu    Härchen     der    Dorsalseite    der 
Tibieubasis  kurz  zugespitzt  und  weit  weniger 
düüu  ausgezogeu  als  die  entsprechenden  Härchen 
der  Ventralseite.    Die  Dorsalseite  des  Abdomens 
beim    reifen    Weibchen    vom    Ende    des    ersten 
Drittels  ^bis  zu  den  Spiunwarzen  mit  heller  nur 
vorn  einmal  (selten  zweimal) eingeschnürter Längs- 
biude.     (NeuPIollandj.    .     .     .     L.  scelio  Thor. 
23.  Die    kleinsten    der   gebogenen  Härchen  an  der 
Dorsalseite    der    Tibieubasis    des    ersten    Bein- 
paares fast  in  gleicher  W^eise  dünn  ausgezogen 
wie    die    entsprechenden    Härchen    der  Ventral- 
seite.     Auf    dem    Rücken  des    Abdomens  ver- 
läuft eine  helle,  meist  mehr  oder  weniger  unter- 
brochene   und    mit  Seitenausläufern   versehene 
Binde.     (Neu-Guinea).  .     .     L.  ancorifer  n.  sp. 
ß.  Die  längereu  Haare  an  der  Ventralseite  der  Tibia 
ebenso    stark   zugespitzt   wie    die  Haare   vor  dem 
distalen  Ende  der  Ventralseite  des  Metatarsus;  die 
längeren  Haare  vor  dem  distalen  Ende  der  Dorsal- 
seite   des    Metatarsus    ebenso    spitz    als    die    ent- 
sprechenden  Haare    auf    der    Basis    des    Tarsus. 
(Bismarck-Archipel,  Philippinen). 


44  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

Sl,  Das  im  Präparat  hell  durchschimmernde  Mittel- 
feld, welches  sich  zwischen  den  Samentaschen 
befindet  (vgl.  Fig.  I)  ist  nicht  breiter  als  lang 
und  schnürt  sich  nach  vorn  allmählich  zu  einem 
stielartigen  Fortsatz  ein;  der  vordere,  halb  ab- 
geschnürte Theil  der  hellen  Rückenbinde  des 
Abdomens  ist  stets  breiter  als  der  Theil  hinter 
der  Einschnürung     (ßismarck-Archipel), 

L.  hahli  n.  sp. 
33.  Das  licht  durchscheinende  Mittelfeld  zwischen 
den  Samentaschen  ist  breit,  queroval  und  geht 
plötzlich  nach  vorn  in  den  Stiel  über.  Der 
vordere,  halb  abgeschnürte  Theil  der  Rücken- 
binde des  Abdomens  ist  stets  schmäler  als  der 
Theil  hinter  der  Einschnürung.     (Philippinen). 

L.  luzonicus  n.  sp. 

b.  Die  dickste  und  stumpfeste  Borste  auf  der  Dorsalseite 

der  Tibienbasis  ist  nicht  halb  so  lang  als  die  Tibia 

an    dieser  Stelle  dick   ist.   (Mittelmeergebiet,   Afrika, 

Madagaskar). 

a.  Die  Haare  an  der  Ventralseite  der  Basis  des  1. 
und  2.  Schenkels  nicht  sehr  kurz  und  dick,  wenig- 
stens 7  mal  so  lang  als  an  der  Basis  dick.  (Mada- 
gaskar, tropisches  Afrika). 

21.  Der  Abstand  der  hinteren  Mittelaugen  von  ein- 
ander ist  ebenso  gross  wie  der  Abstand  der 
vorderen  Mittelaugen  von  den  vorderen  Seiten- 
augen, das  Abdomen  mit  rother  Basalbinde, 
rothem  Längsfleck  über  den  Spinnwarzen, 
rothen  Querfleck  hinter  dem  Genitalspalt  und 
mit  2 — 3  dorsalen  Reihen  von  2 — 3  weissen 
Flecken.  (Madagaskar).  .  L.  menavodi  Vins. 
©.  Der  Abstand  der  vorderen  Mittelaugen  von  den 
vorderen  Seitenaugen  ist  IV2  mal  so  gross  als 
der  der  hinteren  Mittelaugeu  von  einander. 
(Madagaskar,  Afrika). 

■"  Die  hinteren   Mittelaugen  mit   ihren   Aussen- 
rändern  etwa  1 75  mal  so   weit  von  einander 


Sitzung  vom  18.  Februar  1905.  45 

entfernt  als  die  vorderen  JVIittelaugen ;  das 
Abdomen  dorsal  mit  drei  an  den  Seiten  stark 
nach  hinten  ausgezogenen  hellen  Querbinden 
und  einem  Längsfleck  über  den  Spinnwarzen, 
der  bisweilen  mit  den  Querbinden  vereinigt 
ist.     (Madagaskar,  Ost-Afrika.  Togo). 

L.  cinctus  Blackw. 
**  Die  hinteren  Mittelaugen  mit  ihren  Seiten- 
rändern etwa  iViomal  so  weit  auseinander 
als  die  vorderen  Mittelaugeu;  Abdomen 
schwarz,  nur  über  den  Spinn warzen  mit 
hellem  Fleck.     (Ost- Afrika '.-'). 

L.  stuhlmanni  n.  sp. 
ß.  Die  kürzesten  Haare  an  der  Ventralseite  der  Basis 
der  Vorderschenkel  sind  sehr  dick,  höchstens  4— 5  mal 
80  lang  als  dick. 

?l.  Der  behaarte  Vorderrand  der  weiblichen  Geschlechts- 
öffnung springt  in  der  Mitte  weit  gerundet  nach 
hinten  vor.     (Deutsch-Südwest-Afrika). 

Ä.  renivuloatus  n.  sp. 
93.  Der  behaarte  Vorderrand  der  weiblichen  Geschlechts- 
öffnung in  der  Mitte  höchstens  mit  kleiner  Ecke 
(Fig.  1).  in  der  Tiefe  dagegen  bisweilen  ein  ge- 
rundeter unbehaarter  Vorsprung.  (Auf  die  Va- 
rietäten oder  Unterarten  dieser  weitverbreiteten  Art 
werde  ich  bei  späterer  Gelegenheit  ausführlich 
zurückkommen.  Sie  ist  von  Süd-Europa  bis  zum 
Cap  verbreitet.)  L.  tredecimfiuttatus  (Rossi). 

Abgebrochene  Einbringer  fand  ich  bei  folgenden  Arten : 
Bei  L.  treclecimguttatus  viermal  (Alexandria,  Mogambique, 
Mphome).  bei  L.  menavodi  zweimal  (Madagaskar),  bei 
L.  scelio  einmal  (Adelaide)  und  bei  L.  mactans  einmal 
(Puebla).    Der  letztere  Fall  ist  übrigens  nicht  ganz  sicher. 

Herr  VON  Martens  fügt  den  früheren  Mittheilungen 
über  das  neue  Auftreten  der  Helix  ohvia  Menke  (cat- 
(licana  Pfr.)  auf  der  Insel  Wollin  in  den  Sitzungsberichten 
vom  Juni.  October  und  November  1890.  S.  132,  149  u.  161, 


46  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

noch  hinzu,  dass  der  verstorbene  Apotheker  und  Malako- 
zoologe  Friedr.  Wiegmann,  dessen  hinterlassene  Manu- 
skripte und  Sammlungen  in  den  Besitz  des  zoologischen 
Museums  dahier  gekommen  sind,  in  den  Jahren  1874,  1875 
und  1876  zur  Sommerfrische  in  Misdroy  gewesen  ist  und 
eifrig  Landschnecken  gesammelt  hat.  aber  damals  dort  keine 
Helix  ohvia  zu  sehen  bekam,  wie  sich  aus  seiner  Sammlung 
imd  einer  handschriftlichen  Liste  der  von  ihm  dort  beob- 
achteten Arten  ergiebt.  Da  in  dieser  Liste  auch  ganz  kleine, 
nicht  leicht  ins  Auge  fallende  Arten,  wie  z.  B.  Helix  Inmel- 
lata,  pygmaea  und  JPupa  pusilla.  aufgeführt  sind,  und  er  nach- 
weislich an  verschiedeneu  Orten  der  Umgegend  gesammelt 
hat,  kann  man  um  so  zuversichtlicher  annehmen,  dass  die 
oben  genannte  Schnecke,  die  durch  ihre  weisse  Farbe  und 
verhältnissmässige  Grösse  sehr  auifallig  und  wo  sie  vor- 
kommt, stets  gesellig  auftritt,  damals  noch  nicht  in  der 
Gegend  von  Misdroy  vorhanden  war.  ihre  Ansiedlung  daselbst 
also  in  die  Zeit  zwischen  1877  und  1889  fällt.  Die  am 
angeführten  Orte  S.  161  gegebene  Vermuthung,  dass  sie 
durch  käuflichen  Esparsetten-Samen  verbreitet  worden  sei, 
dürfte  grosse  Wahrscheinlichkeit  haben  und  der  Vortragende 
möchte  überhaupt  betonen,  dass  bei  sprungweiser  Ver- 
breitung mancher  Thierarten  und  ihrem  Vorkommen  in  ver- 
schiedenen, durch  weite  Meere  getrennten  Erdtheilen  in 
erster  Linie  auch  an  unabsichtliche  Verl)roitung  durch  mensch- 
lichen Verkehr  zu  denken  ist.  namentlich  bei  kleineren 
Thieren,  die  am  und  im  Boden,  oder  an  Kulturpflanzen 
leben.  Das  Versenden  von  Pflanzen  in  sogenannten  Watt- 
schen  Kästen  sowie  überhaupt  der  Transport  lebender 
Pflanzen  und  vegetabilischer  Nahrungsmittel  giebt  viele  Ge- 
legenheit, dass  entwicklungsfähige  Eier  oder  Pup])en  u.  dgl. 
mit  verschleppt  werden.  Besonders  wahrscheinlich  wird 
diese  Erklärung  dann,  wenn  die  neu  erscheinenden  Thier- 
arten zuerst  oder  ausschliesslich  in  Orten  frequenten  Ver- 
kehrs, wie  grossen  Seestädten,  oder  in  botanischen  Gärten 
auftreten;  so  ist  JAmax  variegatus  Drap,  und  llyalinia  rel- 
laria  MÜLL,  nach  verschiedenen  Hafenstädten  Nord-  und 
Süd-Amerikas    und    auch  Australiens   verschleppt   worden, 


Sitziouf  vovi  IS.  Fehrunr  1903.  47 

lind  es  ist  charakteristisch,  dass  beide  bei  uns  in  Deutsch- 
land audi  in  Kellern  lebend  gefunden  wurden,  höchstwahr- 
scheinlich mit  Garten-  oder  Acker-Produkten  dahin  ver- 
schle[)i)t:  der  genannte  Limax  wird  in  Berlin  öfters  in  Bier- 
kellern gefunden,  die  llyalinia  hat  schon  von  0.  Fh.  Mlllp:!: 
1774  darnach  den  Artnamen  ccllaria  erhalten,  da  er  sie  in 
Kopenhagen  in  Weinkellern  gefunden,  und  neuerdings  ist 
ihr  \'orkommen  in  Kellern  auch  von  dem  oben  erwähnten 
Fk.  Wiegmaxn  in  Jüterbog  wieder  beobachtet  worden. 


Referirabend  am  II.  Februar  1902. 

Herr  0.  Heinroth  hielt  im  gro.ssen  Hörsaale  des  Zoo- 
logischen Instituts  einen  längeren  Vortrag  über  seine  Elr- 
lebnisse  auf  der  „I.  Deutschen  Südsee-Expedition  von 
Bk.  Mencke".  an  welcher  er  als  Zoologe  und  Arzt  theil- 
genommen  hatte. 

Elr  sprach  zunächst  über  seine  Erfahrungen  über  zweck- 
mässige Verpackungen  von  Conservinmgstlüssigkeitcn.  über 
Sammelgeräthe.  C4ewehre  u.  s.  w..  um  dann  auf  die  Brauch- 
barkeit Eingeborener,  speciell  der  Papuas  als  Hilfskräfte 
beim  Sammeln  einzugehen.  Namentlich  ist  es  schwer, 
lebende  Vögel  in  brauchbarem  Zustande  von  ihnen  zu  er- 
halten. Nach  sonstigen  allgemeinen  Bemerkungen  über 
Klima,  Boden  u.  s.  w.  zeigte  Herr  Heinroth  70  zum  Theil 
colorirte  Lichtbilder,  welche  nach  seinen  Aufnahmen  mit 
der  Handcamera  angefertigt  waren.  Land  und  Leute  von 
Neu-Pommern  und  Neu-Mecklenburg  wurden  in  dieser  Weise 
ausführlicher  vorgeführt  und  Ansichten  von  Borneo  und 
Malakka  iiezeist. 


J.  F.  Starcke,  Berlin  VC, 


Nr.  3.  1902. 

S  i  t  z  Uli  g  s  -  B  e  r  i  c  h  t 

(lor 

(iesclLscliaft  natiirforsclieiider  Freunde 

zu  Berlin 
vom   18.   März   1902. 


Vorsitzender:  Herr  Branco. 


Herr  0.  Neumann  sprach  über  neue  nordost-  und 
ostafrikanische  Säugethiere. 

Die  hier  zu  beschreibenden  neuen  Arten  stammen  von 
meiner  letzten  Expedition  durch  Nordost-Afrika.  In  Ver- 
bindung damit  benenne  ich  drei  s.  Z.  von  mir  in  Ost- 
Afrika  gesammelte,  damals  aus  Mangel  an  Vergieichs- 
material  nicht  unterschiedene  Arten  neu. 

Colobus  gallaruin  nov.  spec. 

Sehr  ähnlich  dem  Colohns  matscliiei  Neum.  vom  Victoria 
Niansa  und  dem  Colobus  occidenUdis  Rchbr.  von  West-Afrika, 
und  wie  beide  mit  pechschwarzem  Schwanz,  aber  durch  fol- 
gende ^Merkmale  von  ersterem.  von  dem  eine  grössere  Serie  zur 
Verfügung  steht,  unterschieden.  Fell  viel  langhaariger, 
wolliger.  Schwanzqiiaste  viel  grösser,  buschiger.  Dabei  ist 
der  weisse  Seiten beliang  geringer,  an  den  Schultern  bei 
manchen  Exemplaren  minimal.  Die  weisse  Behaarung  um 
den  After,  bei  matschiei  und  occidenUdis  sehr  deutlich,  ist 
bei  gallarum  geringer,  bei  einigen  Exemplaren  fast  fehlend. 

Vorkommen:  Berge  im  Quellgebiet  des  Webbi  Shebeli: 
Gara  Mulata  bei  Harar  und  Djalfa-Berge  im  Arussi-Land, 
ferner  Wälder  bei  Burka  auf  der  Strasse  von  Harar  nach 
Adis  Abeba. 

Der  Schädel  zeigt  nicht  die  auffallenden  Eigenschaften 
von  matscliiei.     Die   Kristen    sind    nicht    so   scharf  an  der 


50  GeseUscImft  natmforschemler  Freunde,  Berlin. 

Stirnleiste  angesetzt,  dass  sich  hier  Gruben  bilden.  Der 
starke  Wulst  am  Ansatz  der  Nasalen  fehlt.  Der  Schädel 
ist  schon  von  der  Stirnleiste  an  viel  höher  und  gleich- 
massiger  gewölbt  wie  der  von  matschiei.  Das  Ende  der  Nasaleu 
liegt  flacher  und  springt  nicht  mit  einem  Zacken  aus  dem 
Profil  heraus  wie  bei  matschiei.  Es  älinelt  hierin  mehr 
dem  Schädel  von  Colobus  polturus  Tnos.  Ich  werde  auf  die 
Unterschiede  zwischen  diesen  beiden  später  zurückkommen. 
Cercopithecus  hilgerti  nov.  spec. 

Beschreibung  des  alten  Männchens:  Färbung  der  Ober- 
seite röthlich  olivenfarben.  Die  einzelnen  Haare  bestehen 
aus  gelbbraunen  und  schwarzen  Ringen,  wodurcli  dieser  Ton 
entsteht.  Vorderfüsse  eisengrau,  nach  unten  dunkler  werdend. 
Hände  schwarz,  doch  ist  dieses  Schwarz  nicht  scharf  Tom 
Grau  abgesetzt  wie  beim  ostafrikanischen  rufoririilis.  Hinter- 
schenkel vom  Knie  an  gleichfalls  eisengrau.  Hinterfüsse 
schwarzgrau.  Oberseite  des  Schwanzes  schwarzgrau,  theil- 
weise  mit  olivenfarben  melirt.  Unterseite  des  Schwanzes 
grau,  gegen  die  Spitze  zu  und  diese  selber  weiss. 
Backenbart  lang  weiss,  Gesicht  schwarz,  schmale  weisse 
Stirnbinde.  Darüber  Kopf  schwarz  melirt,  rostrother 
Fleck  unten  am  Schwanzansatz.  Ganze  Unterseite  und 
Innenseite  der  Arme  und  Füsse  weiss. 

Jüngere  Männchen  und  Weibchen  sind  matter  gefärbt. 
Das  Grau  der  Vorder-  und  Hinterbeine  matter  und  oliven- 
farben leicht  melirt.  Füsse  und  Hände  grau,  nicht  schwarz. 
Kein  rostrother  Fleck  am  Schwanzansatz. 

Lebt  im  Stromgebiet  des  Wabbi  (Webbi  Schebeli).  Typus 
am  Gobele-Fluss  (Ennia  Galla-Laud)  am  27.  Mai  1901  er- 
legt. Sonst  erlegt  am  Gara  Mulata,  am  Modjo,  am  mittleren 
Wabbi,  am  oberen  Wabbi  beim  Abulcassim  und  in  den 
Djaffa- Bergen,  von  Hilgert  ferner  bei  Burka  (Route 
Harar— Adis  Abeba). 

Zu  Ehren  unseres  Präparators,  des  vorzüglichen  Sammlers 
und  Beobachters  Hilgert  genannt. 

Cercopithecus  ellenbeclH  nov.  spec. 

In  der  Mitte  stehend  zwischen  Jiilgerfi  und  dem 
Cercopithecus   (jriseoviridis    vom    weissen    Nil.      Diesem    am 


Sitzung  vom  IS.  Mär:  1903.  51 

ineisten  gleichend,  aber  die  Oberseite  tiefer  olivengelb  wie 
bei  dieser  fast  eiiil'arhiijj  grauen  Art.  Füsse  und  Iläudo 
etwas  dunkler.  Schwanz  viel  kürzer.  Unterseite  des 
Schwanzes  hellgrau,  nicht  rein  weiss  wie  bei  griseoviridis; 
nur  die  äusserste  Spitze  weiss. 

Suksuk-Fluss  und  Maki-Fluss  am  Zuai-See.  Zahlreiche 
Exemplare  gesammelt.  Wahrscheinlich  ist  dieses  die  auch 
im  Ilauasch-Tlial  vorkommende  INIeerkatze.  Typus  am 
27.  November  1900  am  Suksuk-Fluss  erlegt. 

Zu  Ehren  unseres  Expeditionsarztes  Dr.  Ellenbeck 
genannt,  der  sich  sehr  um  unsere  zoologischen  Sammlungen 
verdient  gemacht  hat. 

Cercopithecus  tnatschiei  nov.  spec. 

Aberranteste  Form  der  Chlorocehns-Gvxyp-^Q.  Ohne  Spur 
eines  grauen  oder  grünen  Tons  auf  der  Oberseite.  Diese 
aus  kastanienrostroth  und  schwarz  melirt.  Vorderarme  heller 
olivengelblich,  nach  unten  in  grau,  auf  den  Händen  in 
schwarz  übergehend.  Hinterschenkel  ebenso.  Hinterfüsse 
heller  wie  die  Vorderfüsse.  Schwanz  aus  olivengelb  und 
schwarz  melirt.  Unterseite  heller,  äusserste  Spitze  grau- 
weiss  Backenbart  lang,  weiss.  Ganze  Unterseite  weiss; 
niemals  ein  rostrother  Fleck  am  Schwanzansatz.  Durch 
den  stark  rothen  Ton  von  allen  anderen  Arten  der 
CT/oroceZ>»s- Gruppe  ausgezeichnet. 

Im  Gebiet  des  Omo  und  der  Sobat  Quellströme.  Typus 
in  j\Ialo  am  Omo,  am  14.  Februar  1901  gesammelt. 
Sonst  in  Doko.  Koscha.  Kaifa,  Djimma.  Gimirra,  Schecho 
und  Maschango  gesammelt.  Bewohnt  feuchten  dichten 
Urwald,  besonders  in  der  Nähe  der  Flüsse. 

Cercopithecus  djatndjarnensis  nov.  spec. 
Oberseite   ähnlich   der  von  matschici  aber  etwas  heller 
mit  mehr  gelbröthlichem  Ton.    An  den  Hinterbeinen  ist  die 
Färbung  vom  Knie  an  einfarbig  aschgrau.    Unterseite  nicht 
rein  weiss  sondern  silbergrau. 

Der  sehr  kurze  Schwanz  (55  cm  zu  90  cm  Körper- 
länge —  bei  einem  C.  griseoviridis  messe  ich  120  cm  zu 
80  cm   Kürperlänge  —  ist  schwarzgrau,   nur  an  der    Basis 

3* 


52  Gesellschaft  naturfwscJiendei-  Freunde,  Berlin. 

oben  schwach  olivfarben  melirt,  unten  heller,  an  der  Spitze 
fast  schwarz.  Diese  Art  zeichnet  sich  ausser  durch  den 
ganz  auftauend  kurzen  Schwanz  und  den  sehr  kurzen  Backen- 
bart, besonders  noch  durch  den  sehr  dichten  Pelz  aus.  Die 
Haare  sind  über  noch  mal  so  lang  wie  bei  ellenhechi  und 
matscliiei.  Zwischen  den  Schultern  bilden  sie  eine  förmliche 
Mähne.  Auch  Unterseite  und  Hinterfüsse  sind  mit  langem, 
weichem,  seidenartigem  Pelz  bedeckt. 

Nur  ein  Exemplar,  sehr  altes  Weibchen,  im  Bambus- 
wald bei  Abera  (Djamdjam)  in  3300  m  Höhe  am  17.  De- 
cember  1900  erlegt. 

Dieses  ist  meines  Wissens  die  grösste  Höhe,  in  der  ein 
Cercopithecus  überhaupt  erlegt  wurde.  Am  Kilima  Ndscharo 
geht  moloneyi  nur  bis  ca.  3000  m.  Es  ist  dies  um  so 
auftauender,  als  die  Affen  der  C/<7o>oceZ>?<s- Gruppe  im  All- 
gemeinen Steppenbewohner  sind. 


Vom  echten  Cercopithecus  griseoviridis  erbeutete  ich  zwei 
Exemplare  in  Goz-Abu-Guma  am  weissen  Nil  unter  ca.  13" 
nördl.  Br.  Sie  stimmen  vollkommen  überein  mit  einem 
von  Lepsius  am  weissen  Nil  erbeuteten  Exemplar  und 
einem  aus  den  Sammlungen  Schimper's,  vermuthlich  aus 
Tigre,  auf  dem  Berliner  Museum. 

Ein  anderes  von  Werne  am  blauen  Nil  (aber  ohne 
näheren  Fundort)  gesammeltes  Stück  weist  allerdings  in  der 
Färbung  erbebliche  Verschiedenheiten  auf.  Ich  lasse  es 
hier,  da  sein  Fundort  nicht  genau  feststeht,  in  der  folgenden 
Zusammenstellung  ausser  Betracht. 

Ein  Stück  von  Salamona  bei  Massaua  von  Schuadeu 
gesammelt  und  mehrere  andere  Stücke  aus  Schimper's 
Sammlungen  gleichen  dem  echten  griseoviridis,  sind  aber 
einen  starken  Ton  gelber  wie  diese  Art. 

Und  schliesslich  kenne  ich  aus  Nordost-Afrika  noch 
eine  grüne  Meerkatze,  von  der  Baron  v.  Erlaxger  eine 
grosse  Serie  am  mittleren  und  unteren  Webbi  Web  (Juba) 
erbeutete.    Sie  steht  dem  Cercopithecus  rufoviridis  am  nächsten. 

Die  geographische  Verbreitung  der  grünen  Meerkatzen 
in  Nordost-Afrika  ist  also  die  folgende : 


SiizutHi  vom  18.  März  1902.  53 

1)  Steppen    am   weissen  Nil    und   unteren   blauen  Nil 

C  f/risroviridis  Desm. 

2)  Küstengebiete  des  rothen  Meeres  (Erythraea) 

C.  äff.  griseoviridi. 

3)  Zuai-See,  vermuthlich  auch  Hauasch-Gebiet 

C.  dlenheclci  Neum. 

4)  Wälder-Gebiet  am  Omo  und  den  Sobat-Quellströmen 

C.  matschiei  Neum. 

5)  Bergwälder  östlich  des  Abaja-Sees 

C.   djaindjumensis  NeüM. 

6)  Stromgebiet  des  Wabbi  (Webbi  Shebeli) 

C.  hilgerti  Neum. 

7)  Gebiet  des  mittleren  und  unteren  Juba  (Webbi  Web) 

C.  äff.  rufoviridi. 

Die  Erythraea-Form  und  die  Hauasch-Form  ellenhecki 
stehen  allerdings  dem  griscoviridis  ziemlich  nahe,  ebenso 
die  Juba-Form  dem  rufovindis.  Die  anderen  Formen  sind 
höchst  markante  Arten.  Die  geographisch  benachbarten  Arten 
griseoviridis  vom  weissen  Nil  und  matscldeL  vom  Sobat-Quell- 
gebiet  und  dem  Omo  sind  die  verschiedensten  Arten  über- 
haupt, die  in  der  Clüorocebus-QiVW^^Q  vorkommen. 
Canis  Tiaffensis  nov.  spec. 

Kopf  röthlich  braun,  fein  weisslich  und  schwarz  auf 
der  Stirn  gegrieselt.  Rücken  und  Seiten  hellbraun  und 
schwarz  fein  melirt.  Der  eigentliche  Untergrund  der  Haare 
hier  umbrabraun.  Darüber  ein  hellgelber  Ring,  dann  schwarze 
Spitze.  Bei  einigen  fehlt  die  schwarze  Spitze.  Der  umbra- 
braune  Ton  der  Haarbasis  versteckt  und  nicht  sichtbar. 
Füsse  hellrotlibraun,  ähnlich  denen  von  mesoinelas.  Bis  zu 
den  Gelenken  der  Vorderbeine  eine  schwache  schwarze 
Zeichnung.  Ebenso  der  Aussenraud  der  Oberschenkel  der 
Hinterbeine.  Schwanz  schwarz  und  gelbbraun  melirt. 
Spitze  schwarz. 

Keine  Spur  eines  Seitenstreifens. 

Typus  9  in  Anderatscha,  der  Hauptstadt  von  Kaffa 
am  1.  April  1901  erlegt. 

Von  allen  Bälgen  südwestafrikanischer  Streifenschakale 
(adusiiis),  ostafrikanischer  (sehr  ähnliche,  noch  imbeschriebene 


54  Gesellschaft  natmforschender  Freunde,  Berlin. 

Form)  und  westafrikanischer  (lateralis)  durch  das  absolute 
Fehlen  weisser,  aschgrauer  oder  röthlicher  Färbung  im  Pelz, 
und  die  schwarze,  nicht  weisse  Schwanzspitze  unterschieden. 

Zwei  Stücke  dieser  Art,  welche  in  Adis  Abeba  dem 
Freiherrn  Carlo  von  Erlaxger  von  dem  italienischen 
Gesandten  Capitain  Cicc.adicola  geschenkt  wurden,  leben 
derzeit  im  Zoologischen  Garten  zu  Frankfurt  a.  M. 

Diese  gleichen  im  Grundton  der  Färbung  sehr  meinem 
Stück  aus  Kaffa.  Als  ich  dieselben  in  Adis  Abeba  im 
Oktober  1900  sah ,  hatten  dieselben  keine  Spur  von  An- 
deutung eines  Sattels  oder  Seitenstreifens.  Als  ich  sie  im 
August  vorigen  Jahres  im  Frankfurter  Garten  sah,  war  der 
Seitenstrich  deutlich  bemerkbar.  Als  ich  sie  im  Januar 
dieses  Jahres  dort  wieder  sah,  war  derselbe  wieder  viel 
schwächer  geworden,  so  dass  man  annehmen  muss,  dass 
die  Färbung  nach  Alter  und  Jahreszeit  stark  variirt. 

Am  Schädel  dieser  Art  fällt  die  stark  blasige  Auf- 
treibung der  Schädelkapsel,  die  grosse  Länge  und  die 
starke  Compression  über  den  Augenhöhlen  auf.  Der  bei 
allen  Streifenschakalen  (adustus  und  lateralis)  sehr  schmale 
Jochbogen  erreicht  bei  dieser  Art  sein  Breiten- Minimum. 
An  dem  vorliegenden  Stück  beträgt  die  Breite  in  der  Mitte 
nur  3V2  mm,  während  ich  bei  einer  grösseren  Anzahl  aus- 
gewachsener adustus-  und  laferalis-'^ahÄ^^X  hier  5 — T'/*  mm 
messe.  Ich  will  hier  noch  bemerken,  dass  ich  der 
Ansicht  de  Winton's^),  Canis  lateralis  und  adustus  seien  nicht 
unterscheidbar.  nicht  beipflichten  kann,  da  sich  besonders 
am  Schädel  erhebliche  Unterschiede  zeigen.  Völlig  irrthüm- 
lich  jedoch  ist,  den  Canis  Jioluhi  Lorenz  mit  diesen  beiden 
Arten  zu  vereinen. 

Diese  Art  hat,  wie  sich  aus  der  guten  Abbildung  des 
Schädels  (Annalen  k.  k.  naturhist.  Ilofmuseum  1896,  p.  9) 
ergiebt,  garnichts  mit  adustus,  lateralis  und  hiffensis  zu  thun, 
sondern  ist  anscheinend  der  nächste  Verwandte  des  Canis 
lupaster  aus  Tripolis  und  Aegypten  und  des  Canis  hadru- 
mautkus  NoACK  aus  Süd-Arabien,  also  kein  Streifenschakal, 


>)  P.  Z.  S.  1890,  p.  541. 


Sitzung  vom  IS.   März  190.2.  55 

sondern  die  ^liiiiatiu-- Ausgabe  eines  Wolfs.  Keiinzeiehen 
dafür  sind  die  rol)Uste  Schädelform  und  der  sehr  breite 
kräftige  Jochbogen. 

Cnnis  Jcnffensis  ist  anscheinend  ein  echter  Urwald-Be- 
wohner, da  Anderatscha  von  grossen  Wäldern  eingeschlossen 
ist  und  keine  Steppe  in  der  Nähe  ist.  Ein  junges  Stück 
dieser  Art  erhielt  ich  auch  lebend  in  ]\[alo  am  Omo. 

Alle  Streifenschakale  scheinen  übrigens  im  Gegensatz 
zu  den  Schabraken-  und  Wolfs-Schakalen  Urwald-Bewohner 
zu  sein. 

Lutra  concolor  nov.  spec. 

Von  der  Grösse  und  Färbung  der  TaUiu  Maculicollis 
Lic:nT..  aber  ohne  Spur  von  weissen  oder  gelben  Flecken 
auf  Kinn  und  Kehle,  vielmehr  ist  das  Thier  vollkommen 
einfarbig  dunkel  otterbraun.     Alle  Füsse  mit  Krallen. 

Mehrere  Felle  in  Adis  Abeba  erkauft.  Ich  wage  diese 
Art  als  neu  zu  beschreiben,  trotzdem  ich  daneben  auch 
mehrere  Felle  von  Lutra  macnlicollis  erhielt,  weil  mir  ganz 
einfarbige  Felle  von  Lutra  macnlicoUis  noch  nicht  bekannt 
sind,  obwohl  ich  eine  ziemliehe  Anzahl  aus  anderen  Theilen 
Afrikas,  besonders  vom  Victoria  Nyansa,  untersuchen  konnte. 
Ausserdem  stammten  die  in  Adis  Abeba  erkauften  Felle 
aus  zwei  verschiedenen  Flussgebieten,  nämlich  dem  Muger 
und  Guder.  zwei  grossen  Nebenflüssen  des  blauen  Nil,  und 
aus  dem  Hauasch.  Ich  möchte  annehmen,  dass  Lutra  con- 
color die  LAifra  muculicollis  im  Hauasch-Gebiet  ersetzt. 

Neben  Fellen  dieser  beiden  Formen  kaufte  ich  in  Adis 
Abeba  mehrere  Felle  der  grossen  Äonyx  capensis  Schinz., 
die  gleichfalls  aus  dem  Hauasch  stammen  sollten. 

Die  kleinere  Art  (concolor)  kommt  übrigens  in  den  zum 
Hauasch  fliessenden  Bächen  in  der  Stadt  Adis  Abeba 
selbst  vor. 

Die  von  mir  gesammelten  Felle  sind  meines  Wissens 
die  ersten  überhaupt  von  Nordost-Afrika  in  europäische 
Museen  kommenden  Otternfelle.  Heuglix  erwähnt  zwar 
(FiTziNGER.  System.  Uebersicht  Säugeth.  von  Nordost-Afrika, 
p.  28)  Ottern  vom  Tumat,  Sobat,  Jabuss,  Bahr  el  abiad,  Bahr 


56  Gesellschaft  naturforsclicnder  Freunde,  Berlin. 

el  asrek  und  von  Tigre,  Semien  und  Woggara.  dann  wieder 
(Reisen  in  Nordost-Afrika  1877.  II,  p.  39)  von  den  Flüssen 
von  Tigre.  Amhara  und  vom  Tana-See.  Doch  sind  an- 
scheinend keine  Beleg-Exemplare  von  ihm  in  europäische 
Museen  gekommen  und  weder  Tkouessart  in  seinem  „Ca- 
talogus  Mammalium",  noch  Pousargües  in  seiner  Zusammen- 
stellung der  tropisch-afrikanischen  Säugethiere  ^)  führen  eine 
Otter  überhaupt  für  Nordost-Afrika  an. 

Ahyssinischer  Name  für  alle  Otter- Arten:   „Dakosta". 

Seiurus  nyansae  nov.  spec. 

Früher  immer  zu  Sc.  nifolrachiatus^)  gezogen,  aber 
grösser  wie  dieses,  besonders  die  Füsse.  Die  schöne  tief 
rostrothe  Farbe,  bei  nifohrdchiatns  auf  die  Innenseite  und 
Unterseite  der  Vorder-  und  Hinterfüsse  beschränkt,  greift 
auf  die  Oberseite  über.  Auch  Kopfseiten  und  Kinn  haben 
schwachen  rostrothen  Anflug. 

Die  Haare  des  Schwanzes  sind  schwarz  mit  schmutzig 
weissen  oder  weissgelblichen  Ringen  und  Spitzen.  Der 
Schwanz  macht  keinen  geringelten  Eindruck  wie  beim 
echten  nifobrachiatus.  Die  Unterseite  variirt  zwischen 
schmutzig  grau  und  hellröthlich. 

Der  Schädel  dieser  Art  scheint  durchwegs  etwas 
kräftiger  und  breiter  zu  sein  wie  der  des  echten  rufo- 
hrachiatus. 

Auf  die  näheren  Eigenthümlichkeiten  des  Schädels 
dieser  sowie  der  folgenden  Arten  werde  ich  an  anderer 
Stelle  zurückkommen. 

Vorkommen:  Nordhälfte  der  Ost-  und  Westküste  des 
Victoria  Nyansa  und  Länder  bis  zum  Albert-  und  Albert 
Edward-See.  Von  Emin  und  Stufilmann  bei  Ntebbi  und 
Ussi  in  Uganda,  Karevia,  Ukonjo  und  Kinjawanga.  von 
mir  bei  Kwa  Kitoto  in  Kavirondo.  Kampala  in  Uganda 
und  Dumo  an  der  Budduküste  (Süd-Uganda)  gesammelt. 


*)  Ann.  Sc.  Nat.  Zool.,  III  art.  9  et  IV  art.  1  (1897). 
'^)  Sciunts  ru/ohmchiatus  Matschie  (nee  Watekh.),    Säugethiere 
Deutsch-Ost-Afrikas,   p.  43.  —   Neumann,   Zool.  Jahrb.   1900,  p.  547. 


Sitzuuf)  vom  IS.  März      1903.  57 

Es  wiirdon  1 1  Stück  dieser  Art  aus  verschiedenen  ^lo- 
naten  des  Jahres  (Januar,  ^lärz.  April.  Juni.  Juli.  De- 
zember) mit  über  20  Exemplaren  von  rufohradantus  von 
Fernando  I'o  und  von  Kamerun  stammend  aus  allen  ]\Io- 
naten  des  .Jahres  verglichen.  Typus  von  mir  in  Kwa  Ki- 
toto  (Kavirondo)  am  5.  März  1894  gesammelt 

Sciurns  h'dffctisis  nov.  spec. 

Körper  etwa  von  der  Grösse  von  nifohnicltiittufi. 
Oberseite  im  allgemeinen  wie  bei  rufobnirJuafus.  nur 
etwas  röther  im  Ton.  Unterseite  rein  weiss.  Innen- 
und  Unterseite  der  Schenkel  nicht  rostroth  wie  bei  mfo- 
bnichintK.^.  sondern  weiss,  mehr  oder  weniger  röthlich  an- 
gelaufen. Oberseite  der  Vorder-  und  Hinterfüsse  hell  rost- 
farben, aber  nicht  tief  rostroth  wit^  bei  nyansae. 

Die  sehr  langen  und  dichten  Sehwanzhaare  zeigen  von 
der  Basis  an  nach  oben  drei  rostfarbene  und  drei  schwarze 
Ringe.  Ueber  dem  letzten  schwarzen  Ring  eine  lange  weisse 
Spitze.  Diese  ist  bei  den  meisten  so  lang,  dass  der  Schwanz 
von  aussen  einen  schwarzweissen  Eindruck  macht.  Streift 
man  die  Haare  auf.  so  bemerkt  man  die  schöne  rostfarbene 
Unterzeichnung. 

Unter  ca.  16  gesammelten  Stücken  sind  zwei  mit 
röthlich  weisser  Unterseite  und  nur  reinweisser  Kehle. 
Diese  zwei  Stücke,  bei  Detscha  in  Kaffa  und  in  Koscha 
(Süd-Provinz  von  Kaffa)  gesammelt,  sind  auch  oben  etwas 
röthlicher  als  die  andern  und  als  partielle  Erytrismen  zu 
betrachten. 

Der  Schädel  dieser  Art  ist  von  ungefähr  gleicher  Länge 
wie  der  von  rufohrnchintus  und  nyansae,  aber  viel  schmäler. 

Lebt  in  Urwäldern  in  2000—2600  m  Höhe,  besonders 
gern  an  Fluss-  und  Bach-Ufern. 

Gesammelt  in  ganz  Kaffa.  März  und  April  1901.  Typus 
bei  Anderatscha  (Kaffa)  am  10.  März  1901  gesammelt. 

Sciurus  dbassensis  nov.  spec. 
Grösse   von  Sciurus  mfobmch/dtus.     Oberseite   wie   bei 
dieser  Art,   nur  etwas  dunkler,   ohne  jeden  röthlichen  Ton. 
Haare  des  Kopfes  gegen  die  Nase  zu  dunkler.     Nase  fast 


58  GesellscJiaft  naturforscJiender  Freunde,  Berlin. 

oder  ganz  schwarz.  Oberseite  der  Füsse  fast  von 
Körperfarbe,  nur  wenig  gelblicher.  Innenseite  heller 
weiss  oder  röthlich  weiss.  Kehle  und  Oberbrust,  zuweilen 
auch  Bauchmitte  rein  weiss.  Uebrige  Unterseite  schmutzig 
grau.  Schwanz  im  allgemeinen  ähnlich  gefärbt  wie  bei 
Sciunts  hiffensis,  doch  sind  die  Haare  etwas  kürzer,  die 
rostfarbenen  Ringe  viel  matter,  die  weissen  Endspitzeu  viel 
kürzer  und  auch  mehr  gelblich  weiss,  nicht  rein  weiss. 
Das  ganze  Thier  macht  einen  viel  weniger  bunten  Eindruck 
wie  kaffensis,  zeigt  übrigens  auch  gewisse  Aehnlichkeit  mit 
Sciums  punctatus  TexMM.  von  West- Afrika,  scheint  aber  kon- 
stant dunkler  zu  sein. 

Der  Schädel  ist  et\vas  gedrungener  wie  bei  hiffensis. 
Besonders  die  Nasalen  sind  kürzer,  setzen  schmal  ein  und 
verbreitern  sich  dann  jäh.  Die  Nasengegend  ist  vorn  auf- 
getrieben, die  Nasenöffnung  somit  grösser  wie  bei  den  ge- 
nannten Arten. 

Die  Schädel  aller  hier  erwähnten  vier  Arten  sind  übrigens 
erheblich  grösser  wie  der  von  Sciunts  muJticulor  Rüpp. 

Sehr  häufig  in  den  Wäldern  am  Südufer  des  Abassi- 
Sees.  ca.   1800  m  hoch. 

Typus  dortselbst  am  9.  Dezember  1900  gesammelt. 

Alle  drei  hier  neu  beschriebenen  Arten  gehören  der 
Untergattung  Helioseinrus  Tet.  an.  Der  Schädel  \o\\  allen 
zeigt  deutlich  den  für  die  Untergattung  charakteristischen 
Zacken  am  oberen  ersten  Molar. 

Es  sei  hier  als  bemerkenswerth  erwähnt,  dass  ich  das 
einzige  bisher  aus  Abyssinien  bekannte  Eichhörnchen 
Sciums  muUicolor  Rüpp..  auf  dessen  Selbständigkeit  oder 
Gleichartigkeit  mit  dem  westafrikanisehen  Sciums  annulutns 
Desm.  ich  hier  aus  Mangel  an  authentischem  Material  aus 
West-Afrika  nicht  eingehen  will,  nicht  mit  Sicherheit  auf 
dieser  Reise  gesammelt  habe.  Vielleicht  gehört  der  Schädel 
eines  bei  Abuje  gesammelten  Eichhörnchens,  dessen  Fell 
leider  durch  einen  Milan  geraubt  wurde,  dieser  Art  an. 

Wohl  aber  besitzt  das  Berliner  Museum  Exemplare 
des  echten  Sciums  multicolor  Rüpp.,  welche  von  Schimper 
in  Tigre   gesammelt    wurden  und  trefflich  mit  Rüppell's 


Sitzung  vom  18.  März  1902.  59 

Beschreibung  tibereinstiramen.  Von  diesen  nun  kann  ich 
inehiTiv  Eichhörnchen  nicht  unterscheiden,  die  ich  auf 
meiner  ersten  afrikanisciion  Reise  in  Lubwa's  (Ussoga)  beim 
Ausfluss  des  Nil  aus  dem  Victoria  Nyansa  gelegen,  und  bei 
Kibuesi  (Siid-Ukamba)  gesammelt  habe  (vide  Neumanx: 
„Säugethiere  von  Ost-  und  Central -Afrika".  Zool.  Jahrb. 
1900.  p.  546). 

Einer  ganz  anderen  Art  jedoch  gehören  die  von  Böhm 
bei  Kakoma.  von  Glauning  neuerdings  am  Moraba-Fluss, 
Uvaraba  im  Tanganyka-Gebiet  gesammelten,  von  Matschie 
(Säiigethiere  von  Deutsch-Ost- Afrika,  p.  40)  als  Sciurits 
unnulatus  Desm.  angeführten  Stücke  an.  nämlich  einer  neuen, 
dem  Scixnis  jaclsoni  de  Winton  nahe  stehenden  und  diese 
im  Tanganyka-Gebiet  vertretenden  Art. 

Sciunis  jacJcsoni  und  diese  Art  .gehören  einer  Gruppe 
an.  die  im  allgemeinen  Aeusseru  der  ce^^c/p^"- Gruppe  sehr 
ähnelt,  sich  aber  durch  viel  längere  Fusssohlen  und  viel 
grösseren  Schädel  unterscheidet. 

Dem  Zahncharakter  nach  scheinen  diese  Arten  auch 
eher  zu  Hdioscurus  als  zu  Fmnscinrus  Trt.  {Paraxcrus 
F.   Major)   zu  gehören.  (Fortsetzung  in  nächster  Nummer.) 

Herr  VON  Martens  sprach  über  einige  Schnecken  der 
Cocosinsel,  nahe  der  Westküste  von  Central- Amerika,  im 
Anschluss  an  die  frühere  Mittheilung  gleichen  Inhalts  im 
November  1898,  S.  156.  Am  11.  — 17.  Januar  1902  hat 
Herr  P.  Biolley  vom  National-Museum  in  S.  Jose.  Costarica, 
diese  Insel  besucht  und  neben  den  schon  1898  von  Herrn 
PiTTiEk  und  1900  von  Hopkins  (s.  Dall,  Proc.  Acad.  nat. 
sei.  Philadelphia,  1900.  S.  97)  gesammelten  noch  einige 
weitere  Formen  von  Landschnecken  aufgefunden. 

1 )  An  Guppya  Hoplcinsi  Dall  schliesst  sich  ganz  nahe 
eine  noch  etwas  höhere  und  im  Umfang  der  letzten  Windung 
deutlich  gekielte  Form  an.  man  kann  sie  bezeichnen  als 
var.  comdus.  testa  conica.  si)ira  sat  elevata.  anfractu  ultimo 
ad  peripheriam  distincte  angulato.  basi  tumido,  centro  fo- 
veolato.  Diam.  maj.  57-1—6,  min.  5— 5V-i^  alt.  4,  anfract. 
6—672  mm, 


60  Gesellschaft  naturforsehender  Freunde,  Berlin. 

Es  ist  das  zugleich  der  Comiliis  sp.  meiner  früheren 
Mittheilung.  Beide  Formen  finden  sich,  wie  es  scheint, 
unter  einander  auf  Humusboden  an  Blättern  von  Gesträuchen 
und  Farnkräutern,  häufig  im  Innern  der  Insel;  von  der 
normalen  Hoplänsi  liegen  mir  10,  von  der  var.  conulus 
16  Exemplare  vor. 

2)  Tornatellina  Pittieri  Marts.  und  T.  Martensi  Dall 
dürften  in  eine  und  dieselbe  amphidrome  Art  zu  vereinigen 
sein,  indem  Herr  Biolley  unter  111  Stück  64  rechts- 
gewundene und  47  linksgewundene  gefunden  hat  und  an 
dieser  Anzahl  die  leichten  Unterschiede  in  der  allgemeinen 
Form,  welche  Dall  für  seine  rechtsgewundene  Art  gegen- 
über T.  Pittieri  anführt,  durchaus  nicht  als  mit  der  Windungs- 
richtung  constant  verbunden  sich  bewähren.  Dagegen  hat 
Herr  Biolley  noch  eine  zweite  Form  von  Tornatellina  ge- 
funden, welche  durch  absolut  und  relativ  länger  gestreckte 
Gestalt  und  den  Mangel  der  Parietalfalte  sich  auffälliger 
unterscheidet  und  sich  folgendermaassen  charakterisiren  lässt: 

Tornatellina  Biolley i  n.  sp. 

Testa  elongata,  subcylindrica.  dextrorsa.  solida.  laevi, 
laete  fulva,  nitida;  anfr.  5V2.  planiusculi,  apice  obtiiso,  sub- 
mammillato,  ultimus  ad  peripheriam  vix  subangulatus,  basi 
sensim  attenuatus;  apertura  7^  totius  longitudinis  occupans, 
subverticalis,  oblonge -trapezoidea.  raargine  externe  ab  in- 
sertione  recte  descendente,  vix  arcuato,  marg.  basali  anguste 
rotundato,  marg.  columellari  subperpendiculari,  leviter  in- 
crassato  et  pliculis  2  obliquis  demum  evanescentibus  in- 
structo.  basi  attenuato;  plica  parietali  nulla.  Long.  lOVs, 
diam.  4,  apert.  long.  4,  lat.  2  mm.     Hab.  Cocos-island. 

Von  drei  Exemplaren  zeigen  zwei  die  zwei  Fältchen 
am  Columellar-Rand,  die  dritte,  scheinbar  älteste  und  dick- 
schaligste,  nicht,   sie  schwinden  also  wohl  mit  dem  Alter. 

Man  kann  sich  fragen,  ob  der  Mangel  der  Parietal- 
lamelle  nicht  etwa  darauf  beruhe,  dass  die  vorliegenden 
drei  Exemplare  alle  noch  nicht  ganz  ausgewachsen  seien. 
Da  bei  T.  Pittieri  diese  Falte  auf  einen  halben  Umgang 
rückwärts  in  das  Innere  der  Schale  sich  erstreckt,  so  müsste 


Sitzutuf  vom  IS.  März  1902.  61 

dann    dio   crwaclisenc   Art  noch    um   2—3  nun   länger  und 
also  auch  dadurch  noch  mehr  verschieden  von  T.  Pittkri  sein. 

Diese  Tornntellincn  fanden  sich  ebenfalls  im  Innern  der 
Insel  Muf  Iluiniishoden  unter  abgestorbenen  BLättern  und 
faulenden  Baumstämmen,  zahlreich. 

3)  Eine  Leptinaria,  weiche  ich  nicht  von  der  im  Binnen- 
land in  Costarica  lebenden  L.  Biolleyl  ]\Iahts.  zu  unter- 
scheiden weiss  (s.  Biologia  Oentr.  Americana,  Moll.  S.  319, 
Taf.  18.  Fig.  14),  ebenfalls  auf  Humusboden  und  unter 
faulenden  Baumstämmen,  aber  in  der  Nähe  von  Wohnungen 
an  der  Bucht  von  Wafer,  und  nicht  zahlreich,  was  den 
Gedanken  an  neuere  Einschleppung  durch  den  Menschen 
bestärlit. 

Von  den  schon  früher  gefundenen,  allen  ziemlich  kleinen 
Landschneckeu  ist  neben  Tornatdlina  und  Giqypya  auch  noch 
Succinea  glohispira  Makts.  im  Innern  der  Insel  ziemlich 
zahlreich  gefunden,  an  Blättern  von  Gesträuchen.  Farn- 
kräutern und  auch  an  abgefallenem  Laube.  Diese  können 
daher  als  relativ  ursprünglichere  Bewohner  der  Insel  gelten. 
Opeas  junceiim  A.  Gour.D  wurde  nur  an  der  Bucht  von 
Wafer,  nahe  an  menschlichen  Wohnungen  an  den  Stämmen 
von  Cocos-Palmen  und  in  den  Blattachseln  von  Bananen 
gefunden,  kann  also  auch  als  erst  in  neuerer  Zeit  ein- 
geschleppt gelten;  Vertl(/o  cocoensis  Dalt.  fand  Herr  Biolley 
nur  an  der  Bucht  von  Chatam.  unter  abgefalleneu  Blättern 
und  an  den  Stengeln  krautartiger  Pflanzen. 

Süsswassersch necken  waren  bis  jetzt  noch  gar  nicht 
von  dieser  Insel  bekannt,  wie  überhaupt  echte  Süsswasser- 
thiere  auf  kleineren  Inseln  auffällig  weniger  vorhanden  sind, 
als  auf  dem  benachbarten  Festlande,  was  sich  sogleich  zeigt, 
wenn  man  in  dieser  Hinsicht  die  westindischen  Inseln  mit 
Nord-  und  Central-Amerika,  die  azorischen  und  kanarischen 
Inseln  mit  Spanien.  Corsika  und  Sardinien  mit  Italien  ver- 
gleicht. Um  so  auffallender  war  es  mir,  dass  Herr  Biolley 
auch  zwei  Schneckenarteu  aus  Süss-  oder  Brackwasser  ein- 
gesandt hat.  beide  aus  der  Mündung  des  Baches  Arroyo  del 
Genio  in  der  Bucht  von  Wafer.  beide  beträchtlich  grösser 
als  alle  Landschneckeu    der  Insel    und    beide  entschieden 


52  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

nach  Central-Amerika  hinüberweiseud.  Es  ist  eine  Ncriüna 
und  eine  Auricula,  die  erstere  au  Steinen,  die  letztere 
an  abgestorbenem  Holz  ansitzend.  Die  genannte  Neritine. 
bis  27  mm  hoch  und  30  mm  lang,  ist  identisch  mit  Ncr'dhui 
latissima  var.  glohosa  Brod.  in  den  dem  stilk-n  Ocean  zu- 
fliessenden  Bächen  und  Flüssen  von  Nicaragua,  Costarica. 
Panama  und  Ecuador,  die  Auricula.  bis  31  mm  lang,  mit 
A.stafj/nalisOiiB.,  welche  im  Brackwasser  der  amerikanischen 
Westküste  von  San  Salvador  bis  Guayaquil  bekannt  ist. 
Es  ist  etwas  schwierig  sich  vorzustellen,  wie  diese  beiden 
an  festen  Boden  gebundenen  und  nicht  leicht  mit  Gegen- 
ständen menschlichen  Verkehrs  in  Berührung  kommenden 
Schnecken  den  Weg  über  den  Ocean  nach  der  etwa  600  km 
entfernten  Cocosinsel  gemacht  haben:  für  die  Auricula, 
welche  sich  gern  an  faulendes  Holz  setzt,  dürfte  zunächst 
an  Transport  durch  schwimmende  Baumstämme  gedacht 
werden,  wie  Geh.  Rath  Eilh.  Schulze  vermuthen  möchte; 
für  die  Neritina,  welche  in  wirklich  fliessendem  Wasser  an 
Steinen  lebt,  dürfte  kaum  etwas  Anderes  übrig  bleiben  als 
der  von  Herrn  P.  Matschie  au  die  Hand  gegebene  Ausweg 
des  Transports  durch  einen  Wasservogel;  an  den  Zehen 
eines  solchen  konnte  sich  die  Schnecke  festklemmen,  indem 
sie  bei  Berührung  den  Deckel  rasch  schloss,  und  in  die 
Luft  erhoben,  konnte  sie,  den  Deckel  krampfhaft  geschlossen 
haltend,  lebend  manche  Stunden  lang  transportirt  werden, 
wie  ähnliche  Fälle  von  noch  grösseren  Süsswassermuseheln 
(Anodonta)  beobachtet  sind,  und  da  bei  der  Gattung  Neritina 
die  Eikapseln  gern  in  Mehrzahl  auf  die  Schalen  anderer 
Individuen  abgesetzt  werden,  konnte  der  Transport  eines 
Individuums  zur  Ansiedelung  einer  ganzen  Kolonie  genügen. 

Herr  VON  Marxens  sprach  ferner  über  die  geogra- 
phische Verbreitung  von  Pomatias  septemspiralis 
Raz.  {maculdtus  Dkai'.),  eine  Untersuchung,  zu  welcher 
er  von  Herrn  von  Mäiirenthal  angeregt  wurde.  Wenn 
wir  die  allgemeineren  Angaben  in  den  neueren  Hand-  und 
Nachschlagebüchern  ansehen,  so  scheint  es,  als  ob  diese 
Schnecke    durch    den    grössten  Theil    von  Frankreich   und 


Sitzunfi  TOI»  IS.  März  1902.  63 

über  (las  f;^anzo  Oebiot  dor  Alpen  verbreitet  sei  und  man 
;j:;laiibt  nainciitlicli  an  letzterni  nicht  zweifeln  zu  dürfen, 
wenn  man  nachgewiesen  tindet,  dass  sie  in  Savoyen  und 
Ober-Itaijcn,  in  der  fi'anz(>sis(ln'n  und  in  der  Central-Schweiz, 
in  ({ranbiindtcn,  in  Obcr-Haiern  und  dem  Erzherzogthum 
Oesterit'icii,  in  'riioi.  Steiermark.  Kärntheu  und  Krain  lebt. 
Ein  anderes  1311(1  der  Verbreitung  ergiebt  sich  aber,  wenn 
man  von  den  politischen  Grenzen  der  Staaten  und  Pro- 
vinzen absieht  und  die  einzelnen  Fundorte,  die  in  der  Lite- 
ratur angegeben  sind  oder  von  denen  uns  Exemplare  vor- 
liegen, auf  einer  geologis(;hen  Karte  Mittel-Europas  aufsucht. 
z.  ß.  derjenigen  von  H.  von  Dechen,  2.  Ausgabe  1869, 
oder  derjenigen  der  Schweiz  von  B.  Studek  und  Escher. 
2.  Ausgabe.  Ich  habe  seit  nahezu  50  Jahren  mir  fau- 
nistische  Spezialverzeichnisse  europäischer  Mollusken  an- 
gesammelt und  Vertreter  verschiedener  Fundorte  auch  für 
allgemein  verbreitete  Arten  erst  in  meiner  und  meines 
Vaters  Sammlung,  später  in  der  öffentlichen  des  Berliner 
Museums  zusammenzubringen  gestrebt,  um  zuverlässige  An- 
haltspunkte für  die  Verbreitung  der  einzelnen  Arten  zu  ge- 
winnen Gehen  wir  zunächst  von  Westen  aus.  wo  die  Art 
zuerst  wissenschaftlich  bekannt  wurde,  so  finden  wir  ein 
zusammenhängendes  Verbreitungsgebiet  im  schweizerischen 
und  französischen  Jura  und  den  südöstlich  angrenzenden 
Kreidebildungen  des  Waadtlandes  und  Savoyens.  Die  Art 
wurde  zuerst  im  Jorat  des  Waadtlandes  von  Razoumowsky 
1789  beschrieben.  Stüder  fand  sie  1778  zwischen  Vevay 
und  Villeneuve  am  Nordufer  des  Genfer  Sees.  Charpentier 
nennt  sie  gemein  im  ganzen  Kanton  de  Vaud,  ich  sammelte 
sie  ebenda  bei  Montreux  imd  Chillon,  Jeffreys  fand  sie 
am  Mont  Saleve  (Kreideformation)  bei  Genf  1854  und  ich 
erhielt  sie  von  P.  Godet  als  eine  der  häufigsten  Schneken 
bei  Neufcliatel.  Bei  Delsberg  im  Berner  Jura  hat  sie 
Andreae  (Jahrbuch  d.  Mal.  Gesellsch.  1880,  S.  38),  ge- 
sammelt; ferner  sagt  Studer  1820  „dem  ganzen  Jura  nach 
von  Neuenbürg  bis  Solothurn",  an  welch  letzterem  Ort  sie 
neuerdings  auch  FiRBuiNCEu  sammelte,  und  von  da  erstreckt 
sie  sich  noch  ein  wenig  über  den  Rhein  hinüber  nach  Klein- 


54:  GesellscJiaft  7iatuifors7icender  Freunde,  Berlin. 

Kerns,  Bezirksamt  Lörrach  in  Baden.  Süsswasserkalk, 
Von  den  Fundorten  im  Elsass  liegen  Pfritt  und  Beifort 
auf  Juraboden,  keiner  in  den  Vogeseu.  Weiterhin 
fand  ich  sie  bei  Besan^on  im  eigentlichen  Jura  und  sie 
ward  von  verschiedenen  Sammlern  aus  den  Departements 
Ain  (LocARD  1885,  als  Landscliaft  Bresse  schon  bei  Dra- 
PARNAUD  angegeben),  Cöte  d'or,  sowie  aus  den  Gebieten 
der  oberen  Marne  (bei  Deujeaux).  der  oberen  Maass  bei 
Mirecourt  und  Verdun,  der  oberen  Mosel  und  ilires  Zuflusses 
der  Meurthe  (bei  Nancy)  angegeben,  alles  nach  der  ge- 
nannten Uebersichtskarte  noch  Juraboden.  Hieran  schliesst 
sich  ihr  Vorkommen  in  Deutsch-Lothringen  bei  Metz  an, 
aber  in  die  Rheinprovinz  geht  sie  nicht  hinein,  ebensowenig 
nach  Belgien.  Wie  weit  sie  sonst  noch  in  Frankreich 
ausserhalb  des  Juragebiets  und  der  Alpen  vorkomme,  lasse 
ich  zunächst  dahin  gestellt.  Wenn  Draparnaud  1805  über- 
haupt den  Norden  Frankreichs  und  Locard  das  gebirgige 
nördliche  Frankreich  als  Vaterland  der  Art  angiebt.  so  ist 
das  eben  nur  von  ihrem  Wohnsitz.  Montpellier  und  Lyon, 
aus  zu  beurtheilen  Immerhin  aber  möchte  ich  das  Vor- 
kommen an  der  Nordküste  Frankreichs  in  Abrede  stellen, 
trotz  der  Angaben  von  zwei  älteren  Departementsfauneu, 
BoucHARD  für  Pas  de  Calais  1825  und  Collard  des 
Chevres  für  Finisterre  1830,  da  sie  in  späteren  Spezial- 
verzeichnissen  dieser  Gegenden  nicht  mehr  angegeben  wird 
und  bezüglich  Finisterre  von  Bourguignat  (malacologie  de 
la  Bretagne  1860)  ausdrücklich  bestritten  wird.  Das  an- 
gebliche Vorkommen  in  der  Auvergne  (Urgebirge  und 
Eruptivgestein),  von  Moquin  Tandon  mit  Berufung  auf 
BouiLLET  angeführt,  möchte  ich  bezweifeln,  da  Bouillet 
selbst  in  seinem  Catalog  der  Mollusken  der  Auvergne  1836 
die  Art  gar  nicht  nennt.  Wenden  wir  uns  nun  vom  Jura 
zu  den  Alpen  zurück,  so  finden  wir  unsere  Art  aus  der 
Umgebung  der  drei  wichtigsten  Städte  Savoyens  angegeben. 
Annecy,  Aix  und  Chambery.  aber  die  beiden  ersteren  liegen 
noch  im  Gebiet  der  Kreideformation,  Chambery  in  dem  der 
Juraformation,  in  geologischem  Zusammenhang  mit  Genf 
und  dem  Waadtland,  nicht  im  Urgebirge  der  Ceutral-Alpeu. 


Sitzuug  vom  IS.  März  1903.  65 

Vom  Genfer  See  aus  i^eht  unsere  Art  noch  ein  Stück  weit 
in  das  Rhonethal  von  Wallis  hinauf,  Chari>entiku  hat  sie 
von  Bex  an  seine  Correspondenten  geschickt  und  ich 
sammelte  sie  noch  bei  S.  ]\[aurice.  beides  auf  Juraformation, 
aber  nicht  mehr  bei  Martigny.  wo  eben  Gneiss  und  Glimmer- 
schiefer nebst  carbonischem  Gestein  an  die  Rhone  herantritt. 
Weiter  aufwärts  im  Wallis  kennen  wir  Pomatias  nicht, 
ebensowenig  aber  auch  in  den  Kalkalpen  des  Berner  Ober- 
landes, obgleich  da  doch  schon  von  vielen  Liebhabern  ge- 
sammelt wurde;  auch  im  Urserenthal  und  am  Brünig  fand 
iih  sie  nicht  und  wir  müssen  bis  zum  Vierwaldstätter  See 
um  sie  wieder  zu  finden;  hier  kennt  sie  schon  Studer 
1820  und  IIautmanx  (Gasteropoden  der  Schweiz  1840, 
S.  47)  von  Kerns  in  Unterwaiden,  ich  fand  sie  bei  Brunnen 
1882.  BouHGuiGNAT  (1862)  nennt  noch  einige  zwischen- 
liegende Fundorte  am  See;  hier  ist  wieder  Kreideformation, 
das  Urgebiige  beginnt  erst  oberhalb  Altdorf:  aber  dieses 
Vierwaldstätter  Gebiet  hängt  betreffs  des  Vorkommens  von 
Pomatias  auch  nicht  mit  demjenigen  in  der  französischen 
Schweiz  continuirlich  zusammen,  denn  die  Schnecke  fehlt 
nach  Tu.  Stcder's  ausdrücklicher  Angabe  (Mitteilungen  der 
naturforschenden  Gesellschaft  in  Bern  1884)  in  der  Um- 
gebung von  Bern  und  ist  in  diesem  Kanton  auf  den  Zug 
des  Jura  beschränkt.  Weiterhin  aus  der  Schweiz  sind  nur 
noch  zwei  Fundorte  bekannt  geworden,  die  Maienfelder 
Furka  zwischen  Arosa  und  Davos,  nahe  der  Passhöhe  auf 
Arosaer  Seite,  von  H.  Suter-Näf  entdeckt,  der  einzige 
Fundort  in  Graubündten  nach  Am-Stein"s  zweitem  Ver- 
zeichoiss  der  Mollusken  Graubündtens  von  1885,  S.  83. 
Dieses  ist  wohl  der  höchstgelegene  Punkt  des  Vorkommens 
dieser  Schnecke  (Passhöhe  2445  Meter)  und  hier  ist  nach 
der  Karte  triasischer  Dolomit,  also  auch  ein  Kalkgestein, 
wenn  auch  das  Urgebirge  nicht  ferne.  Der  letzte  Fundort 
innerhalb  der  Schweiz  ist  Mendrisio  im  äussersten  Süden 
des  Kantons  Tessin  zwischen  dem  Luganer  und  dem  Comer- 
See,  in  den  Vorbergen  der  südlichen  Kalkali)en.  durch  die 
ganze  Breite  der  Central-Alpen  von  den  anderen  Schweizer 
Fundorten  getrennt. 


66  Gesellscluxft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

In  den  nördlichen  Kalk-Alpen  tritt  nun  noch  einmal 
eine  Lücke  ein.  wir  kennen  unsere  Schnecke  nicht  von 
Glarus  (s.  0.  Heer.  Kanton  Glarus  1846),  nicht  von  St. 
Gallen  und  Appenzell  {Hartmann  1840,  v.  Martens 
1889—90,  Ulrich  189-2—93),  nicht  aus  dem  Lech-  und 
Isar- Gebiet  Oberbaierns  (Held.  Clessin,  v.  Marxens)  und 
nicht  aus  Vorarlberg  und  Nord -Tirol  (Strubel  1844, 
Gredler  1856,  1859  u.  1894.  Gremblich  1879)  und  wir 
müssen  in  den  nördlichen  Kalkalpen  bis  an  das  Inn-Gebiet 
gehen,  um  sie  wieder  zu  finden,  bei  Tegernsee  spärlich, 
Held  1846—47,  ebenda  am  Albach  und  ferner  Wolfsschlucht 
bei  Fischbach  am  Inn  zwischen  Kufstein  und  Rosenheim. 
1  Exemplar  v.  Marxens  1893.  Hier  beginnt  nun  wieder  ein 
kontinuirliches  Verbreitungsgebiet  für  unsere  Art,  das  sich 
über  Berchtesgaden,  wo  sie  schon  v.  Voith  (in  Sturm's 
Fauna,  Heft  IV,  1819.  Taf  3)  kennt  und  ich  sie  auch  1878 
innerhalb  der  Stadt  selbst  an  einem  haushohen  Felsenblock 
zahlreich  fand,  über  das  Salzkammergut  und  Seengebiet 
Ober-Oestreichs  bis  Mödling  bei  Wien  (Paunevss  1850, 
TwRDY  1889)  fortsetzt.  Wie  weit  reicht  nun  aber  dieses 
Verbreitungsgebiet  nach  Süden?  Von  Reichenhall  aus  habe 
ich  diese  Schnecke  in  der  Umgebung  der  Schwarzbergklamm 
bei  Unken  gefunden,  schon  auf  östreichischem  Boden,  nahe 
der  Grenze  von  Tirol,  aber  noch  im  Kalkgebiet,  wie  schon 
das  Vorkommen  der  Klamrabildung  zeigt,  und  in  den 
Gollinger  Oefen.  südlich  von  Salzburg,  ebenfalls  Kalkboden, 
aber  nicht  mehr  in  dem  Fuschthal.  das  schon  zum  Ur- 
gebirge  gehört  und  von  wo  auch  Sturany  1892  sie  nicht 
aufführt.  Südlich  vom  Erzherzogthum  Oestreich  folgt 
Steiermark  und  von  da  ist  mir  nur  ein  Fundort  bekannt 
geworden,  Wörschach,  von  Ant.  Wagner  in  seiner  gründ- 
lichen Monographie  von  Pomatias  (Denkschriften  der 
Wiener  Akademie  LXIV)  1897  angegeben;  dieser  Ort  liegt 
im  oberen  Ennsthal,  kurz  oberhalb  des  grossen  Knies,  das 
dieses  Thal  nach  Norden  macht,  in  der  Grui)pe  der  Enns- 
thaler  Alpen  nach  Aug.  Böiim's  Gruppirung  von  1887  noch 
zu  den  nördlichen  Kalkalpen  gehörig,  aber  schon  nahe  den 
Tauern.    Von  diesen  kennen  wir  Vomatias  ebensowenig  als 


Sitzumj  vom  18.  März  1902.  67 

aus  dem  mittleren  Tirol  und  \vir  müssen  im  Osten  schon 
bis  Käriithen  südwärts  <,'elien.  um  wieder  Pomatins  zu 
linden;  hier  sagt  von  Galli;nstkin  1852  zwar,  dass  unsere 
Art  überall  sehr  häulig  sei.  al)er  er  war  in  Klageut'urt  zu 
Hause  und  L.  Pficikfkk  (Archiv  f.  Naturgeschichte  1841, 
S.  225)  nennt  gelegentlich  seiner  Reise  durch  die  öster- 
reichen  Staaten  nach  Salzburg  nur  noch  Klagenfurt  und  das 
Isonzothal  als  specielle  Fundorte  für  unsere  Art,  Ant. 
Wagnek,  der  in  Wien  doch  Gelegenheit  haben  musste. 
über  das  Vorkommen  sich  näher  zu  unterrichten,  nennt 
nach  Wörschach  in  Steiermark  gleich  Tarvis  und  Malborget, 
beide  noch  südlicher  als  Klagenfurt  und  sonst  keine  anderen 
Fundorte  für  Kärnthen.  Das  Klagenfurter  Becken  nun  liegt 
nach  Böhm's  vorgenannter  Eintheilung  zwischen  den 
Norischen  Alpen  im  Norden  und  den  Karnischen  Alpen 
im  Süden,  erstere  zu  den  Central-,  letztere  zu  den  süd- 
lichen Kalk-Alpen  gehörig;  Tarvis  und  Malborget  aber 
ganz  im  Gebiet  der  Karnischen  Alpen.  Wir  haben  also 
hier  das  Resultat,  dass  nach  den  bis  jetzt  bekannt  ge- 
wordenen Fundorten  zu  schliessen.  im  Salzkammergut, 
Steiermark  und  Kärnthen  unsere  Art  zwar  Fundorte  in  den 
nördlichen  und  in  den  südlichen  Kalk-Alpen  bis  dicht  heran 
an  die  Central -Alpen,  aber  keine  speciell  konstatirten  in 
diesen  selbst  hat.  Dasselbe  ist  noch  deutlicher  für  Tirol 
der  Fall;  wir  haben  schon  gesehen,  dass  sie  in  Nord-Tirol 
fehlt  und  Grkdler  beginnt  in  seiner  ausführlichen  Arbeit 
über  Tirols  Land-  und  Süsswasser-Conchylien  1856  die 
Aufzählung  der  Fundorte  in  Süd- Tirol,  von  Norden  nach 
Süden  fortschreitend  mit  dem  Fleimsthal  und  Lavis,  nörd- 
lich von  Trient,  also  der  Gegend  der  Dolomiten,  und  sagt 
in  der  mehr  übersichtlichen  Zusammenstellung  von  1894 
kurzweg,  „in  Süd-Tirol,  soweit  die  welsche  Zunge,  richtiger 
die  Kalkregion,  reicht."  Im  Porphyrgebiet  Bozens  fehlt 
sie  wohl  sicher,  denn  sonst  müsste  Gkedler  sie  gefunden 
haben. 

An  der  Nordseite  der  Alpen  hatten  wir  es  nur  mit 
einer  Art  zu  thun,  die  Exemplare  aus  dem  französischen  uud 
Schweizer  Jura,  von  den  Ufern  des  Genfer-  und  Vierwald- 


ß3  GesellscJutft  naturfoiscJtender  Freunde,  Berlin. 

stätter-Sees,  aus  Oberbaieru  und  dem  Erzherzogthum  Oest- 
reich  werden  von  den  Couchyliologen  bis  jetzt  einstimmig,  in 
letzter  Instanz  noch  von  Ant.  Wagner  als  eine  und  dieselbe 
Art  betrachtet  (mit  einziger  Ausnahme  einer  Form  von 
zwei  Fundorten  aus  dem  Seengebiet  Ober-Oestreichs  und 
Ober-Steiermarks,  welche  er  als  Varietät  Uüttneri  des  süd- 
alpitiischen  Pomatias  Henricae  aufführt),  aber  an  der  Süd- 
seite der  Alpen  differenzirt  sich  die  Gattung  Pomatias  in 
verschiedene,  zum  Theil  erst  in  neuster  Zeit  schärfer 
unterschiedene  Arten  und  setzt  sich  mit  solchen  in  das 
südlichste  Frankreich,  Italien  und  Balkan-Halbinsel  fort. 
Es  ist  daher  bei  etwas  älteren  Angaben  aus  den  südlichen 
Kalk-Alpen  Vorsicht  nöthig,  ob  unter  dem  Namen  Cydostoma 
maculatum  auch  wirklich  unser  jetziger  Pomatias  septem- 
spiralis  gemeint  sei,  es  scheint  aber  doch  in  vielen  Fällen 
wirklich  der  Fall  zu  sein;  Ant.  Wagner  sagt  darüber: 
„an  den  südlichen  und  östlichen  Grenzen  des  Verbreitungs- 
gebietes der  typischen  Form,  also  in  Nord -Italien  und 
Tirol  einerseits,  Krain,  Süd -Steiermark,  Kroatien  und 
Bosnien  andrerseits,  treten  Formen  auf.  welche  auffallender 
vom  Typus  abweichen  und  unter  Berücksichtigung  der 
geographischen  Verbreitung  als  Varietäten  aufgefasst  werden 
können." 

Für  unsern  Ueberblick  handelt  es  sich  wesentlich  nur 
noch  darum,  wie  sich  Pomatias  in  den  südlichen  Kalk- 
Alpen  gegen  das  Urgebirge  der  Central-Alpen  abgrenzt,  sei 
es  septemspiralis  selbst,  sei  es  eine  sehr  nahe  stehende  Art, 
und  zwar  nur  in  Italien,  da  dieses  Verhalten  innerhalb  der 
österreichischen  Monarchie  schon  besprochen  ist.  Wenn  wir 
von  den  deutlich  verschiedenen  Arten  im  Gebiete  der 
Meer-Alpen  und  den  nördlichsten  Appenniuen  absehen,  ist 
der  westlichste  mir  bekannte  Fundort  in  Ober-Italien 
Varese  zwischen  dem  Lago  Maggiore  und  Comer-See  (mein 
Vater  1840),  wo  eben  die  Kalkformation  beginnt  im  Gegen- 
satz zu  dem  sog.  Urgebirge  das  am  grösseren  Theil  der  Ufer 
des  Lago  Maggiore,  namentlich  dessen  mehr  besuchten 
westlichen  und  nördlichen  herrscht;  von  da  zieht  sich  die 
Verbreitung   über  die  Kalkfelsen  am  Luuaner-  und  Corner- 


SilzuHy  vom  IS.  März  1902.  69 

See  (PoRRo  1838.  Villa  uml  manche  andere  Sammler) 
dann  über  Bergamo,  die  Seen  von  Iseo  und  Idro  (Ai)AiMi.  PiNi) 
und  Val  de  Non  (dl  Bktta  1888)  zum  Garda  See,  wo  es 
sich  an  das  Vorkommen  in  Süd -Tirol  anschliesst.  ferner 
über  Bassano  bis  zum  Frinl  (G.  v.  Mautens  1824. 
BiiUMATi  1838).  wo  es  sieh  an  Krain  und  Kärnthen  an- 
schliesst. alles  Kalk-Alpen.  Im  Veltlin  dagegen  habe  ich 
sie  nicht  gefunden  und  auch  nicht  im  Tessinthal  zwischen 
Gütthard  und  Lage  Maggiore.  und  meines  Wissens  auch 
kein  Anderer;  beide  g(>hören  eben  schon  zum  Urgebirge. 

Das  Resultat  dieser  Durchmusterung  der  Fundorte  ist 
also  dass  Pomutias  septemspiralis  au  der  Nordseite  der 
Alpen  drei  von  einander  getrennte  Verbreitungs- 
bezirke hat.  1)  den  französischen  und  Schweizer 
Jura  in  weiter  Ausdehnung  mit  den  austossenden  Kreide- 
und  Tertiärgebieten,  hydrographisch  zu  Rhone,  Rhein  und 
Seine  gehörig.  2)  das  Kreidegebiet  an  der  südliehen 
Hälfte  des  Vierwaldstätter-Sees  und  3)  die  östlichen 
Kalk -Alpen  vom  Gebiet  des  untern  Inn  an  bis  Wien,  dagegen 
in  den  südlichen  Kalk-Alpen  ein  zusammenhängen- 
des Gebiet,  östlich  von  Lage  Maggiore  beginnend  und  bis 
Krain  (und  in  einer  Varietät  nach  A.  Wagner  bis  Agram) 
fortgesetzt,  dass  aber  dazwi=?cheu  ein  mehr  oder  weniger 
breiter  Gürtel  der  Central -Alpen  liegt,  in  welchem  noch 
kein  Fundort  für  dasselbe  nachgewiesen  ist.  wenn  man 
nicht  etwa  den  einen  isolirten  in  Graubündten  noch  dahin 
rechnen  will. 

Betrefts  der  absoluten  Meereshöhe  liegt  die  Thalsohle 
oder  Seefläche  der  meisten  im  Schweizer  Jura  und  an  der 
Nordseite  der  Alpen  angegebenen  Fundorte  zwischen  400 
und  500  Meter,  man  kann  aber  für  das  wirkliche  Vor- 
kommen dieser  an  den  Felsen  lebenden  Schnecke  immer 
noch  100  bis  200  JMeter  hinzufügen.  Abgesehen  von  dem 
ganz  isolirten  in  Graubündten  ist  der  höchste  in  den  nörd- 
lichen Kalk-Alpen,  den  ich  speciell  constatiren  kann,  die 
Schwarzbergklamra  bei  Unken,  806  Meter.  Kelheim  liegt 
etwa  380  Meter  hoch.     In   den   südlichen   Kalk-Alpen   be- 


70  Gesellschaft  naturforscliender  Freunde,  Berlin, 

ginnt  die  Schnecke  etwa  1000  Meter  (Fleimserthal)  und 
geht  bis  69  Meter  (Höhe  des  Garda-Sees)  herunter. 

So  nach  den  bisher  bekannt  gewordenen  Fundorts- 
angaben, "weitere  Funde  mögen  allerdings  die  Grenzen 
noch  etwas  verschieben  und  ich  möchte  es  nicht  für  so 
sehr  unwahrscheinlich  halten,  dass  auch  noch  an  einer 
und  der  andern  Stelle  der  Central  -  Alpen  unsere 
Schnecke  gefunden  werden  sollte.  Jede  Art  sucht  sich 
eben  auszubreiten  so  weit  sie  kann,  und  besonders 
günstige  anderweitige  Bedingungen  mögen  die  ungünstige 
der  geoguostischen  Boden beschaffenheit  hier  und  da  com- 
pensiren  können;  auch  müssen  wir  zugeben,  dass  von  den  zu 
den  Central -Alpen  gehörenden  Gegenden  noch  verhältniss- 
mässig  weniger  Specialverzeichnisse  der  sie  bewohnenden 
Conchylien  existiren,  als  von  den  nördlichen  und  süd- 
licheren Gegenden,  wahrscheinlich  eben,  weil  sie  durch 
geringern  Reichthum  weniger  dazu  aufgefordert  haben.  Im 
Allgemeinen  sind  aber  die  Alpen  in  ihrer  ganzen  Aus- 
dehnung schon  so  vielfach  von  Conchyliologen  durchforscht 
worden,  dass  die  angegebene  Gruppirung  des  Vorkommens 
unserer  Art  im  Grossen  und  Ganzen  sich  bewähren  dürfte, 
wenn  auch  mit  einzelnen  Verschiebungen  der  Grenzen. 

Eine  gewisse  Analogie  in  ihrer  Verbreitung  innerhalb 
Mittel-Europa  bildet  die  andere  bekanntere  Cydostomide 
Cyclostoma  elegans,  indem  sie  auch,  wesentlich  eine  süd- 
europäische Schnecke,  von  Westen  und  von  Osten,  in  den 
Kern  von  Mittel-Europa  eingreift,  von  Frankreich  her  über 
das  mittlere  Rheinthal  und  Hessen  bis  zur  Uustrutmündung 
bei  Naumburg  und  von  Südosten  her  bis  in  die  Umgegend 
von  Wien;  nur  ist  hier  der  wesentliche  Unterschied,  dass 
Cyclostoma  elegans  keine  Gebirgs-  und  Felsenschnecke  ist, 
vielmehr  kultivirten  Boden  liebt,  sich  daher  weiter  im 
Nordwesten  ausdehnt  bis  England,  weniger  in  den  Alpen 
selbst,  und  vielleicht  erst  durch  den  Weinbau  nach 
Deutschland  gekommen  ist.  Eine  andere  Analogie,  als 
Felsenschnecke  der  nördlichen  und  der  südlichen  Kalk- 
alpen, mit  Ausschluss  der  centralen,  liefert //e//a;  (Campylaea) 
Presli  F.  J.  Schmidt,  nur  mit  dem  Unterschied,  dass  diese 


Sitzung  vom  IS.  März  1903.  7  t 

nur  in  dorn  östlirlicm  Thoil  der  Alpen  vorkommt,  westlich 
Itis  zum  oberen  Lech,  vgl.  darüber  diese  Sitzungsberichte 
1865.  S.   IGl,    IG2. 

Nocli  ist  aber  ein  Fundort  von  Poinafias  scptcmspiralis 
zu  erwähnen,  der  am  meisten  isolirte  und  nördlichste. 
Kelheim  an  der  Donau  nahe  ihrer  grüssten  nördlichen  Aus- 
biegung oberhalb  Hegensburg.  etwa  185  Kilometer  von  dem 
näciisten  bekannten  Fundort.  Tegernsee,  entfernt  und  durch 
die  bairisciie  Molasse  Hochebene  davon  getrennt,  ebenso 
durch  den  ganzen  schwäbischen  Jura  und  südlichen  Schwarz- 
wald mehr  als  doppelt  so  weit  von  ihrem  nächsten  Vor- 
kommen im  Schweizer  Jura,  aber  auch  auf  Jurakalk.  Plier 
fand  sie  1818  mein  Vater,  als  er  mit  dem  „Ulmer  Schiff" 
von  Ulm  nach  \\  ien  fuhr  und  die  Schiffer  nach  Passirung 
der  Stromenge  an  der  ersten  zugänglichen  Stelle  des  nörd- 
lichen Ufers  landeten,  einer  früheren  Einsiedelei,  späteren 
Kneipe  und  zwar  fand  er  dieselbe  in  Gesellschaft  ver- 
schiedener seltener  Felsenpflanzcn  auf  dem  Felsenboden,  zu- 
nächst an  einem  Moose.  Hcdnigia,  sitzend  (Geokg  v.  Marxens 
Reise  nach  Venedig  1824,  Bd.  I,  S.  94).  Später  hat  sie 
Clessin  wieder  daselbst  gefunden.  Es  würde  der  Mühe 
werth  sein,  die  benachbarten  Gegenden  des  fränkisclien 
Jura  daraufhin  zu  durchforschen,  ob  sie  hier  noch  weiter 
verbreitet  sei;  darauf  deutet  vielleicht  eine  Angabe  Hrld's 
im  Jahresbericlit  der  Münchener  Polytechnischen  Schule  von 
1846  —  47.  S.  22.  dass  er  sie  bei  Regensburg  an  Felsen 
hie  und  da  häufig  gefunden  habe;  aber  da  Clessin.  der 
selbst  einige  Zeit  in  Regensburg  wohnte,  nur  Kelheim 
nicht  Regensburg  als  Fundort  nennt  kann  es  auch  sein, 
dass  Held  denselben  Fundort  meint  und  nur  unbestimmt 
nach  der  grösseren  Stadt  als  .^bei  Regensburg"  bezeichnet; 
an  den  Felsen  der  Walhalla  fand  ich  sie  bei  zweimaligem 
Besuche  nicht.  Es  giebt  manche  Beispiele,  dass  Land- 
schnecken des  Alpengebiets  so  gut  wie  Pflanzen  durch  die 
Flüsse  in  die  Ebene  hinaus  verbreitet  wurden,  so  ist  Hclix 
üillosa  durch  die  Hier  bis  Wiblingen  bei  Ulm  und  durch 
den  Lech  nach  Augsburg  verbreitet  worden,  übersciireitet 
aber  nirgends  die  Donau  nach  Norden,   da   diese  eben  wie 


72  GesellscJuift  natitrforschender  Freunde,  Berlin. 

eine  Dachrinne  für  das  Herabscliwemmen  die  Grenze  bildet 
und  HeUx  silvaüca  var.  montana  aus  Bern  und  dem  Scliweizer 
Jura  ist  durcli  Aar  und  Rhein  in  dem  Ufergebüsch 
am  Rheinufer  unweit  Karlsruhe  in  Baden  angesiedelt 
worden.  Für  Fomatias  ist  diese  Erkläi'ung  aber  nicht  statt- 
haft, denn  gerade  im  Flussgebiet  der  Hier  und  des  Lechs, 
den  Flüssen,  die  oberhalb  Kelheim  von  Süden  in  die  Donau 
münden,  fehlt  diese  Schnecke,  wie  wir  oben  gesehen  haben, 
und  der  Inn,  in  dessen  Gebiet  sie  sich  findet,  mündet  weit 
unterhalb  davon.  Es  bleibt  also  nichts  übrig,  als  an  einen 
zufälligen  Transport  durch  einen  Vogel  oder  einen  Menschen 
zu  denken.  Es  scheint  öfters  vorzukommen,  dass  einzelne 
Schneckenarten  einen  vorgeschobenen  Posten  mehr  oder 
weniger  weit  von  ihrem  sonstigen  Verbreitungsgebiet,  wohin 
sie  mehr  oder  weniger  wahrscheinlich  durch  Zufall  ge- 
kommen, viele  Jahre  hindurch  behaupten,  ohne  sich  daselbst 
weiter  auszubreiten;  so  habe  ich  1886  Helix  rupcstris  am 
Kitzelberg  unweit  Hirschberg  in  Schlesien,  CJausilia  oniata 
und  Ilclix  fausüna  an  bestimmten  Stellen  der  Grafschaft 
Glatz  gerade  da  augetroffen,  wo  sie  schon  Scholtz  1843 
imd  1852  angegeben,  Clausilia  itala  var.  Bramii  1873  an 
den  Mauern  der  ehemals  Babo" sehen  Weinberge,  wo  sie 
schon  seit  1836  durch  Alex.  Bkaun  bekannt  war.  HcUx 
Presli  bei  Steg  im  oberen  Lechthal  1892,  wo  sie  1877  von 
Clessix  augegeben,  und  in  all  diesen  Fällen  mich  vergeb- 
lich bemüht,  sie  auch  an  anderen  benachbarten,  anscheinend 
ebenso  günstigen  Orten  zu  finden.  Ein  sehr  auffallendes 
Beispiel,  wie  der  Zufall  sein  Spiel  treiben  kann,  bietet 
Hdix  cimjulata  auf  dem  Staffelstein  zwischen  Coburg  und 
Bamberg;  seit  1880  (Malakozoologische  Blätter,  neue  Folge. 
Band  II  1880.  S  203)  wusste  mau,  dass  diese  sonst 
Südalpinische  Schnecke  dort  vorkommt,  ich  besuchte  des- 
halb 1892  diesen  Ort,  fand  sie  auch  richtig,  darunter 
auch  manche  junge,  wahrscheinlich  einjährige,  lebende 
Exemplare,  an  Einer  Stelle,  wo  der  Fels  am  steilsten  über 
das  Main-Thal  emporragt,  unterhalb  des  Kreuzes  und  der 
Aussichtstafel,  und  überzeugte  mich,  dass  es  die  wirk- 
liche cinyulata  aus  den  südlichen  Kalkalpen  und  nicht  die 


Sitzung  vom  18.  März  190:2. 


73 


auch  in  Oborbain-ii  voi'koinmcndo  IL  Prcsli  sei;  vergeblich 
gab  ich  mir  Mühe,  sie  auch  anderswo  am  Aufstieg  und  im 
Umkreis  des  Felsens  zu  finden;  auf  briefliche  Anfrage  gab 
mir  dann  Dr.  Finck  in  ßambcrg  die  Auskunft,  dass  er  sie 
vnr  Jahren  in  iSüd-Tirol  für  einen  Freund  gesammelt,  dann 
gänzlich  vergessen  und  im  Jahr  darauf  bei  einer  Excursion 
auf  den  Staflfelstein  in  einer  Schachtel  wiedergefunden  habe, 
die  er  zum  Käfersammeln  mitgenommen  hatte;  er  warf  die 
noch  lebenden  Schnecken  weg,  um  Raum  für  seine  Käfer 
zu  machen  und  seitdem  lebt  und  vermehrt  sich  diese 
Schnecke  der  schroffen  Felswände  an  der  einen  ihr  passen- 
den Stelle  des  Staffelsteins,  nahezu  400  km  von  ihrem 
närhsten  natürlichen  Fundorte  (Bozen)  entfernt. 


Herr  Jacobi  sprach  über 
Jleteropsaltviii,  n.  g.   Cicadarinni  Stridulantium. 


3K 


Genus  Cicadae  (L.)  affine,  tegminum  nervatura  valde  ia- 
signe.  Tegminibus  hyalinis,  latis,  subovalibus,  apice  subrotun- 
datis.  ]\Ieml)rana  costae  angusta.  area  basali  subquadrata, 
quarta  modo  parte  longiore  quam  latiore.  Vena  costali 
longissima.  duas  partes  marginis  externi  occupante,  area 
radiali  imraani,  latitudine  dimidiam  fere  partem  tegminis 
consumente.  Venae  ulnaris  primae  bifurcatione  se- 
cunda  angulum  fere  rectum  formante.  Areis  ulnaribus 
prima,  secunda.  praesertim  tertia  brevibus,  quarta  ad- 
modum  magna.      Area  suturali   longissima,    peraa- 


74  Gesellschfta  naturfoischender  Freunde,  Berlin. 

gusta.  apud  tertiam  partem  longitiidinis  ampliata.  deinde 
pauliun  angustata.  apicem  versus  veiia  transversa  anguliiin 
fere  rectum  flngente  'clausa.  Clavi  apice  venula  trans- 
versa secluso. 

Die  Vorderfliigel  der  typischen  Art  sind  sehr  breit, 
Aussen-  und  Innenrand  ziemlich  gleichmässig  convex  mit 
stumpfer  Spitze,  also  ungefähr  wie  bei  Gacana  geformt, 
glasartig  durchsichtig  mit  Ausnahme  der  semiopaken  Basal- 
zelle. Vena  postcostalis  und  Ramus  ulnaris  postcostalis 
sind  durch  einen  schmalen,  nach  hinten  nicht  erweiterten 
Zwischenraum  getrennt.  Die  Costalmembran  ist  wenig  aus- 
geprägt; sehr  kräftig  sind  dagegen  die  Nerven  der  Basal- 
hälfte,  namentlich  Costa.  Vena  radialis  und  beide  Venae 
ulnares.  Ganz  eigenartig  ist  die  Vertheilung  der  Adern. 
Dies  betrifft  namentlich  den  ersten  Sector  (Vena  ulnaris 
exterior  s.  prima),  welcher  stark  nach  innen  zieht  und  erst 
dicht  vor  der  Mitte  des  Diskus  sich  zum  ersten  Male  gabelt. 
Bei  der  zweiten  Gabelung  bilden  die  beiden  Aeste  beinahe 
einen  rechten  Winkel;  der  äussere,  zum  Stigma  laufende 
Ast  steht  ebenfalls  sehr  steil  auf  der  Vena  radialis.  Durch 
den  oben  geschilderten  Aderverlauf  entsteht  eine  Radial- 
zelle von  kolossaler  Grösse,  welche  beinahe  die  halbe  Breite 
des  Vorderflügels  einnimmt  und  sich  weit  über  seine  halbe 
Länge  hinauserstreckt.  Dies  bedingt  für  die  Scheibenzellen 
eine  bedeutende  Verkürzung  gegenüber  den  sonst  vor- 
kommenden Maassen  nebst  eigenartigen  Formverhältnissen. 
In  Folge  der  rechtwinkeligen  Stellung  der  zweiten  Gabel- 
äste zu  einander  schneiden  die  beiden  äusseren  Discoidal- 
zellen  nach  hinten  in  der  gleichen  Höhe  ab.  und  die  zweite 
erscheint  als  ein  fast  vollkommenes  Trapezoid;  die  dritte, 
welche  bei  der  gewöhnlichen  Anordnung  nach  vorn  beinahe 
bis  zur  Basalzelle  reicht,  wird  durch  die  weit  nach  der 
Spitze  hingerückte  erste  Theilung  des  Sectors  stark  ver- 
kürzt. Sehr  breit  und  geräumig  ist  auch  die  4.  Scheiben- 
zelle, was  für  die  Nahtzelle  wiederum  eine  Einengung  zur 
Folge  hat.  Diese  letztere  ist  ebenfalls  sehr  langgestreckt. 
derart,  dass  sie  ungefähr  die  halbe  Länge  des  Tegmen  ein- 
nimmt.    In    Folge   geschwungenen    Verlaufes    des   inneren 


SitziDuj  vom  18.  März  1902.  75 

Sectors  ist  sio  im  1.  Drittel  ihrer  Länge  gleichinässifji; 
schmal,  um  sich  im  2.  Drittel  erheblich  zu  erweitern,  nach 
dem  Ende  zu  aber  wieder  etwas  zu  verengern;  die  ab- 
schliessende Querader  steht  beinahe  senkrecht  auf  den  Lang- 
seiten der  Nahtzelle.  Unter  den  8  Apicalzellen  ist  die  7.  am 
kürzesten.  Von  dem  langen  Clavus  ist  dicht  vor  der  Spitze 
durch  eine  winzige  Querader  eine  kleine  dreieckige  Zelle 
abgeschnürt. 

Der  Lobus  clavicularis  des  Flügels  ist  nicht  rundlich 
erweitert,  sondern  schief  nach  der  Basis  zu  verkürzt.  Die 
Aderung  bietet  nichts  Aussergewühnliches. 

llumpf  kurz  und  kräftig,  mit  breitem,  aber  spitz 
zulaufendem  Abdomen.  Kopf  nebst  Augen  erheblich  schmäler 
als  die  Basis  des  Vorderrückens.  Stirn  schmal,  wenig  ge- 
wölbt, die  .Inga  nach  vorn  kaum  überragend.  Mittellinie  glatt, 
Seiten  tief  gefurcht.  Spitze  des  Clypeus  schwach  eingebuchtet. 
Schnabel  kurz,  die  Hinterhüften  eben  erreichend.  Seiten- 
räuder  des  Prouotums  gekielt,  ohne  Zahn,  hinten  erweitert. 
Mesonotum  wie  bei  Cicada  gebildet.  Obere  Stimmdeckel 
wohl  entwickelt  und  von  mittlerer  Grösse,  untere  kurz,  zu- 
gerundet, ihre  Inneuränder  getrennt.  Metastethium  flach, 
ohne  Fortsatz.  Vorderschenkel  mit  zwei  starken  Dornen, 
wovon  der  distale  länger  und  senkrecht  auf  der  Innenkante 
stehend,  der  proximale  schief  nach  vorn  gerichtet.  Hinter- 
schienen aussen  mit  2,  innen  mit  3  Dornen.  Alle  Tarsen 
dreigliederig. 

Die  Zugehörigkeit  dieser  neuen  Gattung  zur  Unter- 
familie der  Cicadinne  ist  durch  die  Ausbildung  der  oberen 
Stimmdeckel  gewährleistet.  Im  Baue  des  Rumpfes  schliesst 
sie  sich  nahe  an  Cicada  (L.  s.  str.)  an,  da  der  Rand  des 
Prouotums  nicht  bewehrt  ist,  die  Hinterbrust  keinen  Fort- 
satz trägt  wie  Cry2)totijmpana  und  die  unteren  Stimmdeckel 
kurz  und  breit  sind.  Das  Bezeichnende  des  Genus  beruht 
auf  dem  ganz  eigenthümlichen  Baue  der  Vorderflügel  mit 
ihren  sehr  vergrösserten  Radial-  und  Ulnarzellen  bei  Ver- 
kürzung der  Discoidalzellen.  Ein  Analogon  bietet  meines 
Wissens  nur  die  Gattung  Psitlnjristrin  Stal  (1870  Öfvers. 
Vet.-Akad.  Förhandl.,  p.  712),  welche  in  ihrem  Vorkommen 


76  Gesellscluift  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

auf  die  Philippinen  beschränkt  ist  und  Ponqwma  am  nächsten 
steht.  Bei  ihr  ist  jedoch  die  Eigenthümlichkeit  des  Geäders 
wesentlich  dadurch  bedingt,  dass  nur  eine  Ulnarader  vor- 
handen ist. 

Als  Typus  der  Gattung  Heteropsaltria  und  einzige  bis 
jetzt  bekannte  Art  beschreibe  ich: 

Heteropsaltria  aliena  n.  sp. 

Da  die  mir  vorliegenden  zwei  Exemplare  (cfc/')  ii 
Spiritus  konservirt  worden  waren,  kann  ich  über  die  Farben 
mir  wenig  berichten.  Der  Rumpf  trägt  ein  feines  gold- 
gelbes Haarkleid,  welches  an  den  Rändern  der  Abdominal- 
segmente etwas  dichter  zu  sein  scheint.  Die  Farbe  des 
Körpers  dürfte  oliven-  oder  schalengelb  gewesen  sein, 
während  man  von  den  starken  Adern  der  Vorderflügel  einen 
helleren  grünen  Farbenton  voraussetzen  möchte.  Die  Stirn 
ist  noch  jetzt  kastanienbraun;  auf  ihrem  basalen  Theile 
steht  eine  schwarze  Querbinde  und  ebenso  auf  den  benach- 
barten Seitenrändern  des  Scheitels  je  ein  grösserer  schwarzer 
Fleck.  Weiterhin  sind  schwarz:  die  Umgebung  der  Ocellen, 
die  Furchen  des  Pronotums  und  ein  oblonger  Fleck  auf 
dem  hinteren  Winkel  von  dessen  Seitenrande.  Dagegen  ist 
die  Zeichnung  des  Mesonotums  zu  undeutlich  geworden, 
um  eine  brauchbare  Beschreibung  davon  geben  zu  können. 
—  (^  Long.  incl.  tegm.  55  mm.  Exp.  tegm.  103  mm.  Hab. 
Salomons-Archipel,  Shortland-Insel  (C.  Riebe).  — 
Typus  in  coli.  auct. 

Referirabend  am  II.  März  1902. 

Auf  Vorschlag  des  Herrn  Fr.  Dahl  wurde  das  folgende 
Thema  besprochen:  lieber  Veränderungen  wild  lebender 
Organismen  durch  äussere  Einfliisse  (durch  veränderte 
Nahrungs-  oder  Bodenverhältnisse,  Einwirkung  von  Wärme 
oder  Kälte,  Wechsel  des  Klimas.  Gefangenschaft  etc.). 
Nach  einem  einleitenden  Referat  des  Herrn  Fu.  Dahl  be- 
theiligten sich  an  der  Besprechung  die  Herren  F.  E.  Sciiulzk, 
Kny.  Aschkuson,  Hkinkotii.  Neumann,  Matschie.  Nehkinu, 

HiLGENDORF. 

J.  F.  Stvcke,  Berlin  Vi. 


Zu  Seite  53. 


Canis  Ica/feiisi.^  Nkum.    9    '/s  n^^t-    Grösse. 


Zu  Seite  53. 


Canis  kajfensis  Nkum.    9    7»  natiirl.  (Ir<)sse. 


Nr.  4.  190a. 

S  i  t  z  11 11  CT  s  -  B  e  r  i  c  h  t 

der 

Gesellschaft  iiaturtorselieiider  Freunde 

zu  Berlin 

vom   15.   April   1902. 


Vorsitzender:  Herr  A.  Nehring. 


Herr  A.  Nehring  sprach  über  Spalax  Fr  Uschi,  sp,  n. 
füss.,  aus  der  Antelias-Höhle  am  Libanon. 

Unter  Bezugnahme  auf  meine  früheren  Publicationen 
über  recente  und  fossile  Spalax- kviim ')  und  speciell  über 
Spaldx  prißcus  Nhrg.  aus  Ungarn  und  Sp.  diluvii  Nordm. 
aus  Südrussland  erlaube  ich  mir,  einen  fossilen  (pleistocä- 
nen)  Sp^/^a.i-Unterkiefer  aus  Syrien  hier  vorzulegen.  Herr 
Geheimrath  Prof.  Dr.  v.  Fritsch  in  Halle  war  so  freund- 
lich, denselben  mir  leihweise  aus  dem  dortigen  paläontolo- 
gischen Museum  zur  Untersuchung  anzuvertrauen;  es  ist 
ein  seltenes  Object.  der  einzige  Spa/a^r-Rest,  welchen  Herr 
Professor  Zümoffen  in  Beirut  bei  seinen  verdienstvollen 
Ausgrabungen  in  der  Antelias-Höhle  am  Westfusse  des 
Libanon  gefunden  hat. 

In  seiner  interessanten  und  schön  ausgestatteten  Publ- 
cation  über  „Zumoffen's  Höhlenfunde  im  Libanon" 
(Abh.  Naturf.  Ges.  in  Halle.  Bd.  19.  1898,  S.  41—81)  hat 
K.  V.  Fritsch  auf  Seite  79 — 80  diesen  Spalax-KiQiav  kur 

*)  Vergl.  Sitzungsbcr.  unserer  Gesellschaft,  1897,  S.  163—183. 
1898,  S.  1—8.  „Zoolog.  Anzeiger",  1898,  No.  555,  S.  228  und  No.  567, 
S.  479  fif.  Vergl.  auch  Satunin,  über  Spalax  Nehrimji,  nov.  spec,  im 
„Zoolog.  Anzeiger",  1898,  No.  558,  S.  314  u.  315.  —  Ich  möchte  als 
Ergänzung  zu  meinen  früheren  Angaben  hier  nachtragen,  dass  die 
weiblichen  Hlindmiiuse  sechs  Zitzen  (nicht  4,  wie  ich  früher  beob- 
achtet zu  haben  ghiubte)  aufweisen,  nämlich  2  an  der  Brust  und  4  in 
der  Inguinalgegend.  Nach  Pallas  sollen  nur  zwei  Zitzen  (und  zwar 
in  der  Inguinalgegend)  vorhanden  sein;  dies  ist  aber  unrichtig. 

4 


73  Gesellschaft  tiaturf&r sehender  Freunde,  Berlin. 

besprochen  und  gewisse  Unterschiede  gegeniil»er  dem  in 
Halle  vorhandenen  Vergleichsmateriale  von  recenten  Spahx- 
Schädeln  hervorgehoben;  da  dieses  Vergleichsmaterial  aber 
nur  gering  war  und  namentlich  asiatische  Exemplare 
fehlten,  lionnte  der  genannte  Autor  zu  keiner  bestimmten 
Ansicht  über  den  vorliegenden  Unterkiefer  gelangen.  Ich 
selbst  gehe  unter  günstigeren  Bedingungen  an  die  Ver- 
gleichung  des  fossilen  Kiefers  heran,  da  ich  mich  seit  189ß 
bemüht  habe,  ein  möglichst  reiches  Material  von  Blind- 
mäusen aus  verschiedenen  Gegenden  in  der  mir  unterstellten 
Sammlung  zusammenzubringen,  um  die  Alters-.  Geschlechts- 
und Tndividual -Differenzen  von  den  Species- Charakteren 
unterscheiden  zu  können.  Besonders  günstig  für  die  vor- 
liegende Untersuchung  ist  es.  dass  ich  aus  Palästina, 
Syrien  und  Kleinasien  ein  ansehnliches  Material  unter 
Händen  und  die  betr.  Schädel  meistens  präparirt  habe  Da- 
hin gehören:  3  Schädel  von  Safje  am  Südufer  des  Todten 
Meeres,  1  Schädel  aus  dem  unteren  Jordan-Thale,  2  Schädel 
aus  der  Gegend  von  Jerusalem,  5  Schädel  von  Jaffa.  3 
Schädel  von  Beirut,  2  Schädel  vom  Bulgar  Maaden  in  Ci- 
licien.  2  Schädel  von  Smyrna.  Dazu  kommt  dann  noch 
mein  reiches  Material  aus  Ungarn,  Rumänien,  Bulgarien. 
Südrussland,  Daghestan,  Armenien. 

Wie  unsere   Abbildung  1    zeigt, 

ist  der  fossile  Sp<dax-V>niQv\i\ei^v  vom 

Libanon  fast  vollständig  erhalten.   Es 

fehlt   ihm   nur  der  obere  Theil  des 

^    ,         Proc.  coronoideus;  ausserdem  ist  die 

Abbildung  1.    bpcdax  .  „     •  ,  j     n     i-     i 

Fritscki,  sp  n.  foss.  Rech-  vordere,  frei  hervorragende  Partie  des 

ter  Unterkiefer  aus   der  Nagezahus    grössteiitheils    weggebro- 

Antelias-Höhle  am  Liba-  ^^^^  ^^^^  ^^^,  hintere  Fortsatz  der 
non.   Nat.  Gr.  Innenseite.  i      /      i   ,        n-     n     i 

Gezeichnet  vom  Assisten-  Nagezahnalveole  (welcher  für  Spalax, 

ten  des  Verfassers,  Herrn  Aladaga,  Ncsokia   SO    charakteristisch 

M.  Meissner.  .^^^  ^^.^.^^  j^^j^.^     Endlich  fehlt  m  3. 

d.  h.  er  ist  ausgefallen.  —  Der  Erhaltungszustand  lässt 
sich  als  echt  fossil  bezeichnen;  er  harmonirt  durchaus  mit 
dem  meiner  pleistocäuen  Nagerreste  aus  den  lössartigen 
Ablagerungen  von  Thiede  und  VVesteregeiu. 


Sitzt()i(j  rotii  IC).  April  W02.  79 

Wenn  mau  diesen  fossilen  iSjja?aa:-Kiefer  vom  Libanon  mit 
recenten  Kiel'crn  von  Sp.  /luiif/aricus  oder  Sp.  microphthilmus 
vergleicht,  so  sind  die  Unterschiede  sehr  bedeutend.  Anders 
gestaltet  sich  die  Sache,  wenn  man  die  Unterkiefer  der 
heutigen  iilindmiUise  aus  Palästina  und  Syrien  vergleichl. 
K.  V.  Finisni  hat  mit  Recht  die  auffallend  starke, 
flügelartige  Entwickelung  des  Angulus-Fortsatzes 
an  dem  fossilen  Kiefer  hervorgehoben.  Eine  solche  Ent- 
wickelung dieses  Fortsatzes  linde  ich  bei  keinem  der  mir 
vorliegenden,  zahlreichen  Schädel  von  Sp.  hungaricus  Niiuo. 
und  Sp.  microphthalmus  G\]\A).\  namentlich  bei  letzterer  Art 
ist  der  Angulus-Fortsatz  sehr  schwach  entwickelt  und  er- 
scheint nur  als  ein  unbedeutendes  Anhängsel  des  hinteren 
Theils  der  Nagezahn-Alveole.  Dagegen  lassen  die  mir  vor- 
liegenden 6^«/^/a.-Unterkiefer  aus  Palästina  und  Syrien  eine 
relativ  starke  und  selbständige  Ausbildung  des  Angulus- 
Fortsatzes  erkennen.  Natürlich  gilt  dieses  hauptsächlich 
von  ausgewachsenen  Exeuiplaren;  bei  jungen  Individuen 
sind  solche  Fortsätze  stets  weniger  ausgebildet. 

Besonders  gut  entwickelt  finde  ich  den  betr.  Fortsatz 
an  2  Schädeln  von  Jerusalem  und  an  2  Schädeln  von 
Safje;  doch  kommt  keiner  dem  fossilen  Kiefer  hierin  völlig 
gleich.  Ausserdem  besteht  der  Unterschied,  dass  der  An- 
gulus-Fortsatz des  fossilen  Kiefers  stark  nach 
aussen  gewendet  ist,  ^)  während  er  bei  allen  mir  vor- 
liegenden recenten  Unterkiefern  aus  Palästina,  Syrien  und 
Kleinasien  nur  wenig  nach  aussen  hervortritt,  sondern  un- 
gefähr in  der  Richtung  der  Aussenwand  des  Kieferknochens 
verläuft. 

Auch  sonst  finden  sich  bei  genauer  Vergleichung  des 
fossilen  Kieferknochens  deutliche  Differenzen  gegenüber  den 
nächstverwaudten  recenten  Exemplaren  aus  Syrien  und  Pa- 
lästina. Obgleich  der  Abnutzungsgrad  der  Backenzähne 
erkennen   lässt,    dass  der  fossile  Kiefer   einem  völlig  er- 


')  In  unserer  Abbildung  kommt  dieses  kaum  zum  Ausdruck,  da 
sie  die  Innenseite  dos  Kiefers  darstellt.  Betrachtet  man  den  Kieter 
von  der  Aussen-  oder  von  der  Ilinterseite,  so  tritt  die  eijjenthümliche 
Auswärts -Biegung  des  Angulus-Fortsatzes  deutliili  hervor. 


8(3  GesellscMft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

wachsenen  Individuum  angehört  hat,  so  zeigt  doch  die 
Innenfläche  des  Kiefers  (im  Gegensatz  zu  der  Aussenfläche) 
verhältuissmässig  glatte,  wenig  markirte  Formen;  insbeson- 
dere treten  die  Alveolenränder  der  Molaren  wenig  hervor, 
und  es  findet  sich  zwischen  ihnen  und  der  Innenwand  des 
Processus  coronoideus  keine  deutliche  Vertiefung.  Bei  Sp. 
hungaricus  ad.  und  noch  mehr  bei  Sp.  microplitlialmus  ad. 
sind  die  Alveolen  der  Molaren  raauerähulich  auf  die  betr. 
Partie  des  Unterkiefers  aufgesetzt,  und  man  bemerkt  zwischen 
ihnen  und  der  Innenw^and  des  Proc.  coronoideus  eine  tiefe, 
längliche  Grube.  Bei  den  Blindmäusen  von  Palästina  finde 
ich  diese  Verhältnisse  ähnlich  wie  an  dem  fossilen  Kiefer. 
Namentlich  ist  es  ein  älteres  Weibchen  von  Safje  (Süd- 
ufer des  Todten  Meeres),  welches  hierin  eine  deutliche  An- 
näherung an  den  fossilen  Kiefer  zeigt;  doch  bleiben  auch 
bei  diesem  recenten  Exemplare  wesentliche  Unterschiede 
übrig. 

Abgesehen  von  den  sonstigen  Abweichungen,  hat  der 
fossile  Kiefer  eine  relativ  grössere  Tiefe  in  der  Gegend 
der  Molaren,  bei  schwächerer  Entwickelung  des  Nagezahns.  ^) 
Die  stärkere  oder  schwächere  Entwickelung  des 
Nagezahns  und  seiner  Alveole  ist  überhaupt  bei  allen 
Spalax-ki'iQn  von  massgebendem  Einfluss  auf  die  Form 
des  Unterkiefers  incl.  seiner  Fortsätze^)  und  seiner 
Molaren,  Spalax  giganteus,  Sp.  microphthalmus  und  Sp. 
hungaricus  mit  ihren  colossal  entwickelten  Nagezähnen 
zeigen  hierin  grosse  Unterschiede  gegenüber  den  Blind- 
mäusen von  Palästina  {Sp.  Ehrenhergi  Nhrg.),  welche  re- 
lativ schwache  Nagezähne,  aber  complicirt  gebaute  Molaren 
haben. 


')  Ferner  ist  der  Proc.  condyloideus  des  fossilen  Kiefers  höher  ge- 
baut und  weniger  einwärts  gebogen,  als  bei  dem  Kiefer  von  Safje. 
Ausserdem  ist  sein  Gelenkkopf  schmaler  und  länger,  als  bei  letzterem. 

*)  Bei  denjenigen  Arten,  welche  den  hinteren  Fortsatz  der  Nage- 
zahnalveole  stark  und  hoch  entwickelt  zeigen,  ist  der  Angulus-Fort- 
satz  schwach  entwickelt,  und  umgekehrt,  wie  schon  oben  angedeutet 
wurde.  Offenbar  besteht  hier  (im  Zusammenhange  mit  der  betr.  Mus- 
kulatur) ein  gewisses  Correlations-Yerhältniss  in  der  Ausbildung  der 
genannten  Furtsätze  des  Unterkiefers. 


Sitztoiy  vom  15.  April  1903.  81 

Ich  weiss  sehr  wohl,  dass  von  manchen  Zooingen  bis- 
her die  Berechtigung  der  von  mir  aufgestellten  Spalax- 
Arten  angezweifelt  wird;  aber  diese  /.weifel  sind  durchaus 
unbegründet.  Sie  können  sich  höchstens  auf  die  Abirre nzunj; 
einiger  von  diesen  Arten  beziehen.  Ich  möchte  den  betr. 
Zweitlern  gern  mein  reiches  Material  an  Sjmhx-SchMdn 
demonstriren  und  ihnen  beispielsweise  den  Schädel  meines 
Sp.  (/if/antnis  von  Petrowsk  am  Kaspischen  Meere  zusammen 
mit  dem  eines  S2)alax  Ehrenheryi  (/"  ad.  aus  dem  unteren 
Jordanthale  vorlegen.  Die  morphologischen  Unterschiede 
dieser  beiden  Schädel  (incl.  der  Gebisse)  sind  grösser  und 
deutlicher,  als  die  zwischen  Canis  liipus  und  Canis  vidpes, 
oder  als  die  zwischen  Felis  tigris  und  Felis  maniculatal 

Natürlich  muss  man.  um  die  Unterschiede  in  der 
Bildung  der  Backenzähne  bei  den  verschiedenen  Spalax- 
Arten  klar  zu  erkennen,  frische,  wenig  abgenutzte  Ge- 
bisse untersuchen;  an  alten,  stark  abgenutzten  Molaren 
kann  man  die  charakteristischen  Species-Unterschiede  nicht 
wahrnehmen.  Dieses  verhält  sich  aber  bei  den  Molaren 
von  Alactiif/a,  XesoJcia,  Mus,  Cricetus  und  manchen  anderen 
Xagergattungen  ebenso,  und  man  verwendet  hier  trotzdem 
die  Form-Unterschiede  frischer  Molaren  zur  Abgrenzimg 
der  Species.  Es  darf  also  aus  dem  Umstände,  dass  stark 
abgenutzte  >S^ö?oa^^-Molaren  wenig  charakteristisch  sind,  kein 
berechtigter  Einwurf  gegen  die  von  mir  aus  frischen,  wenig 
abgenutzten  Spalax-^lolsiV^n  hergeleiteten  Species-Unter- 
schiede entnommen  werden. 

Im  Uebrigen  kann  man  (mit  der  nöthigen  Erfahrung) 
sogar  an  solchen  .S/ja?rt.r-Molaren,  welche  ziemlich  stark  ab- 
gekaut sind,  aus  den  vorhandenen  Schmelzinseln  auf  ehe- 
malige Schmelzfalten  oder  Schmelzeinbuchtungen  schliessen 
und  auf  diese  Weise  die  ursprüngliche  Form  der  Kau- 
fläche reconstruiren.  Die  genannten  Schmelzinseln  der 
.S/;a/rta;- Molaren  sind  keineswegs  zufällig  und  regellos  ge- 
bildet, wie  es  bei  flüchtiger  Betrachtung  scheinen  könnte, 
sondern  sie  finden  sich  bei  den  einzelnen  Arten  nur  an 
ganz  bestimmten  Stellen  der  Kaufläche,  nämlich  da,  wo 
früher  eine  Schraelzeinbuchtunrr  vorhanden  gewesen  war. 


82 


Gesellschaft  natur forschender  Freunde,  Berlin. 


Wenn  man  hierüber  genügend  orientirt  ist.  wird  man 
auch  über  die  beiden  Molaren,  welche  der  fossile  Spalax- 
Kiefer  aus  der  Autelias- Höhle  aufzuweisen  hat,  ein  richtiges 
Urtheil  gewinnen.  Sie  zeigen  einen  mittleren  Grad  von 
Abkauung,  fast  genau  entsi)rechend  dem  des  oben  erwähnten 
weiblichen  Spnlax  von  Safje  am  Todten  Meer. 


tjv  1 


7hZ 


m.  3 


Abbildung  2.    Die  uiiteroii  Backenzähne  (Kaurtiichen)  mehrerer  Spnkic- 

Arten.     *;i  nat.  Gr.     Nacli  der  Natur  gezeichnet  vom  Verf. 
1.  Spalax  humjaricns  Nhkg.  jun.  Linke  untere  Backenzahnreihe.   Ungarn. 
'J.       „      Ehrenl)er<ji^HVi(\.]\\n.        „         „  „  Palästina. 

3.  „      liriscus  Nhrg.  ad.         Rechte    „  „  Süd-Ungarn. 

4.  „      Fritschi^wiiG.meA.        „         „  „  Libanon. 

Der  erste  Molar  des  Sp.  Fritschl  hat  in  seinem  vor- 
liegenden Abkauungsstadium  nur  eine  (linguale)  Schmelz- 
einbuchtung aufzuweisen;  aber  es  sind  2  Schinelzinseln  auf 
der  Kautläche  vorhanden,  eine  grössere  und  eine  kleinere. 
Jene  entspricht  einer  früheren  labialen,  diese  einer  früheren 
lingualen  Schmelzeinbuchtung.  Der  Zahn  hatte  also  ur- 
sprünglich 1  labiale  und  2  linguale  Schmel/einbuchtungeu, 
wie  wir  sie  regelmässig  an  m  1  inf.  des  Sp.  Ehrenhergi 
finden,  sofern  die  Molaren  noch  wenig  abgekaut  sind.  Bei 
*S^.  hunguricMS,  Sp.  nikro})]it]Mlmns  und  den  nahe  stehenden 
Arten  findet  man  den  m  1  inf.  sogar  an  ganz  jugendlichen 
Gebissen  nur  mit  einer  lingualen  Schmelzeinbuchtung  ver- 
sehen. Es  ist  das  ein  wichtiger,  constanter  Unterschied,  den 
ich  an  zahlreichen  Exemplaren  geprüft  habe. 

Der  zweite  Molar  des  fossilen  Kiefers  zeigt  diejenige 
Form  der  Kaufläche,  welche  ich  bei  den  mit  mittlerer  Ab- 
nutzung des  Gebisses  verseheneu  Exemplaren  des  Sp.  Ehren- 


Sitzung  vom  15.  April  1902.  ^3 

licryi  regelmässig  gefunden  habe;  nur  erscheint  der  fossile 
Zahn  eckiger  und  seine  Schmelzfalten  sind  noch  zackiger, 
als  es  bei  dieser  recenten  Art  der  Fall  zu  sein  pflegt. 

Der  dritte  Molar  des  fossilen  Kiefers  ist  ausgefallen; 
seine  Alveole  ist  aber  intact  und  zeigt  deutlich  zwei  Wurzel- 
löcher. Vergl.  Abbildung  1  u.  2.  Dieses  gab  mir  Veran- 
lassung, eine  Anzahl  recenter  S^oAa-Gebisse  auf  ihre 
Alveolen-Bildung  zu  untersuchen,  und  ich  fand  hierbei  die 
interessante  Thatsache,  dass  m  3  in  f.  bei  den  Blindmäusen 
von  Palästina ('S^.  Ehrenberyi^HRQ^.)  deutlich  zweiwurzelig, 
dagegen  bei  den  ungarischen  Blindmäusen  (Sp.  hungnricus 
Nhiig.)  deutlich  einwurzelig  ist.  Der  siidostrussische 
Sp.  mlcrophthdmus  Glld.  nähert  sich  hierin  dem  ungarischen, 
doch  ist  eine  leichte  Theilung  der  Wurzel  angedeutet '). 

Diese  Feststellung  ist  nicht  unwichtig!  Die  Wurzel- 
bildung der  Molaren  steht  mit  der  Ausbildung  ihrer  Zahnkrone 
in  Beziehung;  m  3  inf.  der  Blindraäuse  von  Palästina  (Sj). 
Ehrenheryi).  namentlich  derjenigen  von  8afje.  hat  im  unab- 
genutzten oder  massig  abgenutzten  Zustande  eine  viel  compli- 
cirtere  Bildung  der  Zahnkrone,  als  der  entsprechende  Molar 
des  Sp.  hungaricus.  Nach  meiner  Auffassung  zeigt  ersterer 
den  ursprünglichen,  letzterer  den  reducirten  Zustand.  Diese 
Reduction  tritt  bei  Sp).  hungaricus  auch  in  der  Wurzelbildung 
des  m  2  inf.  und  des  m  3  sup.  hervor;  m  2  inf.  ist  hier  un- 
deutlich zweiwurzelig,  m  3  sup.  undeutlich  dreiwurzelig, 
während  bei  Sp.  Ehrenhergi  die  betreffenden  Zähne  deut- 
lich zwei-  bezw.  dreiwurzelig  sind. 

Diese  Unterschiede  sind  wichtiger,  als  es  auf  den  ersten 
Blick  erscheinen  mag;  sie  kommen  insbesondere  auch  für 
fossile  Kiefer  mit  leeren  Alveolen  in  Betracht. 

Ich  bemerke  noch ,  dass  die  Backenzähne  des  fossilen 
Kiefers  vom  Libanon  mehr  aufrecht  stehen,  als  es  bei  den 
recenten  Spalax-kvi^xi  der  Fall  zu  sein  pflegt.  —  Der  Nage- 
zahn, welcher  leider  vorn  abgebrochen  ist.  zeigt  eine  relativ 
geringe  Breite,  in  Uebereinstimmung  mit  den  recenten  Blind - 

*)  Ich  habe  bislier  nur  diejenigen  Spulax-XrHnXy  von  denen  mir 
sehr  reichliches  Material  vorliegt,  hinsichtlich  der  Wurzelbildunp  ihrer 
Molaren  untersucht. 


84  Gesellscluift  natuiforschender  Freunde,  Berlin. 

mausen  von  Palästina,  im  Gegensatz  zu  Sp.  hungaricus,  Sp. 
tnicrophthahnus  und  Sp.  giyanteus. 

Der  fossile  Kiefer  misst  vom  Hinterrande  des  Proc. 
condyloideus  bis  zu  dem  der  Nagezahn-Alveole  30  mm;  die 
Backenzahnreihe,  an  den  Alveolen  gemessen,  hat  eine  Länge 
von  8  mm.  Er  stimmt  in  der  Grösse  genau  mit  dem  Unter- 
Idefer  des  einen  mir  vorliegenden  Äj;a?aa:- Schädels  vom 
Bulgar-Maaden  in  Cilicien  überein.  (Danach  würde  der  zu- 
gehörige fossile  Oberschädel  eine  Totallänge  von  49  mm 
gehabt  haben.)  In  der  Form  weicht  der  fossile  Unterkiefer 
aber  von  jenem  cilicischen  wesentlich  ab.  Die  recenten 
Unterkiefer  aus  Palästina,  welche  sonst  mit  ersterem  besser 
harmoniren,  sind  durchweg  kleiner.  So  zeigen  die  Exemplare 
von  Jaffa  eine  „Condylarlänge"  des  Unterkiefers  (gemessen 
wie  angedeutet)  von  21,8 — 22,5  mm;  ein  männlicher  Unter- 
kiefer von  Jerusalem  misst  23,7,  ein  weiblicher  22  mm,  ein 
männlicher  aus  dem  unteren  Jordanthale  23.  ein  weiblicher 
von  Safje  26  mm.  Ein  erwachsenes  männliches  Exem- 
plar von  Safje  kann  ich  leider  nicht  vergleichen;  ein 
jüngerer  männlicher  Unterkiefer  von  dort  (mit  sehr  compli- 
cirtem  Bau  des  m  3)  misst  24,5  mm.  Ein  alter  männlicher 
Unterkiefer  von  Beirut  misst  26  mm. 

Hiernach  übertrifft  der  fossile  Unterkiefer  die  mir  vor- 
liegenden recenten  Exemplare  aus  Palästina  und  S3'rien  an 
Grösse;  im  übrigen  stehen  ihm  dieselben  aber  relativ  nahe, 
näher,  als  die  aller  anderen  mir  bekannten  Blindmäuse. 
Ich  betrachte  den  vorliegenden  Spalax  aus  der  Antelias- 
Höhle  trotz  der  oben  angegebenen  Unterschiede  als  den 
fossilen  Vorfahr  des  heutigen  Sp.  Ehrenhergi.  Von  Sp. 
priscus  Nhrg.  aus  Ungarn  und  von  Sp.  diluvil  Nordm.  aus 
Südrussland  weicht  jener  fossile  Spalax  bedeutend  ab.  und  so 
halte  ich  mich  für  berechtigt,  da  er  auch  mit  keiner  recenten 
Art  zusammenfällt,  ihn  mit  einem  besonderen  Namen  zu 
belegen.  Ich  nenne  ihn,  wie  schon  oben  angedeutet.  ^Spalax 
Fritschi'^,  zu  Ehren  des  Gelehrten,  der  ihn  zuerst  kurz  be- 
schrieben hat.  Es  wäre  sehr  zu  wünschen,  dass  der 
interessante  Fund  Zumoffen's  bald  durch  weitere  fossile 
-S^rt^aa.- Reste  aus  Syrien  oder  Palästina  ergänzt  würde. 


Sitziimj  vom  15.  April  1902.  85 

Die  heutigen  Blindtnäuse  sind  charakteristische  Be- 
wohner von  Steppen,  bezw.  waldlosen  Flächen,  und  zwar 
sowohl  in  Niederungen,  als  auch  auf  Hochebenen. 
Trockenes  Klima  ist  ihnen  ein  Bedürfniss.  Dasselbe 
dürfen  wir  auch  von  den  pleistocänen  Blindmäusen,  die 
einst  am  Fusse  des  Libanon  hausten,  vermuthen.  zumal  da 
neben  unserem  fossilen  Spalax-\\.\Qi^v  auch  Reste  einer 
Gazelle,  eines  Wildpferdes,  einer  Wildziege  (Capra  cf. 
acyagms)  und.  wie  es  scheint,  auch  solche  des  Sinai-Stein- 
bocks [Caprd  heden)  gefunden  sind.  Siehe  v.  Fkitsch, 
Zümoffen's  Höhlenfimde  im  Libanon,  a.  a.  0.,  S.  77. 

0.  Fkaas  glaubte,  dass  das  Klima  Palästinas  zu  der- 
jenigen Zeit,  in  welcher  die  knochenführenden  Ablagerungen 
der  Antelias- Höhle  entstanden,  viel  feuchter  und  kühler 
gewesen  sei.  als  das  heutige.  Nach  meiner  Ansicht 
dürfte  aber  das  Klima  am  Westfusse  des  Libanon 
während  der  Ablagerung  der  Reste  von  Spalax, 
Gazelle.  Wildpferd.  Wildziege,  BcdenStemhock  nicht  viel 
anders  als  heutzutage  gewesen  sein.  —  Man  vergleiche 
über  diese  schon  sonst  mehrfach  erörterte  Frage  0.  Ankel, 
Grundzüge  der  Landesnatur  des  Westjordanlandes,  Frank- 
furt a.  M.  1887,  S.  117,  ff.  —  Wenn  die  Bestimmung  der 
Steinbocks-Reste  aus  den  Libanon-Höhlen  als  solche  des 
Sinai-Steinbocks  (Capra  heden)  durchaus  zuverlässig  w'äre, 
könnte  man  sogar  den  Schluss  ziehen,  dass  das  Klima 
früher  zeitweise  etwas  trockner  und  wärmer  gewesen  sei, 
als  heutzutage;  doch  halte  ich  jene  Bestimmung  bis  jetzt 
nicht  für  zuverlässig  genug. 

Herr  A.  Nehring  sprach  ferner  über  die  heutige 
Verbreitung  der  Säugethiere  in  Palästina. 

Zwischen  der  Säugethier-Fauua  von  Nordpalästina  und 
Südpalästina  besteht  ein  grosser  Unterschied.  Erstere  ist 
entschieden  paläarktisch  und  schliesst  sich  unmittelbar 
an  die  Säugethier-Fauna  Syriens  (s.  str.)  und  des  östlichen 
Kleinasiens  au.  Sie  wird  charakterisirt  durch  mehrere 
Arten  von  Arvicoliden,  von  Cricetiden,  durch  Sciurus  syriacus, 
Mijoxas  glis,  Cerviis  capreoliis,  Cervus  dania,  Mustela  foina, 


86  Gesdlsehaft  natwfm-sclmicLer  Freunde,  Berlin. 

Ursus  syriacus,  etc.  Die  Säugethier-Fauna  von  Siidpalästina 
(Judäa  und  Moab)  kann  man  im  Anschluss  an  Tkistkam 
und  Hart  „äthiopisch"  nennen  V,  jedenfalls  hat  sie  die 
engsten  Beziehungen  zu  der  aegyptisch-nubischen  und  nord- 
vvestarabischen  Säugethier-Fauna.  Sie  wird  charalvterisirt 
durch  Acomys  dhnidiatus.  Acomys  russatus,  Fsammomys  ohesus, 
Meriones  melanunis,  Mer.  longicandus,  Dipns  aegypüus,  Dipus 
Sclilüteri,  Lepus  sinaiticus,  Lcpus  aegypüus,  Felis  manicidata, 
Hyrax  syriacus.   Cap>ra  heden,  Gazella  amhica,  etc. 

Die  Hauptgrenzlinie  der  paläarktischen  Fauna  Palästinas 
nach  Süden  zu  verläuft,  wie  mir  scheint,  um  den  Südrand 
des  Karmel-Gebirges  herum  nach  dem  Südende  des  Sees 
von  Genezareth.  Dann  folgt  weiter  südwärts  ein  Ueber- 
gangsgebiet  (Samaria,  Gebirge  Ephraim  etc ).  Judäa  nebst 
der  ganzen  Umgebung  des  Todten  Meeres  (incl.  Moab,  Süd- 
Peräa)  gehören  im  Wesentlichen  der  „äthiopischen"  Säuge- 
thier-Fauna in  dem  oben  definirten  Sinne  an.  —  Einige 
Säugethiere  (z.  B.  Nesokia  BacJierl)  des  südöstlichen  und 
östlichen  Palästina  deuten  Beziehungen  zu  der  „indischen" 
Fauna  an.  Ausserdem  greift  die  paläarktische  Fauna  mit 
einigen  Arten  in  die  äthiopische  ein,  und  umgekehrt.  Im 
Uebrigen  ist  aber  der  Unterschied  der  Säugethier-Faunen 
von  Nord-  und  Südpalästina  viel  grösser,  als  man  bisher 
gewöhnlich  annimmt. 

Genaueres  über  dieses  interessante  Thema  werde  ich 
demnächst  in  der  Zeitschrift  „Globus"  veröffentlichen. 
Meine  bezüglichen  Untersuchungen  beruhen  zum  grossen 
Theil  auf  neuem  Original-Material  von  sicheren  Fundorten, 
welches  W.  Schlüter  (Halle)  im  Laufe  der  letzten  sechs 
Jahre  durch  mehrere  Sammler  direct  aus  Palästina  (ins- 
besondere aus  Süd  Palästina)  beschafft  hat. 


')  Vergl.  Trfstram,  Fauna  and  Flora  of  Palostino,  London  1S8-1, 
und  H.  Ch.  Hart,  Fauna  and  Flora  of  Sinai,  Petra  and  Wady  Arabahi 
London  189L 


Sitzuihj  vom  15.   April  1903.  87 

II(Mi'  Karl  W.  Verhoeff  sprach  übor  die  verwandt- 
schaftliche Stellung  von  Ilcmimerus. 

Genauere  Mittlieilunj^eu  über  den  Bau  des  Thorax  von 
IJemimems  (oebst  Abbildungen)  veröffentliche  ich  demnächst 
an  anderer  Stelle  und  hoffe  in  entsprechender  Weise  auch 
das  Abdomen  behandeln  zu  können.  Hier  möchte  ich  in 
Kürze  Einiges  herausgreifen  und  besonders  hervorheben, 
mit  Berücksichtigung  der  vervvandschaftlichen  Stellung  dieser 
merkwürdigen  Gattung. 

Verschiedene  neuere  Forscher  haben  Hemimcrus  in  die 
Nähe  der  Dermapteren  gestellt  und  diesen  zunächst  ver- 
wandt erachtet,  aber  gleichzeitig  betont,  dass  sie  auch  be- 
deutsame Beziehungen  zu  den  Blattodeen  zeige,  sodass 
die  Anschauung  schliesslich  darauf  hinausläuft,  Hemimems 
sei  eine  Art  Mittelform  zwischen  Blattodeen  und  Dermapteren, 
nur  den  letzteren  etwas  mehr  genähert  als  den  ersteren. 

Dem  gegenüber  betone  ich,  dass //em/m«-M5  eine  ent- 
schiedene Dermaptere  ist  und  in  keiner  Weise  den 
Charakter  einer  Uebergangsfor m  zu  den  Blattodeen 
zeigt.  In  Kopf.  Thorax  und  Abdomen  ist  Hemimerus  eine 
Dermaptere.  allerdings  ein  ganz  eigenthümlicher  Zweig 
derselben.  Die  betonte  habituelle  Aehnlichkeit  mit  den 
Blattodeen  ist  doch  völlig  oberflächlicher  Natur  und  nicht 
anders  als  etwa  die  Aehnlichkeit  zwischen  Molch  und 
Eidechse.  So  wichtig  auch  der  Habitus,  die  Allgemein- 
erscheinung eines  Thieres.  für  das  erste  Erkennen  und  Be- 
urtheilen  desselben  sowohl,  als  auch  für  unser  aesthetisches 
Gefühl  ist.  so  wenig  kann  er  doch  bei  verstandesmässigen 
phylogenetischen  Untersuchungen  in  Betracht  kommen.  Es 
ist  ferner  betont  worden,  die  männlichen  Kopulationsorgane 
seien  in  Uebereinstiminung  mit  den  Blattodeen  asymme- 
trisch gebaut.  Das  ist  ganz  richtig,  aber  diese  Asymmetrie 
ist  eben  auch  alles,  übrigens  fast  nur  in  den  Endspitzen 
der  Paramerenendglieder  ausgeprägt,  während  im  eigent- 
lichen Bau  der  Kopulationsorgane,  so  in  den  zweigliederigen 
Parameren  und  sogar  der  Zunge  und  den  Zungenstäben 
derselben,  ihrer  schmalen  gestreckten  Gestalt  und  den  zwei 
langen  Präputialsäcken  gar  keine  Uebereinstimmung  mit  den 


38  Gesellschaft  natmforschender  Freunde,  Berlin. 

Blattodeen  herrscht,  aber  eine  sehr  bedeutsame  Ueber- 
einstimmung  mit  den  Dermapteren. 

Ferner  sollten  sich^)  die  Cerci  von  Hemimerus  an  die 
der  Blattodeen  anschliessen  (und  hiermit  spielt  wieder 
der  Habitus  herein).  Thatsächlich  ist  auch  das  nur  etwas 
Oberflächliches,  denn  während  die  Cerci  der  Blattodeen 
stets  sehr  deutlich  in  Glieder  geteilt  sind  und  mehr  messer- 
oder  dolchartig  gestaltet,  stimmen  die  Dermapteren  mit 
Hemimerus  in  den  ungegliederten  und  sehr  gestreckten  Cerci 
überein.  auch  zeigen  dieselben  noch  eine  leichte  Biegung 
nach  innen,  wie  das  an  den  Zangen  der  Dermapteren 
meistens  vorkommt,  die.  Aehnlichkeit  mit  den  Blattodeen 
besteht  nur  in  der  Beborstung,  die  eine  Folge  davon  ist, 
dass  die  Hemimerus  auf  den  sie  tragenden  Gricetomys  mit 
Zangen  nichts  mehr  anfangen  konnten,  desto  mehr  aber  mit 
Tastborsten. 

Jetzt  sei  noch  hervorgehoben,  dass  beide  Geschlechter 
von  Hemimerus  im  Bau  der  Abdominalsegmente  sich 
an  die  Dermapteren  anschliessen,  nicht  aber  an  die 
Blattodeen.  ich  kann  das  hier  mw  kurz  andeuten  und  gebe 
für  Hemimerus  /  folgende  Abdominalformel  (die  des  $  ist 
sehr  ähnlich): 

1      2-9     10     11      [t] 
-     2—9     10     11     (vv) 

XX         XX 

Hansen  hat  das  Abdomen  beinahe  richtig  erkannt,  jedoch 
das  11.  Sternit  und  die  kleinen  Subanalplatten  übersehen. 
XX  bedeutet,  dass  die  betr.  Sternite  zweitheilig  sind. 
t  d.  h.  Telson  ist  eingeklammert,  weil  es  an  das  11.  Tergit 
angewachsen  ist.  Es  giebt  bei  Hemimerus  also  1 1  Abdominal- 
segmente und  das  Telson.  Die  Hälften  des  11.  Sternit  sind 
wichtige  Stützen  für  die  Cerci  und  sind  dieselben  also  auch 
hier  in  ihrer  Urlage  erhalten.  Beim  9  ist  das  8.  nnd  9.  Ab- 
dominalsegment sehr  schmal  entwickelt  und  die 
0  vi positoren  fehlen,  alles  gewichtige  Uebereinstimmungon 
mit  den  Dermapteren,  nicht  aber  mit  den  Blattodeen. 


')  Die  genaucicn  Behauptungen   der  betr.  Forscher   gebe  ich   an 
anderer  Stelle. 


üitzumj  vom  15.  Ainil  1902.  89 

Der  Thorax  ist  ganz  entschieden  ebenfalls  derraapteren- 
artig,  ich  hebe  jetzt  nur  hervor,  dass  die  Prothoraxapodemen 
in  typischer  Weise  mit  den  Pleuren  fest  zusammenhängen 
und  der  Grundzu.ü;  des  Mikruthorax  dem  der  Dermapteren 
entspricht,  durchaus  aber  nicht  den  Blattodeen.  Uebrigens 
weise  ich  hin  auf  die  Wichtigkeit  der  Apodemen  des  Meso- 
und  Metathorax,  welche  zeigen,  dass  Hemimerus  von  ge- 
flügelten Formen  abstammt. 

Schliesslich  muss  ich  gesteheu.  dass  es  mir  unbegreiflich 
ist,  wie  man  bei  einem  Blick  auf  die  Hüften  von  Herni- 
merus  die  den  so  merkwürdigen  Blattodeen -Hüften  doch 
gar  nicht  ähneln,  sowie  auf  den  Kopf  von  Hemimerus,  der 
doch  gar  nicht  der  so  auffallenden  Haltung  des  Blattodeen- 
Kopfes  entspricht,  von  einer  Annäherung  an  diese  ernstlich 
hat  sprechen  können.  In  beiden  Punkten  dagegen,  also 
auch  in  den  prognathen  Muudtheilen,  herrscht  grosse 
Aehnlichkeit  zwischen  Hemimerus  und  den  Dermapteren, 
der  Kopfhaltung  entspricht  eben  der  Bau  des  Mikrothorax. 

Hemimerus  gehört  also  ganz  unzweifelhaft  zu  den 
Dermapteren.  bildet  aber,  wie  gesagt,  einen  sehr  charak- 
teristischen Zweig  derselben,  wofür  ich  die  Unterordnung 
Demioder niaptera  mihi  gründe. 

Ich  werde  später  noch  genauer  auf  dieselbe  eingehen, 
hier  aber  schon  folgende  wichtige  Charaktere  derselben 
hervorheben: 

1)  Kopf  hinten  ^iel  breiter   als  vorne,   Augen  fehlen, 

2)  Schienen  sehr  gedrungen,  fast  dreieckig, 

3)  Mikrothoraxsternit  ohne  Vorplatte, 

4)  Endglieder  der  Parameren  asymmetrisch, 

5)  innere  Copulationsorgaue  als  ein  Penis  und  zwei 
Präputialsäcke  ausgebildet, 

6)  Cerci  stangenartig,  beborstet,  nicht  als  Zangen  er- 
scheinend, 

7)  die  Samenwege  treten  nicht  am  vorderen  sondern 
am  hinteren  Ende  der  Präputialsäcke  in  diese  ein, 

8)  lebendiggebärend  und  auf  Nagern  lebend. 


90  Gesellschaft  naturfiyrschender  Freunde,  Berlin. 

Herr  KARL  W.  Verhoeff  sprach  ferner  über  Chilopoden 
von  Südsteiermark,  Krain  und  Kroatien. 

Die  folgenden  Mittheilungen  sind  das  Ergebniss  ge- 
legentlicher Exkursionen,  welche  ich  auf  der  Reise  in 
Länder  der  Balkanhalbinsel  auch  in  obigen  Gebieten  unter- 
nahm und  welche  nicht  lediglich  als  neue  faunistische  An- 
gaben gelten  sollen,  sondern  die  Faunenkenntniss  dieser 
Gebiete  überhaupt  verniehren,  zumal  noch  verhältlich  wenig 
aus  denselben  bekannt  ist.  Es  handelt  sich  hier  aber  um 
Gegenden,  die  schon  deshalb  sehr  wichtig  sind,  weil  in 
ihnen,  ausser  alpinen  Formen.  Thiere  Mitteleuropas,  Italiens 
und  der  Baikauhalbinsel  zusammentreffen,  üass  manche 
der  weiter  hier  angegebenen  Formen  aus  dem  südöstlichen 
Alpengebiet  und  dem  Küstenlande  längst  bekannt  sind,  ist 
auch  mir  bekannt. 

1.  Cryptops  hortensis  Leach.  Bei  Agram  häufig,  bei 
Fiume  auf  dem  Friedhof. 

2.  Cr.  punctatus  C.  KocH.     Bei  Fiume  (Tersato). 

.  3.   Opisthemega  erythrocephaliim  C.  KoCH.    In  einem  Laub- 
wald bei  Fiume  unter  tief  liegenden  Steinen  mehrmals. 

4.  Scolopcndra  cimßUatd  Latr.     Bei  Fiume  häufig. 

5.  Sc.  daJmaiica  C.  Kocii.  Einzeln  bei  Tersato.  (IIky- 
MONS  fand  es  ebenfalls  bei  Fiume.  Es  handelt  sich  also  um 
ein  wirkliches  Heimaten  dieser  Art  an  der  Küste  des  Golfes 
von  Fiume.) 

6.  DignatJtodon  nncroccphalum  Luc.     Bei  Fiume. 

7.  Scotopldlus  ülyricus  Mein.  1  9  mit  79  Beinpaaren 
in  einem  Laubwalde  bei  Cilli.  (Neu  für  Steiermark.) 
Fiumara-Schlucht  nicht  selten. 

8.  Scot  hicarinatus  Mein.  Auf  dem  Friedhof  von  Fiume 
nicht  selten 

9.  Chaetechelyne  vesuviana  Newp.  Fiumara.  Tersato 
nicht  häufig. 

10.  Ilimantarimn  Gnbrielis  L.  Auf  dem  Friedhofe  von 
Fiume  nicht  selten. 

IL  Geophihis  flavidus  C.  K.  Fiume.  Fiumara-Schlucht, 
Tersato.     Cilli  1  9  1  j..   1  q  Agram. 


Sitzung  vom  15.   April  1902.  91 

12.  G.  pusillus  pygmaeus  Latzel.  1  9  von  13  luiii. 
43  B.  m  Laubwald  bei  Cilli. 

13.  Scltendi/lii  ncmorcnsis  C.   Kocii.      1  g   \  on  Cilli. 

14.  Sclicmlyhi  carniolensis  n.  sp.  Adelsberg.  Vergl. 
die  Beschreibung  unten. 

15.  Sciilioplancs  (immumtu^  Lk.acii.  Cilli  G  9  41  B., 
3  </  39  B.  Adelsberg  und  Agrani  nicht  selten.  Fiuniara- 
Schlucht  1  j.  9. 

16.  Sc.  crassipes  C.  K.  Cilli  Laubwald  2  cT  49  B., 
1  9   51  B. 

17.  Mecistocephalns  carniolensis  C.  K.  Cilli  Laubwald 
1  cT  1  9  1  j.  1  2  Adelsberg.  1  2  2  j.  Agrani.  1  9  Fiu- 
inara-Schlucht  im  Walde. 

18.  Lithohius  fdsciahis  Newp.    Bei  Fiume  nicht  selten. 

1  2  bei  Cilli,   1  </   bei  St.  Kanzian. 

19.  i  leptopus  Latz.  Typisch,  mit  dunkler  Längs- 
binde bei  Cilli  und  Adelsberg  u.  s.,   1  2  von  Fiume.   Agram 

2  9   typisch,    1  (/  ohne   Fortsätze  an   der  6.  D.,   Endbeine 
bei  d"  2    schwach  und  sehr  kurz  behaart. 

20.  L.  validtis  Mein.  1  c/  Agram,  bei  Cilli  und  Adels- 
berg nicht  selten. 

21.  X.  furficatus  L.     Bei  Fiume  und  Caslua  häufig. 

22.  L.  nodnlipes  Latz.  Fiume  und  Fiumara  nicht 
selten.     3  9  bei  Adelsberg. 

23.  L.  (modus  Latz.  1  9  bei  Fiume,  1  2  Cilli,  1  cf 
Adelsberg. 

24.  L.  microps  Mein.  Bei  Abbazia  n.  s..  mit  3  Ocellen. 
9  mit  34—39,   cf  mit  31—33  Antennengliedern. 

25.  //.  dentatns  Mein.    1  9  bei  Adelsberg,  Cilli  häufig. 

26.  L.  niidux  Mein.     Agram   1  cT- 

27.  L.  mntahilis  L.  K.     Fiume  und  Tersato  n.  s. 

28.  L.  pusillus  cdlciragus  Verii.     Bei  Fiume  3  </    1  9 . 

29.  L.  aemginosus  L.  K.     Burg  Castua  nicht  selten. 

Sehen dyla  carniolensis  n.   sp. 

Körper  orangegelb,  29  V2  mm  lang,  mit  47  Beinpaaren. 
Rücken  zweifurchig,  vorderste  Bauchplatten  mit  länglicher 
Mitteler  übe. 


92 


Gesellscltaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 


Klauen  der  2.  Unterkiefer  in  der  Endhälfte  verhältlich 
breit,  aber  sehr  dünn  blattartig.  Labrum  vielzähnig  wie 
bei  nemorensis,  aber  die  einzelnen  Zähnchen  kürzer  als  dort. 
Kieferfüsse  innen  ohne  Zähne,  auch  die  Klauenglieder 
sind  innen  am  Grunde  einfach  oder  besitzen  doch  nur  einen 
sehr  schwachen  stumpfen  Höcker.  Seitenlinien  im  Coxoster- 
num  fehlen.  Die  Ventralplatte  des  1.  Beinpaares  entbehrt 
der  Drüsen,  vom  2.  bis  16.  Rumpfsegmente  aber  kommen 
sie  vor  und  zwar  bilden  sie  in  den  Bauchplatten  zwei 
hinter  einander  gelegene   Siebfelder  (die   Abb.   anbei  zeigt 


die  7.  V.).  Das  vordere,  kleinere  Siebfeld  liegt  in  der 
Mitte  der  Bauchplatte  und  erstreckt  sich  quer,  das  hintere, 
grössere  befindet  sich  hinter  der  Mitte,  dem  vorderen  mehr 
als  dem  Hinterrande  genähert  und  ist  von  mehr  rundlicher 
Gestalt. 

Vom  17.  Rumpfsegmente  an  fehlen  die  Drüsenporen- 
felder  plötzlich  vollständig.  Die  drüsenführenden  Bauch- 
platten sind  ferner  dadurch  ausgezeichnet,  dass  der  Hinter- 
rand etwas  höckerig  vortritt  (h).  der  Höcker  aber  greift  in 
eine  kleine  Grube  der  Vorderränder  (v).  Praegenitalsegment 
mit  2  +  2  grossen  Coxaldrüsen.  die  Bauchplatte  desselben 
ist  hinten  abgestutzt  und  am  Endrande  reichlich  fein  be- 
haart. Endbeine  denen  des  nemorensis  gleichend,  insbeson- 
dere auch  in  den  Endgliedern,  welche  nur  halb  so  lang 
und  halb  so  breit  sind  wie  die  vorletzten  Glieder. 


SitziitKj  vom  15.  April  1902.  93 

Vorkorameu:  Ein  einziges  W('il)chen  erbeutete  ich 
bei  Adelsberg.  Dasselbe  gab  ich  dem  Herliner  Museum 
für  Naturkunde,  wo  es  sich  in  Gestalt  zweier  iiiikr.  Prä- 
parate beiludet. 

Annicikunf;;  l:  Die  Satzabbilduiiff  zeigt  das  7.  Sternit  des 
Rumpfes  mit  Diüseiii)oreiifnui)i)en  und  Tastliorsten  sowie  Seitenleisten. 
Reclits  sind  die  Hüftlinien  angegeben,  v  =  vorne,  h  =  hinten.  Vergr. 
etwa  50  fach. 

Anmerkung  2:  Verwiesen  sei  auch  nnf  meinen  Aufsatz  in  No.  624 
dos  Zoologischen  Anzeigers  1900  „Ueb(  r  .'■.'7«'»f/y//a  und  FectinuiKjiiis", 
wo  die  Verwandten  der  neuen  Schemlyla  carniolen.sifi  behandelt  sind, 
so  dass  ich  hier  nicht  weiter  darauf  eingehen  brauche.  Inzwischen  be- 
schrieb Brölkmann  im  „Feuille  des  jeunes  naturalistcs"  1902,  No.  371, 
eine  Schendula  arinuta  aus  den  ,,Alpes  maritimes",  die  der  Bauch- 
idattenporen  völlig  entbehrt  und  im  Uebrigen  an  den  Schenkeln  der 
Kieferfüsse  sehr  grosse  Innenzähne  besitzt.    Sie  läuft  auf  37  Beinpaaren. 

Herr  0.  Neumann  sprach  über  neue  nordost-  und 
ostafrikanische  Säugethiere.  (Fortsetzung  des  Vortrags 
vom  18.  ]\rärz.) 

Tmffelaplius  meneliki  nov.  spec. 

Beschreibung  des  ausgewachsenen  Bockes:  Kopf  hell- 
braun. Nasenrücken  dunkler.  Weisser  Fleck  jederseits  am 
Nasenrücken,  weisser  Fleck  jederseits  schräg  hinten  unter 
dem  Auge.  Ein  weisses  Kehlhalsband  und  weisses  Hals- 
band am  Ansatz  der  Oberbrust.  Ein  weisser  grosser  Fleck 
jederseits  am  Ansatz  der  Vorderbeine.  Scharfer,  weisser, 
vor  den  Fesselgelenken  unterbrochener  Strich  an  der  Vorder- 
seite von  Vorder-  und  Hinterfuss.  Weisse  Stelle  am  Bauch. 
Zwei  bis  drei  sehr  schwache  weisse  Flecke  auf  den  Hinter- 
keulen. Ganzer  übriger  Körper  einfarbig  schwärzlich  roth- 
grau, von  gleicher  Färbung  wie  'Imgeluplam  sylcaticus  (f. 
Rückenkamm  aus  verlängerten  Haaren  bestehend,  von  denen 
einige  auf  dem  Hinterrücken  weiss  sind.  Schwanz  oben  von 
Körperfarbe,  unten  weiss. 

Der  ganze  Körper  ist  also,  mit  Ausnahme  der  weissen 
Zeichnung,  des  Kopfes  und  des  etwas  dunkler  gefärbten  An- 
satzes von  Vorder-  und  Hinterbeinen,  einfarbig.  Bauch 
nicht  dunkler  wie  die  Oberseite. 

Das  älteste  Männchen,   ein   sehr  altes  Stück,   ist  viel 

4* 


94  Gesellscimft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

heller  im  Ton,  wie  die  beiden  andern,  gleichfalls  ausge- 
wachsenen. Keins  der  Stücke  hat  einen  Nackenring  von 
kurzen  Haaren. 

Hörner  von  etwa  gleicher  Grösse  wie  bei  sijlvaticus 
und  scriptus. 

Beschreibung  des  Weibchens:  Ganzes  Thier  hell- 
braunroth,  ungefähr  von  der  Farbe  des  Weibchens  von 
Tragelnphiis  scriptus.  Nasenrücken  schwärzlich.  Rücken- 
partie dunkler.  Keine  weisse  Zeichnung  am  Kopf. 
Weisser  Strich  an  den  Vorderbeinen  fehlend,  durch  eine 
helle  Linie  ersetzt.  Nur  ein  weisser  Fleck  zwischen 
Fesselgelenk  und  Hufen.  Weisser  Strich  am  Hinterbein 
vorhanden.  Keine  Rückenmähne  oder  weisse  Körper- 
zeichnuug.  Bauch  viel  heller  wie  der  Körper,  gelblich 
weissgrau.     Am  Bauch  ein  weisser  Fleck. 

Zwei  andere  Weibchen  haben  je  zwei  undeutliche  weisse 
Flecken  auf  den  Hinterkeulen,  das  eine  auch  einige  weisse 
Haare  in  der  Rückenlinie,  die  aber  kein  eigentlicher  Kamm 
mehr  ist. 

Bewohnt  die  Bergwälder  im  Quellgebiet  des  Webbi 
Shebeli  (Wabbi)  in  2500—3000  m  Höhe:  Gara  Mulata, 
Burka.  Djaffa-Berge. 

Das  Weibchen  dieser  Art  hat  entschiedene  Aehnlichkeit 
mit  Tragelaphus  delamarci  PocoCK.  dessen  Typus  wohl 
auch  sicher  ein  Weibchen  oder  ganz  junges  Männchen  ist, 
doch  haben  alle  meine  Weibchen  einen  deutlichen  weissen 
Strich  an  der  Vorderseite  der  Hinterbeine,  sowie  deutlichen 
ausgeprägten  weissen  Kehl-  und  Brusttleck. 

Vom  Tragelaphus  sylvaticus  aus  Süd-Afrika,  von  dem 
das  Berliner  Museum  einen  alten  Bock,  von  Beyhicii  im 
Swazi-Land  erlegt,  besitzt,  unterscheidet  sich  meneliki  durch 
nur  angedeuteten  weissen  Rückenkamm,  die  geringen  weissen 
Flecken  auf  den  Hinterkeulen,  hingegen  das  Vorhandensein 
eines  scharfen  weissen  Striches  entlang  der  Vorderseite  des 
Vorderbeins. 

Zwei  im  District  Gindeberat  südlich  des  blauen  Nils 
erstandene  Felle    von    Ty(Kjelnpkns-K6ckQn    ähneln    der  be- 


Sitzung  vom  1'».  Ajiril  1902.  95 

scliriebeiien  Art.  Iiaheu  aber  keinen  weissen  Strich  am 
Vorderbein. 

El)onso  ist  das  Fell  eines  nur  wenige  Tage  alten 
niänulichen  pullus.  das  mir  in  Tscherätschä.  Pruvinz  Metscba, 
in  Schoa,  gebracht  wurde,  einfarbig  schwärzlich  graubraun. 
Hin  weisser  Sli'ich  nur  an  den  Hinterbeinen,  dagegen  an 
den  Vorderbeinen  nur  ein  weisser  Fleck  über  den  Hufen. 
Kein  Weiss  auf  der  Rückenlinie  oder  an  den  Hinterkeulen. 

Vennuthlich  ist  diese  Form,  welche  die  Bei'gwälder 
des  eigentlichen  Schoa  zwischen  dem  blauen  Nil  und  dem 
Ilauasch  bewohnt,  vom  Tragcluplms  meneliki  constant  ver- 
schieden, doch  muss  mehr  Material  zur  definitiven  Be- 
schreibung abgewartet  werden. 

Traf/ehifßhus  niulticolor  nov.  spec. 

Beschreibung  des  ausgewachsenen  Bockes:  Ungefähre 
Grösse  von  Trai/c/aphus  scrijitns.  Am  Nacken  sind  die  Ilaare 
kurz  gerieben. 

Färbung  des  Kopfes  und  der  Oberseite  hell  rothbrauu. 
Nasenlinie  schwarzbraun.  Vom  Nacken  ab  eine  schwarze 
Linie  bis  zum  Schwanz,  welche  auf  dem  Rücken  in  einen 
von  hohen  schwarzen  Haaren  gebildeten  Kamm  übergeht. 
Bauch  scharf  abgesetzt  schwarz.  Ein  Fleck  unter,  ein  Fleck 
hinter  dem  Auge  weiss  (jedoch  kein  weisser  Fleck  vor 
dem  Augel).  Weisses  Kinn,  weisser  Kehlfleck,  weisse 
Brustl)inde.  Ansatz  des  Vorderbeins  rein  schwarz.  Darunter 
ist  das  Bein  von  der  Körperfarbe.  An  den  Knieen  jeder- 
seits  ein  grosser  weisser  Fleck.  Ein  weisser,  doppelt  ge- 
theilter  Fleck  über  den  Afterhufen  und  ein  solcher  über 
den  Hufen.  Schwarze  Längsbinde  entlang  der  Vorderseite 
des  Beines.  Ebenso  ist  die  Einsäumung  der  weissen  Flecken 
über  den  Hufen  schwarz.  Weisser  Fleck  am  Ilinterbauch, 
Einfassung  desselben  zum  Hinterbein  schwarz.  Hinterbein 
sonst  von  Körperfarbe,  aber  mit  weissem  Längsstrich  vorn 
und  weissem,  getheilten  Fleck  über  den  Hufen.  Hinter 
diesem  sind  die  Haare  am  Hufansatz  schwarz.  Schwanz 
oben  rothbraun,  unten  weiss.  Spitze  rein  schwarz.  Eine 
Reihe  von  4  ausgeprägten  weissen  Flecken  auf  den  Hinter- 
keulen. 

4** 


96  Ge,sells-ch(ift  natur/'orsc/tender  Fremule,  Berlin. 

Ein  alter  Bock,  Typus  dieser  schöneu  neuen  Art. 
welche  sich  von  allen  andern  durch  die  pechschwarze  Unter- 
seite und  den  hohen,  schwarzen  Rüclienl^amm  auszeichnet, 
wurde  von  mir  am  5.  August  1900  am  Ufer  des  Hauasch, 
südöstlich  des  Sekuala-Berges  erlegt. 

Diese  Art  dürfte  endemisch  für  das  Hauasch-Thal  sein. 

Tragelaphus  massaicus  nov.  spec. 

Diesen  Namen  möchte  ich  dem  Tragelaphus  von  Deutsch- 
und Brittisch-Ost-Afrika  beilegen,  welcher  bisher  stets  unter 
dem  Namen  Tragelaphus  roualeyni  Cumming  ging.  Doch 
passt  die  noch  dazu  sehr  mangelhafte  Beschreibung  des 
Gordon  CuMMiNG'scheu  Buschbocks  vom  Limpopo  absolut 
nicht  auf  den  Buschbock  von  Deutsch-  und  Brittisch-Ost- 
Afrika 

Beschreibung  des  alten  Bockes:  Vom  Färbungs- 
charakter des  Tragelaphus  mulficolor,  also  oben  roth- 
braun, unten  braunschwarz,  aber  nicht  so  scharf  ab- 
gesetzt wie  bei  dieser  Art.  Am  Kopf  viel  mehr  weiss. 
Mehrere  weisse  Flecken  an  den  Wangen.  Je  ein  weisser 
Fleck  am  Nasenrücken.  Weisser  Rückenkamm,  von  dem 
jederseits  vier  mehr  oder  weniger  deutliche  Querstreifen 
herabgellen.  Zahlreiche  weisse,  deutlich  ausgeprägte  Flecken 
auf  den  Hinterkeulen.  Auch  jederseits  ein  oder  zwei 
schwächere  weisse  Flecke  auf  den  Vorderkeulen.  Vorder- 
beine in  der  Mitte  mit  schwarzem  Längsstrich,  der  aussen 
von  Körperfarbe,  innen  von  weiss  eingefasst  ist.  Weisser 
Fleck  über  den  Hufen,  der  schwarz  eingesäumt  ist.  Au 
den  Hinterfüssen  fehlt  dieser  schwarze  Längsstrich.  Schwanz 
oben  von  Körperfarbe,  unten  weiss,  Spitze  schwarz. 

Typus  von  mir  am  oberen  Bubu.  nordwestlich  Irangi, 
am  22.  November  1893  erlegt. 

Färbung  des  Weibchens  hell  rothbraun.  Unterseite  nicht 
dunkler  wie  die  Oberseite.    Die  weissen  Abzeichen  schärfer. 

Ein  ganz  junges,  am  Gurui-Berg  gefangenes  Tliier 
zeigt  bis  auf  die  viel  hellere  Körperfärbung  und  die  helle, 
nicht  dunkle  Unterseite  schon  deutlich  die  Färbung  wie 
der  alte  Bock. 


üitzumj  vom  ];'>.  April  190^.  97 

TraffeJaphus  dania  iiov.  spec. 

TriHfclaphus  deciila  (Küi'i'.  NiCL'M.,  Züül.  Jalii'b..  1900, 
|).  562).  * 

Von  (lieser  Art  liegen  inii-  nur  verstiinimelte  Felle, 
ohne  Beine,  vor.  die  ich  in  Kavirondo,  an  der  Ost- 
seite des  Victoria-Nyansa,  erkaufte.  Auch  in  Uganda  er- 
kaufte ich  Felle  dieser  Art.  daneben  aber  solche  des  echten 
'rrii<ivhiphus  scriptum,  welche  Art  vielleicht  im  westlichen 
Uganda  vorkommt. 

Nackengegend  abgerieben.  Färbung  des  Bockes  gelb- 
braun, Unterseite  dunkler.  Weisser  Rückenkamm.  Keine 
weissen  Horizontal-  oder  Vertical- Striche.  Aber  zahlreiche 
scharfe  weisse  Flecken  auf  den  Hinterkeulen.  jMehrere 
weisse  Flecken  auf  den  Vorderkeulen.  Eine  Reihe  scharfer 
weisser  Flecken  längs  der  Seite  des  Thieres. 

Färbung  des  Weibchens  leuchtender  rothbraun,  Unter- 
seite nicht  dunkler,   eher  heller  wie  die  Oberseite. 

Vorkommen:  Nord-  und  Ostküste  des  Victoria-Nyansa: 
Kavirondo,  Ussoga,  Uganda. 

Trciffelajyhus  nif/rhiotatus  nov.  spec. 

Grösse  ungefähr  \on  Trcuiclaplmn  scriptus.  Keine  kahle 
Stelle  im  Nacken. 

Färbung  des  alten  Weibchens:  Grundfärbung  röthlich 
gelbbraun.  Oberko])f,  Stirn  und  Nasenrücken  schwarz. 
Scharfer,  schwarzer  Strich  vom  Oberkopf  über  den  Halsrücken 
zum  Rücken  Auf  dem  Rücken  ein  grosser,  braunschwarzer, 
nach  hinten  sich  verschmälernder  Sattel.  Weisser  Fleck 
unter  dem  hinteren  Augenwinkel.  Weisser  Fleck  am  Ohr- 
ansatz. Weisser  Kehlfleck.  Weisse  Brustbinde.  Zahlreiche 
deutliche  weisse  Flecken  auf  den  Hinterkeulen.  Beine  von 
Körperfarbe.  Weisser  Fleck  am  inneren  Ansatz  des  Voi'der- 
beins,  weisser  Fleck  innen  am  Knie.  Doppelt  getheilter 
weisser  Fleck  über  den  Hufen,  Einfassung  desselben  schwarz. 
Schwarze  Linie  längs  des  Vorderbeins.  Hinterbein  ohne 
die  schwarze  Linie,  nur  vom  Knie  an  undeutlichere  schwarze 
Linie.  Schwarz  eingefasster  weisser  Fleck  über  den  Hufen. 
Schwanz  oben  hell  gelbbraun,  unten  weiss. 


98  Gesellsclmft  natuiforschender  Freunde,  Berlin. 

Nur  ein  altes  Weibchen  (Typus  der  Art)  am  21.  Ja- 
nuar 1901  am  Barssa-Fluss  (zum  Stefanie-See  fliessend)  im 
Lande  der  Male  erleot. 


In  Bezug  auf  Tragelaphus  möchte  ich  hier  noch  folgendes 
sagen.  Nach  den  Untersuchungen  des  Materials  meiner 
letzten  Reise  und  des  sehr  zahlreichen  Materials  des  Berliner 
Museums  für  Naturkunde  scheinen  sich  mir  folgende  inter- 
essante Resultate  zu  ergeben. 

1)  Es  giebt  vermuthlich  noch  viel  mehr  Arten  als  bisher 
beschrieben.  Eine  starke  Variation  in  der  Art  unter  sich, 
wie  man  es  oft  angenommen,  kommt  anscheinend  nicht  vor. 
Wohl  unterscheiden  sich  alte  von  jungen,  sowie  das  Männ- 
chen vom  Weibchen  in  der  Färbung.  Doch  regelt  sich  dieser 
Unterschied  nach  bestimmten  Gesetzen.  Der  Charakter  der 
Farbenzeichnung  bleibt  stets  der  gleiche,  wie  dieses  aus 
dem  Studium  der  schönen  Serie  von  TragelapJms  meneliki, 
3  Männchen,  3  ausgewachsene,  1  junges  Weibchen,  her- 
vorgeht. 

Interessant  ist  es  ferner  besonders,  dass  das  ganz  junge, 
bei  Tscherätschä  in  Schoa  erhaltene  Stück  schon  genau  die 
Färbung  der  alten  männlichen  Felle,  die  in  dieser  Gegend 
erkauft  wurden,  zeigt. 

2)  Es  scheint,  abgesehen  von  den  Sumpfböcken  (gratus, 
speekei,  selousi)  und  den  beiden  aberranten  Formen  angasii 
und  euryceros  zwei  verschiedene  Gruppen  im  Genus  2ra- 
geJdphus  zu  geben. 

Eine  mehr  langhaarige,  meist  Bergwälder  bewoh- 
nende, bei  der  Ober-  und  Unterseite  auch  bei  den  alten 
Böcken  einfarbig  sind  und  welche  nie  im  Nacken  kahle 
Stellen  oder  zum  mindesten  solche  mit  verkürzten  oder 
anders  gestellten  Haaren  haben.  Hierher  gehören  Trage- 
laplms  sylvaticus,  meneliki,  delamarei,  vermuthlich  aucii  decula 
und  nigronotatus,  wahrscheinlicli  auch  ohscurus  Trsst..  jeden- 
falls eine  sehr  gute  Art. 

Dann  eine  Gruppe,  bei  der  die  alten  Böcke  eine 
dunklere,  von  der  Oberseite  mehr  oder  weniger  scharf 
abgesetzte  Unterseite  zeigen.     Alle  Thiere,   Männchen   und 


Sitzung  i'om  15.  April  1902.  99 

Weibchen,  jung  und  alt.  haben  im  Nacken  eine  mehr  oder 
weniger  kahle,  nur  mit  kurzen  braungruuen  Haaren  be- 
standene Stelle,  die  nach  Alter  und  Geschlecht  theils 
grösser,  theils  kleiner  ist.  Diese  Arten  bewohnen  haupt- 
sächlich Flussufer  in  niederen  Gegenden.  Hierher  gehören 
I'raf/claphus  scn'pfiis,  phaleratus.  ornatiis,  bor,  dama,  multicolor, 
massaicus  und   wohl  auch  ronulcyni. 

Von  einer  genauen  Kenntniss  der  Buschböcke  sind  wir 
übrigens  noch  ebenso  entfernt  wie  von  der  der  Riedböcke. 

Cervicapra  fulvorufula  schoana  nov.  subspec. 

Färbung  ähnlich  der  von  Cervicapra  fulvorufula  chanleri, 
aber  ohne  schwarzen  Streif  über  den  Nasenrücken. 

Am  Schädel  fällt  die  schwache  Rippung  der  Hörner, 
die  starke  Wölbung  der  Frontalen  über  den  Augenhöhlen, 
die  grosse  Entfernung  der  Oeffnung  des  untersten,  breitesten 
Supraorbital-Kanals  vom  Ilornansatz  auf.  Diese  Entfernung 
ist  um  ca.   '/4  länger  als  bei  fulvorufula  und  chanleri. 

Der  Processus  zygomaticus  des  Frontale  ist  ca.  3  mal 
so  breit  wie  bei  chanleri  und  immerhin  1 V2  bis  2  mal  so 
breit  wie  bei  der  typischen  fulvorufula.  Die  Zahnreihen  sind 
bei  schoana  und  chanleri  ungefähr  von  gleicher  Länge  und 
ca.  um  ^ji  kürzer  wie  bei  fulvorufula. 

Bewohnt  die  Gebirge  am  Abaja-  und  Gandjule-See. 
Durch  Freiherrn  v.  Eklangek  auch  am  Sekuala-Berg.  nach 
freundlicher  Mittheilung  des  Baron  Walter  v.  Roth- 
schild durch  Major  Powell- Cotton  auch  im  centralen 
Abyssinien  erbeutet. 

Alle  drei  Arten  bewohnen  steinige  Berge  und  Hügel, 
während  die  Arten  isahellina,  wardi,  hohor  und  redunca  hohes 
Riedgras  in  Tiefebenen  bewohnen. 

Sowohl  chanleri  wie  schoana  sind  übrigens  meinerMeinung 
nach  nur  als  Subspecies  von  fulvorufula  aufzufassen. 

Ot^yx  heisa  {/allafiini  nov.  subspec. 
Vom  Färbungscharakter  des  typischen  Oryx  heisa,  aber 
die  Oberseite  tiefer  und  gesättigter  roth.    Die  Färbung  der 
Beine,  abgesehen  von  der  schwarzen  Zeichnung,  nicht  reiq 


100  Gesellschaft  miturforsclmider  Freunde,  Berlin. 

weiss,  sondern  hellröthlich  oder  bräunlich  überlaufen.  Hufe 
viel  länger  wie  bei  der  typischen  Or^x' />e«scr  Nach  dem  mir  vor- 
liegenden Material  sind  auch  die  Hörner  etwas  gebogener 
wie  bei  der  typischen  Form,  und  laufen  fast  völlig  parallel, 
während  bei  der  nördlichen  die  Hornspitzen  weiter  diver- 
giren.  Doch  fragt  es  sich,  ob  letzterer  Unterschied  con- 
stant  ist. 

Vertritt  die  typische  Onjx  heisa,  welche  die  Küsten- 
gebiete des  rothen  Meeres,  die  Danakil-Steppe  und  das 
nördliche  Somali-Land  bewohnt,  im  Stromgebiet  des  Webbi 
Shebeli  und  Juba  und  verbreitet  sieb  vermuthlich  südlich 
bis  Brittisch  Ost-Afrika,  wo  F.  J.  Jackson  am  Baringo-See 
die  Grenze  von  Oryx  heisa  und  Oryx  callotis  angiebt. 

Dass  die  angeführten  Färbungsunterschiede  nicht  auf 
Geschlechts-  und  Saison-Verschiedenheiten  beruhen,  beweist 
folgender  Zufall. 

Wir  erlegten  10  Exemplare,  Männchen  und  Weibchen 
der  Oryx  heisa  gallarum,  von  denen  7  Felle  ganz  präparirt 
wurden,  beim  Orte  Baiinga  Modjo  im  südlichen  Ennia  Galla 
Land  nahe  dem  Wabbi  zwischen  4.  und  7.  Juni  1900. 

Unser  Präparator  Karl  Hilgert  der  von  Harar  durch 
die  Danakil-Steppe  nach  Adis  Abeba  zog,  erlegte  bei  Arba 
nahe  dem  Assebot  Berge  in  der  Danakil-Steppe  4  Exemplare 
der  typischen  Oryz  heisa  gleichfalls  Männchen  und  Weibchen 
zwischen  6.  und  8.  Juni  1900,  also  an  den  gleichen  Tagen. 

Die  Unterschiede  der  zwei  Formen  sind  bei  allen  Fellen 
zu  sehen.  Die  Hilgert' sehen  Exemplare  aus  der  Danakil- 
Steppe  unterscheiden  sich  in  keiner  Weise  in  der  Färbuug 
von  einem  alten  Bock,  den  ich  am  24.  Januar  1900  im  Fulla 
Thal,  drei  Tagereisen  südlich  von  Zeyla,  erlegte. 


Zu  Canis  hiffensis  will  ich  noch  erwähnen,  dass  ich 
in  voriger  Woche  das  eine  Stück  der  von  Freiherrn  v.  Ek- 
LANGER  geschenkten  Exemplare  im  Frankfurter  Zoologischen 
Garten  nochmals  sah. 

Ein  Seitenstreif  ist  zwar  bemerkbar,  besteht  ab('r  nur 
aus    etwas    stärkerem  Hervortreten   der  schwarzen  Ilaai-e. 


SitzuiKj  vom  ir,.  April  1902.  101 

Die  Färl)img  ober-  und  iintcrlialb  diesos  schwachen  Striches 
ist  al>ei'  ganz  gleich,  wähfciid  hei  West-,  Süd-  und  Ost- 
Afrikanern  die  Färbung  (h's  Sattels  von  der  der  Unter- 
seite vorschieden  ist. 

Die  Thiere  sind  übrigens  ganz  ausgewachsen,  da  sie 
schon  (iininal  Junge,  die  inzwischen  wieih'r  eingegangen  sind. 
zur  Welt  gebracht  haben. 

Schliesslich  will  ich  erwähnen,  dass  in  Bewegungen 
und  im  Ausdruck  der  Augen  Canis  Icaft'cnsis  sehr  von  den 
andern  Schakalarten,  die  derzeit  im  Frankfurter  Zoologi- 
schen Garten  leben  (aureus,  riparhis,  aiithxs  und  ha/jcnhccki), 
absticht.  Der  scheue  Ausdruck  der  Aug<m  und  die  ge- 
schwungene Schnauzcnlinie  erinnern  mich  an  den  Beutelwolf 
(Thylac'mus  cynoccphalus)  von  Tasmanien. 


Im  Heft  4  der  P.  Z.  S.  1902  ist  ein  Zebra,  welches 
Kaiser  Menelik  von  Abyssinien  durch  den  englischen  Ge- 
sandten Lt.  Col.  ilAKitiNCnoN  nach  London  gesandt  hat, 
abgebildet. 

Mr.  ScL.VTKii  bemerkt  hierzu,  dass  das  Vorkommen 
dieses,  s.  u.  Equus  granti  de  Wintox  abgebildeten  Thieres 
nicht  sicher  feststände  und  es  unbekannt  wäre,  ob  die  beiden 
Zebraarten  (jrevyi  und  granti  irgendwo  zusamuien  vorkämen. 

Ich  bin  in  der  Lage  hierauf  einige  Auskunft  geben  zu 
können.  Das  abgebildete  Thier  stammt  vermuthlich  vom 
Abaja-  (Margarita-)  See.  wo  ich  auch  mehrere  Exemplare 
erlegte.  Ich  beobachtete  das  GKAN'r'sche  Zebra  dann 
am  Gandjule-See  und  im  AdoshebaT-Thal  westlich  von 
Gardulla. 

Nacii  eigenen  Beobachtungen  und  Angaben  der  Litteratur, 
ferner  nach  unlängst  erhaltener  freundlicher  brieflicher 
Mitteilung  des  derzeit  noch  auf  einer  Forschungsreise  in 
Ost-Afrika  befindlichen  Grafen  Eduard  WjCKKNnuuG,  kann 
ich  sagen,  dass  beide  Arten  nie  zusammen  vorkommen. 

Das  Verbreitungsgebiet  der  beiden  Arten  ist  folgendes: 
Equus  grevyi:    Danakil-Steppe,   Hauasch-Gebiet,   nördliches 


102  Gesellschaft  niiturforsclicnder  Freunde,   Berlin. 

und  südliches  Somali-Land.  Galla-Länder  bis  zum  Stefanie- 
und  Rudolf-See,  südlich  bis  Marsabit.  Lorian  und  Guasso 
Nyiro. 

Equus  granti:  Abaja-See,  GandjuleSee.  Sagan  und 
Adoshebai-Thal,  vielleicht  Westufer  des  Rudolf-Sees,  dana 
Unjoro,  Uganda  und  Massai-Länder. 

Vermuthlich  fällt  übrigens  Equus  granti  de  Wint.  mit 
Equus  höhmi  Mtscii.  zusammen  und  hat  letzterer  Name 
dann  die  Priorität.  Ich  werde  an  anderer  Stelle  auf  diese 
Fraire  zurückl^ommen. 


Referirabend  am  8.  April  1902. 

Herr  K.  MÖBIUS  über  Max  Weber,  Resultats  des  ex|>lora- 
t.ions  zoologiques,  botaniques.  oceanographi(|U(!S  et 
geologiques  enterprises  aux  Indes  neerlandaises  orien- 
tales  en  1899  —  1900.  a  bord  du  Siboga.    Leiden  1902. 

Herr  Fr.  KopSCH  über  Franz  üofmeistek,  Die  chemische 
Organisation  der  Zelle.  Braunschweig.  Friedrich 
Vieweg  und  Sohn  1901. 

Herr  Ä.  NehriNG  über  C.  Freiherr  v.  Houmuzaki.  lieber 
die  in  den  Karpathen  einheimischen  Arten  der  Gattung 
Erebia  und  deren  Beziehungen  zur  pleistocänen  Fauna 
Mitteleuropas.     Deutsch.  Entomol.  Zeitschr.  1901. 

Derselbe  über  Aug.  Schulz,  über  die  Entwicklungs- 
geschichte der  gegenwärtigen  ])hauerogamen  Flora  und 
Pflanzendecke  Mitteleuropas.  Ber.  Deutsch.  Bot.  Ges. 
1902. 

Derselbe  über  A.  Nehring,  Die  kleinen  Wirbeltiere  vom 
Schweizerbild  bei  Schaff  hausen.    2.  Aufl.    Zürich  1901. 

Herr  Wl.  MarSSON  über  einige  Abwasserorganisraen  — 
im  Ansciiluss  an  die  Arbeiten  von  Zykoff,  Die  rrofo.zoa 
des  Potamoplanktons  der  Wolga  bei  Saratow  (Zool. 
Anz.  Bd.  XXV,  No.  665,  3.  März  1902,  p.  177—180) 
und  W.  BüNTE,  Die  Diatomeenschichten  von  Lüne- 
burg. Lauenburg  .  .  .  (Arch.  Ver.  Freunde  Naturgesch. 
Mecklenburg.     Güstrow   1901). 


J.  F.  St«r«ke,  BerUa  W. 


Nr.  5.  1902. 

S  i  tz  u  II  gs  -  Bo  ri  eil  t 
der 

Gesdlscliaft  iiatiirtorsclKMuler  FrcMinde 

zn   Berlin 
vom  20.  Mai   1902. 


Voisitzomlcr:  Herr  A.  Nehring. 


Herr  0.  Jaekel  sprach  über  Coccosteus  und  die  Be- 
urtheilung  der  Placodermen. 

Als  älteste  Wirbeltliiere  dürfen  die  Placodernieii  ein 
hohes  Interesse  beanspruchen.  Sie  sind  bekanntlich  im 
.Silur  und  Devon  verbreitet  und  an  einzelneu  Localitäten. 
wie  namentlicli  in  Nordschüttland,  auch  recht  liäuüg.  Ent- 
gegen einigen  in  neuerer  Zeit  geäusserten  Ansichten,  dass 
ein  Theil  derselben  von  den  übrigen  zu  trennen  und  mit 
den  Dipnoern  zu  vereinigen  sei,  will  ich  sie  aus  später 
erläuterten  Gründen,  wieder  als  Einheit  auffassen.  Ihre 
bekanntesten  Vertreter  sind  dann  die  Pteraspideu  (C///(thiis- 
2)is,  Tolupuspis,  Vteraspis),  die  Treniataspiden  (Tremataspis), 
die  Psatnmosteiden  (Psammosteus),  die  Cephalaspiden  (Di- 
dijmaspis,  Thijestes,  Brepaiiaspis,  Cepihahspis,  Euceraspis). 
Die  Coccosteidae  (Phli/ct'ienasjjis,  Coccosteus,  Brachydinis^ 
Dinichthys,  Titaniclitys),  die  Macropetaliclithyidae  (Mdoo- 
pctdlicJith/js) ,  die  Asterolepiden  (Homostens,  Asterokpis, 
Pterichthys,  Bothrlolepis). 

Trotzdem  der  Skeletbau  dieser  Thiere,  ja  von  einzelnen 
sogar  die  ganze  Körperform,  bekannt  ist,  giebt  es  doch 
keinen  Wirbelthiertyi)us,  dessen  Organisation  so  unklar  und 
unsicher  wäre,  wie  die  der  Placodermen.  Ausser  ihren 
Augen,  dem  Unterkiefer,  allenfalls  der  Praemaxilla  und 
dem  Schwanztlossenskelet.  hat  keiner  ihrer  Körpertheile 
eine    zuverlässige    Deutung    erfahren.     Diese    Verlegenheit 


104  Gcsellscluift  naturforschetv.Jer  Freunde,  Berlin. 

wird    diirfli   die   indifferenten  Bezeichnungen   bestätigt,    die 
man  den  einzelnen  Skeletelementen  gab. 

Das  wichtigste  Hinderniss  für  den  anatomischen  Ver- 
gleich des  Placudermen-Skeletes  mit  dem  der  übrigen  Wirhel- 
thiere  lag  meiner  Ueberzeuguug  nach  darin,  dass  man  die 
sogenannten  Ruderorgane  specialisirter  Formen  für  die  Arme 
hielt  und  infolgedessen  zu  einer  ganz  falschen  Beurtheiluug 
der  Rumpfregion  gelangte. 

Bei  den  Pteraspiden  ist  der  Kopf  und  der  vordere 
Theil  des  Rumpfes  von  einem  einheitlichen  Panzer  um- 
geben, der  in  ein  dorsales,  ein  ventrales  und  jederseits  ein 
schmales,  seitliches  Stück  zerfällt.  Kopf  und  Rumpf  sind 
hier  durch  keine  Gliederung  des  Hautskeletes  geschieden, 
aber  durch  Sculpturgrenzen  auf  dem  Rückenpanzer  augedeutet 
und  durch  die  Lage  innerer  Organe  klargestellt.  Die  Lage 
der  Augen  ist  sicher,  ebenso  klar  das  etwas  dahinter  ge- 
legene uupaare  Scheitelloch,  welches  allerdings  vom  Haut- 
skelet  aussen  in  dünner  Schicht  überdacht  ist.  Die  Kiemen- 
region des  vorderen  Rumpfes  ist  äusserlich  uiciit  erkennbar, 
wohl  aber  an  der  Innenfläche  des  Rückenpanzers,  wo  jeder- 
seits 6  Visceralbogen  flache  Eindrücke  hinterlassen  haben. 
Dieselben  stimmen  an  den  3  mir  vorliegenden  Exemplaren 
überein  und  nehmen  von  vorn  nach  hinten  an  Deutlichkeit 
ab.  Luftzufuhr  erhielten  diese  Kiemen  wohl  durch  einen  Spalt, 
der  jederseits  au  der  Seitenplatte  offen  blieb.  Hinter  dem 
Panzer  folgen  oben  rhombische,  an  den  Seiten  längliche 
Schuppen,  deren  Form  und  Lage  die  Existenz  von  vorderen 
Extremitäten  unwahrscheinlich  macht.  Dieselben  mögen 
diesen  Formen  ebenso  gefehlt  haben,  wie  den  Larven  von 
Amphibien,  mit  denen  diese  anscheinend  ältesten  Wirbel- 
thiere  auch  in  der  Gesammtform  auffallende  Aehnlichkeit 
bieten.  Da  sie  nach  der  Form  ihres  Panzers  wahrschein- 
lich auch  einen  vorstreckbaren  Sauginund,  etwa  wie  die 
Kaulquabben,  besessen  haben  dürften,  so  mochte  ich  jene 
ältesten  Fische  geradezu  als  perennirte  Larven  des 
Wirbelthierstammes  betrachten. 

Innerhalb   der  jüngeren  Pteraspiden  ändert  sich  dieser 
Typus  von  Cyathaspis  in  zwei  allerdings  scheinbar  unwesent- 


SiUung  vom  W.  Mai  1902.  105 

liehen  Piinkteu;  bei  den  jüngereu  Arten  von  Cyathaspis 
(Cijdthaspis  Lüidstrimii  u.  sp.  pro  C.  intet/cr  Lindstküm  und 
Tohjpaspis  Schmidt)  zeigt  die  ursprüngliche  Längssculptur 
einen  Zerfall  in  schuppenartige  Felder,  während  sich  bei 
dem  devonischen  Ptemspis  von  dein  medialen  Ende  des 
Rückenschildes  eine  stachelartige  Platte  sondert.  Jede  dieser 
Aenderungen  scheint  mir  in  anderer  Art  eine  Anpassung 
des  Körpers  an  das  Fischleben  7Ai  kennzeichnen.  Die  be- 
ginnende Zerlegung  des  vorher  starren  Panzers  durch  Linien 
grösserer  Elasticität  in  einzelne  Felder  beweist  eine  Zu- 
nahme der  Beweglichkeit  gegenüber  Cy(ith(tspis,  während  der 
Rückeustachel  bei  jüngeren  Pteraspideu  seine  beste  Er- 
klärung als  Wassertheiler  vor  einer  dahinter  entstandenen 
Kiickentlosse  fände.  Gleichzeitig  ist  bei  Fter^spis  der  Panzer 
dünner  und  anscheinend  in  toto  elastischer  geworden. 

Bei  einem  devonischen  Psammosteiden.  dessen  Original 
die  Dori)ater  Sammlung  bewahrt,  erhielt  sich  die  Form 
des  Panzers,  wie  ihn  Ct/athasjns  zeigte,  indem  derselbe  eine 
länglich  ovale,  kolferartige  Umhüllung  der  vorderen  Kopf- 
Kumpfregion  bildete.  Dabei  ist  aber  der  histologische  Bau 
des  Skeletes  insofern  geändert,  als  an  Stelle  dentinöser 
Längsleisten  (Cyailiaspis)  oder  leistenverzierter  Schuppen 
regionen  (Tohjxmsjns)  kleine  rundliche  oder  sternförmige 
Höcker  auf  dem  Skelet  entstanden  sind. 

Bei  Trcmatdspis  ist  der  Panzer  glatt  und  flach  aus  einem 
ovalen  Kückenstück,  einem  grossen  hinteren  und  kleineu  vor- 
deren, dieMuudregion  freilassenden  Ventralstücken  zusammen- 
gesetzt. Die  Augen  sind  nach  der  Scheitelregion  zusammen- 
gerückt. An  Stelle  des  seitlichen  Kiemenspaltes  der  Pteras- 
l)iden  zeigen  sich  jederseits  7  kleine  Oefl'nungen  im  Ventral- 
panzer, die  bei  der  anscheinend  mit  Cyathaspis  verwandten 
Birkenia  Tu.  aus  dem  schottischen  Obersilur  wiederkehren. 
Ausserdem  finden  sich  noch  vor  und  hinter  dem  Parietalloch 
mediane  Gruben,  die  Sinnesorgane  beherbergen  mochten, 
sowie  seitliche  Durchbrechungen  des  Panzers,  aus  denen 
vielleicht  dorsale  Fühler-Organe  heraustraten. 

Bei  den  Cephalaspiden  sind  die  Augen  ebenfalls  dorsal 
einander  genähert,  und  anscheinend  auch  die  übrigen  Siuues- 

5* 


106  Gesellschaft  natnrforschcnder  Freunde,  Berlin. 

Organe  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  dem  letztgenannten 
Tremataspiden  vertheilt.  aber  ein  bemerkenswerther  Um- 
schwung zeigt  sich  in  der  Form  des  Panzers,  nämlich  darin, 
dass  sich  eine  Kopf-  und  Halsregiou  sondern.  Die  Son- 
deruDg  besteht  hier  allerdings  nur  darin,  dass  sich  die 
Kopfregion  verbreitert  und  liinten  seitwärts  in  flügelartige 
Stacheln  ausläuft,  während  die  Halsregiou  verschmälert 
ist.  Dadurch  erscheint  die  letztere  dem  Kopf  gegenüber 
individualisirt.     Auf  die  Brustflossen  komme  ich  zurück. 

Bei  den  Coccosteiden  ist  der  Panzer  deutlich  in 
einen  Kopf-  und  einen  Hals -Panzer  geschieden  durch  eine 
Linie,  die  ausserordentlich  scharf  ausgeprägt  ist.  Es  bilden 
sich  hier  dorsal  eine  ungemein  kräftige  Nacken-Muskel- 
Verbindung  und  lateral  jederseits  zwei  Gelenk-Verbindungen. 
Die  obere  ist  die  wichtigere,  an  ihr  tritt  auch  die  Seiten- 
linie vom  Kopf  auf  den  Riunpf  über.  Das  Wichtigste  zur 
Orientirung  über  den  Skeletbau  scheint  mir  nun  darin  zu 
liegen,  dass  die  hier  entstandene  Grenze,  die  sich  auch  in 
der  Organisation  der  Asterolepiden  erhielt,  wirklicli  den 
Kopf  von  dem  Rumpf  scheidet  und  also  alles,  was  vor  der- 
selben liegt,  der  allgemeinen  Deutung  des  Wirbelthier- 
schädels  unterliegt.  So  fremdartig  nun  auch  die  Elemente 
des  Coccosteiden-Schädels  angeordnet  sind,  so  ist  doch  die 
Zahl  der  morphologisch  sicheren  Fixpunkte  grösser  als  man 
bisher  annahm.  Ausser  den  Augenhöhlen,  konnte  ich  bei 
einem  Coccosteiden  des  deutschen  Devon  auch  die  Nasen- 
öffnungen nachweisen.  Unbedenklich  für  ident  mit  dem  der 
übrigen  Wirbelthiere  wird  man  das  Pinealloch  ansehen 
können;  dasselbe  hat  aber  hier  seinen  Platz  zwischen  den 
Frontalien,  ebenso  wie  bei  Crossopterygiern.  deren  Schädel- 
bau darüber  nicht  in  Zweifel  lässt. 

Danach  ergiebt  sich  für  die  Schädel -Knochen  des 
häutigsten  und  bekanntesten  aller  Placodermen.  des  schotti- 
schen Coccosteus  dicipiens  Ag.,  folgende  Deutung  des  Schädels, 
(vergl.  die  in  Seitenansicht  beigegebene  Zeichnung).  Ich  be- 
merke dazu,  dass  ich  dieses  ]5ild  durch  sorgfältige  Prä- 
paration einer  ganzen  Anzahl  von  Exemplaren  erzielt  habe, 
und   dass  sich  dasselbe   von  dem  Tuaquaiu  sehen  Entwurf 


Sitzuiijj  vom  iiO.  Mai  1902.  107 

namontlicli  untersclioirlot  durch  den  Nachweis  der  Maxillcn 
1111(1  Pracmaxillt'ii.  durch  die  abweichende  Lage  der  Nasen- 
ötl'nungen  und  der  unteren  Runipfpanzerelementc,  den  Nach- 
weis des  Beckens  und  den  Hinweis  auf  paarige  Extremitäten. 
Zu  der  Deutung  der  Schädel-Elemente  möchte  ich  nur 
in  Kürze  folgendes  bemerken.  Es  liegt  meines  Erachtens 
kein  Grund  vor.  das  bisher  als  Rostrum  oder  Rostrale  be- 
zeichnete Stück  nicht  als  Nasale  zu  bezeichnen,  da  es  nach 
seiner  Lage  zu  den  übrigen  Knochen  und  den  Nasenlöchern 
durchaus  den  Nasalien  der  Tetrapodeu  entspricht.  Die 
Praemaxillen  sind  in  ähnlicher  Weise  durch  eine  Dentin- 
bildiing  verstärkt  wie  bei  Sphenodon.  Man  sollte  diese  Be- 
zahnungsform  nicht  kurzweg  als  acrodont  bezeichnen,  denn 
Zahnindividuen  sind  hier  noch  nicht  morphologisch  ge- 
sondert vom  Kieferknochen;  der  letztere  erscheint  an  seinem 
Kaurande  gezackt,  und  diese  Zacken  sind  histologisch  von 
echtem  Dentin  noch  weit  entfernt.  Ich  schlage  für  eine 
solche  Bezahnung.  die  auch  für  die  Maxillen  und  Mandibulae 
von  Coccosteus  charakterisch  ist.  und  von  der  sich  sowohl 
der  acrodonte  Einzelzahn  der  Teleostomen,  wie  der  Zahn- 
hau der  Chimaeriden  und  Dipnoer  ableiten  lässt,  als  stepha- 
nodont  (;7-:£-favo;  der  mit  Thürmen  versehene  Mauerkrauz). 
Als  Lacrymalia  wird  man  unbedenklich  die  kleinen,  zwischen 
Nasalien,  Praemaxillen  und  Praefrontalien  gelegenen  Stücke 
ansehen  dürfen.  Die  Nasenöff'nungen  selbst  sind  unter  dem 
Nasale  einander  eng  genähert,  aber  durch  ein  Septum  ge- 
trennt. Die  grossen,  von  Traquair  als  Maxillen  ge- 
deuteten, unter  den  Orbitae  gelegenen  Platten  entsprechen 
in  ihrer  Lage  mehreren  Deckknochen  der  Stegocephalen 
und  Ganoiden,  nicht  aber  den  Maxillen.  umsomehr  als  sie 
an  ihrem  unteren  Vorderrand  einen  länglichen  stephano- 
donteu  Knochen  aufnehmen,  der  vorn  an  die  Praemaxillen 
stösst  und  also  der  Maxiila  der  Tetrapoden  gleichzusetzen 
ist.  Der  hinter  jenem  beilförmigen  Kieferknochen  gelegene 
Knochen  hat  die  Lage  des  Quadrato-Jugale  und  dürfte  auch 
dieses  repräsentiren.  Der  hinter  dem  Auge  vorspringende 
Knochen  des  Schädeldaches,  den  Traquair  als  Postorbitale 
bezeichnete,  möchte  ich  dem  Postfrontale  gleichsetzen,  denn 


108  Gescllschift  natarforschcnder  Freunde,  Berlin. 

dieses  letztere  bildet  allgemein  die  Postorbitalecke  des 
Schädels  an  dem  der  :Mimdbogeu  älterer  Crossopterygier  mit 
dem  Postorbitale  als  oberstem  Deckknochen  articulirt. 

Die  übrigen  Knochen  des  Schädeldaches  sind  nur  dann 
mit  den  bekannten  Elementen  anderer  Wirbelthiere  in  Be- 
ziehung zu  bringen,  wenn  man  die  das  Parietalloch  ein- 
schliessenden  Knochen  nicht  als  Parietalia,  sondern  als 
Frontalia  betrachtet.  Das  erscheint  zwar  sehr  befremdlich, 
würde  aber  erklären,  dass  das  Scheitelloch  bei  den  Placo- 
dermen  immer  zwischen  den  Augen  liegt,  dass  zwischen 
diesen  supponirten  Frontalien  und  dem  verschmolzenen 
Occipitale  superius  bei  den  Placodermen  und  devonischen 
Orossopterigiern  (z.  B.  Gyroptychius)  noch  ein  Plattenpaar 
eingeschaltet  ist.  welches  nur  als  Parietalia  gedeutet  werden 
kann,  und  dass  bei  den  Fischen  das  Parietalloch  bald  ver- 
schwand, während  es  sich  bekanntlieh  bei  vielen  Tetrapoden 
an  der  anscheinend  normalen  Stelle  zwischen  den  Parietalien 
noch  sehr  lange,  ja  bei  einigen  bis  zur  Gegenwart  erhalten 
hat.  Hinter  den  verschmolzenen  Frontalien  folgen  dann  die 
breiten  Parietalia  und  hinter  ihnen  das  Occipitale,  das  zum 
Ansatz  der  Nackenmuskeln  verstärkt  ist.  Für  die  grossen, 
seitlich  hinter  den  Parietalia  gelegeneu  Platten  bliebe  dann 
nur  die  Deutung  als  Epiotica.  Die  letzteren  bilden  auch 
bei  den  Stegocephalcn  die  charakteristischen,  nach  hinten 
vorspringenden  Ecken  des  hinteren  Schädeldaches.  Das 
jederseits  zwischen  den  Epiotica  und  dem  Quadrato-Jugale 
liegende  ovale  Stück  würde  danach  als  Supratemporale  be- 
zeichnet werden  können,  unter  dem  übrigens  noch  ein 
schmales  Element  des  Ohrbogens  sichtbar  wird. 

Zu  der  viertheiligen  Reconstruction  des  Sklerotikal- 
ringes  glaubte  ich  mich  auf  Grund  eines  mir  vorliegenden 
neuen  Coccosteiden  berechtigt,  weil  dessen  Viertheilung 
auch  bei  dem  morphologisch  unvergleichlich  wichtigen 
Acantliodes  wiederkehrt  und  Newbekry  einen  solchen  vier- 
theiligen Ring  auch  bei  einem  amerikanischen  Coccosteiden 
fand.     Ich  bemerke  allerdings,   dass  Bashford  Dean')  in 

')  Palaeontological  Notes,  On  two  iiew  Arthrodira  etc.  (l^ew  York 
Ac.  Sc,  II,  1901). 


73        3 


=     ^ 


Sitzumj  rom  30.  Mai  1003.  109 

seiner  neuesten  Schiitt  den  8Uleroticalring  eines  Coccos- 
teiden  mit  5  Platten  reconstriiirt.  aber  diese  Vermuthung 
kann  mir  die  obigen  Beobachtungen  und  Gründe  nicht  ent- 
werthen. 

Ueber  die  Bezahnung  der  Kiefertheile  habe  ich  noch 
keine  volle  Klarheit,  indess  scheint  mir  Folgendes  zu  recht- 
fertigen. Die  Bezahnungsform  scheint  durchaus  übereinstim- 
mend mit  der  von  Sphenodon.  Von  den  Zahnspitzen  des 
Unterkiefers  dürften  mindestens  die  vordersten  dem  Dentale, 
die  hinteren,  mehr  einwärts  gelegenen  vielleicht  dem  Splen- 
iale  zuzurechnen  sein.  Die  Praeraaxillen  scheinen  ent- 
sprechend dem  Vorderrand  des  Unterkiefers  mit  je  einer 
Spitze  versehen  gewesen  zu  sein.  Als  Vomera  spreche  ich 
dreiseitige  Knochenstücke  an,  die  eine  quer  und  schräg  ge- 
stellte Reihe  stumpfer  Höcker  aufweisen.  Die  Maxillen  sind 
kleine  schmale  mehrzackige  Knochenstücke  die  dem  lunen- 
rand  des  suborbitalen  Astes  des  beilförmigen  Oberkiefer- 
stückes eingefügt  sind.  Palatina  und  Transversa  habe 
ich  noch  nicht  finden  können,  vermuthe  aber  ihre  Existenz 
hinter  den  genannten  Elementen. 

Der  Halspanzer  besteht  1)  aus  dem  unpaarigen 
Dorsalstück  „Cervicale",  welches  wie  der  Rückenstachel 
der  Chimaeriden  mit  Hülfe  einer  vertikalen  Platte  auf  der 
Wirbelsäule  ruht,  vorn  zum  Ansatz  der  Xackenmuskeln  zur 
Bewegung  des  Kopfes  dient  und  hinten  eine  Knochenplatte 
überdeckt,  die  genau  wie  bei  Chimaeriden  gelagert  und 
geformt  ist  und  wie  bei  diesen  als  Basalplatte  einer  vorderen 
Rückenflosse  zu  deuten  ist;  2)  aus  den  paarigen  Elementen 
des  Opercularapparates  und  zwar  einem  oberen  Stück, 
welches  an  der  Epiotikalecke  des  Schädels  articulirt,  sich 
vorn  unter  das  Cervicale,  hinten  über  die  oberste 
Schulterplatte  schiebt  und  unten  von  der  zweiten  Opercular- 
platte  überlagert  wird.  Ersteres  ist  mir  seiner  Homologie 
nach  noch  unklar,  dürfte  aber  im  Verein  mit  der  soge- 
nannten Kopfrippe  niedrig  organisirter  Ganoiden  als  Bogen- 
reste  eines  Occipitalbogens  anzusehen  sein.  Die  untere 
zweite  Platte  scheint  dem  Operculum  der  Teleostomen 
zu    entsprechen,    da    das    Supratemporale    vielleicht    dem 


110  GeselUcluift  natiirfor seilender  Fremide,  Berlin. 

Praeoperculum  clor  Fische  gleichzusetzen  ist.  Das  fragliche 
Operculum  dürfte  als  Deckstück  eines  oder  mehrerer 
Radii  branchiostegi  des  Ohrhogens  anzusehen  sein.  Der 
gleichen  Deutung  unterliegt  wohl  auch  das  kleine  untere 
Stachelstück ,  welches  dem  vielbestrittenen  Ruderorgan 
von  Koenen's  BmcJiydirus  und  zugleich  dem  sogenannten 
Arm  von  Ptcriclithys  und  Asterolepis  gleich  steht,  und 
auch  in  den  seitlichen  Eckplatten  des  Schädels  der 
Trachyacanthiden  und  Chimaeriden  wiederkehrt.  Wohl 
nicht  Deckstück,  sondern  Element  des  Ohrbogens  selbst 
scheint  das  vor  diesem  Ruderorgan  gelegene  Stück  zu  sein, 
dessen  vorderes  Ende  sich  einwärts  unter  den  Unterkiefer 
schiebt.  An  der  Zusammensetzung  des  Rumpfpanzers  nehmen 
schliesslich  Theil  3)  die  Elemente  des  Schultergürtels,  die 
jederseits  durch  4  Deckplatten  und  eine  uupaare  mediane 
repräsentirt  sind.  Diese  nehmen  dieselbe  Lage  ein  wie  bei 
Tetrapoden  und  stimmen  in  der  Grössenenfaltung  der 
einzelnen  Stücke  mit  denjenigen  Reptiltypen  überein.  die 
ins  Wasser  zurückgegangen  sind,  wie  Nothosaurier,  Meso- 
saurier,  Plesiosaurier,  Mosasaurier  u.  a.  und  durch  eine 
Stärkung  der  ventralen  gegenüber  den  dorsalen  Elementen 
ausgezeichnet  sind.  Als  Deckknochen  des  Scapulare  dürfte 
der  kleine  Knochen  aufzufassen  sein,  der  gerade  vor  der 
caudalen  Ausbuchtung  des  Halsskeletes  lag,  die  offenbar 
durch  die  Brustflossen  eingenommen  wurde.  Dieses  Stück 
ist  mit  dem  Gegenbauk" sehen  Namen  Cleithrum  zu  be- 
nennen. Es  ist  oben  beweglich  verfalzt  mit  einem  drei- 
eckigen Stück,  welches  als  Deckknochen  des  Suprascapulare 
anzusprechen  ist.  Es  findet  sich  auch  bei  Fischen  wieder, 
ist  aber  noch  nicht  endgültig  benannt  worden.  Ich  möchte 
es  entsprechend  dem  Suprascapulare  als  Supracleithrum  be- 
nennen. Dieses  Stück  ist  tief  unter  den  Seitenrand  des 
dorsalen  „Cervicale"  hinuntergeschoben  und  anscheinend 
ziemlich  fest  mit  diesem  verbunden.  Von  den  grossen 
ventralen  Stücken  des  Schultergürtels  ist  das  vordere  der 
Clavicula  gleichzusetzen  und  meines  Erachtens  als  Deck- 
knochen des  Procoracoids,  während  das  hintere  Stück  als 
ein  bisher  unbekannter  Deckknochen   des  Coracoids   anzu- 


Sitzitnij  vuin  JiH).  Mai  1902.  \\\ 

sehen  ist.  Es  möge  Postclavicula  heissen.  ]\[edian  stösst 
an  die  CJavicula  und  rü.stclavicula,  von  beiden  Elementeo 
überrandet,  das  sogenannte  Episternuin,  welches  indessen 
genetisch  nichts  mit  dem  Sterniim  zu  thiin  hat  und  besser 
als  Interclavicula  zu  bezeichnen  ist. 

Ueber  die  Existenz  zweier  Extremitätenpaare  kann  man 
nicht  mehr  im  Zweifel  sein.  Der  tiefe  Ausschnitt,  der 
sich  am  Jlinternind  des  Halsskeletes  genau  an  der  Stelle 
zeigt,  wo  eine  Pectoralis  zu  erwarten  wäre,  und  die  seitliche 
Ausbuchtung  des  Hinterrandes  der  Cleithra  kann  über  die 
Lage  und  Stellung  der  Brusttlossen  keinem  Zweifel  Raum 
geben.  Ebenso  sicher  wird  die  Existenz  der  Bauchflossen 
bewiesen  durch  die  umfangreiche  Beckenbildung,  die  ich 
auch  in  der  Textfigur  zur  Darstellung  gebracht  habe. 
Dieses  Becken  besteht  aus  einem  stielartigen  Abschnitt 
(Ileum)  an  dessen  Unterrand  eine  schräge  Reihe  von 
Oettnungen  wie  beim  Stör-  und  Ilybodusbecken  zum  Durchtritt 
von  Gefässen  und  Nerven  dienen  mochte;  darunter  breitet  sich 
ein  stark  in  der  Fläche  gebogener  Theil  nach  vorn  aus 
(Pubis).  ein  anderer,  hinterer  entspricht  dem  Ischium  der 
Tetrapodeu.  Ausserdem  mochte  dieses  Becken  auch 
au  der  Wirbelsäule  befestigt  sein,  eine  Verbreiterung  und 
rauhe  Oberflächen-Skulptur  des  oberen  Diacalendes  spricht 
deutlich  dafür  und  macht  durch  eine  Biegung  den  An- 
satz einer  Sacralrippe  äusserst  wahrscheinlich.  Herr 
A.  Smith  Woodward,  dem  ich  bei  einem  Besuche  hier  in 
Berlin  mein  Material  persönlich  erläutern  konnte,  machte 
mich  freundlicher  Weise  noch  darauf  aufmerksam,  dass  an 
zwei  Exemplaren  des  British  Museum  an  diesem  hier  als 
Becken  angesprochenen  Knochen  noch  mehrere  Flossen- 
strahl-artige Knochen  angelagert  seien.  So  würde  hier  das 
Innenskelet  der  Bauchflossen  die  Existenz  derselben  be- 
wiesen haben,  während  das  Gebilde  bei  Cephalaspis. 
welches  man  bisher  für  einen  Opercularapparat  gedeutet 
hatte,  unbedenklich  als  Ilautskelet  einer  Crossopterygier- 
Brustflosse  anzusprechen  sein  dürfte. 

Auf  die  Existenz  einer  Analflosse   deutet  eine   kleine 
rhombische  Platte  des  Innenskeletes  hin.  welche  hinter  dem 


112  Gcscllsclutfl  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

Becken  an  einer  Stelle  liegt,  wo  eine  Analis  angesessen 
haben  könnte  Diese  Platte  gehört  wohl  dem  Innenskelet 
an  und  dürfte  ebenso  als  Basalstiitzpunkt  gedeutet  werden, 
wie  solche  bei  Crossopterygiern  und  an  der  vorderen  Rücken- 
flosse unseres  Coccosteus  vorliegen.  Der  distale  Körperab- 
schnitt dürfte  in  einen  Chimaeren-artigen.  sehr  viel  längeren 
Schwanz  ausgelaufen  sein,  als  in  den  bisherigen  Recon- 
structlonen  angedeutet  war. 

Die  übrigen  bisher  genauer  bekannt  gewordenen 
Coccosteiden  sind  offenbar  mehr  spccialisirt  als  der  be- 
sprochene Coccosteus.  Bei  Brachjdirus  v.  Koenen  ist  z.  B. 
der  Seitenstachel,  das  sog.  Ruderorgan,  sehr  verlängert; 
bei  einer  Coccosteiden-Gattung,  die  aus  dem  Oberdevon  von 
Wildungen  in  West-Deutschland  zu  gründen  ist  (Orig.  i.  d. 
geol.  Land.-Anst.  Berlin)  und  Sclcnostcus  Bashfokd  Dean 
nahe  stellt,  sind  namentlich  die  Augen  ausserordentlich  ver- 
grössert,  sodass  hier  offenbar  eine  Tiefseeform  vorliegt.  Bei 
Diniclithijs  und  seinen  amerikanischen  und  russischen  Ver- 
wandten ist  die  Nackenplatte  verkürzt  und  ihr  Fusstück 
stark  nach  hinten  herausgezogen,  sodass  dadurch  anscheinend 
der  Raum  für  eine  grössere  und  freier  bewegliche  vordere 
Dorsalis  frei  wurde.  Specialisirt  erweist  sich ')  Binichthys 
ferner  durch  eine  Verwachsung  der  beiden  Mittel  platten  des 
ventralen  Brustpauzers.  Anderseits  sind  diese  Formen 
wieder  darin  auf  niederer  Stufe  festgehalten,  dass  das  die 
Piuealgrube  umschlicssende  einheitliche  Frontale  von  dem 
Nasale  durch  einen  Zwischenraum  getrennt  ist. 

Die  Macropetalichthyiden  bilden  einen  morpho- 
genetisch  sehr  bemerkenswerthen  Typus,  dessen  Panzer 
offenbar  nur  das  Kopfskelet  repräsentirt  und  darin  eine 
Anzahl  von  Charakteren  von  den  Coccosteiden  übernommen 
hat,  wie  namentlich  die  Plattengliederung,  die  Lage  der 
Augen  und  die  Vertheilung  der  Tremalkanäle.  Andererseits 
aber  zeigen  diesse  Formen  in  der  obertlächlichen  Ver- 
wachsung der  Panzerelemente  selbst,  in  der  Zerlegung  der 
Tremairinnen    in   Grubenreihen   eine  weitgehende   S])eciali- 

*)    Nach    einer    persöiiliclien    Mittheil  im  g    von    Herrn    A.    SMrrii 
Woodward. 


SitzKiKj  roin  ^0.  Mai  1902.  \  \  3 

t^iniiii,'.  die  aber  theilweise  auf  ältere  F'ornizustäinle  zurück- 
zugreifen scheint.  Ich  bemerke  dabei,  dass  MacrojutaUchtlii/s 
pnoiiiotsis  generisch  von  den  amerikanischen  Macropetalich- 
thyiden  al)Nveicht,  und  mir  aus  dem  älteren  Mitteldevon  der 
Kifel  von  Gerolstein  ein  neuer  Typus  dieser  Familie  vor- 
liegt  (Original    im   Senckenbergianum   in   Frankfurt  a.  AI.). 

Die  Familie  der  Asterole pideu  ist  durch  Homostcus 
mit  den  Coccosteiden  in  natürlichster  Weise  in  Beziehung 
zu  bringen'),  aber  fast  in  jeder  Beziehung  äusserst  specia- 
lisirt.  Die  Augen  sind  auf  der  hinteren  Grenze  der  Prae- 
frontalia  nach  innen  zusammengerückt  und  haben  die 
Frontalia  zwischen  sich  eingekeilt,  im  Unterkiefer  ist  jede 
Verknöcherung  unterblieben,  sodass  von  demselben  über- 
haupt keine  Spur  mehr  nachweisbar  ist.  Das  Maul  und 
der  Kieferapparat  dürfte  sich  in  einem  ähnlichen  Zustande 
wie  bei  iXi^w  Acipenseriden  befunden  haben.  Die  Seiten- 
stacheln sind  hier  wirklich  zu  Ruderorganen  specialisirt, 
in  riatt(Mi  gegliedert,  in  der  Mitte  ihrer  Länge  beweglich 
und  mit  einem  sehr  merkwürdigen  Sperrgelenk  an  den 
vorderen  ventralen  Rumpfplatten  befestigt.  Die  Nackenplatte 
ist  in  zwei  zerlegt  und  das  ganze  Rumpfskelet  zu  einem 
kotferartigen,  in  sich  unlieweglichen  Panzer  verwachsen. 
Dabei  ist  der  hintere  Rumpf-  und  Schwanzabschnitt  dieser 
schwerfälligen  Bodenbewohner  verkürzt.  Auch  hier  zeigen 
sich  al)er.  namentlich  im  Verlust  der  paarigen  Extremitäten, 
der  starren  Umhüllung  des  vorderen  Rumpfes  und  der  Mund- 
bildung, epistatische  Rückschläge  zu  der  Organisation  der 
Pteraspiden. 
Allgemeine  Bemerkungen  über  die  Organisation 
der  Placodermen. 

Die  einzelnen  Typen  der  Placodermen  befinden  sich 
offenbar  auf  sehr  verschiedener  Ausbildungshöhe;  einzelne, 
wie  die  Pteraspiden  und  Asterolepiden  sind  in  physio- 
logischer Hinsicht  auf  eine  wesentlich  tiefere  Stufe  zu 
stellen  als  die  übrigen.  Dabei  scheinen  die  Pteraspiden 
einen  larvalen  Charakter  ziemlich  rein  bewahrt  zu  haben, 
während     die    Asterolepiden    bei    anspruchsloser    Lebens- 

')    Vergl.    die    Rekonstruction    von   Homostcus   bei   R.  Thaqi  aik. 
Geol,  Mag.  Dec.  3,  Vol.  4,  Taf.  I. 


114  Gesellschaft  natmforschender  Freunde,  Berlin. 

weise  imd  einseitiger  Specialisiriing  defensiver  Charakter- 
züge  seciindär  zu  so  niederer  Stufe  lierabgesimlien  zu  sein 
scheinen.  Wäiirend  von  den  übrigen  die  Ceplialaspiden 
sich  einseitig  von  dem  Typus  entfernt  es  aber  in  keiner 
Hinsicht  zu  weitgehender  Specialisirung  gebracht  haben, 
scheinen  die  Coccosteiden  als  physiologisch  aufsteigender 
Typus  fast  in  jeder  Beziehung  zu  höherer  Organisation 
gelangt  zu  sein.  Durch  stärkere  x4nspannung  ihrer  Or- 
gane hat  ihr  Skelet  eine  durchgreifende  Gliederung  erfahren, 
die  zur  Beurtheilung  ihrer  Organisation  und  zu  einem  Ver- 
gleich derselben  mit  anderen  Wirbelthieren  unter  allen 
Placodermen  die  günstigsten  Anhaltspunkte  bietet. 

Die  landläufige  Ansicht,  dass  die  Placodermen  Be- 
wohner von  Binnenseen  gewesen  seien,  kann  ich  übrigens 
nach  dem  Vorkommen  und  der  weiten  Verbreitung  der  bis- 
Jier  bekannten  Typen  nicht  theilen.  Einige  waren  sogar 
entschieden  Bewohner  des  tieferen  Meeres. 

Die  Coccosteiden  vereinigen  eine  Menge  scheinbar 
recht  heterogener  Charaktere,  die  ich  kurz  andeuten  möchte. 

A.  Placodermen-Charaktere  sind: 

1)  Die    gleichartige    knöcherne  Umhüllung    des  Kopf-   und 
vorderen  Rumpfabschnittes, 

2)  der  Besitz  von  Ruderorganen, 

3)  die  Erhaltung    und    der  äussere   Abschluss  des  Piueal- 
organes, 

4)  der  Mangel  individualisirter  Zahnbildungen, 

5)  die  Existenz  eines  Ruderschwauzes, 

6)  der  Mangel   an  Hornstrahlen  in  allen  Flossenbildungen. 

B.  Ganoiden-Charaktere: 

1)  der  viertheilige  Ring  der  Sklerotica  entspricht  genau  dem 
der  Acanthodier, 

2)  der  Opercularapparat  ist  tyi)isch  fischartig, 

3)  die  Sculptur  der  Hautknochen  störarlig. 

4)  die    Wirbelossification    ist    ähnlich    wie    bei    Ganoiden 
reducirt, 

5)  die    Verkürzung    der    vorderen    und    Verlängerung    der 
hinteren  Schädelregionen, 

6)  die    Ausbildung    ihrer    Extremitäten    als    Flossen    mit 
mehreren  gleichartigen  Basalstrahlcn. 


Sitzuiif/  vom  SO.  Mai  1903.  115 

C.  Chiinaoi'cii-Chrtraktere  sind: 

1)  die  Form  des  Schädels. 

2)  die  Ausbildung  der  Nasenregion. 

3)  der  Verlauf  der  Trenialkanäle^ 

4)  der  Besitz.  Lage  und  Befestij^un^;  des  liückenstachels, 

5)  die  Rüekenflosse  unter  demselben, 

6)  die  Bezalinun<;sfürm  des  Unterkiefers, 

7)  der  Umfang  der  Beckenbildung, 

8)  die  vermutbliche  Grösse  ihrer  vorderen  Flossen. 

D.  Tetrapoden-Cbaraktere: 

1)  der  Schädel  lässt  die  Deckknochen  des  Stegocephalen- 
Scbädels  grösstentheils  erkennen, 

2)  der  Unterkiefer  ist  zusammenhängend  ossificirt. 

3)  die  Bezahnung  ist  durchaus  Sphenodonten-artig, 

4)  der  Brustpauzer  ist  Stegocepbalen-artig. 

5)  das   System   der  Tremalkanäle    scbliesst  sich   dem    der 
Stegocephaleu  an, 

6)  der  Scbultergürtel  ist  jederseits  viertheilig. 

7)  das  Becken   ist  anscheinend   mit  der  Wirbelsäule  durch 
eine  Sacralrippe  in  Verbindung  gewesen, 

8)  Kopf  und  Rumpf  sind  activ  gegen  einander  beweglich. 

Nach  alledem  scheinen  mir  die  Stegocephalen  echte 
Fische  zu  sein  und  unter  ihnen  die  Coccosteiden  eine  an- 
cestrale  Stellung  gegenüber  den  Ganoiden  und  namentlich 
den  Chimaeriden  einzunehmen.  Andererseits  zeigen  die- 
selben Tetrapoden-Cbaraktere.  die  bei  den  jüngeren  Ver- 
tretern der  Fische  niemals  wiederkehren  und  von  denen 
namentlich  die  Schulter-  und  Beckenbildung  von  einer 
früher  höheren  Leistungskraft  der  Extremitäten  Zeugniss 
ablegen.  Letzteres  betone  ich  im  Anschluss  an  Ansichten, 
die  ich  über  die  Abstammung  der  Fische  veröffentlicht  habe, 

Nachschrift.  Herr  Dr.  R.  Traquaiu.  der  mich  soeben 
durch  seinen  Besuch  erfreut,  macht  mich  freundlicher  Weise 
darauf  aufmerksam,  dass  er  das  oben  besprochene  „Ruder- 
organ" inzwischen  ebenfalls  bei  Coccosteus  dccipiens  hQoXmahioi 
und  gelegentlich  in  einer  mir  unbekannt  gebliebeneu  Schrift 
über  Acantliaspis  erwähnt  habe. 

')  Ucber  die   Stammform   der   Wirbelthiere   (diese   Berichte    1896, 
pag.  107. 


\IQ  Gesellschaft  txaturfwschender  Freunde,  Berlin. 

Herr  A.  Nehring  sprach  über  Nesokia  gmcilis,  n.  sp., 
von  der  Insel  Ceylon. 

Vor  Kurzem  erhielt  ich  durch  W.  Schlltek  in  Halle 
eine  von  Ceylon  stammende,  weibliche  Feldratte  der 
Gattung  Nesokia ').  welche  mir  den  Anlass  zu  folgenden 
Mittheilungen  giebt.  Das  Thier  ist  in  Spiritus  conservirt 
und  zeigt  seine  Zitzen  (7  Paare)  in  stark  entwickeltem  Zu- 
stande. Als  der  Schädel  herauspräpcirirt  wurde,  sah  man, 
dass  die  Nasenbeine  durch  einen  Schlag  lädirt  sind;  sonst 
ist  der  Schädel  intact.  Die  Molaren  zeigen  einen  stark  ab- 
gekauten Zustand,  wie  auch  sonst  Alles  darauf  hinweist, 
dass  es  sich  um  ein  altes,  völlig  erwachsenes  Individuum 
handelt. 

Mit  diesem  Exemplar  harmonirt  in  allen  wesentlichen 
Punkten  ein  ausgestopftes  Exemplar  des  Zoologischen 
Museums  zu  Dresden,  das  ich  Ende  März  d.  J.  bei 
einem  Besuch  dieses  Museums  mit  gütiger  Erlaubniss  des 
Herrn  Direktors  (Geh.  Hofr.  Dr.  A.  B.  Meyer)  untersuchen 
durfte,  und  von  welchem  ich  hier  den  Schädel  vorlegen 
kann.  Diese  Feldratte,  welche  so  montirt  ist.  dass  sich 
das  Geschlecht  nicht  sicher  erkennen  lässt,  wurde  von  den 
Herren  Sakasin  auf  Ceylon  gesammelt.  Der  Zustand  der 
Molaren  und  die  sonstige  Beschaflfenheit  des  Schädels  zeigen, 
dass  es  sich  um  ein  ausgew^achsenes  Thier  mittleren  Alters 
handelt.  Dasselbe  war  ursprünglich  als  „NrsoJäa  Hard- 
ivickei'^  bezeichnet,  während  ich  das  ersterwähnte  Spiritus- 
Exemplar  unter  dem  Namen:  ^Nesokia  hengalensis^  erhielt. 

Nach  meiner  Ansicht  liegt  hier  eine  neue,  von 
N.  hengalensis  abzutrennende  Art  vor,  welche  einerseits 
durch  ihre  Zitzenzahl,  andrerseits  durch  gewisse  Form- 
und Grössenverhältnisse  charakterisirt  wird.  Mit  N.  Hard- 
wickii  hat  die  vorliegende  Feldratte  von  Ceylon  nichts  zu 
thun;  dagegen  ist  sie  mit  iV.  hengalensis  var.  kok  Gray  und 
N.  Ut/thiana  Anders,  nahe  verwandt,  ohne  aber,  soweit  ich 
sehe,  mit  ihnen  identisch  zu  sein.  Auch  mit  X.  dubia 
Kelaart  kann  ich  sie  nicht  identificiren.  da  diese  Art  nach 


')  Nach  ScHLiJTKu's  Angabe   ist  das  Thier  in  der  Umgebung  von 
Colombo  gefangen  worden. 


Sitziiny  vom  30.  Mai  1902.  \  \  7 

Kki-aaut  mit  N.  Ilardiciclu'i,^)  nach  Andkksox  mit  N.  pro- 
vidois  zusainmenralltMi  soll. 

Xacli  ÜLDFiKLi)  Thomas-)  und  Blankoud'')  sollen  die 
Weibchen  von  K  hcngalensis  7—9  Paare  (also  14—18) 
Zitzen  anfweisen.  Nach  den  Beol)achtiin^en.  welche  ich  an 
zahlreichen  Nager-Species  gemacht  habe,  nuiss  ich  ein  der- 
artiges Schwanken  der  Zitzeuzalil  innerhalb  einer  Species 
bezweifeln;  ich  habe  bisher  eine  grosse  Constanz  der  Zitzeu- 
zahl  bei  den  einzelnen  Species  beobachtet  und  nur  in 
einigen  Fällen  abnormerweise  eine  links-  oder  rechtsseitige 
Vermehrung  um  eine  Zitze  fesstellen  können.  Daher  glaube 
ich,  dass  in  ,,N.  hrnyahnsis'^  mit  ihren  angeblich  7  — ü  Zitzea- 
paareu  mehrere  Species  enthalten  sind.  Die  vorliegende 
Art  von  Ceylon  hat,  wie  schon  oben  bemerkt  wurde, 
sieben  Zitzenpaare,  und  zwar  4  pectorale,  1  abdominales, 
2  inguinale.  Die  4  pectoralen  Paare  sind  durch  einen  an- 
sehnlichen Zwischenraum  von  dem  abdominalen  getrennt, 
während  letzteres  den  beiden  inguinalen  Paaren  genähert  ist. 

Nach  Anderson ■*)  hat  N.  hlythiana,  die  von  0.  Thomas 
und  Blanfoud  mit  N.  hengalensis  vereinigt  wird,  8  Zitzen- 
paare.  und  zwar  ein  pectorales  (s.  str.),  1  axillares, 
4  abdominale  („on  the  sides")  und  2  inguinale.  Hierin 
zeigen  sich  deutliche  Verschiedenheiten  gegenüber  der  vor- 
liegenden ArtI 

Bei  den  zahlreichen  Weibchen  der  NescJdd  Bacherl 
Nhrg.  (vom  Todten  Meere),  welche  ich  untersuchen  konnte -"*). 
habe  ich  stets  4  Zitzenpaare  gefunden;  ebenso  hat  man  bei 
N.  Ha)diricJcii  stets  4.  bei  N.  ncmorivaga  und  N.  handicota 
stets  G  Zitzeupaare  beobachtet.  Pliernach  ist  es  sehr  un- 
wahrscheinlich, dass  N.  hengalensis  ein  so  auffallendes 
Schwanken  in  der  Zahl  der  Zitzen  zeigen  sollte,  wie  es 
0.  Thomas   und  Blanfokd   annehmen.'^)     Ich  unterscheide 


')  Kelaart,  Piodonms  Faunae  Zeylanicae,  Vol.  I,  1852,  p.  65. 
*)  P.  Z.  S.,   1881,  p.  524,  ä27. 

ä^  Blanfokd,  The  Fauna  of  British  India.    Mammalia,  1888,  p.  424 
*)  Journal  Asiat.  Soc.  of  Bengal,  Vol.  47,  1878,  p.  228. 
*)  Vergl.   unseren  Sitzungsbericht  vom   15.  October  19U1,   S.  170. 
*)  Oldfield  Thomas  hat  grade  die  Zahl  der  Mammae  als  wich- 
tiges Merkmal  der  3  von  ihm  unterschiedenen  Gruppen  \ on  l^eaokia- 


118 


Gesellschaft  natwforschender  Freunde,  Berlin. 


deshalb  die  vorliegende  Feldratte  von  Ceylon  schon  auf 
Grund  der  Zahl  und  Stellung  ihrer  Zitzen  als  besondere  Art 
und  nenne  sie  wegen  ihrer  zierlichen,  schlanken  Körper- 
forra  y,Nesokia  gracilis.'^ 

In  der  Form  des  Schädels  ähnelt  unsere  Ceylon-Feld- 
ratte theils  der  N.  hlythiaiui  Andkks..  theils  der  N.  proirklens 
Elliot.  Vergl.  unsere  Abbildung  1  mit  Anderson,  a.  a.  0., 
PI.  13,  Fig.  a  und  e. 


Fig.  1.  Fig.  2.                             Fig.  3. 

Nesol'ia  gracüis  Nhrg.,  Nesokia  Bacheri  Nhrg.,  Nesokia  SaUmim  Nunc, 

n.  sp.,  ad.,  von  Ceylon.  9   ail.,  von  Safje           9   ad.,  von  Merw. 

Zoolog.  Mus.   Dresd.  am  Todten  Meer.         Nat.  Gr.  —  Gez.  von 

Nat.  Gr.  —  Gez.  von  Nat.  Gr.  —  Gez.  von            Dr.  Enderlein. 

M.  Meissner.  Dr.  Schiemenz. 


Nach  Anderson  hat  der  Schädel  eines  erwachsenen 
Weibchens  von  N.  providens  eine  Totallänge  von  36.8  mm. 
der  eines  erwachsenen  von  N.  hhjthiana  42  mm.  Unsere 
beiden  Schädel  der  N.  gracilis  zeigen  eine  Totallänge  von 
41  bezw.  41,5  mm;  sie  nähern  sich  also  der  N.  Mythiana  in 
der  Grösse.  In  der  Form  des  Unterkiefers  gleichen  sie  mehr 
der  N.  providens,  doch  ist  bei  ihnen  der  kolbenförmig  her- 


Arten  benutzt  (P.  Z.  S.,  1S81,  p.  F)24).  Um  so  iiiclir  iiiuss  man  nncii 
meiner  Ansicht  auch  bei  den  einzelnen  Arten  Werth  auf  die  Zitzen- 
zahl legen. 


Sit:iiii<j  vom  20.  Mai  190Z  119 

vortretendo,  hintorc  Fortsatz  der  Nas^'czahii-Alvoolo  wesent- 
lich stärkei'  entwickelt,  als  er  in  der  ANDKUSON'schen  Ab- 
bildung (a.  a.  0..  ¥\g.  g)  dargestellt  ist. 

Sehr  auffallend  erscheint  an  beiden  Schädeln  von 
N.  gracilis  eine  ausgeiirugte  Furche,  welche  rechts  und 
links  vom  Interparietale  bis  zum  hintern  Theile  der  Bulla 
hinabläiift  und  das  Occiput  von  der  Temporalregion  ab- 
schnürt. ')  An  dem  Occipitale  superius  tritt  eine  mittlere 
Leiste  sehr  scharf  hervor;  daneben  findet  sich  rechts  und 
links  (5,7  mm  entfernt)  je  eine  kleinere,  aber  auch  scharf 
entwickelte  Leiste.  Die  Form  der  Bullae  weicht  sowohl 
von  N.  Uythiana,  als  auch  von  N.  providcns  ab.  Sehr  aus- 
gebildet ist  der  hinter  der  Bulla  scharf  hervorspringende 
Mastoid-Fortsatz. 

Der  harte  Gaumen  erscheint  relativ  breit  und  lang; 
die  beiden  deutlichen  Furchen,  welche  er  bei  N.  providcns 
aufweist,  fehlen.  (Anderson,  a.  a.  0.,  Fig.  f).  Die  Foramina 
incisiva  messen  8  mm;  sie  sind  lang  und  schmal,  länger 
als  die  obere  Backenzahnreihe  (an  der  Kaufläche  gemessen 
6  mm),  sehr  abweichend  von  N.  Bacheri  und  N.  Satunini-). 

Die  Backenzähne  und  die  Nagezähne  sind  im  Vergleich 
zu  den  letztgenanDteu  Arten  (insbesondere  zu  der  robusten 
N.  Bacheyi)  schmal  und  zierlich. 

Der  ganze  Schädel  bezw.  Kopf  ist  im  Verhältniss  zur 
Länge  des  Körpers  und  des  Schwanzes  klein  zu  nennen. 
Die  Füsse  sind  schmal  und  zierlich. 

Die  Farbe  des  Haarkleides  ist  auf  dem  Rücken  dunkel- 
rothbraun;  die  verlängerten  Grannenhaare,  welche  nament- 
lich auf  dem  hinteren  Theile  des  Rückens  stark  hervor- 
treten, meistens  schwarz  oder  schwarzbraun.  Das  Wollhaar 
des  Dresdener  Exemplars    erscheint    auffallend    stark  und 


')  In  unserer  Abbildung  (Fig  1)  kommt  dieses  nicht  deutlich  genug 
zum  Ausdruck.  Auch  ist  darin  die  oigenthümlich  verlaufende  Grenz- 
naht zwischen  Parietale  und  dem  Schuppentheil  des  Temporale  irr- 
thümlich  fortgelassen. 

')  lieber  N.  Satunini  (mihi)  siehe  unseren  Sitzungsbericlit  vom 
18.  Juli  1899,  S.  107  ff.  Ich  unterscheide  sie  jetzt  als  besondere 
Species,  während  ich  sie  zunächst  nur  als  eine  Suljspecies  von  N.  Hut- 
toni angesehen  habe. 

5* 


120 


Gesdlsduift  nnturfor seilender  Freunde,  Berlin. 


dicht  entwickelt.  Die  Bauchseite  zeigt  ein  mattes  Hellbraun, 
der  Sch^va^z  kurze,  braune  Härchen.  Die  Behaarung  des 
letzteren  ist  viel  stärker  als  bei  N.  Bacher i.  Die  Ohren 
sind  relativ  gross. 

Im    Uebrigen    verweise    ich    auf    die    nachstehende 
^Messungstabelle. 


Die  Maassangaben  sind  in  Milli- 
metern ausgedrückt. 


Kesokia 

Nesokia 

(jracilis 

Bacheri 

Cey 

Ion. 

Moab. 

9  ad. 

cj'?ad. 

cTad. 

9  med. 

L.Hoch- 

Zoolog. 

.schule 

Mus. 

L.  H. 

L.  H. 

Herliii 

Dresden 

195 

200 

200 

185 

150 

lädirt 

113 

100 

18 

•? 

13,5 

12 

31 

31 

42 

37 

41 

41,5 

48 

46,8 

35,6 

35,6 

42 

41,5 

24,3 

25 

30,8 

31 

16,3 

17,3 

18 

18,5 

6,3 

6,2 

7,3 

7,5 

6,0 

6,9 

9 

9 

8 

8 

6,5 

6,5 

7 

6,8 

11 

10 

24,3 

25 

32 

31 

3,4 

3,5 

5,3 

5 

N.  Sa- 
tuni ni 
Merw. 
9  ad. 

L.  H. 


Länge  von  Kopf  und  Rumpf    .     . 
„       des   Schwanzes      .     .     .     . 

„         „     Ohres 

„  d.  Hinterfusses  incl.  d.  Krallen 
Totallänge  des  Schädels  ,  .  . 
Basilarlänge  „  „  (nach 

Hexsel's  Methode)  .     .     .     . 

Jochbogenbreite 

Grösste  quere  Breite  des  Occiput 
(nahe  der  Ohröffnung)  .     .     . 
Geringste  Interorbitalbreite .     .     . 
Grösste  Breite  des  Rostrums   .     . 
Länge  der  Foramina  incisiva  .     . 
„         „     oberen    Backzahm^eihe 
(an  den  Alveolen)     .     .     .     . 
Länge  des  Unterkiefers  vom  Hinter- 
rand   der   Nagezahn -Alveole 
bis  zu  dem  des  Condylus 
Quere  Breite   der   ob.  Nagezähne 
(nahe  der  Schneide)      .     .     . 


153 
102 

13 

33 

38,5 

33,5 
24 

15,5 
5,5 
6,5 
4,2 


25 
4,2 


Referirabend  am  13.  Mai  1902. 

Herr  H.  POTONIE  zeigte  den  „Korb wurm",  Äcceticiis platcnsis, 
aus  den  Steppen  Südamerikas,  [cf.  Naturwiss.  Wochen- 
schr.  vom  4.  Mai  1902,  p.  364—365]. 

Herr  K.  MÖBIUS  zeigte  Thierbilder  des  Herrn  P.  Flandekky. 
gemalt  in  Rovigno  im  Frühjahr  1902. 

Derselbe    berichtete    zur    P'.inleitung    einer    Besprechung 


Sitzung  vom  .^0.  Mai  W03.  121 

Über  die  Anwendung  der  Speciesbegriffc  über  folgende 

drei  Sciiriften: 
L.  IIkck,  Zum  lieutigen  Stand  des  Speciesbegriftes.  Natur- 

wiss.   Wochensclir.     N.  F.     Bd.   I,    Nr.  20,    13.  März 

1902,  p.  308. 
H.  M.  BKRXAKn.   On  the  Unit  of  Classification  for  svste- 

matic    Biology    1901.     Proc.    Cambridge   Philos.    Soc. 

Vol.  Xr,  Pt.  4.  p.  268—280. 
L.  DöDEiiLEiN,  Ueber  die  Beziehungen  nahe  verwandter 

Thierformen  zu  einander.     Zeitschr.  Morphol.  Anthro- 

pol.   1902.  Bd.  IV,  H.  2,  p.  394-442. 

Hieran  schloss  sich  eine  lebhafte  Diskussion,  an  der 
sich  die  folgenden  Herren  betheiligten:  Heck,  Möhiüs, 
Neiikixg,  Matschie,  Hil(jeni)okf,  f.  E.  Schulze,  Potonie. 


J.  F.  Starake,  Berlin  W, 


Nr.  (').  1902. 

Si  tz  n  11  pis  - 1)  er  i  c  h  t 

(lor 

(i(^sells('lijift  iiatuiforsclKMider  FnMiiide 

zu  Berlin 
vom   17.  Juni   1902. 


Vorsitzender:  Ilorr  Branco. 


Herr  A.  Nehring  sprach  über  einen  neuen  Sumpf- 
luchs (Lyucus  chriisomelanotis,  n.  sp.)  aus  Palästina. 

In  lueiuer  kürzlich  erschienenen  Abhandlung  über  „die 
geographische  Verbreitung  der  Säugethiere  in  Palästina  und 
Syrien'  („Globus",  1902,  Bd.  81.  Nr.  20)  habe  ich  bereits 
einige  kurze  BeiiK'rkungen  über  den  Suinpfluchs  des  Jordan- 
Thals  veröttentlicht;  inzAvischen  konnte  ich  mich  noch  ge- 
nauer mit  diesem  interessanten  Raubthiere  beschäftigen  und 
bin  zu  dem  Resultat  gekommen,  dass  hier  eine  besondere 
Specie.s  vorliegt,  welche  durch  klare  Kennzeichen  sowohl 
von  dem  südkaspischen  Sumpfluchs  Güldexstädt's  als  auch 
von  dem  nordostafrikanischen  Lyncus  Riippelli  Brdt.  unter- 
schieden ist. 

Meine  nachfolgenden  Bemerkungen  stützen  sich  auf  drei 
erwachsene  weibliche  Exemplare.  Avelche  mir  vor  einigen 
Monaten  durch  W.  Schlüter  (Halle)  zugingen.  Es  sind 
drei  Bälge  mit  ihren  Schädeln  und  Beinknochen,  zwei  aus 
dem  unteren  Jordan-Thale.  bezeichnet  19.  und  12.  No- 
vember 1898,. einer  von  Ain  Dscheier  (am  Nordwest- Ufer 
des  Todten  Meeres),  bezeichnet  5.  November  1899.  Den 
letzteren  Balg  habe  ich  inzwischen  an  Schlüter  zurückgehen 
lassen,  doch   beiludet  sich  der  zugehörige  Schädel  in  meinen 

6 


]'2i  Gesellschaft  natuvfm- sehender  Freunde,  Berlin. 

Händen  Als  „Typen"  der  neuen  Art  sind  die  beiden 
Exemplare  aus  dein  unteren  Jordan-Thale  zu  betrachten.  ') 
Zum  Vergleich  liegen  mir  folgende  Objekte  vor:  ein 
ausgestopfter,  montirter  Sumpfluchs  aus  Nordpersien  (L  H.). 
der  Balg  eines  Sumpfluchses  aus  Derbent  am  Kaspischen 
Meere  (Z.  S.  Mus.  f.  Naturk.)-),  der  Balg  eines  männlichen 
Lyncus  Rüppelli  aus  Unterägypten  nebst  Schädel,  letzterer 
ohne  Hinterhaupt  (L.  H.).  das  zerlegte  Skelet  eines  alten 
weiblichen  Chaus  Rüppelli  aus  Nordostafrika  (L.  H  ).  zwei 
schöne  Bälge  (nebst  Schädeln)  des  Carakals  vom  Todten 
Meere  (L.  H.),  4  Bälge  (mit  Schäd.  und  13einkn.)  von 
Wildkatzen  (F.  hiibastis?)  aus  der  Gegend  zwisclien  Jaffa 
und  Jerusalem  (L.  H.),  etc.  etc. 

Lyncus  chrysomclanotis,  u.  sp. 

Während  die  anderen  Sumpfluchs-Arten  an  der  Aussen- 
seite  der  Ohren  eine  rot  he  ]>ehaarung  zeigen,  sind  die 
Ohren  dieser  Species  an  der  Aussenseite  schwarz-gelb- 
schwarz behaart,  d.  h.  die  Basis  und  der  obere  Theil 
schwarz,  dazwischen  ein  gelber  Querstreifen,  der  über  die 
Mitte  der  Ohrmuschel  sich  hinzieht;  an  der  Ohrspitze  tritt 
ein  gut  entwickelter,  schwarzer  Haarpinsel  hervor.  Der 
Hinterkopf  ist  schwärzlich,  indem  das  Gelb  der  Spitzen 
der  Grannenhaare  sehr  zurücktritt  und  die  schwarze  Farbe 
des  Wollhaars  und  des  vuiteren  Theils  der  Grannenhaare 
deutlich  hervortritt.  Zwischen  Auge  und  Nase  findet 
sich  ein  scharf  abgegrenzter  schwarzer  Fleck  von  läng- 
lich-rundlicher Form. 

Die  Färbung  ist  sonst  ähnlich  wie  bei  dem  Gülden- 
STADT  sehen  Sumpfluchs;  doch  erscheint  sie  auf  dem  .Rücken, 
au  den  Seiten  und  am  Schwänze  gelbgrau  (statt  gelblich), 
mit  stark  hervortretenden  schwarzen  llaarspitzen.  lieber 
die  Mittellinie  des  Rückens  zieht  sich  ein  röthlicher  Längs- 
streifen, der  zwar  undeutlich  abgegrenzt,  aber  deutlich 
sichtbar  ist,    (wie  bei   dem   Sumpfluchs   von   Derbent  und 


*)  An   dein  Balge   von  Ain  Dsclioicr   sind  iillo  P'arbon  und  Zeich- 
nungen blasser,  als  an  denen  aus  dem  Jordan-Thale. 

-)  Freundlichst  geliehen  von  Herrn  (ustos  Matscuie. 


SSitzumj  vom  17.  Juni  1902.  125 

dem  aus  Nordpersioii).  Der  Scliwaiiz  ist  nicht  sehr  buschig 
und  lässt  vor  der  scliwar/en  Spitze  zwei  schwarze  Ilalb- 
ringe  erkennen. 

In  der  Grösse  steht  Lyucus  chrysomclanotis  sowohl 
liinter  L.  cJkiks,  als  auch  besonders  liinter  L.  BüppdJi 
zurück'.  Kopf  und  Rumpf  messen  an  unserem  Exemplar 
vom  19.  November  1898  (a)  G7,  an  unserem  Exemplar  vom 
12.  November  1898  (b)  (JöVs  cm,  Länge  des  Schwanzes 
bei  a  23.  bei  b  24.  Länge  des  Ilinterfusses  bei  a  und  b  je 
14V'2  cm.  Bei  dem  Sumpfluchs  von  Derbent  messen  Kopf 
und  Rumpf  74,  Schwanz  27,  llinterfuss  ca.  Xb^ji  cm;  an 
dem  nordpersiscben  Exemplar  unserer  Sammlung  68,  28 
und  16  cm.  Nach  GCldenstädt  misst  der  typische  süd- 
kaspische  Sumpfluchs  76.  28  und  15.8  cm').  Lyncus 
llüppeUi  ist  noch  grösser,  besonders  d*  ad. 

Der  Schädel  des  Lynms  chrysomehmotis  ist  schlank 
gebaut,  stark  abweichend  von  dem  der  eigentlichen  Wild- 
katzen (Felis  catiis,  F.  huhastis,  F.  manicuhta).  Die  Stirn 
zwischen  den  zierlichen  Processus  postorbitales  erscheint 
auffallend  querüber  gewölbt;  die  Interorbitalbreite  relativ 
sehr  gering,  die  Augenhöhle  mehr  länglich  oval  als  bei  den 
echten  Wildkatzen,  das  Jugale  schmaler,  die  Aussenfläche 
des  Oberkiefers  (unterhalb  des  Jugale)  niedriger,  die  Bullae 
viel  kleiner-).  Die  ganze  Schädelform  erinnert  in  mancher 
Beziehung  an  den  Caracal,  weicht  aber  in  der  Nasenpartie 
deutlich  ab. 

Das  Gebiss  der  Sumpfluchse  ist  in  gewissen  Punkten 
dem  der  echten  Luchse  ähnelnd.  Unserem  weiblichen 
Lyncus  Rüppdli  fehlt  der  vorderste  Prämolar  des  Ober- 
kiefers beiderseits  spurlos,  wie  es  bei  Ltjnx  vulgaris  regel- 
mässig beobachtet  wird;  unserem  männlichen  L.  BüppcUi 
fehlt  er  links,  während  er  rechts  sehr  klein  ist.     Bei  dem 


')  GÜLDENSTÄDT,  übcr  den  Chans,  in  Novi  Commentarii  Acad. 
retropol.,  1kl.  XX,  1776,  (nicht  1770,  wie  Tijouessart  anhiebt), 
j).  489  ff.   und   Tab.   15.     (Eine   vorzügliche,   gründliche   Abhandlung!) 

*)  Die  mir  vorliegenden,  oben  erwähnten  Wildkatzen-Schädel  (F. 
hubastis?)  ans  Palästina  zeigen  auffallend  grosse  Bullae;  ihre  Stirn  ist 
relativ  l)reit  und  Haih,  das  Jugale  breit  bezw.  hoch,  der  Oberkiefer 
unterhalb  des  Jugale  relativ  hoch. 


6" 


126  Gesellschaft  natwfwscliender  Freunde,  Berlin. 

kleineren  Exemplar  unseres  Jordan-Sumpfluchses  fehlt  jeuer 
Zahn  ebenfalls  auf  einer  Seite  spurlos,  bei  dem  andern  ist 
er  kieiii  und  ausserdem  quer  gestellt,  also  mangelhaft  ent- 
wickelt. Der  untere  Sectorius  zeigt  bei  Lyncns  chryso- 
inelmwtis  einen  relativ  starken,  hinteren  liasalhöcker.  wie  hei 
Lytix  vulgaris^).  Der  obere  Sectorius  besitzt  (namentlich 
bei  dem  Exemplar  a  vom  Jordan)  ausser  dem  sehr  starken 
Inneuhöcker  an  seiner  vorderen  Aiisseuecke  (neben  der 
stark  ausgebildeten  Vorderspitze  des  Zahns)  einen  deutlich 
entwickelten,  spitzen  Basalhöcker,  so  dass  der  vordere 
Theil  des  Zahns  deutlich  drei  spitzig  ist,  stark  abweichend 
von  den  eigentlichen  Wildkatzen,  sowie  von  den  Wüsten- 
luchsen (Caracal). 

Der  hintere  Prämolar  des  Unterkiefers  zeigt  bei  den 
Exemplaren  vom  Jordan  (namentlich  bei  dem  Exemplar  a) 
einen  sehr  complicirten  Bau.  nämlich  ausser  der  Hauptspitze 
zwei  vordere  und  zwei  hintere  Nebenspitzen;  die  hinterste 
Nebenspitze  ist  nur  klein,  geht  aber  nach  der  lingualen 
Seite  des  Zahns  in  einen  scharf  umrandeten,  kleinen 
Talon  über. 

Die  Beinknochen  unseres  Sumpfluchses  sind  relativ 
kurz  und  stark  gebaut,  viel  kräftiger  als  die  der  Wild- 
katzen von  Palästina,  welche  zierliche,  schlanke  Pein- 
knochen haben. 

Nach  den  obigen  Feststellungen  kann  ich  der  Ansicht 
Matschie's.  wonach  die  Sumpfluchse  als  „Vertreter''  der 
eigentlichen  Wildkatzen  (s.  str.)  anzusehen  und  unter  die- 
selben einzureihen  seien,  mich  nicht  anschliessen.  Vergl. 
Matschie  „über  die  geographische  Verbreitung  der  Katzen 
und  ihre  Verwandtschaft  unter  einander",  in  den  Sitzungs- 
berichten unserer  Gesellschaft.   1895,  S.  190—199. 

Abgesehen  von  morphologischen  Verhältnissen,  welche 

')  Als  besondere  Merkwürditikoit  will  ich  liier  kurz  enviihiicn,  dass 
bei  Lynx  vulgaris  im  Unterkiefer  hinter  dem  Sectorius  verhiiltniss- 
nuissijr  oft  ein  kleiner  Ilöckerzahn  (m  2)  vorkommt.  Mir  sind 
bisher  4  derartitre  Fülle  bekannt  geworden;  in  der  mir  unterstellten 
Sanunlnnfi'  (L.  II.)  befindet  sich  ein  liUchs-Schädel,  der  Jenen  Zahn  in 
beiden  ünterkieferhiilften,  ein  anderer  der  ihn  in  der  recliten  Kieter- 
hiilfte  aufweist.     Auch  Lii.ljebouci  erwähnt  einen  solchen  ¥aW. 


SiLtnifj  vom  17.  Juni  190Q. 


127 


schon  OüLDKNSTÄnT  a.  a.  0.  erörtert  hat.  spricht  tiic^M'ii  die 
Ansicht  ]Matsc'iiii;"s  auch  der  rinstaiid.  dass  in  Palästina, 
Klcinasicn    luul    ()stkaid<asicn    ♦'ine   Sumjd'luchs-    nnd    eine 


Mossiiiiiirstahelle. 


In  MilliiiK'toni, 
(lircct  gemessen. 


d*' 


9  ad. 
L.  II. 


Lijncus  chryttomdd- 
twti.s. 


Juiilai). 


•j 

.<—• 

-' 

< 

"3 

«3 

— ' 

9 

ad. 

L. 

H. 

Q  ad. 
Ex.  a. 
L.  II. 


9  ad. 
E.x.  1). 
L.  II. 


d'ad. 

gross ! 
L.  II. 


V  ad. 
gross! 
L.  II. 


Totallange  d.  Schädels 

Basallänge    .     .     .     . 

Basilarlänge     (nach^ 
llKNsr.i,')    .     .     .  '. 

Joclibogenbreite 

Kleinste  Interorbital- 
hreite 

(iannienlängt"  in  der 
Mittellinie      .     .     . 

Breite  des  Oberkiefers 
am  Hinterende  des 
Sectorius  .     .     .     . 

Breite  des  Oberkiefers 
aus.sen  an  den  Al- 
veolen der  Canini  . 

Länge  der  oberen 
Baekenzahnreihe     . 

Länge  d.  ob.  Sectorius 
(aussen)     .     .     .     . 

(r^uerc  Breite  des  ob. 
Sectorius  (vorn) 

Länge  der  unteren 
Backenzalinreihe     . 

Länge  des  unteren 
Sectorius  (Basis)    . 

Länge  d.  Unterkiefers 
bis  zur  Aussenecke 
des  Condylus  .  . 
d.  Huinerus 
des  Kadius 
der  Ulna  . 
des  Femur 
der  Tibia  . 


Grösstc 
Länge 


127 
110 


85 


30,5 

14,6 

27,5 
10 

86 


1  •->:> 

105,5 

103 
79 

21 

44,5 

49 

30 

14,8 
8 
29 
10,5 


83,5 
135 
132 
153 

148 

15« 


13 
95 

112 
93 

93 
75 

91,3 
73,5 

20,2 

10,2 

41 

41 

47,4 

47 

28 

28,5 

29 

29 

15 

14,8 

8,2 

8,3 

27,3 

28,5 

10,3 

11 

76 

75 

— 

— 

110 
91 

89,5 
71 

18,3 

39,5 

45 

28 
27 
14 

27 
10,2 


73 
124 
120 
143 
139 
145 


SO 
69 


18,8 

;i4.s 


6,5 
23 
9 


2it 


95 
82,5 

80,5 
68 

20,6 

36 

39,5 

24 
23 
11 

5,3 
21 

8,2 


63 
112 
113 
I  32 
128 
1 39 


128  Gescllscluift  naturforschcmlcr  Freunde,  Berlin. 

Wildkatzen-Art  neben  einander  vorkommen,  \vie  Thistuam, 
Danfokd  und  Satünin  bezeugen. 

Nach  meiner  Auffassung  bilden  die  Sumpflucbse  eine 
besondere,  von  den  eigentlichen  Wildkatzen  (Cati)  deutlich 
verschiedene  Gruppe,  welche  ich  mit  Hodgsox  als  ^Lijncus'' 
(1836.  also  älter  als  Gray's  ^Chaiis-^)  bezeichne. 

Diese  Gruppe  würde  vorläufig  folgende  Species  um- 
fassen : 

1.  Lyncus  cliaus  Güldenst.    Ostkaukasieu.  Persien. 

2.  —      erythrotis  Hodgson.    Vorderindien,  Birma. 

3.  —      chrysomclanotis  Nhkg.     Palästina.    (Vermuth- 

lich  auch  in  Syrien.  Kleinasien,  etc.). 

4.  —      Rüppelll  Brandt.     Aegypten.  Nubien. 
Ueber     die     wichtigsten    Scliädeldimensionen    unseres 

Lyncus  chrysomdanotis  und  einiger  verglichener  Arten  giebt 
die  vorstehende  Tabelle  Auskunft;  bei  einigen  Exemplaren 
sind  auch  die  Beinknochen  berücksichtigt  worden. 

Herr  R.v.  HanSTEIN  sprach  über  Bryohin  rihis  Thomas. 

Vor  einigen  Jahren  veröffentlichte  Fr.  Thomas  Beob- 
achtungen über  eine  von  ihm  als  Schädling  auf  Ribes 
grossularia  angetroffene  Bryolwi- Avt,  die  er  Anfangs')  als 
Br.  nobilis  C.  li.  Koch  (?)  bezeichnete,  später  jedoch-)  von 
dieser  Species  trennte  und  Br.  rihis  nannte.  Die  Milben, 
deren  sechsfüssige  Larven  gegen  Ende  März,  zur  Zeit  des 
Laubausbruches  der  Nährpflanzen,  aus  überwinterten  Eiern 
ausschlüpften,  begaben  sich  alsbald  an  die  Spitzen  der 
Zweige  und  begannen  die  jüngeren  Blätter  zu  schädigen, 
welche  stark  im  Wachsthum  zurückblieben  und  deren  un- 
zureichende Entwicklung  infolge  der  dadurch  herbeigeführten 
ungenügenden  Ernährung  die  Sträucher,  auf  denen  sie  sich 
ungestört   entwickelten,    zum  Eiuüeheu    brachte.     Aus  den 


*)  Die  rothe  Stachclbccimilbo  Bryuhia  )ioJiilis  ('.  L.  Kocu  (?),  ein 
in  Deutschland  bislier  nicht  beachteter  Schädifrer  des  Staclielbeer- 
strauches.     Gartenflora,  43.  Jaln-g.,  1894,  p.  488— (Hi. 

*)  Ueber  die  Lebensweise  der  Staclielbeerniilbe,  Bryobid  rilns,  und 
deren  Verbreitunfr  in  Deutschland.  Ztschr.  f.  Pflanzenkrankheiten,  YI, 
1896,  p.  80— 8:5 


Sit:i(ii(j  vom  77.  Jioii  inO.^\  \  09 

0.18  —  0  22  iniii  Ian.i,M'ii.  und  O.K!  mm  lucitcn  Larven  rnt- 
wii'keltcii  sich  bis  Anfang  Juni  gesclüechtsreife  Tliiere  von 
circa  0.7  mm  Länge.  Am  10.  Juni  war  keine  lebende 
Milbe  mehr  zu  finden,  wohl  aber  sah  Thomas  ihre  0.12 
bis  0,18  mm  messenden,  rothen,  glattschal  igen,  glänzenden 
Eier  an  der  Rinde,  an  den  dort  wachsenden  Flechten  so- 
wie in  den  Resten  alter  Knospenschuppen.  Aus  diesen 
Eiern  entwickelte  sich  im  Lauf  des  Sommers  keine  neue 
Milbengentration.  sondern  sie  überwinterten  und  erst  im 
folgenden  Friihjalir  begann  die  Entwicklung  von  Neuem, 
LVber  den  Verlauf  der  Entwicklung  von  d<T  Larvenzeit  bis 
zur  Geschlechtsreife  giebt  Thomas  nur  an,  dass  sich  die 
achtfüssigen  Nymphen  „bestimmt  wenigstens  noch  einmal" 
häuten,  bevor  sie  fortpflanzungsfähig  werden.  Die  Unbe- 
stimmtheit dieser  Angabe  findet  ihre  Erklärung  wohl  darin, 
dass  Thomas  die  Entwicklung  nicht  continuirlich  beobachtet 
hat.   sondern   während  derselben  zeitweise  auf  Reisen  war. 

Da  ich  nun  einige  Jahre  später  feststellen  konnte, ') 
dass  bei  der  verwandten  Gattung  Tetranychus  zwei  beweg- 
liche Nymphenstadien  durchlaufen  werden,  ehe  das  Thier 
fortptlanzuugsfähig  wird,  so  lag  die  Vermuthung  nahe,  dass 
auch  bei  Bryohia  die  Entwicklung  in  gleicher  Weise  ver- 
laufen werde.  Zudem  hatte  ich  bereits  im  Frühjahr  1901 
bei  einer  im  Moose  lebenden  Bn/obia  ruhende  Chrysalliden 
von  ganz  gleicher  Art  gefunden,  wie  ich  sie  bei  den  von 
mir  studirten  Tetranychus- kvian  beobachtete. 

Um  diese  Frage  zu  entscheiden,  suchte  ich  in  diesem 
Jahre  von  Neuem  nach  der  im  vorigen  Frühjahr  von  mir 
angetroffenen  Milbe,  und  fand  dieselbe,  wenn  auch  nur  in 
geringer  Menge,  in  kleinen,  an  der  Mauer  der  Haupt- 
kadettenanstalt in  Lichterfelde  wachsenden  Moosrasen.  Die 
erste  Larve  fand  ich  am  16.  März,  einige  weitere  in  den 
folgenden  Wochen;  w^ährend  der  Wintermonate  hatte  ich, 
trotz  vielfachen  Suchens,  dort  wohl  einige  Oribatiden.  aber 
keine  Bryohia  gefunden,  sodass  es  wahrscheinlich  ist,  dass 


')  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Gattung  Tetranychus  I>UF.    Zeitschr. 
f.  wiss.  Zool.  LXX,  1901,  p.  58  —  108. 


1 30  Gesellschd/t  tuitarforschcndcr  Freunde,  Berlin. 

diese  Bryobien  als  Eier  überwintern.  Die  erste  achtfüssige 
Nymphe  wurde  am  31.  März  angetroffen,  eine  weitere,  die 
eben  der  —  noch  unmittelbar  neben  ihr  liegenden  — 
Larvenhaut  entschlüpft  war.  am  1.  April.  In  grösserer 
Zahl  fand  ich  sechsfüssige  Larven  am  6.  April  an  einer 
begrenzten  Stelle  der  genannten  Mauer,  welche  durch  ihre 
lebhaft  rothe  Farbe  zwischen  den  Moospflänzchen  auffielen. 
Die  ersten  völlig  entwickelten  Milben  sah  ich  am  5.  Mai. 
Bemerkenswerth  war  das  streng  lokal  begrenzte  Vorkommen 
dieser  Thiere.  Während  sie  um  diese  Zeit  in  den  kleinen 
Moospolstern  einer  bestimmten  Stelle  der  genannten  Mauer 
mehrfach  zu  finden  waren,  suchte  ich  etwa  1  m  von  dieser 
Stelle  entfernt  durchaus  vergebens  nach  denselben.  Ueber- 
haupt  waren  die  Thiere  nicht  allzuhäufig  und  nahmen  bald 
an  Zahl  merklich  ab. 

Die  Betrachtung  der  Thiere  ergab  nun  alsbald,  dass 
dieselben  mit  der  TiioMAs'schen  Br.  rihis  in  allen  wesent- 
lichen Punkten  übereinstimmten.  Die  lebhaft  rothe.  bezw. 
braunrothe  Färbung,  der  deutlich  abgesetzte  Körperrand,  die 
stark  gerunzelte  Haut,  die  Länge  des  ersten  Beinpaares,  vor 
allem  aber  die  Zahl  und  Anordnung  der  schüppchenförmigen 
weissen  Haare  glichen  völlig  der  von  Thomas  gegebenen 
Beschreibung.  Ausser  Zweifel  konnte  ich  die  Identität  der 
beiden  Formen  stellen,  als  ich  in  der  Lage  war,  die  hiesigen 
Bryobien  mit  aus  Ohrdruf  bezogenen  Thieren  genauer  ver- 
gleichen und  die  Entwicklung  beider  neben  einander  ver- 
folgen zu  können.  ^) 

Der  Entwicklung.sgang  der  Brijohia  rihis  stimmt  nun, 
wie  ich  vermuthete,  durchaus  mit  dem  der  von  mir  beob- 
achteten Tetmnychtis- Arten  überein.  Die  sechsfüssige  Larve 
wird  nach  mehreren  Tagen,  innerhalb  welcher  sie  bei  reich- 
licher Nahrungsaufnahme  etwa  bis  auf  0.3  mm  herange- 
wachsen ist.   zu  einer   ruhenden  Nymphochrysallis.     Schon 

')  Herrn  Professor  Titomas,  der  nicht  nur  die  (Üitc  liatte,  mir 
lebendes  Vergleichsmaterial  aus  Ohrdruf  zu  übersenden,  sondern  mir 
auch  seine  vorliandenen  Präparate,  darunter  z.  Th.  die  Orij^inale  der 
von  ilini  publicirten  Zeiclimmgen,  zur  Durchsiciit  zur  Verfiifjunp  stellte 
und  mir  mehrfach  bereitwilligst  brieHiche  Auskunft  yab,  sage  ich  auch 
an  dieser  Stelle  verbindlichsten   Dank. 


Süzuiuj  vom  17.  Juni  WO^.  131 

vorher  verhält  sie  sich  ruhig  und  hh'iht.  ab«j;osehen  von 
,i;elei,'entlichen  Bewegungen  eiuzehier  Beine,  unlteweglich  an 
einer  Stelle.  Während  des  Chrysallis-Stadiuins  werden  di(^ 
Wi'hu^  in  derselben  charakteristischen,  in  der  Mitte  umge- 
bogenen .Stellung  gehalten,  wie  ich  sie  für  Tdmnychus 
nH/iacac  abbildete  (1.  c.  Fig.  5).  Auch  reisst  die  Haut  beim 
Ausschlüpfen  der  Nymphe  in  ganz  derselben  Weise  (|uer 
über  dem  Rücken  zwischen  zweitem  und  drittem  Beinpaar 
auf.  Etwa  einen  Tag  vor  dem  Ausschlüpfen  nimmt  die 
Chrysallis,  wegen  des  Abhebens  der  Haut  vom  Köri»er, 
eine  weisse  Farbe  an.  Die  Gliedmaassen  zeigen  dies  Aus- 
sehen schon  vorher.  Es  folgen  nun,  immer  nach  etwa 
.3— (3  Tagen,  aufeinander  die  Stadien  der  Deutochrysallis, 
Deutonymphe  und  Teleiochrysallis.  aus  welcher  dann  das 
reife  Thier  ausschlüpft.  Es  bestehen  also  auch  für  Ihi/ohia 
rihis  ausser  dem  Larvenstadium  zwei  achtfüssige  Xymphen- 
stadien.  und  im  Ganzen  drei  unbewegliche  Ruhezustände. 
Die  (huchschnittliche  Länge  beträgt  für  die  Nympho- 
chrysalliden  etwa  0.3  mm.  für  die  Deutochrysalliden  etwa 
0.45  —  0,48  mm.  für  die  Teleiochrysalliden  etw'a  0.54  bis 
0,57  mm.  Im  Einzelnen  kommen  natürlich  Schwankungen 
vor.  Da  die  Körperlänge  uiciit  immer  ein  sicheres  Urteil 
ermöglicht,  so  ist  es  für  die  Beurtheilung  des  Entwicklungs- 
zustandes der  achtfüssigen  Thiere  wichtig,  auf  Grösse  und 
Form  der  Schüi)i)chen  zu  achten.  Die  Larven  tragen  statt 
der  Schüppchen  schmale,  gefiederte  Haare  w'ie  schon  Thom.as 
bemerkte.  Bei  den  Nymphen  sind  bereits  schmale  Schüpp- 
chen vorhanden.  Während  die  Länge  derselben  sich  zu  der 
am  Ende  erreichten  grössteu  Breite  bei  den  Deutonymphen 
verhält  wie  5:2.  ist  das  Verhältniss  beim  reifen  Thier 
—-4:3  Diese  relativ  breiteren  Schüppchen  geben  dem  ent- 
wickelten Thier  ein  charakteristisches,  von  dem  der  Deuto- 
nymphen deutlich  abweichendes  Aussehen.  Erwähnt  sei 
noch,  dass  ich  bei  Bryohia  rihis  ebensowenig  wie  bei  den 
früher  untersuchten  Tcfn/nz/chus  -  Arten  eine  Apoderma- 
Bildung  bemerkte. 

Leider  habe  ich  weder  unter  den  spärlichen  hiesigen, 
noch  unter  den  von  Ohrdruf  bezogenen  Milben  ]\[ännch<'n 
gefunden,  war  also  nicht  in  der  Lage,  über  Begattung  und 


132  Gesellschaft  natiirfoiscJiemler  Freunde,  Berlin. 

Eiablage  Beobachtungen  anzustellen.  So  muss  es  also  noch 
dahin  gestellt  bleiben,  ob  die  5r^o?^/a-Weibchen  ebenso  wie 
die  Tetranycheii  schon  während  ihrer  letzten  Chrvsallis- 
Periode  von  ^Männchen  belauert  und  unmittelbar  nach  dem 
Ausschlüpfen  begattet  werden  Thomas  hat  —  laut  gell, 
brieflicher  Mittheilung  —  derartiges  auf  seinen  Ribes- 
Sträuchern  nicht  beobachtet. 

Im  Uebrigen  gleicht  die  Lebensweise  dieser  Bryobien. 
abgesehen  von  dem  ihnen  fehlenden  Spinnvermögen,  durch- 
aus der  der  von  mir  beobachteten  Tetranychen.  Knt- 
sprecliend  dem  gleichen  Bau  ihrer  Mundtheile  ist  auch  die 
Art  und  Weise  des  Nahrungserwerbs  die  gleiche.  Im 
ganzen  erschienen  sie  mir  etwas  langsamer  und  träger,  wie 
auch  ihre  Entwicklung  etwas  langsamer  verläuft.  Soweit 
meine  Beobachtungen  reichen,  muss  ich  die  Angabe  von 
Thomas,  dass  diese  Thiere  nur  eine  Generation  im  Lauf 
des  Sommers  hervorbringen,  bestätigen.  Auch  hierdurch  treien 
sie  in  Gegensatz  zu  den  verwandten  Tetranychen,  die  eine 
ganze  Reihe  von  Generationen  in  jedem  Jahr  zur  Ent- 
wicklung bringen  und  in  deren  Colonien  man  daher  von 
Mitte  Mai  an  bis  tief  in  den  Herbst  stets  Eier.  Larvon. 
Nymphen.  Chrysalliden  und  Geschlechtsthiere  neben  ein- 
ander antrifft. 

Bemerkenswerth  ist  nun,  dass  trotz  der  unzweifelhaften 
Identität  der  von  Thomas  und  von  mir  beobachteten  Milben 
dieselben  hier  nicht  auf  Stachelbeeren  vorzukommen  scheinen, 
während  sie  Thomas  nur  -duf  Eihes  grossidaria  und  B.  cdpinum 
antraf.  In  England  soll  sie  auf  Hcdcra  Hdix  vorkommen, 
auf  welcher  Pflanze  sie  Thomas  wiederum  vergebens  suchte. 
Es  scheint  mir  die  Vermuthung  naheliegend,  dass  dies  Thier. 
das  wohl  ursprünglich  im  Moose  und  vielleicht  noch  auf 
anderen  niedrigen  Pflanzen  lebte,  erst  im  Begriffe  steht. 
sich  hier  und  da  lokal  durch  Anpassung  an  die  Stachel- 
beeren und  andere  Bihes-Avtan  zu  einem  Schädling  dieser 
Pflanzen  zu  entwickeln,  ähnlich  wie  z.  B  auch  der  Colorado- 
käfer, früher  ein  harmloses  Thier,  sich  erst  seit  i\litte  des 
vorigen  Jahrhunders  zu  einem  Schädling  der  Kartoffel  ent- 
wickelt  hat.     Für    diese  Auffassung  spricht  der  Umstand, 


SitzKiii/  roin  17.  Jimi  IDO^.  133 

dass  die  Obst-  und  Oai't('nl)aiiliftoratiir  Dentsclilands  bis  vor 
etwa  zolin  .lahirii  UeincrU'!  Mitlhciliini^cn  iibcr  Bri/ohia  auf- 
weist.' Thomas,  dci-  dif  Thlere  zuerst  im  Jahre  18S9  be- 
obachtete und  18S)4  st'iiie  erste  ^littheilun«;  verölTentlichte. 
konnte  nur  in  der  englischen  \nid  amerikanischen  Litteratur 
Notizen  über  Schädigung  von  Culturgewächsen  durch Bryobien 
linden.  Beweist  dies  nun  auch  natürlich  nicht,  dass  solche 
nicht  schon  früher  vorgekommen  sind,  so  geht  doch  daraus 
hervor,  dass  sie  nicht  von  grosser  Bedeutung  gewesen  sein 
können.  Anch  die  englischen  und  amerikanischen  Berichte 
über  solche  Schädigungen  stammen  erst  aus  dem  vorigen 
Jahrzehnt.  In  neuerer  Zeit  ist  nun  —  wie  Thomas  in 
seiner  zweiten  Publication  mittheilt  —  das  Vorkommen  der 
in  Kede  stehenden  Art  aus  den  verschiedensten  Gegenden 
Deutschlands  und  P)öhmens  —  von  Danzig  und  Prag  bis 
Nürnberg.  Heidelberg  und  Friedrichshafen  -  -  gemeldet 
worden,  doch  scheint  es  sich  immer  nur  um  ein  sporadisches 
Auftreten  zu  handeln. 

Dass  auch  die  von  mir  im  Moose  angetroftenen  Thiere 
sich  von  Stachelbcorblättern  zu  nähren  vermögen,  konnte  ich 
durch  Zuchtversuclio  feststellen.  All  dies  stimmt  zu  der 
Annahme,  dass  Br.  ribis  ihre  natürliche  Nahrung  auf 
Moosen  und  anderen  Pflanzen,  vielleicht  verschiedenster 
Art.  findet  und  gelegentlich  einmal  auf  Stachelbeersträucher 
übergeht.  Unter  günstigen  Um:?tänden  —  bei  reichlicher 
Nahrung  und  hellem,  trockenem  Wetter  —  können  die 
Thiere  sich  dort  massenhaft  vermehren  und  so  nnvermittelt 
zu  einer  Plage  für  den  Gärtner  werden.  Ich  möchte  noch 
darauf  hinweisen,  dass  die  amerikanische  Bryahia  pratensis, 
die  auf  Klee  lebt,  gleichfalls  neuerdings  als  Schädling  ver- 
schiedener Fruchtbäume  bezeichnet  wird.  Vielleicht  handelt 
es  sich  hier  um  einen  ähnlichen  Nahrungswechsel.  Es 
wäre  von  Interesse,  dieser  Frage  nachzugehen. 

Von  einem  Fall  plötzlicher,  aussergewöhnlich  starker 
Vermehrung  dieser  Thiere  hörte  ich  vor  Kurzem  durch 
Herrn  Dr.  Rexgel  (Potsdam).  Im  Sommer  1900  ^varen 
kleine,  braune  Milben  in  so  grossen  Schaaren  in  ein  Zimmer 
des  dem  Prinzen   Friedrich  Leopold  gehörigen  Palais  v'wv 


J34  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

gedriingon,  dass  dieselben,  wie  mein  Gewährsmann  erfuhr, 
mehrmals  am  Tage  mit  dem  Besen  zusammengefegt  werden 
miissten.  Leider  konnte  ich  Näheres  über  die  lokalen  Ver- 
hältnisse nicht  in  Erfahrung  bringen,  doch  vermuthe  ich, 
dass  die  Thiere  an  Pflanzen,  die  vielleicht  an  der  Mauer 
sich  hinaufraukten  (etwa  Epheu),  in  die  Höhe  gelaugt  und 
so  in  die  Zimmer  eingedrungen  waren.  Es  wäre  das  eine 
ähnliche  Invasion,  wie  diejenigen,  welchen  die  Stachel- 
beeren ausgesetzt  sind.  Eine  Anzahl  von  Herrn  Dr.  Rkngel 
aufbewahrter  und  mir  zur  Untersuchung  freundlichst  über- 
lassener  Exemplare  stimmten  in  allen  wesentlichen  Punkten 
—  soweit  dies  noch  zu  constatiren  war  —  mit  Br.  rihis 
überein,  nur  waren  sie  etwas  grösser  (0,8  mm  und  etwas 
darüber). 

Ein  Wort  wäre  zum  Schluss  noch  über  die  Benennung 
der  hier  besprochen  Ih-z/ohia-Avt  zu  sagen. 

Die  Kocirschen  Diagnosen  der  von  ihm  aufgestellten 
vier  Bri/ühia-S[^cdi's  sind,  da  sie  sich  wesentlich  auf  Farben- 
unterschiede stützen,  zur  sicheren  Wiedererkennung  nicht 
ausreichend,  da  die  natürliche  Färbung  der  Milben  durch 
den  durch  die  Haut  hindurch  schimmernden  Inhalt  des 
Darmes  wesentlich  beeinflusst  wird.  So  ist  Br//ohia  rihis 
als  Larve  schön  roth  gefärbt,  nimmt  aber  nach  reichlicher 
Nahrungsaufnahme  eine  brauurothe  Färbung  an,  während 
Beine  und  Mundtheile  die  ursprünglich  rothe  Färbung  bei- 
behalten. Später  haben  dann  G.  Cankstrini  und  Faxzago') 
für  die  beiden  KoCH'schen  Arten  Br.  practiosa  und  Br. 
speciosa  neue  Diagnosen  publicirt.  während  sie  Br.  nohiJis 
als  eine  Farbenvarietät  der  letzteren  Art  auttassten.  Beklesk 
hat  dann  in  seinem  grossen  Werk-)  abermals  durch  Ab- 
bildungen erläuterte  Diagnosen  derselben  beiden  Arten  ge- 
geben, die  jedoch  mit  denen  der  eben  genannten  Autoren 
nicht  ganz  übereinstimmen.  Denn  während  diese  für  Br. 
practiosa  angeben:  „il  dorso  non  e  incavato  nella  linea 
mediana"  schreibt  Berlese  für  dieselbe  Art:   „Abdomen  in 


M  Iiitoriio   agli  Acari  italiani.     Atti  Istit.   Veneto,   (5)  VI,   p.   159. 
■^)   Acari,    invi'iopoda    et    scorpionos    1iucus(HK!    in    Italia    n'pcita, 
Fase.  33,  No.  3  u.  Fase,  nl,  No.   |.     Padova,   IHSÜ  rosp.   1S8. 


Sitzung  vom  11.  Jittii  1002.  l.'J5 

(loi'so  excavadiin,  iiiaigiiiilms  clevatis".  Auch  bildet  er  bei 
dieser  Species  wie  scIkhi  Thomas  liei'Norliob      -    -l  Paai' 

Kiickeiiscinipitciieii  ab,  wiilireiid  Kouii's  Abbilchiiii:;  deren 
niii'  2  erl\(.Mineii  lässt.  In  seiner  Diaj^nosc  erwähnt  (m-  diese 
Zahl  ebensowenig,  wie  Cankstrim  und  Fanzaco.  niisst 
derselben  also  oflt'enl)ar  keine  besondere  liedeutuui,^  l)ei. 
Br.  noh'dis  hält  auch  Bkklksi-:  für  keine  selbständige  Art. 
Noch  später  hat  dann  R.  Canestkini')  eine  ausführliche  Be- 
schreibung im-  lh\  2)>'(i€tiosa  publicirt,  welcher  ev  Br.  nohi/is 
beizählt,  während  er  die  Selbständigkeit  der  von  Berlksk 
beschriebeneu  Br.  speciosa  —  die  er  selbst  nicht  kaniite  — 
als  noch  nicht  ganz  gesichert  betrachtet  („se  e  vcranientc 
specie  diversa  da  quella  che  ho  sopra  descritto").  Die 
englische  Stachelbecrmilbe.  deren  Identität  uiit  seiner  Br. 
rihis  Thomas  durch  eigene  Untersuchung  aus  Cambridge 
bezogener  Exemplare  feststellen  konnte,  war  Anfangs  als 
Br.  speciosa,  später  als  Br.  praetiosa  beschrieben  worden. 
Thomas  führt  nun  aus.  dass  Br.  rihis  sich  von  der  dnrch 
Beulese  al)gebildeten  Br.  xn-adiosa  durch  die  Zahl  der 
stets  nur  in  3  Paaren  vorhandenen  Rückenschüppchen  so- 
wie durcli  grössere  Länge  des  beweglichen  Endgliedes  des 
Tasters  unterscheide,  dass  auch  Koch"s  Abbildung  dieser 
Art  in  ilu'er  Färbung  und  der  Zahl  der  (von  ihm,  wie  oben  ge- 
sagt, nur  durch  2  Paar  weisser  Flecken  angedeuteten) 
Rückenschü|)pchcn  von  seiner  Br.  rihis  abweiche,  dagegen 
Br.  nohilis  Ko(  h  derselben  näher  stehe.  Auch  diese  Art 
jedoch  stimme  in  Färbung  und  Gestalt  nicht  völlig  mit  Br. 
rihis  überein.  Kürzlich  hat  dann  A.  C.  Oudemans-)  alle 
vier  KocHSchen  Brt/ohia- Alien  unter  dem  Namen  Br.  praetiosa 
zusammengefasst,  da  auch  die  von  Berlese  angegebeneu 
Unterschiede  zwischen  Br.  spcciosn  und  Br.  practiosd  nicht 
constant  seien. 

Es  gehen  also  zur  Zeit  die  Anschauungen  über  die 
gegenseitige  Abgrenzung  der  Bri/ohia- Arten  noch  auseinander, 
wenn    auch   alle  genannten   Autoren   darin   übereinstimmen, 


')  Prospotto  doli"  Acarofauna  italiana.  Faiiiiglia  (Ui  Tetranycliini. 
Atti  Istit.  Venctn,  (C)  VIT,  ]>.  5U."). 

-)  Bemerkungen  über  Sanremeser  Acari,  Tijdsclir.  voor  Entomol, 
43.  Deel,  19uo,  p.  i;jH. 


■[36  Gesellschaft  nahirforscliender  Freunde,  Berlin. 

die  Zahl  der  von  Koch  unterschiedenen  Arten  zu  reduciren. 
Ohne  auf  diese  Frage  hier  näher  eingehen  zu  wollen  — 
es  würde  dazu  die  Durcharbeitung  eines,  namentlich  in 
Bezug  auf  die  Herkunft,  umfassenderen  Materials  erforderlich 
sein,  als  es  mir  augenblicklich  zur  Verfügung  steht  — 
möchte  ich  mich  Thomas  darin  anschliesseu.  dass  Br.  rihis 
von  der  Beklese' sehen  JJr.  practiosa  specifisch  verschieden 
ist.  Die  Zahl  und  Stellung  der  Haargebilde  pflegt  bei 
diesen  Acariden  ziemlich  constant  zu  sein  und  ich  glaube, 
dass  bis  zum  Beweise  des  Gegentheils  die  Berechtigung  be- 
steht. Formen  mit  drei  Schüppchenpaareu  von  solchen  mit 
vier  Paaren  systematisch  zu  trennen.  Hierzu  kommt,  dass 
ich  weder  unter  den  hiesigen,  noch  unter  den  von  Ohrdruf 
bezogenen  Thieren  Individuen  von  so  grünlicher  Färbung 
getroffen  habe,  wie  die  BERLESE'sche  Abbildung  sie  zeigt. 
Endlich  möchte  ich  darauf  hinweisen,  dass  R.  Canestuixi 
(1.  c.  p.  506)  angiebt,  im  Juni  und  Juli  häufig  sechsfüssige 
Larven  und  kleine  Nymphen  von  Br.  praetiosa  gefunden  zu 
haben,  während  die  Entwicklung  vonBr.rihis  in  dieFrühjalirs- 
monate.  April  und  Mai.  fällt.  Auch  luuss  ich  den  von  ThOiMas 
erwähnten  Unterschied  im  Bau  der  Taster  bestätigen. 

Wenn  ich  somit  die  Vereinigung  der  Br.  rihis  mit  der 
italienischen  Br. praetiosa,  wie  Beiilese  sie  abbildet,  für 
nicht  angängig  halte,  so  bin  ich  andererseits  der  Meinung, 
dass  die  von  Thomas  angeführten  Unterschiede  nicht  aus- 
reichen, um  sie  von  der  Koch' sehen  Br.  nohilis  zu  trennen. 
Auf  die  Farbenzeichuung  ist  —  aus  den  schon  erörterten 
Gründen  —  bei  diesen  älteren  Abbildungen  entscheidender 
Werth  nicht  zu  legen.  Da  nun  die  Selbständigkeit  der 
Species  Bryohin  nohilis  von  mehreren  Seiten  bestritten  ist 
und  ich  bisher  nicht  in  der  Lage  war.  durch  Einsicht  in 
das  KocH'sche  Werk  mir  ein  bestimmtes  Urtheil  über  die 
vier  von  ihm  unterschiedenen  Species  zu  bilden,  so  habe 
ich  einstweilen  die  TnoMAs'sche  Bezeichnung  beibehalten, 
um  dadurch  die  Identität  der  hiesigen  Form  mit  der  von 
diesem  Autor  beschriebenen  zum  Ausdruck  zu  bringen,  ohne 
damit  einer,  wie  gesagt  nur  auf  Grund  umfassenderer  Studien 
möglichen  endgültigen  Regelung  ihrer  .systematischen  Stellung 
vorgreifen  zu  wollen. 


Sitztmij  vom  17.  Juni  1002.  137 

lltMT  VON  Wartens  sprach  üIxm-  die  Meeres-Conchylien 

der  Cocos-Insel,  im  Anschluss  an  die  Beiii('rkiin<:;t'n  über 

die   Land-    und    Siisswasscr-Scinu'cken    derselben    Insel   im 

November  1898.  S.  löC  und  März  1902,  S.  59.     Die  von 

BioLLKV  i,'esammelten  und  ein,i,M'sandten  Arten  sind  f(»li;-ende: 

Co)ius  hridniriis  Wood  (Panama.   (ialai»a^us). 

Ptirpura patuht  L.  (Golf  von  CaliConiien,  Central-Amerika. 

GalapajL!;os). 

—  cohimeUaris  Lam.  (Golf  von  Californien.  Galapagos). 

—  meh  DuCLOS  (Ceutr. -Amerika.   Ecuador.   Galapagos), 
Monoccrns  hrcvidentatitm  Guay  (Costarica.  Panama). 
Follia  saiujuinoleuta    Duclos    1832  =  haemastomn   Ghay 

1839  (Mazatlan-Pauama.  Galapagos). 

—  cinis    Rkkve    conch.    icoa.    III  Buccinum,    Fig.   84 

(Galapagos). 
Bändln  caclata  Buoi).  (S.  Salvador,  Panama). 
Cypraca,  wahrscheinlich  isahcUa  L.  (Indischer  Ocean). 
Cerithium  adustum  Kirn.  (Panama.  Galapagos). 
Planaxis  pihinicostatus  Sow.  (Panama,  Galapagos). 
Litto}'ina  conspersa  Phil.    (Mazatlan -Panama). 

—  aspcra  Phil.  (Mazatlan -Panama). 

Hipponij.ry  stark  abgerieben,  daher  nicht  sicher  zu  be- 
stimmen, möglicherweise  harhatus  Q.  G. 

Vermetus,  ebenfalls  stark  abgerieben. 

Ncrita  ornatti  Sow.  (Halbinsel  Californien  —  Panama, 
Galapagos). 

—  Bernhardt  Rkcluz  (Golf  v.  Calif.  —  Peru.  Galapagos). 
FissureUa  virescens  Sow.  (Californien  —  Ecuador). 
Acmaca  striata  Q.  G.  (Celebes.  Molukkeu,  Flores;   Gala- 
pagos), in  Mehrzahl  und  ganz  frischen  Stücken. 

Chiton  (Badsia)  GoodaUi  Buod.  (Galai)agos). 
Mdampas  Inhogcusis  C.  B.  Ad.  (Panama). 
Siphonaria  yiyas  Sow.  (Central-Amerika.  Galapagos). 
Östren  ochracca  Sow.  Reevü   conch.  icon.,    XI,    Fig.  19; 

die    Exemplare    der    Cocosinsel    zeigen    schwache. 

aber   doch   deutlich   eckige  Falten   am  Rande  und 

sind    fast    mit    der    ganzen    Fläche    angewachsen; 

Rand  innen  violett  (Mazatlan). 


138  Gesellschaft  naturforsclienäer  Freunde,  Berlin. 

Fernn  quadratigiduris  Rkkve.  nach  Wimmek,  Sifzuugs- 
berichte  d.  Akad.  d.  Wiss.  in  ^Yiell  1879,  vod  deü 
Galapagos-Inselu,  mindestens  sehr  ähnlich  der  P. 
Chcmnitsiana  Oni?.  von  Cuba  und  nacli  Rkiovk  auch 
von  Californien.  Kleine,  länglich  viereckige  Stücke, 
die  Aussenseite  stark  abgerieben. 
Ein  Bnlamis  {Tetradita  porosa  Gm.). 

Manche  der  angeführten  Arten  erreichen  au  der  Cocos- 
insel  eine  sehr  beträchtliche  Grösse,  so  z.  B.: 

Siplwnaria  gitjas     7,6  cm  laug.  6,5  cm  breit,  3,5  cm  hoch. 
Purpura  patula       7,5    „      „      5,2   „        „ 
Fissur ellü  virescens  4,4    „      „       3,4    „       ^       2,3    „       „ 
Cliiton  f/oodalli       11,0   „       ,,       4,9    „        „ 
Es  kann   also  nicht  die  Rede  davon  sein,   dass  sie  im 
Vergleich    mit  Exemplaren   vom   Festland  als   verkümmert 
erscheinen. 

Das  beträchtliche  Ueberwiegen  der  Gastropoden  über 
die  Bivalven  an  Arten  und  Exemplaren  deutet  darauf  hin. 
dass  hauptsächlich  an  felsigem  und  steinigem  Ufer  ge- 
sammelt wurde. 

Aus  den  in  Klammern  beigefügten  Angaben  über  das 
sonstige  Vorkommen  der  bestimmten  Arten  ergicbt  sich, 
dass  die  meisten  derselben  auch  an  der  Westküste  des 
Kontinents  von  Central -Amerilia.  deren  nächster  Punkt 
etwa  600  km  von  der  Insel  entfernt  ist,  vorkommen,  etwa  *^/i, 
und  auch  die  entschiedene  Mehrzahl,  etw^a  -/s  an  den  Gala- 
pagos-Inselu,  welche  noch  weiter  vom  nördlicheren  Theil 
von  Süd-Amerika  in  direct  westlicher  Richtung  entfernt  sind, 
und  eine  Verdop})lung  der  nach  Südwesten  gerichteten  Linie, 
welche  die  Entfernung  der  Cocosinsel  vom  nächsten  Punkte 
des  Festlandes  von  Amerika  angiebt,  trifft  ungefähr  auf  die 
Galapagos.  Bei  den  Landschnecken  machte  sich  eine  Ueber- 
einstimmung  zwischen  beiden,  Cocosinsel  und  Galapagos, 
nicht  bemerklich,  die  für  letztere  so  charakteristische  Gruppe 
Nesiotes  ist  auf  der  Cocosins<;l  nicht  gefunden,  dagegen  ist 
betreffs  der  Meeres-Conchylien  die  Uebereinstinunung  in  die 
Augen  springend;  dieselbe  beruht,  wenn  aucl»  grossentheils, 
auf  der  beiderseitigen  Uebereinstimmunii'  mit  der  Westküste 


Sitzmu/  roiii  17.  Juni  1902.  13y 

des  Kontinentes,  doch  nicht  allein,  wie  namentlich  Chiton 
GooilaUi  zeigt;  auf  ToUin  cinis  lege  ich  weniger  Gewicht, 
da  das  eine  kleinere,  leichter  zu  übersehende  oder  mit  einer 
andern  zu  verwechselnde  Art  ist. 

Am  merkwürdigsten  ist  das  Vorhandensein  von  Armnoa 
striata,  die  Autoren  der  Art  hahen  sie  auf  Celebes  gefunden. 
ich  selbst  habe  sie  auf  mehreren  Inseln  der  Molukkeu, 
wie  Ternate,  und  ferner  auf  Flores  gesammelt,  so  dass 
über  ihr  Vorkommen  in  Niederländisch-Indien  kein  Zweifel 
sein  kann;  von  den  polynesischen  Inseln  im  Stillen  Ocean 
aber  kenne  ich  weder  Exemplare,  noch  eine  Angabe  in  der 
Litteratur  über  sie.  An  der  Westküste  des  Kontinents  von 
Amerika  giebt  es  allerdings  ähnliche  Arten,  aber  nur  be- 
deutend weiter  nördlich,  in  Oregon  und  Alaschka.  wie  z.  B. 
Acmacd  patina  und  scutuni  Esciiz.,  die  von  der  Cocos- 
insel  vorliegenden  Exemplare  stimmen  aber  in.  der  Sculptui', 
in  der  Stellung  des  Wirbels  und  in  dem  allgemeinen  Umriss 
sowie  in  der  charakteristischen  Färbung  der  Innenseite  nicht 
mit  diesen  nordwestamerikanischen,  sondern  mit  der  indischen 
Art.  WiM.MER  a.  a.  0.  giebt  allerdings  Acm.  patina  von 
den  Galapagos  an.  aber  auch  die  Yon  da  stammenden 
Exemplare  im  Berliner  Museum  kann  ich  für  nichts 
anderes  als  striata  Q.  G.  halten  und  möchte  daher  ver 
muthen.  dass  Wimmek  sich  hier  in  der  Bestimmung  geirrt 
habe,  indem  er  gar  nicht  an  die  indische  striata  dachte; 
sondern  nur  die  amerikanischen  ins  Auge  fasste.  Man  kann 
sich  nun  fragen,  ist  Ä.  striata  mit  der  schon  früher  er- 
wähnten Gegenströmung  von  Indien  her  nach  der  Cocos- 
insel  und  den  Galapagos  gekommen  oder  umgekehrt  von 
diesen  durch  die  grosse  Passatströmung  nach  dem  östlichen 
Theil  des  indischen  Archipels?  Ihr  Fehlen  an  der  West- 
küste von  Central-Amerika  spricht  für  ersteres,  ihre  grosse 
Aehulichkeit  mit  den  nordwestamerikanischen  Arten  und 
der  chilenischen  Äcni.  punctata  Gray,  sowie  das  Fehlen  von 
weiteren  nächst  verwandten  Formen  im  indischen  Ocean 
für  letzteres.  Auf  die  oben  erwähnte  Cypraea  isahcUn 
möchte  ich  weniger  Werth  legen,  es  ist  ein  einziges,  ab- 
gescheuertes  und  seiner  natürlichen  Färbung  ermangelndes 

6* 


140  Gesellschaft  natnrforschenäer  Freunde,  Berlin. 

Stück,  also  nicht  lebend  auf  der  Insel  gefunden;  die  gleich- 
massig  enge  Müudungsspalte  und  die  noch  zu  erkennenden 
rothen  Endtleckeu  an  derselben  lassen  kaum  einen  Zweifel 
an  der  Bestimmung  und  verbieten  positiv,  an  die  west- 
amerikanische Cypraca  cervinetta  Kien,  zu  denken.  Aber 
Cypra^&H:  werden  zu  oft  von  Seefahrern  mitgenommen  und 
auch  wieder  weggeworfen,  als  dass  man  auf  den  vereinzelten 
Fund  eines  uiciit  frischen  Stückes  viel  Werth  legen  dürfte. 
Unter  den  Meeres -Conchylien  der  Westküste  des 
tropischen  Amerika  lassen  sich  im  Allgemeinen  zwei 
faunistische  Elemente  unterscheiden:  die  einen  sind  der 
Westküste  eigenthümlich  und  gänzlich  verschieden  von  denen 
des  Atlantischen  Oceans  und  auch  von  denen  des  Indischen 
Oceans  und  Polynesiens,  sie  reichen,  wenn  nicht  in  den 
Arten,  doch  in  den  Gattungen  und  Untergattungen  weit  nach 
Süden,  z.  Th.  bis  in  die  Magellanstrasse,  gehen  aber  nach 
Norden  nicht  leicht  über  Californien  hinaus  und  machen  in 
Nordwest-Amerika  mehr  und  mehr  einer,  dem  nördlichen 
Japan,  Kamtschatka  und  Alaschka  gemeinsamen  Fauna 
Platz;  charakteristische  Beispiele  sind  die  Gattung  Mono- 
ceros  und  Scurria.  Das  zweite  Element  bildet  eine  Anzahl 
von  Arteu,  welche  den  auf  der  atlantischen  Seite  im  karai- 
bischen  Meer  und  au  der  Küste  von  Brasilien  äusserst 
ähnlich  sind  und  eben  z.  Th.  nur  deshalb  einen  eigenen 
Artnamen  bekommen  haben,  weil  man  nicht  glauben  wollte, 
dass  dieselbe  Art  an  beiden  Seiten  des  Kontinentes  vor- 
komme, aber  ohne  Kenntniss  des  Fundortes  ist  es  sehr 
schwer,  oft  geradezu  unmöglich,  sie  von  einander  zu  unter- 
scheiden; Beispiele  davon  sind 

Pacifisch:  Atlantisch: 

Teilina  rufescens  Hanl.  T.  opercidaris  Gm. 

—     simulans  C.  B.  Ad.  —  punicca  Born. 

Cardiuni  aspersum  Sow.  C.  pectiniforme   Brug.    (hiil- 

latum  auct.). 
Cytlierca  lupanaria  Less.  C.  Bione  L. 

Solen  rudis  C.  B.  Ad.  S.  amhi<iuus  Lam. 

Pectcn  subnodosus  Sow.  P.  nodosns  L. 

Purpura 2)atidaL.(pansaCo'SR.).  P.  painlft  L. 


Sit:iiiifj  vom  17.  Jitni  100Q.  14  [ 

May<jin<ila  sapotiUn  Hinds.         M.  pruuum  (i.M. 
Cassis  ahhreviatii  (Lam.)  ]\rKi-:.      C.  (jranuhita  r.ou'N. 
(Viva  amncosü  La.m.  0.  reticularis  La>[. 

F((sciohiriif  2>i'i»C('2)s  Sow.  F.  f/i(jaa  Gm. 

M(/oiit/c)i'(  patula  Sow.  .1/.  fasc/ata  Sei i u.M. 

ruUia  san(juinülci)ta  Ducl.  i'.  (tnritula  Boltk.v. 

Es  sind  das  nicht  etwa  Arten  oder  Ai-tengriippen. 
welche  überhaupt  kosmopolitisch  oder  auch  mir  circum- 
(ro])isch,  dem  atlantischen,  indischen  und  pacilischen  ()eean 
in  der  Tropenzone  gemeinsam  wären,  wie  Tritonium  pilcurc 
und  fuhcrosum,  Asap)his  deflorata,  sondern  eben  speciell 
(»st-  und  westamerikanische,  sie  gehen  auch  an  der  West- 
küste von  Amerika  weder  nach  Norden  noch  nacii  Süden 
weit  über  Central-Amerika  und  Ecuador  hinaus,  namentlich 
nirlii  in  das  Kaltwassergebiet  von  Peru  liinein  und  man 
wird  wohl  nicht  irre  gehen,  wenn  mau  annimmt,  dass  sie 
in  geologisdi  nicht  zu  ferner  Zeit  durch  eine  ceutral- 
amerikanische  Verbindung  beider  Oceane  von  der  Ostküste 
nach  der  Westküste  eingewandert  seien.  Es  ist  nun  von 
Interesse,  dass  beide  dieser  Elemente  unter  den  Meeres- 
Conchylien  der  Cocosinsel  vertreten  sind,  das  erstere  z.  B. 
in  Monoccros  hrevidentatnm,    das   zweite  in   Pnrp>ura  patula. 

Herr  F.  HiLGENDORF  legte  eine  neue  Chromiden-Art 
aus  Deutsch  Südwestafrika  vor.  Paratilapia  luchhcrti. 

Der  Herr  Oberstabsarzt  Dr.  Lübbert  sannnelte  bei 
Otavi^)  (20"  S.  Br.)  2  Süsswasserfische.  die  ersten,  die 
unserm  Museum  aus  der  Colonie  zugingen.  Sie  stellen  eine 
neue  Form  der  in  Afrika  äusserst  zahlreichen  Chromiden. 
oder  nach  neuerer  Bezeichnung  Cichliden.  dar. 

Als    Paratilap)ia    (früher    meist    Hemichromis   genannt) 


')  Ueber  d(Mi  Fundort  der  Fische  berichtet  Herr  Lübbekt  freuiid- 
liclist,  dass  das  betreffende  Wasser  als  warme  süsse  Quelle  aus  der 
Erde  dringt,  und  möirlicherwcise  die  Fische  selbst  auch  unterirdisch 
leben.  Gefangen  wurden  sie  schon  etwas  entfernt  vom  Ursprung  in 
einem  flussartigen  Ablauf,  der  bald  in  einem  Sum])fe  sein  V.w\c  findrt. 
Weitere  E.xemplare  oder  andere  Arten  sind  nicht  beobachtet  wurden, 
wie  denn  die  ganze  dortige  Umgegend  kaum  Fische  aufweist.  Siullicher 
im  Grossen  Fisch-Fluss  trifft  man  sie  aber  reichlich. 


1 42  GcsellsLhiift  naturforsdicndcr  Freunde,  Berlin. 

werden  sie  cliarakterisirt  durch  die  mehrreihigen  und 
conischen  Zähne  und  den  Mangel  der  besonderen  Eigen- 
thttmlichkeiten ,  welche  die  Nachbargattungen  aufweisen. 
Die  neueste  Diagnose  Boulenger  s  (Les  Poissons  du  Bassin 
du  Congo,  1901,  8",  p.  412)  passt  gut,  höchstens,  dass  das 
Ilinterende  der  Maxiila  nur  sehr  wenig  die  Praemaxilla 
üherragt  (etwa  um  1  mm),  und  dass  die  Praemaxilla  kaum 
die  Vertikale  vom  vorderen  Augenrand  erreicht  (was  aber 
auch  bei  af'ra  nicht  zutrifft),  wäre  zu  bemerken. 

Nach  dem  Schlüssel  Boulrnger's  (Pr.  Zool.  Soc.  1898, 
S.  137  —  138),  der  auf  der  Zahl  der  D -Stacheln,  der  Zahl 
der  Reihen  von  Wangenschuppeu,  auf  der  Ziffer  der  L.  lat. 
und  auf  Länge  der  Brustflosse  beruht,  würde  die  P.  luchhoti 
der  P.  af'ra  Gthr.  aus  dem  Nyassa-See  und  der  llo/jcü 
Sauv.  von  Ostafrika  zunächst  stehen.  Unter  den  in  „Les 
Poissons  du  Bassin  du  Congo"  S.  143  genannten  18  dortigen 
Arten  kämen  höchstens  F.  moerucnsis,  ccrasor/astrr,  u.  uifjro- 
fasciata  in  Betracht.  (P.  Uoyetl  hat  eine  etwas  concave 
Schwanzflosse). 

Die  Köperhöhe  (29  mm)  ist  knai)p  2^2  mal  in  der 
Totallänge  (ohne  C.)  (78  mm)  enthalten.  Die  Kopflänge 
(27)  fast  gleich  der  Körperhöhe.  Kopfprofil  gradlinig. 
Augendurchmesser  (7)  3-3  mal  in  Kopfl.  und  gleich  der 
Interorbitalbreite.  Die  Maxille  erreicht  (aber  nur  bei  dem 
grösseren  Exempl.)  die  vordere  Vertikale  des  Auges.  — 
Die  Zähno  in  drei  Reihen,  von  den  Nebenzähnen  etwa  um 
einen  Zahndurchmesser  getrennt.  —  Die  Wangenschuppen 
in  4  Horizontalreihen,  die  des  Operculum  gross,  nur  3  in 
einer  Horizontalreihe.  —  Kiemendornen  breit  und  niedrig, 
auf  dem  untern  Bogentheile  9.  —  Stacheln  der  Rücken- 
flosse 15  und  weiche  Strahlen  10.  Die  Stacheln  in  der 
Mitte  nur  so  lang  als  der  Augendurchm.,  der  längste  (letzte 
9  mm)  gleich  IVs  Augendurchm.;  durch  diese  niedrigen 
D. -Stacheln  ist  P.  luehhcrti  von  den  5  genannten  Arten 
leicht  unterscheidbar  (ausgenommen  vielleicht  »/^ro/^/^c. 
und  Uof/di).  Die  weiche  Dorsalis  ist  dagegen  (bis  17  mm 
hoch)  kaum  niedriger  als  bei  jenen  Species.     Die  Brustflosse 


Sitzumj  vom  17.  Juni  lOOä.  143 

nicht  zii<j;es|)itzt  und  nur  von  massiger  Länge  (16  mm),  gleicii 
der  Entfernung  von  d(>r  Schnauzens|iitze  zum  hintern  Augen- 
rand. Die  Ventralis  (17  mm)  gleichfalls  nicht  zugespitzt 
und  kaum  zum  After  reichend.  Die  3  Stacheln  der  Analis 
(3.  5  u.  8  mm  lang)  kräftig,  von  den  ü  Gliederstrahlen  ist 
der  li.  am  längsten  (15).  Die  Caudalis  der  Kreisform  ge- 
nähert (bei  Uoycti  und  afra  schwach  concav).  —  Der  Schwanz- 
stiel fast  so  lang  als  (in  der  Mitte)  hoch. 

Die  Schuppen  mit  glattem  Rand,  aber  auf  der  Ober- 
fläche fein  und  dicht  granulirt.  2t) — 27  in  der  Längsi-eihe; 
die  obere  Liu.  lat.  hat  10  deutlicher  und  7  undeutlicher 
durchbohrte  Schuppen,  die  untere  9  —  12  ziemlich  undeutliche 
Löcher.  Die  Querreihe  zählt  2V2  +1  +  11  Schuppen.  Der 
luterorbitalraum  mit  drei  Längsreiheu  von  Schupi)en  bedeckt. 

Färl)ung  braun  mit  Bronceglanz,  unten  heller,  auf  den 
zwei  Seitenlinien  eine  undeutliche  dunkle  Längsbinde;  der 
blaue  Operculartleck  sehr  deutlich  und  vor  der  Schwanz- 
tlosse  ein  dunkler  Fleck.  Zwischen  Auge  und  ]\Iund- 
winkel  Andeutung  einer  dunklen  Binde.  Die  4  vorderen 
Dorsalstaciieln  oben  mit  schwarzem  Fähnchen.  lu  der 
weichen  D.  einige  dunkle  Punkte,  ebenso  in  der  basalen 
Schwanz-  und  Afterflosse;  letztere  mit  einigen  hellen  Linien, 
die  zum  Theil  den  Strahlen  folgen  (beim  grösseren  Exempl. 
dies  alles  weniger  deutlich).  Die  Ventralis  dunkel  mit  hellem 
Saum.  Die  Pectoralis  und  die  Kiemenhaut  hell.  Iris  oben 
schwärzlich  unten  goldig.  [V.  nujrofasciata  weicht  durch 
Besitz  von  6  schwarzen  Querbinden  erheblich  ab). 

Die  2  Exemplare  sind  9  und  10  cm  lang  (incl.  der 
15  bez.  18  mm  langen  Schwanzflosse). 


Referirabend  am  10.  Junj  1902. 

Herr   H.   POTONIE    überreicht   seine   „Silur-   und   Culmflora 

(h's  Harzes  und  (K^ä  Magdeburgischen." 
Herr  F.   E.   ScHULZE  übei"  \\'ü.stnp:i.   C.   und  Clodius.   G. 

Der  weisse  Storch,  Ciconia  alba  Rechst,  in  ^Mecklenburg. 


144  Gesellschaft  natarforscliender  Freunde,  Berlin. 

Eine  Statistik  seiner  Niststätten  im  Jahre  1901.  Archiv 
Vor.  Freunde  Natiirgesch.  Mecklenburg.  Jahrgang  56, 
(1902),  Abtheil.  I.,  p.  1-57.  Güstrow  1902. 
Herr  R.  VON  Hanstein  über  Voigt.  W.  Die  Ursachen  des 
Aussterbens  von  Planaria  alpina  im  Hiindsrückgebirge 
und  von  Poli/cdis  cormita  im  Taunus.  Verhandl. 
Naturhist.  Ver.  Preuss.  Kheiiilande,  Westfaleus  und 
des  Regierungsbez.  Osnabrück.  Jahrg.  58,  (1901), 
p.  223  -246.  Fig.   1   und  2  im  Text. 


J.  F.  StarcUe,  Berlin  W. 


Nr.  7|8.  1902. 

S  i  t  z  u  n  g  s  -  B  e  r  i  c  h  t 

der 

(lesellscliaft  natiirforsclieiider  Fi*euiHle 

zu   15er]in 

vom    15.  Juli  und  21.   Octobcr   1902. 


Vorsitzende :  Herr  Kny  und  Herr  v.  Marxens. 


Herr  A.  NehrinG  sprach  über  Mustela  foina  syrinca 
n.  subsp.  und  Mustela  ^^alaesyriaca  n.  sp. 

Durch  die  Naturalienhandlung  von  W.  Schlüter  in 
Halle  a.  S.  gingen  mir  kürzlich  Balg  und  Schädel  eines 
erwachsenen  mäunlichen  Steinmarders  zu,  welcher  am 
7.  Juni  1901  im  Wadi  Syr.  einem  Nebenthal  des  Wadi 
Kefren.  eines  Nebenflusses  des  unteren  Jordans,  erlegt 
worden  ist. ')  Dieser  Steinmarder  sieht  äusserlich  einem 
deutschen  Steinmarder  gleichen  Alters  und  gleicher  Jahres- 
zeit sehr  ähnlich .  unterscheidet  sich  aber  durch  gewisse 
Eigenthümlichkeiten  des  Schädels  und  Gebisses,  so  dass 
ich  mich  veranlasst  sehe,  ihn  als  Subspecies  von  M. 
foina  abzutrennen. 

Der  Schädel  ist  etwas  kleiner,  als  erwachsene  männ- 
liche Schädel  deutscher  Steinmarder  zu  sein  pflegen.  -) 
Seine  Basilarlänge  beträgt  71  mm.  Dabei  ist  der  harte 
Gaumen  auffallend  weit  nach  hinten  verlängert,  die  Bullae 
relativ  stark  gewölbt,  mit  sehr  entwickeltem  Meatus  audit. 
extern.,  das  Foramen  maguum  occip.  relativ  eng.  schmäler 
als    bei    unseren   Steinmardern.     Besonders    auffallend  er- 


^)  Vergl.  meine  Angaben  im  „Globus"  1902,  Bd.  81,  S.  311. 

')  Ich  betone,  dass  die  mir  unterstellte  Sammlung  der  Kgl.  Landw. 
Hochschule  eine  sehr  grosse  Zahl  von  Schädeln  deutscher  Steinmarder 
(M.  foina)  und  Baummarder  (M.  martes)  enthält. 

7/8 


146  Gesellschaft  naturforscJiender  Freunde,  Berlin. 

scheint  die  Form  des  oberen  Sectorius  (p4);  derselbe  ist 
an  der  Ausseuseite  relativ  kurz  (8.4  mm),  hat  aber  einen 
sehr  entwickelten,  schräg  nach  vorn  vorspringenden  luneu- 
höcker  (Talon),  wie  ich  ihn  bei  keinem  deutschen  Stein- 
marder gefunden  habe.  Der  obere  Kauzahn  (m  1)  ist  in 
sagittaler  Richtung  relativ  schmal,  aussen  stark  eingekerbt; 
der  untere  Kauzahu  klein  und  rund. 

Schädelmaasse :  Grösste  Länge  84.  Basilarlänge  71. 
Jochbogenbreite  51.5,  Interorbitalbreite  20,5,  Condylarläuge 
des  Unterkiefers  52,5.  obere  Backenzahnreihe  23.2,  untere 
Backenzahnreihe  29,  oberer  Sectorius  (aussen)  8,4,  unterer 
Sectorius  10  mm.  —  Die  Beinknochen  sind  verhältniss- 
mässig  kurz;  Humerus  65,  Ulua  62,  Radius  51,  Feraur 
73,  Tibia  77  mm.     (Alle  vereinzelt  gemessen.) 

Nach  Baruett-Hamilton  (Ann.  a.  Magaz.  Nat.  Hist.. 
1898.  Bd.  I,  S.  441  f.)  soll  die  von  ihm  unterschiedene 
Species  3Iustela  mediterranea  aus  Andalusien  auch  bei 
Xanthus  in  Kleinasien  vorkommen.  Nach  der  a.  a.  0.  ge- 
gebenen Besclireibung  kann  ich  den  mir  vorliegenden  Stein- 
marder aus  Palästina  nicht  mit  31.  mediterranea  identificireu. 

Sehr  interessant  zum  Vergleich  erscheint  ein  fossiler 
7lfws^e/a-Unterkiefer  aus  der  Antelias-Höhle  am  Li- 
banon, den  Herr  Geheimrath  Prof.  Dr.  v.  Fritsch  mir 
freundlichst  zugehen  liess.  Derselbe  entstammt  den  Zu- 
MOFFEN'schen  Ausgrabungen  und  ist  zweifellos  diluvialen 
Alters.  Fritsch  hat  ihn  in  seiner  bekannten  Abhandlung  über 
„Zumoffen's  Höhlenfunde  im  Libanon".  Halle  1893, 
S.  78,  kurz  besprochen  und  dem  Baummarder  (M.  martes) 
bezw,  einer  nahe  verwandten  Art  zugeschrieben.  Ich  kann 
mich  dieser  Ansicht  nicht  anschliessen;  nach  meinen  Ver- 
gleichungen  gehört  dieser  fossile  Kiefer  (ein  linker,  bis 
zum  p  2  erhaltener  Unterkiefer,  dessen  Proc.  coron.  grössten- 
theils  weggebrochen  ist)  einem  Steinmarder,  nicht  einem 
Baummarder  an.  Wegen  der  gleich  zu  erwähnenden  Ab- 
weichungen nenne  ich  ihn  ^Miisteln  _pa/ae5i/ri'V/ca''. 
Diese  Abweichungen  sind  folgende:  Der  untere  Sectorius 
(10.5  mm  lang)  ist  in  seinem  vorderen  Theile  relativ  hoch 
(hypsodont)    gebaut,    der   Höckerzahn    (m  2)   von   oben   ge- 


SitzHtuj  foin   15.  JvU  WOS.  \:\1 

sehen    oval,    ivlativ    ijross:    dor  Xobeiihück«-!'  des  iet/t«Mi 
Lückzahiis    .solir    aiisucpnit^t.     üic   J\las.set('r<:;rLil)e    ist    aiif- 
HilleiKl  breit,  nach  vorn  scharf  abj^e^rcnzt;  der  Winke  Huri 
salz  au  seiner  Tiiterseite  iiulTallrnd  schmal  i nid  scharf,    wie 
ich  es  bei  keinem  recenten  Steinmarder  <j;efunil('n  hal>r. 

Herr  A.  Nehring  ^ab  ferner  einii^c  nachträgliche  Be- 
merkungen über  die  Sumpfluchse  von  Palästina 

In  meiner  ausführlichen  Mittheilung  über  einen  neuen 
Sumpf  luchs  (Lijvcus  rhri/somclaiwtis)  aus  Palästina,  welche 
im  Sitzungsbericiit  unserer  Gesellschaft  vom  17.  Juni  1902. 
S.  128—128,  erschienen  ist.  habe  ich  leider  übersehen, 
dass  DK  WiXTON  1898  einen  Sumpf  luchs  ans  Palästina 
unter  dem  Namen  ^Felis  chaus  furax'^  als  neue  Sub- 
species  beschrieben  hat. ')  Das  betr.  Original-Exemplar, 
angeblich  ein  Männchen,  stammt  aus  der  Gegend  von  .le- 
richo,  ist  18(54  durch  Tristk.am  gesammelt  worden  und 
zeichnet  sich  durch  enorme  Grosse  der  Zähne  aus;  ins- 
besondere ist  der  obere  Sectorius,  den  dk  Winton  als 
p  3  bezeichnet,  auffallend  lang  und  breit  (17.6  :  9.6  mm). 
In  der  Färbung  soll  der  Sumpfluchs  von  Jericho  der  des 
aegyptischen  Sumpf luchses  sehr  nahe  stehen,  auch  in  der 
Grösse  nur  wenig  hinter  diesem  zurückbleiben. 

Da  DE  Winton  bei  der  Beschreibung  seines  Exemplars 
von  der  eigeuthümlicheu  Färbung  der  Ohren  und  auch 
von  den  sonstigen  Differenzen  meines  Lyncus  chrysomelanotis 
nichts  erwähnt,  so  halte  ich  die  von  mir  aufgestellte  Art 
vorläufig  aufrecht.  Entweder  kommen  in  Palästina  zwei 
Arten  von  Sumpfluchsen  neben  einander  vor,  oder  die  von 
DE  Winton  a.  a.  0.  ant;efüjirten  Kennzeichen  seines  „Felis 
chaus  ftirax""  sind  nicht  allgemein  zutretTend.  Insbesondere 
sind  die  Dimensionen  des  oberen  Sectorius  meines  Liincus 
chrysomelnnoüs  stark  abweichend. 

Nach  der  oben  citirten  Abhandlung  von  K.  v.  Finrscii 
(S.  78)  soll  unter  den  diluvialen  Resten  aus  der  Antelias- 
Höhle  am  Libanon   auch  der  fossile  Unterkiefer  eines 


•)  Ann.  a.  Magaz.  Nat.  Hist.,   1898,  IL,  S.  298. 

7/8* 


148  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

Sumpfliichses  (Felis  cJiaus)  vorhanden  sein;  doch  fügt 
der  Verfasser  in  einer  Anmerkung  hinzu,  dass  man  das 
betr.  „Thier  wohl  auch  als  Felis  Buhastes  bestimmen" 
könne.  Der  betr.  Unterkiefer  ist  mir  inzwischen  durch 
Herrn  Dr.  Wüst,  den  Assistenten  des  Herrn  Geheimraths 
V.  FiuTSCir,  zur  Vergleichung  zugegangen,  und  ich  muss 
auf  Grund  dieser  Vergleichung  erklären,  dass  er  zu  meinem 
Lyncus  chrysomelanotis  nicht  gehört,  sondern  von  einem 
starken  Exemplar  der  eigentlichen  „Wildkatze'-'  Syriens  {F. 
Buhastis  EiiRENB.)  herrühren  dürfte.  Wenn  Fkitsch  a  a.  0. 
unter  Berufung  auf  Gray  sagt,  dass  zwischen  Felis  caligata 
und  Felis  chaus  kein  specifischer  Unterschied  vorhanden 
sei,  so  muss  ich  dem  entschieden  widersprechen.  Es  sind 
bei  diesen  Felideu  in  der  Form  der  Backenzähne  und  in 
anderen  Punkten  sogar  subgenerische  Unterschiede  vor- 
handen. Namentlich  zeigt  der  Sumpfluchs  vom  Jordan 
(Lyncus  chrysomelanotis)  grosse  Differenzen  gegenüber  der 
nahe  benachbart  lebenden  syrischen  Wildkatze. 

Herr  A.  Nehring  sprach  endlich  über  Foetorius  sar- 
maticus  MTi^Spermopliilus  (citillus?)  von  Constantinopel. 

Durch  Herrn  Gottwald  gingen  mir  kürzlich  je  zwei 
Bälge  mit  Schädeln  der  oben  genannten  Arten  zu.  welche 
in  der  Umgebung  von  Constantinopel  erbeutet  sind.  Ich 
erwähne  sie  hier  aus  zoogeographischen  Rücksichten.  Den 
Tiger-Htis  besitzt  unsere  Sammlung  jetzt  aus  der  Do- 
brudscha,  von  Petrowsk  am  Kaspischen  Meere,  aus  Klein- 
asien (Eskischehir)  und  von  Constantinopel. 

Die  betr.  Ziesel- Art  sieht  dem  gemeinen  Spermophilus 
citillus  so  ähnlich,  dass  ich  sie  vorläufig  nicht  davon  zu 
trennen  wage. 


SiUintff  vom  J^l.  October  190^.  149 

ITeiT  Karl  W.  Verhoeff  ^^pmch  über  die  zusammen- 
gesetzte Zirpvorrichtung  von  Geotrupes. 

Im  Archiv  für  Naturgeschichte  1894 — 1896  habe  ich 
in  Yorschiedeiien  Arbeiten  über  den  Hinterleib  einer  Anzahl 
von  Celeopteren-Faniilien  unter  Anderem  auch  auf  die  Ver- 
breitung von  Häutungshaaren  hingewiesen  und  insbeson- 
dere gezeigt,  dass  solche  in  stärkerer  Ausbildung  und  be- 
sonders dichter  Anordnung  in  verschiedenartiger  Verbreitung 
an  gewissen  Hinterleibstergiten  in  Haarfeldern  auftreten  und 
die  Zusaramenfaltung  der  Flügel  unterstützen.  Eine  solche 
Anpassung  des  Hinterleibsrückens  an  die  Flügel  konnte 
natürlich  erst  eintreten,  nachdem  auch  die  Elytren  sich 
mehr  oder  weniger  an  das  Abdomen  angepasst  hatten,  ein 
Gebiet  der  Beziehungen,  welches  bei  Coleopteren  ein  ein- 
gehendes Studium  höchst  lohnend  machen  würde.  Die 
Häutungshaare  der  Käfer  sind  sehr  kleine,  meist  spitze 
Fortsätze  der  obersten  Schicht  des  Hautskelettes,  wie  sie 
anbei  aus  Fig.  2  und  4  ersichtlich  werden. 

lieber  Haarfelder  bei  Coccinelliden  findet  man 
Mittheiluugen  in  meiner  Arbeit  über  das  Abdomen  der 
Coccinelliden  1894.  Archiv,  f.  Nat.  S.  56.  57,  wo  insbeson- 
dere auch  das  Fehlen  der  Haarfelder  bei  den  flügellosen 
LithopMus  betont  wird  und  gezeigt,  dass  sie  im  Uebrigen 
auch  „das  Eindringen  Aon  Fremdkörpern  in  den  Alarraum 
verhindern". 

Im  Folgenden  werde  ich  zeigen,  dass  bei  Geotrupes 
Haarfelder  vorkommen,  die  wieder  eine  andere  Aufgabe 
übernommen  haben. 


Dass  die  Geotrupes  -  kriQH  ein  zirpendes  Geräusch  er- 
zeugen, wenn  man  sie  einfängt,  ist  allbekannt,  Darwin  hat 
es  z.  B.  in  seiner  „Abstammung  des  Menschen"  erwähnt. 
Die  letzte  nähere  Behandlung  der  Zirpvorrichtuug  dieser 
Thiere  findet  sich  in  dem  bekannten  Buche  von  H.  Lakdois 
„Thierstimmen",  Freiburg  1894.  Laxdois  sagt  dort:  „Der 
Tonapparat  liegt  bei  den  Dungkäfern  an  den  Coxen  der 
Hinterbeine."      Zur    Begründung    fügt    er    bei:     „Da    die 


150  Gesellschaft  naturforschendev  Freunde,  Berlin. 

Fliiijeldecken  sich  oben  etwas  um  die  Hinterleibsringel  um- 
biegen, so  könnte  man  leicht  \ermiithen,  dass  der  Ton 
durch  die  Reibung  der  Hinterleibsringel  an  die  Fliigel- 
deckenränder  zu  Stande  käme.  Da  das  Thier  aber  bei 
aufgehobenen  oder  abgeschnittenen  Decken  noch  schnarren 
kann,  so  liegt  der  Tonapparat  ersichtlich  nicht  au  dieser 
Stelle.'  — 

Diese  Beobachtungen  sind  richtig,  die  Schlussfolgerung 
aber  ist  unrichtig,  wie  mir  folgende  Versuche  gezeigt 
haben:  Schneidet  man  einem  Gcotrupes  silvaticus,  einerlei 
ob  Männchen  oder  Weibchen,  die  Schrilleisten  der  Hinter- 
hüften oder  besser  noch  die  ganzen  Hinterhüften  ab.  so 
hört  das  zirpende  Geräusch  durchaus  nicht  auf. 
vielmehr  wird  es  in  allerdings  verminderter  Stärke  fort- 
gesetzt, wobei  das  Abdomen  die  bekannten  nickenden  Be- 
wegungen ausführt.  Dieser  von  Landois  unterlassene 
Gegenversuch  zeigt,  dass  der  Zirpapi>arat  xonGcotrupes 
ein  zusauimengesetzter  ist.  indem  ausser  den  Schrill- 
loisten  der  Hinterhüften,  die  allerdings  das  stärkere  Ge- 
räusch erzeugen,  noch  eine  andere  Einrichtung  vorhanden 
sein  muss.  durch  die  ein  mehr  sausendes  Zirpen  hervor- 
gebracht wird.  Ich  habe  die  Alae  entfernt  und  sah.  dass 
dieselben  keinen  Einfluss  darauf  haben.  Ich  schnitt,  nach- 
dem vorher  bereits  die  Hüften  der  Hinterbeine  entfernt 
waren,  eine  Decke  ab.  worauf  das  Sausen  vermindert  war, 
aber  doch  noch  andauerte.  Als  ich  darauf  von  der  anderen 
Decke  die  Hinterhälfte  abschnitt,  hörte  es  auf.  Die  Unter- 
suchung der  Innenfläche  der  Elytren  ergab  nun,  dass  sie 
in  gewöhnlicher  Weise  mit  äusserst  feinen  wärzchenartigen 
Erhebungen  dicht  besetzt,  die  Eigenschaften  zum  An- 
streichen einer  Feile  und  dergleichen  zwar  besitzen,  nicht 
aber  selbst  eine  Reihe  von  Riefen  oder  einen  Besatz  von 
Spitzen  besitzen,  die  in  Schwingungen  versetzt  werden 
könnten.  Die  Schrillflächen  müssen  also  am  Hinterleibs- 
rücken liegen.  Damit  komme  ich  zurück  auf  die  oben 
erwähnten  Häutungshaare.  Der  Abdominalrücken  von 
Geotrupes  ist  sehr  reich  an  Häutungshaaren,  aber  die 
•'rössorcn    derselben   stehen   in   auffallender  Dichtigkeit 


Sitziiny  vom  :il.  OctoUr  190Ü. 


151 


zu  Haarfeldern  angeordnet  nur  hinten  an  dem  4.-7.  Tergit. 
in  einer  Ausdehnung,  wie  es  ant)ei  die  |tunktirten  Streuen 
der  Fig.   1   zeigen.     Nicht  nur  am  4.  Terdt.  sondern  auch 


Fig.  1.    Gtotrupes  cenuili«  (f.     1.— 8.  Abdoininaltergit,  nebst  den  bei- 
liegenden Stigmen.    Die  punktirten  Gebiete  hinten  an  dem  4. — 7.  Tergit 
bezeichnen  das  Gebiet  der  Haarfekler. 

an  den  drei  übrigen  haben  wir  je  zwei  Haarfelder,  denn 
die  Häutuügshaare  (Fig.  4),  welche  äusserst  dicht  neben 
einander  stehen,  sind  mit  ihren  Spitzen  alle  ausgesprochen 
nach  innen  gerichtet,  so  dass  also  in  der  Mediane  Spitzen 
(Mitgegengesetzter  Richtung  nahe  bei  einander  stehen. 

Diese  Haarfelder  (4  (8)  an  der  Zahl)  bewirken  das 
fragliche  Geräusch,  indem  deren  spitze,  steife,  kleine  Här- 
chen durch  Reiben  an  der  hinteren  Flügeldeckenunterlläche 
in  Schwingungen  versetzt  werden  und  <ladurch  ein  zirpendes 


152  Gesellsclwfi  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

Sausen  verursachen,  welches  das  Zirpen  der  Hinterhüften  ver- 
stärkt. Die  Härchen  sind  ungefähr  senkrecht  zur  Streich- 
richtung angeordnet,  d.  h.  sie  stehen  quer.   Sie  befinden  sich 


Fig.  2.     G.  vernalis  (^ .     Ein  kleines  Stück   aus   einem  Haarfelde  des 
7.  Tergit.  mit  vielen  Häutungshaaren. 

auf  unpigmentirten  Stellen  der  Tergite  und  dadurch  stechen 
die  Haarfelder  scharf  von  ihrer  Umgebung  ab,  wenn  man 
sie  im  Präparate  gegen  das  Licht  gehalten  betrachtet.  Die 
Tergite  sind  im  Uebrigen  auch  mit  Häutungshaaren  besetzt, 
aber  die  gewöhnlichen  sind  etwa  dreimal  kleiner,  bedeutend 
weniger  dicht  und  mit  ihren  Spitzen  mehr  schräg  oder  nach 
hinten  gerichtet.  Dass  Häutungshaare  reichlich  schon  bei 
solchen  niederen  Oeleopteren  vorkommen,  deren  Elytren 
noch  lose  auf  dem  Rücken  liegen,  also  noch  keine  An- 
passung an  den  Hinterleibsrücken  zeigen,  kann  man  aus 
meiner  Arbeit  über  das  Abdomen  der  Lampyriden  u.  s.  w. 
ersehen  (Archiv  f.  Nat.  1894.  S.  145  und  192).  Die  Häutungs- 
haare am  Hinterleibsrücken  brauchten  mithin  für  eine 
Zirpeinrichtung  nicht  erst  zu  entstehen,  sondern  sie  waren 
bereits  vorhanden  und  mussten  nur  zur  Funktions- 
änderung ein  wenig  verstärkt  und  verschoben 
werden. 

Die  Hinterhüft-Feilen  sind  übrigens  auch  leicht  aus 
bereits  gegebenen  Strukturverhältnissen  abzuleiten.  Die 
Mosaik-  oder  Zellstruktur  (welche  ich  in  den  erwähnten 
Arbeiten  oft  genannt  habe)  findet  sich  nämlich  in  zarter 
Ausbildung  auch  an  den  Geotrupes-HMiQn. 

Die  Zellen  sind  nicht  immer  gesclüossen,  sondern  er- 
scheinen oft  nur  als  neben  einander  stehende  Wellen. 
Solche  Wellen  verschmelzen  hier  und  da,  wo  kräftige  Tast- 
borsten stehen,  zu  welligen  Linien  (Fig.  3).  Solche 
welligen  Linien  aber  sind  die  Riefen  der  Hüftfeilen, 
wie  man   an   den  Seiten  derselben  leicht   sehen   kann,    wo 


Sitzung  vom  21.  Octoher  1902, 


153 


P'ig.  3.     G.   silratiais  Q.     Eine  Riefe  neben   der  Hüftfeile,    mit  zwei 
Tastl)orsten,  daneben  zellige  Struktur. 

sie  sich  an  die  gewöhnlichen  Wellenlinien  anschliesseo.  In 
der  Feile  sind  die  Wellenlinien  gerade  gestreckt  und 
haben  ihre  Tastborsten  als  störend  aufgegeben.  Dagegen 
sitzen  am  Rande  der  Feilenriefen  sehr  zahlreiche  Häutiings- 
härchen   (Fig.   4)    von    ve.TSchiedener  Grösse,    jedoch    stets 


Fig.  4.     G.  silvaticus  9 .     Rechts  vier  Riefen    aus    der  Ilüftfeile,    an- 
grenzend Riefen,    an  denen  Tastborsten  stehen.     Links  Stücke  zweier 
Feilenriefen   mit  sehr  feinen   Häutungshaareii    (Spitzchen,  welche   an- 
gerieben werden). 

merklich  kleiner  als  die  Häutungshaare  am  Hinterleibs 
rücken.  An  den  Riefen  selbst  (an  der  untersten  der  Fig.  4 
habe  ich  sie  angedeutet,  rechts  unten  bei  starker  Vergrösse- 
rung)  stehen  die  Spitzchen  sehr  dicht,  weiter  nach  aussen 
hören  sie  allmälig  auf.  Es  ist  aber  klar,  dass  auch  sie 
sich  aus  ehemals  typischen  Häutungshaaren  entwickelt  haben. 
Landois  hat  Zahlen  (100  und  101)  für  die  Riefenmenge 
der  Hüftfeilen  angegeben.  Dies  kann  aber  nur  ganz  an- 
näherungsweise geschehen,  weil  die  Riefen  an  den  Enden 
der  Feile  schwächer  werden  und  auch  ganz  allmälig  in  die 
typische  Struktur  übergehen  Landois  hat  ferner  auf  das 
abweichende  Zirporgan  von  Copris  und  Verwandten  hin- 
gewiesen, welches  am  „Progydium"  liegt,  also  ähnliche 
Lage  hat,  wie  das  neue  von  mir  besprochene  Rückenzirp- 


154  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

Organ  von  Geotrupcs.  Nachdem  diese  Gattung  als  mit 
beiden  Zii'pvorrichtiingen  versehen  erwiesen  ist. 
brauchen  wir  Ceratoplujns  spJouJidtdns  als  Uebergangsforni, 
wie  es  Landois  erwähnt,  nicht  mehr,  vielmehr  erhalten  wir 
folgende  Stufen: 

1.  Häutungshaare  nur  der  Häutung  und  dem  allgemeinen 
Hautskelettschutz  dienend. 

2.  besondere  Haarfelder  dem  Abschluss  des  Alarraumes 
dienend  und  der  Zusammenlegung  gefalteter  Flügel, 

3.  dieselben  Haarfelder  umgebildet  als  Zirpvorrich- 
tungen. 

4.  konnten  unter  der  Voraussetzung  des  Zustandes  No.  3 
und  der  nickenden  Abdominalbewegung  auch  an  an- 
deren Stellen,  so  z.  B.  den  Hinterhüfteu.  wie  bei 
Geotrupes  weitere  verstärkende  Zirp  Vorrichtungen 
entstehen  und  diese  dann  secundär  unter  Umständen 
sogar  die  propygidialen  an  Bedeutung  übertreffen. 

V.  Gkabku  sagt  in  seineu  „Insekten",  dass  diese  sich 
die  Lautapparate  selber  an  den  Leib  gekratzt  hätten!  Ja 
mit  solcher  Erklärung  kommen  wir  nicht  weit.  Wir  müssen 
nachweisen,  dass  die  Lisekten  rhythmische  Bewegungen 
machen  konnten  zu  einem  ganz  anderen  Zweck  als  dem  der 
Lautäusserung  und  dass  dann  erst  hieraus  nebenher  sich 
die  neue  Bedeutung  ergab,  also  ein  Funktioswechsel  ein- 
trat.    Ich  meine  hierauf  oben  hingewiesen  zu  haben. 

Hinsichtlich  der  Artunterschiede  beschränke  ich  mich 
auf  Folgendes: 

Bei  oernnlis  und  sijlcaticus  sind  die  weitaus  best- 
au.sgebildeten  Haarfelder  die  am  5.  und  6.  Tergit.  Am 
7.  Tergit  sind  sie  bei  venialis  ebenfalls  ausgebildet,  nicht 
aber  bei  silvaticus.  denn  die  Häutungshaare  des  letzteren 
sind  dort  alle  nach  hinten  gerichtet  und  nicht  auffallend  dicht, 
bei  vernalis  dagegen  stehen  sie  am  7.  Tergit  kaum  ^venig•er 
dicht  als  an  den  andern,  jedoch  auch  schon  mehr  schräg. 
Di(;  Haarfelder  am  4.  Tergit  sind  bei  vcrnnlis  sehr  schwach 
und  am  Zirpen  wohl  nic-ht  mehr  betheiligt,  bei  silvaticus 
fehlen  sie  überhaupt. 


SitzuiKj  vom  21.  Octolicr  190.^.  155 

Roi  unmittolharcr  B(M>l);iclitun<j;  des  Zirpons  M  l»(.Mn»'rkfe 
ich.  (lass  ccnialis  ri'  ciitwedrr  kurze  8cliuaiTt,'eräuselic  oder 
ein  kurze  Zeit  auhalteudes,  fortgesetztes  Sausen  an» 
Abdominaloriiaii  hören  lässt,  während  ieh  l)ei  si/lvtificutt 
seimeUere  Sclmarrstüsse  wahrnahtn.  aber  kein  fortgesetztes 
Sausen. 

Die  Individuen  dieser  (und  wahrscheinlich  aucli  anderer 
Arten)  müssen  sich  sofort  an  den  versciiiedenen  Lautäusse- 
rungen  erkennen  können.  Vielleicht  sind  sie  auch  Ixü  ver- 
schiedenen Lebensverhältnissen  im  Stande,  die  eine  Zirp- 
vorrichtung unabhängig  von  der  andern  in  Thätigkeit 
treten  zu  lassen. 

Herr  A.  Nehring  sprach  über  eine  neue  Mi/oxus- 
Species  {Jii/oj.us  inicrmcdms  Xiikg.)  aus  Tirol. 

Als  ich  kürzlich  die  zoologische  Sammlung  des  hiesigen 
Kaiserl.  (iesundheits-Amts  unter  der  freundlichen  Führung 
des  Herrn  Dr.  A.  Jacobi  besichtigte,  liel  mir  ein  ausge- 
stopfter, gut  präparirter,  kleiner  JIijo.ius  auf.  welcher  als 
„Baumschläfer",  Myoxus  dn/us.  (f.  25.  ]\Iärz  1901.  Tirol, 
bezeichnet  war.  Ich  erkannte  sofort,  dass  dieses  Exemplar 
von  dem  typischen  Baumschläfer  (31.  dryas  Schreb.  =  M 
nikdula  Pall.)  aus  Südost- Europa  bedeutend  abweicht-), 
und  überzeugte  mich  bei  näherem  Studium  desselben  sowie 
des  zugehörigen  Schädels,  dass  es  sich  um  eine  besondere, 
anscheinend  neue  Art  handelt.  Dieselbe  stammt,  wie  auf 
meinen  Wunsch  durch  specielle  Nachfrage  bei  dem  betr 
Lieferanten  coustatirt  wurde,  aus  der  Umgegend  von  Lienz 
in  Tirol,  ist  dort  seit  1888  öfter  gefangen  und  als  ^,3I!joxks 
dryas"  verkauft  worden.  Hei-r  Reg.-Rath  Prof  Dr.  Röuic;. 
der  Vorsteher  der  genannten  Sammlung,  war  so  freundlich, 
mir  eine  Beschreibung  des  vorliegenden  interessanten 
Exemplars  zu  gestatten. 

Bei    flüchtiger    Betrachtung    sieht    das   Thier    wie    ein 


')  Und  zwar  nach  Eiitfcniuiiff  der  Hiiiterliütteiil 
-)  Von  dem  typischen  Baunischläfer  (31.  drijas  Schkeb.)  aus  Süd- 
ost-Europa (Sarepta  etc.)  liegen  mir  3  gute  Uälge  zum  Vergleich  vor. 


156  Gesellschaft  naturforsdiender  Freunde,   Berlin. 

zwerghafter  Siebenschläfer  (Myoxus  c/lis)  aus;  aber  bei 
näherer  Vergleichiing  ergeben  sich  deutliche  Abweichungen 
bezw.  Annäherungen  an  den  Baumschläfer.  zugleich  aber 
auch  specifische  Eigenthümlichkeiten.  welche  keiner  mir 
bekannten  Art  zukommen. 

Die  Hauptfärbung  der  Oberseite  des  Körpers  und 
die  Aussenseite  der  Beine  ist  grau;  auch  der  breite,  sehr 
buschige,  zweizeilige  Schwanz  ist  oberseits  grau, 
dabei  weisslich  umrandet,  unterseits  weisslich.  Die  Unter- 
seite des  Körpers  von  dem  Kinn  an  ist  weiss,  ebenso 
die  Innenseite  der  Beine,  sowie  die  Oberseite  der  Hinter- 
und  Vorderfasse  (pes  et  manus).  ^)  Von  der  Basis  der 
schwarzen  Bartborsten  ab  zieht  sich  über  das  Auge  bis  an 
den  unteren,  vorderen  Rand  des  Ohres  ein  schwärzlicher 
Streifen,  der  an  den  schwarzen  Augeustreifen  des  Baum- 
schläfers (31.  dryas  Schreb.)  erinnert,  aber  weniger  ausge- 
prägt ist^).  Die  schwach  behaarten  Ohren  erscheinen 
relativ  gross. 

Die  Dimensionen  des  (wie  Schädel  und  Gebiss  zeigen) 
ausgewachsenen  Thieres  sind  folgende: 

Kopf  und  Rumpf  der  äusseren  Krümmung  nach  ge- 
messen 110  mm,  Schwanz  incl.  der  Eudhaare  75 — 78.  Ohr 
10—11,  Hinterfuss  20.  Grösste  Länge  des  Schädels  25,3, 
Basilarlänge  20,  Jochbogenbreite  13,2,  Länge  der  oberen 
Backenzahnreihe  3,5,  Länge  des  Unterkiefers  vom  Hinter- 
rand der  Nagezahnalveole  bis  zum  Hinterfand  des  Condylus 
12,7  mm. 

Hiernach  bleibt  Myoxus  intermedius  in  der  Grösse 
weit  hinter  M.  glis,  sowie  auch  deutlich  hinter  M.  dryas 
zurück.     In  der  Form  des  Schädels,  des  Unterkiefers  und 


')  Bei  M.  ylis  ist  die  Oberseite  des  Hinterfusses  (pes)  grössten- 
theils  dunkel  gefärbt. 

')  Nach  Reuvens  (Die  Myoxiden  etc.  S.  63)  soll  auch  M.  r/fc 
einen  schwarzbraunen  Augenstreifen  haben;  bei  den  mir  vorliegenden 
3  Exemplaren  aus  der  Gegend  von  Wolfenbüttel  ist  dieses  nicht  der 
Fall,  sondern  es  findet  sich  nur  unmittelbar  um  das  Auge  herum  eine 
Spur  von  schwärzlicher  Behaarung.  Von  einem  Streifen  kann  man 
nicht  sprechen. 


Sitzuny  vom  31.  Octoher  1903.  I57 

der  Molaren  ähnelt  er  der  letztgenannten  Art;  insbesondere 
aut'li  darin,  dass  dtM-  Winkelfortsatz  des  Unterkiefers  eine 
rundliche  Fensterötfnung  zeigt.  Der  Proc.  coronoideus  ist 
schwächer  <'nt\vickelt  als  \n\\  M.  dnjas.  Der  1.  Molar 
(2.  l>ack(>nzahn)  des  Unterkiefers  hat  nur  zwei,  hinter  ein- 
ander stehende  Alveolen,  während  er  bei  M.  dri/as  drei- 
wurzelig  erscheint.  Der  Präniolar  des  Unterkiefers  ist  bei 
M.  intermcdins  deutlich  cinwurzelig.  bei  M.  dryas  undeutlich 
zweiwurzelig;  in  2  inf.  und  m  3  inf.  sind  bei  beiden  Arten 
deutlich  zweiwurzelig,  wie  bei  M.  (jlis,  während  sie  bei 
Eliomys  (pierchnis  und  E.  melanurus  deutlich  drei  wur- 
zelig sind')- 

Ich  kann  diesen  Mi/oxns  aus  Tirol  mit  keiner  der  mir 
bekannten  Arten  identificiren  und  nenne  ihn,  da  er  zwischen 
M.glis  und  M.  dryas  in  mancher  Beziehung  vermittelt,  M.inter- 
medius-).  Der  von  Mojsisovicz  (Das  Thierleben  der  österr.- 
ungar.  Tiefebenen.  181)7.  S.  183)  erwähnte  Baum  schläfer 
(M.  dryas)  von  Leoben  in  Obersteiermark  dürfte  wohl 

')  Vergl.  moine  Bemerkungen  in  unserem  Sitzungsbericht  vom 
21.  Jan.  1902,  S.  6  und  in  meinen  früheren  bezüglichen  Publikationen. 
Wenn  Rkuvens  in  seiner  Monographie  der  Myoxiden,  Leiden 
1890,  S.  31,  sich  dahin  ausspricht,  dass  man  nicht  viel  Werth  auf 
Zahl  und  Stellung  der  Alveolen  legen  dürfe,  so  muss  ich  dem  nach 
meinen  langjährigen  Erfahrungen  entschieden  widersprechen.  Abge- 
sehen von  denjenigen  IJackenziihnen,  welche  gewisse  (massige)  Schwan- 
kungen in  der  Wurzel-  resp.  Alveolenbildung  der  Backenziihne  auf- 
weisen, wie  z.  B.  der  obere  und  der  untere  Priiniolar  der  Myoxiden, 
habe  ich  die  Wurzelbildung  der  Backenzähne  bei  den  Nagern 
durchweg  sehr  constant  gefunden.  Es  kommen  natürlich  zuweilen 
Abnormitäten  vor;  aber  es  ist  mir  bei  der  Bestimmung  der  zahlreichen, 
von  mir  untersuchten,  fossilen  Myoxiden-Kiefer,  aus  denen  die  Backen- 
zähne theilweise  oder  sämmtlich  ausgefallen  waren, noch  niemals  zweifel- 
haft gewesen,  ob  ich  sie  zu  31i/oxu.i  ylis  oder  Eliomys  quercinus  oder 
Muscardinus  aveUanariiis  zu  rechnen  hätte,  auch  wenn  nur  der  Molar- 
Theil  des  betr.  Kiefers  erhalten  war.  Vergl.  meine  Angaben  und  Ab- 
bildungen in  J.  Nu e seh,  „Das  Schweizersbild",  etc.,  Zürich  1896, 
S.  56  nebst  Taf.  I,  Fig.  3a  und  4b. 

*)  Dem  Gartenschläfer  (Eliomys  quei-cintis)  und  seinen  Verwandten 
steht  die  neue  Art  sehr  fern;  von  Glis  italicns  Barr.-Ham.  ist  sie 
schon  durch  die  zwerghafte  Grösse  völlig  verschieden,  abgesehen  von 
anderen  Differenzen. 


158  Gcscllscliaft  naturforschencler  Freunde,  Berlin. 

der  gleichen  Species  angehören;  im  übrigen  muss  die  geo- 
graj)liische  N^erbreiUing  dieses  interessanten.  i\leinen  Nagers 
erst  noch  näher  erforscht  werden.  Wahrscheiulicli  vertritt 
er  den  siidostenropäischen  3Ii/o.rns  drijas  im  mittelenropäi- 
schen  Alpengebiet. 

Ilei-i-  H.  KOLBE  sprach  über  vorschnelle  Entwicke- 
lung  von  Puppen-  und  Imago-Organen  bei  Raupen  von 
Lepidopteren  (DendroUmus  pini  L.). 

Am  25.  Juni  d.  Js.  sandte  mir  Herr  Otto  Wixnegüth 
in  Zerbst  eine  merlvwürdige  abnorme  Raupe  des 
K  i  e  f e  r  n  s  p  i  n  n  e  r  s ,  Dertdrolhmis  pini  L .  (früher  Lasiocampta 
oder  Gastropacha  pini  genannt).  Diese  Raupe,  die  noch 
nicht  ganz  erwachsen  ist.  aber  schon  die  dritte  Häutung 
hinter  sich  hat.  fällt  sogleich  durch  die  langen  dicken 
Antennen  und  die  verhältnissmässig  grossen,  dicken,  einge- 
knickten Beine  auf.  wodurch  sie  sich  auffallend  von  der 
normalen  Raupe  unterscheidet,  welche  nur  äusserst  kurze 
Antennen  und  kurze  Füsse  besitzt.  Die  beiden  Antennen 
sitzen  am  oberen  Ende  einer  weichhäutigen,  verhältniss- 
jnässig  grossen  und  etwas  eingesenkten  Grube  neben  dem 
Grunde  der  Mandibcln  und  sind  einander  vollständig  gleich. 
Sie  sind  etwa  5  mm  laug,  ziemlich  dick,  wurstförmig.  im 
grössten  Theile  ihrer  Länge  etwa  1  mm  stark,  gegen  die 
Spitze  stark  verdünnt  und  am  Ende  zugespitzt.  Sie  sind 
ferner  dei-  Quere  nach  mit  zahlreichen  vertieften  Riefen 
versehen,  deren  Zahl  sich  auf  etw^a  70  beläuft.  Diese 
Riefen  sind  sehr  deutlich  und  ziemlich  tief  eingedrückt. 
An  jeder  Antenne  sind  ausserdem  mehrere  Einschnürungen 
zu  unterscheiden,  die  man  als  Glieder  deuten  kann.  Die 
beiden  so  unterscheidbaren  Basalglieder  sind  nicht  gerieft, 
sondern  fast  glatt  und  einfach,  wodurch  sie  sich  von  dem 
Hauptabschnitte  der  Antennen  unterscheiden.  Die  Unter- 
seite der  Antenne  ist  glatt,  glänzend  schwarz  und  nicht 
gerieft.  Längs  der  Anssenseite  der  Antenne  sieht  man 
eiiu'  fast  scharfe  Kante;  bis  zu  dieser  Kante  reichen  die 
Querriefeu.  Auc^ii  an  (\^a'  Innenseite  beüudet  sich  eine,  die 
glatte  Unterseite  begrenzende  Längskaute.     Wahrscheinlich 


Silzunii  vom    Jl.  Ortofier  190:.\  159 

entspreclicn  die  zahln'iclioii  (^iion-ielVii  drr  Anlonnr  dt'r  l>e- 
kaniiteii  reiclicii  CÜiciltM'im.u;  der  Iiiia^oaiitniiic. 

Di«'  Zahl  dfi'  ciwähntcii  iMiisciinüriiiii^cii  der  Aiilciiiic 
belauft  sich  auf  sieben.  Diese  Eins(iiniiniHi,^eii  sind  i;i(iss- 
tentheils  anf  der  Innenseile,  aber  anch  auf  der  J\*ii<|venseite 
erkennbar.  Ich  halte  sie  ITn-  die  S|Mii-en  einer  |»ri- 
mären  CJliederunu'.  die  bei  der  Inia^o  schwindet.  Ks  würde 
damit  zum  Ausdruck  gebracht,  dass  die  Lepidopteren  (An- 
gehüri<,'e  der  llaploceralcn.  d.  h.  Insekten  mit  wenig- 
gliedrigen  Antennen)  von  systoceraten  Insekten  (mit 
weniggliedrigen  Antennen)  abstammen.  Die  beiden  Basal- 
glieder der  abnormen  Raupe  sind  sehr  deutlich  unter- 
schieden. Das  erste  Glied  ist  ziemlich  gross,  etwa  so  lang 
wie  dick,  das  zweite  sehr  kurz.  Die  [»rimäre  Glie<i<'rung 
zeigt  sich  nur  am  Stamme  der  Antenne,  der  sehr  verdünnte 
Apicaltheil  ist  nur  secundär  fein  gegliedert.  Von  den  beiden 
Basalgliedern  und  dem  dünnen  Apicaltheil  abgesehen  sind 
am  Stamme  der  Antenne  fünf  Glieder  zu  unterscheiden. 

Die  Haut  der  Antenne  ist  schwarz,  ganz  glatt  und  un- 
l)ehaart.  Unter  dem  Mikroskop  ist  an  ihr  nichts  von  Nerven- 
endapparaten zu  entdecken.  Die  Antenne  in  dieser  Be- 
schaü'enheit  ist  wohl  als  functionslos  zu  betrachten. 

Die  Antenne  einer  normalen  Raupe  ist  äusserst 
klein,  etwa  Vt  '^mi  l^iug  im^^  neben  der  Basis  der  ]\Iandibeln 
einer  kleinen  Grube  eingefügt.  Sie  besteht  ans  drei  Gliedern. 
Das  häutige  schwach  conische  Basalglied  ist  das  grösste 
dieser  Glieder.  Dem  Basalglicdc  sitzt  ein  kurzes  cylinder- 
formiges  Glied  auf.  welches  '/.i  l)reiter  als  lang  ist.  Das 
dritte  Glied  ist  fast  so  stark  wie  das  zweite,  aber  so  lang 
wie  breit.  Dieses  dritte  Glied  trägt  noch  einen  änsser.st 
winzigen  papillenartigen  Stift  auf  seiner  Spitze,  den  wir  für 
einen  Nervenendapparat  halten  dürfen.  Neben  diesem  Stift 
befindet  sich  ein  vorstehendes  borstenförmiges  Härchen. 

Von  dieser  kleinen  Antenno  der  normalen  Raupe  ist 
also  die  der  abnormen  Raupe  morphologisch  gair/  ver- 
schieden. Nur  in  der  Anlage  haben  sie  Beziehungen  zu- 
einander, da  die  Antenne  der  Imago  sich  aus  der  Bildungs- 
anlaye    der   Larvenautenne    entwickelt.      Die   ImaKoauteune 


160  Gesellschuft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

ist  bei  unserer  abnormen  Larve  schon  stark  vorgebildet, 
aber  sie  erscheint  trotzdem  noch  recht  unvollendet.  Sie 
ist  kein  Zwischending  zwischen  den  Antennen  der  Raupe 
und  der  Imago,  sondern  ein  vorweg  genommenes  und  vor- 
zeitig vorgebildetes  Organ  des  Puppenzustandes,  eine  Vor- 
stufe der  Imagoantenne. 

Auch  das  zweite  Kiefernpaar  (die  Maxillen) 
unserer  Raupe  ist  abnorm.  Hauptsächlich  ist  es  der  Stamm 
(stipes),  der  ganz  abweichend  gebaut  ist;  er  ist  dick,  wulstig, 
unförmlich,  querrunzlig  und  ganz'  mattschwarz.  Vorn  an 
diesem  absonderlichen  Organ  sieht  man  aber  den  normal 
erscheinenden  glänzenden  braunen  Lobus  und  den  ebenfalls 
braunen  Palpus.  Der  Lobus  ist  kurz,  klein,  klotzförmig, 
am  Ende  abgestutzt  und  dem  Maxillarlobus  der  normalen 
Raupe  in  der  Form  gleich.  Am  abgestumpften  Ende  trägt 
er  zwei  Sinneskegel  und  drei  längere  Borsten,  von  denen 
die  beiden  inneren  kürzer  und  dicker  sind  als  die  lange 
äussere  Borste,  welche  zwischen  den  beiden  Sinneskegeln 
steht.  Der  äussere  Siuueskegel  ist  dunkelgelb;  er  erhebt 
sich  aus  einer  sehr  seichten,  mit  einer  zarten  Haut  ausge- 
kleideten Grube  und  ist  etwa  doppelt  so  lang  als  dick, 
nach  dem  Ende  zu  nur  wenig  verdünnt.  An  der  zart- 
häutigen Spitze  trägt  dieser  Sinneskegel  eine  äusserst  kleine 
blassgelbe  Papille,  in  welche  der  den  Sinneskegel  durch- 
ziehende Nerv  ausläuft.  Der  zweite  Sinneskegel  steht  auf 
der  Mitte  der  stumpfen  Spitze  des  Maxillarlobus  und  ist 
ebenso  beschaffen  wie  der  erste  Sinneskegel.  Diese  Nerven- 
endorgane sind  als  Geschraacksorgane  anzusehen. 

Während  die  normale  Maxille  der  Dendrolimus-RsiW^a . 
welche  die  gewöhnliche  einfache  Bildung  der  Raupen- 
maxillen  zeigt,  kleiner  ist  und  dem  Kopfe  dicht  anliegt, 
hängen  die  grossen  absonderlichen  Maxillen  unserer  ab- 
normen Raupe  von  den  Mundseiten  abwärts.  Ich  sehe  darin 
eine  Vorbildung  zu  dem  vorstreckbaren  Rüssel  (der 
maxilla  rostriformis)  der  Imago.  Die  wulstige  Masse  des 
abnormen  Stipes  enthält  wohl  schon  den  Bildungsstotf  für 
den  zu  bildenden  Rüssel.  Der  Schmetterliugsrüssel  entsteht 
bekanntlich    aus  der  Verlängerung  des  lobus  exterior  der 


Sitzwui  vom  31.  Octolter  1902.  \Q\ 

Maxille.  Die  beiden  sehr  verlän<:^erteii  Maxillarloben  der 
Lepidoptereii  sind  halbroiirfünni«,'  und  bilden,  der  Länge 
nach  dicht  aneinander  gelegt,  den  rohrfürniigen  Säugrüssel. 

Bei  der  abnormen  llaui«'  ist  die  Rüssel hildung  nocli 
nicht  erkennbar;  nur  die  Ditferenz  zwischen  den  Maxillen 
der  normalen  und  der  abnormen  Raupe  ist  auffallend. 

Der  palpus  ni axillaris  der  abnormen  Raupe  ist 
schlanl<er  als  der  der  normalen  Raupe  und  gleicht  mehr 
dem  Palpus  eines  entwickelten  Insekts.  Er  ist  dreigliedrig. 
Das  erste  Glied  ist  beciiei-förmig.  nach  dem  Grunde  zu 
etwas  verdünnt  und  merklich  länger  als  dick.  Das  zweite 
Glied  ist  mit  dem  dritten  zusammen  spindelförmig  und  ein 
wenig  länger  als  das  erste.  Das  dritte  Glied  ist  klein 
und  kegelförmig,  an  der  Spitze  zarthäutig  und  mit  drei 
äusserst  feinen  Nervenstiften  ausgestattet. 

An  den  sehr  kurzen  Maxillarpalpen  der  normalen 
Raupe  sind  die  beiden  dicken  Basalglieder  viel  breiter  als 
lang;  das  dritte  ist  viel  dünner  und  etwas  länger  als  jedes 
der  beiden  Basalglieder.  Dem  dritten  Gliede  sitzt  noch  ein 
sehr  kleiner  papillenartiger  Stift  auf. 

Recht  autfallend  verschieden  von  denjenigen  der  nor- 
malen Raupe  sind  die  Beine  unserer  abnormen  Raupe. 
Sie  stehen  hinsichtlich  ihrer  äusseren  Beschaffenheit  und 
ihres  Entwickeln iigsgrades  auf  der  gleichen  Stufe  wie  die 
abnormen  Antennen,  da  sie  gleichfalls  dick  und  wurstförmig 
aussehen  und  mit  einer  schwarzen  glänzenden  glatten  Haut 
bekleidet  sind.  Sie  erscheinen  unbeweglich  oder  wenig  be- 
weglich und  werden  eingeknickt  gehalten,  wie  bei  den 
Coleopteren-  und  Hymenopterenpuppen.  Die  Vorderbeine 
sind  merklich  dünner  als  die  Mittel-  und  Hinterbeine;  die 
Hinterbeine  sind  am  dicksten;  das  ist  also  in  demselben 
Verhältniss  genau  so  wie  bei  der  Image  der  Fall.  Eine 
Gliederung  ist  an  dem  abnormen  Beine  deutlich  erkennbar. 
Aber  das  Femur  und  die  Tibia  scheinen  miteinander  ver- 
schmolzen zu  sein;  sie  sind  knieförraig  gegeneinander  ge- 
bogen und  liegen  fast  messerklingenartig  und  unbeweglich 
zueinander.  Ich  nenne  diesen  Hauptabschnitt  des  Beines 
die  Femoro-tibia.     An  der  Innenseite  ist  das  Femur  etwas 

7/8* 


162  Gesellscliaft  natur forschender  Freunde,  Berlin. 

beborstet.  Der  Trochanter  ist  dreieckig  und  etwas  zuge- 
spitzt. Der  Tarsus  besteht  aus  dem  kurzen,  innen  etwas 
ausgezogenen  und  hier  stark  beborsteten  Metatarsus.  aus 
dem  längeren  und  dicken  zweiten  Gliede.  einem  darauf 
folgenden  kleineren  kurzen  Gliede  und  dem  dünnen  letzten 
Gliede,  welchem  die  einfache  Kralle  aufsitzt.  Diese  ein- 
zelne Kralle  gleicht  der  Kralle  am  normalen  Fusse  der 
Raupe  derselben  Schmetterlingsart  und  ist  das  Einzige, 
welches  an  den  normalen  Raupenfuss  erinnert.  Der  Fuss 
der  normalen  Raupe  von  Dendrolimus  pini  besteht  ausser 
den  Basaltheilen  an  den  Bauchplatten  aus  drei  Gliedern; 
das  basale  Glied  ist  so  lang  wie  dick,  das  folgende  etwas 
dünner  und  ebenso  lang,  das  dritte  kürzer  und  dünner  als 
das  vorhergehende  und  nach  der  Spitze  zu  verjüngt.  An 
der  Spitze  sitzt  die  einfache  gekrümmte  Kralle. 

Der  Unterschied  zwischen  den  Beinen  der  abnormen 
und  der  normalen  Raupe  ist  ein  ganz  auffallender.  Die 
Beine  der  abnormen  Raupe  sind  wirkliche  Puppenbeine  oder 
unvollendete  Imagobeine.  Die  Beine  der  Imago  entwickeln 
sich  aus  der  Anlage  der  Larvenbeine,  wie  sich  aus  New- 
port's  Versuchen  ergiebt.  der  die  Brustfüsse  nicht  ganz  er- 
wachsener Raupen  von  Vanessa  urticae  ganz  oder  theihveise 
amputirte.  Von  28  der  so  behandelten  Raupen  entwickelten 
sich  13  zu  Schmetterlingen.  Bei  4  von  diesen  waren  die 
an  der  Raupe  amputirteu  Gliedmassen  nicht  wieder  zum 
Vorschein  gekommen,  bei  den  übrigen  neun  Schmetterlingen 
aber  ziemlich  vollkommen  wiedererzeugt,  indem  bei  einigen 
das  ganze  Bein  zwar  vollständig,  aber  kleiner  entwickelt, 
bei  anderen  nur  die  Fussglieder  verkürzt  waren.  Bei  einem 
Schmetterling  fehlten  an  dem  sonst  vollständig  ausgebildeten 
Beine  nur  die  Enddornen. 

Die  Beschreibung  der  abnormen  Organe  unserer  Raupe, 
soweit  sie  äusserlich  sichtbar  sind,  ist  hiermit  erschöpft.  Mein 
Gewährsmann,  Herr  Winnkgüth.  besass  sechs  Stück  solcher 
abnormen  Raupen,  die  anscheinend  von  dei'selbeu  Zucht  her- 
rühren. Ob  sich  diese  sechs  Raupen  vollständig  gleichen,  geht 
aus  den  Angaben  Winnkgüth's  nicht  hervor.  Aber  eine 
dieser  Raupen   hat  sich   nach   seiner  Angabe  verpuppt  und 


SitzuHfi  roui  21.  Octnhcr  190S.  1ß3 

ergab  ein  kleines  IMünncheu.  Wie  sich  die  Äreiamorphuse 
gestaltete,  daniber  ist  mir  nctch  keine  Mittheilung  zugegangen. 

Die  genannten  Raupen  entstammen  einer  Zimmer/uclit, 
und  zwar  der  ungcwölinlielieu  zweiten  Generation  des- 
selben Jahres.  Die  Raupen  der  ersten  Generatiun  ent- 
schlüpften den  Eiern  im  Januar  1902.  Diese  Eier  waren 
kurz  nach  der  Copulation  der  im  Deceml)er  1901  bis 
Januar  1902  ausgekommenen  Schmetterlinge  abgelegt. 
Die  Raupen  dieser  Generation  konnten  mit  Nesseln  gut 
gefüttert  werden,  da  in  dem  massig  kalt(Mi  Winter 
stets  frisches  Futter  zu  haben  war.  Den  Raupen  wurde 
damit  auch  keine  Gelegenheit  zum  Winterschlaf  gegeben. 
Zweimal  wöchentlich  erhielten  sie  ein  warmes  Bad. 
indem  sie  vermittelst  einer  Blumenspritze  mit  20"  warmem 
Wasser  bespritzt  Avurden.  Die  Entwickelung  zur  Puppe 
nahm  einen  guten  Verlauf.  Bereits  am  30.  Mai  1902  er- 
schien die  erste  Imago.  bald  alle  übrigen  Imagines.  Aus 
den  Eiern  dieser  zweiten  Generation  desselben  Jahres  ent- 
wickelten sich  viele  Raupen,  und  unter  diesen  befanden 
sich  (Juni  1902)  die  erwähnten  sechs  abnormen;  sie  haben 
die  dritte  Häutung  durchgemacht.     (Winneguth.) 

Es  ist  möglich,  dass  besondere  Umstände  bei  der 
Zimmerzucht  mitgewirkt  haben,  dass  ein  Theil  der  Raupen 
sich  so  ausserge wohnlich,  wie  es  oben  geschildert  wurde, 
entwickelt  haben. 

Ein  ähnlicher  Fall,  wie  der  eben  geschilderte,  wurde 
vor  fast  20  Jahren  aus  Amerika  mitgetheilt.  Im  American 
Naturalist  Vol.  17.  1883.  S.  1175.  wurde  von  E.  II.  Jones 
über  eine  Raupe  von  Melanippe  montanuta  berichtet,  welche 
die  Antennen  und  Vorderbeine  des  entwickelten  Insekts 
besass. 

Ganz  eigenartig  ist  aber  eine  andere  hierhergehörige 
Erscheinung,  nämlich  die  Entwickelung  von  Seidenspinner- 
raupen (Scricaria  niori),  welche  nach  der  vierten  Häutung 
Flügel  bekamen,  ohne  sich  verpuppt  zu  haben.  Diese 
Raupen  fanden  sich  in  grossen  Seidenspinnerzüchtereien 
Italiens.  Cesare  Majoli  berichtet  darüber  im  ^Giornale 
di  fisica.    chemica.   storia  naturale  etc.  del   reguo   italico  di 

7/8** 


164  Gesellschaft  natuiforschender  Freunde,  Berlin. 

L.  Brugnatelli",  Pavia  1813,  Bim.  Y.  p  399.  unter  der 
Ueberschrift  „Straordinario  fenomeno  di  anticipata  trasfor- 
mazione  in  farfalla  del  verme  da  seta"  Diese  Erscheinung 
war  Seidenraupenzüchtern  genügend  bekannt:  die  Raupen 
entwickelten  sich  zuweilen  in  Anzahl  zum  Falter,  ohne  einen 
Cocon  gesponnen  zu  haben,  dadurch  die  Erwartung  des 
Züchters  täuschend.  In  einem  einzelnen,  von  sachlumdiger 
Seite  beobachteten  Falle  wurde  festgestellt,  dass  das  ge- 
flügelte raupenähnliche  Individuum  einen  kleinen  Kopf,  zwei 
schwarze  fazettirte  Augen,  ein  paar  lange  schmale  Vorder- 
flügel, kürzere  und  schmälere  Hinterflügel  und  einen  raupen- 
artigen Körper  mit  ebenso  vielen  Segmenten  wie  die  Raupe 
besass.  Die  Schilderung  ist  trotz  dieser  interessanten  Einzel- 
heiten noch  recht  ungenau,  da  z.  B.  über  die  Bildung  der 
Antennen  und  Beine  nichts  mitgetheilt  ist.  Werden  ähn- 
liche Erscheinungen  in  Seidenraupenzüchtereien  noch  jetzt 
beobachtet? 

Unter  den  Coleopteren  kommen  ebenfalls  Fälle  vor, 
dass  Larven  ohne  vorherige  Verpuppung  mit  Flügelansätzen 
versehen  waren,  gleich  den  Larven  von  Insekten  mit  un- 
vollkommener Metamorphose,  lieber  derartige  Larven  des 
Mehlkäfers,  Tenebrio  molitor,  hat  Heymons  unter  dem  Titel 
„Flügelbildung  bei  der  Larve  von  Tenebrio  molitor''  in  den 
Sitzungsberichten  unserer  Gesellschaft  (Jahrgang  1896. 
S.  142—144)  Mittheilungen  gemacht  (mit  Abbildung).  An 
einer  dieser  Larven  befinden  sich  am  Meso-  und  Metathorax 
seitlich  je  ein  Paar  dorsaler  Anhänge,  welche,  wie  bei  der 
Puppe,  mit  breiter  Basis  dem  Körper  angeheftet  und  nach 
hinten  gerichtet  sind.  Ausserdem  ist  die  Zahl  der  Antennen- 
glieder eine  grössere  als  bei  der  normalen  Te»eZ>no-Larve, 
deren  Antennen  viergliedrig  sind.  Das  vorletzte  Glied  der 
Antenne  der  abnormen  Larve  besteht  nämlich  aus  zwei 
Gliedern,  und  das  letzte  Glied  lässt  eine  schwache  ring- 
förmige Einschnürung  in  der  Mitte  erkennen.  In  dieser 
Mehrglied rigkeit  ist  eine  Annäherung  an  die  aus  elf  Gliedern 
bestehenden  Antennen  der  T(?we6no-Puppe  und  Imago  zu 
erkennen.  Die  gewölbten  Seiten  der  Rückenplatten  der  fünf 
ersten  Abdominalsegmente  erinnern  an  die  mit  grossen  late- 


Sitzung  vom  :il.  October  1903.  165 

ralen  cristae  versehenen  Abdominaltergite  der  Puppe.  An- 
dere Tenehrio-LciYMdn  zeigten  ausser  grösseren  oder  klein«'ren 
Fliigelansätzen  noch  weitergebende  Anomalien,  z.  iJ  in  der 
Bildung  der  Augen,  der  thorakalen  Hückenplatten  u.  s.  w. 
Das  beobachtete  Material  entstammte  Meblwurmkulturen  im 
Zoologiscben  Institute  hierselbst. 

Die  Thatsache.  dass  ausser  den  abnormen  Tcnehrio- 
Larven  auch  die  abnormen  Seidenspinnerraupen  und  die 
abnormen  T)cndrolhnus-\l-A\\\i^\\  in  Zuchtbehältern  innerhalb 
menschlicher  Wohn-  oder  Aufenthaltsräume  erzielt  wurden, 
während  von  freilebenden  Insektenlarven  nichts  derartiges 
bekannt  ist,  giebt  der  Vermuthung  Raum,  dass  besondere 
Einflüsse,  z.  B.  Wärme,  besondere  Nahrungsstoffe,  reich- 
liche Ernährung  etc.  von  Einfluss  auf  die  beschleunigte 
Bildung  von  Puppen-  und  Imagoorganen  waren,  bevor  der 
eigentliche  Puppenzustand  eintrat.  Das  ist  eine  Ver- 
muthung. die  sich  vorläufig  nicht  beweisen  lässt.  Aber  es 
bleibt  auch  nur  Vermuthung,  wenn  wir  an  atavistischen 
Rückschlag  denken,  der  wie  bei  Insekten  mit  unvollkomme- 
ner Metamorphose,  schon  bei  Larven  von  Insekten  mit  voll- 
kommener Metamorphose  Imagocharaktere  auftreten  und 
sich  entwickeln  Hesse. 

Jedenfalls  repräsentirt  der  Entwickelungszustand  der 
eigenartigen  Antennen  und  Beine  der  abnormen  Bendrolimus- 
Raupe  offenkundig  ein  Stadium  zwischen  der  Raupe  und 
einem  vorgeschobenen  präimaginalen  Zustande,  und  zwar 
eine  normaler  Weise  gesetzmässig  verborgene  Phase  des 
Puppenzustandes.  An  der  abnormen  Raupe  sind  larvale 
Organe  vorzeitig  zu  Imago-Organen  vorgebildet,  nämlich 
Organe,  welche  als  solche  schon  bei  der  Larve  vorhanden 
sind,  also  Antennen,  Maxillen.  Beine.  Imagoaugen  und 
Flügel  sind  als  solche  bei  unserer  abnormen  Raupe  nicht 
vorhanden,  obgleich  Bildungsscheiben  der  späteren  Flügel 
subcutan  im  Larvenzustande  schon  angelegt  sind.  Jeden- 
falls stellt  unsere  abnorme  Raupe  eine  Entwickelungsform 
einer  Metamorphosenreihe  dar,  die  jetzt  normaler  Weise 
nicht  mehr  existirt.  Für  die  Wahrscheinlichkeit  der  früheren 
Existenz  einer  analogen  Form,   zu  einer  Zeit,   als  es  noch 


166  Gesellscluijt  naturf orschemler  Freunde,  Berlin. 

keine  Insekten  mit  vollkommener  Metamorphose  gab.  spricht 
aber  schon  die  thatsächliche  Möglichkeit  einer  solchen  Ent- 
wickeluDgsstufe,  wie  sie  gegenwärtig  individuell  vorkommt. 
Der  ontogenetische  Zustand  der  abnormen  Dendrollmiis-RsLupe 
scheint  ausserdem  anzudeuten,  dass  die  Vorfahren  der  Le- 
pidopteren  haplocerate  Insekten  waren. 

Herr  VON  Martens  zeigte  eine  für  die  Provinz 
Brandenburg  neue  Süsswasserschnecke.  Phijsa  acuta 
Dhap.,  vor. 

Dieselbe  ist  von  Herrn  Ziegeler  in  Spandau  im  ver- 
flossenen Sommer  in  der  Havel  hei  Spandau  lebend  gefunden 
und  Exemplare  derselben  dem  Kgi.  Zoologischen  Museum 
freundlichst  überwiesen  worden.  Sie  unterscheidet  sich  leicht 
von  der  in  ganz  Deutschland  verbreiteten  F7ii/sa  fonthväis 
(L )  durch  stärker  vorspringendes  und  zugespitztes  nicht 
stumpfes  Gewinde  (daher  der  Artname)  und  durch  festere 
weniger  glänzende  Schale,  s  Geyer.  Unsere  Land-  und 
Süssw^asser-Mollusken,  Stuttgart  1896  S.  48  Taf.  7  Fig.  6; 
die  Mantelfortsätze,  welche  beim  lebenden  Thier  aus  der 
Mündung  der  Schale  hervortreten  und  entweder  frei  flottiren 
oder  auf  die  Rückenseite  der  Schale  sich  anlegen,  sind  bei 
dieser  Art  kürzer  und  weniger  zahlreich  als  bei  Ph.  fonthudis. 

Physa  acuta  ist  zuerst  nach  süd französischen  Exemplaren 
von  Dkaparnaud  1805  beschrieben  und  gut  abgebildet 
worden  und  gilt  seitdem  allgemein  als  gute  Art;  sie  ist  in 
Frankreich  weit  verbreitet,  von  41  Departements,  über  deren 
Schneckenfauna  mir  augenblicklich  Verzeichnisse  vorliegen, 
wird  sie  in  27,  also  beinahe  -/s.  genannt  und  nur  in  14 
vermisst;  es  ist  wesentlich  das  südliche  Frankreich.  Provence 
und  Languedoc,  imd  dann  das  westliche  vom  Fuss  der 
Pyrenäen  bis  in  die  Bretagne ,  wo  sie  allgemein  verbreitet 
und  öfters  als  die  häufigste  oder  die  einzige  Art  der  Gattung 
angegeben  wird.  Auch  iin  südöstlichen  Frankreich  ist  sie 
im  Gebiet  der  Saone,  der  früheren  Bourgogne.  von  Lyon 
bis  Dijon  aufwärts  noch  allgemein  verbreitet,  sie  fehlt  aber 
in  den  eigentlichen  Gebirgsgegenden,  wie  in  der  Auvergne,  in 
don    Alppn    und   in    dem   .Turngebirge:    es   ist   z.  B.    charak- 


Sitzung  vom  121.  October  1902.\  tß7 

teristisch.  dass  sie  im  Departement  Is^re.  das  ja  einen  be- 
deiitendeo  Theil  der  frauzüsisciien  Alpen  iiuifasst,  nur  aus 
der  nächsten  Näiie  von  Lyon,  niciit  im  Gebirj^e.  bekannt  ist. 
Mehr  sporadisch  sind  ihre  Fundorte  im  nördlichen  und  nord- 
östlichen Frankreich,  zwar  wird  sie  aus  den  Departements 
Pas  de  Calais  (1852)  und  Nord.  (1872)  ange<,'eben.  dagegen 
nicht  aus  der  Picardie  (Dep.  Somme)  und  der  Champagne; 
von  der  Umgegend  von  Paris  giebt  es  verschiedene  ältere 
und  neuere  Schneckenlisten  und  nur  in  einer  der  neueren, 
von  Pascal  1873.  wird  sie  erwähnt.  Aehnlich  ist  es  mit 
Elsass  und  Lothringen:  in  den  älteren  Listen  von  Buvigxjkr 
über  das  Dep.  Meuse  1840.  Godkon  Dep  Meurthe.  1843. 
JoBA  Dep.  Moselle  1844  und  Puton  Dep.  Vosges  und 
Elsass  1847  fehlt  sie  noch  völlig.  Erst  L.  Moulet.  welcher 
1866  als  französischer  Offizier  nach  Neu-Breisach  gekommen, 
fand  sie  im  Rhone-Rhein-Kanal  bei  dieser  Stadt  und  ferner 
bei  Fort  Mortier.  sowie  eine  Abart  derselben,  suhopaca  Lam., 
bei  Andelsheim  unweit  Colmar  (Journ.  de  Conchyliologie 
XIX  1871  p.  51).  Der  Telegraphenbeamte  F.  Mkyek  in 
Weissenburg  erwähnt  ihrer  noch  nicht  in  einer  1872  ver- 
öfientlichten  Notiz  über  die  Mollusken  im  Elsass.  Nachrichts- 
blatt der  deutschen  malakologischen  Gesellschaft  1872 
S.  73.  vgl.  S.  36.  aber  am  Ende  des  Jahres  1874  erhielt 
das  zoologische  Museum  dahier  ein  Exemplar,  das  von  ihm 
bei  Metz  gesammelt  worden,  und  1876  nennt  Haüenmlllek 
neben  den  schon  von  Morlet  angegebenen  Fundorten  noch 
den  Rhein-Marne-Kanal  bei  Zabern  und  die  Festuugsgräl)en 
bei  Strassburg  (Nachrichtsblatt  1876  S.  109).  Dr.  Kobelt 
schreibt  mir.  dass  er  sie  in  der  Mitte  der  80er  Jahre  aus 
Weissenburg  erhalten  habe.  Seit  dieser  Zeit  erscheint  Fhysa 
acuta  in  den  allgemeinen  Verzeichnissen  der  deutschen  Land- 
und  Süsswasser-Mollusken.  aber  stets  als  auf  Elsass  und 
Lothringen  beschränkt. 

In  Belgien  ist  sie  ebenfalls  auch  erst  in  neuerer  Zeit 
bei  Ostende  gefunden  worden,  s.  Kobelt,  Fortsetzung  von 
RossjiÄssLEKS  Sonographie  VII  1860,  S.  21  Fig.  1914. 
während  die  früheren  faunistischen  Listen  von  Colbeau 
]S59  und   Malzine   1867   sie  noch  nicht  erwähnen.     Aus 


168  Gesellschaft  naturfwsclmuler  Freunde,  Berlin. 

Holland  ist  sie  bis  jetzt  nicht  genannt.  Aus  England  ist 
sie  mit  Sicherheit  nicht  bekannt;  wenn  frühere  Autoren  und 
noch  Clessin  in  der  zweiten  Ausgabe  seiner  deutschen  Ex- 
cursions-Müllusken-Fauna  sie  als  in  England  vorkommeud 
angeben,  so  beruht  das  auf  einer  irrigen  Identification  mit 
Ph.  rivalis  Maton,  einer  westindischen  Art.  welche  wie 
manche  andere  westindische  Schnecken  früher  von  englischen 
Faunisten  für  ihr  Land  in  Anspruch  genommen  worden  sind, 
s.  FoRBES  und  Hanley  bist,  of  British  Mollusca  IV  p.  142, 
145,   146  und  Jeffreys  British  Concholugy  I  p.   100. 

Die  vorhin  erwähnten  Fundortsangaben  legen  den  Ge- 
danken nahe,  dass  Fh.  acuta  aus  dem  Saone-Gebiet.  wo  sie 
seit  längerer  Zeit  bekannt  ist.  durch  den  Rhone-Rhein-Kanal 
in  das  Rhein-Gebiet  eingewandert  sei.  doch  lässt  sich  das 
nicht  mit  Bestimmtheit  sagen,  da  sie  doch  von  Ph.  fonthmUs 
nicht  so  sehr  verschieden  ist,  dass  nicht  die  Möglichkeit 
bliebe,  bei  flüchtiger  Beobachtung  sie  für  fontinalis  zu  halten 
und  sich  daraus  die  Nicht-Erwähnung  in  den  früheren 
Departementslisten  auch  erklären  Hesse.  Ph.  acuta  also  in 
Elsass  und  Lothringen  schon  lange  vorhanden  gewesen,  aber 
eben  nur  nicht  beachtet  und  unterschieden  worden  wäre. 
Für  die  Umgebung  von  Berlin  aber  dürfen  wir  sie  mit 
Bestimmtheit  als  eine  neue  Erscheinung  betrachten,  denn, 
ganz  abgesehen  von  der  lebenden  Generation,  hat  schon 
Prof.  Troschel  gerade  die  luftathmenden  Wasserschnecken 
der  Umgebungen  von  Berlin  und  namentlich  der  Havel  sehr 
eingehend  beobachtet  und  eben  der  Gattung  Physa  sein  be- 
sonderes Interesse  zugewandt  (Diss.  de  Limnaeaceis,  quae 
nostris  in  aquis  vivunt  1834);  eine  so  gut  verschiedene  Art 
hätte  ihm  nicht  entgehen  können,  wenn  sie  schon  damals 
in  der  Havel  bei  Spandau  gelebt  hätte.  Da  sie  bis  jetzt 
überhaupt  noch  nicht  östlich  vom  Rheine  gefunden  worden 
ist.  so  dürfte  die  Vermuthung  nahe  liegen,  dass  sie  zunächst 
in  ein  Liebhaber-Aquarium  und  von  da  durch  einen  Zufall 
ins  Freie  gekommen  sei.  Immerhin  mag  es  der  Mühe 
werth  sein,  die  deutschen  Conchyliologen  darauf  aufmerksam 
zu  machen,  ob  sie  wohl  auch  anderswo  in  Deutschland 
auftritt  oder  demnächst  anftrpton  wird. 


Sitzung  vom  x'/.  October  1902.  169 

Hoi-r  0.  Neumann  spricht  über  die  verschiedenen 
Arten  des  Klippspringers  (Oreütruyus). 

Die  meisteu  Autoren  die  über  Antilopen  schreiben, 
waron  bisher  der  Ansicht,  dass  es  in  Afrika  nur  eine  Art 
Klippspringer  gebe.  Nur  Temminck  führt')  den  abyssini- 
schen  Klippspringer  als  Antilope  saltatricöides  auf.  und 
RÜPPKLL  beschreibt  in  „Wagners  Säugethiere" ')  deutlich  die 
Unterschiede  zwischen  den  abyssinischen  und  den  kapischen 
Klippspringern. 

Die  späteren  Autoren  haben  indess  wieder  beide  Arten 
zusammengezogen  und  auch  Sclater  und  Thomas'')  nehmen 
nur  eine  Art  Klippspringer  für  Nordost-   bis  SüdAfrika  an. 

1899  beschrieb  dann  Noack*)  einen  Oreotragus  aus 
dem  Hinterland  Yon  Lindi  in  Deutsch-Ost-Afrika,  dem  er 
in  Folge  der  brieflichen  Mittheilung  des  Sammlers,  des  ver- 
storbenen Sergeanten  Knociienhauer,  dass  auch  'das  (/  der 
Art  ungehörnt  sein  sollte,  leider  den  unglückseligen  Namen 
uceratos  gab. 

Diese  Art  scheint  von  Sclater  und  Thomas  ganz  über- 
sehen worden  zu  sein,  da  sie  in  ihrem  1900  erschienenen 
Appendix  zu  dem  ..Book  of  Antelopes-^)  noch  nicht  er- 
wähnt ist. 

Was  nun  die  übrigen  Species-Namen  des  Klippspringers 
anbelangt,  so  beziehen  's,\d\  Antilope  oreotragus  Zn\'si.^).  An- 
tilope saltatrix  Bodo. ').  Antilope  Klippspringer  Desm.^)  und 
Oreotragus  typicus  A.  Sm.^i  sämmtlich  auf  den  capischen 
Klippspringer,  während  sich  die  Namen  Oreotragus  griseus 
Gray.  Oreotragus  megalotis  Mexges,  Oreotragus  scoparius 
Gray,  Oreotragus  tragulus  Gray.  Antilopen  zukommen,  welche 


')  Temminck,  Esq.  Zool.  Guin.   1858,  p.   191.  noni.  nud. 

')  Wagner,  Die  Säugethiere  1855,  p.  413. 

')  Sclater  u.  Thomas,  Book  of  Antelopes  II,  189G  — 97,  p.  5— 11. 

*)  Zool.  Anzeiger  1899,  p.   II,  12. 

*)  Sclater  u.  Thomas,  Book  of  Antelopes  IV,  1899—1900. 

^)  Zimmermann,  Geogr.  Gesch.  III  (1788),  p.  269. 

')  BODD.,  Elench.  (I78ö),  p.  141. 

«)  Desm.,  Nouv.  Dict.  d'Hist.  Xat.  XII  (1804),  p.  32. 

»)  A.  Sm.,  South  Afr.  guart.  Journ.  II  (18^4),  p.  212. 


X70  Gesellschaft  naturforsehemler  Freunde,  Berlin. 

gar  nicht   zum  Genus  Oreotnigus  gehören,  hier  also  ausser 
acht  gelassen  werden  können. 

Nach  eingehender  Durchsicht  des  zahlreichen  Oreotni(jus- 
Materials  des  Londoner  wie  des  Berliner  Museums,  der 
auf  meiner  mit  Freiherrn  Caülo  v.  Eklaxger  unternomme- 
nen Reise  durch  Nordost-Afrika  gesammelten  Stücke,  so- 
wie des  mir  von  Prof  Noack  liebenswürdigst  übersandten 
Typus  von  Orcotnigns  acemtos  kann  ich  fünf  leicht  erkenn- 
bare Arten  von  Oreotragus  unterscheiden,  die  sämmtlich  geo- 
graphisch von  einander  getrennt  leben,  und  zu  deren  Be- 
stimmung ich  den  beifolgenden  Schlüssel  anfüge. 

I.  Körper  im  allgemeinen  einfarbig.  Bauch  von  Körper- 
farbe, nur  heller;  kein  schwarzer  Fleck  über  den  Hufen; 
kein  weisser  Fleck  an  der  Aussenseite  der  Ohren 

Oreotragns  oreotragns  ZiMM. 

II.  Bauch  weiss;  schwarzer  Fleck  über  den  Hufen; 
deutlicher  weisser  Fleck  an  der  Aussenseite  der  Ohren. 

1.  Körperhälften  ziemlich  gleich  gefärbt,  rehfarben. 

a)  Basis  der  Haare,   besonders  auf  dem  Rücken,   weiss 
oder  weisslich. 

a)  Färbung  des  Körpers  allmählig  in  die  der  Keulen 
übergehend;  diese  nur  etwas  blasser 

Oreotragus  saJtatrixoides  Rüpp. 

ß)  Färbung  der  Keulen  deutlich  von  der  des  Körpers 
abgesetzt,  hellgrau  oder  hellröthlich;  Rückenlinie 
sehr  dunkel    .     .     .     Oreotragus  schUl'nigsi  Neum. 

b)  Basis   der  Haare,   besonders  auf  dem  Rücken,  roth- 
grau oder  rothbräunlich 

Oreotragus  somalicus  Neum. 

2.  Körperhälflen  sehr  ungleich  gefärbt;  vordere  Körper- 
hälfte lebhaft  rothgelb  oder  ockergelb,  hintere  Körper- 
hälte  rehfarben  ....  Oreotragus  aceratos  Noack. 
Ich  gebe   nun  eine   nähere  Beschreibung  der  Färbung 

der  wichtigeren  Theile  der  einzelnen  Formen. 

Oreotragus  oreotragus  (Zimm.) 

Färbung  bräunlich  rehfarben.  Bauch  heller  wie  der 
Oberkörper,  aber  nicht  rein  weiss.     Auf  dem  Rücken  ist  die 


Sitzumi  vom   Vi.   Ortoher  190;?.  171 

Basis  der  flaarc  bräunlich -weiss,  darauf  ein  rothbrauner 
Theil  mit  gelber  Spitze.  Nur  einige  sciiwarze  Maare  über 
den  Hufen,  aber  kein  schwarzer  Fleck.  Ohren  schwarz  und 
gelblich  melii't.  unten  ein  röthlich  weisser,  oben  ein 
schwarzer  Saum  Ein  undeutlicher  Fleck  an  der  Aussen- 
seite  der  Ohren  gelblich.  Inneres  der  Ohren  weiss.  Scheitel 
und  Hinterhaupt  rothbraun.  Kinn  und  Kehle  hellgelblich. 
Vorkommen:  Süd-Afrika.  Ka[>land.  Ich  untersuchte 
H  Exemplare  des  Berliner  Museums  von  S.\l.mix  und  Kukbs 
am  Cap  gesammelt,  ferner  2  Exemplare  des  Londoner 
Museums,  von  denen  das  eine  am  Rhinosterberg  bei  Middel- 
berg  erlegt  i.st.  Ob  es  diese  Form  ist.  welche  nach  Norden 
und  Nordosten  bis  Natal  und  Transvaal  hin  vorkommt,  ist 
mir  nicht  bekannt.  Nach  Nordwesten  (Deutsch -Südwest- 
Afrika)  giebt  es  Klippspringer  bis  zum  Kunene  hin.  Dr. 
ScHiNz  hatte  ihn  im  südlichen  Nania-Lande  gesammelt 
und  das  Berliner  Museum  erhielt  Schädel,  leider  keine 
Felle  eines  von  Stabsarzt  Libbkkt  bei  Windhoek.  und 
eines  von  Lt.  Volkmann  auf  dem  Kalkplateau  nördlich 
von  Grotfontein.  also  im  Norden  von  Deutsch-Südwast- 
Afrika  erlegten  Stückes. 

Oreotragus  saltatrico'ides  Rüpp. 

Färbung  graulich  rehfarben.  Bauch  rein  weiss.  Ober- 
koj)f  gelbbraun  bis  rothbraun.  Hinterhaupt  wie  der  Körper. 
Kinn  rein  weiss.  Kehle  gelblichweiss.  Auf  dem  Rücken  ist 
die  Basis  der  Haare  rein  weiss  oder  schwach  graulich  oder 
röthlich  weiss,  dann  ein  braunschwarzer  Theil.  die  Spitze 
gelb.  Ueber  den  Hufen  ein  grosser  schwarzer  Fleck 
Zwischen  den  Hufen  manchmal  eine  weisse  Stelle.  Das 
Ohr  ist  an  seiner  Aussenseite  unten  vorn  schwarz,  oben 
und  hinten  grauweiss  gefärbt.  An  der  Aussenseite  vorn 
ein  grosser  weisser  Fleck.  Unten  ist  das  Ohr  weiss,  oben 
schwarz  eingesäumt.  Beine  bei  im  März  und  September 
erlegten  Stücken  schwärzlich  melirt.  bei  einem  im  De- 
zember erlegten  Stück  viel  heller 

Vorkommen:  Gebirge  Nordost-Afrikas  niit  Ausnahme 
des  Somali-Landes.    Also  Abyssinien  von  der  Erythrea  bis 


172  Gesellschaft  naturfw seilender  Freunde,  Berlin. 

Hauasch.  Oestlich  des  Hauasch  auf  dem  Bergrücken  bis 
Harar.  Verinuthlich  auch  an  geeigneten  Stellen  zwischen 
Hauasch  und  Rudolf-See.  Von  mir  jedoch  dort  nicht  be- 
obachtet. 

Untersucht  wurden  folgende  Stücke:  auf  dem  Br.  Mus. 
2  2  9  aus  dem  Bogosland.  1  c/*  in  Abyssinien  ohne  nähere 
Bezeichnung  von  Parzaducki  gesammelt,  1  cT  ^"id  1  9  des 
Berliner  Museums  von  Schimpek  in  Tigre  gesammelt,  1  cT 
im  März  1900  durch  Freiherrn  von  Eklanger  und  1  d"  im 
Dezember  1900  durch  Herrn  Carl  Hilgert  am  Gara  Mu- 
lata  südwestlich  von  Harar  erlegt,  2  (/cf  in  Adis  Abeba, 
erkauft,  und  ein  (/  "von  mir  im  October  1900  bei  Falle  am 
Muger  in  Schoa  erlegt.  Ferner  noch  2  Schädel  von  cf  cf 
in  Keren  und  Akour  von  Schweinfurth  gesammelt. 
Oreotragiis  Schilling si^)  nov.  spec. 

Sehr  ähnlich  dem  Oreotragiis  saltatricdides  Rüpp.,  aber 
die  Färbung  der  Hinterschenkel  nicht  allmählig  von  der 
des  Rückens  ins  hellere  überlaufend,  wie  bei  saltatrixöidcs. 
sondern  ziemlich  deutlich  von  dieser  abgesetzt,  hellgrau 
oder  rothgrau.  Hinterrücken  sehr  dunkel.  Alle  Haare 
haben  hier  zwischen  dem  weissen  Basaltheil  und  der  gelben 
Spitze  einen  sehr  dunkel  braunschwarzen  oder  rein  schwarzen 
Theil.  Das  Ohr  wie  bei  saltatricoides .  doch  ist  die  bei 
jenem  schwarze  oder  schwarzgrau  melirte  Partie  an  der 
Aussenseite  vorn  unten  —  bei  schiUingsi  hellbraun  und 
schwarz  melirt. 

Ich  benenne  diese  Art  zu  Ehren  des  Herrn  C.  G. 
Schillings,  der  mir  zwei  Felle  und  einen  Schädel  männ- 
licher Thiere  am  Dönje  Ngaptuk  nordwestlich  des  Kilima- 
Ndscharo  erlegt,  ferner  zwei  ausgestopfte  Köpfe  zusandte. 
Schillings  sammelte  diese  Antilope  ferner  am  Dönje  Erok 
nordwestlich  und  bei  Malago  Kanga  nördlich  des  Kilima- 
Ndscharo.  Ich  beobachtete  Klippspringer  an  der  Spitze 
des  Gurui  nordwestlich  von  Irangi  und  sammelte  ein  sehr 
junges  Stück  im  Kibaya  Massai'-Land  zwischen  Mgera  und 
Jrangi. 

*)  Oreotrngus  oreotragns  (iicc  Goldf.)  Mtsch.,  Säupot.  D.-O.-Afr. 
1896,  p.  122.  —  Neum.,  Zool.  Jahrb.  1900,  p.  599. 


Sitzung  vom  21.  üctober  1902.  173 

Ein  <;anz  junges  von  Böhm  auf  dem  Venusberg  bei 
Gonda  erlegtes  Stück  ist  hingegen  sehr  stark  gelb  an 
Schultern  und  Flanken  und  mag  zur  folgenden  Art  gehören, 
ebenso  vielleicht  die  von  Stiiilwann  bei  Bussissi  am 
Nyansa  beobachteten,  aber  nicht  gesammelten  Klippspringer. 
Als  Gebiet  von  Oreotrugus  schillhiysi  stehen  somit  mit  Sicher- 
heit nur  der  nördliche  Theil  von  Deutsch-Ost-Afrika  und 
der  südliche  Theil  von  Brittisch-Ost-Afrika.  —  also  die 
Massai-Länder  fest. 

Oreotragus  aceratos  Noack'). 

Kopf.  Oberhals,  Schultern  und  vorderer  Rücken  bis 
etwa  zur  Hälfte  scliön  ockergelb  gefärbt.  —  Diese  Färbung 
entsteht  durch  die  lebhaft  ockergelb  gefärbten  Haarspitzen. 
Hintere  Körperhälfte  wie  bei  Oreotragus  saltatricdidcs.  Scheitel 
gelb  und  schwarz  nielirt.  Kinn.  Kehle  und  Bauch  rein  weiss. 
Schwarzer  Fleck  über  den  Hufen.  Ohr  wie  bei  saltatrkoides, 
doch  ist  die  bei  jenem  schwarze  oder  schwarz  und  grau 
melirte  Partie  an  der  Aussenseite  vorn  unten  —  bei  aceratos 
matt  ockergelb. 

Diese  nach  einem  bei  Zomba  (Nyassa-Land)  ge- 
sammelten Stück  des  Br.  Mus.  gemachte  Beschreibung  stimmt 
völlig  mit  dem  mir  von  Prof.  Noack  liebenswürdigst  über- 
sandten Typus  seines  aceratos  von  Bewenkuru  im  Hinter- 
land von  Lindi  überein.  Die  Abbildung  von  Oreotragus 
saltator  in  Sclatek  und  Thomas^)  „Book  of  Antelopes" 
giebt  die  Körperfarben  dieser  Art  —  auf  die  sehr  charak- 
teristische Ohrfärbung  ist  keine  Rücksicht  genommen  —  sehr 
gut  wieder.  Sie  ist  nach  einem  ausgestopften  Stück  des 
Br.  Mus.  von  Fort  Lister  bei  Zomba  angefertigt.  Ferner 
untersuchte  ich  iui  Br.  Mus.  zwei  weitere  Stücke  von  Zomba 
und  ein  (/  von  Süd-Angoni-Land,  dass  sich  jedoch  von  den 
anderen  dadurch  unterscheidet,  dass  nur  Kinn  und  obere 
Kehle  weiss,  die  untere  Kehle  jedoch  gelb  wie  der  Rücken 
ist.  Ferner    theilt  mir  Mr.  Oldfield  Thomas  brieflich  mit, 


')  Zoologischer  Anzeiger  1899  p.   11,   12. 

')  „Oreotraijus-  saltato)-^'-  (nee  Jard.)   Sclater  and  Thomas  „Book  ot 
Antelopes"  Vol.  II,   1896—97,  PI.  I. 


174  (Tesellschaft  natnrforschender   Freunde,  Berlin. 

dass  das  Br.  Mus  ein  Exemplar  derselben  Art  aus  Nord-Rho- 
desia  erhielt,  sodass  als  Verl)reitiiugsgebiet  das  Fluss-Gebiet 
des  Zambesi.  speciell  die  Länder  am  Nyassa-See,  Mo- 
zambique  und  der  südlichste  Theil  von  Deutsch-Ost- Afrika 
—  das  Rovuraa-Geb'et  —  anzusehen  ist. 

Ein  jüngeres  </  des  Berliner  Museums  von  Peters 
im  Caruera-Gebirge  bei  Tette  am  mittleren  Zambesi  ge- 
sammelt, zeigt  kaum  die  ockergelbe  Färbung.  Alle  Farben 
der  Vorderseite  des  Körpers  sind  viel  matter  gelb  und  sind 
nicht  scharf  von  der  Färbung  der  hinteren  Körperhälfte  ab- 
gesetzt, so  dass  dieses  Stück  dem  Oreotmgus  saltatricöides 
recht  ähnlich  sieht. 

Orcotrag'us  ^omalicus  nov.  spec. 

Ohren  wie  bei  saltatricöides.  Beine  sehr  hellgrau,  innen 
fast  weiss.  Haare  des  Rückens  von  der  Basis  an  roth- 
bräunlich oder  rothgrau  —  nicht  weiss.  Die  meisten  der 
Rückenhaare  einfarbig  biz  zur  Spitze  Nur  einige  mit 
kürzerer  gelblicher  Spitze.  Kinn,  Kehle  und  Bauch  rein 
weiss.  Der  schwarze  Fleck  über  den  Hufen  klein,  nicht 
so  scharf  wie  bei  saltatricöides,  aceratos  und  schiliingsi  Be- 
schreibung nach  dem  im  Br.  Mus.  befindlichen  Stücke  durch 
J.  ß.  Parkinson  bei  Sheikh  in  den  Goolis  Bergen  im  Nord- 
Somali-Land  gesammelt,  welches  ich  zum  Typus  der  Art 
mache.  Ganz  ebenso  gefärbt  ist  ein  noch  sehr  junges  Stück 
des  Berliner  Museums,  von  Menges  im  Nord-Somali-Land 
gesammelt. 

Die  Verbreitung  der  Art  beschränkt  sich  also  auf  die 
Berge  des  nördlichen  und  wahrscheinlich  auch  des  centralen 
Somali-Landes. 

In  den  Bergen  bei  Harar  kommt  jedoch  schon  Orco- 
tragus  saltatricöides  vor.  wie  übrigens  auch  viele  andere 
abyssinische  Säugethiere  und  Vögel. 

Ich  habe  hier  nur  die  Verschiedenheiten  in  der  Färbung 
der  einzelnen  Formen  angegeben,  da  ich  zu  einem  Vergleich 
der  Schädel-Unterschiede  nicht  genügend  Material  hatte,  und 
bei  Antilopen  die  individuellen  uud  auch  Alters-  und  Ge- 
schlechtsunterschiede in  der  einzelnen  Art  oft  recht  be- 
deutend  sind,    so   dass   es  grösserer   Serien    von    Schädeln 


Sitzung  vom  J21.  Octobcr  1902.  \  75 

bedarf,  um  diese  Unterschiede  von  deueii.  welche  coiistant 
die  Schädel  sehr  nahe  verwandter  Arten,  oder  geographischer 
Subspecies  einer  Art  —  um  solche  handelt  es  sich  hier  — 
zu  trennen. 

NoACK  bespricht  1.  c.  j).  11  ausführlich  die  Unter- 
schiede zwischen  dem  Schädel  seines  aceratos  und  des  sal- 
tator  aus  dem  Somali-Land  —  also  meines  somalicus. 

Ich  fand  den  Schädel  eines  2  von  somalicus  in  London 
viel  grösser  wie  den  eines  etwa  gleichaltrigen  9  aus  dem 
Bogosland.  also  saltatricöides.  Die  Nasalen  bei  somalicus 
waren  viel  länger.  Die  hinteren  Augenbögen  etwa  doppelt 
so  breit. 

Der  Schädel  eines  cf  von  Deutsch  Südwest-Afrika  und 
eines  2  vom  Capland.  also  oreotrayus.  des  Berliner  Museums, 
sind  in  der  Stirnpartie  breiter  wie  Schädel  des  saltatricöides 
von  Bogosland.  Tigre  und  Schoa. 

Doch  möchte  ich,  wie  gesagt,  noch  mehr  Material  ab- 
warten, um  diese  Unterschiede  genauer  zu  formuliren. 

Herr  0.  Neumann  sprach  ferner  über  einige  afrika- 
nische Eichhörnchen. 
I.  Zwei  neue  Formen  der  rufohrachiatus-Gvu\)\)Q. 

In  der  März-Sitzung  dieser  Gesellschaft ')  beschrieb  ich 
drei  neue  mit  Sciurus  rufohruchiattis  Watkiüi.  verwandte 
Eichhörnchen.  Ich  bin  heute  in  der  Lage,  zwei  weitere 
Arten  dieser  Gruppe  zu  beschreiben. 

Sciurus  aschantiensis  nov.  spec 

Grösser  wie  Sciurus  rufohrachiatus  Watekh.  .  von 
welchem  zahlreiche  Exemplare  aus  Kamerun  verglichen 
wurden.  Vorder-  und  Hinterfüsse  auch  oberseits  roth,  wie 
bei  Sciurus  nijansae  Nkum..  aber  dunkler  wie  bei  dieser 
Art.  Ganze  Unterseite  gesättigt  röthlich.  Ein  auf  der 
Kehle  beginnender  bis  zur  Bauchmitte  spitz  zulaufender 
Fleck  etwa  von  der  Farbe  der  Oberseite,  nur  wenig  röth- 
licher.  Beim  Exemplar  des  Berliner  Museums  ist  dieser 
Fleck  etwas  kleiner.     Er  geht  nur   bis  zur  Brustmitte  und 


')  Silzungsber.  dieser  Ges.   iyU'2,  p.  50—59. 


176  GeseUscMft  naturforftchender  Freunde,  Berlin. 

verläuft  allmälig  ia  das  Roth  des  Bauches.  Unterseite  der 
Hiaterschenkel  sehr  dunkel  rostroth. 

Typus  von  Asohanti  im  Br.  Mus.  (Godfrey  Lagden 
coli).  Ebendort  ein  gleichfalls  aus  Aschanti  stammendes 
Stück  der  Gould  collection  Das  Berliner  Museum  be- 
sitzt ein  von  Schweitzer  in  Liberia  gesammeltes  Exemplar 
dieser  Art. 

Sehr  verschieden  von  dieser  Art  ist  Sciurus  rufobrachia- 
tus  lihencus  Miller'),  welches  vom  Mt.  Cotfee  am  St.  Paul 
river  in  Nord-Liberia  beschrieben  ist  und  von  dem  ich  ein  mit 
Miller's  Beschreibung  gut  übereinstimmendes  Stück,  von 
Scott  Elliott  bei  Berria  am  obersten  Niger  im  Hinterland 
von  Sierra  Leone  gesammelt,  auf  dem  British  Museum 
untersuchte. 

Es  scheint  also  Sciurus  libericus  Miller  Sierra 
Leone  und  den  Norden  von  Liberia,  Sciurus  aschantiensis 
Neum.  den  Süden  von  Liberia,  Aschanti  und  vermuthlich 
die  dazwischen  liegende  französische  Elfenbeinküste  zu  be- 
wohnen. 

Sciurus  kcniae  nov.  spec. -j 

Haar  sehr  dicht  und  dick;  Färbung  des  Körpers  wie 
bei  rufdbracliiatus,  ahassensis  und  punctatus.  Dem  Sciurus 
ahassensis  Neum.  am  meisten  ähnelnd,  nur  viel  grösser  und 
mit  viel  dichterem  Pelz.  Die  Innenseite  der  Hinterschenliel 
sehr  schwach  röthlich.  Schwanz  aus  ziemlich  gleich  langen 
schwarzen  und  gelben  Ringen  gewellt.  Ganze  Schwanzspitze 
schwarz.  Kopfseiten  röthlich  gelb.  Auf  der  Kehle  des 
einzigen  Exemplars  ein  grosser  weisser  Fleck.  Auf  dieses 
Merkmal  möchte  ich  jedoch  kein  Gewicht  legen,  da  der- 
artige Flecke  auch  bei  verwandten  Arten,  so  bei  Sciurus 
kaffensis^)  vorkommen. 

Das  einzige  mir  bekannte  Stück  dieser  Art  befindet 
sich     im    Br.     Mus.     und     wurde     von     Mackindek     am 


»)  Proc.  Washington  Ac.  oi  Sc.  1900,  p.  633. 
*)  Sciurus  rufobrachiatus  (nee  Waterh.)  Thomas.    P.  Z.  S.  1900, 
p.  174. 

*)  Sitzungsber.  dieser  Cies.  1902,  p.  hl. 


Sitzung  vom  2t.  Octoher  1903.  |77 

14.  IX.  1899  am  Westabhaug  des  Kenia  iu  8000  Fuss 
Höhe  gesaniinolt.  Schon  Tmoji.as.  der  es  noch  als  Schirus 
mfobruchiatuü  anführt,  erwähnt,  dass  es  in  inanclier  Be- 
ziehung von  typischen  Stücken  dieser  Art  abweicht. 

II.  Ueber  geographische  Unter-Arten  von 
Sciuriis  pdlliattis  Ptrs. 

Eine  genaue  Durchsicht  des  sehr  zahlreichen  Materials 
von  Sciums  palliatus  auf  dem  British  Mus.  in  Verbindung 
mit  einer  darauf  folgenden  des  Materials  des  Berliner  Mus. 
liess  mich  erkennen,  dass  man  5  wohl  kenntliche  geogra- 
l)hische   Formen   des   Sciurus  palliatus  unterscheiden   kann. 

Von  Süden  nach  Norden  sind  dieses 

Sciurus  palliatus  ornatus  Gray.  ') 

Oberseite  ohne  grauen  und  gelben  Ton.  Unterhaar 
schwarz  oder  schwarz  mit  rothem  Mittelstück.  Schwanz 
dunkelroth,  bedeutend  dunkler  als  der  Bauch. 

Vorkommen:  Natal  und  Zulu-Land. 

Ich  untersuchte    zwei  Exemplare    des    Br.   Mus.,    wo- 
von das  eine.   Cotupus  von  Gray  aus  Natal,  rein  schwarzes 
Unterhaar  im  Pelz  des  Rückens,  das  zweite  von  Ekowe  im 
Zulu-Land  hier  noch  einen  rotheu  Mittelring  hat. 
Sciurus  2^ttlliatus  (typ.)  Ptrs.-) 

Oberseite  ohne  grauen  und  gelben  Ton.  Schwanz  etwas 
heller  kastanienroth  wie  der  Bauch.  Basis  der  Schwanz- 
haare von  der  Farbe  des  Bauches  oder  sogar  etwas  dunkler. 

Vorkommen:  Mozambique  und  südliches  Nyassa-Land, 

Beschreibung  nach  einer  grossen  Serie  dieser  Art  vom 
Milanji-Plateau  südlich  des  Nyassa-Sees  auf  dem  Br. 
Mus.  Peters  giebt  an.  dass  er  ein  altes  trächtiges  9  gegen- 
über der  Insel  Mosambique.  ca.  15"  südL  Br..  und  ein 
junges  </  bei  Massimboa,  ca.  11"  südl.  Br.,  sammelte. 
Jedoch  befindet  sich  nur  dieses  letztere  derzeit  noch  auf 
dem  Berliner  Mus. 

Dasselbe  ist  bedeutend  dunkler  als  gleichaltrige  Exem- 


1)  P.  Z.  S.  1864,  p.   13,  PI.  I. 

-)  ^Nlonatsber.   kgl.   :ik.  Wissonsch.  Berlin  18.59,  p.  272.    —    Reiso 
Mozambique  Säugetli.  Ibö2,  p.    1Ü4— 13G,  PI.   XXXI,  XXXII. 

7/b** 


178  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

plare  von  der  folgenden  Art,   so  dass  ich  die  Nyassa-See- 
Exeraplare  als  hierher  gehörig  ansehe. 

Sciurus  palliatus  suahclicus^)^)  nov.  subsp. 

Unterhaar  der  Oberseite  niit  viel  gelb.  Schwanz  röth- 
lich  gelb,  mit  Ausnahme  der  dunklen  Schwanzwurzel  viel 
heller  als  der  Bauch. 

Vorkommen:  Deutsch-Ost-Afrika  nebst  der  Insel  Sansibar 
und  südlicher  Theil  von  Brittisch-Ost-Afrika.  Hauptsächlich 
in  den  Küstengegenden  vorkommend,  im  Innern  bis  zum 
Bubu  bei  Irangi.  Weitere  Fundorte  hier  sind  Mombassa, 
Tanga,  Pangani,  Nguru,  Usaramo,  Bagamojo,  Kingani, 
Mrogoro,  Kiserawe,  Dar  es  Salaam,  Khutu. 

Verglichen  wurden  mehrere  Stücke  des  Br.  Mus. 
und  eine  sehr  grosse  Serie  —  über  20  Exemplare,  aus  fast 
allen  Monaten  (Januar,  Februar,  März,  Juni,  September, 
October)  —  auf  dem  Berliner  Mus.  Es  zeigt  sich  an  diesen, 
dass  die  Jahreszeit  keine  Unterschiede  auf  die  Färbung 
hervorbringt.  Nur  ein  Stück  aus  der  Umgegend  von  Mom- 
bassa des  Br.  Mus.  hat  einen  dunkleren  Schwanz  und  bil- 
det vielleicht  einan  Uebergang  zur  folgenden  Form: 
Sciurus  palliatus  tanae  nov.  subsp. 

Schwanz  wie  beim  typischen  palliatus,  etwa  von  der 
Farbe  des  Bauches.  Unterhaar  der  Oberseite  brennend  roth. 
Spitzen  der  Haare  grau.  Diese  prachtvoll  graue  Färbung 
unterscheidet  die  Art  leicht  von  den  anderen  Formen. 

Vorkommen:  Tana-Gebiet  und  Insel  Lamu. 

Typus  im  Br.  Mus.  vom  mittleren  Tana.  Derselbe 
ist  etwas  dunkler  wie  zwei  dort  befindliche  Exemplare  von 
der  Insel  Lamu. 

Sciurus  palliatus  haraivensis  nov.  subsp. 
Dunkler    wie    Sciurus   palliatus  suahclicus,    besonders 


^)  Sciurus  imlliatus  (nee  Ptrs.)  Mtsch.  Säugeth.  D.  0.  Afr., 
p.  42.  —  Neumann  Zool.  Jahrb.  1900,  p.  547. 

')  Es  scheint  mir  unwahrscheinlich,  dass  diese  Form  mit  Macroxus 
annulatus  var.  Frerei  Guay,  Ann.  Mag.  XII  1873,  p.  '265,  zusammen- 
fällt. Den  Typus  dieser  Art  liabe  ich  in  London  nicht  vorgefunden, 
glaube  aber  nach  der  Beschreibung  Ghav's  und  dem  Hinweis  auf 
abyssinische  Stücke  von  atDiidatus,  dass  es  sich  um  ein  ostafrikanisches 
Stück  dieser  Art,  also  von  viidticolor  Rüpp.,  handelt. 


Sitzung  vom  ^1.  Octobcr  WO;:?.  179 

die  Oberseite.  UnteiTärbung  des  Schwanzes  dunkelroth. 
Spitzen  der  Schwanzhaare  schnuitzi»;-rosa-,i,'raii.  Die  Haare 
der  Schwanzspitze    in    ihrer  ganzen   Aiisdehnnng  rosagrau. 

Vorkommen :  Siid-Somali-Küste. 

Nur  ein  Exemplar.  Typus  der  Art  von  J.  M.  Hildi:- 
BRANDT  bt'i  Barawa,  Süd-Somali-Land,  gesammelt,  auf  dem 
Berliner  Museum. 

III.  Ueber  die  Unterschiede  von  Sciurus  höhmi 
RcHW.  und  Sciurus  emini  [Mtsch.]  Stühlm. 
Stuhlmann  bildet  in  seinem  Werk  „Mit  Emin  Pascha 
u.  s.  w.".  p.  320.  321.  ein  Eichhörnchen  unter  der  Bezeich- 
nung Sciurus  emini  Mtsch.  ab  und  sagt  in  einer  Anmerkung, 
dass  sich  dieses  Eichhörnchen  von  Sciurus  höhmi  K(  inv. 
durch  Ton  der  P'ärbung  und  Art  der  Streifung  unterscheide. 
Matschie  giebt  in  seinem  Werk')  die  gleiche  Abbildung  und 
beschreibt  auch  das  Thier  gut.  nennt  es  aber  wieder  Sciurus 
höhmi  Rchw. 

Auch  ich  nannte^»  die  von  mir  in  Uganda  gesammelten 
Streifeneichhörnchen  Sciurus  höhmi.  In  diesem  Sommer 
konnte  ich  nun  in  London  neueres,  aus  dem  Nord-Nyassa- 
Lande  gekommenes  Material  des  echten  Sciurus  höhmi  mit 
Streifeneichhörnchen  von  Monbuttu  und  Uganda  ver- 
gleichen und  bin  zu  dem  Resultat  gekommen,  dass  nicht 
nur  die  letzteren  ganz  verschieden  von  höhmi  sind,  sondern 
dass  auch  die  von  Uganda  etwas  von  denen  von  Monbuttu 
verschieden  sind  Eingehende  nochmalige  Durchsicht  des 
Materials  des  Berliner  Museums  bestätigte  dieses  Resultat 
vollkommen. 

Sciurus  höhmi  Rchw.') 
Grundfärbung  mattolivengrün.  Jederseits  ein  langer 
scharfer  rein  weisser  Strich,  vor  den  Schultern  beginnend, 
bis  hinter  den  Ansatz  der  Hinterschenkel.  Die  weissen 
Striche  jederseits  von  einem  schwärzlichen  —  aus  schwarzen 
und  olivfarbenen  Haaren  melierten,  also  nicht  rein  schwarzen 


')  Matschie,  Säugeth.  v.  Deutsch-Ost-Afrika,  p.  42. 
»)  Zool.  Jahrbücher  1900,  p.  546. 
»)  Zool.  Anzeiger  1886,  p.  315. 


180  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

—  Strich  eingefasst.  Die  weissen  Striche  sind  länger  wie 
die  einsäumenden  schwärzlichen  Striche. 

VorkoDQmen:  Länder  zwischen  Tanganyka-See  und 
Moeru-See. 

Untersucht  wurden  die  vier  typischen  durch  BöH>f  ge- 
sammelten Exemplare  des  Berliner  Mus.  von  Marungu  am 
Westufer  des  Tanganyka  und  fünf  durch  Consul  Sharpe 
gesammelte  Exemplare  vom  Moeru-See  auf  dem  Br.  Mus. 

Sciurus  emini  [Mtsch.]  Stuhlm. ') 

Grundfärbung  olivenbraungelb.  Jederseits  ein  weiss- 
gelber  Seitenstreif,  über  oder  hinter  den  Schultern  beginnend 
bis  über  den  Ansatz  der  Hinterschenkel.  Die  weissen  Striche 
jederseits  von  einem  scharfen,  breiten,  glänzend  schwarzen 
Seitenstreif  eingefasst. 

Die  einsäumenden  schwarzen  Striche  sind  länger  wie 
die  dazwischen  liegenden  weissgelben. 

Vorkommen:  Länder  zwischen  Albert  Edward-  und 
Albert  Nyansa  und  nordwestlich  des  Albert  Nyansa  bis 
Monbuttu. 

Untersucht  wurden  die  vier  typischen  Exemplare  Stuhl- 
manm's  vom  Ssemlik  Issango-Fluss  (Kinjawanga)  und  von 
Uvamba.  nördlich  des  Euwenzori.  auf  dem  Berliner  Mus. 
und  vier  von  Emin  in  Monbuttu  gesammelte  Stücke  des 
Br.  Mus.  Das  eine  derselben  von  Nandja  in  Monbuttu  ist 
besonders  stark  gelb. 

Sciurus  emini  ngandae  nov.  subsp.^) 

Art  der  Streifung  genau  wie  bei  emini,  aber  die  schwar- 
zen Streifen  etwas  schmäler.  Die  dazwischon  liegenden 
Seitenstreifen  mehr  olivgrünlich  weiss.  Grundfärbuug  etwas 
mehr  in's  Olivgrüne  wie  beim  typischen  emini. 

Vorkommen:  Wälder  des  eigentlichen  Uganda. 

Untersucht  wurden  vier  von  mir  bei  Kampal a  und 
Ntebbi  gesammelte  Exemplare  des  Berliner  Mus.  und  zwei 
bei  Ntebbi  von  Jackson  gesammelte  Stücke  des  Br.  Mus. 


»)  Stuhlmann,  „Mit  Emin  Pascha"  u.s.w.  1894,  p  320,321.  — Scmr«,? 

höhmi  (nee  RcHW.)  Mtsch.,  Säugeth.  Deutsch-Ost-Afrikas  1895,  p.  42. 

')  Scivrr'f  höhmi  (noc  RCHW.)  Nktim.,    Zool.  Jahrb.   1900,  p.  546. 


Sitzung  mm  Ql.  Ortoher  1903.  \^\ 

Sciurus  höhml  ist  auch  etwas  «grösser,  hat  auch  län<j;eren 
Schwanz   und    länj,'('r('   Fusssohlen    wie   emiui  und  nydndac. 
IV.  Ueber  Funisciurus  akka  dk  Wintox. 
Der  Xame  Sciurus  cmini  Stuhlm.  war  von  dk  Wintox 
hei  der  J>eschreibung  eines  Eichhorns  dav  pyrr1iopus-(jiV\i\)\>Q 
übersehen  worden,  so  dass  er  dieses  Sciurus  emini  nannte. 
Nachdem  icli  dk  Wixtox  auf  diese  Thatsache  aufmerksam 
gemacht    hatte    und   er  mehrere   Jahre   lang  mit  der  Neu- 
benennung dieser  Art  zögerte,   hatte  ich   das   Thier  selbst 
gelegentlich  der  Bearbeitung  der  Säugethiere  meiner  ersten 
afrikanischen  Heise  neu  Sciurus  wintonl  genannt.    Der  Druck 
meiner  Arbeit  verzögerte    sich    aber   und   inzwischen  hatte 
DK   \VixTox   diese   Art   neu   Funisciiirus  akka    benannt,    so 
dass  sich  die  Synonymie  dieser  Arten  folgendermaassen  stellt: 
Sciurus  emini  de  Wixtox.  Ann.  Mag.  V.  1895.  p.  197. 
Funisciuriis  akka  dk  Wixtox.  Ann.  Mag.  IV.  1899. 

p.  356.  357. 
Sciurus  ivintoni  Neum.,  Zool.  Jahrb.   1900.  p.  547. 
V.  Ueber  Funisciuriis  >/ulei  Thos. 
In  der  Märzsitzung  dieser  Gesellschaft')  erwähnte  ich 
ferner,   dass   das   von  Matschik   in  seinem  Werk  über  die 
Säugethiere  von  Deutsch-Ost-Afrika-)  Sciurus  anmdatus  Desm. 
benannte  Eichhorn  nichts  mit  der  DESMARKSTschen  Art  zu 
thun  hätte  und   einer  noch   unbeschriebenen  Art  angehöre. 
Dieselbe  ist  inzwischen  von  Thomas^)  -dls  Funisciurus  yulei 
beschrieben  worden. 

Vorkommen:  Mueza  am  Moeru-See  (Yule  coli.)  Br. 
Mus..  Kakoma  (Böhm  coli.)  und  Momba-Fluss  in  Uramba 
im  Tanganyka-üebiet  (Glauniug  coli.)  Berl.  Mus. 

Herr  0.  Neumann  sprach  ferner  über  einige  neue 
Arten  von  Ginsterkatzen. 

Herr  P.  Matschik  veröffentlicht  in  den  „Verhandlungen 
des  V.  Internationalen  Zoologen-Cougresses'"')   eine  Arbeit 


')   Sitzungsber.  dieser  Ges.  1900,  p.  59. 

')  Matschie,  S.äugeth.  Deutsch- Ost- Afrikas,  p.  40. 

»)  P.  Z.  S.    1902,  p.  120,   121. 

*)  Verhandi.  V.  Internat.   Zool.  Congr.,  p.  1128  —  1144. 


182  Gesellscliaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

über  die  geographische  Verbreitung  der  Ginsterkatzen,  in 
welcher  34  Arten  von  Ginsterkatzen  aufgeführt  sind.  Herr 
Matschie  schreibt  nun  p.  1135:  „Es  giebt  eben  regionale 
Arten,  d.  h.  die  Ginsterkatze,  welche  von  Südwest-Europa 
und  Palästina  bis  zum  Kaplande  herunter  lebt,  ist  in  vielen 
Gegenden  durch  ganz  bestimmte  Merkmale  ausgezeichnet, 
durch  welche  sich  die  dort  lebenden  Exemplare  von  solchen 
aus  andern  Gegenden  leicht  unterscheiden  lassen.  Die  Ver- 
breitungsgebiete dieser  einzelnen  durch  besondere  Merkmale 
kenntlichen  Formen  greifen  nur  an  den  Grenzen  überein- 
ander." Und  p.  1136:  „Ich  unterscheide  jetzt  schon  34 
Arten  von  Ginsterkatzen,  deren  Verbreitungsgebiet  nur  in 
gewissen  Gegenden  übereinander  fällt." 

Hiernach,  sowie  aus  dem  beigegebenen  Schlüssel,  geht 
die  Ansicht  Matschie's  deutlich  hervor,  dass  er  die  auf- 
geführten 34  Arten  als  verschiedene  Formen  eines  und 
desselben  Grundtypus,  also  als  gieichwerthig  ansieht.  Dies 
ist  nun  eine  Ansicht,  der  ich  auf  Grund  meiner  Studien 
dieser  Gruppe  speciell  einer  auf  Wunsch  des  Herrn  Matshik 
in  diesem  Sommer  vorgenommenen  Untersuchung  des  sehr 
zahlreichen  Materials  der  Museen  in  Paris  und  London 
nicht  beipflichten  kann  Ich  halte  es  für  sicher,  dass  wir 
verschiedene  Gruppen  von  Ginsterkatzen  unterscheiden 
müssen,  und  dass  Formen  solcher  verschiedenen  Gruppen 
sehr  wohl  und  nicht  nur  auf  Grenzgebieten  neben  einander 
vorkommen.  So  hat  die  erst  unlängst  entdeckte  Riesen- 
Genette,  wie  man  sie  nennen  kann.  Genetta  victoriae  Thos. 
mit  keiner  anderen  Ginsterkatze  etwas  zu  thun.  Auch 
Genetta  servalina,  auhryana  und  hettoni  bilden  eine  in  sich 
streng  abgeschlossene  Gruppe.  Dies  sind  eben  Bewohner 
des  feuchten  Urwaldes,  während  die  mit  ihnen  zusammen 
oder  doch  in  ihrer  Nachbarschaft  vorkommenden  Genetteu, 
Genetta  pardina,  stuhlmanni  und  dubia  Mtsch.  {=  genettoides 
Pous. ')  nee.  Temm  ),  Bewohner  der  Biischsteppe  und  des 
trocknen  lichten  Waldes  sind.  Auch  unter  den  anderen 
Genetten  giebt  es  vermuthlich  noch  verschiedene  Gruppen, 
so    eine    mit  stark   verlängerten   Haaren   im   Rückenkamm. 


1)  Ann.  Sc.  Nat.  Paris  1896,  p.  290. 


Sitzunij  vom  ^1.  Octuber  1902.  I33 

der  u.  a.  GendUi  do»(/vhtna,  uinnianni  und  felina,  eine  an- 
dere ohne  eigentlichen  Riicl<eni<anini.  der  u.  a.  Genetta 
snahdira  und  tic/rtua  angehören. 

Ich  will  nun  zunächst  zwei  auf  der  v.  Eklan(;i<;r-Nku- 
MANN'schen  Expedition  durch  Nordost-Afrika  gesammelte 
Arten  beschreiben,  denen  Herr  Matschie  in  seiner  Arbeit 
noch  keinen  Namen  gegeben  hat.  sowie  zwei  weitere,  die 
ich  bei  meiner  schon  erwähnten  Durchsicht  des  Materials 
des  Pariser  und  Londoner  Museums  als  neu  erkannte. 
Genetta  hararensis  nov.  spec. ') 
'  Schliesst  sich  am  nächsten  an  Genetta  neumanni  Mtsch, 
an.  Unterscheidet  sich  von  dieser  durch  die  schwarze 
Färbung  an  der  Hiuterseite  des  Vorderschenkels  und  einen 
schwarzen  ]\Iittelfleck  des  bei  jener  rein  weissen  Kinns. 

Vorkommen:  Harar. 

Ein  2  dort  mit  Jungen  lebend  erhalten  sowie  ein 
Fell  erkauft. 

Genetta  m<itschiei  nov.  spec.  ^) 

Schliesst  sich  am  nächsten  au  Genetta  tigrina  Schkkb. 
und  Genettii  suaheliat  Misch,  an.  Unterscheidet  sich  von 
beiden  durch  die  hellbräunlich  gelbe  Grundfärbung  des 
Körpers  und  die  auffallend  kleinen  Ohren. 

Vorkommen :  Harar. 

Ein  Exemplar  —  altes   $    —  dort  lebend  erhalten. 
Genetta  guardafuensis  nov.  spec. 

Sehr  ähnlich  der  Genetta  felina  Thunb.  vom  Cap.  aber 
durch  kleinere  und  röthliche  —  bei  jener  stets  schwarze  — 
Fleckung  unterschieden. 

Vorkommen:  Oestlichstes  Somali-Land. 

Ein  durch  Kevoil  in  der  Gegend  des  Cap  Guardafui 
gesammeltes  Exemplar  (Typus  der  Art)  auf  dem  Pariser 
Museum. 

Genetta  terrae  sanctae  nov.  spec. 

Am  ähnlichsten  der  Genetta  afta  Crv.  von  Spanien  und 
der  Geneita  harhara  Wagn.  von  Tunis  und  Algier  aber  mit 


')  Weissfüssige  Genette  von  Harar  Mtsch.  1.  c.  p.  1139. 
*)  Graufüssige  Genette  von  Harar  Mtsch.  1.  c.  p.  1143. 


1^34  Gesellschaft  naturfwschender  Frenude,  Berlin. 

weniger  deutlicher  Seitenfleckuug  und  von  dunklerem  F'är- 
bungston.  Kehle  hell  aschgrau,  Mundräuder  uud  Kinn  rein 
schwarz.  Vorderfüsse  grau  mit  undeutlichen  schwarzen 
Flecken.  Unterseite  der  Pfoten  schwarz.  Hinterfüsse  vorn 
halb  hellgrau,  halb  schwarz.  Oberseite  der  Füsse  weissgrau. 
Hiuterseite  der  Hinterfüsse  schwarz. 

Vorkommen:  Palästina. 

Ein  durch  Tkistram  am  Beige  Carmel  westlich  des 
toten  Meeres  gesammeltes  Stück  (Typus  der  Art)  auf  dem 
Br.  Mus. 

Ltnne's  Beschreibung  seiner  Viverra  genetta  ist  zu  un- 
scharf und  seine  Fundortsangabe  „Habitat  in  Oriente"  zu 
ungenau,  um  sie  auf  die  TuisTHAJi'sche  Genette  anzuwenden, 
zumal  Tkistkam's  Exemplar  das  einzige  überhaupt  bekannte 
Exemplar  einer  Genette  von  asiatischem  Boden  ist. 


Referirabend  am  8.  Juli  1902. 

Herr  F.  E.  Schulze  über  Lohmann,  Coccolithophoridae  im 
Archiv  für  Protistenkunde  1902.  I.  Heft. 

Werner  Magnus  Nature  et  signification  des  alcaloides  s.  a. 
Claütkiau,  Soc.  roy.  d.  sc.  med.  et  nat.  d.  Belgique. 
T.  IX.  Fase.  2.   1900. 

L.  Kny  über  die  intramoleculare  Athniung  von  in  Wasser 
gebrachten  Samen  und  über  die  dabei  statttindende 
Alkoholbildung  von  E.  Gottleweki  und  F.  Polzkxiusz. 
Krakau  1901. 

H.  Seckt,  über  die  Keimung  der  KartoffelknoUeu  von 
VöCHTiNG.     Bot.  Zeitg.   1902 

E.  von  Martens  über  Jickeli,  UnvoUkommenheit  des  Stoff- 
wechsels.    1902. 


Referirabend  am  14.  October  1902. 

Herr  L.  Wittmack  über  durchwachsene  Birnen. 

Herr  R.  du  Bois-Reymond  über  M.  Isserlin,  Ueber  Tem- 
peratur und  Wärmeproduction  poikilothermer  Thiere. 
Pflüger's  Archiv  1902,  Bd.  90,  S.  472. 

Derselbe  über  A.  Schücking.  Ueber  veränderliche  os- 
motische Eigenschaften  der  Membranen  von  Seethieren. 
Archiv  für  Anatomie  u.  Physiol.,  phvsiol.  Abth  1902, 
S.  533.  ^_ 

J.  F.  Btarcke,  Berlin  W. 


Nr.  9.  1902. 

Si  t'/u  11  gs-  Beri  v  h  t 
der 

(losellscliaft  iiaturtorsclieiHh^*  Freunde 

zu  Berlin 

vom   18.  November   1902. 


Vorsitzender:  Herr  v.  Marxens. 


Herr  Fr.  Dahl  sprach  über  Stufenfänge  echter 
Spinnen  am  Riesengebirge.  (Eine  vergleichend  etholo- 
logische  Studie.) 

Die  Provinz  Schlesien  gehört,  soweit  es  sich  um 
Spinnenthiere  handelt,  zu  den  bestuntersuchten  Theilen 
Deutschlands.  Sind  doch  drei  tleissige  Sammler.  Fickkkt, 
Lkijeut  und  Zimmermann  dort  jahrelang  auf  diesem  Special- 
gebiete thätig  gewesen.  —  Wenn  ich  trotzdem  unternahm, 
kürzlich  (Mitte  Oktober)  eine  viertägige  Sammelreise  nach 
dem  Eiesengebirge  zu  machen  und  mir  wichtige  neue 
Resultate  von  dieser  Reise  versprach,  so  wurde  ich  in 
erster  Linie  durch  den  Gedanken  geleitet,  dass  wir  heute 
in  weit  gründlicherer  Weise  zu  sammeln  wissen  als  vor 
20  —  30  Jahren,  —  Meine  Erwartung  blieb  nicht  unbe- 
stätigt: Zu  den  156  Spinnenarten,  die  vom  Riesengebirge 
bisher  bekannt  geworden  sind,  konnte  ich  40  weitere  Arten 
hinzufügen.  Ich  konnte  die  Zahl  der  Arten  also  um  mehr 
als  ein  Viertel  vermehren.  Die  Fauna  des  Kammes,  d.  h. 
der  alpinen  Knieholzregion  bezifterte  sich  bisher  auf  29  Arten. 
Diese  Zahl  konnte  ich  auf  43  bringen,  also  sogar  um  die 
Hälfte  vermehren.  Die  deutsche  Fauna  wurde  bei  dieser 
Sammelthätigkeit  um   nicht  weniger  als   G  resp.  7  ')  Arten 


')    Wenn    sich    Eriyone  equestris  L.   Koch    als   von   Micryphantes 
corniyer  verschieden  erweisen  sollte. 

9 


186  Gesellschaft  naturf'orschender  Freunde,  Berlin. 

vermehrt.  —  Ich  nenne  diese  Zahlen  nur,  um  zu  zeigen, 
wie  man  heutzutage  in  wenigen  Sammelstunden  mehr  leisten 
kann,  als  früher  bei  jahrelanger  Thätigkeit.  Weiss  doch 
jeder  Sammler,  dass  das  letzte  Viertel  einer  Fauna  gerade 
am  schwierigsten  zu  bescliaffen  ist.  —  Die  eigentliche 
wissenschaftliche  Aufgabe,  die  ich  mir  gestellt  hatte, 
war  mit  dieser  Vermehrung  der  Arten  keineswegs  ei'schöpft. 
Ich  wollte  vor  allen  Dingen  einen  Einblick  in  die  Ver- 
breitung und  die  Lebensweise  der  echten  Gebirgsthiere  ge- 
winnen, soweit  diese  im  Herbste  in  unserm  Gebirge  anzu- 
treffen sind.  —  Wie  weit  mir  dies  in  den  wenigen  Tagen 
gelungen  ist.  möchte  ich  hier  dem  Leser  zeigen.  — 

Ich  muss  ein  wenig  ausholen. 

Wenn  die  jungen  Spinnen  ihren  Eicocon  verlassen, 
sieht  man  sie  oft  zu  Hunderten  in  dichtem  Gewimmel  sich 
durcheinander  bewegen.  Als  Räuber  können  sie  natürlich 
so  nahe  nebeneinander  nicht  fortexistiren;  deshalb  breiten 
sie  sich  sofort  nach  allen  Richtungen  aus.  Während  sie 
nun  allraählig  heranwachsen,  setzt  sich  die  Vertheiluug  über 
das  ihnen  zusagende  Gebiet  unausgesetzt  fort,  bis  schliess- 
lich jede  Spinne  ihr  besonderes  Jagdgebiet  innehat.  Die 
Grösse  dieses  Jagdgebietes  hängt  in  erster  Linie  von  dem 
Nahrungsreichthura  ab.  Aber  auch  bei  gleichem  JSlahrungs- 
reichthum  kann  die  Grösse  desselben  bedeutend  variiren. 
Sie  kann  sich  unter  Umständen  etwa  auf  die  Hälfte  redu- 
ciren.     Eine  weitere  Einschränkung  aber  ist  unzulässig. 

Wie  K.  MöBius  bei  Betrachtung  seiner  Biocönosen 
ganz  allgemein  dargethan  hat,  kann  ein  bestimmtes  Areal 
nur  ein  ganz  bestimmtes  Quantum  von  Fleisch  einer  be- 
stimmten Thierart  erzeugen.  Das  gilt,  wie  für  alle  anderen 
Thiere,  so  auch  für  die  Spinnen.  Leben  Spinnen  zu  dicht 
nebeneinander,  so  wachsen  sie  langsamer  heran.  Leben  sie 
noch  dichter  nebeneinander,  so  sind  sie,  auch  nachdem  sie 
die  Reife  erlangt  haben,  kleiner  Leben  sie  schliesslich 
noch  dichter  nebeneinander,  so  muss  ein  Theil  von  ihnen 
zu  Grunde  gehen,  vorausgesetzt,  dass  sich  keine  Gelegenheit 
zu  weiterer  Vertheilung  bietet.  —  Es  ist  das  das  Princip 
des  sei  l)stthätigen  Ausgleichs  in  der  lebenden  Natur. 


Sitziuuj  vom  18.  Norcmher  1903.  |87 

Beim  Sammolu  thut  sich  uns  dieses  Piiiicip  dadurch  kuud, 
dass  wir  auf  demselben  Areal  fast  immer  genau  dieselbe 
Zahl  von  Spinnen,  die  auf  demselben  ihre  Lebensbe- 
dingungen erfüllt  finden,  antreffen.  Da  man  aber  in  der 
gleichen  Zeit  immer  annähernd  ein  gleichgrosses  Gebiet 
wird  absuchen  können,  so  ergiebt  sich  weiter,  dass  man, 
wenn  man  eine  Oertlichkeit  ganz  l)estirainter  Art  al)sucht, 
in  derselben  Zeit  fast  immer  genau  die  gleiche  Zahl  von 
Spinnen  derselben  Art  findet.  Von  diesem  Grundsatze  gehe 
ich  bei  meinem  planmässigen  Sammeln  aus.  Ich  sammle 
genau  nach  der  Uhr  und  zwar  an  der  gleichen  Oertlichkeit 
immer  wieder  eine  gleich  lange  Zeit  und  kann  dann  die 
Fänge  quantitativ  miteinander  vergleichen. 

Es  ist  jetzt  schon  über  100  Jahre  her,  das  Alexander 
VON  Humboldt  bei  Besteigung  der  Pic's  von  Teneriffa 
durch  seine  Beobachtung  an  Pflanzen  darauf  geführt  wurde, 
eine  wissenschaftliche  Pflanzengeographie  zu  begründen. 
Humboldt  und  seine  Nachfolger  Hessen  und  lassen  sich 
auch  heute  noch  bei  ihren  Untersuchungen  durch  die  un- 
mittelbare Beobachtung  leiten.  Für  die  Pflanzengeographie 
mag  diese  einfachste  aller  Methoden  wohl  genügen,  für  die 
Thiergeographie  dagegen  ist  sie  völlig  unzureichend  Nament- 
lich in  allen  denjenigen  Fällen,  wo  es  sich  um  kleine, 
schwer  unterscheidbare,  vielfach  auch  versteckt  lebende 
Thiere  handelt,  kann  man  von  der  unmittelbaren  Beobachtung 
kein  zuverlässiges  Resultat  erwarten.  Die  Zoologen  pflegen 
deshalb  bei  ihren  Forschungsreisen  und  besonders  auch 
beim  Besteigen  der  Berge,  Alles,  was  ihnen  von  auffälligen 
Thieren  in  den  Weg  kommt,  einzustecken  und  mit  Fund- 
ortsangabe zu  versehen.  Eine  Ausbeute,  die  in  dieser  Weise 
gewonnen  wird,  ist  natürlich  mit  allen  subjektiven  Mängeln 
behaftet  und  deshalb  für  eine  objektive  Untersuchung  meist 
ebenfalls  von  sehr  geringem  Werthe.  Um  das  Ergebniss 
möglichst  objektiv  zu  gestalten,  gehe  ich  nach  meiner  oben 
augedeuteten  Methode  vor.  Ich  sanmile  an  einem  be- 
stimmten Orte  eine  genau  abgemessene  Zeit  ohne  Unter- 
brechung und  stecke  während  dieser  Zeit  alle  Thiere  ein. 
bis  zu  den  kleinsten  hinab.  —  So  habe  ich  denn  jetzt  bei 

9* 


188  Gesellschaft  natiirforschender  Freunde,  Berlin. 

Besteigung  des  Riesengebirges  etwa  alle  200  m  (Höhen- 
differenz) Fänge  verschiedener  Art  wiederholt,  um  dann 
an  der  Hand  des  sorgfältig  bestimmten  und  durchgezählten 
Materials  meine  Schlüsse  zu  machen. 

Schon  bei  einer  früheren  Gelegenheit  habe  ich  darauf 
hingewiesen,  dass  man  an  genau  demselben  Orte,  z.  B.  im 
Walde  drei  bis  fünf  fast  völlig  verschiedene  Fänge  machen 
kann.  Um  dies  dem  Leser  zu  zeigen,  habe  ich  in  nach- 
folgender Tabelle  drei  Fänge  zusammengestellt,  die  ich.  zum 
Vergleich  mit  meinen  Riesengebirgsfängen,  am  26.  Oidober 
bei  Finkenkrug  ausgeführt  habe  Der  erste  wurde  mit 
Hülfe  eines  Regenschirmes  \'on  den  unteren,  schattigen 
Zweigen  höherer  Fichten  gewonnen,  der  zweite  von  niederen 
Pflanzen  mittels  des  Streifsackes  und  der  dritte  aus  dem 
Moos  des  Bodens  mit  Hülfe  der  Sammelscheibe.  Die  beiden 
ersten  sind  Viertelstundenfänge  und  der  Moosfang,  der  etwa 
viermal  so  umständlich  zu  sein  pflegt,  ist  ein  Stundenfang. 
Um  zufällige  Vorkommnisse  möglichst  auszuschliessen.  habe 
ich  alle  Arten,  die  nur  in  einem  einzigen  Individuum  ge- 
funden wurden,  hier  fortgelassen.  In  der  Benennung  bin 
ich,  wie  in  allen  nachfolgenden  Uebersichten.  Chyzer  und 
KuLCZYNSKi  (Araneae  Ilunyariae)  gefolgt.  Autorennamen 
konnten  also  als  überflüssig  fortgelassen  werden.  Würde 
ich  tiberall  die  jetzt  gültigen  Namen  an  die  Stelle  setzen 
wollen,  so  würden  umfangreiche  nomenclatorische  Er- 
örterungen den  Aufsatz  allzusehr  in  die  Länge  ziehen.  Es 
mag  dies  bei  einer  späteren  Gelegenheit  geschehen. 

Aus  der  Tabelle  I  ersieht  man,  wie  vorsichtig  man  sein 
muss,  wenn  man  aus  Stufenfängen,  die  man  beim  Besteigen 
eines  Gebirges  ausführt,  seine  Schlüsse  ziehen  will:  Nur 
völlig  gleichwerthige  Fänge  dürfen  in  Parallele  gebracht 
werden.  Können  doch  Fänge  von  demselben  Orte  sich  in 
ihren  Arten  fast  völlig  ausschliessen.  In  dem  vorliegenden 
Falle  sind  nur  drei  Uebergangsformen  gewissermaassen  als 
Bindeglieder  vorhanden,  Forrhomma  pygvnaeum  kommt  so- 
w'ohl  an  Fichten  als  im  Moose  vor,  Gonathim  isahcllinum 
sowohl  im  Moose  als  auf  niederen  Pflanzen  und  Meta 
mtrianac  sowohl  auf  niederen  Pllanzen  als  an   Fichten. 


Sitzuny  vom  18.  November  1902. 


189 


Tabelle  I. 

Fänpo  von  I'"inkoiikru!r  bei  Berlin. 


o,a 


c  c 

C    j-    N 


S 


I'orrhom  1)1(1  jyytjmaeioii  . 
]jcphthyphunte,'{  obsairu.f 
TJicridium  varians     .     . 

—  tinctuiii 
Tetr  agnntha  solaudrii    . 
Epi.'ira  diodia  .... 
Hijptiotes  paradoxus 
Xysticus  pini  .... 
Diaea  dorsata  .... 
Anyphaena  accentuata  . 
Cluhiona  compta   . 
Meta  merianae      .     .     . 
lAnyphia  tricaujularis    . 

—         horten,<fis    .     . 
Pachycjnatlia  listeri   .     . 

—  clercki  .  . 
Lephthypluintes  cristutn.s 
Buthy  phante.f  nigrinus  . 
Gönn  tium  imbellinum  . 
Wdlckenaera  cnspidata  . 
Tapi  nocyha  insecta  . 
3IiHyriolHs  pusillus  .  . 
Macrar yns  rufus  .  .  . 
Agroeca  brunnea  .  .  . 
Oxyptila  horticola 
Prostkesima  siibterraneu 


2 
4 
3 
3 
2 
2 
2 
7 
17 
2 
3 


Aber  auch  dann,  wenn  alle  drei  Fänge  an  Fichten- 
zweigen, wenn  alle  auf  niederen  Pflanzen  oder  wenn  alle 
ni  Moose  gemacht  worden  sind,  können  sie  recht  ver- 
schieden sein,  sobald  Abweichungen  anderer  Art  vorliegen. 
Um  dies  zu  zeigen,  habe  ich  in  nachfolgender  Tabelle  drei 
Fänge  zusammengestellt,  die  alle  an  demselben  Tage  lam 
26.  Oktober)  auf  feuchtem  Sumpfboden  bei  Fiukenkrug  von 
Fichtenzweigen  gewonnen  wurden,  der  erste  von  völlig  frei- 
stehenden Fichten,  der  zweite  von  den  unteren  halbbe- 
schatteteu  Zweigen  halbwüchsiger  Fichten  und  der  dritte 
von  den  unteren  beschatteten  Zweigen  grösserer  Fichten. 
Zur  Charakterisirung  der  Oertlichkeit  muss  ich  noch  hinzu- 


190 


Gesellschaft  natwforschender  Freunde,  Berlin. 


fügen,  dass  die  Fichten  in  allen  drei  Fällen  sehr  stark  mit 
Laubholz  untermischt  standen,  so  dass  man  sie  auch  als  in 
den  Laubwald  eingestreut  bezeichnen  könnte.  Auch  in 
dieser  zweiten  Tabelle  blieben  alle  vereinzelten  Vorkomm- 
nisse aus  den  oben  angegebenen  Gründen  unberücksichtigt. 

Tabelle  II. 

Fänge  von  Finkenkrug  bei  Berlin. 


Trematoceplialus  cristatus 
Theridmm  sisyphium 
Clubiona  jyallidida     .     . 
—       frutetorum  .     . 
Entelecara  acuminata    . 
Dictyna  pvsilla     .     .     . 
Clubiona  subsultans  .     . 
Philodrotnns  aureolus     . 
Tetragnatha  solandri 
Lephthyphantes  obscurus 
Theridium  varians     .     . 
Anyphaena  accentiiata  . 
Meta  meriartae      .     .     . 
Linyphia  wontana     .     . 
Cyclosa  conica  .... 
Xysticus  pini  .... 
Ther  .dium  tinctum     . 
Dia^a  dorsata  .... 
Porrhomma  p)y(Jinaeum  . 
Epeira  diodia  .... 
Hyptiotes  paradoxus 
Clubiona  compta   .     .     . 


2 
3 
2 
6 
9 
12 

26 
5 
2 
3 
6 


2 
4 

5 

(1) 
4 
12 
20 
2 
2 
2 
2 
2 


Vergleicht  man  die  Tabelle  II  mit  der  Tabelle  I,  so 
lässt  sich  ein  Resultat  allerdings  mit  aller  Sicherheit  er- 
kennen, dass  nämlich  die  drei  Fänge  der  zweiten  einander 
sehr  viel  näher  stehen  als  die  drei  Fänge  der  ersten.  Und 
doch  lagen  die  Orte,  an  denen  die  Fänge  der  zweiten  Ta- 
belle gemacht  wurden,  ziemlich  weit  von  einander  entfernt, 
während  die  drei  Fänge  der  ersten  an  genau  demselben 
Orte  gewonnen  sind:  Man  wird  sofort  erkennen,  dass  die 
drei    Fänge    der    ersten   Tabelle    unter    den   26   Arten   nur 


Sitzung  vom  18.  November  1902.  191 

3  Biiidc^'lieder  aufweisen,  die  drei  Fänge  der  zweiten  Ta- 
belle unter  22  Arten  9  l^indeglieder;  dass  die  erste  Tabelle 
kein  einziges  Bindeglied  aller  drei  Fänge  atifweist.  die 
zweite  dagegen  deren  drei.  Hätte  ich  die  Lebensbe- 
dingungen für  die  drei  Fänge  der  zweiten  Tabelle  noch 
ähnlicher  gewählt,  so  würden  die  Fänge  einander  noch 
ähnlicher  sein.  Ich  hätte  dann  den  einen  Fang  in  England, 
den  zweiten  in  Norddeutschland  und  den  dritten  auf  gleicher 
geographischer  Breite  in  Russland  machen  können,  ohne 
dass  die  Fänge  eine  bedeutende  Abweichung  gezeigt  hätten. 
Aus  den  verschiedenen  Theilen  Norddeutschlauds  besitze 
ich  eine  grosse  Reihe  von  Fängen,  die  im  Wesentlichen 
alle  dasselbe  beweisen,  was  hier  aus  den  wenigen  Fängen 
geschlossen  wurde.  Ich  denke,  der  Leser  wird  also  von 
der  Beweiskraft  meiner  Fänge  überzeugt  sein. 

Auf  der  Gebirgsreise  wurden  im  Ganzen  22  Fänge 
gewonnen,  theils  einfache,  theils  Doppelfänge  und  zwar  6 
von  Fichten.  4  von  niederen  Pflanzen  besonders  von  Blau- 
beersträuchern,  7  aus  Moos  und  5  unter  Steinen  resp. 
Rinde.  Die  Fänge  sind  nicht  alle  gleichwerthig.  und  da 
ich  in  den  nachfolgenden  Tabellen  nur  die  Höhe  angeben 
werde,  muss  ich  sie  hier  etwas  näher  charakterisiren. 
Was  zunächst  die  Oertlichkeit  anbetrifft,  so  ist  folgendes 
zu  bemerken: 

Die  unterste  Stufe  stellt  der  Kavalierberg  bei  Hirschberg  dar,  der 
sich  etwa  400  m  über  den  Meeresspiegel  erhebt.  Es  wurde  dort  ge- 
macht 1)  ein  Fang  von  Ficlitcn,  theils  von  jungen,  zienilicli  scliattig 
stehenden,  theils  von  den  unteren  beschatteten  Z*veigeii  hojier  Fichten, 
2)  ein  Fang  aus  Moos  und  zwar  aus  einer  dünnen,  spärlichen  Decke 
zwischen  jungen  Fichten,  theils  schattig,  theils  freistehenden,  3)  ein 
Fang  unter  der  Rinde  ziemlich  starker  Kiefern  und  4)  ein  Fang  von 
niederen  Pflanzen  im  Schatten  hoher  Bäume.  Der  Wald  des  Kavalier- 
berges besteht  aus  Laubholz,  Fichten  und  Kiefern.  Als  zweite  Stufe 
folgt  dann  ein  Gelände  an  der  Loninitz  bei  Krummhübel,  ca.  600  m 
hoch.  Es  wurde  hier  gemacht  ein  Fang  unter  freiliegenden  Steinen 
und  ein  Fang  von  Fichten,  theils  ziemlich  freistehenden  jungen  Bäumen, 
theils  und  besonders  von  schattig  stellenden  und  den  unteren  Zweigen 
grösserer  Bäume.  Der  Wald  besteht  von  hier  bis  zur  Knieholzregion 
aus  Fichten  und  Tannen.  Die  dritte  Stufe  ist  eine  ältere  Schonung 
oberhalb  Wolfshau,  ca.  750  m  hoch.  Hier  wurde  gemacht  ein  Fang 
von  freistehenden  Fichten  und  ein  Fang  aus  Moos,  beide  am  Rande 
von  Waldwegen.  Dann  folgt  ein  Fang  von  beschatteten  Zweigen  hoher 
Fichten   und   sehr  schattitr   stehenden  jungen  Fichten   nahe   der  Brot- 


192  Gesellschaft  naturfor sehender  Freunde,  Berlin. 

baude,  ca.  800  m  hocli.  Dann,  ebenfalls  bei  der  Erotbaude,  ca.  830  m 
hoch,  1)  ein  Fang-  unter  Steinen  im  schattigen  Walde,  2)  ein  Fang 
von  niederen  Pflanzen  am  Rande  einer  Schonung  und  3^  ein  Fang  aus 
dem  sehr  spärlichen  Moose  dieser  Schonung.  Dann  folgt  auf  etwa 
930  ni  ein  Fang  von  halbwüchsigen,  dichtstehenden,  aber  unten  noch 
vollständig  grünen  P'ichten  auf  dem  Hohenzollernstein.  Dann  auf 
ca.  9nO  m  ein  Fang  unter  freiliegenden  Steinen  am  Ufer  der  Lomnitz. 
Dann  folgen  zwei  Fänge  in  dem  obersten  Theile  des  Hochwaldes, 
einer  neben  der  Lomnitz  etwa  lOüO  m  hoch  von  niederen  Pflanzen  und 
einer  etwa  llOOm  hoch  oberhalb  der  Schlingelbaude  aus  Sphagnum,  auf 
sehr  nassem  und  quelligcm,  halbschattigem  Boden.  In  der  Knieholz- 
region wurden  in  etwa  12o0  m  Höhe  1)  ein  Doppelfaiig  aus  Moos, 
Flechten  und  Graswurzeln  zwischen  Felsblücken  am  kleinen  Teiche 
gemacht,  21  ein  Fang  aus  Moos  oberhalb  des  Lomnitzfalles  und  3)  ein 
Fang  von  niederen  Pflanzen,  ebenda.  Die  höclisten  Fänge  wurden  auf 
dem  Koppenplan  oberhalb  der  Hampelbaude  gemacht  und  zwar  1)  ein 
Doppelfang  unter  Steinen,  2)  ein  Fang  von  kleinen,  verkrüppelten 
Fichten,  3)  ein  Fang  von  Knieholz  (ohne  Ausbeute)  und  4)  ein  Vüwg 
aus  Moos,  theils  Hypnum,  theils  Sphagnum.  Alle  diese  Fänge  wurden 
ausgeführt  vom  16.  bis  zum  19.  Oetober  d.  Js.,  nachdfm  oben  schon 
einmal  Schnee  gelegen  hatte,  die  Fänge  in  der  Knieholzregion  bei  sehr 
kaltem  Herbststuim  mit  Regen,  die  anderen  bei  etwai;  besserem  Wetter. 
Ausser  Spinnenthieren  wurden  auch  Insekten  mitgenommen. 

Als  VergieichsfäDge  wurden  herangezogen  ausser  den 
fünf  schon  oben  näher  charakterisirten  Fängen  von  Finken- 
krug noch  zwei  Moosfänge  aus  der  Gegend  von  Neu-Rahns- 
dorf  bei  Berlin  und  ein  E'ang  unter  Steinen  bei  Nikolassee 
ebenfalls  bei  Berlin. 

Die  beiden  Moosfänge  wurden  am  22.  Oetober  vorigen  Jahres 
gemacht,  der  eine  auf  hochgelegenem,  trocken-sandigem,  wenig  be- 
schattetem Gelände,  der  zweite  im  stark  von  Gras  und  andern  Pflanzen 
durchwachsenen  nassen  Torfmoos  und  zwar  in  einem  sogenannten  Fenn, 
der  dritte  am  2.  November  dieses  Jahres  im  trockenen,  halbwüchsigen 
Kiefernwalde. 

Ausser  den  ottjektiven  Verschiedenheiten,  d.  h.  den  Ver- 
schiedenheiten, die  auf  wirklich  vorhandene  Verschieden- 
heiten der  Lebensbedingungen  zurückzuführen  sind,  hat  man 
bei  Sammelfängen  stets  auch  auf  subjektive  Unterschiede 
acht  zu  geben.  Die  Zahlen,  die  uns  in  den  Fängen  ent- 
gegentreten, sind  nicht  absolute  Werthe,  wie  es  die  Zahlen 
bei  den  IIensen' sehen  Planktoufängen  und  bei  den  von  mir 
mittels  Selbstfängers  gemachten  Köderfängen  sind.  Schon 
die  augenblickliche  Verfassung  des  Sammlers  kann  auf  das 
Ergebnis«  des  Fanges  von  Eintluss  sein.  Noch  mehr  sind 
es  die  äusseren,  auf  den  Sammler  einwirkenden  Verhält- 
nisse:   Ks   ist   z.  P).  klar,    dass  man  bei  trockenem  ruhigen 


Sitzvny  roni  IS.  Noremher  1902.  193 

Wettor  inehr  oinfäni^t  als  bei  Stiinn  und  Regen.  Aber  auch 
dann,  wenn  die  Verfassung  des  Sammlers  und  die  auf  ihn 
ein\viii<enden  Verhältnisse  äusserst  günstig  sind,  ivann  ein 
gewisses  Maximum  nicht  überschritten  werden.  Die  Zahl 
der  Spinnen,  die  ein  Sammler  in  einer  Stunde  einzeln  ein- 
zn fangen  vermag,  dürfte  im  allergünstigsten  Falle  500  j<aum 
übersteigen,  —  Sind  nun  gar  die  Fänge  von  verschiedenen 
Sammlern  gemacht,  so  ist  noch  eine  weitere  Quelle  für 
subjektive  I)ifFerenz(Mi  gegeben:  man  bemerkt  beim  Sammeln 
oft  zwei  oder  mehrere  Spinnen  zu  gleicher  Zeit.  Während 
man  eine  derselben  greift,  entwischt  bisweilen  die  andere. 
Es  ist  klar,  diiss  der  ungeschulte  Laie  zunächst  nach  dem 
grösseren  und  autlallendereü  Thiere  greifen  wird.  Auch 
vom  geschulten  Laien  werden  Arten,  die  sich  totstellen  und 
Fremdkörpern  ähnlich  sind,  leichter  übersehen  als  vom 
Special isten.  Der  Kenner  läuft  andererseits  Gefahr,  seltene 
Thiere  zu  bevorzugen,  so  dass  deren  Zahl  etwas  zu  gross 
ausfallen  kann. 

Die  liier  vorliegenden  Fänge  vom  Riesengebirge  sind  nidit  alle 
von  mir  selbst,  sondern  theilweise  von  meiner  Frau  gemacht  worden. 
An  Sorgfalt  werden  die  von  ihr  gemachten  Fänge  den  von  mir  ge- 
machten kaum  erheblich  nachstehen.  Immerhin  habe  ich  sie  in  der 
Schluss-Tabelle  durcti  ein  M.  0.  kenntlich  gemacht.  Die  oben  schon 
genannten  Dojjpclfänge  wurden  von  uns  beiden  zu  gleicher  Zeit  an 
demsclbtn  Orte  ausgeführt.    Sie  sind  in  der  Tabelle  mit  I).  bezeichnet. 

Alle     genannten,     einem     Sammelfange     anhaftenden 

Fehler(iuellen   mahnen   uns,    in   Bezug  auf  Thierreiclitlium 

und   Thierarmuth  in   unsern   Schlüssen   vorsichtig  zu  sein. 

Hat  man  sich  dagegen  einzig  und  allein  die  Aufgabe  gestellt, 

die   Verbreitung    der  Arten   in   horizontaler   und   vertikaler 

Richtung,  nach  Lebensbedingungen  und  nach  der  Jahreszeit 

festzustellen,  wie  ich  es  gethan  habe,  so  genügen  die  Fänge 

vollauf,    vorausgesetzt,    dass   sie   von   einem  zuverlässigen 

Sammler    ausgeführt    sind.     Bei   Untersuchungen   über  die 

Verbreitung    kommt    es    immer  nur  auf  Verhältnisszahlen, 

nicht  auf  absolute  Zahlen  an.     Auch  aus  negativen  Befunden 

kann  ich  an  der  Hand  meiner  (juantitativen  Fänge  in  einem 

ausgedehnten  Maasse   Schlüsse    ziehen,    während    dies   bei 

nicht     quantitativem    Sammeln     immer    äusserst    unzuver- 

lässisr  ist. 


194  GeseUscluxft  naturf&rschender  Freunde,  Berlin. 

Wir  kommen  jetzt  zu  der  Frage,  wie  lange  man  an 
einem  Orte  sammeln  muss.  um  ein  annähernd  richtiges  Bild 
von  der  Fauna  dieses  Ortes  zu  bekommen.  Nur  eine  grosse 
Zahl  von  Versuchen  kann  zu  einem  richtigen  Urtheil  in 
dieser  Beziehung  führen.  Die  Zeit  ist  an  den  verschiedenen 
Oertlichkeiten  verschieden,  je  nach  der  Ergiebigkeit  der 
anzuwendenden  Fangmethode. 

Am  ergiebigsten  ist  der  Fang  von  Büschen  mittels 
eines  Schirmes.  Mit  dem  Schirm  kann  man  nämlich  in 
der  gleichen  Zeit  das  verhältnissmässig  grösste  Areal  ab- 
sammeln und  daher  die  verhältnissmässig  grösste  Ausbeute 
erzielen.  —  Kaum  weniger  individuenreich  sind  die  Streif- 
sackfänge von  niederen  Pflanzen.  —  Weit  umständlicher 
ist  das  Sammeln  unter  Steinen  und  Rinde  und  noch  mehr 
Zeit  erfordert  das  Sammeln  im  Moos,  im  trockenen  Laube, 
zwischen  Wurzelwerk,  im  Anspülicht  etc. 

Beim  Sammeln  von  Büschen  und  niederen  Pflanzen 
srenügt  zur  Noth  eine  Viertelstunde,  um  ein  annähernd 
richtiges  Urtheil  über  die  Spinnenfauna  eines  Ortes  zu 
gewinnen.  Beim  Sammeln  unter  Steinen  und  Rinde  ist 
mindestens  eine  halbe  Stunde  erforderlich  und  beim  Sammeln 
im  Moos,  Laub  etc.  muss  man  mindestens  eine  Stunde  lang 
thätig  sein.  Auf  jeden  Fall  ist  es  aber  empfehlenswerth, 
über  diese  Minima  hinauszugehen. 

In  der  Tabelle  am  Schluss  hahe  ich  alle  Fänge  auf  die  hier  an- 
gegebenen Minima  reducirt,  so  dass  die  Zahlen  also  unter  einander 
unmittelbar  vergleichbar  sind.  Die  Sammelzeit  der  ganzen  Fänge,  aus 
welchen  jene  Zahlen  berechnet  wurden,  sind  in  der  Ueberschrift  in 
Bruchtheilen  einer  Stunde  angegeben.  Jeder  Leser  kann  also  die 
wirklich  gefundene  Zahl  sehr  leicht  berechnen.  Entstand  bei  der  Re- 
duction  ein  Bruch,  so  wurde  nach  oben  abgerundet,  sobald  derselbe 
Vs  und  darüber  betrug,  sonst  nach  unten.  Wenn  der  Fund  durch  Ab- 
rundung  nach  unten  ganz  verschwunden  war,  wurde  das  Vorkommen 
der  Art  durch  „(1)"  angedeutet. 

Wenden  wir  uns  jetzt  den  Schlussfolgerungen  zu.  so 
ergeben  sich  zunächst  einige  allgemeine  Sätze  über  die 
Zahl  der  Arten  in  den  Fängen.  Es  zeigt  sich,  dass 
die  Fänge  unter  Steinen  resp.  unter  Rinde  durchweg  am 
ärmsten  an  Arten  sind.  Dann  folgen  die  Fänge  von 
niederen  Pflanzen,  dann  die  aus  Moos  gewonnenen  und 
am   artenreichsten   sind   die  Fänge   von  Fichtenzweigen.  — 


Sitzung  vom  18.  November  1903.  195 

Ferner  ergiebt  sich,  dass  die  Artenzahl  in  den  Fängen  der 
Ebene  und  der  Vorberge.  —  abgeseiien  von  den  unter 
Steinen  gewonnenen  Fängen  —  grösser  ist  als  in  den 
eigentlichen  Gebirgsfängen  und  dass  die  Zahl  im  Allge- 
meinen mit  der  Höhe  abnimmt.  Natürlich  haben  diese 
Schlussfolgerungen,  wie  auch  alle  folgenden,  zunächst  nur 
für  diejenige  Jahreszeit,  in  der  die  Fänge  gemacht  sind, 
d.  h  für  den  Oktober  Gültigkeit  und  man  könnte  glauben, 
dass  das  rauhe  Herbstwetter  im  Gebirge  früher  zur  Wirkuntr 
gekommen  sei  als  in  der  Ebene.  Für  die  Fänge,  welche 
in  der  Knieholzregion  von  Pflanzen  gewonnen  wurden,  mag 
diese  Vermuthung  auch  berechtigt  sein.  In  jenen  Fängen 
ist  nämlich  nicht  nur  die  Artenzahl,  sondern  auch  die 
Individuenzahl  äusserst  gering.  In  den  Fängen  der  Wald- 
region aber,  nimmt  die  Individuenzahl  keineswegs  nach 
oben  ab.  So  ist  der  in  einer  Höhe  von  800  m  von  Fichten 
gewonnene  Fang  sogar  der  individuenreichste  von  allen. 
Die  Abnahme  der  Arten  nach  oben  muss  also  andere,  ganz 
allgemeingültige  Ursachen  haben.  Welcher  Art  diese  Ur- 
sachen sind  und  wie  dieselben  wirken,  das  werden  viel- 
leicht weitere  Untersuchungen  ergeben.  Hier  mag  vorläufig 
nur  die  Thatsache  festgestellt  sein. 

Wenden  wir  uns  jetzt  den  einzelnen  Arten  zu,  so  er- 
geben sich  weitere  Resultate.  Ich  möchte  dieselben  recht 
klar  hervortreten  lassen  und  habe  deshalb  in  der  nach- 
folgenden kleinen  Tabelle  zunächst  nur  die  (im  October) 
auf  Fichten  häufigsten  Arten  berücksichtigt,  nur  diejenigen 
Arten,  die  in  13  oder  mehr  Individuen  gefunden  wurden. 
Die  häufigsten  Arten  sind  für  eine  Beweisführung  am  ge- 
eignetsten, weil  ihr  Fehlen  in  einer  Reihe  von  Fängen  gar- 
nicht  anders  zu  deuten  ist,  als  durch  die  Annahme,  dass 
die  betreffende  Art  an  jenem  Orte  wirklich  fehlt  oder 
äusserst  selten  ist.  Eine  an  und  für  sich  schon  seltene 
Art  kann  natürlich  zufällig  viel  leichter  in  einem  Fange 
ganz  fehlen. 

Die  Tabelle  III  lässt  drei  Verbreitungsgrenzen  ziemlich 
scharf  hervortreten.  Die  erste  Abgrenzung  fällt  mit  der 
oberen  Waldgrenze  zusammen  und  liegt  demnach  auf  etwa 


196 


Gesellsc/ui/t  natprfwschendei-  Freunde,  Berlin. 


Tabelle  III. 

Die  auf  Fichten  (im  October)  häufigen  Arten. 


Ol 

1 

1 

C 

, 

5 

i4 

'o 

«  s 

So 

ja  S 
^ - 

0) 

S  £ 

S  o 

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p  35 

o  12 

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C    M 

w 

K 

ö 

::S^ 

W 

K 

s 

fa 

!J^ 

Lepldhyplumtes  mughi 

1 

23 

66 

1 

Linyphia  j)hryginna     . 

2 

9 

7 

17 

18 

Epeira  dromedaria .     . 

2 

1 

6 

2 

. 

Lephthyp/umL'S  obscurns 

2 

1 

3 

6 

2 

i 

2 

Meta  merianae    .     .     . 

1 

3 

14 

7 

1 

20 

3 

Fkilodroiims  aureolus  . 

1 

2 

4 

12 

26 

4 

1 

Theridium  varians  .     . 

, 

11 

4 

6 

3 

4 

4 

Dictyna  pusilla  .     .     . 

l 

2 

11 

1 

Anyphaena  uccentiiuta 

6 

12 

17 

Tetraynatha  solandri  . 

. 

5 

5 

3 

1000-  1100  m.  Die  zweite  Grenze  liegt  auf  etwa  750  bis 
800  m  und  die  dritte  unterhalb  400  ra.  Die  letztere  schliesst 
das  Gebirge  nach  unten  gegen  die  Ebene  ab.  Im  Nach- 
folgenden sollen  die  vier  Regionen  von  oben  nach  unten 
als  Knieholzregion,  obere  Waldregion,  Region  der 
Vorberge  und  Region  der  Ebene  bezeichnet  werden. 

Die  Arten  sind,  wie  die  Tabelle  erkennen  lässt, 
grösstentheils  über  zwei  oder  mehrere  Regionen  verbreitet. 
Manche  Arten  verschwinden  auch  mitten  in  einer  Region 
und  fügen  sich  also  nicht  genau  dem  Schema.  Immerhin 
glaube  ich,  dass  die  durch  die  Tabelle  vorgezeichnete  Ab- 
grenzung für  die  Spinnenthiere  des  Riesengebirges  recht 
naturgemäss  ist  und  ich  habe  deshalb  im  Nachfolgenden 
die  sämmtlichen  Arten,  die  ich  jetzt  im  Oi^tober  auf  meiner 
Reise  fand,  unter  Benutzung  der  Riesengebirgslitteratur  nach 
diesem  Schema  gruppirt.  Da  bei  dieser  Gruppirung  die 
Fänge,  welche  aus  der  Gegend  von  Berlin  zum  Vergleich 
herangezogen  sind,  in  Zahl,  Umfang  und  Variation  etwa 
den  im  Riesengebirge  gewonnenen  Fängen  gleichkommen, 
gestatten  dieselben  einen  ausgedehnten  Vergleich  beider 
Faunen. 


Sitzun(j  vom  ib'.  Norcnibcr  1902. 


197 


rcfuiulcü 


ver- 


111 


<re- 


A.    Typische  Gobirgsformon. ') 

I.  Arten,    die    nur    in    der    Knieholzregiou 
wurden: 

Lycüsd  saltuaria,  CcnilincUa  scabrosa. 

Hilaira  niuntiyena, 

II.  Arten,  die  in  der  Knieholzregion  und  der  oberen 
Waldregion  gefunden  wurden: 

oLi'phthijp/Kintes   )nu<jhi,  Centroments  pubulator, 

oBolyphdutc.s  (ilticeps,  Centromerus  arcamis. 

Fcdanostetlius  truncormn, 

III.  Arten,    die    über  die   drei  oberen  Regionen 
breitet  gefunden  wurden: 

Lephthyphau tes  tenebricola, 
Diplocephalus  latifrons, 
Brachi/cen tnt in  thordcatu in , 

IV.  Arten,    die    nur 
funden  wurden: 

vtBrnchycentrum  elotujatuvi, 
Hilaira  excisa, 

V.  Arten,  welche  zugleich  in  der  oberen  Waldregior 
und  in  der  Region  der  Vorberge  oder  nur  an  der  Grenze 
dieser  beiden  Regionen  gefunden  wurden: 

oEpcira  drouiedaria,  Harpactes  lepidus, 

oLinyphia  phryijiana,  oCryphoeca  sylvicola, 

Walckenaera  melanocepliaUi,  Amaurobius  fenestralis. 

Lophomma  vivum, 

VI.  Arten,  die  nur  in  der  Region  der  Vorberge  ge- 
funden wurden: 

oTheridium  pallens,  oPhilodromus  maryaritatus, 

oLinyphia  peltata,  Hahnia  pusiUa, 
0       —        insi<jnis,  Tcyenaria  sylvestris, 

Micryphantes  corniycr,  Clubiona  eorticalis. 

B.    Bewohner  der  Ebene,   die  bis  in  die  Berge 
verbreitet  sind: 

VII.  Arten,  die  von  der  Ebene  bis  in  die  KnieholE- 
region  hinaufgehen: 


Oxyptila  trux, 
Coelotes  tcrrcstris, 
Amaurobius  claustrarius. 

der    oberen   Waldregion 

oLephthyphaii tes  alacris. 


')  In  dieser  Zusammenstellung  sind  die  mit  einem  Stern  bezeich- 
neten Arten  nicht  in  Chyzer  et  Kulczynski,  Arancae  Hunyariae  ent- 
halten und  deshalb  von  mir  in  eine  entsprechende  Gattunfr  eingetragen. 
Die  mit  einem  kleinen  Kreis  ausgezeichneten  Arten  kommen  aus- 
schliesslich oder  häufig  auf  den  Blattern  und  Zweigen  der  phaneroganien 
Pflanzen  vor.  Die  gesperrt  gedruckten  Arten  sclieinen  bisher  in 
Deutschland  noch  nicht  gefunden  zu  sein, 


198 


Gesellscluift  naturfürschcndtr  Freunde,   Berlin. 


Wakkenaera  cuctdla  ta, 
oGoiKttiuni  isahellinurn, 

Miniirioliis  pusiUus, 
oClnbionn  reclnsa, 

Drassus  troijlodytes. 

der  Ebene    bis 


in    die   obere 


Pachyynatha  deijeeri, 
oEpeira  diadenuita, 
oMicryphantes  rxrcstris, 
oEri(jone  atra, 

Walckenaera  antica, 

VIII.  Arten,    die    von 
Waldregion  verbreitet  sind: 

oMeta  merianae, 
oCydosa  conica, 
oDrapetisca  socialis, 
0  Linyphia  trianyularis, 
o       —        pusilla^ 
oLephthyphantes  obscurus, 
—  mansuetiis, 

Macraryus  rufus, 

IX.  Arten,  die  zugleicli  in  der  Ebene  und  in  den  Vor- 
bergen  gefunden  wurden: 


Walckenaera  acu  m  iiia  tu, 
o  Theridiu  m  sisyphiu  m, 
oXysticiis  pini, 
0      —        bifasciatus, 
oL'lubiona  subsultans, 
o      —        pallidula, 

Zora  nemoralis. 


oEpeira  cucurbitina, 
oHyptiotes  puradoxus, 
o L tnyphia  mon tuna, 
0  Lephthyphan tes  cristn tus, 

Bathypltantes  concolor, 
*]\Iicroneta  subtilis, 

Centromerus  bicolor, 
—  sylvaticHS, 

Focadicnemis  pumila, 
*Diplocephalus  hiemalis, 
o  —  humilis, 

oEntelecara  acuminata, 


Peda nostethiis  lividus, 
o  Theridiu m  varians, 
o        —  bi)naculatum, 

oEro  furcata, 
oFachyynatha  dercki, 
oSeyestria  senoculata, 
oDictyna  pusilla, 
oPhilodro)nus  aureolus, 
o         —  dispar, 

Neon  reticulatus, 
oClubiona  compta, 
o      —        frutetoruin, 
oZora  spinimana. 


die 


lAjphomma  herbiyradaum, 

Gonyylidiellum  murciduni,  ol.ycosa  luynbris. 

Tapinocyba  insecta, 

C.    Formen  der  Ebene. 
X.    Arten   aus   den  Vergleichsfängen   von   Berlin 
bisher  nicht  im  Gebirge  gefunden  sind  : 

oEpeira  angulata,  oBathyphantes  niyrinus, 

o     —       diodia,  oVorrliomma  pyymaeum, 

oTetraynatlia  solandri,  Centromerus  incilium, 

oVacltyynntha.  lister i^  —  expertus, 

o Li nyphia  hortensiy,  *Oreonetides  imbecillior^), 

*)  Ich  bt^sitze  ausbcr  dieser  neuen  Art  iiocli  eine  zweite  ebenfalls 
neue  Art  der  STRANu'schen  Gattung  resp.  Untergattun":  (heonctidcs, 
beide  in  der  Umgeiiung  von  Kerlin  gefunden.  Die  Stammart  der 
Gattung  0.  rayinata  besitzt  unser  Museum  nicht.  Die  drei  Arten  der 
Gattung  lassen  sich  nach  folgender  Uebersicht  leicht  unterscheiden. 
Ausführlicher  beschreiben  werde  ich  die  beiden  neuen  Arten  bei  einer 
späteren  Gelegenheit. 
I.  Die  drei  mittlen  n  Zähne  am  vorderen  Falzrand  der  Mandibeln  von 
annähernd    gleicher    Grösse    (im    Ganzen    sind    5    vorhanden),    am 


Sitzun(j  vom  IS.  November  1902.  |99 

Oon(itiu)ii  ruln'iis,  Ayroecd  briDinea, 

Wdlckeiiuera  ciispicldtd,  oAnyphaena  acventttaUt, 

—  tmicornis,  Hdluüd  elcyaii.s; 

—  Jucioid issiiiKt,  O.vi/ptihi  liorticuht, 
'XotiuS(opi(S  sarcinatun,  oXy.stieus  ulmi. 
oGon(jylidinm  rufipes,  o      —        kochi, 
oTrcmatocep/uilu.s  cristatiis,  oDiaea  dorsata, 
*Diplu(epludus  frontatHs,  Lycosa  puUata, 

Cnephalocotcs  interjectus,  —      pratmtya, 

oDieijplius  cornutus,  Pirata  piraticutt, 

"CeratineUa  rotunda,  —       lutitans, 

Pholcomtiui  (jibbum,  Trochosa  terricola. 
oTheridium  tinctuiii, 

Wenn  in  dieser  Gruppiriing  die  Fauna  von  Berlin  als 
Fauna  der  F^bene  der  Gebirgsfauna  gegenübergestellt  ist, 
so  rnuss  zunächst  in  Erwägung  gezogen  werden,  dass  das 
Riesengebirge  ca.  250  km  südöstlich  von  Berlin  liegt.  Da 
nämlich  erwiesen  ist.  dass  sowohl  nach  Osten  als  nach 
Süden  hin.  auch  unter  sonst  gleichen  V'erhältnissen,  Formen 
verschwinden  und  neue  Formen  auftreten,  so  könnten  immer- 
hin einzelne  Abweichungen  auf  Rechnung  dieser  südöst- 
licheren  Lage   kommen.     Verdeichen   wir  aber  die  Fauna 


Hinterraml  5  — G  sehr  kleine,  distalwärts  gleichmässig  ein  wenig  an 
Grösse  almeLmende  Zähne.  Das  Triohobothriuni  (Hörhaar)  des 
].  Metatarsus  steht  etwa  in  der  Mitte  des  Gliedes.  Die  hinteren 
Mittelaugen  sind  um  ^'4  ihres  Durchmessers  von  einander,  um  l'/* 
ihres    Durchmessers    von   den   hinteren   Seitenaugen    entfernt.     Der 

Cephalothorax  ist  1,7  mm  lang O.  validior  n.  sp. 

(Sollte  Linijplda  proletaria  L.  KoCH  aus  Sibirien  in  diese  Gattung 
und  nicht  in  die  Gattung  Hiluira  gehören,  so  würde  sie  leicht  da- 
durch von  0.  validior  zu  unterscheiden  sein,  dass  die  Augen  der 
hinteren  Reihe  um  das  Doppelte  ihres  Durchmessers  von  einander 
entfernt  sind.) 
II.  Die  drei  mittleren  Zähne  am  vorderen  Falzrand  der  Mandibeln 
distalwärts  an  Glosse  stark  abnehmend:  das  Trichobothrium  des 
1.  Metatarsus  weit  vor  der  Mitte  des  Gliedes  (wenig  hinter  '3)  (ob 
auch  bei  0.  vmjinatal). 

A.  Die  hinteren  Mittelaugen  von  den  Seitenaugen  kaum  um  ihren 
Durchmesser  getrennt  und  von  einander  noch  weniger.  Am 
hinteren  Falzrande  der  Mandibeln  4  —  5  gedrängte  Zähnchen, 
von  denen  der  proximale  stark  prävalirt.  Der  Cephalothorax 
0,8  —  1,2  mm  lang O    imbeciUior  11.  sp. 

B.  Die  hinteren  Mittelaugen  nach  L.  Küch  von  einander  um  ihren 
Durchmesser,  von  den  Seitenaugen  um  das  Anderthalbfache  ihres 
Durchmessers  getrennt  (nach  Si.mon  sogar  um  das  Do|)pelte). 
Am  hinteren  Falzrand  der  Mandibeln  nach  L.  Koch  nur  3  Zähne. 
Der  Cephalothorax  1,7— 2  mm  lang. 

0.  va<jinata  Thor.  {=  adipata  L.  Koch). 


200  Gesellscluiß  mdur/orschender  Freunde,   Berlin. 

von  Berlin  mit  der  der  genau  erforschten,  mehr  als  doppelt 
so  weit  entfernten  ungarischen  Ebene,  so  ergiebt  sich,  dass 
dieser  Faktor  sehr  gering  anzuschlagen  ist.  Es  sind,  wie 
man  sich  leicht  aus  der  Zusammenstellung  überzeugt,  in 
dieser  Arbeit  von  Berlin  nur  fünf  Arten  genannt,  die  nicht 
aus  Ungarn  bekannt  sind,  und  auch  von  diesen  fünf  Formen 
ist  es  noch  keineswegs  sicher,  ob  nicht  wenigstens  ein  Theil 
in  Ungarn  noch  gefunden  wird. 

Aus  der  Zusammenstellung  geht  nun  zunächt  hervor, 
dass  die  Ebene  wenigstens  ebenso  viele  Specialformen  be- 
sitzt (35)  wie  die  drei  Gebirgsregionen  zusammen  (32)  und 
dass  eine  fast  doppelt  so  grosse  Zahl  (54)  dem  Gebirge 
(die  Vorberge  eingerechnet)  mit  der  Ebene  gemein  sind. 
Zehn  Arten  gehen  sogar  von  der  Ebene  bis  in  die  Knie- 
holzregion. Von  den  (54)  der  Ebene  und  dem  Gebirge 
gemeinsamen  Formen  kommt  die  Mehrzahl  (34.  in  der 
Uebersicht  durch  einen  kleinen  Kreis  ausgezeichnet)  ent- 
weder ausschliesslich  oder  doch  htäufig  auf  Blättern  und 
Zweigen  phanerogamer  Pflanzen  vor,  während  eine  geringere 
Zahl  von  Arten  (20)  ausschliesslich  am  Boden,  (d.  h.. 
entweder  am  nackten  Boden  oder  zwischen  Moos.  Pflanzen- 
wurzeln etc.  oder  unter  Steinen)  oder  unter  Rinde  vorkommt. 
Bei  den  Specialforraen  sowohl  der  Ebene  als  der  Gebirgs- 
regionen ist  das  Verhältniss  gerade  umgekehrt.  Von  den 
36  Formen  der  Ebene  leben  20  am  Boden  und  nur  15 
dauernd  oder  vorübergehend  auf  Pflanzen.  Von  den  32 
Gebirgsformen  leben  sogar  21  am  Boden  und  nur  11  auf 
Pflanzen.  Man  erkennt  also,  dass  die  auf  Blättern  und 
Zweigen  lebeuden  Spinnen  durchschnittlich  weniger  lokal- 
verbreitet sind  als  die  am  Boden  lebenden.  Es  ist  das  ein 
allgemeingültiger  Satz,  der  sofort  verständlich  wird,  wenn 
man  bedenkt,  dass  die  auf  Pflanzen  lebenden  Arten  in  den 
reichlich  von  ihnen  erzeugten  Fäden  ein  besseres  Ver- 
breitungsmittel (fliegender  Sommer)  besitzen  als  die  Boden - 
thiere.  Eine  Folge  von  dieser  Thatsache  ist  die,  dass  fiir 
die  Feststellung  der  \'erl)roitung  im  engeren  Rahmen,  z.  B. 
innerhalb  eines  Landes,  die  auf  Pflanzen  lebenden  Formen 
im  Durchschnitt  die  wenigsten  Anhaltspunkte  liefern. 

Was    die    Unterscheidung"    der    Fauna    von    niederen 


Sitzutuj  vom  18.  yoteinber  1002.  201 

Pflanzen  und  von  Gesträuch  resp.  Bäumen  anbetrifft,  so 
ergeben  meine  Fänge  die  beachtenswerthe  Thatsache,  dass 
sich  der  Unterschied  mit  zunehmender  Höhe  immer  mehr 
verwischt.  Der  höchste  Fang  von  niederen  Pflanzen  enthält, 
ebenso  wie  der  höchste  Fang  von  Fichten,  nur  noch  eine 
einzige  Art  und  zwar  ist  es  in  beiden  Fällen  dieselbe  Art. 
Lephthiiphuntes  ninghi.  Es  mag  diese  Erscheinung  wohl  darin 
begründet  sein,  dass  die  Bäume  nach  oben  immer  kleiner 
werden,  dass  der  Unterschied  der  Lebensbedingungen,  welche 
Bäume  und  niedere  Pflanzen  bieten  also  immer  geringer  wird. 

Die  Sätze,  welche  ich  hier  entwickelt  habe,  gelten 
allerdings  zunächst  nur  für  den  Oktober.  Um  nämlich  ein 
richtiges,  allgemeines  Urtheil  über  die  Spinneufauna  einer 
Gegend  zu  gewinnen,  muss  man  die  Beobachtungen  ein 
ganzes  Jahr  hindurch  fortsetzen.  Die  meisten  Spinuenarten 
gelangen  nämlich  nur  zu  einer  ganz  bestimmten  Jahreszeit 
zur  Reife.  Dabei  kann  es  freilich  vorkommen,  dass  junge 
und  unreife  Thiere  zu  jeder  Jahreszeit  zu  finden  sind. 
Viele  Arten  aber  giebt  es.  die  man  in  der  einen  Hälfte  des 
Jahres  weder  in  jungen  noch  in  reifen  Exemplaren  findet. 
Durch  Serienfänge,  die  ich  bei  Berlin  an  verschiedenen 
Oertlichkeiten  ein  ganzes  Jahr  hindurch  fortgesetzt  habe, 
bin  ich  zu  dem  Schluss  gelangt,  dass  man  ein  annähernd 
richtiges  Resultat  bekommt,  wenn  man  dreimal  im  Jahre 
alle  verschiedenen  Fänge  wiederholt,  einmal  im  Vorsommer 
(Anfang  Juni),  einmal  im  Hochsommer  (Mitte  August)  und 
einmal  nach  dem  ersten  Herbstregen  (Mitte  Oktober).  Die 
Oktoberfänge  sind  am  schnellsten  zu  bewältigen,  weil  als 
Lokalitäten  nur  diejenigen  in  Betracht  kommen,  welche 
Schutz  gegen  die  Unbilde  der  Witterung  gewähren.  — 
Sollen  also  die  hier  begonnenen  Untersuchungen  einen 
höheren  Werth  erlangen,  so  müssen  sie  gelegentlich  im 
Vorsommer  und  Hochsommer  ergänzt  werden. 

Die  Verbreitungsgrenzen  der  einzelnen  Arten,  wie 
sie  in  dieser  Arbeit  zu  Tage  treten,  werden  vielfach  etwas 
modificirt.  theils  erweitert,  hier  und  da  aber  vielleicht  auch 
eingeschränkt  werden  müssen.  Aenderuugen  werden  nament- 
lich bei  denjenigen  Formen  nöthig  sein,  die  im  Oktober  selten 


202  Gesellschaft  naturforschetider  Freunde,  Berlin. 

ZU  finden  sind.  —  Vereinzelte  Funde  gestatten  nie  ein 
richtiges  Urtheil.  Darin  besteht  eben  in  erster  Linie  der 
Vorzug  des  quantitativen  plannüissigen  Sammeins,  dass  man 
den  Werth  eines  einzelnen  Fundes  auf  das  richtige  Maas 
zurückführen  kann.  Vereinzelt  kommen  die  meisten  Spinnen- 
arten auch  in  Gegenden  vor,  in  denen  sie  nicht  heimisch 
sind.  Schon  hier  in  dieser  Arbeit  konnte  ein  vereinzelter 
Fund  bei  der  Gruppirung  gleichsam  ignorirt  werden:  Brachy- 
centrum  thoracatum  fand  ich  bei  Bei-liu  bisher  überhaupt 
nur  in  einem  einzigen  Exemplar,  obgleich  ich  an  geeigneten 
Orten,  wie  ich  in  einer  späteren  Arbeit  zeigen  werde,  recht 
viel  gesucht  habe.  In  den  Gebirgsfängen  findet  sie  sich  in 
grosser  Zahl.  Ich  schliesse  daraus,  dass  die  Art  im  Ge- 
birge zu  Hause  ist  und  dass  sie  nur  gelegentlich  —  viel- 
leicht im  jugendlichen  Alter  auf  fliegenden  Fcäden  —  zu 
uns  gelangt. 

Es  ist  sehr  zu  bedauern,  dass  die  fleissige  und  sorg- 
fältige Sammelthätigkeit,  die  manche  Forscher  den  Spinnen 
haben  angedeihen  lassen,  nicht  etwas  planmässiger  vorge- 
nommen wurde.  Eine  Angabe  wie  „nur  einmal  gefunden" 
nützt  uns  garnichts,  wenn  wir  nicht  wissen,  wie  lange  der 
Autor  am  geeigneten  Orte  gesucht  hat.  Allgemeine  Aus- 
drücke wie  „selten",  „sehr  selten"  etc.  sind  noch  werth- 
loser,  weil  wir,  abgesehen  von  der  eben  genannten  Un- 
sicherheit, auch  nicht  einmal  wissen,  was  der  Autor  ^selten" 
oder  „sehr  selten"  nennt.  Vielleicht  ist  er  sich  darüber 
vielfach  selbst  nicht  ganz  klar  geworden.^)  Auch  die  An- 
gaben über  sogenannte  häufige  Thiere  geben  vielfach  ein 
falsches  Bild  von  ihrer  Verbreitung.  Ich  will  hier  nur  ein 
Beispiel  nennen :  vom  Lephthyphantes  miiglii  wird  angegeben, 
dass  er  auf  Legeföhren  in  der  Knieholzregion  vorkomme. 
Meine  Fänge  zeigen  auf  den  ersten  Blick,  dass  das  Hauptwohn- 
gebiet  dieser  Art  die  obere  Waldregion  ist  und  nicht  die  Knie- 
holzregion. Vor  der  Hand  müssen  wir  deshalb  mit  Schlüssen 
aus  früheren  Beobachtungen  äusserst  vorsichtig  sein.^) 

')  Der  einzige  Autor,  der,  so  viel  icli  soho,  sich  einmal  klar  darüber 
auspesprocheii  hat,  ist  0.  P.  Cambridge  in  Zoologist  v.  18,  p.  (5893  ff. 

^)  Man  vertfleiche  in  dieser  Beziehung  auch  meine  früheren  Aus- 
führungen   über   Kriijondlu  kiemalis.     Die    von    mir   angegebene   Ver- 


Sitzung  niiu  18.  Noreinötr  1902.  203 

Um  Missverständnissen  vorzubougen,  möchte  ich  nicht 
unerwähnt  lassen,  dass  mehrere  Formen,  die  in  dieser 
Arbeit  der  Fauna  von  Berlin  «gegenüber  als  Ber*j;furmen 
erscheinen,  in  gewissen  Theilen  der  norddeutschen  Ebene, 
namentlich  den  nördlichen  Theilen.  heimisch  sind.  Ich  nenne 
hier  nur  die  folgenden: 

Linyphin  insiiinis,  Coclote^  tirrtvtris, 

Theridiiim  pallens,  Aiiiaurobhts  foic^tratifi, 

Onjphoeai  sylvicola,  Clulnunn  corticalia. 
Hahnia  pusilUi, 

Ob  es  berechtigt  ist,  diese  Formen  trotz  ihres  Vor- 
kommens in  der  Ebene  als  Bergformen  zu  bezeichnen,  mag 
vorläufig  dahingestellt  sein.  Wir  müssen  die  Fauna  Deutsch- 
lands erst  gründlicher  auf  Spinnen  durchforscht  haben, 
bevor  wir  derartige  Fragen  entscheiden  können.  Ich  möchte 
hier  nur  eine  der  vielen  Fragen,  die  ein  allgemeineres 
Interesse  besitzen,  gestreift  haben.  Dringend  erwünscht  ist 
es.  dass  an  recht  vielen  Orten  weiter  gesammelt  werde.  Es 
möge  aber  jeder  Sammler  plaumässig  vorgehen  und  die 
Resultate  seiner  Forschung  in  tabellarischen  Uebersichten 
geben.  Werden  die  Arten  sorgfältig  bestimmt  und  einge- 
tragen, so  behalten  derartige  Tabellen  für  alle  Zukunft 
ihren  Werth. 

Herr  R.  Hartmeyer  sprach  über  Varietätenbildung 
und  eine  geographische  Varietät  von  Ciona  intesti- 
nalis (L.) 

Unter  dem  Ascidienmaterial  der  Bremer  Expedition 
(1889)  befand  sich  eine  Anzahl  von  Kükkxthal  in  der 
Albrechtsbai  gesammelter  Cionen,  die  sich  durch  ihre 
äussere  Körperform  so  auffallend  von  der  tj^pischen  Ciona 
intestinalis  (L.)  unterschieden,  dass  ich  die  Aufstellung 
einer  neuen  Art  für  nothwendig  erachtete').  Inzwischen  habe 
ich  reichlicheres  Cionenmaterial  aus  verschiedenen  arktischen 
Meeren  erhalten,  welches  mir  Gelegenheit  bot,  weitere  Unter- 


brcitungsgrenze  ist  durch  den  Fund  bei  Hiisthbcrg-  sclion  duicbbrochcn. 
Ob  es  sich  hier  um  ein  inselartiges  Vorkommen  liandelt,  muss  noch 
nachgewiesen  werden. 

>)  Zool.  Jahrb.  Syst.,  v.  12,  p.  502. 


204  GeseUschuft  naturforscliender  Freunde,  Berlin. 

suchimgen  über  diese  interessante  Form  anzustellen.  Zu- 
nächst konnte  ich  feststellen,  dass  alle  hocharktischen  Cionen 
die  gleiche  charakteristische  äussere  Körperform  zeigen  — 
der  lange  cylindrische  Körper  verjüngt  sich  unterhalb  der 
Darmschlinge  zu  einem  Stiel,  der  7?-  '^is  '/a  fler  Körper- 
länge erreicht  und  sich  an  seinem  Ende  zu  einer  Haftscheibe 
verbreitert  —  es  sich  mithin  bei  den  Stücken  aus  der  Albrechts- 
bai nicht  um  individuelle  Variation,  sondern  um  constante, 
allen  hocharldischen  Cionen  gemeinsame  Charactere  handelt. 
Ferner  lionnte  ich  eine  Anzahl  Cionen  von  der  Murmanküste 
und  von  der  Bären  Insel  untersuchen,  welche  in  über- 
zeugender Weise  den  Uebergang  von  der  typischen  C.  in- 
testinalis zu  der  hocharktischen  Form  vermitteln.  Endlich 
konnte  ich  feststellen,  dass  die  innere  Anatomie  aller  dieser 
Formen  keine  Unterschiede  aufweist.  Diese  Befunde  recht- 
fertigen die  Aufrechterhaltuug  einer  besonderen  Art  für  die 
hocharktische  Form  nicht  mehr.  Es  fragt  sich  nun.  ob 
man  der  hocharktischen  Form  den  Werth  einer  Varietät 
zuerkennen  soll.  Gestielte  Exemplare  von  C.  intestinalis 
sind  nämlich  nicht  auf  die  arktischen  Meere  beschränkt. 
Herr  Geheimrath  Prof.  F.  E.  Schulze  machte  mich  in 
liebenswürdiger  Weise  auf  das  Vorkommen  gestielter 
Exemplare  im  ■  Mittelmeere  aufmerksam  und  stellte  mir 
entsprechendes  Vergleichsmaterial  zur  Verfügung,  während 
Herr  Prof.  Seeliger  mir  brieflich  mitgetheilt  hat.  ein  ge- 
stieltes Exemplar  aus  dem  südlichen  Norwegen  zu  besitzen. 
In  keinem  dieser  Fälle  ist  der  Stiel  aber  in  so  extremer 
Weise  ausgebildet,  wie  bei  den  hocharktischen  Exemplaren. 
Bei  den  Mittelmeerstückeu  ist  ein  Stiel  nicht  allzu  selten, 
aber  seine  Länge  beträgt  höchstens  Vs  <ler  Körperlänge 
und  er  verbreitert  sich  nicht  an  seinem  Ende  zu  jener  eigen- 
thüm liehen  Haftscheibe  Morphologisch  ist  demnach  die 
hocharktische  Form  von  der  ungestielten  C.  intestinalis  nicht 
zu  trennen,  da  beide  durch  Uebergäuge  mit  einander  ver- 
bunden sind.  Da  sich  bei  ersterer  aber  ein  äusserer 
Charakter,  der  bei  C.  intestinalis  nur  gelegentlich  auftritt, 
in  extremer  Weise  entwickelt  und  constant  geworden  ist. 
dieser  constant  gewordene  Charakter  aber  gleichzeitig  Be- 


Sitzung  vom  18.  November  1902.  205 

Ziehungen  zur  geographischen  Verbreitung  erkennen  lässt, 
halte  ich  es  für  zweckmässig,  die  hocharktische  Form  als  eine 
geographische  Varietät  zu  betrachten  und  benenne  sie  C. 
intestiuaUs  (L.)  var.  longissima  IIaktmk.  Eine  eingriicndere 
Behandlung  dieser  Frage  behalte  ich  mir  für  meine  Be- 
arbeitung der  arktischen  Ascidieufauna  (Fauna  arctica)  vor. 

Herr  Carl  Börner  sprach  über  die  Grliederung  der 
Laufbeine  der  Atelocerata  Heymons. ') 

K.  W.  Vkrhoeff's  Aufsatz:  „Vergleichende  Morpho- 
logie der  Laufbeine  der  Opisthoyoneata  (Chüopoda,  CoUemhola, 
Thysanura,  Insecta)''  ^)  veranlasste  mich,  eine  genaue  Unter- 
suchung über  die  Gliederung  der  Laufbeine  der  Myriopoden 
und  Insekten  vorzunehmen,  deren  Resultate  ich  hier  kurz 
vorläufig  bekannt  machen  möchte.  Eine  ausführliche  Arbeit 
über  das  vorliegende  Thema  mit  zahlreichen  Abbildungen 
wird  in  den  „Zoologischen  Jahrbüchern  von  L  W.  Spen- 
gel"  erscheinen. 

Trotz  der  umfangreichen  Litteratur.  welche  bereits  über 
die  Laufbeine  der  Myriopoden  und  Insekten  geschrieben 
worden  ist.  scheint  man  noch  nicht  zu  einem  richtigen 
Resultat  über  die  Homologie  der  Gliederung  derselben  bei 
Pro-  und  Ojjisthogoneata  gelangt  zu  sein.  Selbst  innerhalb 
der  Hexupoda  hatte  man  noch  nicht  überall  die  gleicli- 
werthigen  Stücke  erkannt,  wie  z  B.  bei  den  CoUemhola.  wo 
weder  Lubbock'')  und  Tullberg^).   denen  sich  Willem^) 


^)  Mit  Untersiuiiungsinaterial  unterstützten  mich  in  liebenswürdigster 
Weise  die  Herren  Professoren  Dr.  F.  Dahl,  Dr.  F.  Karsch,  H.  J.  Kolbe, 
sowie  die  Herren  Dr.  G.  Endehlein,  Dr.  K.  Grünberg,  Dr.  R.  Hey- 
MONS,  Dr.  K.  Vekhoeik  und  M.  Ude;  allen  diesen  Herren  möchte  ich 
auch  hier  meinen  wärmsten  Dank  für  ihr  freundliches  Entgegenkommen 
aussprechen. 

*)  Beiträge  zur  vergleichenden  Morphologie  des  Thorax  der  In- 
sekten mit  Berücksichtigung  der  Chilopoden.  Abschnitt  I.  In:  Nova 
Acta,  Abh.  d.  Kaiserl.  Leop.-Carol.  deutsch.  Akad.  d.  Naturforscher, 
Bd.  LXXXI,  No.  2,   1902. 

*)  J.  Lubbock:  Monograph  of  the  Collemholn  and  Thysanura. 
London,  Ray.  Soc.  1873. 

*)  T.Tullberg:  Sveriges  Podurider.  K.Svens. Akad. Handig. X.  1871. 

*)  V.  Willem:  Recherches  sur  les  CoUemboles  et  les  Thysanoures. 
Mem.  cour.  publ.  par  TAkad.  roy.  Belgique.     T.  LVllI.     190U, 


206  GesellscJuift  n atmforschender  Freunde,  Berlin. 

anschloss,  noch  der  Verfasser'),  noch  auch  Verhoeff 
bisher  das  Richtige  getroffen  haben.  Bei  Chilopoden  und 
Hexapoden  nahm  man  allgemein  das  Vorhandensein  einer 
Coxa,  eines  Trochanter,  eines  Femur,  einer  Tibia  und  eines 
1-  oder  mehrgliedrigen  Tarsus  an  und  identificirte  in  basi- 
fugaler  Reihenfolge  die  einzelnen  Glieder  in  richtiger  Weise. 
Verhoeff  will  dagegen  den  Trochanter  der  Chüopoda  den 
meisten  Uexapocla  abstreiten,  schreibt  ihn  in  typischer  Aus- 
bildung unter  ihnen  aber  den  Odonata,  der  Malachide 
Wiagonyclm  fulva-)  und  moxiQhQn  ectotrophen  Thysanura'^]  zu. 
während  er  das  allgemein  als  Trochanter  bekannte  Glied 
der  Hexapoda  dem  Femur  der  Chüopoda  gleichsetzt  und 
dementsprechend  die  distalen  Beinglieder  bezeichnet.  Dqh 
Progoncata.  (speziell  den  Diplopodu)  sollen  nach  der  augen- 
blicklich landläufigen  Auffassnug  eine  Coxa.  ein  Femur,  eine 
Tibia,  ein  mehrgliedriger  Tarsus  und  nur  selten  ein  kleiner 
Trochanter  zukommen,  und  meines  Wissens  giebt  nur 
Hansen^)  für  die  Pauropoda  Coxa,  Trochanter,  Femur,  Tibia 
und  einen  1-.  oder  2gliedrigeu  Tarsus  in  normaler  Ent- 
wicklung an.  — 

Dass  man  bisher  die  Beingiieder  der  Pro-  und  Opistho- 
(jontata  nicht  in  richtiger  Weise  homologisirt  hat,  hat.  wie 
ich  glauben  möchte,  seinen  Grund  einmal  in  der  fast  voll- 
ständigen Vernachlässigung  des  Baues  der  verschiedenen 
Gelenke,  dann  in  der  unzureichenden  Kenntniss  der  zuerst 
von  Verhoeff  für  diesen  Zweck  mit  herangezogenen 
Muskulatur. 

Da  die  in  den  folgenden  Zeilen  mitgetheilten  That- 
sachen  z.  Th.  mehr  oder  weniger  genau,  schon  in  ver- 
schiedeneu Werken  systematischen  Inhaltes  und  einigen 
Lehrbüchern  (z.  B.  Kolbe,  Einführung  in  die  Kunde  der 
Insekten)  beschrieben   worden  sind,  die  anzuführen  hier  zu 

')  C.  Börnek:  Neue  Collcmbolenformen  und  zur  Nomenklatur  der 
Collemhola.     Zool.  Anz.,  Bd.  XXIV,  No.  6.^7/058,  1901. 

')  Das  von  Verhoeff  bei  diesen  Formen  als  Trochanter  inter- 
pretierte „Glied"  ist  ein  fest  mit  dem  -wirklichen  Trochanter  verbun- 
denes „Strictum". 

*)  H  J.  Hansen:  On  the  Genera  and  Species  of  the  Order  Pauro- 
podn      Vidcnsk.   Nh'dd.  frn   den  Nntnrli    Foren    i  Kjn-'benhavn,   1901. 


Sitzung  vom  18.  November  1902.  207 

weit  führen  würde,  so  möchte  ich  noch  hervoriiel)en.  tlass 
es  mir  hier  nicht  darauf  ankoiiimt,  nur  neue  und  iinbei<auute 
Verhältnisse  zn  beschreiben,  sondern  vornehmlich  eine  zu- 
sammenhängende Darstellnni;-  (Nm-  für  mein  Thema  noth- 
wendigen  morphologi-sclien  Grundlagen  zu  geben,  von  denen 
gewiss  der  eine  oder  andere  Punkt  bisher  unbekannt  ge- 
blieben sein  dürfte,  die  aber  sicher  noch  nicht  von  einem 
einheitlichen  (lesichtsjjunkt  ans  betrachtet  worden  sind. 

A.  Vergleichende  Morphologie  der  Laufbeine. 
I.  Die  Ebenen  des  Beines. 
Wie  an  jedem  bilateral  symmetrisch  gebauten  Körper 
können  wir  auch  an  den  Laufbeinen  ^)  der  Ateloceratu 
3  Hauptebenen  unterscheiden,  die  Sagittal-.  die  Frontal- 
und  die  Transversale bene.  Wenn  die  Laufbeine  im 
einfachsten  Falle  in  der  Hube  annähernd  in  der  Transversal- 
ebene des  Körpers  liegen  (inauche  Myriopoda,  Insekten- 
larven, mittleres  Beinpaar  vieler  Hexupoda).  so  ist  ihre 
Längsaxe  senkrecht  zur  Körperlängsaxe  gestellt.  Denken 
wir  uns  nun  ein  Bein  gerade  ausgestreckt,  so  können  wir 
durch  seine  Längsaxe  naturgemäss  2  Hauptebenen  legen. 
Die  Sagittalebene  schneidet  von  oben  nach  unien  durch 
das  Bein,  theilt  dieses  also  in  eine  vordere  und  eine  hintere 
Hälfte  und  fällt  im  einfachen,  ursprünglichen  Falle  mit  der 
Transversalebene  des  Körpers  zusammen.  Krümmt  sich 
ein  Bein,  so  krümmt  es  sich  für  gewöhnlich  in  dieser  Ebene. 
Die  Frontal  ebene  steht  lotrecht  zur  Sagittalebene.  geht 
aber  ganz  durch  die  Längsaxe  des  Beines;  sie  theilt  das 
Bein  in  eine  obere  und  untere  Hälfte;  ist  ein  Bein  gekrümmt, 
so  zerfällt  sie  in  genau  die  gleiche  Zahl  winklig  zu  einander 
stehender  Theilebenen.  als  Beinglieder  gegen  einander  ge- 
krümmt sind.  Die  Transversalebenen  des  Beines 
schneiden  die  Längsaxe  desselben  rechtwinklig.  Nur  die 
beiden  ersten  Ebenen  sind  für  uns  von  Interesse. 


*)  Annähernd  genau  bilateral  symmetrisch  sind  die  Laufbeine  nur 
bei  einer  Anzahl  der  Proijoneitta,  bei  den  übrigen  Kornuii  lieirt  nament- 
lich in  den  basalen  Gliedern  oft  eine  mehr  oder  weniger  deutlielie 
bilaterale  Asvnniietrie  vor. 


208  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

II.    Die    Lagebeziehungen    und    Gelenke    der  Bein. 

glieder. 

a.  Coxa  und  Coxo trochanteralgelenk. 

Die  Hüfte  (Coxa,  Co)  ist  stets  das  Grundglied  des 
Beines  und  mit  dem  Sternum,  resp.  dessen  Abkömmlingen ') 
entweder  artikulirend  verbunden  oder  mit  diesem  melir  oder 
weniger  verwachsen  (bei  manchen  Lepidopterenlarven  z.  B.)- 
Sie  stellen  mit  seltenen  Ausnahmen  einen  vollständigen 
Ring  dar,  welcher  distal  stets  (l  oder)  2  Gelenkhöcker 
besitzt,  die  vorn  und  hinten  mehr  oder  weniger  genau 
in  der  Frontalebene  des  Beines  liegen.  Der  vordere,  bis- 
weilen auch  der  selten  rückgebildete  hintere  Gelenk- 
höcker werden  meist  durch  chitinige  Längsleisten  (L)  ge- 
stützt, die  auch  Muskeln  zum  Ansatz  dienen  können 
(Verhoeb^f).  Das  nächstfolgende  Glied  bewegt  sich  gegen 
die  Coxa  stets  mehr  oder  weniger  ggnau  in  der  Sagittal- 
ebene  des  Beines,  und  zwar  so,  dass  dasselbe  nach  oben 
und  unten  über  eine  zwischen  Coxa  und  Trochanter  gelegt 
gedachte  Gerade  ausschwingen  kann,  in  grösserem  Maasse 
stets  nach  oben  (aussen). 

Eine  besondere  Bildung  findet  sich  zwischen  der  Coxa 
und  dem  nächstfolgenden  grösseren  Beingliede  bei  manchen 
Beinpaaren  einiger  Progoneata  (z.  B.  PoJyxcnidae,  Poli/des- 
midue,  Julidae).  Dieselbe  stellt  einen  schmalen,  geschlossenen 
oder  auf  einer  Seite  offenen  Schaltring  (Fig.  12,  Cop.)  dar. 
dessen  Gelenkhöcker  genau  zwischen  denen  von  Coxa  und 
Trochanter  des  ursprünglichen  Coxotrochanteralgelenkes 
liegen.-)  Bisher  hat  man  diesen  Schaltring  als  Trochanter 
gedeutet,  eine  Auffassung,  die  nicht  mit  den  hier  weiter  zu 
entwickelnden  Thatsachen  zu  vereinen  ist. 

b.  Trochanter  und  Tr  ochanterofom  oral  gel  enk. 

Der  Trochanter  (Schenkelring,   Tr.)  ist  stets  das 


*)  Vehiioefk  nimmt  mit  vielen  anderen  Forschern  die  fraglichen 
Stcrnalabkihnmlinge  als  PI  euren  in  Anspruch,  eine  Anschauung,  deren 
Unrichtigkeit  ich  in  einer  in  Bälde  erscheinenden  Schrift  im  „Zoolog. 
Anzeiger"  nachgewiesen   habe. 

')  Vehhoei  r  bildet  denselben  ?..  B.  von  l'uli/.ceuus  loßurus  Latr. 
ab,  oline  sich  leider  über  seine  Bedeutung  auszusprechen:  üeber 
liFülxenus  Uujinns  (L.).     Zool.  Anz.,   Ud.   \1\,  Mo.  5UÜ,   1S96. 


Sitzung  vom  18.  November  1902.  209 

endwärts  auf  die  Hüfte  (nur  bei  nianchen  Diplojjoda  auf  den 
KompleraentäiTing)  folgende  Glied,  welclies  mit  seltenen 
Ausnahmen  (z.B.  manche  ScoJopendriden,  manche  Lepidopteren- 
larvcn)  einen  geschlosseneu  Ring  darstellt.  Va-  bildet  über- 
all mit  der  Coxa  das  charakteristische  Coxotrochanteral- 
gelenk,  mit  dem  nächstfolgenden  Beingliede  aber  verschieden- 
artige Gelenke. 

Bei  \\e\enProgoneata(Si/mphyla,  Paurojyoda,  Polyxenidaei?), 
Jididac,  manchen  Poli/desmidae  [Fig.  1,  10,  up  ist  zwischen 
Trochanter  und  dem  nächstfolgenden  Gliede.  dem  Femur, 
ein  in  jeder  Hinsicht  dem  Coxotrochanteralgeleuk  gleichen- 
des Gelenk  ausgebildet,  auch  ist  die  Excursionsweite  für 
gewöhnlich  bedeutender  nach  oben  hin;  die  beiden  Gelenk- 
höcker liegen  vorn  und  hinten  in  der  Frontalebene  des  Beines. 

Bei  einigen  Pol/jdesmiden  (z.  B.  Polydesmus  illyricus 
Verh  )  fehlt  der  hintere  Gelenkhöcker  im  Trochantero- 
femoralgolenk,  der  vordere,  einzige  liegt  in  der  Froutalebene 
des  Beines,  sodass  hier  ein  Drehgelenk  mit  nur  einem 
Angelpunkt  (monokondylisches   Drehgelenk)  vorhanden  ist. 

Von  den  Chihpoda  ist  Scutigera  meines  Wissens  die 
einzige  Form,  bei  der  zwischen  Femur  und  dem  scheiben- 
förmigen Trochanter  ebenfalls  nur  ein  einziger  Gelenkhöcker 
ausgebildet  ist.  Wie  bei  den  letztgemeinten  Pro(joneuto.n 
liegt  auch  bei  dieser  Form  der  Gelenkhöcker  auf  der 
vorderen  Seite,  wodurch  Scutigera  nicht  nur  den  übrigen 
Chilopoda,  sondern  auch  den  Uexapoda  gegenüber  in  einem 
wichtigen  Gegensatze  steht. 

Ein  „monokondylisches'  Drehgelenk  findet  sich  ferner 
bei  den  entotrophen  Thysamira  und  den  Colkmbola  (Fig 
7  b,  C).  Bei  diesen  Formen  liegt  der  einzige  Gelenk- 
höcker aber  auf  der  Hinter seite  des  Beines,  sodass  wir 
das  letzte  Gelenk  nicht  von  dem  ähnlichen  jeuer  Progoneata 
und  Scutigera  ableiten  dürfen. 

Bei  den  übrigen  Chilopoda  und  Hexapoda  finden  wir 
zwischen  Trochanter  und  Femur  das  in  seiner  Bedeutung 
zuerst  von  Dahl  *)  erkannte  „syndetische"  Drehgelenk.     Die 

')  F.  Dahl:  Beiträge  zur  Kenntniss  des  Baues  und  der  Funktionen 
der  Insektenbeine.     Inaugural-Dissertation,  Kiel   1884. 


210  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

Angelpunkte  liegen  in  der  Sagittalebene  des  Beines,  oder 
doch  annähernd  in  derselben,  entweder  am  Ober-  und 
Uuterrande  des  Beines,  oder  oben  und  unten  auf  der 
Hinterseite  oder  endlich  auf  der  Mitte  der  Hiuterseite  und 
dicht  unter  dem  Oberrande  auf  der  Vorderseite.  Letzteres 
trifft  für  die  Scolopendriden  zu.  bei  denen  der  Trochanter 
oft  keinen  vollständigenRing  darstellt,  sodass  das  Femur  oben 
direkt  an  die  coxotrochanterale  Gelenkhaut  stösst.  Charak- 
teristisch ist  für  die  Formen  mit  syndetischem  Trochantero- 
femoralgelenk  die  mehr  oder  minder  ausgeprägte  schräge 
Lage  des  Endrandes  des  Trochanter. 

c.  Femur,  Tibiotarsus  und  deren  Gelenke. 

Distal  folgen  auf  den  Trochanter  stets  Vollringe  resp. 
Röhren  in  verschiedener  Anzahl.  Ausser  dem  Klauengliede 
folgen  im  einfachsten  Falle  nur  noch  2  Glieder  (Vorderbeine 
einiger  Scolopendrella- Arten  [Fig.  1].  Collembola  [Fig.  13], 
Thi/sariojjtercn-LavvQü  [Fig.  2],  einige  liydrocoriden  [Mono- 
nychinae],  manche  Tenthrediniden-hRYven  [a.  e.  Cimhex], 
gewisse  Mallophagen  [Fig.  3],  Larven  der  heteroplmgen  Co- 
leoptercn  [Fig.  4]),  die  durch  das  sog.  „Kniegelenk" 
miteinander  verbunden  sind.  Dasselbe  ist  ähnlich  dem  Coxo- 
trochanteralgelenk  ein  Schaniergelenk;  die  meist  in  der 
Zweizahl  vorhandenen  Angelpunkte  liegen  auf  der  Vorder- 
und  Hinterseite,  mehr  oder  weniger  dem  Oberrande  ge- 
nähert; dieselben  können  auf  der  Oberseite  einander  so 
nahe  rücken,  dass  sie  wie  ein  Angelpunkt  wirken,  und 
thatsächlich  kommt  auch  die  Verschmelzung  beider  zu  einem 
einzigen  vor,  der  dann  stets  am  Oberrande  des  Beines  ge- 
legen ist.  Die  Bewegung  des  distalen  gegen  das  proximale 
Glied  erfolgt  hauptsächlich  in  der  Sagittalebene,  doch  kann 
ersteres  gegen  letzteres  nur  gestreckt  und  nach  unten  (innen) 
gebeugt  werden.  Das  proximale  Glied  heisst  allgemein 
das  Femur  (Schenkel,  Fe),  das  distale  nenne  icli  aus 
später  ersichtlichen  Gründen  Tibiotarsus  (Tita). 

Bei  vielen  anderen  Atelocerata  folgen  auf  den  Trochanter 
drei  Glieder:  1  Femur,  1  Tibia  (Ti)  und  1  Tarsus  (Ta),  die 
gegeneinander  durch  2  „Kniegelenke"  bewegt  werden  {Pauro- 
poda  [lGtztesB(ih\[)<vdv\,ScolopendreUa  [Fig.  11],  Glomeris  1 17.  bis 


Sitziin(j  vom  IS.  November  WO:i'.  211 

19.  Beiupaar].  jiins^o  O(?o»a^f;/-Lai"ven.  mnücho  MaUopJ/at/en, 
Myrmeh'on-lA\y\G,  Fcdicididcn .  niaiichc  Cocciden  cf.  inaiiclie 
Hydrocores,  2)icIiopteren-Lar\en.  Lcpidojdercn-l jRi'\rn.  Larven 
der  adrphaf/cn  Cokopfcrcn  fFii;-.  ()|.  mainlio  Tcnllncdinidcn- 
Larven  [Fig.  8]). 

Bei  den  meisten  aiidereu  Formen  ist  endlich  der  Tarsus 
selbst  wieder  in  2  oder  mehr  (höchstens  5)  Glieder  getheilt. 
Die  grö8ste  Zahl  der  Tarsalglieder  findet  sich  bekanntlich  bei 
den  ^cuti(jcrklen-\Ax\\ihv\\\L'n.  Wie  bei  vielen  Chilopodcn  (Sco- 
Jopendriddc,  Lithohiidae),  können  wir  auch  bei  Scutiger<i  drei 
Tarsenglieder  unterscheiden,  deren  basales  bei  der  letzt- 
genannten Form  ungetheilt  blieb,  während  die  beiden 
distalen  in  zahlreiche  Riugelchen  aufgegliedert  sind.  ^) 

Distal  folgen  auf  das  Femorotibialgelenk  ursprünglich 
nur  noch  diesem  mehr  oder  weniger  ähnliche  Gelenke-),  die 
meist  namentlich  bei  den  tieferstehenden  und  den  Larven 
der  höheren  Formen,  nur  eine  nach  unten  (innen)  gerichtete 
Ikugung  und  Streckung  der  nächstfolgenden  gegen  das 
vorhergehende  Glied  zulassen,  nur  selten  auch  eine  Beugung 
nach  der  entgegesetzten  Seite  zwischen  Tarsus  und  Tibia 
(bei  vielen  Lisccta  cdogwitha)  ermöglichen.  In  schwachem 
Maase  kann  diese  auch  zwischen  den  secundären  und 
tertiären  Tarsalgliedern  statthaben.  — 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  dass  zwischen 
Fro-  und  Opistliogoneata  die  Coxotrochanteral-  und 
Femorotibialgelenke  einander  morphologisch  und 
functionell  gleichwerthig  und  homolog  sind,  während 
die    allerdings    ebenfalls    homologen  Trochanterofemoralge- 


')  Verhoeff  giebt  in:  Beiträge  zur  Kemitiiiss  paliiarktischer  My- 
riopodcn,  XVI.  Aufsatz  (Nova  Acta  d.  Leop.-Carol.  Deutsch.  Akad.  d. 
Naturforscher,  Halle  19U1)  au,  dass  man  die  zahlreichen  Endgliedchen 
der  Scutigcriden-Laufbeine  als  zum  2.  Tarsale  gehörig  auffassen  könnte. 
Wenn  man  aber  genau  die  einzelnen  Gliedchen  von  der  Basis  bis  zur 
Spitze  verfolgt,  so  bemerkt  man,  endwärts  von  der  Mitte  zwischen  der 
Spitze  des  1.  Tarsale  und  dem  Praetarsus,  eine  deutlich  grössere, 
dehnbarere  Gelenkhaut,  die  zu  erkennen  giebt,  dass  der  Scutigeriden- 
Tarsus  ähnlich  wie  der  vieler  anderer  Chilopoden  bereits  dreigiiederig 
war,  ehe  er  in  jene  zahlreichen  Ringelchen  zerfiel. 

-)  Bei  einigen  pterygoten  Insekten  (Imagines)  soll  nach  Kolbe 
(Einführung  in  die  Kenntniss  der  Insekten)  zwischen  Tibia  und  Tarsus 
ein  „Kugelgelenk"  ausgebildet  sein,  doch  dürften  wir  hier  abgeleitete 
Verhältnisse  vor  uns  haben. 


212  Gesdlscluift  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

lenke    innerhalb    der    Pro-    und   Opisthogoneata    eine    ver- 
schiedenartige Ausbildung  erfahren  haben. 

III.    Die  Muskulatur  der  Beinglieder. 

Da  die  aus  dem  Truncus  an  die  Coxa  ziehenden 
Muskelbündel  für  die  vorliegende  Untersuchung  bedeutungs- 
los sind,  will  ich  mich  hier  darauf  beschränken,  die  Musku- 
latur der  Beiugiieder  selbst  vergleichend  zu  betrachten.  Aus 
später  ersichtlichen  Gründen  schicke  ich  die  Clülopoda  voran. 

a.  Chilopoda  (Fig.  5). 

Ich  untersuchte  die  Bein-Muskeln  von  Scutigeriden, 
Geophüiden,  Lithobiiden  und  Scolopendriden,  und  werde  zu- 
nächst die  gemeinsamen  Punkte  hervorheben. 

Zwei  starke  Hüftrauskeln  dienen  der  Bewegung  des 
Trochanter  und  heften  sich  unten  und  oben  an  seine  Basis, 
der  obere  ist  der  Levator  (Flexor,  1.  tr.),  der  untere  der 
Depressor  (Extensor)  trochanteris  (f  tr.),  ihre  Fasern 
stammen  entweder  sämmtlich  aus  der  Coxa  oder  z.  Th.  auch 
aus  dem  Rumpfe. 

Ein  relativ  starker,  basal wärts  meist  verbreiterter 
Muskel  heftet  sich  am  unteren  Rande  des  Tibieugrundes 
an;  es  ist  der  Flexor  tibiae  (f.  ti.),  dessen  Fasern  ent- 
weder ganz  oder  z.  Th.  im  Trochanter,  z.  Th.  in  dem 
Femur.  oder  auch  ausschliesslich  (?)  im  letzgenannten  Gliede 
(Scutigeriden)  entspringen. 

Ein  meist  schwächerer,  nur  bei  Lithobiiden  und 
Scolopendriden  stärkerer  Flexor  kommt  ferner  dem  1.  Tar- 
sale, noch  zartere  Flexores  meist  auch  dem  2.  Tarsale  zu. 

An  die  Krallensehne  heften  sich  Muskeln,  deren  Fasern 
im  1.  Tarsale,  Tibia  und  Femur,  ja  bei  Geopkiliden  sogar 
auch  im  Trochanter  abgehen;  danach  zerfällt  der  Krallen- 
sehnenmuskel  in  3  oder  4  hintereinanderliegende  Muskeln, 
die  ich  in  basifugaler  Reihenfolge  Flexor  praetarsi 
superior  (f.  pr.  sup.,  femoris),  inferior  (f.  pr.  inf.,  tibiae) 
und  accessorius  (f.  pr.  acc,  tarsi  I)  bezeichne;  nur  bei 
Geophiliden  kommt  dann  noch  ein  Flexor  praetarsi 
trochanteralis  (f.  pr.  tro.)  hinzu. 


Sitzung  voui  18.  November  1902.  213 

Ausser  diesen  Muskeln  fand  ich  bei  Geophilus 
{illyriciis  Yväui)  einen  echten  Pronator  femoris  (p.  fe.. 
Fig.  5).  der  aus  dem  Trochanter  an  den  Grund  des  Femur 
zieht  (auf  der  Vorderseite  des  Beines),  ferner  einen  schmalen 
Muskel  aus  dem  Trochanter  durch  das  Femur  an  den 
Vorderbasalrand  der  Tibia  \erlaufen,  der  einmal  den 
Pronator  femoris  unterstützen,  dann  auch  einen  Pronator 
tibiae  (p.  ti.)  darstellen  dürfte;  auf  der  Hinterseite  schien 
ein  entsprechender  Supinator  tibiae  vorhanden  zu  sein. 
Ein  schmaler  Pronator  tarsi  (p.ta.),  dessen  Fasern  im  Femur 
beginnen,  ist  endlich  auch  noch  entwickelt.  Sämmtliche 
Pronatoren  liegen  oberflächlich.  —  Extensores  tibiae  und 
tarsi  fehlen.  Dies  gilt  auch  für  Smtigeriden  und  wahr- 
scheinlich auch  für  Lithohiiden  und  Scolopendriden. 

Bei  Scolopendriden  [Scoiopendra  cingulata  Latk.) 
fand  ich  ausser  den  erst  erwähnten  Muskeln  je  einen  ober- 
flächlich liegenden  Pro-  und  Supinator  tibiae,  Pro- 
und  Supinator  tarsi  I.  sowie  einen  schmalen  Supinator  (?) 
tarsi  II. 

Bei  Lithobiiden  [Lithöbius  sp.)  fand  ich  einen  schmalen 
Pronator  tibiae,  der  proximal  durch  Femur  und  Tro- 
chanter bis  in  die  Coxa  verlief,  dessen  Anfang  ich  leider 
nicht  ermitteln  konnte. 

Da  dieser  Muskel  oberflächlich  gelegen  ist,  so  liegt  er  auch  dem 
Trochantcrofemoral-  und  dem  Coxotrochanteralgelenk  an  und  wirkt 
wahrscheinlich  auch  als  Pronator  femoris,  was  durch  die  Aus- 
bildung des  Gelenkes  zwischen  Schenkelring  und  Schenkel  begünstigt 
•wird,  während  eine  entsprechende  Bewegung  des  Trochanter  gegen  die 
Coxa  infolge  des  abweichenden  Gelenkbaues  ausgeschlossen  ist.  Ich 
möchte  diesen  Muskel  für  den  Vorläufer  der  sonst  getrennten  Pro- 
notores  tibiae  und  femoris  halten.  Denken  wir  uns  mehr  oder  weniger 
zahlreiche  Fasern  mit  dem  Trochanterofemoralgelenk  verbunden,  so 
wirkt  der  morphologisch  eventuell  noch  einheitliche  Muskel  wie  2  ge- 
trennte (Pronator  tibiae  und  femoris).  Tritt  nun  auch  eine  Verbindung 
mit  dem  Coxotrochanteralgelenk  ein,  so  ist  der  in  der  Coxa  gelegene 
Theil  zwecklos  geworden  und  verschwindet  (GeophiUdae).  Nach  Ein- 
tritt der  erst  angenommenen  Verwachsung  ist  eine  völlige  Trennung 
der  trochanteraleii  und  femoralen  Theile  und  eine  selbständige  Rückbil- 
dung des  einen  oder  anderen  ermöglicht.  Bei  Scolopendriden  fand 
ich  den  Pronator  tibiae  unabhängig  vom  Pronator  femoris,  der  mir 
vom  Grunde  des  Femur  durch  den  Trochanter  bis  in  die  Coxa  und 
den  Rumpf  (?)  zu  gehen  schien. 


214  Gesellschaft  naturforscJiender  Frewide,  Berlin. 

Eine  genauere  Untersuchung  dieser  Verhältnisse  scheint 
mir  sehr  erwünscht,  doch  genügen  die  von  mir  beobachteten 
Thatsachen  vollauf,  um  den  Pronator  femoris,  wie  er 
bei  Geophüiis  ülyricus  vorkommt,  mit  dem  von  Insekten 
bekannten  gleichnamigen  Muskel  homologisieren  zu  können, 
woraus  sich  die  Unmöglichkeit  ergiebt.  den  letzteren  mit 
dem  Flexor  tibiae  der  Chilopoda  zu  identificiren,  wie  es 
Verhoeff  gethan  hat.  Letzgenannter  Muskel  kommt  nämlich 
überdies  in  auffallend  ähnlicher  Gestaltung  auch  den 
Hexapoda  zu. 

Aus  dem  Gesagten  erhellt  zur  Genüge,  dass  eine 
gewisse  Variabilität  in  der  Ausbildung  der  Muskulatur  der 
Chilopoda  statt  hat.  die  wir  auch  bei  den  übrigen  Atelocerata 
wieder  antreffen.  Von  besonderer  Bedeutung  sind  die 
stets  vorhandenen  3  Krallenbeuger  (superior,  inferior, 
accessorius).  der  meist  im  Trochanter  oder  diesem  und 
dem  Femur  entspringende  Flexor  tibiae  und  der  bei 
Geophilidcn  beobachtete,  vielleicht  auch  anderen  Chilopoden 
zukommende  Pronator  femoris.  Ferner  ist  von  Interesse, 
dass  ausser  dem  Flexor  tibiae  bisweilen  auch  noch  der 
Flexor  tarsi  und  die  Pronatores  tibiae  und  tarsi  (letztere 
bei  Geop)hilus)  über  je  1   Gelenk  hinwegstreichen. 

Als  Krallensehnenmuskeln  kennt  Verhoeff  nur  den 
Flexor  praetarsi  inferior  und  accessorius.  eine  Thatsache, 
die  vielleicht  der  Ausgangspunkt  für  seine  weiteren  un- 
richtigen Homologisirungen  gewesen  ist. 

b.  Insecta  (Fig.  2—4,  6— 9).^) 

Die  trotz  der  überaus  grossen  Mannigfaltigkeit  der 
Formgestaltung  und  Gliederung  der  HexapodenGangbeine 
erkennbare  Uebereinstimmung  in  den  Grundzügen  ihrer 
Muskulatur  erlaubt  mir,  die  gemeinsamen  Punkte  voranzu- 
schicken. 

An   den  Grund   des  Trochanter  gehen   fast  stets  zwei 


')  cf.  A.  S.  Packaru:  A  Textlinok  of  Kntomologv,  Now-York,  18',)8. 
Trotz  (k's  jungen  Alters  des  Hiu-lics  finden  sich  in  Uezug  auf  die 
Muskiil.'itur  der  ]nsekteid)eine  leider  nocli  die  alten  Angaben  von  Gkauer 
(1877)   etc.,  die  schon   1884  von  Dahl  berichtigt  worden  waren. 


SUztimj  vom  18.  November  1902.  215 

ein-  oder  mehrköpfige  ^luskeln.  der  Levator  (Flexor)  und 
und  Depressor  (Extensor)  trochanteris'). 

Bei  den  Formen  mit  -syndetischeni"  Drehgelenk 
zwischen  Trochanter  und  Femur  zieht  aus  dem  Trochanter 
der  zuerst  von  Dahl  genauer  charakterisirte  Pronator 
femoris  an  den  Grund  des  Femur.  Nur  selten  konnte  ich 
iho  trotz  Vorhandensein  des  betr.  Gelenkes  nicht  finden 
(einige  MaUophaya  und  Apliidd),  was  seine  Ursache  wohl 
in  der  ungenügenden  Conservirung  der  untersuchten  Ob- 
jekte hat.  —  Bei  den  Formen  mit  „monokondyli- 
schem"  Drehgelenk  zwischen  Trochanter  und  Fennu* 
kommt  ein  Levator,  ein  Depressor  und  ein  Pronator 
femoris  vor  (CoUembola),  von  denen  bei  Japyx  (und  Cam- 
podea  [?])  der  Levator  fehlt,  der  vielleicht  durch  den  langen 
Extensor  tibiae  ersetzt  wird. 

An  den  Grund  der  Tibia  resp.  des  Tibiotarsus  heften 
sich  meist  ein  Extensor  tibiae  (oben),  dessen  Fasern  für 
gewönlich  alle  im  Femur,  nur  selten  (entotr.  Thysanura) 
auch  im  Trochanter  beginnen,  und  ein  meist  stärkerer 
Flexor  tibiae,  dessen  Fasern  meist  im  Trochanter  und 
Femur,  seltener  ganz  im  Trochanter  oder  ausschliesslich 
im  Femur  abgehen.  Bei  Japyx  sah  ich  Fasern  des  Extensor 
tibiae  durch  den  Trochanter  bis  in  die  Coxa  verlaufen,  die 
vielleicht  im  Rumpf  beginnen.  Bei  Sprungbeinen  ist  der 
Extensor  tibiae  im  Gegensatz  zum  Flexor  tibiae  ganz  be- 
sonders stark  entwickelt,  was  ich  noch  besonders  hervor- 
heben möchte,  da  Dahl,  wohl  nur  versehentlich,  sagt^): 
^Der  Flexor  ist  immer  stärker  als  der  Extensor,  am 
mächtigsten  aber  selbstverständlich  in  Springbeinen  aus- 
gebildet." 

An   den  Grund   des  Tarsus  (wenn  er  vorhanden)  setzt 


*)  Dahl  bezeichnet  den  Levator  als  Extensor,  den  Depressor  als 
Flexor,  ein  Fehler,  den  jedoch  1886  Miall  und  Denny  (in:  The 
Structure  and  life-history  of  tlie  Cockroach,  London)  vermieden  haben, 
obgleich  sie  in  Bezug  auf  andere  Momente  besser  Dahl's  Abhandlung 
benutzt  hätten,  wie  z.  B.  betreffs  des  Vorhandenseins  des  Pronator 
femoris  und  des  Flexor  praetarsi  superior,  Muskeln,  welche  Dahl 
richtig  beschreibt,  Miall  und  Denny  aber  nicht  erwähnen. 

*)  cf.  die  sab  ')  pag.  209  citirte  Arbeit,  pag.  11. 


2 1 6  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

sich  meist  nur  ein  Flexor  tarsi  (der  allerdings  auch  fehlen 
kann  [z.  B.  bei  Tenthredinidenlarven],  selten  auch  ein 
Extenso r  (Dermaptera).  ^ ) . 

Den  secundären  Tarsalgliedern  fehlen  ausnahmslos 
eigene  Muskeln,  wie  es  Dahl  zuerst  nachgewiesen  hat. 

An  die  Krallensehne  gehen  bei  den  niederen  Formen 
für  gewöhnlich  (stets?)  Muskelfasern  aus  dem  Femur  und 
der  Tibia  (resp.  dem  Tibiotarsus).  also  der  Flexor  prae- 
tarsi  superior  und  inferior.  Nur  bei  manchen  Lepi- 
dopterenlarven  (z.  B.  Fieris  hrassicae,  Antheraea  permji] 
glaubte  ich  auch  wenige  kleine  Fasern  aus  dem  Tarsus  an 
die  Krallensehne  gehen  zu  sehen,  die  den  Rest  des  bei 
Myriopoden  verbreiteten  Flexor  praetarsi  accessorius 
darstellen  würden. 

Einige  Ausnahmen  seien  noch  angeführt:- 

1)  Bei  Tenthredinidenlarven  (Cimhex  und  Hylotoma) 
fehlt  (immer?)  der  Extensor  tibiae;  der  Pronator  femoris  ist 
trotz  der  normalen  Ausbildung  des  syndetischen  Dreh- 
gelenkes in  2  Muskel  aufgelöst,  die  zunächst  einen  Flexor 
und  Extensor  vortäuschen;  ich  vermuthe  aber,  dass  sie  zu- 
sammen  wie  der  sonst  einfache  Pronator   wirken  (Fig.  8). 

2)  Machilis  besitzt  2  Levatores  trochanteris;  der  eine 
beginnt  am  Innenrande  der  Coxa  und  verläuft  quer  bis  an 
den  Innenrand  des  Trochanter,  in  dessen  Mitte  etwa  an- 
sitzend (L'tr.);  der  andere  entspricht  dem  Levator  trochan- 
teris der  übrigen  Atelocerata,  nur  ist  er  statt  oben  an  der 
Basis,  am  Uuterrande  des  Trochanter,  proximal  vom  erst 
genannten  Levator,  (h  tr.)  inserirt;  dies  eigenthümliche  Ver- 
halten erwähnt  Veuhoeff,  der  auch  Machilis  untersucht 
und  abgebildet  hat,  nicht  (Fig.  9). 

c.  Progoneata  (Fig.  I,  10—12). 
Die  Frogomata  bieten  in  der  Muskulatur  der  Lauf- 
beine einige  Unterschiede  den  Opisthogoncata  gegenüber, 
was  ja  im  Einklang  mit  der  Thatsache  steht,  dass  sie  eine 
eigene,  wahrscheinlich  wohl  die  ältere.  Eutwicklungsreihe 
der  Atcloceruia  IIkymoks  darstellen. 

*)  Verhoeff  (cf  die  sub  ')  pag.  "JÜö  citirte  Arbeit)  erwähnt  diesen 
Muskel  nicht. 


Sitzuruj  vom  18.  Novcittbcr  lOOid.  217 

Wie  bei  den  Opisthoiioneata  haben  wir  aucii  liier  je 
einen  Levator  (Fl  exor)  und  Üei)i-es80iMKxteus()r|  ti(jchau- 
tei'is.  Bei  denjenigen  Diplopoden,  bei  denen  ein  Coniple- 
mentärriug  vorkommt  {Jnlidue,  Polijdcsniiddc,  bei  Poli/uenus 
lac/iirus  Latk.  habe  ich  diesbezüglich  leider  noch  keine 
Klarheit  gewonnen),  heften  sich  beide  Muskeln  an  den 
Grund  des  Trocluinter  iFig.  12)  und  nicht  an  jenen  au, 
was  die  Zugehörigkeit  des  Complementärringes  zur  Coxa 
meiner  Ansicht  nach  beweist. 

An  den  Grund  des  P'eniur  gehen  meist  je  1  Levator 
und  1  Depressor.  von  denen  bald  der  eine,  bald  der  andere 
einen  Flexor  darstellt.  Bei  den  Laufbeinen  von  Glomeris 
pulchra  Koch  und  Scolopendrella  spec.  (Fig.  1 1)  sali  ich 
Fasern  des  Levator  femoris  bis  in  die  Coxa  gehen,  bei 
den  kurzen  Vorderbeinen  von  Scolopendrella  dagegen  bis- 
weilen einen  Theil  des  Depressor  femoris  durch  die  Coxa 
bis  in  den  Rumpf  verlaufen  (Fig.  1).  Für  gewöhnlich  gehen 
beide  nicht  über  den  Grund  des  Trochauter  hinaus.  —  Ein 
dritter  kleinerer  Muskel  kommt  endlich  den  Formen  mit 
„monokondylischem"  Drehgelenk  zu;  er  liegt  dann  auf  der 
Hinterseite  und  stellt  einen  Supinator  femoris  dar 
(cf.  Polydesmus  ülyrius  Veuh..  Fig.  12);  es  würde  sehr 
lohnend  sein,  seine  Verbreitung  unter  den  Progoneata  genauer 
zu  untersuchen. 

Weiter  distal  heften  sich  an  den  Grund  der  folgenden 
Glieder  nur  noch  Flexor-Muskeln  an.  Der  Flexor  tibi ae  be- 
ginnt entweder  im  Trochanter  (Fauropoda,  Symphyla  [Fig.  10. 
11];  cf  Opisthoyoneuta!).  oder  seine  Fasern  gehen  sämmtlich 
im  Femur  ab.  Die  folgenden  Flexores  (tarsi  I  und  event. 
auch  tarsi  II)  entspringen  ganz  oder  doch  zuni  grösseren 
Theil  im  vorvorhergehenden  Beinglied.  Extensores  fehlen 
zum  Unterschiede  von  den  Opistoyoneaten  gänzlich. ') 

An  die  Krallensehne  gehen  nur  selten  (Folyxcnklae) 
Muskelfasern  aus  Femur.  Tibia  und  Tarsus  1.  also  der 
Flexor  praetarsi  superior.  inferior  und  accessorius; 


')  Man  vergleiche  auch  die  zutiefiende  Schilderung,  die  Yerhoekf 
(in:  Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Glomeriden,  Ifeütü)  von  der  Mus- 
kulatur der  Laufbeine  der  Glomeriden  gegeben  hat. 

9»» 


218  Gesellschaft  naturfor seilender  Freunde,  Berlin. 

bei  Pauropoda  und  Symphyla  (excl.  Vorderbeine  mit  Tibio- 
tarsus)  kommen  nur  der  superior  und  inferior;  bei 
Glomeriden,  Folydcsmiden  und  Jididen.  soweit  ich  weiss, 
nur  der  inferior  und  accessorius;  nur  der  superior 
an  den  Vorderbeinen  der  Symphyla  vor. 
d.  Zusammenfassung. 

Die  aus  den  vorhergehenden  Absclinitten  zu  erkennende 
Variabilität  der  Muskulatur  der  Laufbeine  der  Atelocerata 
erschwert  es.  sie  für  die  Bestimmung  der  Homologie  der 
einzelnen  Beingiieder  bei  den  verschiedenen  Formen  zu 
verwerthen.  Dies  wird  erst  ermöglicht,  wenn  man  sie  in 
Combination  zum  Bau  der  verschiedenen  Gelenke  bringt. 

Da  wir  die  Hüftglieder  als  die  Grundglieder  der  Beine, 
welche  am  distalen  Ende  an  der  Vorder-  und  meist  auch 
an  der  Hinterseite  (in  der  Frontalebene)  je  1  Gelenkhöcker 
tragen,  stets  leicht  als  solche  nachweisen  können,  kann 
ich  mich  hier  -darauf  beschränken,  die  Homologie  der  hier 
als  Trochanter,  Femur  und  Tibiotarsus  bezeichneten  Bein- 
glieder der  Atelocerata  zu  erweisen. 

1.  Trochanter. 

Nach  Verhoeff^)  sind  die  Trochanteren  diejenigen 
Beingiieder.  welche  „unmittelbar  auf  die  Hüften  endwärts 
folgen,   wenn  sie  keine  eigene  Muskulatur  besitzen". 

Ist  dieser  Satz  richtig,  so  kommt  nur  den  Diplopoden 
mit  Complementärring  ein  Trochanter  zu,  und  das  wäre 
eben  der  Complementärring.  Es  würde  sich  dann  der 
Trochanter  der  VEUHOEFF'schen  Diagnose  weder  mit  dem 
von  ihm  wirklich  als  Trochanter  bezeichneten  Beinglied  der 
Chilopoda  und  Odonata  (?!),  noch  mit  dem  ursprünglich  so 
genannten  Beinglied  der  Uexapoda  decken;  es  resultirt 
hieraus  die  Unrichtigkeit  der  von  Verhoeff  aufgestellten 
Trochanter-Diagnose. 

Wenn  man  nun  die  von  mir  bei  sämmtlichen  Atelocerata 
als  Trochanteren  bezeichneten  Beinabschnitte  miteinander 
vergleicht,   so  stimmen  dieselben  in  den  normalen  Fällen 


')  cf.  (Ho  sult  ')  pap.  20,^  citirte  Arbeit,  pag.  68. 


Fiitztnuj  vom  18.  November  1903.  219 

sänimtlich  darin  iiberoin.  dass  sie  die  auf  die  Hüften  end- 
wärts  folgenden  Beinglieder  mit  eigener  Muskulatur 
sind.  d.h.  mit  Muskeln,  welche  der  Bewegung  des  nächst- 
folgenden Femurgliedes  dienen,  die  nur  selten  fehlen. 
Ausserdem  sind  zur  Bestimmung  des  Trochanter 
wichtig  die  beiden  Iliiftmuskeln,  der  Levator  und 
der  Depressor  trochanteris.  das  Coxotrochanteral- 
gelenk,  dessen  Angelpunkte  vorn  und  hinten,  mehr  oder 
weniger  genau  in  der  Frontalebene  des  Beines  liegen,  und 
die  Thatsache,  dass  auf  ihn  stets  ein  Glied  folgt, 
welches  mit  dem  übernächsten  das  bekannte  (oberste) 
Kniegelenk  bildet. 

Innerhalb  der  Pro-  und  Opistlioyoncata  oder  noch 
engerer  Kategorieen  kann  man  aucli  die  Trochautermuskeln 
für  die  Bestimmung  dieses  GJliedes  verwertheu.  was  uns 
hier  aber  zu  weit  führen  würde.  Ich  will  nur  noch  hervor- 
heben, dass  sich  bei  Käferlarven,  auch  bei  denen  mit 
Tibiotarsus.  das  auf  die  Coxa  folgende  Glied  unzweifelhaft 
als  Trochanter  zu  erkennen  giebt  (syndetisches  Drehgelenk, 
Pronator  femoris).  Auch  i)ei  Tenthrediniden-Larveu 
kann  man  den  Trochanter  durch  die  oben  angegebenen 
Merkmale  sicher  bestimmen.  Dasselbe  gilt  für  die 
Entogndthi  und  die  Progoneata  im  Vergleich  zu  den  übrigen 
Opistoyoneata. 

2.  Feraur. 

Vekhoeff  sagt  davon:  „Als  Schenkel  haben  wir  dasjenige 
hinter  der  Hüfte  endwärts  liegende  Beinglied  zu  bezeichnen, 
welches  auf  den  Trochanter  folgt  oder,  wenn  dieser  fehlt, 
unmittelbar  an  die  Hüfte  stösst  und  Muskeln  enthält,  die 
an  den  Grund  des  endwärts  nächsten  oder  zweitnächsten 
Gliedes  ziehen,  nicht  aber  zur  Krallensehne." 

Diese  Definition  passt  im  Grossen  und  Ganzen  auf 
den  Trochanter.  und  so  sehen  wir  auch,  dass  Vekhoeff 
den  Trochanter  der  Hexapoda  (exclusive  Odonata?)  als 
Femur  interpretirt. 

Mit  Leichtigkeit  kann  man  bei  Fro-  und  Opisthogoneuta 
den  von  mir  überall  als  Femur  bezeichneten  Beinabschoitt 


220  Gesellschaft  naturforschender  Frenude,  Berlin. 

als  gleichwerthig  erkennen.  Stets  zeichnet  er  sich  dadurch 
aus,  dass  er  endwärts  auf  den  (nur  selten  mit  ihm  ver- 
wachsenen) Trochanter  folgt  und  mit  dem  endwärts 
nächsten  Gliede  (der  Tibia  resp.  dem  Tibiotarsus)  das 
oben  des  öfteren  charakterisirte  Kniegelenk  bildet. 
Meist  kommt  dem  Schenkel  der  Flexor  praetarsi  superior 
zu,  der  aber,  sowohl  bei  den  Imagines  einiger  holometabolen 
pterygoten  Hexapodd,  wie  bei  zahlreichen  Progoneaten  fehlt, 
mithin  kein  sicheres  Kriterium  abgiebt. 
3.  Tibiotarsus. 
Bei  manchen  Beinen  folgt  endwärts  auf  den  Schenkel 
nur  noch  ein  einziges  Glied,  abgesehen  vom  Klauenglied. 
Man  nannte  dasselbe,  sow^eit  man  solche  Formen  untersucht 
hat,  entweder  Tarsus  oder  Tibia  '),  nur  bei  den  Spissipeda  Am. 
et  Sev.  unter  den  Geocores  Bukm.  spricht  man  schon  lange  von 
einem  klauenlosen  Tibiotarsus  der  Vorderbeine.  Da  ich 
oben  für  die  in  Frage  kommenden  Formen  die  drei 
proximalen  Beinglieder  als  Coxa,  Trochanter  und  Femur 
bewiesen  habe,  bleibt  nichts  als  die  Annahme  übrig,  dass 
das  einfache  Endglied  das  Sciimelzstück  von  Tibia  und 
Tarsus  vorstellt.  Dies  geht  überdies  noch  erstens  daraus 
hervor,  dass  in  diesem  Gliede  meist  der  Flexor  praetarsi 
inferior  liegt  (excl.  Vorderbeine  von  Scolopendrclla) ,  dass 
ferner  beim  Eintritt  einer  Abschnürung  des  Tarsus  (bei 
den  Imagines  der  Coleopterenlarven  mit  viergliedrigen 
Beinen,  Tenthredinidcn,  Thi/sanopteren  und  Mallophagen) 
der  genannte  Muskel  ins  obere  Theilstück,  die  Tibia, 
zu  liegen  kommt,  was  in  Uebereinstimmung  damit 
steht,  dass  (mit  Ausnahme  [?]  einiger  Lepidopteren- 
larven)  der  untere  Krallensehnenmuskel  der  Flexor  prae- 
tarsi inferior  ist.  Es  entspricht  also  das  Endglied 
der  Coleopterenlarven  mit  viergliedrigen  Beinen 
den  beiden  letzten  Gliedern  der  fünfgliedrigen 
Coleopterenlarvenbeine:   in   der  Puppe  gliedert  sich  dieser 


')  cf.  H.  J.  Kolbe:  Vergleichend  morphologische  Untersuchungen 
an  Coleopteren  nebst  Grundlagen  zu  einem  System  und  zur  Systematik 
derselben.  Arch.  f.  Naturgesch.,  Jahrgann  1901,  Beiheft  (Festschr.  f. 
Edu.\rd  von  Martens). 


Sitzung  rom  IS.  Noremher  190:2.  221 

Tibiotarsus  auch  thatsächlich  in  Tibia  und  Tarsus  (Tenehrio). 
Dasselbe  gilt  für  eine  Reihe  anderer  Insektengruppen. 

4.  Praetarsus. 

Auf  das  Krallenglied  bin  ich  bisher  nicht  besonders 
eingegangen,  da  es  einmal  bei  der  Beurtheilung  der  Homo- 
logie der  anderen  Beinglieder  der  Atelocemta  unwesentlich 
ist.  und  andererseits  vor  nicht  langer  Zeit  erst  J.  C.  H. 
DE  Mkijkre  ')  eine  ziemlich  ausführliche  Arbeit  über  dies 
Beinglied  veröffentlicht  hat,  aus  der  nicht  nur  die  Homologie 
des  Krallengliedes  der  meisten  Arthroj>0(len  hervorgeht, 
sondern  auch  ein  Beweis  für  die  Selbständigkeit  desselben 
erbracht  worden  ist. 

Der  Praetarsus  kommt  den  normalen  Gangbeinen 
sämmtlicher  Ateloccratn  zu.  Bei  manchen  jMyriopoden  und 
einigen  Insektenlarven  ist  die  Klaue  eng  mit  ihm  ver- 
wachsen, bei  anderen  Myriopoden  und  den  meisten  Hexa- 
poden  sind  die  Klauen  aber  deutlich  vom  eigentlichen  Prae- 
tarsus abgesetzt,  bisweilen  sogar  gelenkig  mit  ihm  ver- 
bunden; er  selbst  kann  wieder  manche  Differenzirungen 
aufweisen.  Die  Reduction  des  Praetarsus  kann 
eintreten,  sobald  ein  Bein  nicht  mehr  zum  Gehen 
verwendet  und  entweder  zu  sexuellen  Zwecken  oder 
in  Greif-.  Grab-  oder  Tastorgane  umgewandelt 
wird,  wo  das  Krallenglied  meist  werthlos  ist;  die  Reduction 
kann  bis  zum  völligen  Fehlen  des  Praetarsus  und  seiner 
Klaue  (resp.  Klauen)  führen,  mit  der  eine  solche  der 
Krallensehne  und  der  ihr  zukommenden  Muskeln  Hand  in 
Hand  geht  (z.  B.  Endbeine  mancher  Geopliilidcn,  Copu- 
lation.sfüsse  der  Glomeriden,  Vorderbeine  verschiedener 
Rhynchota  [S2ji.<isi2Jcda.  Nepidae.  Naucoridar,  Corisidae]  etc ). 
Andrerseits  sind  mir  auch  Fälle  von  Coleopteren  aus  der 
Gruppe  der  Lamellicornier  bekannt,  wo  sowohl  der 
Praetarsus.  wie  auch  der  Tarsus,  an  den  Vorderbeinen  ver- 
schwinden kann  (Arten  der  Gattungen  Phanaeus  Mc  Leay, 


')  J.  C.  H.  DE  Meijere:  Ueber  das  letzte  Glied  der  Beine  bei  den 
Arthropoden.  Zool.  Jahrb.,  von  J.  W.  Spekgel  herausg.  Bd.  XIV, 
Heft  3,  1901. 


222  GeselLscIui/t  naturforadiender  Frenndt,  Berlin. 

Onitis  F. .  Äteuchus  F.  etc.) ;  der  Gattung  Stenosternus 
Karsch^)  fehlen  die  Klauenglieder  auch  im  2.  und  3.  Bein- 
paar, während  an  diesen  ein  eingliedriger  dornähnlicher 
Tarsus  von  Kaksch  noch  nachgewiesen  werden  konnte.  Bei 
den  Vorderbeinen  ist  der  Verlust  des  Praetarsus  und 
eventuell  auch  des  Tarsus  wohl  eine  Folge  ihrer  Grab- 
funktion, die  Rückbildung  beider  Beinglieder  am  2.  und 
3.  Beinpaar  von  Stenosternus,  dem  sie  sicher  als  Gangbeine 
dienen,  aber,  soweit  unsere  Kenntnisse  reichen,  einzig  in 
ihrer  Art. 

IV.  Die  Definitionen  der  Beinglieder  der 
Atelocerata 
verspare  ich  mir  auf  meine  ausführliche  Arbeit. 

B.   Betrachtungen  über  das  phyletlsche  Alter  der  Beinglieder. 

Nach  den  iin  vorhergehenden  Kapitel  angestellten  ver- 
gleichend morphologischen  Betrachtungen  können  wir  viel- 
leicht an  die  Frage  nach  dem  Alter  der  verschiedenen  Bein- 
glieder herantreten.  Schon  Verhoeff  ist  mit  wenigen 
Worten  darauf  eingegangen,  doch  giebt  er  nichts  weiter  als 
die  Resultate  aus  seinen  morphologischen  Befunden.  Auf 
Grund  der  Stärke  der  an  die  „Zwischenhäute"  herantretenden 
Muskelbündel  unterscheidet  er  drei  Altersstufen  der  Bein- 
glieder; er  sagt:^) 

„1)  die  jüngsten  Beinglieder  sind: 

Trochanter  und  die  Abtheilungen  des  2.  Tarsus; 

2)  ein  mittelaltes  Beinglied  ist: 
der  2.  Tarsus; 

3)  die  alten  Beinglieder  sind: 

Hüfte,  Sckenkel,  Schiene  und  Tarsus." 
Wenn  ich  auch  die  Grundidee,   von  welcher  Verhoeff 
bei  seinen  letzten  Schlüssen  ausgegangen  ist.  als  vortheilhaft 
bezeichnen   muss,    so   sind   doch  folgende   Prämissen-)   un- 
richtig : 


')  F.  Karsch:   Altes   und   Nouos   über   Coleopteren.     T.    Schieiien- 
sporn  und  Tarsus.    Berlin.  Entoiiiol.  Zcitsciir.,  Bd.  XXXI,  1887,  Heft  I. 
■-)  cf.  die  sab  ')  pag.  2(J5  citirte  Arbeit,  pag.  69. 


Sitzumj  vom  18.  Nove»ihc7-  WOS.  223 

1)  „Die  Zwischenliäute,  an  welche  starke  Muskel- 
biindel  herangehen,  sind  d.  zwischen  Schiene  und  Tarsus," 

2)  „Die  Zwisclienhaute.  au  welche  gar  keine  Muskeln 
heranziehen,  sind:  a.  die  zwischen  Trochanter  und  Femur." 

Ich  verweise  auf  die  vorhergehenden  Kapitel,  aus  denen 
hervorgeht,  dass  an  den  Grund  des  Fcniur  normaler 
Weise  Muskeln  ziehen,  dass  ferner  die  Muskelbündel  des 
Tarsusgrundes  nicht  zu  den  „starken"  gezählt  werden 
können. 

Bevor  ich  meine  eigenen  Ansichten  über  das  Alter  der 
Beinglieder  der  Atelocerata  darlegen  möchte,  will  ich  noch 
auf  einige  beachtenswerte  Daten  aufmerksam  machen.  Die- 
selben beziehen  sich  auf  das  Verhältniss  vom  Tro- 
chanter zum  Femur. 

Wenn  auch  wiederholt,  und  noch  in  allerjüngster 
Zeit. ')  der  Trochanter  nur  als  ein  basales  Gelenkstück  des 
Femur  angesehen  worden  ist,  eine  Auffassung,  die  1884  von 
D^iiL  mit  vollem  Recht  für  die  von  seinen  Vorgängern  und 
den  neueren  Autoren  gemeinten  Thiere  zurückgewiesen 
wurde,  so  lässt  sich  doch  eine  gewisse  engere  Beziehung, 
welche  der  Trochanter  zum  Femur  aufweist,  nicht  leugnen. 
Dies  möohte  ich  aus  folgenden  Thatsachen  schliessen: 

1)  Bei  Thysanopteren  (Fig  2)  verwäch.st  der  bisher  bei 
diesen  Formen  gänzlich  übersehene  Trochanter-)  derartig 
mit  dem  Femur.  dass  die  ehemalige  Grenze  zwischen  beiden 
Gliedern  nur  noch  durch  eine  Naht  ohne  Gelenkhaut  an- 


')  Man  vergleiche  L.  B.  Walton:  The  basal  segments  of  the 
Hexapod  leg  (in:  the  American  Naturalist,  Vol.  XXXIV,  No.  400,  1900) 
und  die  dort  angeführten  Arbeiten.  Auf  die  Unnii)glichkpit  einiger  der 
dort  entwickelten  Theorien  kann  ich  aus  Mangel  an  Raum  leider  nicht 
eingehen,  werde  aber  in  meiner  ausführlichen  Arbeit  darauf  zurück- 
kommen. Den  Trochantinus  und  die  angrenzende  Sternalplatte 
( Merosternum,  a)  als  Grundglied  der  Heine  aufzufassen,  wie  es  auch 
Hansen  wollte,  ist  schon  deshalb  unrichtig  da  auch  der  Trochantinus 
genetisch  nichts  anderes  als  der  Teil  eines  seitlichen 
Schnürstückes  des  Sternums  (meines  Merosternums»  ist 
(cf.  meinen  bald  im  „Zoolog.  Anzeiger"  erscheinenden  Aufsatz:  Kri- 
tische Bemerkungen  über  einige  vergleichend  morphologische  Unter- 
suchungen K.  W.  Vei{H0E1t"s). 

')  cf  H.  üzel:  Monographie  der  Thysanopteren.    Prag  1896. 


224  Gesellscliaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

gezeigt  ist,   und   dass   der  sonst  den  ineisten  Hexapoden 
zukommende  Pronator  femoris  fehlt. 

2)  Bei  manchen  Lepidopterenlarven  ist  der  Tro- 
chanter.  ähnlich  wie  bei  vielen  Scolopendriden.  kein  voll- 
ständiger Ring,  nicht  gegen  das  Femur  beweglich  und  ohne 
eigene  Muskulatur,  während  bei  anderen  Formen  allerdings 
eine  Bewegung  des  Trochanter  gegen  das  Femur  möglich 
und  auch  der  bekannte  Pronator  femoris  ausgebildet  ist. 

3)  Bei  Scutigeriden  stellt  der  Trochanter  gewisser- 
raaassen  nur  ein  proximales  vom  Femur  abgeschnürtes 
Scheibchen  dar.  dessen  Beweglichkeit  gegen  das  Femur 
wahrscheinlich  sehr  minimal  ist. 

4)  Bei  Scolopendriden  ist  der  Trochanter  meist  kein 
geschlossener  Ring,  er  ist  sozusagen  nur  ein  basales  beweg- 
liches Schnürstück  des  Femur. 

5)  Eine  interessante  Abnormität  am  linken  Vorderbein 
einer  OrcheseUa  rufescens  (Wulf.)  var.  palUda  Rt.  (Fig.  13) 
zeigt  ein  dreigliedriges  Bein  (-|- Praetarsus),  während  das 
rechte  Vorderbein  die  normalen  vier  Beinglieder  (+  Prae- 
tarsus) der  Collembola  aufweist. 

Die  Homologie  der  beiderseitigen  Basal-  und  der  beiden 
distalen  Glieder  (Praetarsus  und  Tibiotarsus)  springt  sofort 
in  die  Augen,  und  die  Lage  des  einen  langen  Gliedes  im 
linken  Vorderbein  zwischen  Coxa  und  Tibiotarsus  lässt 
dasselbe  sofort  als  ein  Trochanterofemur  erscheinen;  eine 
Nahtlinie  fehlt  vollkommen,  aber  der  Umstand,  dass  das 
fragliche  Glied  basal  das  typische  Coxotrochanteral-,  distal 
das  Kniegelenk  bilden  hilft,  ferner  in  ihm  der  B^lexor- 
praetarsi  superior  entspringt,  wie  auch  die  relative  Länge 
macht  die  erste  Annahme  zur  Gewissheit.  Das  in  Rede 
stehende  Bein  ist  ein  wenig  dünner  und  kürzer  als  das  der 
anderen  Körperseite.  aber  sonst  ganz  normal  ausgebildet: 
es  besteht  nur  aus  vier  Gliedern:  Coxa,  Trochanterofemur. 
Tibiotarsus  und  Praetarsus.  ^) 

')  Nach  BoRDAGE  (On  the  probable  Mode  of  formation  of  the 
fusion  between  the  Feimir  and  Trochantv'>r  in  Arthropoda,  Ann.  and 
Mag.  Nat.  Hist.,  Vol.  111,  pag:.  159-1(52,  1899)  scheinen  auch  bei 
Vltaswiden  Verschmelzungen  zwischen  Trochanter  und  Femur  vor- 
zukommen. -  Nachträglich  finde  ich  dieselbe  Erscheinung  am  linken 
A'ordcrbein  einer  neuen  rodwa  Art  aus  Siiditalien  {1\  lamclUycra  CB.) 


Sitzung  vom  IS.  November  1903. 


225 


Die  5  angeführten  Fälle,  namentlich  Fall  1  und  5. 
beweisen  meiner  Ansicht  nach,  dass  der  Trochanter  kein 
primäres,  sondern  erst  ein  sekundäres  Beinglied  ist. 
welches  sich  erst  nach  der  Entstehung  eines  viergliedrigen 
Beines  (Praetarsus  mitgerechnet)  an  der  Basis  des  Femur 
von  diesem  abgegliedert  hat.  Die  Seltenheit  dieser  Fälle 
gegenüber  denen  eines  Tibiotarsus  zeigt  uns  aber,  dass  der 
Trochanter  älter  ist  als  Tibia  und  Tarsus. 

Folgendes  Schema  soll  nun  die  aus  den  morphologischen 
Verhältnissen  ge^vonnenen  phyletischen  Beziehungen  der 
einzelnen  Beinglieder  der  Atelocerata  wiedergeben: 


(  ''avq 

Coxa 

Coxa 

Coxa 

Complenien- 
tärrinp 

Trochan- 
teroferaur 

Trochanter 

Trochanter 

Trochanter 

Trochanter 

Femur 

Femur 

Femur 

Femur 

libia 

Tibia 

Tibia 

Tibiotarsus 

Tibiotarsus 

T'oT-onc' 

Tarsus  I 

Tarsus  I 

Tarsus  II  etc. 

Tarsus  II  etc. 

Praetarsus 

Praetarsus  1  Praetarsus 

Praetarsus 

Praetarsus 

Thysano- 
^jfereH-Larven, 
rechtes  Vor- 
derbein eines 
Exemplares 
von  Ordiesel- 
la    rufescens 
(Wulf.)  var. 
pallida  Rt., 
linkes  Vor- 
derbein  eines 
Exempl.  von 
Podura  lamel- 
ligera  CB 
(n.  sp.) 

( 'ollembola, 

Scolopendrella 

(Vorderbein), 

Coleoptera 

heteropJtaga- 

Larven, 

manche    Ten- 

thredinidac- 

Larven, 

manche 

Mallophagen, 

Vorderbeine 

der  Mono- 

nychidae  und 

Spissipeda 

unter  den 

Shynchota. 

Scolopendrel- 
la, Pauropoda 
(Hinterbein), 
Glomeridae 
(17.  und  IH. 
Beinpaar), 
Thysanura 

entotr., 
Pedicididen, 
Cocciden  (f, 
Coleoptera  ade- 
phaga-ljarven, 
manche  Ten- 
thredinidae- 

Larven, 
TricJioptera- 

Larven, 
Lepuloptera- 
Larven  etc. 

Die  meisten 
Pro-  und 
Opistho- 
goneata. 

Polyxeniden. 
(exl.   Vorder- 
beine), 

zahlreiche 
Jididen  und 
Polydesmiden 

226  GesellscJuift  nahirforsehaider  Freunde,  Berlin. 

Hiermit  ist  keineswegs  die  Gliederung  der  Gangbeine 
erschöpft.  Vielmehr  i^ommen  u.  a.  bei  Coieopteren  und 
Rhynchoteu  noch  interessante  Verhältnisse  vor,  die  ich 
oben  schon  kurz  erwähnte,  auf  welche  ich  aber  nochmals 
mit  wenigen  Worten  zuriici<kommen  möchte. 

Es  ist  beliannt.  dass  an  den  Vorderbeinen  der  Arten 
der  Gattungen  Ateuclms  F..  vieler  Onitis  F.  etc.  die  Tarsen 
fehlen,  die  vSchiene  aber  normal,  d.  h.  entsprechend  der  der 
anderen  Beinpaare,  entwickelt  ist;  wie  die  Tarsen,  so  fehlen 
auch  die  Klauen  sammt  dem  Praetarsus.  Da,  wo  ein  Tarsus 
fehlt,  liegt  nun  die  Vermuthung  nahe,  das  Endglied  als  Tibio- 
tarsus  zu  interpretiren.  Die  Vordertarsen  der  $  $  der 
Phanaeus-  etc.  Arten,  denen  nur  der  Praetarsus  fehlt'),  zeigen 
uns  aber,  wie  bei  den  fraglichen  Lamellicorniern  zuerst  der 
Praetarsus  rückgebildet  wurde,  während  die  Mittel-  und 
Hinterbeine  von  Stenosternns  {costatus  K.)  uns  den  Verlust 
der  Gliederung  und  die  Grössenabnahrae  des  Tarsus  vor 
Augen  führen,  dessen  letzte  Spur  an  den  Vorderbeinen  der 
oben  genannten  und  anderer  Formen  verloren  gegangen  ist. 
Es  stellt  also  das  Elndglied  ihrer  Beine  eine  echte  Tibia 
und  keinen  Tibiotarsus  vor. 

Etwas  verwickelter  liegen  die  Verhältnisse  an  den 
Vorderbeinen  mancher  Hydrocores  Bürm.  Bei  diesen  können 
wir  zwei  verschiedene  Reihen  unterscheiden,  die  beide 
ihren  Ursprung  vom  normal  gegliederten,  mit  Tibia.  Tarsus 
und  Praetarsus  versehenen  Bem  nehmen.  Die  Umw^andlung 
betrifft  in  erster  Linie  die  Glieder  des  Tibiotarsus. 

Die  Mononychiden,  die  sich  in  Bezug  auf  ihre  Vorder- 
beine von  den  Galguliden  ableiten,  erhielten  einen  ein- 
gliedrigen Tibiotarsus  und  behielten  den  Praetarsus  mit 
stark  entwickelter  Klaue. 

Die  Nepiden.  Naucoriden  und  Corisiden,  unter 
denen  manche  Formen,  wie  auch  die  Belostomiden  und 
Notonectideii.  noch  normal  g^-gliederte  Vorderbeine  be- 
sitzen, verloren  ihren  Praetarsus  und  seine  Klauen,  der  Tarsus 
wurde  eingliedrig  und  blieb  entweder  noch  gegen  die  Tibia 


')  Man  vi'igleiclio  auch  H.  J.  Kolbe,  Eiiiführunir  in  die  Kenntniss 
der  Insekten,  Berlin  1893,  pag.  2Sü/'287. 


Sitzuny  vom  18.  November  1902.  227 

beweglich  oder  gab  auch  diese  Beweglichkeit  auf  (z,  B.  bei 
Naucoris  cimicoidcs  L.).  Die  Spitze  des  Tarsus  ist  bei 
manchen  Formen  l<lauenähnlich  (Nepa.  Naucoris,  Corisa). 
und  man  könnte  vermutheu,  dass  hier  der  Praetarsus  mit 
dem  Tarsus  verschmolzen  sei;  ich  möchte  aber  diese  Spitze 
als  eine  erst  nach  Reduktion  des  Praetarsus  (+  Klauen) 
erworbene  Neubildung  auffassen,  da  wir  auch  bei  anderen 
Ateloccrata  wohl  eine  mehr  oder  weniger  vollständige 
Reduktion  des  Praetarsus.  nicht  aber  seine  Verschmelzung 
mit  dem  Tarsus  nachweisen  konnten ').  — 

Welches  phylogenetische  Alter  ich  dem  Praetarsus 
DE  Meijeke's  zuschreiben  möchte,  geht  aus  obiger  Tabelle 
klar  hervor.  Schon  de  Meijere  nimmt  an.  dass  der  Prae- 
tarsus primitiver  sei  als  die  Tarsalglieder.  Die  Thatsache, 
dass  derselbe  nun  auch  bei  den  Formen  mit  Trochantero- 
femur  und  Tibiotarsus  in  gleich  typischer  Weise  entwickelt 
ist,  spricht  mir  dafür,  dass  er  diesen  alten  Beingliedern 
gleich werthig  ist.  wenngleich  ich  mir  auch  nicht  verhehlen 
kann,  dass  er  vielleicht  in  genetischer  Beziehung  zum 
Tibiotarsus  steht,  wie  ähnlich  der  Trochanter  zum  Femur. 

Die  geringe  Zahl  der  primären  Beinglieder  ^)  der 
ateloceraten  Arthropoden,  wie  ich  sie  annehmen  möchte, 
darf  uns  nicht  Wunder  nehmen.  Wenn  wir  sehen,  wie 
mit  einem  dreigliedrigen  Bein  (excl.  Praetarsus)  die  Larven 
der  Thysanopteren  sehr  wohl  zum  Gehen  geeignet  sind. 
liegt  da  nicht  die  Vermuthung  nahe,  dass  die  Ahnen  der 
gesammten  Reihe   der  Ätelocemta  ursprünglich  dreigliedrige 


')  Eine  theilweise  Verschmelzung  kommt  allerdings  bei  den  Kiefer- 
füssen  der  Chilopoda  vor,  unter  denen  bei  Scutigera  der  Praetarsus 
noch  vollständig  vom  Tarsus  abgegliedert,  bei  siimmtlichen  übrigen 
Formen  aber  nur  durch  eine  unvollständige  Naht  vom  Tarsus  getrennt 
ist.  Diesbezüglich  hat  Verhoeff  mit  Unrecht  einen  Unterschied 
zwischen  Geophiliden  und  den  übrigen  Chilopoda  konstruirt. 

')  Die  Mundgliedmaassen  (1.  und  2.  Maxillenpaar)  der  Opistho- 
ifoneata  zeigen  uns  gleichfalls  oft  nur  3  Glieder:  Coxa,  Trochantero- 
femnr  und  Tibiotarsus;  ein  Praetarsus  fehlt  dann  in  solchen  Fällen, 
ein  Umstand,  der  damit  im  Einklänge  steht,  dass  dieses  Beinglied  leicht 
der  Reduktion  anheimfällt,  wenn  die  Extremität  ihre  ursprüngliche 
Funktion  verändert.  Auf  diese  Verhältnisse  hoflfe  ich  demnächst  zurück- 
kommen zu  können. 


228  Gesellscluift  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

Gangbeine  und  ein  Krallendglied  besassen,  eine  Eigenschaft, 
die  infolge  atavististischer  (?)  Rückschläge  bei  manchen 
Hexapoden  wieder  in  der  Wirklichkeit  dargestellt  wird? 
Bei  jenen  Urahnen  rauss  sich  allerdings  bereits  die  Tendenz 
der  Gliederung  des  2.  Gliedes  in  Trochanter  und  Femur, 
des  3.  Gliedes  in  Tibia  und  Tarsus  gezeigt  haben,  da  wir 
sonst  nicht  imstande  sein  würden,  die  Homologie  dieser 
Abschnitte  bei  Pro-  und  Ojjisthogorieata  in  der  oben  durch- 
geführten Weise  zu  eruiren.  So  wird  auch  die  Kluft 
zwischen  dem  kurzen  Sturamelfuss  der  Ouychophoren  und 
dem  vielgliedrigen  Bein  der  übrigen  Arthropoden  (excl.  Tardi- 
graden  und  Linguatuliden)  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
beseitigt.  — 

In  wie  weit  die  Beingliederung  der  anderen  Arthro- 
podenreihen  mit  derjenigen  der  Atelocemta  übereinstimmt, 
vermag  ich  noch  nicht  zu  sagen,  da  dort,  wie  bisher  bei 
diesen,  die  nöthigen  Grundlagen  noch  nicht  vorhanden  sind. 
Hotfentlich  gelingt  es  mir  bei  meiner  augenblicklich  sehr 
beschränkten  Zeit  auch  auf  diese  Frage  bald  eingehen  zu 
können. 

Erklärung:  der  Fig-ureu  und  der  in  ihnen  ansrewandten  Abkürzungen. 

Scolujiendrclla  sp.     Vorderbein,  Seitenansicht. 
Larve  einer  nicht  näher  bestimmten  Thysanoptere,  vermuth- 
lich  Thrips  vidgatissima  L.,  Hinterbein. 
Goniodes  pavonis?   9   (Mallophage),  Hinterbein  von  der  Vor- 
derseite gesehen,  Hüfte   nicht  vollständig  gezeichnet. 
Larve   von  Tenebrio  »lolitor  L.,  Hinterbein,  von   der  Hinter- 
seite gesehen. 

Lauf  bein    eines  Geuphilu.s   illyricus  Verh  ,    von   der  Vorder- 
seite gesehen,  Hüfte  nicht  vollständig  gezeichnet. 
Larve  von  Broscus  cephalotes  L.,  Hinterbein,  von  der  Vorder- 
seite gesehen. 

Japyx  africanus  Karsch.,  Hinterbein,  a)  von  der  Vorder- 
seite, b)  von  der  Hinterseite  gesehen;  in  a)  die  Hüfte  un- 
vollständig, in  b)  das  Femur  unvollständig,  die  distalen 
Glieder  nicht  gezeichnet. 

Larve  von  Hylotoma  rosaimn  Fim.,  Hinterbein,  von  vorne 
gesehen. 

Machilis  spec.  (aus  Calabrien),  Vorderbein,  von  der  Hinter- 
seite gesehen. 

P(iuro}ms  spec,  eins  der  mittleren  Laufbeinc,  von  der  Vorder- 
seite gesehen. 


Fig. 
Fig. 

1. 
2. 

Fig. 

3. 

Fig. 

4. 

Fig. 

5. 

Fig. 

6. 

Fig. 

7. 

Fig. 

8. 

Fig. 

9. 

Fig. 

10. 

Sitzung  vom  18.  November  1902.  229 

Fig.  11.  Scolopendrdla  spec,  eins  der  hinteren  Laufbeine,  von  der 
Vorderseite  {resehen,  die  Hüfte  unvollstiindip  gezeichnet. 

Fig.  12.  Pdyde^mus  illijrkus  Veuu.,  eins  der  mittleren  Laufbeine, 
a)  ganzes  Hein  von  der  Ilinterseite  gesehen,  b)  nur  die 
proximalen  Glieder,  Fenuir  unvollständig  gezeichnet,  stärker 
vergrössert.  In  b)  sind  versehentlich  die  Bezeichnungen 
1.  tr.  und  d.  tr. ,  1.  fe.  und  d.  fe.  vertauscht  worden,  sie  sind 
in  Uebereinstinnnung  mit  Figur  a)  umzustellen. 

Fig.  13.  Orche^dla  rufcavens  (Wulf.)  var.  pallida  Rt.,  vorderes  Bein- 
paar, von  vorne  gesehen. 

Sämmtliche  Figuren  sind  mehr  oder  weniger  scheniatisirt  und  je 
nach  den  Objekten  in  verschiedener  Vergrösserung  gezeichnet.  Ein 
Stern  (*)  giebt  überall  die  Lage  des  Kniegelenkes  zwischen  Femur  und 
Tibiotarsus  resp.  Tibia  an.     Sonstige  Bemerkungen: 

Co  =  Coxa. 
Cop  =  Complementärring  derselben. 

Tr  =  Trochanter. 
Trfe  =  Trochanterofemur. 
Fe  =  Femur. 
Ti  =  Tibia. 
Tita   =  Tibiotarsus. 
Ta  =  Tarsus. 

Pr  =  Praetarsus  (+  Klauen  etc.). 

C  =  Condylus      des      „monokondjiischen"      Drehgelenkes 

zwischen   Trochanter  und   Femur  (Polydesmus,   Japyx, 

Ordtesella). 

L  =:  Längsleiste    der  Coxa,  zur  Aussteifung  des   Condylus 

ausgebildet. 

1.  tr.   =  Levator  (Flexor)  troclianteris  (bei  Machüis  in  li  und  U 

getrennt). 
d.  tr.  =  Depressor  (Extensor)  trochanteris. 
\.  fe.  =  Levator  femoris. 
d.  fe.  =  Depressor  femoris. 

p.  fe.  =  Pronator  femoris   (bei   Tenthredinidenlarven  in  pi  und 
P2  getrennt),  in  Fig.  12  a)  und  1))  =  Supinator  femoris. 

e.  ti.  =  Extensor  tibiae  (resp.  tibiotarsi). 

f.  ti.   =  Flexor  tibiae. 
p.  ti.   =:  Pronator  tibiae. 

f.  ta.  =  Flexor  tarsi  (=  f.  ta.i  bei  Myriopoden). 

p.  ta.i  =  Pronator  tarsi  I  (bei  Gcophilus). 

f.  ta.j  =  Flexor  tarsi  II  (bei  Mijriopoden). 

f.  pr.  tro.  =  Flexor  praetarsi  trochanteralis. 

f.  pr.  sup.  =        „  „         superior. 

f.  pr.  Inf.  =        „  „         inferior, 

f.  pr.  acc.  =        „  „         accessorius. 


230  Gesellscliaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

Herr  Grünberg  sprach  über  neue  Odonaten  aus  dem 
Njassa-Gebiet,  gesammelt  von  Dr.  Fülleborn. 

Familie  Caenagrionidae. 

t.   Af/riocnemis  consimilis  iiov.  spec. 

Diese  Art  zeigt  im  Zeicimirngscharakter  grosse  Ueber- 
eiustimmung  mit  Agriocnemis  exilis  Selys,  ist  jedoch  durch 
die  Bildung  des  Prothorax  und  der  Analanhänge  von  der- 
selben leicht  zu  unterscheiden. 

Körperlänge  2ß,5.  des  Abdomens  21,  eiues  Hinter- 
flügels 12  mm. 

cT.  Oberlippe  glänzend  violett,  Stirn  schwarz.  Pro- 
thorax schwarz  mit  gelbem  Rand,  mittlerer  Lappen  scharf 
abgesetzt,  halbkreisförmig,  aufgebogen.  Thorax  oberseits 
schwarz  mit  gelber  Schulterstrieme,  Seiten  und  Unterseite 
gelb.  Beine  gelb.  Flügel  hyalin.  Segment  1 — 6  des 
Abdomens  bräunlich  gelb,  7  — 11  röthlich;  1.— 8.  Segment 
mit  schwarzer,  metallisch  glänzender  Rückenzeichnung. 
Analanhänge  hellbraun,  nur  an  der  Spitze  schwarz;  obere 
Anhänge  nicht  ganz  so  lang  wie  das  10.  Abdominalsegment, 
einfach,  breit  getrennt,  kegelförmig,  seitlich  etwas  zusammen- 
gedrückt, nach  abwärts  gerichtet;  untere  Anhänge  die  oberen 
etwas  überragend,  in  der  Mittellinie  zusammenschliessend, 
an  der  Basis  breit,  allmählich  nach  hinten  zugespitzt,  die 
Spitzen  leicht  nach  oben  gebogen. 

2   unbekannt. 

Fundort:  Langenburg  (N.  Njassa).  1   c^. 

2.  Pseudagrion  lindicum  K.  nov.  spec. 

In  der  Zeichnung  zeigt  die  Art  grosse  Aehnlichkeit  mit 
Pseudagrion  torridum  Selys  und  nuhicum  Selys,  kommt 
jedoch  in  der  Grösse  den  Vertretern  der  melanicterum- 
Gruppe  gleich. 

Körperlänge  39—40,  des  Abdomens  32—33,  eines 
Hinterflügels  21,5—23  mm. 

cf  Oberlippe  und  Stirn  grün,  Scheitel  mit  schmaler 
schwarzer  Querbinde.  Prothorax  grün,  Thorax  ebenso, 
mit  schwarzer  Schulterstrieme.  Beine  vorwiegend  gelb. 
Flügel  farblos,  Pterostigma  schwärzlich,  mit  feiner  weiss- 


Sitzung  vom  IS.  November  1903.  231 

lieber  Umfa.ssung.<linio.  Grundfarbo  dos  Abdomens  «^riinlicb- 
grau;  an  der  Wurzel  des  1.  JSegnienfs  ein  scbwarzer  Fleik. 
vor  dem  Hinterrande  eiue  feine  sehwarze  Querlinie:  auf 
dem  2.  Segment  ein  reehteckiger  scbwarzer  Fleck,  vom 
Vorderrand  bis  in  die  Nälie  des  llinterrandes  reicbend.  mit 
dem  er  durch  einen  schmalen  Stiel  verbunden  ist;  der 
schwarze  Fleck  umscbliesst  einen  ovalen  grimlieben  Kern- 
tleck;  3.  —  7.  Segment  mit  siiiwarzgrüner  metalliselier  KMieken- 
längsbinde;  Rücken  des  8.  und  9.  Segments  bläulich,  des 
10.  Segments  schwarz.  Obere  Analanhänge  etwas  kürzer 
als  das  10.  Abdominalsegmeut.  flach  gegabelt;  oberer  Ast 
kurz  und  breit,  unterer  bedeutend  schmäler,  den  oberen 
etwas  überragend  und  leicht  nach  unten  gebogen. 

9.  Dem  cT  ähnlich  gezeichnet;  Beine  ganz  gelb,  nur 
die  Oberschenkel  mit  einer  feinen  schwarzen  Längsliuie 
auf  der  Aussenseite  der  Spitzenhä'fte.  Die  schwarze  Rücken- 
linie auf  dem  2.  Abdominalsegment  viel  schmäler  als  beim 
(/,  ohne  Kernfleck  und  bis  zum  Ilinterrand  reichend,  vor 
welchem  sie  zu  beiden  Seiten  flügelartig  erweitert  ist. 

Fundort:  Liudi.  1  cf ;  das  9  befand  sich  bereits  in 
der  Sammlung  des  Berliner  zoologischen  Museums. 

3.  Micronymphd  hilohata  nov.  spec. 

Körperlänge  30.  des  Abdomens  23,5,  der  Hinter- 
flügel 16,5  mm. 

J.  Oberlippe  und  Stirn  blaugrün.  Epistom 
schwarz  mit  blaugriiuem  Vorderrand.  Scheitel  schwarz. 
Hinter  den  Facettenaugen  zwei  blaugrüne  Flecke,  durch 
eine  schmale  Querlinie  verbunden. 

Prothorax  und  Thorax  oben  schwarz,  an  den  Seiten 
bläulichgrün.  Thorax  jederseits  mit  grüner  Schulterstrieme: 
unter  dem  Vorderflügel  an  der  ersten  Pleuralnaht  eine  kurze 
schwarze  Strieme,  darunter  ein  kleiner  schwarzer  Fleck. 

Am  Vorderrande  des  ]\Iesothorax  symmetrisch  zur 
Rückenlängskante  zwei  deutliche  lappenförmige  Anhänge, 
seitlich  gerichtet  und  schräg  aufgebogen.  Dieselben  sind 
auch  bei  den  übrigen  Arten  angedeutet,  jedoch  bei  der  vor- 
liegenden besonders  stark  ausgebildet. 


232  GeselUehafi  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

Hüften,  Schenkelrioge  und  Oberschenkel  grün.  Schienen 
und  Tarsen  braun. 

Abdomen  vom  1.  bis  zur  Basis  des  3.  Segmentes 
hellblau,  3.-7.  Segment  rötlich  gelb,  8.— 10.  Segment  blau; 
1.  Segment  mit  einem  von  der  Basis  bis  zur  Mitte 
reichenden  rechteckigen  schwarzen  Rückenfleck,  2.  Segment 
mit  schwarzer  Rückenläugsbiude;  3—7.  Segment  oberseits 
ganz  schwarz  mit  grünlichem  Metallglanz;  9.  Segment  am 
Hinterrand  und  10.  Segment  an  der  Basis  mit  schwarzer 
Rückenzeichnung. 

Obere  Analanhänge  von  der  Länge  des  10.  Ab- 
dominalsegmentes, oben  schwarz,  unten  braungelb,  cylindrisch, 
gespalten;  unterer  Ast  sehr  klein,  eine  w^enig  vorspringende 
Spitze  bildend. 

Untere  Anhänge  nur  halb   so   lang  wie  die  oberen, 
mit  weit  divergirenden  Gabeiästen. 
unbekannt. 

Fundort:  Muna  Rupira's  (Ukinga),  1    ,/, 

4.  Disparoneura  cellularis  K.  nov.  spec. 

Körperlänge  des  ^  bis  zum  Hinterrande  des  6.  Ab- 
dominalsegments 32,  des  Abdomens  bis  dahin  25.2  der 
Hinterflügel  21,6  mm. 

o''.  Kopf  dunkel,  blau  bereift,  zwischen  Epistom  und 
den  Facettenaugen  sowie  auf  dem  Ocellenfeld  gelblich. 

Prothorax  jederseits  breitgelb. 

Thorax  oben  schwarz  mit  schmaler  gelber  Schulter- 
strieme, Seiten  gelb. 

Beine  gelb  mit  schwarzen  Tarsen. 

Abdomen  bis  zum  7.  Segmente  gelbbraun,  mit  breitem 
dunkeln  Saum  am  Hinterrand  des  3. — 6.  Segments;  auf  dem 
Rücken  des  2.-6.  Segments  eine  feine  helle  Mittelläugslinie. 

Im  Vorderflügel  14,  im  Hinterflügel  12  Postnodalquer- 
adern.  Der  hintere  Sector  des  Dreiecks  entspringt  eine 
beträchtliche  Strecke  vor  dem  ^basalen  Postcostaläderchen 
und  geht  im  Vorderflügel  eine  kleine  Strecke  über  die 
Aussenseite  des  Vierecks  hinaus.  Im  Hinterflügel  erreicht 
er  genau  die   Verlängerung  der  Aussenseite  des  Vierecks, 


Sitzung  vf/m  18.  November  1902.  233 

entsendet  aber  vorher  eine  kleine  Ader  zum  Flügelhinter- 
rande. 

9   unbekannt. 

Fundort:  Langenburg.  1   ,/  (Torso). 

5.  Chlorocnemis  inepta  K.  nov.  spec. 

Körperlänge  cT  ■!-•  <1ps  Abdomens  30.  der  Hinter- 
flügel 22.5  mm. 

Ein  augenfälliger  Unterschied  in  der  Zeichnung  dieser 
Art  und  der  von  Calvkkt  als  Disp((roncura  beschriebenen 
Chlorocnemis  ahboti  ist  nicht  vorhanden.  Die  Abtrennung 
geschah  auf  Grund  folgender  Unterscheidungsmerkmale: 

1)  Alle  Flügel  sind   hyalin  ohne  gelbliche  Trübung; 

2)  der  hintere  Sector  des  Dreiecks  entspringt  im  Vorder- 
tlügel  unmittelbar  am  basalen  Postcostaläderchen; 

3)  der  hintere  Sector  des  Dreiecks  mündet  im  Vorder- 
tlügel  symmetrisch  in  der  von  der  Aussenseite  des 
Vierecks  zum  Flügelhinterrande  gehenden  Querader, 
im  Hinterflügel  dagegen  symmetrisch  in  der  auf 
das  Viereck  nach  aussen  folgenden  Querader. 

2   unbekannt. 

Fundort:  Langenburg.   1   cT- 

Familie  Aeschnidae. 
6.  Gynacantha  villosa  nov.  spec. 

Körperlänge  78.2  mm.  des  Abdomens  60.  der  Hinter- 
flügel 53,5  mm. 

(/.  Kopf  bräunlich  gelb;  Stirn  dünn  schwarz  behaart 
mit  undeutlich  T"  förmigem  schwarzem  Fleck. 

Thorax  oberseits  dunkelliraun.  unterseits  heller;  dicht 
und  lang  behaart. 

Beine  rothbraun. 

Flügel  leicht  bräunlich  getrübt,  mit  schwärzlicher, 
ziemlich  sperriger  Aderung;  basale  Qu  er  ad  er  im  Sub- 
costalraum  vorhanden.  Im  Vorderflügel  25  —  27  ante- 
nodale. 17  postnodale  Queradern;  Dreieck  im  Vorderflügel 
7— 8 zellig.  im  Hinterflügel  6 zellig.  Analdreiek  vier- 
zellig. 

9t 


234  Gesellschaft  nuturforscfiender  Freunde,  Berlin. 

Abdomen  einfarbig  schwarzbraun,  am  Grunde  aufge- 
blasen; 3.  Segment  seitlich  zusammengedrückt;  8.— 10.  Seg- 
ment etwas  heller  als  die  übrigen;  3.-7.  Segment  mit 
deutlichem  Rückenkiel. 

Obere  Anal  anhänge  7,  untere  2,2  mm  lang. 

2   unbekannt. 

Fundort:  Langenburg.   1   c/. 

7.  Gynacantha  manderica  K.  nov.  spec. 

Körperlänge  67,  des  Abdomens  ohne  Analanhänge  47. 
der  Hinterflügel  40  mm. 

9.  Flügel  glashell,  Wurzeltheil  des  Subcostalfeldes 
und  Basalraum  gelblich;  Geäder  auffallend  sperrig.  Anzahl 
der  Antenodal-  und  Postnodalqueradern  im  Gegensatz  zu 
den  bisher  bekannt  gewordenen  afrikanischen  G/jnacantha- 
Arten  äusserst  gering:  im  Vorderflügel  16  antenodale  und 
12  postnodale,  im  Hinterflügel  11 — 12  antenodale  und 
13 — 15  postnodale  Queradern.  Dreieck  des  Yorderflügels 
4  zellig.  des  Hiuterflügels  4— 5  zellig. 

Obere  Analanhänge  5  mm  lang,  kurz  Yor  dem  Hinter- 
rande am  breitesten. 

Das  einzige  vorliegende  Exemplar  ist  noch  unausgefärbt, 
gelbbraun;  3.  Abdomiualsegment  stark  comprimirt.  Rücken 
des  3.-7.  Segmentes  hinter  der  Querfnrche  jederseits  mit 
einem  kleinen,  am  Mittelkiele  hakenförmig  nach  hinten  um- 
biegenden gelben  Fleckchen,  ausserdem  mit  einem  rundlich- 
vierseitigen gelben  Fleck  vor  dem  Hinterrand. 

Fundort:  Mandera  (Ukami),  1  9  (von  Dr.  Stuhlmann). 

Familie  Gomphidae. 
8.  Notogomphus  nyassicus  nov.  spec. 
Körperlänge  38  mm,    des  Abdomens   28,   der  Hinter- 
flügel 25  mm. 

9.  Oberlippe.  Epistom  und  Stirn  olivenbraun, 
Ocellenfeld  und  Hinterhaupt  schwarz. 

Thorax  schwarz  mit  breiter  abgekürzter  grüngelber 
Schulterstrieme,  vor  derselben  jederseits  eine  gleichfarbige 
Querstrieme.       Von     den     Flügelwurzeln     zu     den     Hüften 


Sitzuni/  vom   18.  Xoveniher  1902.  235 

ziehen  zwei  breite  grünliche,  au  den  Kändern  verwaschene 
Binden. 

Beine  schwarz,  Flügel  hyalin  mit  ganz  leichter 
schwärzlicher  Trübung.  Pterostigma  braun.  Menibranula 
bis  auf  unbedeutende  Reste  fehlend. 

Abdomen  schwarz;  1.— 8.  Segment  au  der  Basis  und 
an  den  Seiten  mit  braunen  Ringen  und  Flecken. 

Obere  Analanhänge  schwarz  mit  brauner  Spitze. 

Fundort:  Langenburg.   1  ?. 

Familie  Libellulidae. 

9.  Olpogastra  füllehorni  K.  nov.  spec. 

syn.?  Pseudomacromia  torrida  Brauer  in   litt.  (/   nee.   9.     Nubia» 
Maino:  Mus.  Vindobon. 

Maasse:  cT  Körperlänge  49.  Abdomen  32.  Hinter- 
flügel 37  mm;  9  Körperlänge  52,5.  Abdomen  34.5,  Hinter- 
flügel 40  mm. 

ö'.  Kopf  grünlichgelb.  Vertiefungen  um  den  Ocellen- 
wulst  metallischblau;  Hinterhaupt  schwärzlich  mit  grossen 
gelblichen  Flecken 

Prothorax  braun  mit  gelblichem  Mittellappen. 

Thorax  metallischblau  mit  ausgedehnten,  aber  wenig 
scharf  begrenzten  gelblichen  Zeichnungen:  vorn  zwei  breite, 
abgekürzte,  nach  hinten  convergiiende  Schulterstriemen; 
Mittellängslinie  ebenfalls  gelblich.  Seite  mit  3  gelben 
Zackenstriemen.    Unterseite  gelb  mit  schwarzen  Querbinden. 

Beine  dunkelbraun;  Hinterschenkel  wie  bei  Oipogastra 
lugubris  K.  bewehrt.  Unterseite  der  Hinterschienen  mit 
8  sehr  starken  Stacheln. 

Flügel  hyalin  mit  gelblicher  Aderung  (unausgefärbt); 
am  Analrande  der  Hinterflügel  ein  roth brauner  Fleck.  Im 
Vorderflügel:  11  7»  — 13  V2  anteuodale.  8  —  9  postnodale 
Queradern;  Dreieck  zweizeilig,  inneres  Dreieck  dreizellig. 
Im  Hinterflügel:  9—10  antenodale.  9—10  postnodale  Quer- 
adern; Dreieck  und  Supratriangularraum  ungetheilt,  kein 
inneres  Dreieck.  Der  Arculus  liegt  in  beiden  Flügelpaaren 
zwischen  der  ersten  und  zweiten  Antenodalquerader,  der 
zweiten  näher  als  der  ersten.  Im  Hinterfliigel  liegt  die 
Innenseite  des  Dreiecks  in  der  Verlängerung  des  Arculus. 

9tt 


236  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

Abdomen  schwarz.  Rücken  aller  Segmente  mit 
röthlichgelber  Mittellängslinie.  Basis  massig  aufgeblasen. 
3.  Segment  seitlich  comprimirt. 

9.    Scheiteldreieck  dunkelblau. 

Prothorax  braun.  Thorax  wie  beim  </,  die  Zeich- 
nungen weniger  ausgedehnt  und  scharf  begrenzt.  Flügel 
hyalin  mit  schwärzlicher  Aderung.  ohne  Analfleck  im 
Hinterflügel;  im  übrigen  wie  beim  cT-  Beine  ebenfalls 
wie  beim  cf.     Abdomen  vorwiegend  schwarz. 

Fundort:  Langen  bürg,  1  9  (c/*  vom  Wiener  Hof- 
museum durch  Tausch  erworben). 

10.  Palpopleura  callista  nov.  spec. 

Syn.?  Palpoplenra  incunda  W.  Kirby  nee  Ramb: 

Syn.  Cat.  of  Neuroptera  Odonata  London  1890,  p.  9. 

Trans.  Zool.  Soc.  London  XII,  1890,  p.  273. 

Ann.  and  Mag.  of  Nat.  Hist.  VII,  2,  p.  232,  London  1898. 

Nach  DE  Selys  (Pollen  et  van  Dam,  Recherches  sur 
la  Faune  de  Madagascar.  Ins.  p.  15.  Leide  1877)  ist 
Palpopleura  iucunda  Ramb.  =  (?)  P.  sexmaculata  F.  von 
China.  Rambur's  Irrthum  beruht  auf  einer  Verwechslung 
des  Vaterlands. 

Maasse:  cT  Körperlänge  23.8— 25,5.  Abdomen  14—15,7, 
Hinterflügel  17  — 18  mm;  9  Körperlänge  23—23,6,  Abdomen 
13,5—13,7  ram,  Hinterflügel  17.5  —  18,1  mm. 

d .  Kopf  vorn  gelb.  Feld  vor  den  Ocellen  glänzend  blau. 

Prolhorax  dunkelbraun,  am  Hinterrande  flach  einge- 
buchtet. 

Thorax  oberseits  chokoladebraun  mit  dichter,  langer 
weisslicher  Behaarung.  Seiten  und  Unterseite  gelb;  zwei 
schräge  schwarze  Striemen  an  den  Seiten  und  eine  eben- 
solche, kürzere  an  der  Unterseite. 

Beine  vorwiegend  gelb. 

Flügel  glashell;  an  der  Basis  aller  Flügel  ein  grosser  drei- 
getheilter  schwarzer  Fleck;  der  vordere  Theil  erfüllt  den  Sub- 
costalraum  bis  in  die  Nähe  des  Nodus  und  greift  auf  den 
Costalraum  über,  ohne  jedoch  den  Flügelvorderrand  zu  er- 
reichen; der  mittlere  Theil  bedeckt  die  vordere  Strecke 
zwischen  den  Sectoren  des  Arciilus,  im  Vorderflügel  in  be- 


Sitzung  vom  Ib.  I^ovember  1902.  237 

deutend  grösserer  Ausdehnun«;  als  im  Hinterflügcl;  der 
hintere  Theil  bedeckt  den  Basalraiim  sowie  eine  Anzalil  der 
hinter  und  neben  demselben  liegenden  Zellen;  im  Vorder- 
tlügel  greift  er  auf  die  vordere  Zelle  des  dreigetheilten 
Dreiecks  über,  im  Hinterflügel  bedeckt  or  dasselbe  ganz. 
Im  Innern  des  Basalfleckes  sind  alle  Adern  des  Netzwerkes 
gelb  gefärbt.  Nodus  von  einem  kleinen  schwarzen  Fleck 
umgeben.  Zwischen  Nodus  und  Pterostigma  ein  ver- 
schwommener kleiner  gelblicher  Fleck. 

Abdomen  schwarz  mit  bläulicher  Bestäubung;  Analan- 
hänge schwarz. 

9.    Vorderseite   des  Kopfes  gelb,   Scheitel  hellbraun. 

Prothorax  und  Thorax  wie  beim  cf .  doch  oberseits 
heller.     Beine  gelb  mit  schwärzlichen  Tarsen. 

Basalfleck  der  Flügel  dunkelbraun  auf  gelbem  Grunde, 
grösser  als  beim  0  ;  vom  Vorderrand  bis  in  die  Nähe  des 
Hinterrandes  reichend,  auch  im  Vorderflügel  das  Dreiek 
einschliessend.  Nodus  schwarz  umsäumt.  Hinter  der  Flügel- 
mitte ein  grosser  vierseitiger  dunkelbrauner  Fleck  mit 
breitem  gelben  Rande.  Flügelgeäder  innerhalb  aller  Flecke 
hellgelb.     Pterostigma  aussen  schwarz,  innen  weiss. 

Abdomen  oberseits  hellbraun  mit  drei  schwarzen 
Längsstreifen.     Obere  Analanhänge  schwarz,   untere  braun. 

Herr  VON  Martens  legte  einige  neue  Arten  von 
Meer-Conchylien  aus  den  Sammlungen  der  deutschen 
Tiefsee-Expedition  unter  der  Leitung  von  Prof.  Carl 
Chun  1898—99  vor: 

1.  Valuta  (Fusivoluta  ^\i\)^,%n.  x\Q\.)  anomala.  Testa 
fusiformi-turrita.  gracilis.  imperforata.  plicis  verticalibus 
suturam  superiorera  non  attingentibus,  superne  subnodifor- 
mibus.  in  anfr.  ultimo  prope  aperturam  evanescentibus.  et  liris 
spiralibus  confertis,  in  anfr.  penultimo  circa  17  conspicuis, 
nonnullis  duplicatis  sculpta,  rufescentigrisea,  unicolor;  apex 
obliquus.  papillaeformis:  anfractus  7,  primus  laevis, 
globosus.  sat  magnus.  sequentes  duo  subaequales,  plicis 
abbreviatis  exiguis  sculpti.  ceteri  regulariter  crescentes, 
ultimus  basi  sensim  attenuatus.     Apertura  lanceolata,    sat 


238  Gesellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

angiista,  margine  externo  recto,  integro,  pariete  aperturali 
et  margine  columellari  laevibus,  non  plicatis.  rufescentibus, 
canali  breviiisciilo.  late  aperto.  retrorsum  paulum  ascendente, 
fauce  pone  margiueni  externum  aui-antio-limbata.  Long.  70. 
diam.  20,  apert.  loDg.  incl.  canali  37,  excl.  23,  latit.  13  mm. 

Ost -Afrika,  an  der  Somaliküste,  in  463  m  Tiefe. 

Durch  den  Mangel  der  Columellarfalten  und  den  all- 
gemeinen Urariss  der  Schale  erscheint  diese  Art  zunächst 
als  Fiisus,  aber  die  schief  aufgesetzte,  warzenförmige  Spitze 
erinnert  sofort  an  manche  Voluten,  z.  B.  V.  rupestris  Gm. 
{fulmincda  Lam.)  und  die  Untersuchung  der  Radula  durch 
Dr.  Thiele  hat  denn  auch  die  Zugehörigkeit  zu  Voluta, 
nicht  zu  Fnsus  oder  den  Bucciniden  ergeben,  bestätigt  also 
den  durch  die  Embryonalwindung  gegebenen  Hinweis.  Ein 
horniger  Deckel  ist  vorhanden,  findet  sich  aber  auch  bei 
der  Untergattung  von  Voluta,  wozu  F.  nmsica  L.  gehört. 
Auch  Wyrillea  Watson.  Challenger  Gastropoden,  p.  262, 
Taf.  15,  Fig.  2.  zwischen  den  Marion-  und  Crozetinseln, 
ist  eine  Volutide  ohne  Falten,  hat  aber  keinen  Deckel  und 
eine  sehr  verschiedene  Allgemeingestalt  der  Schale. 

Zu  dieser  neuen  Untergattung  gehört  auch  Fusus 
(Sipho)  pyrrhostomus  Watson  am  angeführten  Ort  S.  208 
Taf.  12  Fig.  2.  welcher  auch  von  der  deutschen  Expedition 
beim  Cap  der  guten  Hoffnung  in  318  m  Tiefe  gefunden 
wurde  und  bei  der  Untersuchung  der  Radula  sich  als 
Voluta  ergeben  hat. 

2.  Pleurotoma  (Gemmula)  gemmulina.  Testa  turrita, 
gracilis,  lira  elevata  subsuturali  inaequaliter  bipartita, 
cingulo  mediano  lato  confertim  tuberculifero  et  lira  inferiore 
simplice  sculpta,  solida.  alba,  unicolor;  anfr.  11,  primus 
laevis,  duo  sequentes  nodulis  subverticalibus  uniseriatis 
sculpti.  ceteri  cinguliferi.  tuberculis  cinguli  in  anfr.  penultimo 
23.  ultimus  subtus  sensim  attenuatus  et  liris  nonnullis 
spiralibus  cinctus.  Apertura  dimidiam  longitudiuem  testae 
aequans.  anguste  ovata,  margine  externo  ad  cingulum 
medianuin  tubeiculiferum  emarginato,  crassiusculo,  canali 
sat  longo,  recto.   late  aperto.   margine  columellari  rectilineo. 


Sitzumj  vom  18.  November  1902.  239 

laevi.    subdeti'ito.      Long.    •^OV».    diam.   ßVs,    apert.   long, 
incluso  cauali  \).  excluso  4,  apcrt.  lat.  2V-»  nun. 
Westküste  von  Sumatra,  in  677  m  Tiefe. 

3.  Pleurotoma  (Gcmmuhi)  rotutilis.  Testa  tiirrita, 
biconica,  cingnlo  siibsutiirali  laevi  et  carina  mediana  tuber- 
culifera  sciilpta,  albida.  unicolor;  aufr.  9,  primus  laevis, 
flavesceus,  sequentes  tres  couvexi.  coufertim  subarcuato- 
costulati.  ulteriores  eariuati  et  conferiim  tiibeiciilati, 
penultimus  tuberciilis  17,  ultiiiuis  18,  siibtus  primum  con- 
vexus  et  liris  spiralil)us  2,  superiore  fortiore  sculptus,  dein 
valde  attenuatus.  Apertuva  diraidiam  testae  lougitiidiuem 
Don  aequans.  subovata,  latiuscula.  margine  exteruo  ad 
carinam  emarginato.  valde  arciiato.  canali  mediocri,  oblique, 
aperto.  margine  columellari  subperpendiculari,  laevi.  appresso. 
Long.  1 1  V2.  diam.  5.  apert.  long,  incluso  canali  4,  excluso  2, 
apert.  lat.  2  mm. 

Ost-Afrika  au  der  Somaliküste,  in  1134  m  Tiefe. 

4.  Fleurotom-a  (Brachytoma)  siihsutiiralis.  Testa 
fusiformi-biconica.  medio  tuberculato-augulata  et  iufra  suturam 
nodulis  parvis  uniseriatis  cineta,  tenuis,  alba;  anfr.  9, 
priores  2  laeves.  subglobosi.  sequentes  regulariter  cresceutes, 
sutura  impressa.  angulo  tuberculifero  sutiirae  inferior!  pro- 
piore,  zona  inter  nodulos  subsuturales  et  angulum  tuber- 
culiferum  laevi.  ultimiis  subtus  liris  spiralibus  2  —  3 
majoribus  et  nonnullis  minoribus  sculptus.  dein  valde 
attenuatus.  nodulis  subsuturalibus  prope  aperturam  evanes- 
centibus.  Apertura  si)iram  superans,  clavata,  margine 
externe  tenui,  superne  circuatim  et  late  emarginato.  canali 
longo,  leviter  resupinato,  aperto;  margine  columellari  paulum 
concavo,  laevi,  nitido.  quasi  attrito.  Long.  23,  diam.  9, 
apert.  long,  incluso  canali   13,  excluso  6.  apert.  lat.  4  mm. 

Ost-Afrika,  an  der  Somaliküste,  in  818  und  1134  m 
Tiefe. 

5.  Pleurotoma  ( Ferrona)  suhspirata.  Testa  biconica, 
laevis,  unicolor,  brunnea,  spira  couico-turrita.  gradata.  apice 
minute  globoso;  anfr.  9,  infra  suturam  cingulo  tumido  ornati, 
ceterum  planiusculi.  ultimus  medio  valde  convexus  et  subtus 
subangulatus.    dein   valde   angustatus.     Apertura  dimidiam 


240  Gesdlscltaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

longitudinem  testae  paulo  superans,  ovato-elliptica,  sinu 
magno,  rotondato,  caiiali  subelongato,  recto,  aperto,  margine 
columellari  appresso,  pallido,  fauce  violascente.  Long.  2572, 
diam.  11,  apert.  loDg.  incluso  canali  15,  excluso  8,  apert. 
lat.  5  mm. 

Grosse  Fisch bai,  Südwest- Afrika. 

6.  Pleurotoma  (Leucosyriaa')  vepallida.  Testa  fusi- 
formi-turrita,  plicis  obliquis  abbreviatis  nodiformibus,  sutu- 
ram  superiorem  non  attingentibus  in  anfr.  penultimo  12,  in 
ultimo  obsoletis  scnlpta.  cinerascenti-alba;  anfr.  8Vis,  primus 
globosus,  laevis,  secnndus  subcylindricus ,  item  laevis,  se- 
quentes  regiilariter  crescentes.  lertia  parte  iDferiore  sub- 
augiilati,  nodosi  et  striis  spiralibus  confertis  levibus  sculpti, 
ultimus  rotundatus,  non  nodosus,  dimidia  parte  inferiore 
spiratim  striatus  et  sublus  seusim  attenuatus.  Apertura 
lanceolata,  sat  aogusta,  margine  externo  tenui,  leviter  ar- 
cuato,  infra  suturam  modice  et  arcualim  sinuato,  pariete 
aperturali  et  margine  columellari  laevibus,  albis,  canali  bre- 
Yissimo,  iate  aperto.  Long.  44,  diam.  18,  apert.  long,  in- 
cluso canali  21.  excluso  1572,  apert.  diam.  9  mm  Kein 
Deckel. 

Ost- Afrika,  an  der  Somaliküste  in  1840  m  Tiefe. 

7.  Typhis  transcurrens.  Testa  biconica,  quadrifariam 
varicosa,  ceterum  laevis,  alba,  varicibus  crassiusculis, 
laevibus,  superne  retrorsum  inflexis  et  in  tu  bulum  oblique 
prominentem  iate  depressum  transeuntibus;  aufr.  6,  con- 
tabulati,  ultimus  subtus  sensim  attenuatus.  Apertura  parva, 
elliptica,  peristomate  tenui  coutinuo  discreto  cincta;  canalis 
modice  elongatus,  flexuosus,  ambitu  clausus,  apice  apertus, 
cum  varice  ultimo  continuus;  canalis  alter  cum  varice  pen- 
ultimo continuus  in  testa  adulta  conspicuus.  Long.  13. 
diam.  exclusis  tubulis  6,  apert.  long,  excluso  canali  3, 
lat.  273;  longitudo  tubuli  Ultimi  4  mm. 

Ost-Afrika,  im  Zanzibar-Kanal,  in  463  m  Tiefe. 

8.  Nassaria  teres.  Testa  subturrita  costis  perpen- 
dicularibus,  circa  20  in  anfr.  penultimo,  16  in  ultimo,  antice 
evanescentibus  et  liris  spiralibus  angustis,  costas  et  inter- 
stitia  aequaliter  percurrentibus ,  in  anfr.  penultimo  10  con- 


Sitzumj  rom  18.  November  1902.  241 

spicuis".  in  ultimo  (absqiie  canali)  circa  IH,  noduloso-can- 
cellata.  albida  ;  anfr.  7.  valde  convexi.  siitura  sat  profunda, 
ultimus  univarieosus,  basi  convexus.  subito  in  canalem  bre- 
viusculum  lecurvuni  abieus.  Apertura  rotuuda.  niargine 
externe  costa  majore  sat  angusta  miinito.  margine  columellari 
et  parietali  abraso.  Long.  34.  diam.  18.  apert.  long,  iucluso 
canali  17,  excluso  9,  lat.  apert.  7V2  mni. 
Bei  den  Nikobaren,  in  362  m  Tiefe. 

9.  Äncillaria  hasta.  Testa  elongata.  lanceolata, 
imperforata.  laevigata.  nitida,  pallide  roseo-fulva,  versus 
apicem  alba;  anfr.  7.  subplani.  suturis  superlitis,  regulariter 
cresceutes.  ultimus  modice  angiistus.  paiiliim  convexus,  ad 
basin  lineis  spiralibiis  proniinulis  tribus.  duas  zonas  im- 
pressas  includentibus  sculpta.  infra  has  albus.  Apertura  -/s 
totius  longitudinis  occupans,  lanceolata.  margine  externe 
leviter  flexuoso.  albo,  margine  columellari  infimo  verticali, 
incrassato.  Long  30.  diam.  1 1,  apert.  long.  19V2.  lat.  6V2  mm. 

Süd- Afrika,   bei  der  Agulhas-Bank.  in  500  m  Tiefe. 

10.  Scalaria  unilateralis.  Testa  elongate  turrita, 
imperforata,  costis  validis,  perpendicularibus.  15  —  17  in 
anfractu  ultimo,  erassis,  interstitia  latitudine  fere  aequantibus 
sculpta.  fuscesceus.  non  nitida;  anfr.  c.  12,  sat.  convexi, 
sutura  impressa,  fllocincta,  ultiuins  in  continuatione  suturae 
cingulo  Spiral i  percrasso.  prope  aperturam  in  carinae  formam 
elevato  ciuctus,  infra  hoc  nen  costatus.  concaviusculus; 
varices  singulae  in  anfractibus  4—5  inferioribus.  uni- 
laterales, inter  se  continuae.  Apertura  peristomate  duplice, 
interiore  angusto  recto,  exteriore  basi  et  extrorsum  in  varicem 
expanso  et  incrassato,.  Long.  17,  diam.  5,  apert.  long,  et 
diam.  excluso  peristomate  2V2,  incluso  perist.  372  mm. 

Bei  den  Nikobaren,  in  805  m  Tiefe, 

11.  Collonia  hicarinata.  Testa  suborbiculata,  soli- 
diuscula.  umbilicata.  flavesceuti  alba,  unicolor,  carinis  2  spi- 
ralibus  elevatis  sculpta,  ceterum  laevis;  spira  abbreviato- 
conica,  gradata;  anfr.  ultimus  lira  spirali  inter  duas  carinas 
et  in  basi  liris  spiralibus  2  sculptus,  antice  distincte  de- 
scendens.  subtus  leviter  concavus.  liris  spiralibus  2.  umbilico 
sat   magno,   angulari.     Apertura  obliqua,    circularis,    peri- 


242  Gesellschaft  tiaturforschender  Freunde,  Berlin. 

stomate  leviter  expanso,  carinis  et  liris  exciirrcntibus  levitor 
anguloso,  margine  externo  valde  arcuato,  sat  tenui.  iiuii-giiie 
basali  iiicrassato,  margine  columellari  tenui.  recto.  uon  in 
umbilicuni  retlexo.  Diam.  maj.  9,  min.  8,  alt.  6.  apert. 
incluso  peristomate  altitudo  obliqua  4^3.  latitudo  473  mm. 
Süd-Afrika,  nahe  der  Agulhas-Bank.  in  500  m  Tiefe 

12.  Solariella  infralaevis.  Testa  trochiformis,  anguste 
umbilicata,  margaritacea,  unicolor;  aufr.  5\'2,  sutiira  pro- 
funda discreti.  serie  nodulorura  una  infra  suturam  et  carina 
monilifera  paulo  supra  suturam  seqiientis  anfractus  sculpti, 
interstitiü  laevi,  iiltimus  ad  peripberiam  bicarinatus.  carina 
superiore  nodulifera.  inferiore  laevi ;  basis  subplanata,  laevis; 
umbilicus  cariuula  monilifera  cinctus.  angustus.  pariete  laevi- 
Apertura  anguloso -subcircularis.  modice  obliqua.  '/2  longi- 
tudinis  testae  paene  occupans,  margine  externo  triangulato, 
marg.  basali  uniangulato.  marg.  columellari  supra  dilatato 
et  partem  umbilici  tegente.  Diam.  maj.  10,  min.  9.  alti- 
tudo 10,  apert.  diamet.  incluso  margine  columellari  h^J2 
excluso  4,  altit.  apert.  obliqua  5  mm.  . 

Ost-Afrika,  an  der  Somaliküste,  in  1134  m  Tiefe.  ^ 

13.  Solariella  hiradiatula.  Testa  depresse  turbinata, 
umbilicata.  crenulis  radiantibus  infra  suturam  et  striis  levi- 
oribus  radiantibus  circa  umbilicum  sculpta,  ceterum  laevis. 
nitida,  cinereo-margaritacea;  anfr.  5,  mediocriter  convexi, 
tertius  et  quartus  crenulis  subsuturalibus  magis  conspicuis. 
ultimus  crenulis  versus  aperturam  evanescentibus,  superne 
leviter  convexus,  ad  peripberiam  rotundatus,  basi  sub- 
planatus;  umbilicus  sat  latus,  infundibuliformis .  ciugulo 
angulari  crassiusculo  et  lirulis  2  spiralibus  perangustis 
cinctus.  Apertura  rhomboideo-rotundata.  margine  externo 
superne  clongato,  leviter  descendente,  marg.  basali  vix 
arcuato.  marg.  columellari  rectilineo,  obliquo.  angulum 
distinctiim  cum  basali  formante.  Diam.  maj.  lOVa-  min. ''S, 
alt.  TVs.  apert.  diam^  4,  altitudo  obliqua  4  mm. 

Ost-Afrika,  ausserhalb  Dar-es-Salam,  in  400  m  Tiefe. 

14.  Puncturella  (Crauo^isis)  Äethiopica.  Testa 
depressa.  suborbicularis,  radiatim  multicostulata.  costulis 
scabris,  subaequalibus,  confertis,  albida;  vertex  prominens, 


Sitzung  vom  18.  Noveinher  1902.  243 

compressus,  apice  incumbens.  Vs  fere  longitudinis  testae  a 
marginc  postico  remotus;  fissura  longitudinalis  intus  expleta. 
in  acumine  verticis  ad  \/4  fere  longitudicis  testae  extensa. 
dein  antrorsum  in  foramen  lanceolatum  (asymmetricum.  ad 
sinistram  vergens)  aperta;  peripheria  testae  leviter  multi- 
crenulata.     Long.   16,  diam.   H'/a.  alt.  6  mm. 

Ost-Afrika,  im  Zanzibar-Kanal.  in  463  m  Tiefe.  Ein 
lebendes  Exemplar. 

15.  Puncturella  analo(/a.  Testa  elevato-conica.  costis 
radiantibus  saepe  alternis  minoribus  modiee  prominentibiis 
confertis  et  striis  concentricis  subtilibus  costas  traus- 
currentibus  sculpta;  margo  irregulariter  crenulatus;  Vertex 
recurviis.  lateri  posteriori  incumbens;  fissura  brevis.  rbom- 
boidea.  paulo  ante  summam  altitudinem  posita.  Alt.  5, 
long.  8.  lat.  5  mm. 

Kerguelen,  in  der  Gazellenbucht. 

16.  Binyicula  Aethiopica.  Testa  acurainato-globosa. 
lineis  incisis  spiralibiis  in  anfr.  ultimo  c  17,  superioribus 
magis  distantibus,  in  penultimo  4  conspicuis,  suprema 
suturae  approxiniata,  alba;  spira  sat  prominens;  anfr.  ?, 
convexi.  sutura  impressa.  Apertura  siibangusta.  superne 
acutangula.  margine  externo  primum  impresso,  dein  tenui- 
limbato,  modiee  arcuato.  margine  columellari  plicis  validis 
2  munito,  pariete  aperturali  non  calloso.  Long,  ultra 
7,  diam.  6,  apert.  incluso  peristomate  long.  4V2.  diam. 
272  mm. 

Ost-Afrika,   nahe  der  Somaliküste  in  1134  m  Tiefe. 

17.  Actaeon  (Leucotina)  Äethiopicus.  Testa  ovato- 
conica .  rimata.  sulcis  spiralibus  numerosis  distinctis, 
foveolas  longitudinales  includentibiis  sculpta.  alba,  nitida; 
spira  dimidiam  testae  longitudinem  occupans;  anfr.  6V2, 
convexinscnli.  sutura  impressa  angusta  discreti.  ultimus  basi 
sat  convexus.  Apertura  anguste  ovata,  superne  angustata, 
margine  externo  angulatim  producto.  marg.  basali  anguste 
rotundato,  marg.  columellari  perpendiculari  incrassato.  plica 
validiuscula  oblique  ascendente  munito.  Long.  12.  diam.  7. 
apert.  long.  6V2.  apert.  diam.  incl.  marg.  columellari  5, 
excluso  4  mm. 

Ost- Afrika,  im  Pemba-Kanal,  in  818  m  Tiefe. 


244  Genellschaft  naturforschender  Freunde,  Berlin. 

18.  Scaphander  cancellatus.  Testa  oblooga,  superne 
paulum  angustata,  solida,  liiieis  spiralibus  sublaevibus  et 
interstitiis  aequalibus  regulariter  et  conspicue  concellatis 
sculpta,  periostraco  laete  fulvo,  deciduo;  vertex  impressus. 
ad  diraidiam  partem  callo  apertiirali  tectus.  Apertiira 
superne  aügustata,  inferne  plus  duplo  latior.  margiae  externo 
Superne  in  lobum  rotundatum  non  valde  assurgeotem  pro- 
ducto,  margine  basali  rotuudato,  marg.  columellari  dilatato, 
calloso.  valde  sinuato.  Long,  incluso  lobo  marg.  externi  27, 
excluso  25.  diam.  17,  apert.  long  27,  diani.  apert.  superne  5, 
inferne  12  mm. 

Bei  Pulo  Nias  an  der  Westseite  von  Sumatra,  in 
470—646  m  Tiefe. 

Vergleichung  mit  den  nächstvervvandten  bekannten 
Arten,  Beschreibung  der  Eadida,  soweit  solche  zu  erlangen 
war.  und  Abbildungen  werden  in  dem  zoologischen  Theil 
des  Werkes  über  die  deutsche  Tiefsee-Expedition  möglichst 
bald  folgen. 


Referirabend  am  II.  November  1902. 
Friedr.  Dahl  über  N.  Nassau ow.  Cursus  der  Entomologie, 

Theil  I:    Die   äussere  Hülle   der  Insekten.     Warschau 

1901   (russisch). 
F.  E.  Schulze  über: 

1)  einige   neue  Hydroiden,    Pelagohydra  und   Brnnchio- 
cerianthus. 

2)  Lenlossek,    Das  Problem    der  geschlechtsbestim- 
menden Ursachen. 


J.  F.  Stareke,  Berlin  W. 


Fig.  7  a. 


Fig.   7  1). 


zu  Seite  228. 


^iJi 


AA^ 


Fig.   lU. 


f  p/,  ./y^ 


^       ä  Jt- 


Fig.  12  8 


Fänge  von  Fichten. 


Fänge  von  niederen  Pflanzen. 


Fänge  aus  Moos. 


Lepliiliyphaiites  mughi 
lirachycentrum  elongati 
Linyphia  phrygiana  . 
Epeira  dromedaria    . 
Cryphoeca  sylvicola 
Liiiypliia  pusilla  .    . 
Oubiona  subsultans 
Xysticus  pini   .... 
LepJithyphantes  obscurus 
Meta  merianae     .     . 
Lephtbyphantes  alacrif 
Erigone  atra    .     .     . 
JJrapetisca  socialis    . 
Cyclosa  conica     .     . 
Pbilodromus  aureolus 
Micrypbantes  rurestris 
Entclc'caia  acuniiiiata 
Gonatium  isabelUiium 
Dic^na  pusilla     .    . 
Theridium  varians    . 
Pbilodromus  margaritatus 
Theridium  pallens 
Linyitbia  peltata  . 
Kpeiia  cucuibitina 
Liiiypbia  triangularis 
Epeira  diademata 
Clubiona  compta  . 
Coelotes  terrestris 
]>ismodicus  elevatus 
LephthypbanteB  cristatus 
Linypbia  clatbvata    . 
Ero  furcata     .    .    . 
Pacbygnatba  listeri  . 
l'lülodromus  dispar  . 
Clubiona  frutetoruni 
Hyptiotes  paradoxus 
Zora  spinimana    .    . 
GoQgylidium  rutipes 
Bathypbantes  dorsalis 
'J'rematocephalus  cristatus 
Theridium  sisypbium 
Clubiona  pallidula    . 
Itjaea  dorsata      .    . 
Theridium  tinctum    . 
Tetragiiatha  solandri 
Anyphaena  accentuata 
Xysticus  ulmi  .     .     . 
Batbyphantes  nigrinus 
Epeira  angulata   .    . 
liycosa  lugubris   .    . 
Linyphia  montana    . 
Porrboinma  pygmacura 
Xysticus  kocbi      .     . 
IJiplocephalua  humilis 
l'icypbus  cornutus    . 
i-lptira  diodia  .     .     . 


Zahl  der  Individuen 
Zahl  der  Arten 


_   -  _      _   _ 

=  -   -  -_  =  -  -_ 

J  -^    -    -  -^    •    z' 

- 1  - 1  ■*  1    - 1  ~  ] 

Lcpbtbypliantes  mughi     .     . 

^      36  13 

Theridium  sisypbium  .     .     . 

.    1   .       1 

Clubiona  reclusa     .     . 

.    '   .       1 

Meta  merianae   .    . 

0 

a 

la 

Linypbia  triangularis  . 

1 

11 

7 

Gonatium  isabelliniim 

1 

S 

Theridium  varians  .     . 

. 

Pedauostetbus  lividus 

Micrypbantes  rurestris 

Diplocephalus  humilis 

Philodromus  dispar      . 

. 

Clubiona  frutetorum    . 

t  . 

Theridium  biraaculatum 

s 

Linypbia  montana  .     . 

2 

Lephthyphantes  tcuebricola 

1                  1              g 

Linypbia  insighis     . 

11 

Xysticus  pini       .     .     . 

1 

1 

Singa  pvgmaea   .     . 

1 

Ijinyphia  clathrata  . 

1 

Episiniis  truncatus 

1 

Gonylidium  rufipes 

1 

Dolomedes  fimbriatiis  . 

1 

Xysticus  kocbi 

. 

■ 

-  1    ■ 

1 

Lephthyphantes  cristatus 

'i 

Pachygnatha  clercki     .     .     . 

i) 

I-invpliia  hortensis       .     . 

4 

Pacbvgiiatba  listcii ... 

fi 

Balbyiihantcs  ni;n)iiiis 

14 

Zahl   der  liMÜvidu.n 

0     36 

lo]  an 

66 

Zahl  der  Ai 

,c„ 

J 

1 

6 

IS 

l.n 

Fänge  unter  Steinen  und  Rinde. 


|S 

S 
1 

1 

■5 

=  S 

i 

Lycosa  saltuaria      .     . 
Centromerus  pabulator 
Centromerus  arcanus  . 
Coelotes  terrestris  .     .     . 
Lepbtbypbantcs  mansuetus 
Pedanostethus  truncorum 
Amaurobius  claustrarius  . 
CryphoGca  sylvicola     .     . 
Amaurobius  fenestralis 
Macrargus  rufus      .     . 
Clubiona  subsultans    .     . 
Micrypbantes  cornigcr 
Tegenaria  sylvestris    . 
Hahnia  pusilla    .     . 
Lycosa  lugubris 
Neon  reticulatus      . 
Gongylidiellum  murcidiim 
Epeira  diademata    . 
Dictyna  pusilla  .    .     . 
Clubiona  corticalis 
Segestria  senoculata    .    , 
Pedanostethus  lividus 
Lephtbyphantes  cristatus 
Zora  spinimana       .     .     . 
Prosthesima  subterranca 

2 

6 

20 
14 

i 
3 

2 
8 
1 
1 

1 
1 

2 

4 

1 

1 

2 

9 

: 

2 
3 

Zahl  der  Individuer 
Zahl  der  Arter 

4 
4 

6 

1 

43 

8 

16 
8 

20 
7 

10 
7 

s  I 


Ililaira  montigena 
Centromerus  pabulator 
Centromerus  arcanus   . 
Walckenaera  antica 
Walckenaora  cucullata 
Osyptila  trux      .    .    . 
Boi\|iliiintes  alticcps     . 
I;t;iiliy(pntmm  tlmracatui 
Lfiihtiiypliantes  tencbricc 
I)iploL'e|ihalus  latifrons 
!'i  ilanostethus  truncorum 
(  riniinclla  scabrosa     . 
(  liiliioiia  reclusa      .     . 
Miriypbantcs  rurestris 
Gniiatium  isabellinura  . 
Miiiyi'iolus  pusillus 

Cry[dioecn  sylvicola 
Lephthyphantes  alacris 
Walckenaera  acuminata 
Xysticus  bifasciatus 
Clubiona  frutetorum     . 
Zora  nemoralis    .     .     . 
Drassus  troglodytcs 
Maci'argus  rufus      .    . 
Walckenaera  melanocephöla 
Miciyphantes  cornigcr 
Ivophomma  vivum  * 
ILirpiu-trs  If-pidus     .     . 


I.oplMjMiiiiM  lifibigrada 
Zora  spinimana  .     .     . 
Lycosa  lugubris  .     .     . 
Cintromerus  sylvaticus 
Li]dithyphantes  cristatus 
Piichvgnatlia  degceri 
Er.,  iurcata     .... 
Centromerus  bicolor     . 
Lci)lithypbantes  mansui 
Diplocephalus  humilis 
Tapinocyba  insocta 
Dililficephahis  liiemalis 
!■( 


It-     IM 


Notioscopus  sarcinatus  ** 
Walckenaera  unicornis 
Walckenaera  jucundissimo 


llabnia  elegans    . 
Neon  reticulatus 
Xysticus  ulmi 
Lycosa  pullata 
Piratn  laiitans 
Lycosa  prativaga 
Pirata  piraticus  . 
Trochosa  terricolji 


Zahl  der  JudiTiduen 
Zahl  der  Arten 


12  I     8  i     6  I   19 


62      72      40     128 
14      16      22  I    23 


Nr.  10.  1902. 

S  i  1  •/  u  n  g  s  -  H  (•  i-  i  ('  li  t 

<l('r 

(jesellscliaft  iiaturtbrsclieiidc'r  Fremide 

zu   Berlin 
vom   16.   Dezember    1902. 


Vorsitzender:  Herr  v.  Martens. 


Herr  0.  Neumann  sprach  über  zwei  neue  Formen 
des  Genus  ^Colohus"  Illig. 

Herr  H.  Grönroos  sprach  über  zwei  Oberarm - 
muskeln  bei  der  Gattung  Hylohatcs. 

Die  beiden  Mm.  biceps  bracht/  und  laüssimo-condyloideus 
zeigen  bei  den  Hylobatiden  eine  sehr  charakteristische  An- 
ordnung, die,  soweit  bekannt,  keiner  anderen  Thierform  zu- 
kommt, und  die  trotz  zahlreichen  mit  diesem  Gegenstand 
sich  beschäftigenden  Untersuchungen  und  Mittheilungen  doch 
noch  nicht  als  vollständig  aufgeklärt  gelten  kann. 

Der  vorliegende  Bericht  bezieht  sich  auf  die  Ergebnisse 
von  Untersuchungen,  die  an  den  Armen  von  fünf  Hylohutes- 
Exemplaren  über  das  Verhalten  der  beiden  Muskeln  ange- 
stellt wurden.  Da  indessen  eine  ausführliche,  durch  Ab- 
bildungen erläuterte  und  die  bisherige  einschlägige  Litteratur 
berücksichtigende  Darstellung  dieser  Ergebnisse  demnächst 
an  anderem  Orte  veröffentlicht  werden  wird,  so  soll  sich 
dieser  Bericht  auf  eine  kurze  Erwähnung  der  wesentlicheren 
thatsächlichen  Befunde  beschränken. 

Der  M.  hicrps  hrachä  besitzt,  wie  der  Name  voraussetzt, 
zwei  getrennte  Urspruugsi)ortionen  oder  Köpfe.  Der  eine 
Kopf  entspringt  am  Schulterblatte,  am  oberen  Kaude  der 
Schultergelenkpfanne,  mittels  einer  schlanken,  zunächst  etwas 

10 


246  Gesellschaft  naturfmschender  Freunde,  Berlin. 

abgeplatteten  Ursprungssehne,  die  erst  durch  die  Höhle  des 
Schultergeleniies  hindurch  zum  Sulcus  intertubercularis 
humeri  und  sodann  in  dieser  Rinne  weiter  distahvärts 
verläuft.  Hier  befindet  sich  die  nunmehr  ziemlich  cy- 
lindrische  Sehne  hinter  der  zur  Crista  tiiberculi  majoris 
humeri  ziehenden  Endsehne  des  Isl.  pectoralis  major  und 
kommt  schliesslich  am  unteren  Rande  dieser  Endsehne  zum 
Vorschein.  Etwa  in  dieser  Gegend  entwickelt  sich  aus  der 
Sehne  ein  schlanker  spindelförmiger  Muskel  bauch,  der  erst 
viel  weiter  distahvärts.  am  unteren  Abschnitt  des  Ober- 
armes, mit  der  zweiten  Bicepsportion  verschmilzt.  Wie  aus 
dem  Mitgetheilten  erhellt,  entspricht  die  soeben  beschriebene 
Portion  des  Muskels  durchaus  dem  Caput  longum  bicipitis 
des  Menschen  und  verdient  daher  auch  ebenso  gut  wie  bei 
Letzterem  diesen  Namen. 

Die  zweite  Bicepsportion  verhält  sich  dagegen  hinsicht- 
lich ihres  Ursprunges  bedeutend  anders  als  beim  Menschen. 
wo  sie  bekanntlich  in  der  Regel  an  der  Spitze  des  Proc. 
coracoides  entspringt.  Vom  Tuber cul um  minus  humeri 
erstreckt  sich  (bei  Hyobatcs)  ein  abgeplatteter  sehniger 
Strang,  von  der  Endsehne  des  M.  pectoralis  major  bedeckt 
und  mit  der  Rückfläche  dieser  Endsehne  verschmolzen,  zum 
unteren  (distalen)  Rande  ebendieser  Sehne  und  sodann, 
oberflächlich  verschmälert,  weiter,  schräg  distal-  und  median- 
wärts.  bis  zum  medialen  Rande  des  Oberarmes.  Hier  ver- 
bindet sich  der  Sehnenstrang  sofort,  oberhalb  der 
Mitte  des  Oberarmes,  ein  paar  oder  einige  Centimeter 
distalwärts  und  zugleich  etwas  medial  von  dem  distalen 
Ende  der  Ansatzstelle  des  M.  coracobrachialis.  mit  dem 
Septum  intermusculare  mediale. 

Beim  Hervortreten  des  Sehnenstranges  am  unteren 
Rande  der  Pectoralissehne.  trennen  sich  die  äussersten 
Randbündel  des  letzteren  Muskels  von  dem  übrigen  Theil 
des  Muskels,  biegen  in  distaler  Richtung  um.  schliessen 
sich  dem  Sehnenstrang  an  und  inseriren  kurz  darauf  an  ihn 
von  der  medialen  Seite  her  Hienhirch  gewinnt  es  den 
Anschein,  als  träte  der  Sehnenstrang  nebst  der  ihn  be- 
gleitenden Urspruugssehne  des  langen  Bicepskopfes  zwischen 


üitzuny  vow  IG.  Dezember  WOü.  247 

den  IJündt'lu  des  i'cctoralis  major  heraus,  res]),  durch 
desseu  Kiidsehne  hindurch.  Dieses  ist  aber  nur  sch(Mnl»ar 
der  Fall,  denn  der  vom  1\ii)ei'(Milum  minus  kommende 
Sehnenstraug  reissl  elien  nur  einige  lUuidel  des  l'eetoralis 
major  mit  sicli.  und  diese  liündei  inseriren  dann  gar  nicht 
an  den   lluinerus.  sondern  an  den  Sehnenstrang  selh.st. 

Etwa  au  dersell)en  Stelle  nun,  wo  diesei-  Sehnenstraug 
am  Kunde  des  l'ectoralis  major  zum  V(U*scliein  isommt. 
oder  sogar  schon  etwas  vorher,  heginnen  Muskell'asern  von 
seiüer  lateralen  Seite  zu  entspringen,  und  zwar  mit  tli.stal- 
wärts  gerichtetem  Verlauf.  lu  ununterbrochener  Folge  ent- 
springen sodann  diese  Muskelfasern  von  der  lateralen  Seite 
des  Sehnenstranges  bis  zu  dessen  Vereinigung  mit  dem 
medialen  Zwischenmuskelbande,  und  von  hier  an  weiter 
in  ebenso  continuirlicher  Folge  von  der  Fortsetzung  des 
Sehnenstranges,  dem  Septum  intermusculare  mediale,  bis 
die  Muskelursprünge  in  einer  Entfernung  von  2 — 3  cm  vom 
Epicondylus  medialis  auf  einmal  aufhören.  Die  Gesammt- 
summe  aller  dieser  Muskelbündel,  die.  wie  erwähnt,  an  der 
lateralen  Seite  jenes  am  Tuberculum  minus  <'ntspringenden 
Sehnensti'anges  und  von  der  Vorderseite  des  die  Fortsetzung 
des  Stranges  darstellenden  Septum  intermusculare  mediale 
entspringen,  bildet  eine  Muskelplatte,  deren  lateraler  Randtheil 
den  langen  Bicepskopf  bedeckt,  und  die  den  zweiten  Biceps- 
kopf  repräsentirt.  Ob  es  zweckmässig  ist.  diesen  als  Caput 
breve  zu  bezeichnen,  ist  sehr  fraglich;  da  dieser  Name  von 
der  menschlichen  Anatomie  her  mit  einem  etwas  anderen 
Begriffe  verknüpft  ist,  als  es  hier  der  Fall  sein  würde,  so 
möchte  ich  den  vorhin  geschilderten  Bicepskopf  der  Hylo- 
batiden  lieber  Caput  tuberculo-septale  nennen,  zumal 
nach  Angabe  anderer  Autoren  bisweilen  ausserdem  noch 
eine  vom  Proc.  coracoides  entspringende  Bicepsportiou  bei 
Ilylobates  vorkommen  soll,  die  dann  dem  noi'inalen  Caput 
breve  des  Menschen  entspricht. 

Am  unteren  Abschnitt  des  Oberarmes  verschmilzt  der 
laterale  Randtheil  des  Caput  tuberculo-septale  mit  dem 
Caput  longum.    Hierbei  scheint,  allerdings  in  sehr  geringem 

10* 


248  Gesellschaft  nntur/orschender  Freunde,  Berlin. 

Umfange,  eine  wirkliche  Kreuzung  einiger  Muskelbündel  der 
beiden  Portionen  stattzufinden. 

Bezüglich  der  Tnsertionsweise  bietet  der  Biceps  der 
Hylobatiden  insofern  eine  Uebereinstimmung  mit  dem  des 
Menschen  dar,  als  auch  bei  jenen  die  Insertion  durch  zwei 
Zipfel,  einen  radialen  und  einen  ulnaren,  erfolgt.  Der 
radiale  Zipfel  ist  vollständig  sehnig  und  inserirt  an  die 
Tuberositas  radii.  Der  ulnare  Zipfel  dagegen  ist  nur 
am  lateralen  Rande  sehnig,  im  übrigen  aber  bis  au  die 
Insertion  fleischig.  Die  Insertion  dieses  ulnaren  Zipfels 
findet  grösstentheils  an  einem  sehnigen  Streifen  statt, 
der  vom  Epicondylus  medialis  entspringt  und  auf  der  ulno- 
volaren  Muskel masse  des  Vorderarmes  distal wärts  zieht, 
dieser  Muskelmasse,  und  speciell  den  Mm.  flexor  digitorum 
sublimis  und  prouatar  teres  zum  Hilfsursprung  dienend. 
Nur  die  oberflächlichen  Bündel  des  lateralen  Randtheiles 
des  ulnaren  Eiidzipfels  können  über  jenen  Streifen  hinaus 
Beziehungen  zur  V'orderarmfascie  gewinnen.  Letzteres  Ver- 
halten darf  sogar,  wenigstens  für  ältere  Thiere,  als  Regel 
hingestellt  werden,  indem  hier  die  Fascie  schon  am  untersten 
Theile  des  Oberarmes,  noch  mehr  aber  am  Unterarm,  dem 
sehnigen  lateralen  Endabschnitt  des  Caput  tuberculo-septale, 
resp.  des  ulnaren  Insertionszipfels,  so  fest  anhaftet,  dass 
ein  vollständiges  Lospräpariren  derselben  ohne  Miiskelver- 
letzung  kaum  möglich  ist.  An  einem  jungen  Hylohates  lar  L. 
konnte  ich  dagegen  die  allerdings  innig  anliegende  Fascie 
vollständig  vom  Biceps.  auch  von  dessen  ulnarem  Ansatz- 
zipfel, lospräpariren;  in  diesem  Falle  inserirte  also  die  ge- 
sammte  ulnare  Ansatzportion  des  Muskels  an  den  vorer- 
wähnten sehnigen  Streifen,  indes  keine  Fasern  zur  Fascie 
traten. 

Auf  die  beiden  Ansatzzipfel  vertheilen  sich  die  beiden 
Ursprungsportionen  des  M.  biceps  in  der  Weise,  dass  fast 
der  ganze  lange  Kopf  zusammen  mit  einer  kleinen  Portion 
des  Caput  tuberculo-septale  zur  Insertion  an  die  Tuberositas 
radii  gelangt,  iudess  der  ulnare  Insertionszipfel  den  weitaus 
grössten  Theil  des  Caput  tuberculo-septale  nebst  einigen 
wenigen  Bündf^ln  des  Caput  longuni  aufnimmt.     Die  letzten 


Sitzimy  vom  l(i.  JJezeniher  190Ü.  249 

vom  Septiim  inteniiusciilan'  nuMliiile  (Mits|)rinf;<Mi(l<'n  Bilndel 
des  Caput  tuhcrculK-scptalc  tiTtfii.  in  ihrer  i^^uizcii  Länge 
fleischig,  direkt  hii  jt'iuMi  inrlnfacli  rrwähiiteii  Sehnenstreifen 
auf  der  ulno-volareii  Muslvclniassf  des  X'ordei'ai'iiics  und  he- 
festigeu  sich  hier  ein  kleines  Stück  distalwärls  von  der 
Ellenbeuge.  Das  Cai)Ut  tuberculoseptale  besitzt  also  hier 
einen  allerding.'^  kurzen,  distalwärts  und  nach  hinten 
sehenden,  der  Kllenl)euge  zugekehrten  freien  Kand. 

Der  dem  Menschen  in  der  Regel  als  solcher  fehlende 
M,  latissimo-condy loideus  entspringt,  wie  anscheineiul 
bei  allen  Affen,  von  der  Endsehue  des  Muse,  latissimus 
dorsi  und  erstreckt  sich  als  al)geplatteler  Muskelbauch  an 
der  medialen  Seite  des  Oberarmes  hinab.  Dabei  sind  die 
Muskel bimdel  zugleich  schräg  nach  vorne  gerichtet,  so  zwar, 
dass  man  an  dem  Muskel  einen  vorderen,  zugleich  proxi- 
malen, dem  Humeruskopf  zugewandten,  und  einen  hinteren, 
zugleich  distalen  Rand  unterscheiden  kann.  Der  Muskel 
verbreitert  sich  ausserdem  von  der  Ursprungsstelle  an  nach 
vorne  hin  bis  zur  lusertionsstelle.  so  dass  der  hintere, 
distale  Rand  ziemlich  steil  distalwärts  verläuft,  indess  der 
proximale  sich  in  seinem  Verlaufe  meiir  einer  horizontalen 
Richtung  nach  vorne  nähert  Der  ganze  Muskel  ist  dem- 
nach als  dreieckig  oder  trapezförmig  zu  bezeichnen. 

Der  weitaus  grösste  i)roximale  Abschnitt  des 
Muskels  inserirt  fleischig  an  die  mediale  Seite  jenes 
am  Tiiberculuni  minus  entspringenden  Sehnen- 
stranges, welcher  vom  unteren  Rande  des  M.  pectoralis 
major  saitenartig  (d.  h  ohne  am  Knochen  befestigt  zu  sein) 
zum  Septum  intermusculare  mediale  hinüber  verläuft,  und 
von  dessen  lateraler  Seite  die  Muskelbündel  des  Caput 
tuberculo-septale  bicipitis  ihren  Ursprung  nehmen  (s.  oben). 
Der  hintere,  distale  Randtheil  des  Muskels  entwickelt  kurz 
vor  dem  Punkt,  wo  der  Sehnenstrang  oberflächlich  das 
Septum  intermusculare  mediale  erreicht,  eine  dünne  End- 
sehne, die  ebenfalls  zu  dem  Zwischenmuskel  bände  tritt  und 
mit  ihm  verschmilzt.  Die  äussersten  (hinteren)  Randfasern 
dieser  Sehne  lassen  sich  direkt  bis  zum  Epicoudylus 
medialis  verfolgen.     Zuweilen  ist  der  Randtheil  der  Sehne 


250  Gesellschaft  naturforschenäer  Freunde,  Berlin. 

noch  etwas  mehr  nach  hinten  verbreitert  und  lässt  dann 
die  äussersten  Randfasern  in  die  den  M.  triceps  brachii  be- 
deckende Portion  der  Armfascie  auslaufen.  Dieses  Ver- 
halten traf  ich  besonders  ausgeprägt  bei  einem  älteren 
lliilobates  lar  L.  an  In  allen  Fällen  aber  lassen  sich 
einige  Sehnenfasern  bis  zum  Epicondylus  medialis  verfolgen. 
Und  ebenfalls  in  allen  Fällen  trjtt.  wie  erwähnt,  der 
grösste  Theil  des  Muskels  au  jenen  Sehuenstrang.  der  vom 
Tuberculum  minus,  resp.  vom  unteren  Rande  des  M.  pec- 
toralis  major  kommt,  und  der  anderseits  dem  Caput  tuber- 
culoseptale  bicipitis  zum  Ursprung  dient. 

Von  der  Rückfläche  des  M.  latissimo-condyloideus  sieht 
man  gelegentlich  einzelne  oder  zahlreichere  Muskelbündel  des 
distalen  (resp.  hinteren)  Muskelabschnittes  sich  kurz  vor  der 
Insertion  des  Muskels  umbiegen  und  direkt  in  den  medialen 
Tricepskopf  fortsetzen. 

Der  M.  latissimus-condyloideus  wird  von  einem 
Zweige  des  Nervus  radialis  innervirt.  indess  der  Biceps 
mehrere  Zweige  eines  vorderen  Armnervenstammes 
empfängt,  welche  zusammen  mit  einigen  weiteren  Zweigen 
dem  N.  musculocutaneus  des  Menschen  entsprechen. 

Das  mehrfach  erwähnte  Septum  intermusculare 
mediale  setzt  sich  aus  dreierlei  Elementen  zusammen. 
Erstens  existirt  eine  selbständige  Portion  des 
Bandes,  bestehend  aus  sehnigen  B^'asern.  die  am  medialen 
Rande  des  Humerus  entspriugen  und  distalwärts  verlaufen. 
Diese  selbständige  Portion  beginnt  zuerst  ganz  schmal  in 
der  Höhe  und  an  der  medialen  Seite  des  unteren  Endes 
der  Ansatzstelle  des  M.  coracobrachialis,  verbreitert  sich 
allmählich  und  zeigt  im  übrigen  hier  einen  freien  scharfen 
messerähnlichen  Rand.  Weiter  distalwärts  ist  das  Band  so 
innig  mit  dem  Ursprung  des  Caput  mediale  tricipitis  ver- 
bunden, dass  man  es  im  allgemeinen  nicht  von  diesem 
Muskel  trennen  Icann;  nur  einzelne  Faserbündel  bewahren 
einen  selbständigeren  Charakter.  Zu  diesen  eigenen 
Fasern  des  Bandes  gesellen  sich  Verstärkungen 
vom  M.  latissimo-condyloideus  und  von  jenem  am 
Tuberculum   minus  entspringenden  Sehuenstrange. 


Sitznmj  roiii  16    Jhzcnihtr  1902.  '  251 

Die  vom  Latistsiiiio-coiKlvloitleiis  heiTiihrcadeii  Fasern  stellen 
hauptsächlich,  mit  longitudinalen  Fasern,   den  freien  Rand- 
saiim   des  Bandes   dar.     Die  Fasern    des    vom  Tnbcrculnm 
minus  kommenden  Sehnenstranges  schliessen  sich  den  beiden 
anderen  Systemen  an  deren  Vorderseite  an.    Hier  verlaufen 
si«!   zunächst   in  longitudinaler  Richtung  auf  der  Rückseite 
der   Ursiirünge   des   Caput   tuberculo   septale    bicipitis.   all- 
mählich aber  senken  sie  sich  zur  Insertion  an  die  mediale 
Humeruskante    hin.      Der    Antheil,    den    diese    drei    Kom- 
ponenten    an     dem     Aufbau     des     Zwischenmuskelbandes 
nehmen,    wechselt    sehr.     Immer    ist    das    obere   Ende 
des    Septum    intermusc    mediale    s.    s.    als    höchst 
charakterisches,  selbständiges,  scharfrandiges  Ge- 
!)ilde  vorhanden.    Immer  lassen  sich  einige  Sehnenfasern 
des  M.  latissimo-condyloideus  bis  zum  Epicondylus  medialis 
verfolgen.     In  dem  distalen  Endstück  des  Bandes,  welches 
saitenartig  von  der  medialen  Humeruskante  zum  Epicondylus 
medialis  ausgespannt  ist  und  den  Nervus  ulnaris  überbrückt, 
lassen  sich  manchmal  nur  diese  Sehnenfasern  des  Latissimo- 
condyloideus  mit  Sicherheit  nachweisen;  in  anderen  Fällen 
sind   darin   neben   diesen  Fasern   auch  solche,   die  von  der 
medialen  Humeruskante  entspringen,   zu  erkennen.     Dieses 
fand  ich  besonders  schön  bei  einem  Hyhhates  Gihhon,  Mill. 
Das     am    meisten     charakterische    in    der    Ge- 
staltung und  Anordnung  der  besprochenen  Muskeln 
der    Hylobatiden    besteht    einmal    darin,    dass    der 
eine    Bicei'skopf   (Caput   tuberculo-septale)    seinen 
Ursprung    vom  Rande    des   M.  pectoralis   major    an 
bis    nahe    an    den   Epycondylus   medialis    ausdehnt 
und  hierbei  überall  von  sehnigen,  mehr  oder  weniger 
nachgiebigen    und    federnden    Gebilden,     nirgends 
aber    direkt    von   Skelettheilen    entspringt.     Ferner 
bedingt    dieses   Verhalten    der   brachialen,    und   namentlich 
der     vom     Septum    iuterm.     mediale     kommenden    Biceps- 
ursprünge.  dass  die  grossen  Ai-mgefässe  und  -Nerven  voll- 
ständig verdeckt  werden  und   von   der  medialen  Seite  des 
Oberarmes  her  bei  unversehrten  Muskeln   überhaupt  nicht 
zugänglich  sind.     Vor  allem  aber  wird  das  eigenthüm- 


252  GcsdlscJuif't  naüirforscJiendcr  Freunde,  Berlin. 

liehe  Bild  durch  den  auffälligen  Umstand  be- 
herrscht, dass  der  M.  latissimo-condyloideus  an 
denselben  Sehnenstrang  inserirt.  welcher  zugleich 
dem  Caput  tubercnlo-septale  bicipitis  zum  Ur- 
sprung dient.  Hierdurch  wird  dem  bicipitalen  Beuger- 
system functiouell  ein  Muskel  zugetheilt.  der  diesem  System 
morphologisch  ganz  fremd  ist.  indem  er  durch  einen  Ast 
des  dorsalen  Armnervenstammes.  des  N.  radialis  inner- 
virt  wird. 

Die  vorstehende  Schilderung  stützt  sich  auf  die  im 
wensentlichen  vollkommen  übereinstimmenden  Befunde  an 
10  Hylohates- Armen.  Es  wurden  5  Vertreter  dieser  Gattung, 
und  von  jedem  beide  Arme  untersucht.  Hierunter  befanden 
sich  folgende  Species:  Hi/lohates  Gibbon  Mill..  H.  lar  L, 
(2  Expl.).  //.  Mülleri  Mart.  nnd  H.  javanicus  Matschie. 
Die  vorgefundenen  geringfügigen  Differenzen,  welche  alle 
auf  stärkere  oder  geringere  Entwickelung  einzelner  Details 
zurückgeführt  werden  können,  beeinflussen  in  keiner  Weise 
die  allgemeine  Anordnung  der  besprochenen  Verhältnisse, 
sollen  aber  in  der  ausführlicheren  Mittheilung  Berück- 
sichtigung erfahren,  was  hier,  des  Raumes  wTgen,  grossen- 
theils  unterbleiben  musste 

Zum  Schlüsse  möge  mir  gestattet  sein,  dem  Direktor 
der  hiesigen  zoologischen  Sammlung.  Herrn  Geh.  Rath. 
Prof.  Dr.  MöBiüS,  sowie  dem  Gustos  der  Säugethier- 
Sammlung,  Herrn  Professor  Matschie  für  das  mir  gütigst 
zur  Verfügung  gestellte  werthvoUe  Material  meinen  ver- 
bindlichsten Dank  auszusprechen. 


Referirabend  am  9.  Dezember  1902. 
Herr  H.  Seckt  über: 

1)  Heinricher,  Nothwendigkeit  des  Lichtes  und  be- 
fördernde Wirkung  desselben  bei  der  Sameni<einiung. 
Botan    Centr  -Blatt,   Beihefte  Bd.   13.    Heft  2.   1902. 

2)  Winkler.  Ueber  die  nachtri'gliche  Umwandlung  von 
Blüthcublilttern  und  Narben  in  Ljiubhlättcru,  Ber. 
d.   Dtsch.   IJolan.   Ges.,  Bd.  20.   Heft  8,   1Ü02. 


SitzuiHj  ro)n   Kl.  Vezemher  inO:-'.  253 

3)  Penzig,    Die  Fortschritte   der  Flora   des  Krakatau. 
Annales  du  jardin   botan.  de  Buitzenzorg,   Vol.  III, 
2^  partie.   1902. 
Herr  H.  Virchow  über: 

1)  Eigenmann.  C.  H..  The  Solution  of  the  eel  question. 
Transact.  of  the  amer.  micr.  soc.  24*^  ann.  meeting. 
Held  at  Denocr.  1901. 

2)  Haberer,  K.  A.,  Schädel  und  Skelettheile  aus 
Peking.     1902. 

3)  Vollbrecht,  Der  künstlich  verstümmelte Chinesinnen- 
fuss.    Denkschr.  zum  70.  Geburtstag  Coler's.    1900. 

4)  Perthes,  G.,  Ueber  den  künstlich  missgestalteten 
Fuss  der  Chinesin  im  Hinblick  auf  die  Entstehung 
der  Belastungsdeformitäten.  Arch.  klinische  Chirurgie, 
Bd.  67. 


Berichtigung. 

In  dem  Artikel  über  Myoxiis  intermedius  Nhrg.  muss  es 
S.  157,  Anmerkung  1,  Zeile  8  von  oben.  hei.ssen: 
„in  ihrer  Wurzel-  resp.  Alveoleubildung*'  statt: 
„in  der  Wurzel-  resp.  Alveolenbildung  der  Backen- 
zähne". 

S  137,  Zeile  8  von  unten  und  S.  138,  Zeile  13  von  oben 
lies  y,Stokesi'^  statt  „Goodalli'^. 


Druck  von  J.  F.  Starcke  in  Berlin. 


^. 


3  2044   106  259  609 


Date  Due 


J/Wrrtr-754^