FOR THE PEOPLE
FOR EDVCATION
FOR SCIENCE
LIBRARY
OF
THE AMERICAN MUSEUM
OF
NATURAL HISTORY
-S
}
Sitzung^sberich te
, S.OuC^-l. tu) /'A
mathematisch-physikalischen Klasse
der
K. B. Akademie der Wissenschaften
zu München
Jahrgang 1915
München 1915
Verlag der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften
in Kommission des G. Franz'scben Verlags (J. Roth)
Äkademiscbe Bucbdruckerei too F. Straub in Müncben.
III
Inhaltsübersicht.
I. Sitzungsberichte. seit«
9. Januar: Pringsheim, Deybe, Czuber 1*
6. März: Lagally, Finsterwalder, Mittag-Leffler, Prings-
heim 2*
1. Mai: Liebmann, Finsterwalder, Föppl, Voss, Böhm,
Szäz 5*
5. Juni: Frank, Rothpletz 7*
3. Juli: Frank, Landau, v. Dyck 8*
6. November: Schmidt, Stromer v. Reichenbaeh, Endrös,
Pringsheim .......... 9*
4. Dezember: Fischer, Mittag-Leffler, S.ommerfeld . 11*
Verzeichnis der im Jahre 1915 eingelaufenen Druckschriften . . 13*
II. Abhandlungen.
F. Böhm: Beiträge zum Äquivalenzproblem der Raumkurven . 257
E. Czuber: Eine geometrische Aufgabe 165
P. Debye: Die Konstitution des Wasserstoff- Moleküls . . . 1
A. Endrös: Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres
bei Aristoteles .......... 355
S. Finsterwalder: Eine neue Lösung der Grundaufgabe der Luft-
photogrammetrie 67
S. Finsterwalder: Über die Ausgleichung des zukünftigen baye-
rischen Hauptdreiecksnetzes ....... 199
H. Fischer: Über die Einwirkung von Brom auf einige Pyrrol-
derivate 401
A. Föppl: Die Lösung der Spannungsaufgabe für das Ausnahme-
fachwerk 211
IV
I nhaltsübersicht
Seite
0. Frank: Anwendung des Prinzips der gekoppelten Schwingungen
auf einige physiologische Probleme 289
M. Lagally: Zur Theorie der Wirbelschichten .... 79
E. Landau: Über Dirichlets Teilerproblem 317
H. Liebmann: Die Liesche Geraden-Kugeltransformation und ihre
Verallgemeinerungen ........ 189
G. Mittag-Leffler: Über die analytische Darstellung eines ein-
deutigen Zweiges einer monogenen Funktion . . 109
G. Mittag-Leffler: Über einen Satz des Herrn Serge Bernstein 419
A. Pringsheim: Über eine charakteristische Eigenschaft soge-
nannter Treppenpolygone und deren Anwendung auf einen
Fundamentalsatz der Funktionentheorie .... 27
A. Pringsheim: Nachtrag zu der vorstehenden Abhandlung . 58
A. Pringsheim: Über die Weierstraßsche Produktdarstellung
ganzer transzendenter Funktionen und über bedingt kon-
vergente unendliche Produkte 387
M. Schmidt: Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in
München und Lageänderung von Hauptdreieckspunkten in
Südbayern (mit 1 Tafel) ........ 329
A. Sommerfeld: Zur Theorie der Balmerschen Serie . 425
A. Sommerfeld: Die Feinstruktur der Wasserstoff- und der
Wasserstoff- ähnlichen Linien ....... 459
0. Szäsz: Über eine besondere Klasse unendlicher Kettenbrüche
mit komplexen Elementen ....... 281
A. Voss: Über die Transformation linearer Formen und die Lösung
linearer Gleichungen 231
1*
Sitzungsberichte
der mathematiscli-phj'sikalisclien Klasse
der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften
1915.
Sitzung am 9. Januar.
1. Herr Alfred Pringsheim spricht:
Über eine charakteristische Eigenschaft soge-
nannter Treppenpolygone und deren Anwen-
dung auf einen Fundamentalsatz der Funk-
tionentheorie.
Ein von Weierstrass herrührender Hauptsatz besagt, daß
ein Funktionselenient, das sich auf jedem innerhalb eines ein-
fach zusammenhängenden Bereiches verlaufenden Wege ana-
lytisch fortsetzen läßt, eine eindeutige monogene Funktion
regulären Verhaltens für jenen Bereich definiert. Der Beweis
bietet keine besondere Schwierigkeit, wenn man sich auf Bereiche
einfacher Art beschränkt, etwa solche, die von einer einfach
geschlossenen konvexen Kurve begrenzt sind. Er wird jedoch
reichlich kompliziert und undurchsichtig, wenn man beliebige
einfach zusammenhängende Bereiche in Betracht zieht, ja selbst
dann, wenn man diese zunächst durch sogenannte Treppen-
polygone approximiert und dem weiteren Beweis diese spezielle
Gattung zu Grunde legt. Die in Frage stehende charakteri-
stische Eigenschaft solcher Treppenpolygone besteht nun in der
vom Verfasser nachgewiesenen Möglichkeit einer besonders ge-
arteten Zerschneidung, welche dem Beweis des fraglichen funk-
tiontheoretischen Hauptsatzes äußerste Einfachheit und Über-
sichtlichkeit verleiht. (Erscheint in den Sitzungsberichten.)
Sitzungsb. d. math.-phys. Kl. Jahrg.1915. ^
2*
Sitzung am 6. März.
2. Herr A. Sommerfeld legt eine Abhandlung von Prof.
P. Debye in Göttingen vor:
Die Konstitution des AVasserstoff-Moleküls.
Auf Grund des BoHRSchen Modelles für das M'asserstoff-
atom wird die Dispersion des Wasserstoffgases theoretisch be-
rechnet und mit den hierfür empirisch gefundenen Werten
verglichen. Der Vergleich ergibt eine volle Bestätigung der
Quantenhypothese einerseits, des hier zu Grunde gelegten Mo-
delles andererseits. (Erscheint in den Sitzungsberichten.)
3. Herr von Dyck legt eine kleine Note von E. Czuber,
AVien vor:
Eine geometrische Aufgabe.
Es handelt sich um die Diskussion der Anzahl der Lösungen
der Aufgabe, einem Dreieck alle Dreiecke einzubeschreiben, die
zu einem gegebenen Dreieck ähnlich sind.
O O
(Erscheint in den Sitzungsberichten.)
Sitzung am 6. März.
1. Herr Finsterwalder legt vor eine Abhandlung von
O O
Max Lagally :
Zur Theorie der AA^irbelschichten.
Im Anschluß an die von Helmholtz zur Erklärung unstetiger
Flüssigkeitsbewegungen eingeführten AA'irbelschichten werden
die einfachsten stationären Gebilde dieser Art untersucht und
ihre durch eine periodische Störung veranlaßte Auflösung in
AA’^irbelreihen, die mit den von v. Karman beschriebenen der
Gestalt nach übereinstimmen, verfolgt. Auf ihre Bildung hat
die Flüssigkeitsreibung keinen wesentlichen Einfluß; es zeigt
sich vielmehr die Möglichkeit der Entstehung von AA'^irbel-
schichten in einer reibungslosen Flüssigkeit.
(Erscheint in den Sitzungsberichten.)
Sitzung am 6. März.
3*
2. Herr Fix.stekwalder spricht über
Eine neue Lösung der Grundaufgabe der Luft-
pbotogeoraetrie.
(Erscheint in den Sitzungsberichten.)
3. Herr Peingshei.ai legt für die Sitzungsberichte vor eine
Abhandlung des Herrn Mittag-Lefflek in Stockholm:
Uber die analytische Darstellung eines ein-
deutigen Zweiges einer monogenen Funktion.
Die vorliegende Arbeit, die sich in der Tendenz einer
ganzen Reihe gröberer Abhandlungen des Verfassers über das
gleiche Thema anschliebt, liefert eine neue und zwar überaus
einfache Methode zur Behandlung des frao-lichen Problems.
Um für die analytische Funktion F{x), welche durch das
F unktionselement
00
— «) = — ay
0
definiert wird, einen über den Konvergenzkreis von “iß (a; — o)
hinaus brauchbaren Ausdruck zu gewinnen, wird die Substi-
tution gemacht: x — a = (x‘—a)-f(u). wo f(ti) eine für \ u <\,
unter Umständen auch nur für \U <1 reguläre Funktion
bedeutet, die überdies den Bedingungen genügt: /(O) = 0,
/’(l) = 1. Wird sodann — a) ■ f{t()) nach Potenzen von u
geordnet und schließlich tc = 1 gesetzt, so geht x' in x
über und es resultiert eine Entwickelung von 'iß(a: — a) nach
ganzen rationalen Funktionen von x, deren Konvergeuzbereich
im allgemeinen über denjenigen der Potenzreihe %{x — a)
wesentlich hinausragt. Seine Gestalt hängt teils von der
Lage der singulären Punkte von F{x) ab, teils auch von der
Gestalt derjenigen Kurve, welche durch die Abbildung des
Kreises ii =1 vermittelst der F unktion iv = f (u) erzeugt
wird. Enthält f{u) noch einen Parameter a, so kann durch
passende Wahl dieses letzteren erreicht werden, daß der zu
f(it, a) gehörige Konvergenzstern jeden Bereich enthält, der
4*
Sitzung am 6. März.
ganz innerhalb des zum Punkte a gehörigen Hauptsterns liegt.
Es lassen sich aut' diesem Wege sogar Entwickelungen sehr
einfacher Art angeben, die innerhalb des ganzen Hauptsterns
der Funktion F{x) konvergieren, ohne daß dieser freilich den
wahren Konvergenzbereich der betrefl'enden Entwickelungen
zu bilden braucht, die dann also eventuell noch außerhalb des
Hauptsterns konvergieren können, ohne daselbst die Funktion
F{x) darzustellen. Es zeigt sich, daß dieser Übelstand auch
nicht vermieden werden kann , wenn man bei der Auswahl
der Funktionen /'(w) von ganzen rationalen zu ganzen tran-
szendenten Funktionen übergeht.
In einem Anhänge wird für einen mit den vorstehenden
Untersuchungen im Zusammenhänge stehenden Satz des Herrn
Marcel lliesz ein von Herrn Hardy herrührender Beweis mit-
geteilt.
4. Herr Prixg.shedi legt für die Sitzungsberichte vor:
Nachtrag zu der Mitteilung vom 9. I. 15.
1. Der in dem Handbuche des mathematischen Unterrichts
von Killin g und Hovestadt bewiesene Satz, daß jedes Poly-
gon „Diagonalen“ besitzt, die ganz im Innern verlaufen und
sich nicht schneiden, kann dazu dienen, eine Zerlegung in
Dreiecke zu ermöglichen, die für solche beliebige Polygone
dasselbe leistet, wie für Treppenpolygone die in der oben-
genannten Mitteilung abgeleitete Zerlegung in Rechtecke.
2. Der in der genannten Mitteilung bewiesene Weierstraß-
sche Satz besagt: Wenn das Funktionselement auf
jedem Wege innerhalb eines einfach zusammenhängenden Be-
reiches i> fortgesetzt werden kann, so definiert dasselbe eine
in B eindeutige analytische Funktion. Es genügt nicht,
wenn nur feststeht, daß 'I?(a: — Xq) sich nach jedem Punkte
von B analytisch fortsetzen läßt. Diese aus allgemeinen Über-
legungen leicht abzuleitende Tatsache wird durch ein besonders
einfach geartetes, für Lehrzwecke geeignetes Beispiel belegt.
Sitzung am 1. Mai.
1. Herr S. Fixsterwalder legt vor eine Abhandlung von
Heinrich Liebmann:
Die Lie’sche Geraden-Kugeltransformation und
ihre Verallgemeinerung.
Es werden die einfachen, der projektiven Geometrie ent-
nommenen Grundgedanken aufgedeckt, auf welchen diese Trans-
formation und manche bisher wenig beachtete Verallgemeine-
rungen derselben aufgebaut werden können.
O O
(Erscheint in den Sitzungsberichten.)
2. Herr S. Finsterwalder spricht:
Über die Ausgleichung des künftigen bayeri-
schen Hauptdreiecksnetzes.
Das Netz soll in sieben Felder zerlegt werden, die erst
zwanglos ausgeglichen und alsdann unter passender Dreh-
•streckung eines jeden Teils aneinandergefügt werden, wobei
nicht nur dem Anschluß an das preußische Netz und die süd-
bayerische Basis Rechnung getragen, sondern auch ausreichen-
der Aufschluß über die Genauigkeit von Lage, Orientierung
und Maßstab der einzelnen Netzteile gewonnen werden kann.
(Erscheint in den Sitzungsberichten.)
3. Herr Füppl legt eine für die Sitzungsberichte bestimmte
Abhandlung vor:
Uber die Lösung der Spannungsaufgabe für das
Ausnahmefachwerk.
Bisher hat man sich gewöhnlich damit begnügt, die durch
eine Belastung von allgemeiner Art in den Stäben eines Aus-
nahmefachwerks hervorgerufenen Spannungen als unendlich
groß zu bezeichnen. Durch die Gleichgewichtsbetrachtung wird
Sitzungsb. d. math.-pliys. KI. Jahrg. 1915. ^
6*
Sitzung am 1. Mai.
man nämlich zu diesem Ergebnisse geführt, wenn man keine
Rücksicht auf die Gestaltänderung nimmt, die das Fachwerk
unter dem Einflüsse der Belastung erfährt. Tatsächlich erfährt
aber gerade das Ausnahmefachwerk eine verhältnismäßig große
Gestaltänderunn. In der Abhandlung wird nun ein allgemein
anwendbares Verfahren auseinandergesetzt, nach dem man die
wirklich auftretenden Stabspannungen unter Berücksichtigung
der Gestaltänderung der Fachwerkflgur berechnen kann. Es
zeigt sich u. a. , daß die Spannungen proportional mit der
zweidrittelten Potenz der Lasten anwachsen.
4. Herr A. Voss spricht:
Über die Transformation linearer Formen und
die Lösung linearer Gleichungen.
(Erscheint in den Sitzungsberichten.)
5. Derselbe legt vor eine Abhandlung für die Sitzungs-
bei’ichte von Dr. F. Böhm:
Über das Aquivalenzproblem der Rauinkurven.
6. Herr A. Pringsheim legt vor eine Abhandlung von Otto
Sz.\sz :
Über eine besondere Klasse unendlicher Ketten-
brüche mit komplexen Elementen.
Der Verfasser gibt zunächst einen neuen, sehr einfachen
~ CI ^
Beweis des schon bekannten Satzes, daß der Kettenbruch ^
00
konvergiert, wenn die Reihe konvergiert und ihre Summe
Z
nicht größer als 1 ist. Daran anknüpfend liefert er eine Ver-
allgemeinerung des obigen Satzes für den Fall reeller, nicht
positiver a^, (Erscheint in den Sitzungsberichten.)
Sitzung am 5. Juni.
1. Herr 0. Frank legt 'eine Abhandlung vor über;
Anwendung des Prinzips der gedoppelten
Schwingungen auf einige Probleme der Phy-
siologie.
2. Herr A. Rothpletz legte eine Arbeit vor:
Über die systematische Deutung und die strati-
graphische Stellung der ältesten Versteine-
rungen Europas und Nordamerikas, I. Teil,
in dem zunächst die Versteinerungen der in Nordamerika weit
verbreiteten Beltformation besprochen Averden, die zur Zeit als
präkambrisch gilt und von der Walcott eine allerdings recht
ärmliche versteinerte Fauna beschrieben hat. Eigene Auf-
saramlungen, die der Verfasser 1913 in diesen Schichten ge-
macht hat, und die in dieser Arbeit eingehend beschrieben und ■
abgebildet werden, haben aber ergeben, daß es echte kam-
brische Formen sind. Die vermuteten Vorläufer der karabrischen
LebeAvelt sind somit in der Beltformation , deren Schichten
eine Mächtigkeit von über 5000 m haben, bis jetzt noch nicht
gefunden worden.
8*
Sitzung am 3. Juli.
1. Herr Fbank spricht über:
Anwendung des Prinzips gekoppelter Schwin-
gungen auf einige Probleme der Physiologie.
(Erscheint in den Sitzungsberichten.)
2. Hei'r Pki.n’gsheim legt für die Sitzungsberichte vor eine
Abhandlung von E. Landau:
Über Dirichlets Teilerproblem.
Es bezeichne t/c(x) die Anzahl aller Zerlegungen der Zahlen
bis X in k Faktoren (k > 2). Verfasser verschärft den bekannten
Satz, dah rt(ir) — a; (6/, _ i log*“ “ ’ a: -j- • • • log a: -)-
die b konstant sind, für jedes £>0 höchstens von der Ord-
— + <,■
nung x'‘+‘ ist, dahin, daß diese Differenz .sogar höchstens
fc-i
von der Ordnung a:'‘+ ‘ log'‘~^ a; ist. Nur für k=2 ist dies
schon bekannt; aber auch hierfür ist der neue Beweis we.sent-
lich kürzer als die bisherigen.
3. Herr von Dyck spricht über die von ihm im vergangenen
Jahre auf der Bibliothek des Britischen Museums in London,
auf der Nationalbibliothek und auf der Bibliothek der Stern-
warte in Paris aufgefundenen Briefe Johannes Keplers an
Edmund Bruce und an den Leipziger Mathematiker Philipp
Müller. Die Briefe sollen in den Abhandlungen der Akademie
zur Veröffentlichung gelangen.
9*
Sitzung am 6. November.
1. Herr M. Schmiot berichtet über:
Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in
München und Lageänderung von Hauptdrei-
eckspunkten in Südbayern.
Die zur Untersuchung von Bodenbewegungen im östlichen
Alpenvorland durch die K. B. Erdmessungskommission in den
letzten Jahren zur Ausführung gebrachten Feinnivellements sind
in jüngster Zeit bis München fortgeführt und hier an eine An-
zahl bereits vor etwa 45 .Jahren nivellierte Haupthöhenpunkte
angeschlossen worden, deren Höhenlage auf etwaige seit ihrer
erstmaligen Festlegung eingetretene Änderungen zu prüfen war.
Dabei ergaben sich in der Tat bei den am Gebäude der
K. Staatsschuldenverwaltung am Lenbachplatz und am Xord-
turm der Frauenkirche angebrachten beiden Höhenmarken Sen-
kungen im Betrag von 10,7 mm und 7,7 mm, die sich durch
Xachgeben des Untergrundes dieser am Rande alter Stadt-
gräben errichteten Gebäude erklären und auch äußerlich sicht-
bare Risse im Mauerwerk zur Folge gehabt haben, die jedoch
so unbedeutend sind, daß sie nur bei näherer Untersuchung
bemerkbar sind und den Bestand dieser Bauwerke in keiner
Weise gefährden. Da indessen die Spitze des Xordturms der
Frauenkirche als Xormalpunkt der bayer. Landesvermessung
dient, ist ihre unveränderte Lage von größter Bedeutung. Es
wurden daher sehr eingehende Beobachtungen und rechnerische
L'ntersuchungen über eine mit der festgestellten Höhenände-
rung etwa verbundene Lageänderung der Turmachse ausgeführt,
welche wichtige Ergebnisse über einseitige Senkungen der bei-
den Türme und der Langwände des Kirchenschiffes lieferten,
die offenbar schon während der Erbauung der Kirche einge-
treten sind und sich in späterer Zeit nicht mehr fortgesetzt
haben. Xur die geringe Höhenänderung der am Xordturm an-
gebrachten Höhenmarke ist erst in der Xeuzeit eingetreten
Sitzungsb. d. math.-phys. Kl. Jahrg. 1915.
C
10*
Sitzung- am 0. November.
und hat eine nachweisbare Lageänderung der den Xorinalpunkt
der bayer. Landesvermessung bildenden Turmspitze nicht zur
Folge gehabt. Die rechnerisch l'estgestellte scheinbare Lage-
änderung einiger anderer Hauptdreieckspunkte in Südbayern
finden ihre ebenso einfache als natürliche Erklärung in den
Ungenauigkeiten der Lagebestimmung der erst mehrere Jahr-
zehnte nach Beendigung der Landesvermessung zur dauernden
Festlegung dieser Punkte gesetzten Versicherungssteine.
(Erscheint in den Sitzungsberichten.)
2. Herr A. Bothpletz legte für die Abhandlungen eine
Arbeit von Professor E. Stkomeu vox Kek hexi!.\ch vor als Fort-
setzung von de.ssen
O
„Ergebnisse der Forschungsreisen in den Wüsten
Aegyptens“.
Ein vom Verfasser in der mittleren Kreideformation der
Baharije-Oase in der libyschen Wüste entdeckter Fundort hat
die Überreste eines großen Baubtieres aus der Gruppe der
Dinosaurier geliefert, das nach Art und Gattung ganz neu ist
und als Vertreter einer neuen Beptilienfamilie der Spinosau-
riden von dem Verfasser eingehend beschrieben wird unter dem
Namen Spinosaurus Aegyptiacus. Der Unterkiefer mit auf-
fallend einfachen spitzigen Zähnen hatte eine Länge von 1,12 m;
das auffälligste Merkmal aber sind die bis über 1,6 m hohen
Dornfortsätze der bis 20 cm langen Kückenwirbel, die wahr-
scheinlich einen gewaltigen Hautkamm auf dem Bücken des
Tieres stützten, wie das in ähnlicher Weise heute bei dem
Kameruner Chamelio cristatus vorkommt.
3. Herr S. Güxthek legte eine Abhandlung von Professor
Dr. A. Exdrüs in Freising vor;
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen bei Ari-
stoteles und späteren Griechen.
Anknüpfend an alte, unsichere Angaben über die Ansichten
des Stagiriten bezüglich der Meeresbewegungen untersucht der
O O ” O
Sitzung am 6. November und am 4. Dezember.
Verfasser sämtliche Stellen genau und weist nach, dah ersterer
schon auffallend richtig über die stehenden Schwingungen in
Meerengen geurteilt und sogar schon dafür ein treffendes Kunst-
wort geprägt hatte. Spätere Schriftsteller haben ihr Original
vielfach nicht richtig verstanden.
(Erscheint in den Sitzungsberichten.)
4. Herr Alkkei» Prinusheim spricht :
Über die AVeierstrah’sche Prod uktd arstellung
ganzer transzendenter Funktionen und über
bedingt konvergente unendliche Produkte.
Der Verfasser gibt einen elementaren, die bisherigen Be-
weise an Einfachheit wesentlich übertreffenden Beweis für den
Weierstrah’schen Satz über die Darstellung einer ganzen trans-
zendenten Funktion mit unendlich vielen vorgeschriebenen Null-
stellen durch ein beständig und unbedingt konvergierendes
unendliches Produkt. Daran anknüpfend zeigt er, wie die
Weierstrah’sche Methode, ein an sich divergentes Produkt
durch Zusatzfaktoren unbedingt konvergent zu machen, auch
dazu dienen kann, ein Kriterium für bedingte Konvergenz
unendlicher Produkte abzuleiten und die etwaige Wertverände-
rung, die durch Umordnung der Faktoren erzeugt wird, zu
bestimmen. (Erscheint in den Sitzungsberichten.)
Sitzung am 4. Dezember.
1. Herr 0. Frank legt eine Abhandlung vor von Professor
H. Fischer:
Über die Einwirkung von B r oln auf einige
Pyrrolderivate.
(Erscheint in den Sitzungsberichten.)
12*
ifitzung am 4. Dezember.
2. Herr Prixgsheim legt vor eine Abhandlung von G. Mittag-
Lekfeek :
Über einen Satz des Herrn Serge Bernstein.
Der Verfasser gibt einen neuen, sehr einfachen Beweis
des von S. Bernstein stammenden Satzes;
„Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß
eine Funktion F (z) der reellen Veränderlichen z auf einer
Strecke A J? analytisch ist, besteht darin, daß die Funktion in
eine Reihe von Polynomen entwickelbar ist :
= P, (.-)+•
worin Fn{s) ein Polynom bedeutet, das höchstens vom Grade n
ist und auf der Strecke AB der Ungleichung
(o-')
genügt.“
Der erste Teil dieses Satzes, die Notwendigkeit der Be-
dingung, ergibt sich unmittelbar aus den elementaren Betrach-
tungen, die den Verfasser in seiner vorhergehenden Arbeit in
den Sitzungsberichten (6. März 1915) zu seinen Polynoment-
wicklungen analytischer Funktionen geführt haben. Der Be-
weis des zweiten Teils gelingt mit Hilfe der konformen Ab-
bildung ij) Z ^ 1- (Erscheint in den Sitzungsberichten.)
3. Herr A. S"M.merfeld berichtet über eine
Untersuchung zur Theorie der Balmer’schen
Wasserstoffserie,
welche an Biihr’s Theorie der Spektrallinien anknüpft und aus
den elliptischen Bahnen des Wasserstoff-Elektrons Schlüsse auf
die Deutung des StarkeflFektes und auf die Sonderstellung des
Wasserstoffs in der Spektroskojiie zieht.
(Erscheint in den Sitzungsberichten.)
13*
Verzeichnis der im Jahre 1915 eingelaufenen Druckschriften.
Die Gesellscbaften und Institute, mit welchen unsere Akademie in Tauschverkebr steht,
werden gebeten, nachstehendes Verzeichnis als Empfangsbestätigung zu betrachten.
Aachen. Geschichtsverein:
— — Zeitschrift, Bd. 36 und Registerband.
— Technische Hochschule:
Gast, Kaisergeburtstagsrede 1915.
Agram. Südslavische Akademie der Wissenschaften;
Codex diplomat. regni Croatiae, Dalmatiae et Slavoniae, vol. 12.
— — Grada, Kniga 8.
— — Ljetopis 28, 29.
— — Rad, Kniga 201—208.
Zbornik, Kniga XVIII; XIX, 1, 2; XX, 1.
— — Rjecnik 33.
— — Monumenta histor. jurid., vol. 10.
— — Monumenta spectantia historiam Slavorum, vol. 35 —37.
— — Opera Acad. scient et artium Slav. nierid., vol. 25.
— — Prinosi, vol. 4.
— — Izvjeica Svez. 2 — 4.
Pirodoslovna istrazivanja Svez. 2 — 7.
— K. Kroat.-slavon. -dalmatinisches Landesarchiv;
— — Vjestnik, Bd. 16, 17, Heft 1, 2.
— Kroat. Archäologische Gesellschaft:
— — Vjestnik, Bd. XIII, 1913 und 1914.
— Kroat. Naturwissenschaftliche Gesellschaft;
— — Glasnik, Bd. 26, No. 4; Bd. 27, No. 1, 2.
Alabama. Geological Survey:
— — Bulletin 15.
Allegheny. Observatory:
— — Publications, vol. III, No. 17, 18.
Sitzungsh. d. m.ath.-phys. Kl. Jahrg. 1915. d
14*
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Altenbnrg. Geschichts- und altertumsforschender Verein des
Osterlande.s:
— — Mitteilungen, Dd. 12, lieft 4.
Amsterdam. K. Academie van Wetenschappen:
— — Verhandelingen, afd. Natuurkunde, II. sectie, deel XVII I, 4, 5.
— — Verslagen en vergaderingen, deel 23, No. 1, 2.
— — Verhandelingen, afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, deel XIV,
No. 6; deel XV; deel XVI, No. 1, 2.
Verslagen en mededeelingen, 5. Reeks, deel 1.
Jaarboek 1914.
— — Prijsvers 1915.
— K. N. aardrijkskundig Genootschap:
— — Tijdschrift, deel 32, No. 1—7.
— Wiskundig Genootschap (Societe de inathemat.):
— — Oeuvres de Stieltjes t. 1914.
— Zoologisch Genootschap:
— — Bijdragen, tom. 20, 1.
Ann Arbor. Detroit Observatory:
Publications, vol. 1, p. 73—206.
Ansbach. Historischer Verein für Mittelfranken:
— — Jahresbericht 60, 1915.
Aschaffenburg. K. Humanistisches Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15 und Programm von Ketterer.
Athen. Archäologische Gesellschaft:
— — Oikonomos G., ’E:iiyoa(pal rijg Maxeöovia;, Bd. 1.
— Wissenschaftliche Gesellschaft:
— — Athena, tom. 26, Heft 3, 4; tom. 27, Heft 1, 2.
Augsburg. Historischer Verein:
— — Zeitschrift, 41. Jahrg., 1915 und Register.
Baltimore. Peabody Institute:
— — 48*''' Annual Report, 1915.
— Johns Hopkins University:
— — Circulars 1913, No. 10; 1914, No. 1, 3—6.
— — American Journal of Mathematics, vol. 36, No. 2, 3.
— — American Journal of Philology, No. 137, 138.
Bulletin of the Johns Hopkins Hospital, No. 286 — 298.
Studies in historical and political Science, vol. 32, No. 2.
Bamberg. Naturforschende Gesellschaft:
— — Bericht 21/23.
— K. Altes Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15.
Verzeichnis der eingelaufeiien Druckschriften.
15*
Bamberg. K. Neues Gymnasium:
Jaliresbericht 1914/15 mit Programm, die ersten 25 .Fahre des
Gymnasiums.
— K. Lehrerbildungsanstalt:
— — 41. Jahresbericht, 1914/15.
— K. Lyzeum:
— — Jahresbericht 1914/15.
— Historischer Verein:
— — Jahresbericht 72, 1914/15.
Barcelona. R. AcademiadeCienciasyArtes:
Memorias, vol. 11, No. 12 — 23.
Nomina del personal 1914/15.
— Institut d’Estudis Catalans:
— — Cartell de premis 1915.
— — Les Monedes Catalans, vol. 3, 1913.
— — L’arquitectura Romanica, vol. 2, 1912.
— — Bulleti de la Biblioteca de Catalanya, Any I, No. 3.
— Institucio Catalana d’Historia Natural:
— — Bulleti, II epoca, Itag 11, No. 4 — 9.
Basel. Historisch-antiquarische Gesellschaft:
— — Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Bd. XIV,
Heft 2.
— Basler Chroniken, Bd. 7, 1915.
— Naturforschende Gesellschaft:
— — Verhandlungen, Bd. 25, 26.
— Universität:
— — Schriften der Universität aus dem Jahre 1914 und 1915 in 4®
und 8®.
— — Jahresverzeichnis der Schweizer Universitätsschriften 1913/14.
Batavia. Bataviaasch Genootschap van Künsten en Weten-
schappen:
— — Yerhandelingen, deel 61, afl. 3/4.
— — Serat-Tjentini, deel 3—8.
— R. Magnetical and Meteorological Observatory:
Seismological Bulletin 1914, No. 9 — 12; 1915, No. 1 — 6.
— — Observations, made at secondary stations, vol. 34, 1911; vol. 11.
Bayreuth. K. Humanistisches Gymnasium:
Jahresbericht 1914/15.
— Historischer Verein:
— — Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken,
Bd. 26, Heft 1.
Bergen (Norwegen). Museum:
Aarsberetning for 1914/15.
d*
16*
Verzeichnis der eingelaufenCn Diuckschrifteu.
Bergen (Norwegen). Museum:
Äarbog 1914/15, Heft 2, 3; 1915/lG, Heft 1.
— — Sars G. 0., Crustacea, vol. VI, 7 — 10.
Bergzabern. K. Progymnasiuiu:
— — Jahresbericht 1914/15.
Berlin. K. Preuß. Akademie der Wissenschaften:
— — Rede auf Koser.
— — Abhandlungen
/ Philos.-histor. Klasse, 1915, 1 — 6.
\ Physikal.-math. Klasse, 1915, 1 — 5.
— — Sitzungsberichte 1914, Nr. 35 — 47; 1915, Nr. 1 — 40.
— — Inscriptiones Graecae, vol. XII, fase. 9.
— — Corpus medicorum Graecorum V, 9, 2.
— Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft:
— — Geschäftsberichte 1914/15.
— Archiv der Mathematik und Physik:
— — Archiv, Bd. 23, Nr. 4; Bd. 24, Nr. 1 — 3.
— K. Bibliothek:
— — Jahresbericht 1913/14; 1914/15.
— Deutsche Chemische Gesellschaft:
— — Berichte, 47. Jahrg., Nr. 19; 48. Jahrg., Nr. 1 — 17;
Nr. 1.
49. Jahrg.,
— Deutsche Geologische Gesellschaft:
— — Abhandlungen, Bd. 66, Heft 4; Bd. 67, Heft 1, 2.
— — Monatsberichte 1914, Nr. 8 — 12; 1915, Nr. 1—7.
— Medizinische Gesellschaft:
— — Verhandlungen, Bd. 45, 1915.
— Deutsche Physikalische Gesellschaft:
— — Die Fortschritte der Physik, 69. Jahrg., 1913, 1 — 3.
— — Verhandlungen, Jahrg. 16, Nr. 24; Jahrg. 17, Nr. 1—21, 23, 24.
— K. Technische Hochschule:
— — Personalverzeichnis S.-S. 1915.
— — Bericht des Rektors für das Jahr 1914/15.
— — Programm 1915/16.
— — Festrede 1915 zu Kaisers Geburtstag.
— Redaktion des , Jahrbuch über die Fortschritte der Mathe-
matik“:
— — Jahrbuch, Bd, 43, Heft 2, 3.
— Kais. Deutsches Archäologisches Institut (röm. Abteilung
s. unter Rom):
Jahrbuch, Bd. 29, Heft 4; Bd. 30, Heft 1 — 3 mit Bibliographie
1913 und 1914.
— K. Meteorologisches Institut:
— — Veröffentlichungen, Nr. 280—282, 284 — 287.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
17*
Berlin. Preuß. Geologische Landesanstalt:
Abhandlungen, N. F., Heft 62, 63.
— — Jahrbuch, Bd. 33, I, 3; Bd. 34, 1, 3; II, 1, 2; Bd. 35, I, 1.
— Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums;
— — 33. Bericht.
— — Schriften Bd. 3, Heft 1 — 3; Bd. 4, Heft 1, 2.
— K. Sternwarte:
— — Veröffentlichungen, Bd. 1, Heft 2 — 4.
— Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den preuß-
Staaten:
— — Gartenflora, Jahrg. 1915, Nr. 1—24.
— Verein für Geschichte der Mark Brandenburg:
— — Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte,
Bd. 27, 2. Hälfte; Bd. 28, 1. Hälfte.
— Verein für die Geschichte Berlins:
— — Mitteilungen 1915, Nr. 1—5, 7 — 12.
— Verlag Wachsmuth:
— — Monatshefte für Baukunst, 1. Jahrg., Heft 1 — 12.
— Zeitschrift für Instrumentenkunde;
Zeitschrift, 35. Jahrg., Nr. 1, 2, 4 — 12.
— Zentralstelle für Balneologie:
Veröffentlichungen, Bd. II, Heft 10—12.
Bern. Schweizerische Naturforschende Gesellschaft:
— — Actes de la Session 1914, tom. 1, 2.
— Allg. Geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz:
Quellen zur Schweizer Geschichte, N. F., Bd. 4, I, 3.
— — Jahrbuch, Bd. 40.
— Historischer Verein des Kantons Bern:
Archiv, Bd. 22, 3.
Beuron. Bibliothek der Erzabtei:
— — Standesdokumente der Familie Sales.
Bielefeld. Naturwissenschaftlicher Verein:
— — Bericht über die Jahre 1911 — 1913.
Bologna. R. Accademia delle Scienze dell’ Istituto:
— — Classe di scienze morali : a) Sezione di scienze storico-filologiche,
Memorie, ser. I, tom. 8, 1913/14; b) Sezione di scienze giuridiche,
Memorie, ser. I, vol. 8, 1913/14.
— — Rendiconto, Classe di scienze morali, vol. 7, 1913/14.
Boston. American Academy of Arts and Sciences:
— — Proceedings, vol. 50, No. 1—3.
— Museum of Fine Arts;
— — Bulletin, No. 73—79.
— — Annual Report 39, 1914.
18*
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Bourg. Societe d’emulation:
— — Annales 46, 1913, Juli— Sept.
Brasso. Historische Kommission:
— — Quellen zur Geschichte der Stadt Brasso, Bd. 6, 1915.
Bremen. Meteorologisches Observatorium:
— — Jahrbuch, 25. Jahrg., 1914.
— Naturwissenschaftlicher Verein;
— — Abhandlungen, Bd. 23, Heft 2.
Breslau. Technische Hochschule:
Personalverzeichnis, S.-S. 1915; \V.-S. 1915/16.
Programm 1915/16: Rede v. Müller, Deutsche Technik.
Bromberg. Stadtbibliothek:
— — Jahresbericht 1913 u. 1913/14 der deutschen Gesellschaft f. Kunst.
— — Mitteilungen der Stadtbibliothek, Jahrg. 6, Nr. 1 — 12; Jahrg. 7,
Nr. 1 — 4.
— Kaiser Wilhelms-Institut für Landwirtschaft:
Mitteilungen, Heft 5.
Brümi. Verein für die Geschichte Mährens und Schlesiens:
— — Zeitschrift, 19. Jahrg., Heft 1 — 4.
Budapest. Ungarische Ethnographische Gesellschaft:
— — Ethnographia, Jahrg. 25, Heft 5, 6; Jahrg. 26, Heft 1 — 3.
— K. Ungarische Geographische Gesellschaft:
— — Mitteilungen, Bd. 39, Heft 7 — 10.
— Ungarische volkswirtschaftliche Gesellschaft:
— — Közgazdasägi Szemle, Bd. 52, Heft 5, 6; Bd. 53, Heft 1, 2, 4-6;
Bd. 54, Heft 1, 3—6.
— Ungarisches Nationalmuseum:
— — Ertesitöje, XV. Jahrg., 3, 4.
— K. Ungarische Ornithologische Zentrale;
Aquila 21, 1914.
Buenos Aires. Sociedad cientifica;
Anales, tom. 76, No. 4, 5; tom. 77, No. 1 — 4.
Buitenzorg (Java). Departement van landbouw:
Mededeelingen van het agricultur - chemisch laboratorium,
No. 9-12.
— — Mededeelingen van het laborat. for agrogeologie, No. 1.
— — Mededeelingen van de afdeeling voor plantenziekten, No. 13 — 17.
— — Mededeelingen voor thee, No. 32 — 34, 36.
— — Mededeelingen uit den kulturtuin, No. 2, 3.
— — Bulletin du jardin botanique, 11. ser., No. 17, 18.
Bukarest. Academia Romäna:
Bulletin de la section historique, annee 1, No. 1-4; annee 2,
No. 1—4; annöe 3, No. 1.
Veraeichnis der eingelaufeiieii Druckschriften.
19=*=
Bukarest. Academia Romäna:
— — Bulletin de la section scientifique de l’Academie Rouinaine 1913/14,
No. 4— 10; 1914/15, No. 1-7, 9, 10; 1915/16, No. 1-6.
— — Catalogul nianuscriptelor Romänesti de Bianu, tom. 11, fase. 3, 4.
— — Bianu, Bibliografia Romäneasca, toin. 2, fase. 6; tom. 3, fase. 1, 2.
— Societe des Sciences:
— — Bulletin, anul 23, No. 3—6; anul 24, No. 1 — 4.
Burghausen. K. Humanistisches Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15.
Cambridge (Mass.). Tufts College (Mass.):
— — Studies, vol. 1, No. 1, 2.
— Astronomical Observatory of Harvard üniversity:
— — Contents of Annals, 69, 2; 73, 1.
— — Circular, No. 185—188.
— — Bulletin, No. 549—555.
— — Report of the Committee to visit No. 72.
Catania. Societä degli spettroscopisti:
Memorie, ser. II, vol. 3, disp. 11, 12; vol. 4, disp. 1—4.
Charlottenburg. Physikalisch-technische Reichsanstalt:
— — Die Tätigkeit der physikal.-techn. Reichsanstalt im Jahre 1911.
Chicago. The Open Court:
The Open Court, vol. XXIX, No. 708—714 (Mai— Nov.).
— — The Monist, vol. XXV, No. 3, 4.
— Oberlin College Library (Ornitholog. Club):
— — The Wilson Bulletin, vol. 26, No. 89—91.
— John Crerar Library:
— — 20*^ Report for the year 1914.
— Field Museum of Natural History:
— — Publications, No. 183.
— Üniversity Library:
— — The astrophysical Journal, vol. 40, No. 2—5; vol. 41, No. 1 — 5;
vol. 42, No. 1 — 5.
Christiania. Videnskabs Selskabet:
— — Forhandlinger, Aar 1914.
Skrifter 1914, I, 1, 2; II.
— Universitäts-Bibliothek:
— — Jahrbuch des norwegischen meteorologischen Instituts 1911, 1912,
1913, 1914.
— — Hopstock, Anatomisches Institut Christiania 1915.
— — Aarsberetning 1910/11 — 1913/14.
— — Universitäts og Skole Annaler 26—29 (1911—1914).
20*
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Chur. Historisch-antiquarische Gesellschaft für Graubiinden;
44. Jahresbericht, 1914.
— Naturforschende Gesellschaft:
— — 55. Jahresbericht, 1913/14.
Cincinnati. Lloyd Library:
— — Bibliographical contributions, N. S., No. 15.
— Society of Natural History:
— — Journal, vol. 21, No. 4.
— University:
— — University Studies, vol. 10, No. 1.
— — Record, vol. 11, No. 1.
Claremont. Pomona College:
— — Journal of entomology, vol. 6, No. 4; vol. 7, No. 1—3.
Cleveland. Archaeological Institute of America:
American Journal of Archaeology, vol. 18, No. 4; vol. 19, No. 1 — 3.
Como. Societa storica:
Periodico, No. 84.
Danzig. Westpreußischer Geschichtsverein;
— — Mitteilungen, Jahrg. 14, Nr. 1—4.
— Naturforschende Gesellschaft:
— — Schriften, Bd. XIV, Heft 1.
— Westpreußischer Botanisch-zoologischer Verein:
— — Bericht 37.
Dannstadt. Firma E. Merck:
— — Jahresbericht. 38. Jahrg., 1914.
Davos. Meteorologische Station:
Wetterkarten 1914, Nr. 12; 1915, Nr. 1 — 11.
Dessau. Verein für Anhaitische Geschichte:
— — Mitteilungen, N. F., Heft 2.
Dillingen. Historischer Verein:
Archiv für die Geschichte des Hochstifts Augsburg, Bd. 3, Ab-
teilung II, Lief. 1 u. 2; Bd. 4, Lief. 5 u. 6.
Disko. Danske arktiske Station:
No. 7-9.
Dresden. K. Sächsischer Altertumsverein:
— — Jahresbericht 1913 u. 1914.
— K. Sächsische Landes-Wetterwarte:
— — Deutsches meteorologisches Jahrbuch für 1910, 2. Hälfte.
Dekaden-Monatsberichte 1913, Jahrg. 16.
— Redaktion des Journals für praktische Chemie:
— Journal 1915, Nr. 1 — 24.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
21*
Dresden. Verein für Erdkunde;
— — Mitteilungen, Bd. II, Heft 10.
— Verein für die Geschichte Dresdens;
— — Dresdener Geschichtsblätter, Bd. 23, 1, 2.
— — Mitteilungen, Heft 24, 1913.
— — Bruck, Sophienkirche 1912; Bruck, Dresdens alte Rathäuser 1910.
Drontheim. Norske Videnskabens-Selskab;
— — Skrifter 1913.
Dürkheim. Progymnasium:
— — Jahresbericht 1913/14 und 1914/15.
Eisenach. Karl Friedrich-Gymnasium;
— — Jahresbericht für 1914/15.
Eisenberg. Geschichts- und altertumsforschender Verein:
Mitteilungen, Heft 31.
Emden. Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische
Altertümer:
— — Upstalsboom-Blätter, Jahrg. 4, No. 1-6.
Erfurt. K. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften:
— — Jahrbücher, N. F., Heft 40, 41.
Erlangen. K. Universitätsbibliothek:
, — — Schriften aus den Jahren 1913/14 in 4® und 8®.
Florenz. Reale Accademia dei Georgofili:
— — Atti, ser. V, vol. 11, disp. 3, 4; vol. 12, disp. 1.
— Biblioteca Nazionale Centrale:
— — Bollettino delle Pubblicazioni Italiane 1915, anno 49, No. 1 — 5.
Frankfurt a. M. Senckenbergische Natur forschen de Gesell-
schaft:
— — Abhandlungen, Bd. 36, 1.
45. Bei'icht, Heft 1— 3 und Sonderheft.
— Römisch-germanische Kommission des Kaiserl. Deutschen
Archäologischen Instituts:
— — 7. Bericht über die Fortschritte der römisch-germanischen For-
schung 1912.
Frauenfeld (Schweiz). Thurgauische Naturforsch. Gesellschaft:
— — Mitteilungen, Heft 21.
Freiburg i. Br, Breisgau-Verein „Schau ins Land“:
„Schau ins Land“, 41. Jahrlauf, 2. Hälfte.
— Naturforschende Gesellschaft:
— — Berichte, Bd. 21, Heft 1.
— Universität:
— — Schriften aus den Jahren 1913/14 u. 1914/15,
22*
Verzeichnis der eiiigelaufenen Druckschriften.
Freiburg i. Br. Kirchengeschichtlicher Verein:
Diözesanarchiv, Bd. 43.
Freising. K. Lyzeum;
Jahresbericht 1914/15.
Friedrichshafen. Verein zur Geschichte des Bodensees;
— — Schriften, Heft 43, 1914 und 44, 1915.
Fürth. K. Humanistisches Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15 mit Programm von Helmreich.
Geestemünde. Männer vom Morgenstern:
— — Jahresbericht 16, 1913/14.
Geneva. U. St. Agricultural Experimental Station:
Bulletin, No. 380—385.
Genf. Redaktion des „Journal de chimie physique“:
— — Journal, tom. XII, No. 5; tom. XIII, No. 1 — 4.
— Observatoire:
— — Resume meteorologique de l’annee 1912 et 1913.
— — Observations des fortifications de St. Maurice 1912 et 1913.
— Societe d’histoire et d’arcbeologie:
Bulletin, tom. 4, livr. 1.
— Societe de physique et d’histoire naturelle:
— — Compte lendu des seances 31, 1914.
Giessen. Oberhessischer Geschichtsverein:
— — Mitteilungen, N. F., Bd. 22.
— Universität:
— — Schriften aus dem Jahre 1912/13, 1913/14, 1914/15 in 4® und 8®.
Görlitz. Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften;
— — Codex diplomaticus Lusatiae superioris, Bd. IV, Heft 2.
Neues Lausitzisches Magazin, Bd. 90 und 91.
Göttingen. K. Gesellschaft der Wissenschaften:
— — Göttingische Gelehrte Anzeigen 1914, No. 11, 12; 1915, No. 1 — 12.
— — Nachrichten, a) Philol.-hist. Klasse 1914, Heft 2 und Beiheft; 1915,
Heft 1, 2; b) Mathem.-phys. Klasse 1914, Heft 4; 1915, Heft 1;
c) Geschäftliche Mitteilungen 1914, Heft 3; 1915, Heft 1.
— Universitätsbibliothek:
— — Vorlesungsverzeichnis 1915.
— — Verzeichnis der Studierenden, S.-S. 1915.
— — Schriften 1914/15.
Graz. Universität:
— — Verzeichnis der Vorlesungen im S.-S. 1915, W.-S. 1915/16.
— — Verzeichnis der akademischen Behörden etc., 1914/15 und 1915/16.
— Naturwissenschaftlicher Verein für Steiermark;
— — Mitteilungen, Bd. 51, Heft 1, 2.
Verzeichnis der eiugelaufenen Druckschriften.
23*
Greifswald. Rügisch-Pommerscher G eschichts verein:
— — Pommersche Jahrbücher, Bd. IG.
Gnmma. Fürsten- und Landesschule:
— — Jahresbericht 1914/15, 4®.
Groningen. Niederländ. botanische Gesellschaft:
Recueil des travaux botaniques Neerlandais, vol. XI, 1—4.
— — Nederlandsch kruidkundig archief 1913.
— Astronomisches Laboratorium:
— — Publications No. 25.
Grünstadt. K. Progymnasium:
Jahresbericht 1914/15.
Gunzenhausen. K. Realschule:
— — Jahresbericht 22, 1914/15.
Haag. Gesellschaft zurVerteidigung der christlichen Religion:
Programm für das Jahr 1915.
— — K. Instituut voor de Taal-, Land- en Volkenkunde van
Nederlandsch-Indie:
— — Bijdragen, VII. Reeks, deel 70, all. 2—4.
Haarlem. Hollandsche Maatschappy der Wetenschappen:
— — Archives neerlandaises des Sciences cxactes et naturelles, ser. 111 B,
tom. 2, livr. 2 und 3.
— Musee Teyler:
Archives, ser. 111, vol. 2.
— — Verhandelingen, N. S., deel 19.
— — Catalogue de la Bibliotheque, Bd. 4.
Habana. Sociedad economica de Amigos del Pais:
Revista bimestre Cubana, vol. 9, No. 5.
Hall. K. K. Franz Joseph-Gymnasium:
— — Programm 1914/15.
Halle. K. Leopoldinisch-Karolinische Deutsche Akademie der
Naturforscher:
Leopoldina, Heft 51, No. 1 — 12.
— Deutsche Morgenländische Gesellschaft:
— — Zeitschrift, Bd. 68, Heft 4; Bd. 69, Heft 1—4.
— Universität:
— — Verzeichnis der Vorlesungen, S.-S. 1915; W.-S. 1915/16.
— Thüringisch-Sächsischer Verein für Erforschung des vater-
ländischen Altertums:
— — Jahresbericht für 1913/14, 1914/15.
— — Zeitschrift für Geschichte und Kunst, Bd. 4, Heft 1, 2.
24*
Verzeicbuis der eingelaufenen Druckschriften.
Hamburg. Stadtbibliothek:
— — Jahrbuch der wissenschaftlichen Anstalten Hamburgs, Jahrg. 31,
1913, Beiheft 1 und 3 — 10.
— — Jahresbericht der Verwaltungsbehörden 1913, 4®.
— — Staatshaushaltsberechnung 1913, 4®.
— — Entwurf des hamburgischen Staatsbudgets für 1915, 4®.
— — Verhandlungen zwischen Senat und Bürgerschaft 1914, 4®.
— Mathematische Gesellschaft:
— — Mitteilungen, Bd. V, Heft 4.
— Hauptstation für Erdbebenforschung:
— — Mitteilungen 1914, Nr. 6; 1915, Nr. 1.
— — Monatliche Mitteilungen 1914, 1 — 5.
— Deutsche Seewarte:
— — Aus dem Archiv, Bd. 37, Nr. 1.
— — Annalen der Hydrographie, Jahrg. 43, Nr. 1 — 12.
— — Dekadenberichte 1913, Nr. 21.
— — Deutsche überseeische meteorologische Beobachtungen, Heft 22.
— — Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen, Jahrg. 36.
— Verein für Hamburgische Geschichte:
— — Mitteilungen, 34. Jahrg.
Zeitschrift, Bd. XX.
— Naturwissenschaftlicher Verein:
— — Abhandlungen, Bd. 20, Heft 2.
Verhandlungen 111, 20 — 22.
Hannover. Verein für Geschichte der Stadt Hannover:
Hannoverische Geschichtsblätter, 17. Jahrg., Heft 4; 18. Jahrg.,
Nr. 1—4.
Hartford. Geological and Natural History Survey:
— — Bulletin, No. 25.
Heidelberg. Akademie der Wissenschaften:
Abhandlungen der philologisch-philosophischen Klasse, Nr. 3.
— — Sitzungsberichte: a) philol.-histor. Klasse, 1914, No. 14, 15; 1915,
Nr. 1 — 12; b) mathem.-naturw. Klasse, 1914, A, Nr. 15 — 29; 1915,
1-6, 9-13; 1914, B, Nr. 6; 1915, Nr. 1-3, 7, 8.
— — Jahresheft 1914.
— Reichs-Limes-Ko m mission :
— — Der obergermanisch-rätische Limes des Römerreiches, Lief. 40 u. 41.
— Sternwarte:
VeröfiFentlichungen des Astronomischen Instituts, Bd. 7, Nr. 5.
— Universität:
Schriften der Universität aus den Jahren 1913/14 in 4® und 8®.
— Historisch-philosophischer Verein:
— — Neue Heidelberger Jahrbücher, Jahrg. 19, Heft 1.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
25*
Helgoland. Biologische Anstalt:
— — Meeresuntersuchungen, N. F., Bd. 15, Abt. Helgoland, Heft 1;
Bd. 17, Abt. Kiel.
Hermannstadt. Verein für siebenbürgische Landeskunde:
Archiv, N. F., Bd. 39, 1912, Heft 3.
— — Jahresbericht 1914.
Hildburghausen. Verein für Sachsen-Meiningische Geschichte:
Schriften, Heft 72, 73.
Homburg i. Pf. K. Progymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15.
Iglo. Ungarischer Karpathen-Verein:
Jahrbuch, 42. Jahrg., 1915.
Innsbruck. Naturwissenschaftlicher Verein;
— — Berichte, Bd. 35.
Ithaca. Journal of Physical Chemistry:
— — The Journal, vol. 18, No. 7 — 9; vol. 19, Nr. 1, gr.
Jassy. Societe des medecins et naturalistes:
— — Bulletin, annee 32, 11/12.
Jena. Geographische Gesellschaft:
— — Mitteilungen, Bd. 32, 1914.
— Medizinisch-naturwissenschaftliche Gesellschaft:
— — Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft, Bd. 53, Heft 1—4.
— Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde:
Zeitschrift, N. F., Bd. 22, Nr. 1, 2.
— — Regesta diplomatica III, 2, 1915.
— Verlag der Naturwissenschaftlichen Wochenschrift:
— — Wochenschrift 1915, No. 1—52.
Jüwa City. Laboratorium für Physiologie:
Contributions from the physical laboratory, vol. 1, No. 5.
Karlsruhe. Technische Hochschule:
— — Schriften 1914/15.
— Badische Historische Kommission:
Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, N. F., Bd. 30,
Heft 1 — 4, Heidelberg.
— — Politische Korrespondenz Karl Friedrichs v. Baden, Bd. 6.
Kassel. Verein für hessische Geschichte und Landeskunde:
— — Zeitschrift, Bd. 48, 1913.
— — Mitteilungen 1913/14.
Kaufbeuren. K. Progymnasium:
Jahresbericht 1914/15.
Verzeichnis der einj^elaufenen Druckschriften.
2G*
Kaufbeuren. Verein „Heimat“:
— — Deutsche Gaue, Heft 301 — 320, Sonderheft 95.
Kempten. K. Humanistisches Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15 und Programm von Helmreich.
Klagenfurt. Landesmuseum: ,
— — Carinthia I, 105. Jahrg., Nr. I.
— — Jahresbericht des Historischen Museums 1913.
Königsberg i. Pr. Physikalisch-ökonomische Gesellschaft:
Schriften, Bd. 54, 1913.
— Universitätsbibliothek:
— — Schriften aus dem Jahre 1913/14.
Konstantinopel. Institut d’histoire Ottomane:
— — Revue historique 1910, No. 28—32.
Kopenhagen. K. Akademie der Wissenschaften :
— — Översigt 1914, No. 5 — 6; 1915, No. 1 — 4.
— — Memoires, Section des Sciences, ser. 7, tom. 12, No. 2 — 6; ser. 8,
No. I, 1. Section des lettres, ser. 7, tom. 2, No. 4; tom. 3, No. 1.
— Carlsberg-Laboratorium:
— — Comptes rendus des travaux, vol. 11, No. 3, 4.
— Conseil permanent international pour l’exploration de
la mer :
— — Bulletin hydrographique, annee 1912/13 und 1913/14.
— — Bulletin planktonique, part. 2, 1908—11.
— — Publications de circonstance, No. 67 — 69.
— — Rapports et proces verbaux des reunions, vol. 21, 1913/14.
— Gesellschaft für nordische Altertumskunde:
Aarböger, HL Raekke, Bd. 4.
— Kommissionen for Havundersagelser :
— — Middelelser, Serie Fiskeri, Bd. IV, 8, 9.
— — , „ Hydrografi, Bd. II, No. 4.
— — „ Plankton I, 12.
— Dänische biologische Station:
Report No. 22, 23.
Krakau. Akademie der Wissenschaften :
— Historische Gesellschaft:
— — Biblioteka, No. 49, 50.
— Numismatische Gesellschaft:
— — Wiadomosci 1914, No. 8; 1915, No. 1 — 4.
Laibach. Musealverein für Krain:
— — Carniola, Bd. 6, No. 1 — 4.
Landau (Pfalz). K. Humanistisches Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15.
Verzeichnis der eiiigelaufenen Druckschriften.
27*
Landsberg a. L. K. Realschule;
— — 37. Jahresbericht 1914/15.
Landshut. Historischer Verein :
— — Verhandlungen, Bd. 51.
La Plata. Universidad Nacional;
— — Contribucion al estudio de las ciencias, Serie mateinatica, vol. 1,
entr. 1; Serie fisica, vol. 1, entr. 1—4; Serie tecnica, vol. 1, entr. 1.
— — Annuario, No. 5, 1914; No. 6, 1915.
— — Memerio, No. 3, 1913.
Lausanne. Revue Ukrainienne:
Revue, No. 1 — 5.
— Societe Vaudoise des Sciences naturelles:
— — Bulletin, No. 184 — 186.
Leiden. Maatschappij der Nederlandsche Letterkunde:
— — Handelingen en Mededeelingen 1913/14.
— — Levensberichten 1913/14.
— — Tijdschrift, deel 33, 1 — 4; deel 34, 1.
— Redaktion des „Museum“:
— — Museum, maandblad voor philologie en geschiedenis, Jahrg. 22,
No. 5 — 12; Jahrg. 23, No. 1—4.
— Redaktion der „Mnemosyne“:
— — Mnemosyne, Bd. 43, No. 1—4; Bl. 44, No. 1.
Leipzig. Redaktion der Beiblätter zu den Annalen der Physik:
Beiblätter, Bd. 33, Nr. 24; Bd. 39, Nr. 1 — 23.
— Deutsche Bücherei:
— — 2. Bericht 1914.
— — Urkunden und Beiträge, 9. Ausgabe, 1914.
— K. Gesellschaft der Wissenschaften:
— — Abhandlungen der philol.-hist. Klasse, Bd. 30, Nr. 4; Bd. 31, Nr. 1, 2.
— — Berichte über die Verhandlungen der philol.-hist. Klasse, Bd. 66,
Nr. 1—3; Bd. 67, Nr. 1, 2.
Berichte über die Verhandlungen der math.-phys. Klasse, Bd. 65,
Nr. 4, 5; Bd. 66, Nr. 2 und 3; Bd. 67, Nr. 1, 2.
— Gesellschaft für Erdkunde:
— — Mitteilungen für das Jahr 1914.
— — Wissenschaftliche Veröffentlichungen, Bd. 8.
Lemberg. Sevcenko-Gesellschaft:
Fontes historiae ukraino-Russicae, tora. 6.
Lima. Cuerpo de ingenieros de minas del Peru:
— — Boletin, No. 81.
Lincoln. University of Nebraska library:
— — Annual Report, vol. 27.
— — Research Bulletin, No. 5.
28*
Verzeichnis der eingelaafenen Druckschriften.
Linz. Museum Francisco-Carolinum:
— — 73 Jahresbericht, 1915.
Lissabon. SociedaJe de geographia:
Pereira de Situ orbis, 1905.
— — Centenaio da Genta, 1915.
— — Boletim, vol. 32, No. 9 — 12; vol. 33, No. 1 — 5.
Lohr. K. Humanistisches Gymnasium:
Jahresbericht 1914/15.
Lüneburg. Museums verein:
Museumsblätter, Bd. 10.
Lund. Redaktion von ,Botaniska Notiser“:
Notiser, 1915, No. 1 — 6.
— Universität:
Bibelforskaren 1914, 1 — 0.
— — Kyrkohistorisk Arskrift 15, 1914.
Luzern. Historischer Verein der fünf Orte:
— — Geschichtsfreund, Bd. 69, 70.
Madison. Wisconsin Geological and Natural History Survey:
Bulletin, No. 33 = scient.-ser., No. 10; No. 34 = econ.-ser., No. 16;
No. 41 = econ.-ser., No. 18.
Madrid. R. Academia de la historia:
Boletin, tom. 66, No. 1 — 6; tom. 67, No. 1 — 5.
Mailand. Societä Italiana di scienze naturali:
— — Atti, vol. 53, fase. 3, 4.
— Societä Lombarda di scienze mediche e biologiche:
Atti, vol. IV, fase. 1, 2.
— Societä Storica Lombarda:
— — Archivio Storico Lombardo, ser. IV, anno 41, fase. 4.
Mannheim. Altertumsverein:
— — Mannheimer Geschichtsblätter, 16. Jahrg., 1915, Nr. 1 — 12.
Marnheim. Realanstalt am Donnersberg:
— — Jahresbericht für 1914/15.
Marburg. Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Natur
Wissenschaft:
— — Sitzungsberichte 1914.
— — Schriften, Bd. III, 7.
Meissen. Fürsten- und Landesschule St. Afra:
— — Jahresbericht für das Jahr 1914/15, 4®.
Melbourne. Commonwealth of Australia:
— — Report of the geological reconnaissance of the fedenil territory,
1913.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
29'^
Metten. K. Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15.
Milwaukee. Public Museum:
— — Bulletin of Wisconsin Natural History Society, vol. 12, No. 3, 4;
vol. 13, No. 1 — 3.
Minneapolis. University of Minnesota Library:
— — Botanical Studies, vol. 4, part. 3, 1914.
— — Agricultur Experimental Studies. Bulletin, No. 122, 132, 134
et 137, 139.
Modena. Societa dei Naturalisti e matematici:
— — Atti, V. ser., vol. 1 = 47.
Mount Hamilton (California). Lick Observatory:
— — Bulletin, vol. VII, No. 260—264, 266—275.
— — Publications, vol. 11 und 12.
München. Statistisches Amt:
— — Einzelschriften, Nr. 12 (Hygiene und soziale Fürsorge in München).
— K. Hof- und Staatsbibliothek:
— — Catalogus cod. inanuscript. Bibi. Reg. Mon., tom. I, pars HI (cod.
zendicos compl.), M. 1915.
— K. Hydrotechnisches Bureau:
— — Jahrbuch 1913, Heft 2 — 4; 1914, Heft 1.
— Ornithologische Gesellschaft:
— — Verhandlungen, Bd. XII, 2, 3.
— K. Ludwigs-Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15.
— K. Luitpold-Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15 und Programm von Rueß.
— K. Maximilians-Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15 und Programm von Silverio-Hümmerich.
— K. Theresien-Gymnasium:
Jahresbericht 1914/15.
— K. Wilhelms-Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15 und Programm von Belzner.
K. Wittelsbacher Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15.
— K. Realgymnasium:
51. Jahresbericht, 1914/15 und Beigabe.
— K. Technische Hochschule:
— — Bericht über das Studienjahr 1913/14.
— — Programm für das Studienjahr 1914/15 und 1915/16.
Personalstand im S.-S. 1914; W.-S. 1914/15; S.-S. 1915; W.-S. 1915/16.
— — Schriften 1914.
Sitziingsb. d. matli.-phys. Kl. Jalirg. 1915.
e
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
München. Metropolitan-Kapitel München-Freising:
— — Amtsblatt der Erzdiözese München und Freising 1915 mit Register.
— Deutsches Museum:
— — 11. Verwaltungsbericht und Lazarettzug 2.
— K. Luitpold-Kreisoberrealschule:
— — 8. Jahresbericht, 1914/15.
— K. Maria Theresia Kreisrealschule:
— — 16. Jahresbericht. 1914/15.
— K. Uni versität:
— — Personalstand, S.-S. 1915; W.-S. 1915/16.
— — Schriften aus dem Jahre 1914/15 in 4° und 8®.
— — Verzeichnis der Vorlesungen, S.-S. 1915; W.-S. 1915/16.
— Ärztlicher Verein:
— — Sitzungsberichte, Bd. 24, 1914.
— Historischer Verein von Oberbayern in München:
— — Oberbayerisches Archiv, Bd. 60, Heft 1.
— — Altbayerische Monatschrift, Jahrg. 13, Heft 1.
— K. Meteorologische Zentralstation:
— — Übersicht über die Witterungsverhältnisse im Königreich Bayern
1914, Nr. 11, 12; 1915, Nr. 1 — 11.
Münster. Westfäl. Provinzial verein für Wissenschaft u. Kunst:
— — Jahresbericht 42, 1913/14.
— Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens:
— — Zeitschrift für vaterländische Geschichte, Bd. 72, 1, 2.
Nancy. Academie de Stanislas:
Memoii’es, annee 163, VI. ser., tom. 10.
— Societe d’archeologique Lorraine et du Musee Historique
Lorrai n:
Bulletin 1913, No. 12; 1914, No. 1—6.
— — Memoires, tom. 63, 1913.
— Societe des Sciences:
Bulletin, tom. 14, fase. 1 — 3.
Nantes. Societd des Sciences naturelles de l’Ouest de la France:
— — Bulletin, tom. 3, trim. 1, 2.
Narbonne. Commission archeologique:
Bulletin 1914, sem. 1.
Neapel. Stazione zoologica:
Mitteilungen, Bd. 21, Heft 6, 7; Bd. 22, Heft 1 — 10.
Neuch&tel. Societe Neuchäteloise de geographie:
— — Bulletin, tom. 24, 1915.
— Societö des Sciences naturelles:
— — Memoires, tom. 5, 1914.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
31*
Neumarkt i. Obpf. Histor. Verein:
— — Jahresbericht 1912/13.
New Haven. American Oriental Society:
— — Journal, vol. 34, part 3, 4; vol. 35, part 1 — 3.
— Connecticut Academy of arts and Sciences:
Transactions, vol. 18, Anhang.
— Yale University Library:
Yale Review, N. S., vol. 4, No. 3, 4; vol. 5, No. 1.
— — American Journal of Science, No. 229 — 232.
New York. Academy of Sciences:
— — Annals, vol. 23, part 144 — 353.
— American Association of genito-urinary :
— — Transactions, vol. 8, 1914.
— American Philological Association:
— — Transactions and Proceedings, vol. 44.
— American Museum of Natural History:
— — Anthropological Papers, vol. 14, part 1.
— — Journal, vol. 15, No. 1 — 7.
— Botanical garden Library:
— — Bulletin, vol. 8, No. 32.
— American Geographical Society:
— — Bulletin, vol. 47, No. 1 — 12 und Index 1914.
— Geological Society of America:
Bulletin, vol. 25, No. 2.
— American Mathematical Society:
— — Bulletin, No. 231 — 243.
— — Transactions, vol. 15, No. 4; vol. 16, No. 1—4.
— — List of members Jan. 1915.
— Zoological Society:
— — Zoologica, vol. 1, No. 19, 20.
— Columbia University:
Publications, No. 3, 5.
Nördlingen. Historischer Verein:
— — Jahrbuch 1 — 4 (1912 — 15).
Nürnberg. Naturhistorische Gesellschaft:
— — Jahresbericht, 1912/13.
— — Mitteilungen, 5. Jahrg., 1, 2; 6. Jahrg.; 7. Jahrg., 1, 2.
— K. Altes Gymnasium:
Jahresbericht 1914/15.
— K. Neues Gymnasium;
Jahresbericht 1914/15.
— Germanisches Nationalmuseum:
— — Anzeiger 1914, 1—4.
32*
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Nürnberg. Germanisches Nationalmuseum:
— — Mitteilungen 1914.
— Verein für Geschichte der Stadt:
37. Jahresbericht, 1914.
— — Mitteilungen, Heft 21, 1916.
Ottawa. Division de la Commission geologique:
Publications, No. 1065, 1088, 1111, 1161, 1328, 1329.
Map 18a.
Padua. Accademia Veneto-Trentina-Istriana:
— — Atti, 3. Serie, anno 7, 1914.
— Museo civico:
Bollettino, anno 16, fase. 1 — 6.
Palermo. Circolo matematico:
— — Rendiconti, tpm. 39, fase. 1.
— Societä Siciliana di scienze naturali:
— II Naturalista Siciliano, vol. 22, No. 6 — 12.
Parenzo. Societä Istriana di archeologia e storia patria:
Atti e memorie, vol. 30, 1914.
Paris. Redaction „La paix par le droit“:
— — La paix, annee 24, No. 15 — 18, 23; annee 25, No. 1, 2, 5, 6, 9 -16
Pasing. K. Progymnasium;
— — Jahresbericht 1914/15.
Passau. K. Lyzeum:
— — Jahresbericht 1914/15.
Philadelphia. Academy of natural Sciences:
— — Proceedings, vol. 65, part 3; vol. 66, part 1.
— Pennsylvania Museum and School of industrial art:
— — Bulletin, No. 49 — 52.
— — Report 39.
— Historical Society of Pennsylvania;
— — The Pennsylvania Magazine of History, No. 153 — 155.
— American Philosophical Society:
Proceedings, No. 213, 214.
— — Report 1914.
— University:
— — Babylonion Section, vol. VIII, 1.
Pisa. Societä Italiana di fisica:
— — II nuovo Gimento, ser. VI, anno 60, vol. 6; sem. 1 = fase. 10—12
Pistoia. R. Deputazione di storia patria:
— — Bulletino, anno XVII, fase. I.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
33*
Plauen. Altertumsverein;
— — Mitteilungen, 25. Jahresschrift, 1915.
— Gymnasium:
26. Jahresbericht, 1914/15.
Pola. Hydrographisches Amt der K. K. Kriegsmarine:
— — Veröffentlichungen, Nr. 35, 36.
Posen. Historische Gesellschaft:
— — Zeitschrift, Jahrg. 29, Heft 1.
— — Historische Monatsblätter, Jahrg. 15, Nr. 1 — 12.
Potsdam. Geodätisches Institut:
Veröffentlichungen, N. F., Nr. 64, 65.
— Astrophysikalisches Observatorium:
— — Publikationen, Nr. 70.
Photographische Himmelskarte, Bd. 7, 1915, und Berichtigung
zu Bd. 1 — 7.
— Zentralbureau der internationalen Erdmessung:
— — Veröffentlichungen, Nr. 27, 28.
Prag. Landesarchiv:
— — Archiv Cesky, Dil 32.
— K. Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften:
— — Jahresbericht 1914.
— — Sitzungsberichte der philos.-hist. Klasse, 1914; der matb.-naturwiss.
Klasse, 1914.
— Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft etc.:
Bibliothek deutscher Schriftsteller, Bd. 30, 32 — 34.
— Deutscher naturwissenschaftlich-medizinischer Verein
für Böhmen „Lotos“:
Lotos, Naturwissenschaftliche Zeitschrift, Bd. 62, Nr. 1 — 10.
— — Abhandlungen, Bd. III, Heft 1 — 7.
— öechoslavisches Museum:
— — Narodpisny Vestnik Öeskoslovansky, Bd. 9, Nr. 3 — 10; Bd. 10,
Nr. 1 — 10.
— Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen:
Mitteilungen, Jahrg. 53, Nr. 1—4.
— Deutsche Karl Ferdinands-Universität:
— — Ordnung der Vorlesungen, S.-S. 1915; W.-S. 1915/16.
— — Inauguration des Rektors 1914/15.
Ravenna. Bolletino storico Romagnolo:
— — Felix Ravenna, No. 17.
Regensburg. K. Neues Gymnasium:
— — Jahresbericht für 1914/15 mit Programm von Patin.
34*
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschiiften.
Regensburg. Historischer Verein:
Verhandlungen, Bd. 65.
Rio de Janeiro. Musen nacional:
— — Archivos, vol. 16.
Rom. Accademia Pontificia de’ Nuovi Lincei:
Atti, anno 68, sess. 1.
Memorie, vol. 32, 1914.
— R. Comitato geologico d’Italia:
— — Bollettino, anno 1913/14, No. 2.
— Kaiserl. Deutsches Archäologisches Institut:
Mitteilungen, Bd. 29, Nr. 3, 4.
— British and American Archaeological Society:
— — Journal, vol. Y, No. 1.
— R. Societä Romana di storia patria:
— — Archivio, tom. 37, No. 3, 4.
— Specola Vaticana:
Catalogo astrografico, vol. 1, 1914.
Rosenheim. Gymnasium:
— — Jahresberichte für 1914/15.
Rovereto. R. Accademia di scienze degli Agiati:
— — Atti, ser. IV, vol. 4.
Saargemünd. Gymnasium mit Realabteilung:
— — 44. Jahresbericht, 1914/15.
Salzburg. K. K. Staatsgymnasium:
— — Programm für das Jahr 1914/15.
— Gesellschaft für Salzburgische Landeskunde:
— — Mitteilungen 55, 1915.
Salzwedel. Altmärkischer Verein für vaterländischeGeschichte
— — Jahresbericht 41, 42, 1914/15.
San Francisco. California Academy of Sciences:
— — Proceedings, ser. IV, vol. 4, No. 4/5; vol. 5, No. 1 — 31.
Santiago de Chile. Observatorio astronomico:
— — Publicaciones, No. 7—9.
Sarajevo. Landesmuseum:
Glasnik 26, 1914, No. 4; 27, 1915, 1, 2.
Schweinfurt. K. Realschule:
— — Jahresbericht 1914/15.
Siena. Deputazione de la Storia patria:
Bulletino Senese di storia patria, anno XX, fase. 3; anno XXI
fase. 3.
Speier. Historisch er Verein der Pfalz:
Mitteilungen, Bd. 34/35, 1911/15.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
3:,=^
stade. Verein für Geschichte und Altertümer etc.:
— — Stader Archiv, N. F., Heft 5, 1915.
Leland Stanford (Cal.), üniversity:
— — Martin, Schäfer, Meyei-, Campbell, Martin-Smith.
Stavanger. Museum:
— — Aarshefte for 1914 (25).
Stettin. Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alter-
tumskunde:
— — Baltische Studien, N. F., Bd. 18, 1914.
— — Monatsblätter 1914, Nr. 1--12.
Stockholm. K. Akademie der Wissenschaften:
— — Les prix Nobel en 1913.
— — Arkiv fbr Zoologi, Bd. 8, No. 2—4; Bd. 9, No. 1, 2.
— — Arkiv für Kemi, Bd. 5, No. 3 — 6.
— — Arkiv für Botanik, Bd. 13, No. 2 — 4; Bd. 14, No. 1.
— — Arkiv für Matematik, Bd. 9, No. 3 und 4; Bd. 10, No. 1 — 3.
— — Meddelanden frän Nobel-Institut, Bd. 3, No. 1 und 2.
— Meddelanden frän K. Sv. Yetenskaps Akademiens trädgärd
Bergielund;
— — Acta horti Bergiani, tom. V, 1915.
— — Arsbök for är 1914.
— — Meteorologiska Jakttagelser i Sverige, vol. 55.
— — Berzelius Bref I, 3; II, 1.
— K. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademie:
— — Fornvännen, Argangen 9, 1914.
— — Tynell, Skänes medeltida dopfnutar, Heft 2.
— K. Landtbruks- Akademie:
— — Handlingar och tidskrift, 1914, No. 8; 1915, No. 1 — 8.
— K. Bibliothek:
— — Akzessionskatalog 29, 1914.
— Entomologiska föreningen:
— — Tidskrift, Jahrg. 35, 1914, No. 1 — 4; 36, 1915, No. 1 — 4.
— Geologiska Föreningens:
Förhandlingar, Bd. 36, No. 7; Bd. 37, No. 1 — 7.
— Nationalekonomiska föreningen:
— — Förhandlingar 1914.
— Schwedische Gesellschaft für Anthropologie und Geo-
graphie:
— — Ymer, Jahrg. 34, Heft 3, 4; 35, Heft 1 — 3.
— Svenska Literatursälskapet:
— — Skrifter 7, 3; 17; Samlaren 35.
— Nordiska Museet:
— — Fataburen 1914, Heft 1—4.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
3G*
Stockholm. Reichsarchiv:
— — Meddelanden, N. F., 4, No. 3.
— Sveriges geologiska Undersökning:
Ärsbok G, 1912; 7, 1913; 8, 1914.
Afhandlingar och uppsatser, No. 6 und Atlas.
— — Serie Aa, No. 147 (mit Karte).
— Forstliche Versuchsanstalt:
— — Meddelanden, Heft 11, 1914.
Strassburg. K. Hauptstation für Erdbebenforschung:
— — ^lonatliche Übersicht 1914, 1915.
— Wissenschaftliche Gesellschaft:
— — Schriften 22—24.
— Internationale Kommission für wissenschaftliche Luft-
schiffahrt:
1912, Heft 7-9.
Stuttgart. K. Landesbibliothek:
— — Fischer, Schwäbisches Wörterbuch, Lief. 50, 51.
— — Württemberg. Kommission für Landesgeschichte:
— — Vierteljahreshefte für Landesgeschichte, N. F., Jahrg. 24, 1915,
Nr. 1, 2.
— — Württemberger Geschichtsquellen, Bd. 18.
— K. Württembergisches Statistisches Landesamt:
— — Beschreibung des Oberamts Tettnang, 2. Bearbeitung, 1915, Heft 1.
— — Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde,
Jahrg. 1914, Heft 2; 1915, Heft 1.
Tacubaya. Observatorio astronomico nacional:
— — Annuario, aüo 35 (3 Teile).
Thorn. Copernikus-Verein für Wissenschaft und Kunst:
— — Mitteilungen, Heft 22, 23.
Tiflis. Erdbebenwarte:
— — Wochenbericht 2, 1913.
Tokyo. Mathematico-Physical Society:
— — Prbceedings, 2^ ser., vol. 7, No. 21, 22; vol. 8, No. 1 — 8.
— Kaiserl. Universität:
— — Mitteilungen aus der medizinischen Fakultät, Bd. 13, Nr. 1, 2.
Trient. Biblioteca e Museo comunale:
— — Archivio Trentino, anno 29, fase. ^/r.
Triest. K. K. Maritimes Observatorium:
Rapporto annuale, vol. 27, 1914.
Tromsö. Museum:
— — Aarshefter 35(36.
— — Aarsberetning for 1912, 1913.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
37*
Troppau. Kaiser Franz Joseph- Museum für Kunst und Gewerbe:
— — Zeitschrift für Geschichte und Kulturgeschichte Osterreichisch-
Schlesiens, Jahrg. 8, Heft 4 und Jahrg. 9.
Tübingen. Universität:
— — Universitäts-Schriften 1914/15.
Turin. Accademia d’agricoltura:
— — Annali, vol. 57, 1914.
— Museo di Zoologia ed Anatomia comparata:
— — Bolletino, vol. 29, 1914, No. 680 — 691.
Ulm. Verein für Kunst und Altertum:
— — Mitteilungen, Heft 20.
— Verein für Mathematik und Naturwissenschaften:
— — Mitteilungen, Heft 16, 1915.
Upsala. K. Universität:
— — Koraen Tage, Observ. seismographiques 1907 — 12.
— — Schriften aus dem Jahre 1913/14.
— — Eranos, Acta philol. Suecana, vol. 14, fase. 2.
— — Zoologiska Bidrag frän Upsala, Bd. 3, 1914.
Utrecht. Historisch Genootschap:
Bijdragen en mededeelingen, deel 35.
— Provincial Utrechtsch Genootschap:
— — Aanteekeningen 1915.
— Institut Royal Meteorologique des Pays-Bas:
— — Annuaire 1913, A, B.
— — Mededeelingen en Verhandelingen, No. 18, 19.
Overzicht, Jahrg. 11, No. 12; Jahrg. 12, No. 1 — 11.
— — Onweders 1912, deel 33.
— — Ergebnisse aürolog. Beobachtungen 2, 1913.
— — 01s Ocean Indien 1856 — 1912, Text und Taf.
— Physiol. Laborat. d. Hoogeschool:
— — Onderzoekingen, vol. V, No. 16.
Vaduz. Histor. Verein für das Fürstentum Liechtenstein:
— — Jahrbuch, Bd. 14, 15.
Veglia. Altslavische Akademie:
— — Penija Rimskago Misala 1914.
Vestnik 2.
Venedig. Ateneo Veneto:
— — Ateneo Veneto, anno 38, vol. 1.
— Comitato talassografico Italiano:
— — Bolletino trimestrale, No. 27 — 30.
38*
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Verona. Museo civico:
— — Madonna Verona, fase. 32.
Vicenza. Accademia Olimpica;
Atti, N. S., vol. 4, 1913/14.
Washington. National Academy of Sciences:
— — Proceedings, vol. 1, No. 1—4, 6—11.
— U. S. Department of Agriculture;
— — Yearbook 1914.
— — Journal of the agricultural Researche, vol. 2, No. 5, 6; vol. 3,
No. 1 — 6; vol. 4, No. 1 — 6; vol. 5, No. 1 — 10.
— Bureau of railway economics:
— — Bulletin, No. 70—79, 81 — 83.
— Carnegie Institution:
— — Annual report of the Director of Department of histor. research,
1913 und 1914.
— Smithsonian Institution:
— — Miscellaneous Collections, No. 2254, 2270—2273, 2275, 2315, 2316,
2319, 2320, 2356, 2361—2364, 2366.
— U. S. National Museum:
— — Bulletin, No. 50, part 6; No. 89.
— Surgeon Generals Office U. S. Army:
— — Index catalogue, vol. 19.
— U. S. Coast and Geodetic Survey Office:
Spec.-publication, No. 20.
— U. S. Geological Survey:
— — Bulletin, No. 531, 538—540, 542, 543, 545 — 548, 550, 556, 557,
571, 574, 579, 581 A, B, 585.
— — Water Supply Paper, No. 309, 327, 345 E, F.
— — Mineral Resources 1913, 1, 1 — 5, II, 1 — 13, 15 — 19.
Weihenstephan. A. Akademie für Landwirtschaft und Brauerei:
Bericht 1914 15.
Weimar. Großherzogi. Bibliothek:
— — Zuwachs in den Jahren 1911 — 13.
— Thüring. botanischer Verein:
— — Mitteilungen, N. F., Heft 32.
Wernigerode. Harzverein für Geschichte:
— — Zeitschrift, Jahrg. 47, Heft 3, 4.
Wien. Kaiserl. Akademie der Wissenschaften:
— — Sitzungsberichte: a) der philos.-histor. Klasse, Bd. 168, Abh. 5j
Bd. 169, Abh. 2; Bd. 170, Abh. 2; Bd. 172, Abh. 2; Bd. 174, Abh. 5;
Bd. 175, Abh. 5; Bd. 176, Abh. 1, 2, 5, 6; Bd. 177, Abh. 2, 3, 5;
Bd. 178, Abh. 1 — 5; Bd. 179, Abh. 1, 3; b) der math.-naturwiss.
Veraeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
39*
Klasse, Abt. I, Bd. 123, Abh. 2—10; Bd. 124, Abh. 1 — 4; Abt. II a,
Bd. 123, Abh. 4—10; Bd. 124, Abh. 1—4; Abt. 11b, Bd. 123, Abh. 4
bis 9; Bd. 124, Abh. 1 — 4; Abt. III, Bd. 123, Abh. 1 — 10.
— — Denkschriften der philos.-histor. Klasse, Bd. 53, Nr. 1, 2, 3; Bd. 57>
Nr. 1 und 3; Bd. 58, Nr. 1, 3, 4; math.-naturwiss. Klasse, Bd. 90.
— — Anzeiger (math.-naturwi.ss. Klasse) 1914, Nr. 1 — 17.
— — Mitteilungen der prähistorischen Kommission, Bd. II, Nr. 48.
— — Mitteilungen der Erdbebenkommission, Nr. 48.
Almanach, 64. Jahrg., 1914.
— — Archiv für österreichische Geschichte, Bd. 104, 2; 106, 1.
— — Mittelalterliche Bibliothekskataloge Östen-eichs, I. Bd. , Nieder-
österreich, 1915.
— K. K. Gesellschaft der Ärzte:
— — Wiener Klinische Wochenschrift 1915, Nr. 1—52, 4°.
— Zoologisch-botanische Gesellschaft:
— — Verhandlungen, Bd. 64, Nr. 5 — 10; Bd. 65, Nr. 1 — 10.
— — Abhandlungen, Bd. 9, Nr. 1.
— K. K. Naturhistorisches Hofmuseum;
— — Annalen, Bd. 28, Nr. 3, 4; Bd. 29, Nr. 1, 2.
— Israelitisch-theologische Lehranstalt:
— — Jahresbericht 22.
— Mechitharisten-Kongregation:
— — Handes Amsorya 1914, No. 10, 11.
— K. K. Geologische Reichsanstalt;
Abhandlungen, Bd. 23, Heft 1.
— — Verhandlungen 1914, Nr. 12 — 18; 1915, Nr. 1 — 14.
— — Jahrbuch, Bd. 64, Heft 1 — 3.
— Verein zur Verbreitung naturwissenschaftl. Kenntnisse:
— — Schriften, Bd. 55, 1914/15.
— K. K. Universität;
Inauguration des Rektors 1915/16.
— — Verwaltungsbericht der K. K. Univ.-Bibliothek 8, 1913/14.
— — Übersicht der Behörden 1915/16.
— — Vorlesungen, S.-S. 1915; W.-S. 1915/16.
Bericht über die volkstümlichen Universitätsvorträge 1914/15.
Wiesbaden. Verein für Naturkunde:
— — Jahrbücher, Jahrg. 67.
Winterthur. Naturwissenschaftliche Gesellschaft:
— — Mitteilungen, Heft 10.
Wolfenbtittel. Geschichte verein für das Herzogtum Braun-
schweig:
— — Jahrbuch, 13. Jahrg., 1914.
— — Braunschweigisches Magazin, Bd. 20, 1914, 4°.
40*
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
Würzburg. Physikalisch-medizinische Gesellschaft:
— — Sitzungsberichte, 1914, Nr. 3, 4; 1915, Nr. 1, 2.
Verhandlungen, N. F., Bd. 42, Heft 6; Bd. 43, Heft 5.
— K. Altes Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15 mit Programm von Rheinfelder.
— K. Neues Gymnasium:
— — Jahresbericht 1914/15 mit Programm von Kempf.
— K. Universität:
Verzeichnis der Vorlesungen, S.-S. 1915; W.-S. 1915/16.
— — Personalstand 1914/15 und 1915.
— Historischer Verein:
— — ■ Archiv, Bd. 56.
— — Jahresbericht für 1913.
Wunsiedel. K. Realschule:
— — Jahresbericht 1914/15.
Zürich. Antiquarische Gesellschaft:
— — Mitteilungen, Bd. 28, Heft 1 {= Nr. 79).
— Naturforschende Gesellschaft:
— — Jahrhundertfeier 1915,
— — Neujahrsblatt 117.
Vierteljahresschi'ift, Jahrg. 59, Heft 3, 4; Jahrg. 60, Heft 1, 2.
— Schweizerische Geodätische Kommission:
— • — Astronomisch-geodätische Arbeiten, Bd. 14.
— Schweizerische Geologische Kommission;
— — Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz, N. F., Lief. 30 und 45.
Geotechnische Serie, Nr. 5.
— Schweizerisches Landesmuseum;
— — Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde, N. F., Bd. 16, Nr. 4;
Bd. 17, Nr. 1—3.
— — 23. Jahresbericht, 1914.
— Bibliothek des Eidgenössischen Polytechnikums:
— — Dissertationen 1914/15.
— — Programm, S.-S. 1915, W.-S. 1915/16.
— Sternwarte:
— — Astronomische Mitteilungen, Nr. 105.
— Schweizerische meteorologische Zentralanstalt;
Annalen, 50. Jahrg., 1913.
Zweibrücken. K. Humanistisches Gymnasium;
— — Jahresbericht 1914/15.
Verzeichnis der eingelaufenen Druckschriften.
41*
Geschenke von Privatpersonen, Geschäftsfirmen und Redaktionen:
Bensaude, Joaquim:
— Histoire de la science nautique Portugaise. Munich 1914.
Bericht über die 3. Generalversammlung des mitteleuropäischen Wirt-
schaftsvereins.
Dittmeyer, L.:
— Guil. Moerbeck. Dillingen 1914.
Fedde, Frdr.:
— Repertorium specierum novarum regni vegetabilis. Berlin 1914.
Ginsberg, G.:
— Erfahrung aus dem Alltäglichen. Wien 1914.
Lambros, 'Spyrid:
— Xiog ‘E?.krjvai^v^i.cu)v, Bd. XI, No. 3 und 4; XII, No. 1, 2, 3.
Niederlein, Gust. :
— Plantago Bismarkii N. Zittau 1915.
Schmidt;
— Geschichte des Progymnasiums Edenkoben, 1837 — 1912.
Sloane:
— Party government in the U. St. of America, 1914.
— The Balkans, 1914.
— Life of Napol. Bonaparte, 4 voll.
Teubner, Leipzig:
— Encyclopedie des Sciences mathematiques, tome IV, vol. I, fase. 1.
5
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1
Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
Von P. Debye, Göttingen.
Vorgelegt von A. Sommerfeld in der Sitzung am 9. Januar 1915.
Durch die neuesten Arbeiten von Rutherford, Nicholson
und insbesondere von Bohr ist es zum mindesten sehr wahr-
scheinlich geworden, daß die Atome , Planetensysteme“ sind,
in welchen Kerne von äußerst geringen Dimensionen und be-
trächtlicher Masse einerseits und gewöhnliche leichte Elektronen
andererseits umeinander kreisen. Bekanntlich gelang es Bohr
auf Grund eines solchen Bildes unter Hinzuziehung der Quanten-
hypothese einen Weg zum Verständnis für die Gesetzmäßig-
keiten der Serienlinien anzubahnen und insbesondere die uni-
verselle Rydbergsche Konstante der Serien auf bekannte Größen
zurückzuführen.
Ganz abseits von diesen Anwendungen und scheinbar ohne
Berührungspunkt damit lag die herkömmliche von Ketteier,
Helmholtz, Drude entwickelte Dispersionstheorie. Ein Zusam-
menhang zwischen den hier benötigten quasielastisch gebun-
denen und den dort in kreisender Bewegung befindlichen Elek-
tronen fehlte.
Es ist klar, daß nun die Aufgabe an uns herantritt, uns
von den beiden für verschiedene Erscheinungsgebiete zurecht-
gemachten verschiedenen Vorstellungen zu befreien. Entweder
müssen wir eine der beiden als allein richtige erkennen, oder
ein neues Modell zu konstruieren suchen, das beide umfaßt.
An erster Stelle im periodischen System steht der W asser-
stoff, wir werden also hier die einfachsten Verhältnisse erwarten
Sitzungsb. d. math.-pbye. Kl. Jahrg. 1915.
1
2
P. Debye
dürfen. Im folgenden wollen wir zeigen, daß die oben zuerst
genannte Planetensystem-Hypothese vollständig ausreicht, um
das ganze optische Verhalten des Wasserstoffs zu erklären.
Die auf dieser Basis zu gewinnende, später angegebene
Dispersionsformel zeigt gegenüber den üblichen Formeln Vor-
teile in zweifacher Hinsicht. Zwar gelingt es nämlich meistens
auch auf Grund der Kettelerschen Dispersionsformel, den Bre-
chungsexponenten als Funktion der Wellenlänge recht genau
darzustellen. Berechnet man indessen aus den Konstanten dieser
Formel das Verhältnis Ladung durch Masse der dispergieren-
den Elektronen, dann findet man vielfach Werte, die erheblich
von der direkt, experimentell bestimmten Zahl abweichen. Oder
anders ausgedrückt: sieht man jenes Verhältnis als bekannt
an, dann müßte man eine gebrochene Zahl von Elektronen im
Atom annehmen. Eine ähnliche Schwierigkeit tritt bei unsrer
Anschauung nicht mehr auf.
Außerdem ist es nicht mehr nötig, eine nachträglich aus
den Experimenten zu bestimmende quasielastische Kraft ein-
zuführen. Es zeigt sich, daß als einzige neue Konstante neben
Ladung und Masse des Elektrons das Plancksche Wirkungs-
quantum auftritt. Ja man darf mit Recht die experimentelle
Bestimmung der Dispersion des Wasserstoffs als eine gute Me-
thode zur Feststellung der beiden Fundamentalgrößen: Ver-
hältnis Ladung zu Masse des Elektrons und Wirkungsquantum
ansehen.
Das Modell, welches von Bohr benutzt wurde, um die
Balmersche Wasserstofifserie zu begründen, bestand aus einem
Kern, in dem nahezu die Gesamtmasse des Wasserstoffatoms
kondensiert ist und außerdem mit einer positiven Einheits-
ladung versehen. Um diesen Kern kreist ein Elektron in
Bahnen, welche durch eine Quantenforderung bestimmt werden.
So soll das Wasserstofifatom ausseben, dieses allein liefert das
bekannte Serienspektrum.
Bei Dispersiousmessungen dagegen operieren wir mit dem
zweiatomigen Wasserstoff- Molekül. Im Anschluß an das
Atommodell liegt es nahe, das Molekül aufgebaut zu denken
Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
3
aus zwei Kernen mit positiver Einheitsladung, um die in der
Ebene senkrecht zur Verbindungslinie zwei Elektronen kreisen
und zwar so, daß das Impulsmoment jedes einzelnen dieser
Elektronen einer Quantenforderung gemäß den Wert hat.
2 71
Auch dieses Modell kommt schon bei Bohr vor;Q wir wollen
zeigen, daß es mit Erfolg zum Verständnis des Dispersions-
verlaufs für Wasserstoff herangezogen werden kann.
Dazu hat man zu berechnen, in welcher Art und Weise
die regulär vorhandene Bewegung unter der Einwirkung einer
äußeren periodischen elektrischen Kraft gestört wird. Das Be-
merkenswerte ist, daß diese Störungsrechnung vollständig so
ausgeführt werden kann , wie man das nach den Gesetzen
der Mechanik erwartet und wie man es im großen für ein
wirkliches Planetensystem ausführen würde. Auch sind die
Kräfte zwischen den Kernen und Elektronen nur die gewöhn-
lichen Coulombschen. Überhaupt tritt eine Quantenhypothese
nur dort auf, wo es sich darum handelt, das Modell durch
Festlegung der regulären Winkelgeschwindigkeit der Elektronen
in ihrer Bahn endgültig und vollständig zu bestimmen. In
diesem Sinne enthalten die §§ 1 — 4 nur Rechnungen, welche
sich auf die altbekannten Grundlagen stützen. Erst im § 4
wird an Hand von erfahrungsmäßigen Zahlen über den Dis-
persionsverlauf gezeigt, wie das Wirkungsquantum mit dem
Modell zusammenhängt. In § 5 schließlich wird auf einige
Aufgaben hingewiesen, die uns nunmehr an Hand des Modells
gestellt werden.
§ 1. Die Bewegungsgleichungen der Elektronen unter Einfluss
einer elektrischen Welle.
Sind keine störenden Kräfte vorhanden, dann ist eine Kon-
stellation möglich, bei welcher die beiden positiv mit der La-
dung £ geladenen Kerne sich um d ober- resp. unterhalb der
Bewegungsebene der Elektronen befinden, während die Elek-
') Phil. Mag. 1913, S. 857. Vgl. auch J. J. Thomson, Conseil de
physique Solvay 1913.
1
4
P. Debye
tronen an den beiden Enden eines Ourchmessers befindlich in
einem Kreise mit dem Radius a herumlaufen.
Damit die Kerne im Gleichgewicht sind , mufä unter An-
wendung des Coulombschen Gesetzes:
4 ~ ^ ^
sein.
Andererseits hält sich an jedem Elektron die Zentrifugal-
kraft mit den Anziehungen der Kerne und der Abstoßung des
anderen Elektrons das Gleichgewicht. Ist die Winkelgeschwin-
digkeit der Kreisbewegung cu, dann ergibt diese Forderung
die Gleichung:
(2)
ju a 0)^ = 2
wenn die Masse des Elektrons fx genannt wird. Aus (1) folgt:
(10
d _
a ~ KS ’
während unter Berücksichtigung dieses Resultats aus Glei-
chung (2) die Beziehung:
(20
ju a o)^
SVS — 1
4 a2
abgeleitet werden kann.
Das System ist also bei jedem Wert von co möglich. Bei
Vergrößerung von m schrumpfen die linearen Dimensionen des
Modells propottional co~ zusammen.
Beim Aufbau des Modells kommen in dieser Weise nur
die gewöhnlichen elektrostatischen Kräfte in Frage. Wesent-
lich ist die Vernachlässigung der Ausstrahlung, obwohl eine
elektrodynamische Begründung für dieses Vorgehen fehlt.
Willkürlich ist vorläufig noch die Winkelgeschwindigkeit co.
Allein an dieser Stelle kann eine außerhalb der Mechanik
stehende Forderung noch eingreifen. Im Einklänge mit Ni-
cholson und Bohr, sowie mit der von Ehrenfest befürworteten
Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
5
Anwendungsart der Quanten auf die Beschreibung der Tem-
peraturabhängigkeit der Rotationsbewegung, sowie schließlich
mit dem allgemeinen Prinzip für die Einführung der Quanten
bei beliebiger Bewegung, wie ich dasselbe in den Göttinger-
Vorträgen (Teubner 1913) formuliert habe, können wir co
durch die Forderung bestimmen:
(3)
Impulsmoment = jua^a>
1
2 ^
{h = Planckscbes Wirkungsquantum).
Obwohl ich tatsächlich diese Forderung als letzten Bau-
stein des Modells benutze, soll doch vorläufig von einer Ver-
wendung der letzteren Gleichung abgesehen werden. Vielmehr
rechne ich im folgenden mit einer vorläufig unbestimmten
Winkelgeschwindigkeit co und in allen Einzelnheiten und voll-
ständig nach den gewöhnlichen Gesetzen der Mechanik. Erst
ganz am Schlüsse, wenn die erhaltene Dispersionsformel mit
den experimentell gewonnenen Zahlen verglichen wird, soll
mit Hülfe dieser Zahlen gezeigt werden, daß der Wert von oj
tatsächlich der obigen Quantenforderung entspricht.
Um die Störungen der Hauptbewegung unter Einfluß
äußerer Kräfte in Formeln zu bringen, führe ich in der Ebene
der Elektronen Polarkooidinaten r^, (p^ für das erste; r^, (p^
für das zweite Elektron ein. Senkrecht zu dieser Ebene zählen
wir die Koordinaten .s-, , resp. s^. Zu diesen Koordinaten ge-
hören die Impulse pj, ip^, resp. ^21 ^2’ definiert durch
die Formeln:
Ql =
■
II
II
.
C2
Da die Masse der Kerne sehr groß ist im Vergleich mit
der Masse der Elektronen (Verhältnis 2000 : 1), werden wir
die Kerne als ruhend behandeln und uns auf die Störungen
der Elektronenbahn beschränken. Ist dann die potentielle
Energie des WasserstofiFsystems ü und nennen wir die auf die
6
P. Debye
Elektronen in Richtung der eingeführten Koordinaten wirken-
den störenden Kräfte:
resp.
FrU
F,pi,
F.l
Fr2,
Fq,2,
F,2
dann haben die Hamiltonschen kanonischen Gleichungen fol-
O
gende Form:
(5)
dr.
II
1
1 V? 3 f7
ar,
i^r.
II
_ =
dt
_ —
dt
dz,
dr„
^ Q2
dt
1 V^2 . 3 U
ß rl 3
Fr2
d(p^
^ dt rr
dw2 ^
dt
3t/ ^
3«P2
u ^
^ dt
_ ^^2 =
dt
F
3^2
Nun sind die durch äußere Kräfte hervorgerufenen Stö-
rungen im allgemeinen sehr klein; wir wollen deshalb die
Gleichungen (5) dadurch in lineare Gleichungen verwandeln,
daß wir als neue Variabele die Abweichungen der Koordinaten
und Impulse von ihren Gleichgewichtswerten einführen und
dieselben als kleine Größen erster Ordnung behandeln. Wir
setzen :
(6)
a -j- 7i, ,
(f, = a cot -i- 0,,
= >^1 .
a
cp^ = a ü)t — 71 0^,
Z.y Z^ ,
C, = Z,,
P2^
r* = /• +
C2 = Z2:
die neu eingeführten Größen 11^ sind dann unsre
neuen Unbekannten. Setzt man dieselben sämtlich gleich Null,
Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
7
dann erhält man die ungestörte Bewegung, wenn das Irapuls-
moment:
(6') ju (o = f
gesetzt wird. Durch a ist die Anfangslage der Elektronen
zurzeit t = 0 charakterisiert. In den Grundgleichungen kommen
w
erstens vor die Größen ^ und Mit Rücksicht auf (6) kann
man dafür in erster Näherung schreiben:
(7)
f+W
-i2 '
(a -k jR)^
,2 _ ^ p p
® (« + Ry ö*
a
R
L f «
Zweitens kommt die potentielle Energie U vor, die bei
einer beliebigen Abweichung vom Gleichgewichtszustand eine
Funktion der Kooidinaten i?j, ^j, Zj, R^^ wird. Eine
elementare, aber etwas längere Rechnung liefert für U den
folgenden Ausdruck in R^ Z^'.
Bei dieser Entwicklung wurden unsrer Grundhypothese
gemäß nur die reinen Coulombschen Kräfte zwischen den
Kernen und Elektronen in Betracht gezogen, während das
d 1
Verhältnis - nach (!') überall durch ersetzt wurde.
« V‘S
Drittens haben wir noch die äußeren Kräfte F anzugeben.
Im Wasserstofifgas werden Moleküle mit allen möglichen
Orientierungen vorhanden sein; führen wir noch in der Be-
wegungsebene der Elektronen die rechtwinkeligen Kooidinaten
X, y ein, dann sind im allgemeinen sowohl x, als y, als z
8
P. Debye
Komponenten der anregenden Kräfte vorhanden. Die wesent-
liche Einwirkung auf das Wasserstoflfsystem wird von der
elektrischen Feldstärke der durch das Gas hindurchgehenden
Welle herrühren; wir setzen ihre rechtwinkeligen Komponenten:
(9) (Sx = Pe'®', (äy = dz — Pe*®',
sodaß s die Frequenz (Schwingungszahl in 2 n sec.) der ein-
fallenden Welle bedeutet.
Da die Größen P, Q, R ebenfalls als von erster Ordnung
klein anzusehen sind, kann bei der Berechnung der Kraftkom-
ponenten Fri Fzo die Bewegung als ungestört ange-
nommen werden. Dann erhält man:
(10)
Ffi = — e(@j cos (a -j- oj ^) -}- (5j,sin(a -j- cot)),
Ppi = — e(— Sxsin (a -f- co 0 + <5.-/ cos (a co 0),
Fz\ = — sdz,
Pr2 = + £ (®x cos (a 4- ^) -|- (5^ sin (a 4- w t)) ,
F^2— + £ ( — sio (a 4" m ^) 4“ cos (a 4* t)) ,
Fi2 = — £ be-
setzt man schließlich:
P-\-iQ=p und P — iQ — <1,
dann kann statt dessen mit Rücksicht auf (9) auch geschrieben
werden :
(10')
Fr^ =
di
F^\
Fz\ = — ePe'^4
Fri
Pp 2
P.2
di
di
= — E Re'
ist
Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
9
Um nun die gesuchten Bewegungsgleichungen zu erhalten,
haben wir nur noch nötig die in (7), (8) und (10') enthaltenen
Angaben zu verwerten und im übrigen nach (6) auch sonst
überall Z.^ anstelle von C2 einzuführen. So
entstehen schließlich die 12 Gleichungen in folgender Form:
(11)
0} dt a
1 ^ ^
<p
(JO dt '
(o dt a
juaco'
'F R
1 0 ZIl
■f “ ^ ’
Z._
fl aco'
l d R^
o) dt a
1 ^ ^
oodt 2
1 d
(JO dt a
fiaoi'
0^2
7“ «’
z,
fiaoi'
\ d _ 21K3 — 8 R^
R.
(odtfiaoo 4(3K3 — 1) « 3K3 — 1 «
W
-2-^ +
f 2 fl a (JO
1 d P, 21K3 — 8 Po
p.
(odtfiao) 4(3K3 — 1) « 31^3 — 1 «
P e
-2-^ — 2 ,
1 d P,
1
(110
(odt f 2(3K3--1)
{^g<a g«(s-)-fu)< iagi(s— co)< J.
1
_|
2 fiaco '^
1 d !P
(»dt f 2(3K3 — 1)
(^2 — ^1)
i £
— ^ {ffe>«e<(s-l-<«)<_ „e-.ae.'(s-ft>)n
1 d Z,
^K3 — 2_Z,
(odtfiaoo 4(3K3 — 1) « 2(3K3 — 1)
flau)
1 Z
äPe'®',
^ _ 3K3 — 2 Z,
(odtfiaoo 4(3K3 — 1)« 2(3K3 — 1)«
+ - - 2Pe-^
ua(jo^
10
P. Debye
Die Gleichungen sind linear und so geschrieben, daß die
jl Z P W 2.
Variabelen — ~ , alle dimensions-
a * a fiaco f fxaco
los sind. An (11) und (11') haben wir die folgenden Erörte-
rungen anzuknüpfen.
§ 2. Das elektrische Moment eines Wasserstoff-Moleküls.
Zur beabsichtigten Berechnung der Dispersion brauchen
wir vor allem das elektrische Moment, welches unser System
unter Einwirkung der elektrischen Kraft der erregenden Welle
annimmt. Nennen wir die drei Komponenten dieses Momentes
9)?^, dann ist, wie leicht ersichtlich:
(12)
= — e (»’j cos cos 9?^)
‘SJly = — e (rj sin sin cp^)
aw* = — « (^, + ^2)-
Substituiert man nun für die Variabelen r, ihre
Darstellungen (6) und entwickelt nach Potenzen der kleinen
Größen Z^, dann wird ;
(12')
9)?a; = — ea
— cos(cü^-l-a) — (CPj — +
(X
2)?^ = — ea
^ ^^^sin(<ü^-t-a) + (^1 — a)
a
Die Größen i?, Z.^ brauchen also nicht einzeln be-
stimmt zu werden; es genügen vielmehr die Differentialglei-
chungen für die 6 Differenzen resp. Summen:
(1)
Z,^Z, l\-P,
uaa)
•P. - P,
f
Z. + Z2
fl a CO
zu behandeln. Dieselben lauten nach (11) resp. (11):
Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
11
(13)
1 d — R^ P, — Pg
CO di (t
1 d
fjiao}
W —W
(<P —(p'\ = — 1
mdr ^ f
2 -^1 -^2
1 — P2 _ 21K3 — 12 P, — Pa
coc?< liaoi 4 (3 1/^3 — 1)
gta g*(s-f-<«)< pß-ia ßi(s —to^r^
W —W E
— 2 ‘ ^
f juaco“
1
1 d P,
CO /'
3K3 — 1
+
« e
fi,ao}‘
6* ^ ^ jp 6 — * ** 6* ^ J
(130
]_ ^ 0~ ^2 _ ~H ^2
CO cZ ^ a fxao)
1 Z, + Z., _ 3K3
coc^^ /caco ~ 4(3K3 — 1) ® /caco®
Pe'®'.
Im übrigen können, wie (13) und (130 zeigen, die Be-
wegungen in der r — 95-Ebene und senkrecht dazu unabhängig
voneinander behandelt werden.
Achtet man in (13) nur auf die Teile der äußeren An-
regung, welche proportional e‘is+")^ sind, dann kann man z. B.
den Ansatz:
(14)
^ ~ J^ei(s-|-Cü)<
a ’
P — P
juao)
/■
(7gi(s + a>)<^
JJ f,i (s + (ü)i
machen. Für die verfügbaren Konstanten Ä, P, C, D erhält
man dann nach Einsetzen in (13) die Bestimmungsgleichungen:
12
P. Debye
(15)
ii±!ÜA = C.
CO
.s-\- 0)^ 21V3—12 , ^ , f
i C — —T^ A — 2 D -] ,, q e'
(o n /lacü^
4(3K3 — 1)
. s 4" tt)
0)
. s 4- fo _
I D =
CO
B = D-2A,
— i B+i "-(ze*
3K3-1
Hieraus folgen für A und B allein die Gleichungen;
)
2i^-±^A +
CO
s co'^
3K3 - 1
/t a CO
e
qe'
B = i .qe'",
u aco^
aus welchen A sich bestimmt zu :
(16) A = -qe'
iiaco^
H)'
sVs
3K3-1
V 0)J 4(3V3-1)\ W
s\2 27K3-4 ’
4(3K3-1)"
während für B folgt:
(16') B = i qe'
fiaco^
(-:y-
_15K3
4(31/3-1)
2lV/3-8A^sy 27K3-4
\ 4(3l/3-l)\
4(3l/3-l)\ W 4(3K3-1)2
Achtet man nun zweitens auf die in (13) mit g*
multiplizierten Glieder, dann kann ähnlich wie oben der
Ansatz:
(17)
7? R P p
ZIL _ 2 — ZI A? — (J‘f,Hs-(a)t
a ’ // a CO '
q>^ _ cp^ = l/'e'C*-'»)',
Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
13
gemacht werden, und man findet für Ä‘ und die Formeln:
(18) A‘ =
E \ 3]/3 — 1
/ sy 211/3 — 8 r sV 27j/3 — 4 ’
V W 4(3/3— 1)V <«/ 4 (3/3 -1)2
(180
juaco
,pe-
B' =
(2 - iV + _
V 4(3/3 — 1)
r sy 21/3— 8 A sy 27/3—4
V 4(31/3— 1)\ W 4(3/3— 1)2
Es gehen also Ä‘ und B‘ aus A und B hervor, indem
anstelle von s und i: — s und — i gesetzt wird.
Damit sind die Störungen in der Kreisebene berechnet.
Setzt man für die senkrechten Komponenten:
(19)
a
^
fxao)
dann folgt leicht aus (130:
(20)
G = 2
juaco^
(ü‘
1
3/3
4(3/3 — 1)
Zur Berechnung des gesuchten, durch das äußere Feld
hervorgerufenen elektrischen Moments erübrigt es nur noch,
die in (14), (17) und (19) angegebenen Werte von * —
^ mittels (16) und (160, (18) und (180
(X/
resp. (20) in bekannte Größen auszudrücken und in (120
zusetzen. So erhält man schließlich explicite:
14
P. Debye
m.= -
^2gist
jJ.CO^
c OS (cü ^ + a ) e' ^ 2
3l/'3
3V3-1
V (^) 4(3l/3-l)\ W
4(31/3-1)2
(21)
+ cos(a)^ + a)e
- i sin (oj / + a) e' q
sy_jv^_
o)) 31/3-1
/ sY 271/3-4
\ ~o)) 4(31/3-1)1 W 4(31/3-1]
4(31/3-1)2
+
151/3
4(31/3-1)
sV 211/3-8 271/3-4
4(3l/3-l)V 4(31/3-1)2
151/3
+ i sin (£o^ + a)e
+
4(31/3-1)
1 —
sV 21l/3-~8/'^_sY_ 2^3-4
my = -
£3g,s<
jUCO^
sin ((ü^Pa)e’ 2
W ~4(3l/3-l)V 4(31/3-1)2
31/3
31/3-1
+ sin (cd ^ + a) * ^" <+«l^
(i;£y_ii](!^(i^£)’-
V W 4(3|,/3-l)V
271/3-4
4(31/3-1)2
31/ 3_
31/3-1
/ sV 211/3-8/ gV 271/3-4
V'coj 4(31/3-1)\ "/ 4(31/3-1)2
(21') +icos(cü^+a)e'^"‘+“^2
151/3
4(31/3-1)
s\* 211/3-8 /^^_j.sY_^iy3-4^
4(9l/3-l)\ "/ 4(31/3-1)2
— icos(a)^+a)e
(üj
+
15>^3
4^31/3-1)
/ s Y^ 211/3-8 ^27^3-4
~4(3l/3“-l)V
4(31/3 -1)V" W 4(31/3-1)2
Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
15
(21") m, = —2
fl tü^
4(31/3 — 1)
wobei nach § 1 :
p = P-\-iQ und q=P — iQ
gesetzt ist, während nach (9) die Größen P, Q, R die Ampli-
tuden der rechtwinkligen elektrischen Kraftkomponenten der
einfallenden Welle bedeuten.
§ 3. Der Brechungsexponent des H^-Gases.
Bekanntlich besteht (auf Grund der Maxwellschen Glei-
chungen) ein einfacher Zusammenhang zwischen dem Brechungs-
exponenten n und dem Verhältnis des elektrischen Momentes
eines cm^ der betreffenden Substanz zur anregenden elektri-
schen Kraft. Ist letztere gleich und hat man gefunden,
daß das Moment eines cm® in Richtung von P gerichtet ist
und sich in der Form j'Pe‘®^ ausdrücken läßt, dann ist®):
— 1 = 4 TZ y .
(22)
Wie die oben unter (21), (21') und (21") angegebenen
Werte für die Komponenten von ÜK zeigen, ist für das Einzel-
molekül keineswegs Moment und erregende Feldstärke gleich
gerichtet. Nun kommen aber auf 1 cm® sehr viel Moleküle,
die erstens alle möglichen Anfangsphasen a entsprechen, wäh-
rend zweitens auch ihre Orientierung gegenüber der erregenden
Feldstärke ganz regellos ist.
Nehmen wir nun für ein beliebig orientiertes Molekül
mit beliebiger Anfangsphase die Komponente seines Momentes
in Richtung der erregenden Kraft und mittein dieselbe über
1) Wir sehen von der Lorentzschen Zusatzkraft ab, da n nur sehr
wenig (etwa 1.10“'*} von 1 verschieden ist. Wollte man das nicht tun,
fl2 j
dann hätte man in (22) anstelle von n* — 1 den Ausdruck 3 — zu
«'4-2
substituieren.
16
P. Debye
alle möglichen Werte von a und alle möglichen Orientierungen,
dann erhalten wir das, was wir das mittlere beobachtbare
Moment m eines Moleküls nennen wollen. Ist die Anzahl der
Moleküle im cm® gleich W, dann wird:
(23) y = Nm
und damit:
(24)
w® — 1
Ati N
ni,
sodali die Aufgabe auf diese Mittelung von m hinausläuft.
Führen wir zunächst die Mittelung nach a aus, dann er-
halten wir aus (21) und (21'):
oisi
U(X>
(25)
{P+iQ)
+
3T/3
8(31/3-1)
211/3-8/, s\* 271/3-4
1-- -
(3l/3-l)V ojj 4(31/3-1)2
31/3
HP-iQi)-
H)
8(31/3-1)
fl+iV 211/3-8 A ^ sV 271/3-4
\ 4(3l/3-l)V
4(31/3-1)2 J
my =
(25')
oist
,UCÜ‘
i-iP+Q)
H)
+
31/3
8(31/3-1)
s\* 211/3-8/, 5\2 271/3-4
1-
0)
1--
4(3l/3-l)V W 4(31/3-1)2
31/3
+ {iP+ (/)
+
8(31/3-1)
211/3-8 /, , s\2 271/3-4
4(31/3-1)2
V W 4(3l/3-l)\ W
Jetzt soll die Mittelung über alle möglichen Orientierungen
des Moleküls folgen. Statt dessen können wir natürlich auch
die erregende Kraft nacheinander alle möglichen Richtungen
Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
17
im Raume einnehmen lassen, während das Molekül, d. h. die
mit demselben verbundenen, schon früher eingeführten x, y,
.^-Achsen unverändert liegen bleiben. Definiert man die Rich-
tung der elektrischen Kraft E durch Angabe des Polabstandes
und der geographischen Länge X auf einer Einheitskugel um
den Nullpunkt des x, y, .^-Koordinatensystems, dann wird:
(26) P = Esin &cos?., 0 = iJsin ö sin A, R = Ecosd .
Andererseits wird die Komponente des elektrischen Mo-
ments in Richtung von E gleich:
(27) ^isini^cosA -f- 30?^sin sin A -|- 9)Lcosi?;
die Mittelung ist also so auszuführen, daß in (25), (25') und
(21") für P, Q, R die in (26) angegebenen Ausdrücke sub-
stituiert werden, daß dann der Ausdruck (27) gebildet wird
und schließlich mit dem Flächenelement:
sin d dd dl
der Einheitskugel multipliziert, nach A zwischen 0 und 2 Ji,
nach & zwischen o und integriert und endlich durch die
Oberfläche der Einheitskugel in dividiert wird.
So erhält man nach einfacher Rechnung das gesuchte
mittlere beobachtbare Moment eines Moleküls zu:
2 £2
m - - ^
6fia>‘
(28)
31/3
8(31/3-1)
211/3-8 sy 271/3-4
4(3l/3-l)V 4(31/3-1)2
+
31/3
8(31/3-1)
211/3-8 R ^ sV 271/3-4
4(3l/3-l)V 4(31/3-1)2
1
.s2 31/3 ~
4(31/3-1)-
und damit ist nach (22) und (23) auch die Dispersionsformel
fertig. Sie lautet:
Sitzungsb. d. math.-phys. Kl. Jabrg. 1915. 2
18
P. Debye
(29)
n*-l
4:iN
S/uu>^
+ -
31/3
8(31/3-1)
L\ (oj 4(31/3-1)V W
4(31/3-1)'
31/3
^'^co) '^8(31/3-1)
\ W 4(31/3 -1)V "7
+-
271/3-4 s'
271/3-4
4(31^3-1)^^
J
31/3
4(3l/3-l)V‘ ' 4(31/2-1)^ 4(31/3-1)
und gibt n als Funktion der Frequenz s. 8ie enthält nur
zwei verfügbare Konstanten, nämlich
a) die multiplikative Konstante:
8 71 Ne^
3 fl (ü^
b) die vorläufig noch nicht näher festgesetzte Winkel-
geschwindigkeit :
CO.
§ 4. Diskussion der Dispersionsformel. Vergleich mit der Erfahrung.
Um die Formel (29) besser zu übersehen, kann man ver-
suchen, dieselbe in die Form der in der gewöhnlichen Theorie
vorkommenden Ausdrücke zu bringen. Dazu hat man eine
Partialbruchzerlegung vorzunehmen, deren Einzelnheiten ich
übergehe und deren Resultat folgendermaßen aussieht:
(30)
w“* — 1 _
-
2,97429
2,15347
AtiN flCO^
1 -
-i " V
i-f- ^
VO, 556397 cü^
V0,412375coy
+
0,0276447
0,246581 -1-0,579918
o-a
-(tlTÄc:)' «»».(i-;)’
0,246581 -f- 0,579918 (l -|- ^
+
0,304388 -h
Die Konstitution des Wasserstoft’-Moleküls.
10
Die in der Klammer angegebenen Zahlen lassen sich alle
mittels Wurzelzeichen und ganzen Zahlen darstellen; es schien
uns aber übersichtlicher und für den direkten Gebrauch be-
quemer, die Wurzelformen auszu werten, wie es oben geschehen
ist. Die ersten drei Glieder entsprechen wenigstens durch den
Bau ihres Nenners den bekannten Teilbrüchen der üblichen
Dispersionsformeln. Sie geben drei Eigenschwingungen des
Ä2"^ol^küls an; bei
s = 0,412375 co; s = 0,556397 co; .s = 2,412375 cu.
Die ersten zwei liegen verhältnismäßig nahe zusammen;
die dritte liegt viel weiter entfernt. Die Zähler der betrachteten
Glieder lassen sich allerdings nur dann in die übliche Theorie
hineinzwingen, wenn man, wie leicht ersichtlich, gebrochene
Zahlen für die , Anzahl der Dispersionselektronen“ zuläßt.
Die zwei letzten Glieder des Ausdrucks (30) schließlich
haben einen ganz anderen Bau, als man nach der üblichen
Theorie erwarten kann. Daß dieselben im leicht erreichbaren
optischen Gebiet einen recht merklichen Einfluß ausüben, wird
sich unten ergeben. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht,
daß John Koch,^) dessen Beobachtungen an weit in das
Ultraviolet hineinreichen, schon aus rein praktischen Gründen
auf ein einigermaßen ähnlich gebautes (nirgends unendlich
werdendes) Zusatzglied zur üblichen Dispersionsformel geführt
wurde.
An dieser Stelle wollen wir es unterlassen, die Formel (30)
in ihrem vollen Umfange mit den Beobachtungen über die
Dispersion des Wasserstoffs zu vergleichen. Bekanntlich ge-
nügt nämlich in einem ausgedehnten Gebiet des Spektrums
eine beim ersten Gliede abgebrochene Potenzentwicklung in
— schon verhältnismäßig hohen Ansprüchen.
Wir wollen deshalb noch die beiden Zahlenfaktoren dieser
Entwicklung angeben, wie dieselben auf Grund von (30) er-
*) Arkiv för Matematik, Astronomi och Fysik, Bd. 8, Nr. 20, 1912.
20
P. Deliye
halten werden können, und dann diese Entwicklung mit der
entsprechenden erfahrungsmäßigen Formel vergleichen.
Ersetzt man in (30) noch — 1 durch 2 (n — 1), dann
findet man nach leichter Rechnung für die erwähnte Entwick-
lung folgende Form:
1 = 2.-TiY
II w
2,97429-1-17,49041
iO
«2
-1- 2,15347+ 6,95938
0)
+ 0,02764+ 0,00475
0)
+ 0,63363 + 0,32219 + 0,52695
0)
«2
+ 0,63363+ 0,32219-^—0,52695
CO
S ■
CO
s
coj
oder zusammengefaßt:
(31)
n — 1 = 2 Y
/C CO
6,42266 + 25,0989
CO
Die vorletzte Formel soll nur zur Darstellung bringen,
in welchem Maße die einzelnen Glieder von (30) zum Gesamt-
resultat beitragen, nur Gleichung (31) wird im folgenden be-
nutzt.
Von John Koch wird das Resultat seiner Me.ssungen an
Wasserstoff“ u. a. dargestellt durch die Formel:
2n^ + 2
3w"-l
= 7348,11 — 55,7465.10-8
0,069955.10-'6;i-+
wobei die Wellenlänge / in cm gemessen ist.
Auf n — 1 umgerechnet ergibt das unter Einführung der
Frequenz s anstelle von / für die ersten beiden Glieder der
Entwicklung folgendes:
(32) n — \ = 1,36092.10-* + 2,90777.10-»^
Soll nun unsre theoretische Formel (31) dem praktischen
Resultat (32) entsprechen, dann muß
Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
21
a) ^ 6,42266 = l,36092.1Ü-^
,U Ui
b)
sein.
2 71 Ne- 25,0989
fl (N (üi^
2,90777.10-3'
Durch Division dieser beiden Formeln folgt erstens
6,42266 , 1,36092.10-“^
25,0989" ” 2,90777.10-”’
CO = 4,214.10‘6 ^ ;
Andererseits berechnet sich
AV
zu:
Ne^
5,987.10”
sec
Es erhebt sich nun die Frage, ob die beiden für
NJ
und 0) auf Grund unsrer Theorie berechneten Werte mit den
sonst bekannten Werten übereinstimmen, resp. inwiefern die
Winkelgeschwindigkeit co, wie in der Einleitung behauptet,
m.it dem Planckschen Wirkungsquantum h zusammenhängt.
Zunächst die Zahl für .
fl
Das Produkt Ne läßt sich
ohne weiteres aus der elektrolytischen Ladung E = 96472 Cou-
lomb eines Grammatoms, dem Atomgewicht A = 1,008 des
Wasserstoffs und der Dichte d = 8,985.10-° dieses Gases be-
rechnen nach der Formel:
Ne
1,289.1010
Z A o
in elektrostatischen Einheiten. Mit Rücksicht hierauf bedeutet
die aus der beobachteten Dispersion auf Grund unsrer Theorie
gefundene Zahl, daß danach :
22
P. Debye
— = 4,64.10'-
U
sein sollte.
Zur Beurteilung der experimentellen Sicherheit, welche
den Zahlen zu gründe liegt, sei bemerkt, daß nach Beobach-
tungen von C. und M. Cuthberson') :
n - 1 = 1,362.10-^ -H 2,780.10-3' s*
ist. Auf Grund dieser Angaben würde man ähnlich wie
oben:
0) = 4.38.10'6, = 6,48.102'
finden; aus der letzten Zahl ergibt sich:
^ = 5,01.10"
n
Dieses erste Resultat
= 4,64.10" resp. 5,01.10" ist be-
friedigend und spricht durchaus zugunsten des Modells. Es
scheint mir indessen wahrscheinlich , daß eine etwas weiter
ausgearbeitete Theorie, welche auf die durch die einfallende
Welle verursachte Bewegung der Kerne, sowie auf die Ro-
tation der WasserstolFmoleküle infolge ihrer Wärmebewegung
Rücksicht nimmt (vgl. darüber noch, den letzten §), zu noch
besseren Resultaten führen wird. Es erübrigt noch, den Zahlen-
wert von CO einer Diskussion zu unterwerfen.
Im Sinne der Quantentheorie wollen wir versuchen, co
dadurch zu bestimmen, daß wir das Impulsmoraent eines Elek-
trons gleich einem Vielfachen s von h setzen. Dann haben
wir erstens:
(33) « CO = sie.
Andererseits fanden wir schon früher als Gleichgewichts-
bedingung des Modells (Gleichung (2')):
') Proc. Royal Soc. 83, S. 151, 1910.
Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
23
(34)
fxaco^
31/3 — 1
4
Durch Elimination von a folgt aus diesen beiden Glei-
chungen :
/31/3 — 1\" £V
" ~ l, 4 j
Nimmt man nun für (o den aus den Kochschen Beobach-
tungen gefolgerten Wert, setzt s — 4,69.10~’°, ^ = 5,28.10'^
und h = 6,55.10~^/ dann folgt:
d. h.
=
1
252’
2 =
Jl
p2'
Will man im Einklang bleiben mit den in der Einleitung
genannten theoretischen Ansichten über die Einführung der
Quanten bei der Rotationsbewegung, dann hat man zu setzen:
2 =
2 71
Tatsächlich verlangen, wie man sieht, die Beobachtungen
über die Dispersion genau dasselbe. Wir werden also mit
vollem Vertrauen als Schlußstein zu unsrem Modell die Quanten-
forderung hinzufügen können:
Impulsmoment =
Das Wasserstoffmolekül besteht also aus zwei Kernen von
der Masse 1,64.10“^'* g je mit einer positiven Einheitsladung
im Abstande 2d = 0,604.10“® cm, während noch dazu in einer
Ebene senkrecht zur Verbindungslinie der Kerne um den Durch-
stoßungspunkt jener Linie mit der Ebene zwei Elektronen
24
1’. Debye
rotieren auf einem Kreis mit dem Durchmesser^) 2a = l,05.10~''cm.
Das Impulsmoment jedes dieser Elektronen hat den Wert
= 1,06.1 0~^' g cm^ sec~' , entsprechend einer Winkelge-
2 71
schwindigkeit co = 4,21.10'® sec“'.
§ 5. Schlussbemerkungen.
Der Erfolg des in den vorangehenden §§ mit Rücksicht
auf die Dispersion durchdiskutierten Modells ist wohl unbe-
streitbar. Es muß deshalb als nächste Aufgabe angesehen
werden, die Rechnungen für möglichst viele Erscheinungs-
gebiete durchzuführen, zunächst möglichst in Anlehnung an
die gewöhnliche Mechanik. Freilich darf man hoffen, dabei
gelegentlich in Widersprüche mit dem Experiment verwickelt
zu werden und eben dadurch die eine oder andere wertvolle
Beleuchtung der Natur des Wirkungsquantums zu gewinnen.
Als erstes drängt sich uns die Tatsache auf, daß das Träg-
heitsmoment des um eine Achse in der Elektronen-
ebene nach den Angaben am Ende des vorigen § einen Wert
(1,1 9.10“^® g cm^) hat, welcher der Größenordnung nach der
Quantenauffassung der Euckenschen Messungen über die spe-
zifische Wärme des Wasserstoffs entspricht.
Allerdings kann das Trägheitsmoment nicht konstant sein,
es muß sich bei Erhöhung der Temperatur auf Grund des
Modells vergrößern. Man berechnet indessen leicht, daß diese
Änderungen nur verhältnismäßig gering sind. Rotiert näm-
lich bei T = 300 z. B. das ATg-Molekül um eine Achse senk-
recht zur Verbindungslinie der Kerne mit einer Rotations-
0 Der Kreisradius a wurde nach der aus (33) und (34) mit z = ■--
7t
folgenden Formel:
. = 2(3|/3
a
berechnet, während d = —7- gesetzt ist.
1 3
Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
or.
geschwindigkeit, welche dem Aquipartitionsgesetz entspricht,
dann ist die auf einen der Kerne infolgedessen wirkende Zentri-
fugalkraft gleich 1,34.10“^ dynen. Dagegen ist die zum Mittel-
punkt hin gerichtete elektrostatische Anziehung, welche dann
auftritt, wenn der Kernabstand d um AfZ vergrößert wird,
während der Elektronenradius konstant gehalten wird, gleich:
^ 1/3 ^ = 0,024 . -
1 6 a a a
Infolge der durch die Wärmebewegung verursachten Ro-
tation ist deshalb nur eine Streckung in Richtung der Kernachse
von dem Betrage = 5,6.10“* zu erwarten. Das Modell
CL
liefert also zugleich eine Begründung dafür, daß man in einem
großen Temperaturgebiet mit einem sehr nahezu konstanten
Trägheitsmoment rechnen darf.
Andererseits erscheint es allerdings möglich, die durch
die Temperaturrotation verursachte Streckung, durch genaue
Beobachtungen über den Temperaturkoeffizienten des Brechungs-
exponenten experimentell festzustellen. Man müßte dazu fest-
stellen, daß auch bei konstanter Dichte n nicht vollständig
von der Temperatur unabhängig ist. Beobachtungen in dieser
Richtung sind mir nicht bekannt.
Eine andere Anwendung wäre die Berechnung der Per-
meabilität des üg'Giases für ein magnetisches Feld, die beson-
ders auch mit Rücksicht auf den Zeeman-Effekt von Inter-
esse ist.
Dann ist auch die Theorie der Zustandsgleichung und
daran anschließend die Berechnung der mit der Größe der
freien Weglänge in direktem Zusammenhang stehenden Er-
scheinungen der Wärmeleitfähigkeit und der inneren Reibung
in Betracht zu ziehen. Man wird eben mit Recht verlangen
können, daß das Modell auch die sonst ganz unbekannten
Kräfte zwischen den Einzelmolekülen richtig darzustellen ver-
mag. Man kann das Resultat der entsprechenden Rechnung
z. B. folgendermaßen ausdrücken: ,Es ist möglich, die innere
26
P. Debye, Die Konstitution des Wasserstoff-Moleküls.
Reibung des Wasserstoffs im voraus zu berechnen ausschließlich
aus den vier universellen Konstanten e, ju, h und Je.“
Schließlich wird man versuchen müssen, auch wenigstens
für die näch.stfolgenden Elemente des periodischen Systems
ähnlich detaillierte Vorstellungen über den Atomaufbau zu
gewinnen. Das nächstliegende Modell, das man z. B. für He-
lium konstruieren würde: ein doppelt positiv geladener Kern,
um den in einer Ebene zwei Elektronen kreisen, entspricht,
wie ich mich überzeugte, nicht den zu stellenden Anforderungen.
Man findet z. B. für den Brechungsexponenten eine Formel,
ß
deren Entwicklung nach Potenzen von die Form hat:
(O
w' — 1 _ 77 c“ r 6069 s*-
4:7iN 4: jUCO^ 88 CO* ’
Man überzeugt sich leicht, daß dieselbe nicht mit den
Experimenten über die Dispersion des Heliums in Einklang
zu bringen ist. Das Modell für Helium bleibt also noch auf-
zufinden. Daß man aber auch hier wie überall inneratomisti-
sche , Planetensysteme“ wird zugrunde legen müssen, scheint
mir wenigstens äußerst wahrscheinlich.
Göttingen-München, 6. Januar 1915.
27
Über eine charakteristische Eigenschaft sogenannter
Treppenpolygone und deren Anwendung auf einen
Fundamentalsatz der Funktionentheorie.
Von Alfred Pringsheim.
Vorgetragen in der Sitzung am 9. Januar 1915.
Ein von Weierstraß herrührender, für die Theorie der
analytischen Funktionen grundlegender Satz besagt folgendes:
Wenn ein Funktions-Element sich auf jedem innerhalb eines
einfach zusammenhängenden Bereiches B verlaufenden Wege
analytisch fortsetzen läßt, so sind jene Fortsetzungen vom Wege
unabhängig, und es definiert jenes Funktions-Element mit seinen
Fortsetzungen eine im Innern von B eindeutige analytische
Funktion regulären Verhaltens.
Der Beweis dieses Satzes bietet keine besondere Schwierig-
keit, falls man sich dabei auf Bereiche einfacher Art beschränkt,
etwa solche, die von konvexen Polygonen oder einfach ge-
schlossenen konvexen Kurven begrenzt sind, wird indessen selbst
bei dieser Beschränkung in den mir bekannten Lehrbüchern
in nicht völlig befriedigender Weise dargestellt. Recht [ver-
wickelt und wenig durchsichtig gestaltet sich aber der frag-
liche Beweis für den Fall, daß man einfach zusammenhängende
Bereiche allgemeinster Art dabei ins Auge faßt, selbst wenn
man in Bezug auf die besondere Struktur der Begrenzung
noch gewisse (für die Tragweite des Beweises tatsächlich ziem-
lich unwesentliche) Beschränkungen einführt, etwa daß dieselbe
nicht aus beliebigen stetigen, sondern aus abteilungsweise mono-
28
A. Pringsheim
tonen oder sogenannten regulären Kurvenstücken bestehen solle,
und wenn man auch bezüglich der Wege, welche für die
analytische Fortsetzung benützt werden sollen, die analogen
Einschränkungen macht ^). Bei der grundlegenden Wichtigkeit
des fraglichen Satzes hielt ich es nach alledem für wünschens-
wert, für denselben einen wirklich elementaren, auch dem An-
fänger in allen Einzelheiten verständlichen und überzeugend
erscheinenden Beweis zu suchen, der von vornherein auf einer
anderen Methode beruht, als die bisher gegebenen Beweise.
Während diese nämlich stets direkt darauf ausgehen, die ver-
schiedenen Wege -Möglichkeiten durch sukzessive Reduktionen
als äquivalent zu erweisen, glaubte ich das fragliche Ziel weit
einfacher und durchsichtiger auf andere Weise zu erreichen,
indem ich zeige, dah nach Einführung einer passenden Ge-
bietseinteilung der gesamte Bereich systematisch mit einem
Netz ineinander greifender Potenzreihen überzogen werden kann,
welche eine eindeutige analytische Funktion erzeugen und
somit ohne weiteres deren analytische Fortsetzung innerhalb
jenes Bereiches von dem dabei benützten Wege vollständig
unabhängig erscheinen lassen. Dabei beschränke ich mich auf
diejenige Begrenzungsform, für die ich bei früherer Gelegen-
heit^) die Bezeichnung „Treppenpolygon“ eingeführt habe:
in der Tat erweist sich diese Annahme für ziemlich weitgehende
funktionentheoretische Ansprüche als völlig ausreichend, da sich
Begrenzungen sehr allgemeiner Natur durch Treppenpolygone
beliebig approximieren lassen^). Die oben erwähnte Gebiets-
einteilung läuft alsdann auf eine Zerlegung in Rechtecke
hinaus, deren charakteristische Eigenschaft darin besteht, dah
bei einer besonderen Anordnung bzw. Numerierung, wobei zu-
') S. z. B. Stolz-Gineiner, Einleitung in die Funktionentheorie,
I (1904), p. 116; II (1905), p. 320- Vgl. auch W. F. Osgood; On a gap
in the ordinary presentation of Weierstraß’s theory of functions. Bull, of
the American Math. Soc. (2), X (1904), p. 294.
Dieser Berichte Bd. 25 (1895), p. 56.
^) S. z. B. Burkhardt, Einführung in die Theorie der analytischen
Funktionen. Dritte Aufl. (1908), p. 90, 102.
Treppenpolygone und deren funktionentheoretische Anwendung. 29
nächst ein bestimmtes Rechteck als erstes fixiert wird, jedes
folgende mit einem vorangehenden nur längs einer Seite zu-
sammenhängt. Der Nachweis einer solchen Zerlegbarkeit ist
das Hauptziel der folgenden Untersuchung. Wenn dieser Nach-
weis trotz seiner prinzipiellen Einfachheit in der vorliegenden
Darstellung etwas lang und umständlich erscheinen mag, so
rührt das lediglich davon her, daß ich es für zweckmäßig hielt,
den ganzen Gegenstand von Grund aus im Zusammenhänge zu
entwickeln und dabei so gut wie gar nichts vorauszusetzen.
Diese Entwickelungen bilden den Inhalt der beiden ersten Para-
graphen, während der dritte die Anwendung des gewonnenen
Ergebnisses auf den Beweis des erwähnten Weierstraßschen
Satzes enthält.
§ 1.
Treppenwege.
1. Unter einem (sc. endlichen) Treppenwege verstehen
wir eine gebrochene Linie, die aus einer endlichen Anzahl paar-
weise rechtwinklig aneinander stoßender, jedoch keinen wei-
teren Punkt gemein habender Strecken besteht. Diese letz-
teren, die man ohne Beschränkung der Allgemeinheit als ab-
wechselnd horizontal und vertikal annehmen kann, sollen als
Seiten, die Punkte, in denen zwei Seiten zusammenstoßen,
als Ecken des Treppenweges bezeichnet werden.
Bezieht man die Punkte des Treppenweges auf ein recht-
winkliges, zu den Seiten parallel gestelltes Koordinatensystem
und bedient sich der Schreibweise {Xy ... x .. . a;,.+i) bzw.
{x/y ... y .. . ^v+i), um auszudrücken, daß x bzw. y beständig
wachsend oder abnehmend das Intervall {Xy, Xyj^\) bzw.
{yy, «/y+i) durchläuft, so läßt sich, falls man etwa den Treppen-
weg mit einer Horizontalen beginnen und mit einer Vertikalen
endigen läßt, die Gesamtheit seiner Punkte in folgender Weise
anschreiben :
30
A. Pringsheim
(1)
... X ...
X = x^
X^ ... X ... x.^
X = x^
y = !h
i/o • • • y • • • 2/i
y = y.
Ul - ■ - y ■■ ■ y-i
x^i _ 1 , . . ^ . Xfi y — = _ I
OC Xn yn~\ . . . 2/ • • • 2/«
Bedeutet {x‘, y‘) irgend einen Punkt des Treppenweges,
so kann für die übrigen Punkte zwar x noch beliebig oft den
Wert x\ ebenso y den Wert y‘ annehmen, dagegen kann das
Wertepaar {x‘, y‘) kein zweites Mal Vorkommen.
2. Die Ecken, welche bei Treppenwegen auftreten, lassen
sich zunächst nach dem folgenden rein geometrischen Gesichts-
I)unkte in zwei verschiedene Gruppen teilen. Durchläuft man
den Treppenweg von einem beliebig gewählten der beiden
äußersten Punkte anfangend, also in einem nach getroffener
Wahl nunmehr eindeutig bestimmten Fortschreitungssinne, so
sollen die einzelnen Ecken als solche erster oder zweiter Art
bezeichnet wei'den, je nachdem man bei ihrer Umlaufung den
Winkel von 90° (s. Fig. I) oder denjenigen von 270° (s. Fig. II)
zur Linken hat. Diese Bezeichnungen sind offenbar lediglich
relative, jede derselben geht in die andere über, wenn man
die Durchlaufung des Treppenweges in entgegengesetztem Sinne
ausführt.
I II
■^3 -A2 -B4
I
! Ai I Bi
I '
A4 — JI3 1 I B2
Um die obige zunächst rein geometrisch definierte Ein-
teilung auch arithmetisch zu charakterisieren, bemerke man
folgendes. Eine Ecke entsteht beim Übergange von der hori-
zontalen, also 2;- Richtung in die vertikale, also ^-Richtung
oder umgekehrt: hiernach wollen wir die Ecken im ersten Falle
als a:«/-Übergänge, im zweiten als ya;-Übergänge bezeichnen.
Treppenpolygone und deren funktionentheoretische Anwendung. 31
Andererseits können sich in der Nachbarschaft eines solchen
Überganges x und y in gleichem oder in entgegengesetztem
Sinne ändern, und es sollen, je nachdem das eine oder das
andere der Fall ist, die betreffenden Übergänge als gleich-
stimmige oder als ungleichstimmige bezeichnet werden.
Alsdann erkennt man unmittelbar, daß die oben gegebenen
Begriffsbestimmungen auch durch die folgenden ersetzt werden
können :
Ecken \ Gleichstimmige a;^-Übergänge (Fig. I:
erster Art lüngleichstimmige ya;-Übergänge (Fig. I: A^)
Ecken f Ungleichstimmige a:y-Übergänge (Fig. II: B^)
zweiter Art l Gleichstimmige -Übergänge (Fig. II: B^, BJ.
Ecken derselben Art sollen als gleichartig bezeichnet
werden.
3. Andern sich bei Durchlaufung des Treppenweges x und y
durchweg monoton (und zwar gleichgültig, ob in demselben
oder in entgegengesetztem Sinne), so soll der Treppenweg
monoton heißen: er hat dann entweder lauter gleichstimmige
oder lauter ungleichstimmige Ecken, also in beständiger Ab-
wechselung solche erster und zweiter Art, er verläuft „treppen-
förmig“ im gewöhnlichen Sinne.
Ist nun der Treppen weg nicht monoton, so muß wenig-
stens eine der beiden Veränderlichen x und y ein Maximum
oder Minimum aufweisen, so daß also mindestens einmal eine
unmittelbare Aufeinanderfolge einer gleichstimmigen xy-
und einer ungleichstimmigen ya;-Ecke (bzw. yx- und
iC^-Ecke), d. h. zweier gleichartigen Ecken eintritt. Eine
solche Folge zweier gleichartigen Ecken soll schlechthin als
Eckenfolge, ihre Verbindungslinie als Rückkehrseite be-
zeichnet werden.
Es sei C, C‘ eine solche Eckenfolge, und es werde zu-
nächst vorausgesetzt, daß die zu einer dieser beiden Ecken,
etwa die zu C‘ benachbarte Ecke näher an 6" liegt, als
an C die zu C benachbarte Ecke (an deren Stelle eventuell
32
A. Pringsheini
auch einer der Endpunkte des Treppenweges treten darf). Die
zu C benachbarte Ecke ist entweder von anderer oder von
der gleichen Art, wie C, und zwar soll im letzteren Falle
angenommen w'erden, daß dann die nächstfolgende Ecke der
anderen Art angehört. In jedem dieser beiden Fälle wird
eine von der Ecke anderer Art D zur Kückkehrseite CC“ ge-
zogene Parallele die bei G anstoßende Seite in einem Punkte B
treffen (s. Fig. III und IV). Alsdann soll der Linienzug BGC'D
III IV
C --^C C-~ ^ C
Bl _ D B : |c"
bzw. BCG'ü“D ein einfaches Endstück und, falls keine
andei'e Seite des Treppenweges in das Innere des Rechtecks
BGC'D bzw. BCC'C" eintritt oder mit der Geraden BD ein
Stück gemein hat, ein freies (einfaches) Endstück des Treppen-
weges heißen. Man kann dann bei Durchlaufung des Treppen-
weges ohne jede sonstige Abänderung desselben das Wegstück
BCC D bzw. BCC'G“ D ausschalten und durch den kür-
zeren Weg BD ersetzen, eine Operation, für die wir die
Bezeichnung einführen wollen: man könne das freie End-
stück BGC'D bzw. BCC'C"D mit Hülfe des Querschnit-
tes BD von dem Treppenwege abschneiden. Bei dieser
Operation kommen im Falle der Figur III die Ecken C, C' und
die damit ungleichartige Ecke D in Wegfall, während eine
mit den beiden erstgenannten gleichartige Ecke bei B neu
hinzutritt: der Treppenweg verliert also im ganzen ein Paar
ungleichartiger Ecken. Im Falle der Figur IV verschwin-
den die drei gleichartigen Ecken G, C', C" und die damit
ungleichartige D, während andererseits zwei mit jenen
ersteren gleichartige Ecken bei B und D neu hinzukommen:
auch hier geht also genau ein Paar ungleichartiger Ecken
verloren.
Treppenpolygone und deren funktionentheoretiscbe Anwendung. 33
Wir betrachten jetzt zweitens den Fall, dafs ü und C‘ von
ihren benachbarten Ecken gleich weit entfernt sind. Dabei
unterscheiden wir, ob diese benachbarten Ecken mit C und C
beide ungleichartig (s. Fig. V) oder beide gleichartig
(Fig. VII) sind, oder ob die eine mit C, C ungleichartig,
die andere gleichartig ist (Fig. VI); zugleich sollen in den
beiden letzten Fällen die nächstbenachbarten bzw. die nächst-
benachbarte mit C, C‘ ungleichartig sein. Wir bezeichnen
alsdann die Linienzüge i)CC‘D', DC C‘C“D‘, DC^CC'C“!)'
gleichfalls als Endstücke und, falls eine besondere Unter-
scheidung gegenüber den zuvor betrachteten erforderlich sein
sollte, als Doppel- Endstücke (aus einem sogleich verständlich
werdenden Grunde). Offenbar läßt sich jedes dieser drei End-
stücke, wenn es in dem zuvor angegebenen Sinne ein freies
V
C C
D D'
ist, durch den Querschnitt DD‘ abschneiden. Dabei gehen
im Falle der Figur V die beiden Ecken C, C‘ und die damit
ungleichartigen D, D' ohne jeden Ersatz verloren. Im Falle
der Figur VI verschwinden die drei Ecken C, C‘, C“ und die
beiden damit ungleichartigen D, D‘, während bei D' eine
mit den erstgenannten gleichartige neu entsteht. Endlich
im Falle der Figur VII verschwinden die vier Ecken (7j, C,
C‘, C" und die damit ungleichartigen D, D', während zwei
jener ersteren durch entsprechende gleicher Art bei D und D‘
entstehende ersetzt werden. In jedem dieser drei Fälle gehen
also zwei Paare ungleichartiger Ecken verloren. Somit
ergibt sich schließlich :
Wird von einem Treppenwege ein freies End-
stück abgeschnitten, so verliert derselbe ein Paar
oder zwei Paare ungleichartiger Ecken.
Sitzungsb. d. m.ttb.-pbys. Kl. Jahrg. 1915.
VI
c,
VII
D\
\1)
7 C" c,-
D \D
3
34
A. Pringsheini
Im Anschluß an die vorstehenden Figuren möge noch
(NB. nicht als Beweismittel, sondern lediglich zum besseren
Verständnis verschiedener späterhin in Betracht kommender
Möglichkeiten) darauf hingewiesen werden, daß im Falle der
Figur IV auch bei C‘C“ ein freies Endstück entsteht, welches
statt des horizontal abgeschnittenen durch einen vertikalen
Schnitt abgetrennt werden kann (s. die punktierte Linie in
Fig. IV). Das gleiche ergibt sich bei Figur VI, während man
im Falle der Figur VII, statt das Doppel- Endstück durch
einen horizontalen Schnitt abzutrennen, auch die beiden ein-
fachen Endstücke mit den Rückkehrseiten CC^ und C' C“
durch vertikale Querschnitte abschneiden könnte.
Bei den eben betrachteten Beispielen sind die vertikal
abzuschneidenden Endstücke so gelegen, daß sie vollständig in
die horizontal abzuschneidenden hineinfallen
und daher gleichzeitig mit diesen auch be-
seitigt werden. Andererseits kann natürlich
auch der Fall eintreten, daß solche Endstücke
sich nur teilweise decken und daß man daher
lediglich die Wahl hat. zunächst das eine oder
das andere abzuschneiden (s. z. B. Fig. VIII).
4. Lehrsatz 1. Ein horizontal beginnender und
ebenso endigender, nicht monotoner Treppenweg, der
zwei beliebige Punkte {x^, und (X, Y) verbindend
ganz im Innern des von den Vertikalen x = Xf^ und x = X
begrenzten Parallelstreifens verläuft, läßt sich durch
sukzessives Abschneiden freier Endstücke in einen
jene beiden Punkte gleichfalls verbindenden monotonen
Treppenweg verwandeln, der sich im Falle ^0 = Y auf
eine horizontale Gerade reduziert.
Beweis. Da der Treppenweg nicht monoton ist, also
mindestens eine Rückkehrseite enthält, so läßt sich zeigen,
daß dann auch mindestens ein freies Endstück vorhanden
sein muß. Existiert nur eine einzige Rückkehrseite, so muß
die betreffende Eckenfolge offenbar zwei ungleichartige
C
B
VIII
E'
])'
i''
'E
C"
Treppenpolygone und deren funktionentheoretische Anwendung. 35
benachbarte Ecken haben, andernfalls würde ja eine weitere
Eckenfolge, also auch eine weitei-e Rückkehrseite entstehen.
Somit liefert also jene eine Rückkehrseite jedenfalls ein End-
stück. Dieses ist aber auch stets ein freies: zunächst kann
keinesfalls einer der Endpunkte des Treppenweges im Innern
desselben oder auf dem Querschnitt liegen, denn ist etwa < X,
so genügen ja die Abszissen x (aller Punkte des Treppen-
weges, da er im Innern des Parallelstreifens x = Xq, x = ^
verläuft) der Bedingung Xq<^x <. X. Träte also überhaupt
irgend ein Teil des Treppenweges in das Innere jenes End-
stücks oder an den zugehörigen Querschnitt, so müßte er auch
wieder umkehren, was ja die Existenz einer weiteren Rück-
kehrseite nach sich ziehen würde.
Enthält der Treppenweg mehrere Rückkehrseiten, so muß
es unter diesen eine oder auch mehrere einander gleiche kürzeste
gegeben. Dann liefert aber wieder jede solche kürzeste Rück-
kehrseite CC‘ ein freies Endstück. Gehören nämlich zu C
und C‘ nicht gleich weit entfernte Nachbarecken, so muß,
wenn etwa die am nächsten gelegene Ecke zu C‘ benachbart
ist, einer der beiden durch Fig. III und IV charakterisierten
Fälle eintreten^), und das so entstehende Endstück muß ein
freies bleiben, da ja bezüglich eines etwaigen Eindringens
eines Endpunktes des Treppenweges die bereits im vorigen
Falle erörterte Unmöglichkeit bestehen bleibt, andererseits auch
kein anderer Teil des Treppenweges in das Innere jenes End-
stückes eintreten oder mit dem abschließenden Querschnitt ein
Stück gemein haben, ohne die Existenz einer noch kürzeren
b Ist eine Rückkehnseite vorhanden, bei welcher einer der End-
punkte des Treppen Weges die Stelle einer benachbarten Ecke vertritt,
so kann eine solche Rückkehrseite niemals als einzige auftreten: diese
Möglichkeit scheidet also in dem vorliegenden Falle von vornherein aus.
(Vgl. auch die Fußnote auf p. 40.)
Es kann nicht etwa der Treppenweg in dem durch Fig. IV dar-
gestellten Falle beim Punkte D nach der entgegengesetzten Richtung
abbiegen, da ja auf diese Weise eine Rückkehrseite DC“ <iCü‘ ent-
stehen würde.
3*
36
A. Pringsheim
Rückkehrseite (d. li. <6'C') nach sich zu ziehen. Liegen da-
gegen C und C‘ gleichweit entfernt von ihren Nachbarecken,
dann muß eiu Endstück von einer der Formen, wie in Fig. V
bis VII dargestellt, zum Vorschein kommen^), das dann wieder
aus den unmittelbar zuvor angeführten Gründen auch ein freies
bleiben muß.
Somit ist gezeigt, daß jeder nicht-monotone Treppenweg
ein oder mehrere freie Endstücke enthält. Werden diese
abgeschnitten, so ist der übrig bleibende Treppenweg (d. h.
derjenige, welcher aus dem ursprünglichen dadurch entstanden
ist, daß die abgeschnittenen Wegstücke durch die entsprechen-
den Querschnitte ersetzt worden sind) entweder monoton (was
sicher dann der Fall ist, wenn überhaupt nur eine Rückkehr-
seite vorhanden war) oder er besitzt noch ein oder mehrere
freie Endstücke, die dann wieder analog wie zuvor abgeschnitten
werden können. Fährt man in dieser Weise fort, so muß, da
ja der ursprüngliche Treppenweg nur eine endliche Anzahl
von Ecken besaß und durch das Abschneiden eines freien End-
stückes jedesmal mindestens ein Eckenpaar verloren geht, nach
einer endlichen Anzahl der angedeuteten Operationen , ein
Treppen weg zum Vorschein kommen, der keine Rückkehr-
seite mehr enthält, also monoton ist. Dabei bleiben die
beiden Endpunkte offenbar unverändert, da ja nach Voraus-
setzung der Treppen weg ganz im Innern des Parallelstreifens
X = Xq, X = K verlaufen sollte, jene beiden Endpunkte bei
den fraglichen Operationen also niemals beteiligt sind. Daraus
folgt schließlich noch, daß jener monotone Treppenweg sich
auf die Verbindungslinie Xq\ reduziert, wenn Anfangs- und
Endpunkt des Treppenweges in derselben Horizontalen liegen.
5. Lehrsatz II. Der im vorigen Lehrsatz charak-
terisierte Treppenweg zerlegt den von den Vertikalen
X = x^, iC = X begrenzten Parallelstreifen in zwei ge-
*) Bezüglich der Fälle Fig. VI und VII gilt eine analoge Bemer-
kung, wie die in der vorigen Fußnote gemachte.
Treppenpolygone und deren funktionentheoretische Anwendung. 37
trennte Stücke, ein , oberes“ und ein „unteres“, deren
jedes einen zusammenhängenden Bereich bildet.
Beweis. Der ausgesprochene Satz gilt zunächst, falls der
Treppen weg ein monotoner ist, wie man unmittelbar erkennt,
wenn man den letzteren aus einer Horizontalen, welche den
Parallelstreifen in ein „oberes“ und ein „unteres“ Stück zer-
legt, durch sukzessives Ansetzen treppenförmig gelagerter Recht-
ecke entstehen läßt.
Angenommen nun der Satz sei für irgend einen speziellen
Treppenweg T erwiesen. Ist dann P ein innerer Punkt des
einen Teilbereiches, etwa des oberen, so muß eine durch P
gezogene, nach abwärts gerichtete Vertikale den Treppen weg T
mindestens in einem, eventuell in einem ersten Punkte P‘
schneiden. Für einen anderen, nicht gerade der Strecke PP'
ungehörigen^) Innenpunkt Pj des oberen Teilbereiches mag
P[ die analoge Bedeutung haben. Alsdann bildet der Linien-
zug PP'(T)PIPi, wo (T) das zwischen P' und P'i liegende
Stück von T bedeutet, einen die Punkte P und Pj verbindenden
Treppenweg. Bedeutet nun d eine positive Zahl, die höchstens
so groß ist, wie die kleinste Seite und der kleinste Abstand
zweier paralleler Seiten von T, auch höchstens so groß, wie
jede der Strecken PP', P\P\ und ihre kleinsten Abstände von
den zwischenliegenden Vertikalseiten von T, und wird "2
angenommen, so läßt sich dem Treppenwege T ein aus Innen-
punkten des oberen Bereiches bestehender, im Abstande d'
parallel zu den Seiten von T verlaufender Treppenweg t zu-
ordnen, der PP' im Punkte P", P\P'i im Punkte Pi treffen mag.
Wird das zwischen P" und Pi liegende Stück von t mit (t)
bezeichnet, so bildet der Linienzug PP"(T)Pj'P, einen durch-
weg aus Innenpunkten des oberen Bereiches bestehenden, die
Punkte P und Pj verbindenden Treppenweg, dessen Existenz
Der Fall, daß Pj auf PP' liegen sollte, ist zu trivial, um in dem
vorliegenden Zusammenhänge eine Erörterung zu erfordern.
38
A. Pringslieim
als Kriterium dafür gelten kann, daß jener obere Bereich ein
zusammenhängender ist.
Nun werde der obige Treppenweg T durch Ansetzen
eines freien Endstückes in einen (gleichfalls im Innern des
Parallelstreifens x = x = X verlaufenden) Treppen weg T'
übergeführt, also in der Weise abgeändert, daß man entweder
ein Stück einer Seite (s. Fig. lila, Va, Via) oder eine
ganze Seite (s. Fig. IVa, VII a)^) durch einen mit dem Treppen-
wege T sonst nirgends kollidierenden, auch die Grenzvertikalen
nicht berührenden, gebrochenen Linienzug ersetzt, der mit der
ausgeschalteten Strecke zusammen ein Rechteck bildet. Als-
dann läßt sich zeigen, daß der fragliche Satz auch für den
lila Va Via IVa VII a
Cr iC Cr 1(7 Cr ^C Cr
B
^ JL
fcCC" B
D
C Cr
X'
D
mm
D
Treppenweg T' gilt. Da zu beiden Seiten des ausgeschal-
teten Wegestücks Punkte verschiedener Kategorie, zu beiden
Seiten des neu hinzutretenden Wegestücks Punkte der-
selben Kategorie liegen, so werden durch die angedeutete
Operation lediglich die Innenpunkte des betreffenden Recht-
ecks dem einen Bereiche — etwa, um eine Festsetzung zu
treffen, dem oberen, entzogen und dem anderen, also dem
unteren, hinzugefügt. Daß auch der Treppen weg T' die
beiden Bereiche vollständig gegen einander abschließt und
zugleich der untere dabei ein zusammenhängender bleibt,
ist evident. Um die Erhaltung dieser Eigenschaft auch für
den oberen Bereich zu erkennen, bemerke man zunächst, daß
') Die Numerierung’ der Figuren und die Bezeichnung der verschie-
denen Eckpunkte entspricht genau derjenigen der Fig. III — VII, p. 32, 33
während die Reihenfolge nach Maßgabe des hier vorliegender. Einteilungs-
prinzips abgeändert erscheint.
Treppenpolygone und deren funktionentheoretische Anwendung. 39
die von einem beliebigen Innenpunkte F des oberen Bereichs
nach abwärts gerichtete Vertikale, falls sie nicht einen bzw.
einen ersten Punkt von T' trifft, der dem ursprünglichen Treppen-
wege T angehört, die obere Seite des eingeschalteten Recht-
eckstückes treffen muh, so daß also die Fußpunkte der von
zwei solchen Punkten P, P, gefällten Vertikalen zunächst
durch ein gewisses Stück (TO des Treppenweges T' verbunden
erscheinen. Diesem letzteren läßt sich aber, da in der un-
mittelbaren äußeren Nachbarschaft der fraglichen Rechteck-
seiten ausschließlich Innenpunkte des oberen Bereiches liegen,
ein aus solchen Punkten in einem gewissen Abstande d' ver-
laufender Parallelweg z' zuordnen, so daß schließlich P und
Pj gerade so, wie zuvor, durch einen aus lauter Innenpunkten
des oberen Bereiches bestehenden Treppeuweg verbunden wer-
den können.
Nun kann nach dem zuvor bewiesenen Lehrsatz jeder
Treppen weg der näher bezeichneten Art durch Abschneiden
freier Endstücke auf einen monotonen reduziert werden. Er
läßt sich daher auch umgekehrt aus diesem letzteren durch
sukzessives Ansetzen jener Endstücke wieder hersteilen. Hier-
aus, im Zusammenhänge mit dem bisher gesagten ergibt sich
aber die Richtigkeit des ausgesprochenen Satzes.
6. Lehrsatz III. .leder Treppenweg der bisher be-
trachteten Kategorie besitzt ebensoviele Ecken der
einen, wie der anderen Art.
Beweis. Bei der Reduktion des Treppen weges auf einen
monotonen gehen ungleichartige Ecken stets paarweise ver-
loren. Da andererseits der resultierende monotone Treppenweg
gleich viel Ecken beiderlei Art besitzt (eventuell gar keine,
falls er sich auf eine horizontale Gerade reduziert), so erkennt
man unmittelbar die Richtigkeit der obigen Behauptung.
Zusatz. Die Lehrsätze I und III bleiben auch gültig,
wenn der Treppen weg, statt ganz im Innern des betrachteten
Parallelstreifens zu verlaufen, diesen lediglich nicht über-
schneidet, also eventuell mit den begrenzenden Vertikalen
40
A. Pringsheim
X = Xq, x = X ein oder mehrere Stücke gemein hat’^). Um
dies einzusehen, braucht man nur die Anfangs- und End-
Horizontale um ein beliebig kleines Stück nach links bzw.
rechts zu verlängern. Hierdurch erleidet offenbar der Eckenvor-
rat des Treppen Weges keinerlei Veränderung, während anderer-
seits die fragliche Voraussetzung der Lehrsätze I und III wieder
erfüllt ist.
Im übrigen läßt sich, wie im Anschluß an die eben ge-
machte Bemerkung leicht zu erkennen, jene Voraussetzung auch
noch merklich weiter verallgemeinern, nur werden dann wieder
gewisse ausdrücklich zu erwähnende Einschränkungen notwen-
dig, so daß der etwa erzielte Gewinn an Allgemeinheit den
tatsächlichen Verlust an Einfachheit nicht aufwiegt und das
um so mehr, als der Satz I bzw. III in der vorliegenden Fas-
sung für die weiterhin daran zu knüpfenden Schlüsse voll-
kommen ausreicht.
§ 2.
Treppenpolygone.
1. Unter einem Treppenpolygon verstehen wir einen
geschlossenen Treppenweg, also einen solchen, bei dem
Anfangs- und Endpunkt zusammenfallen. Aus der in § 1 Nr. 1
gegebenen Definition eines Treppenweges folgt dann schon von
selbst, daß ein solches Treppenpolygon in einem Zuge durch-
laufen werden kann, ohne daß irgend ein Punkt, abgesehen
von dem am Schlüsse des Umlaufs wieder auftretenden An-
Der Grund, warum der Voraussetzung nicht von vornherein diese
etwas erweiterte Form gegeben wurde, ist folgender. Darf der Treppen-
weg die begrenzenden Vertikalen berühren, so könnte, falls die erste
vertikale Seite des Treppen weges eine Rückkehrseite ist, die nächste
Horizontale bis an die Grenzvertikale heranreichen. Analoge Verhält-
nisse könnten auch am Ende stattfinden. Diese Art von Rückkehrseiten
würden dann keine Endstücke im Sinne unserer Definition liefern
und müßten bei der Betrachtung immer ausdrücklich ausgenommen wer-
den, was zwar keinerlei prinzipiellen Schwierigkeiten, aber eine unnötige
Besch werang der Darstellung zur Folge hätte.
Treppenpolygone und deren funktionentheoretisclie Anwendung. 41
fangspunkte, ein zweites Mal erreicht wird; mit anderen Worten :
ein geschlossener Treppen weg ist eo ipso ein einfach ge-
schlossener Weg ohne Doppelpunkte.
Lehrsatz 1. Jedes Treppenpolygon 77 zerlegt die
Ebene in zwei getrennte Gebiete, deren jedes einen
zusammenhängenden Bereich, einen inneren und einen
äußeren, bildet.
Beweis. Es seien und X, wo etwa wieder x^ < X,
die äußersten Abszissen, denen noch Punkte des Treppenpoly-
gons entsprechen, so daß also das letztere noch eine oder
mehrere Seiten mit je einer der Vertikalen x = x^ und x = X.
gemeinsam hat, dieselben aber nicht überschneidet. Wir wollen
vorläufig annehmen, daß das Treppenpolygon nur je eine Seite
mit diesen Vertikalen gemein hat, etwa AA' und 7?i?'. Die
beiden an AA' bzw. anstoßenden horizontalen Seiten
mögen mit AC, Ä'C‘ bzw. BB, B' D' bezeichnet werden.
Dann soll zunächst gezeigt werden, daß der von C aus weiter-
führende Treppenweg im Punkte D, also der von C ausgehende
in B' einmünden muß. Angenommen, der Treppenweg führe
von C nicht nach B, sondern nach B' (wie in der neben-
stehenden Figur IX durch die punktierte Linie schematisch
angedeutet ist), so würde der Treppenweg AC . . . B'B' den
IX
42
A. Pringsheim
von den beiden Vertikalen x = und x = X begrenzten
Parallelstreifen in zwei getrennte Stücke zerlegen derart, daß
A' C‘ dem oberen, DB dem unteren Stücke angehört, und
es wäre daher unmöglich, die noch offenen Endpunkte C" und
D durch einen Treppenweg zu verbinden, ohne den Treppen-
weg AC ... D‘ B‘ zu überschreiten. Somit muß in der Tat
das Treppenpolygon .so verlaufen, daß der Punkt C mit D,
C‘ mit D' durch je einen Treppenweg verbunden erscheint,
wie dies in Figur IX die gestrichelten Linien schematisch
andeuten. Durch den Treppen weg AC . . . DB wird alsdann
ein unteres Stück (T,), durch den Treppenweg A‘ C‘ . . . D' B'
ein oberes Stück (T.^) von dem Parallelstreifen abgeschnitten:
diese beiden bilden zusammen mit den beiden links und rechts
von dem Parallelstreifen gelegenen Halbebenen einen zu-
sammenhängenden, von dem Treppenpolygon begrenzten
Bereich, den wir als äußeren bezeichnen. Andererseits haben
das von dem Treppenwege AC . . . DB begrenzte obere und
das von dem Treppenwege A' C‘ . . . B' D‘ begrenzte untere
Gebiet des Parallelstreifens ein Stück gemein, das, außer von
diesen Treppenwegen, von den Parallelen AA‘ und BB‘ be-
grenzt wird. Daß dasselbe einen gegen den zuvor erwähnten
äußeren Bereich durch das Treppenpolygon 77 abgeschlos-
senen Bereich bildet, folgt dann unmittelbar aus dem Lehr-
satz II des vorigen Paragraphen. Wir bezeichnen ihn als
inneren Bereich und zeigen, daß derselbe gleichfalls ein
zusammenhängender ist. Für die Seitenlängen und die Ab-
stände irgend zweier paralleler Seiten muß wiederum ein ge-
wisses Minimum d bestehen. Wird dann d' < - angenommen,
so läßt sich dem Treppenpolygon 77 ein aus lauter Innen-
punkten von 77 bestehendes im Abstande ö' parallel verlaufen-
des Treppenpolygon 77' zuordnen, das zunächst mit 77 zu-
sammen einen zusammenhängenden Band von Innenpunkten
des Polygons 77 begrenzt. Da ferner jede durch einen inneren
Punkt von 77' (der also auch innerer Punkt von 77 ist) ge-
Treppenpolygone und deren funktionen theoretische Anwendung. 43
zogene Gerade, etwa, um eine Festsetzung zu treffen, eine nach
abwärts gerichtete Vertikale, die Begrenzung TI' in einem
bzw. in einem ersten Punkte treffen muß, so folgt, daß jeder
solche Punkt mit den zuvor erwähnten Innenpunkten des Randes
zusammenhängt und daß andererseits auch zwei derartige Punkte
durch einen aus Innenpunkten von 77 gebildeten Treppenweg
verbunden werden können. Jener innere Bereich von 77 ist
also tatsächlich zusammenhängend.
Hierbei war die beschränkende Voraussetzung gemacht
worden, daß das Treppenpolygon nur je eine Seite mit den
beiden begrenzenden Vertikalen gemein haben solle. Sind nun
mehrere solche Seiten vorhanden, so mögen etwa mit AÄ‘,
BB‘ die beiden links und rechts am tiefsten gelegenen be-
zeichnet werden. Wird dann das Treppenpolygon in der Weise
abgeändert, daß man ÄA' um eine beliebig kleine Strecke d
nach links, BB' in gleicher Art nach rechts verschiebt und
die anstoßenden Horizontalen in entsprechender Weise um <5
verlängert, so genügt das nunmehrige Treppenpolygon der zu-
vor gemachten Beschränkung, teilt somit die Ebene in einen
äußeren und einen inneren Bereich , welchem letzteren ins-
besondere die beiden an die Vertikalen AA‘, BB‘ anstoßenden
Streifen von der Breite d angehören. Werden diese von dem
inneren Bereiche abgeschnitten und dem äußeren hinzugefügt,
so ergibt sich ohne weiteres die Richtigkeit des ausgesprochenen
Satzes für das gegebene und somit für jedes beliebige Treppen-
polygon. 1)
Zusatz. Wird für eine bei A beginnende Durchlaufung
des Treppenpolygons die Richtung AC als positive bezeichnet,
so ist der innere von dem Treppenpolygon begrenzte Bereich
dadurch charakterisiert, daß seine an die Begrenzung anstos-
Mit Rücksicht auf den folgenden Lehrsatz sei noch ausdrücklich
hervorgehoben, daß auch in dem zuletzt betrachteten allgemeineren Falle
die Fortsetzung des mit A C beginnenden Treppenweges stets zunächst
nach B, niemals nach einem auf der Grenzvertikale höher gelegenen
Eckpunkte führt (was genau so, wie in dem zuerst betrachteten Falle
erkannt werden kann).
44
A. Pringsheim
senden Punkte bei positivem Umlauf stets zur Linken bleiben.
In der Nähe der Ecken erster Art (s. § 1, Nr. 2) gehören
dann die Punkte zwischen den Schenkeln des rechten Winkels
dem inneren Bereiche an, in der Nähe der Ecken zweiter
Art die Punkte innerhalb der Schenkel des üherstumpfen
Winkels. Die Ecken erster Art sollen in diesem Zusammen-
hänge als konvex (sc. nach auhen), diejenigen zweiter Art
als konkav bezeichnet werden.
2. Lehrsatz 11. Jedes Treppenpolygon hat einen
Überschuß von vier gleichartigen und zwar bei posi-
tivem Umlauf konvexen Ecken.
Beweis. Mit Festhaltung der im vorigen Lehrsatz ange-
wendeten Bezeichnungen läßt sich das Treppenpolygon, etwa
bei positivem Umlauf, zerlegen in zwei Treppen wege, einen
, unteren“: ÄC . . . DB und einen „oberen“: B‘ D' . . . CA'
nebst den beiden vei’bindenden Vertikalen BB' und A'A. Jeder
der beiden genannten Treppenwege hat nach dem Lehrsatz III
des § 1 gleichviel Ecken von jeder Art. Dazu kommen noch
die vier Ecken bei B, B‘, A‘, A, welche in jedem Falle gleich-
artig, bei positivem Umlauf offenbar konvex sind.
Anmerkung. Wird die Seitenzahl des Ti-eppenpolygons,
die ja offenbar stets gerade sein muß, mit 2m bezeichnet, so
ist nach dem eben bewiesenen Satze (ni -p 2) die Anzahl der
konvexen, (m — 2) diejenige der konkaven Ecken. Daraus
würde folgen, daß die Summe der inneren Winkel des Treppen-
"T 3
polygons den Wert (m + 2) ^ -p (w — 2) ~, also (2 m — 2)
haben muß. Umgekehrt könnte man natürlich, wenn man etwa
die Anzahl der konvexen Ecken mit x bezeichnet, diese aus
'T 3 'T
der Gleichung x ■ ^ (2 m — x) ■ -^ = (2 m — 2) Jt bestimmen,
falls man sich auf den als bekannt anzusehenden Satz stützt,
daß die Summe der inneren Winkel eines beliebigen w-Ecks
den Wert (n — 2) Ji hat. In der Tat findet sich ja dieser Satz
wohl in zahlreichen Lehrbüchern der Elenientargeometrie : in-
Treppenpolygone und deren funktionentheoretische Anwendung. 45
dessen scheint mir der gewöhnlich dafür gegebene, auf voll-
ständiger Induktion beruhende Beweis^) unzureichend. Dabei
wird nämlich etwa folgendermaßen geschlossen: Bezeichnet man
mit a>„ die Summe der Innenwinkel eines beliebigen w-Ecks,
durch Vielfache von ti ausgedrückt, und beachtet, daß ein
(n — •1)-Eck in ein w-Eck mit neu hinzutretender ausspringen-
den oder einspringenden Ecke übergeht, wenn man an eine
Seite des {n — 1)-Ecks ein Dreieck nach außen oder innen
ansetzt und an Stelle jener Seite in die Begrenzung aufnimmt,
so ergibt sich in jedem der beiden genannten Fälle die Rekur-
sionsformel I ^
0)n = a>n-i -t
aus der dann, wegen co^ = Ji, in der Tat das fragliche Resultat
(o„ — (n — 2) 71 unmittelbar hervorgeht. Das Unzureichende
dieser Schlußweise liegt indessen darin, daß dabei ohne jede
Begründung vorausgesetzt wird, es könne jedes %-Eck durch
die angedeutete Operation aus einem gewissen (n — 1)-Eck
hergestellt werden oder, was offenbar auf dasselbe hinausläuft,
man könne jedes w-Eck dadurch in ein (n — 1)-Eck ver-
wandeln, daß man die nicht gemeinsamen Endpunkte zweier
benachbarter Seiten durch eine Gerade verbindet. Diese An-
nahme ist aber nur dann einwandfrei, wenn feststeht, daß stets
mindestens zwei benachbarte Seiten vorhanden sind, deren End-
punkte sich durch eine Gerade verbinden lassen, ohne daß
diese mit irgend einer anderen Polygonseite einen
Punkt gemein hat. Die Tatsache selbst dürfte richtig sein:
ob sie jemals streng bewiesen wurde, möchte ich dahingestellt
lassen, da ich in dem betreffenden Zweige der mathematischen
Literatur sehr wenig bewandert bin^).
1) S. z. B. Baltzer, Elemente der Mathematik, Bd. 2: Viertes Buch,
§ 3, Nr. 10.
2) Während der Drucklegung dieser Arbeit wurde mir durch Herrn
A. Rosenthal mitgeteilt, daß sich die fragliche Ergänzung zu dem
Beweise des Satzes über die Winkelsumme eines Polygons in zwei Pub-
likationen jüngeren Datums findet, nämlich: W. Killing und H. Hove-
stadt, Handbuch des mathemat. Unterrichts, I (Leipzig 1910), p. 62 — 67;
N. J. Lennes, American Journal of Mathematics 33 (1911), p. 42 — 47.
46
A. Pringsheim
Will man sich darauf beschränken, den Satz über die
Winkelsumme lediglich für ein Treppenpolygon durch das
obige Induktionsverfahren abzuleiten, so hätte man zuvor nur
zu erweisen, daß die Seitenzahl jedes Treppenpolygons stets
durch Abschneiden oder Ansetzen eines Rechtecks reduziert
werden kann, was sich durch die Beweismethode des Lehr-
satzes I von § 1 leicht begründen ließe und merklich weniger
Umstände macht, als die der vorliegenden Untersuchung als
Endziel zu Grunde liegende Feststellung, daß die fragliche
Reduktion stets durch bloßes Abschneiden von Rechtecken
erzielt werden kann.
3. Zwei parallele Seiten bzw. Stücke von Seiten, deren
senkrechte Verbindungslinien abgesehen von den Endpunkten
aus lauter Innenpunkten des Treppenpolygons bestehen* *),
sollen gegenüberliegend heißen.
Lehrsatz III. Verbindet man zwei gegenüberlie-
gende Seiten eines Treppenpolygons durch eine senk-
rechte Gerade, so zerlegt dieselbe, als Querschnitt
aufgefaßt, das Treppeupolygon (und zwar sowohl Be-
(jrenzung, wie Innenfläche) in zwei Treppenpolygone.
Beweis. Wir betrachten zunächst zwei beliebige^)
parallele Seiten bzw. Stücke von Seiten AB^ CD, deren senk-
rechte Verbindungslinien von keiner anderen Seite geschnitten
werden, und zeigen, daß zu diesen stets entgegengesetzte
Richtungen gehören, wenn das Treppenpolygon 11 in einem
bestimmten Richtungssinne durchlaufen wird®). Angenommen,
dies wäre nicht der Fall, so daß also AB und CD in der-
selben Richtung, etwa, um eine Festsetzung zu trelFen, in der
*) Damit ist also implicite gesagt, daß solche parallele Seitenstücke
nur so lange „gegenüberliegend“ beißen, als ihre senkrechten Verbin-
dungslinien mit keiner anderen Seite des Treppenpolygons einen Punkt
gemein haben.
*) D. b. also: nicht notwendig im Sinne der oben gegebenen Defi-
nition „gegenüberliegende“.
Vgl. hierzu die Fußnote 1) auf p. 48.
Treppenpoly^one und deren funktionentheoretische Anwendung. 47
Xa
F
T
/
l
B
Richtung A ... B, bzw. C ... D (d. h. in der Richtung der
wachsenden Variablen) durchlaufen würden. Alsdann müßte
bei einem in A beginnenden Umlauf die Fortsetzung von AB
auf irgend einem Treppenwege zunächst in (7, ebenso die Fort-
setzung von CD schließlich wieder
in A einmünden (wie dies in der
Fig. X a durch die punktierten Li-
nien schematisch angedeutet ist).
Wird nun irgend ein Punkt E der
Strecke AB mit dem senkrecht
gegenüber liegenden Punkte F der
Strecke CD geradlinig verbunden,
so ließe sich ein bei A beginnen-
der Umlauf über AE FD und den
dort anschließenden (durch die punktierte Linie angedeuteten)
Weg wieder nach A zurückführen, ebenso ein bei C beginnen-
der über CFEB und den dort anschließenden (punktierten)
Weg nach C zurückführen. Das Treppenpolygon 11 würde
also in zwei gesonderte Treppenpolygone i7j und zerfallen,
deren jedes einen Uberschuß von 4 gleichartigen Ecken haben
müßte. Es müßte also, je nachdem diese zweimal 4 Ecken
noch unter einander gleichartig sind oder nicht, ein Gesamt-
überschuß von 8 gleichartigen Ecken oder überhaupt keiner
vorhanden sein. Beide Annahmen sind aber unmöglich, da
der ursprüngliche Eckenvorrat von Fl einen Uberschuß von 4
konvexen Ecken enthält und die neu hinzutretenden Ecken bei
E und F sich auf 77, und 11^ so verteilen würden, daß jedem
dieser Polygone ein Paar ungleichartiger Ecken zufällt.
Damit ist aber die ausgesprochene Behauptung bewiesen.
Dies vorausgeschickt, seien jetzt
AB., CD zwei gegenüberlie-
gende Seiten bzw. Seitenstücke des
Polygons 77, so wird eine Durch- /
laufung von in der Richtung
A ... B eine solche von CD in
r
Xb
, F
1).
A
E
B
48
A. Prin»sheim
der entgegengesetzten Richtung 1) ... C zur Folge haben
und daher die Fortsetzung des Weges AB zunächst nach dem
Punkte D, diejenige des Weges D C schließlich wieder nach A
führen (wie durch die punktierten Linien in Fig. X b ange-
deutet wird). Zieht man jetzt wiederum den Querschnitt EF,
so läßt sich ein bei A beginnender Umlauf über AEF'C und
den dort anschließenden (punktierten) Weg nach A zurück-
führen, ebenso ein bei D beginnender über DFEB usw. zu-
rück nach F>. Das Treppenpolygon 77 zerfällt also durch den
Querschnitt EF in zwei Treppenpolygone 77j und 77^, und
zwar werden die Innenpunkte, von 77 abgesehen, von den
nunmehr der Begrenzung angehörenden Punkten des Quer-
schnittes EF, auch zu Innen punkten von II^ und 77^, da ja
der äußere, die unendlich fernen Punkte enthaltende Be-
reich von 77 bei dem fraglichen Prozeß als solcher völlig un-
berührt bleibt und daher auch wiederum vollständig dem äußeren
Bereiche von 77j bzw. angehören muß. Es zerfällt also
gleichzeitig mit der Begrenzung auch der innere Bereich von
FI durch den Querschnitt EF in zwei getrennte Stücke.
Dieses Resultat erleidet keinerlei Änderung, wenn einer
der beiden Endpunkte des Querschnittes oder auch jeder von
beiden ein Eckpunkt sein sollte (der dann offenbar nur einer
konkaven Ecke angehören kann). Man erkennt dies am ein-
fachsten, wenn man dem Querschnitt zunächst eine minimale
Verschiebung zu Teil werden läßt.
4. Lehrsatz IV. Von jedem Treppenpolygon, das
nicht schon durch einen einzigen Querschnitt in zwei
Rechtecke zerfällt®), lassen sich sowohl durch hori-
b Man könnte dies natürlich auch unmittelbar aus dem in Nr. 1,
Zusatz, ausdrücklich erwähnten Umstande folgern, daß bei einer üm-
laufung des Polygons etwa in positivem Sinne der innere Bereich stets
zur Linken bleiben muß. Es erschien mir indessen nicht ganz einwand-
frei, die geometrische Anschauung in diesem Umfange zur Begründung
der fraglichen Tatsache in Anspruch zu nehmen.
2) Dies tritt stets beim Sechseck ein, da dieses ja nur eine einzige
konkave Ecke besitzt und daher überhaupt nur einen horizontalen
Treppenpolygone und deren f'unktionenUieoretische Anwendung. 49
zontale, wie durch vertikale Querschnitte mindestens
zwei freie Eckstücke abschneidenQ.
Beweis. Ein Treppenpolygon mit 2 w -Seiten besitzt alle-
mal {m — 2) konkave Ecken. Von jeder dieser letzteren aus
läßt sich nach beliebiger Wahl ein Querschnitt in horizontaler-,
wie in vertikaler Richtung ziehen.
Man gehe nun von einer beliebig gewählten konkaven
Ecke aus, etwa, um eine Festsetzung zu treffen, derjenigen
konkaven Ecke Cj, welche als die erste auftritt, wenn man das
Treppenpolygon von dem tiefsten linken Eckpunkt anfangend
in positiver Richtung umläuft, und ziehe von (7, zunächst
einen horizontalen Querschnitt welcher also das Treppen-
polygon 11 in zwei solche zerlegt: ein „unteres“, d. h. an die
untere Seite des Querschnittes sich anschließendes, //, und ein
„oberes“ 77^. Möglicherweise ist /7j dann schon ein Recht-
eck, also ein durch den Querschnitt q^ abgeschnittenes freies
Endstück von 77. Wenn nicht, so ziehe man von derjenigen
konkaven Ecke aus, welche bei Fortsetzung des positiven
Umlaufs als nächste zum Vorschein kommt, einen weiteren
horizontalen Querschnitt q^, durch welchen 77j in zwei Teil-
polygone n\ und TJi zerfällt. Dabei soll 77{ dasjenige Treppen-
polygon bedeuten, dessen Begrenzung beide Querschnitte q^
und q^ enthält, während dann diejenige von 77^ nur aus dem
einen Querschnitte q^, im übrigen aus lauter Seiten des ur-
sprünglichen Polygons 77 besteht. Da die konkave Ecke
und einen vertikalen Querschnitt der fraglichen Art zuläßt; ferner,
wenigstens in Bezug auf die eine Querschnittsrichtung, bei denjenigen
Achtecken, deren zwei (einzigen) konkaven Ecken in einer horizon-
talen oder vertikalen Geraden liegen.
') Dies ist nicht so zu verstehen, daß sich stets zwei Endstücke
durch horizontale und zugleich zwei andere durch vertikale Quer-
schnitte abtrennen lassen müßten. Vielmehr könnten diese beiden Arten
von Endstücken teilweise zusammenfallen (vgl. § 1, p. 34, insbesondere
das zu Fig. IV und VI — VIII gesagte), so daß lediglich die Wahl zwischen
beiden freistünde.
Sitzungsb. d. math.-phys. Kl. Jahrg. l‘J15.
4
50
A. Pringsheim
bei dieser Operation vollständig verloren geht^), so besitzt
//^ jedenfalls um mindestens eine konkave Ecke und infolge
dessen um mindestens ein Eckenpaar weniger als 77, (da ja
der Unterschied zwischen der Anzahl der vorhandenen kon-
vexen und konkaven Ecken immer konstant, nämlich = 4, bleiben
muß). Ist TI^ noch kein Rechteck, so läßt sich in analoger
Weise ein Treppenpolygon TZg davon abtrennen, dessen Be-
grenzung wiederum nur aus einem Querschnitt jg, im übrigen
aus Seiten des ursprünglichen Treppenpolygons besteht und
mindestens ein Eckenpaar weniger enthält als TT^. Da die
Anzahl der von vornherein überhaupt vorhandenen Ecken eine
endliche ist, andererseits jedes der sukzessive von 77, abge-
trennten Treppenpolygone . . . noch einen Überschuß
von 4 konvexen Ecken besitzt, so muß nach einer endlichen
Anzahl der angedeuteten Operationen ein Treppenpolygon mit
nur vier und zwar konvexen Ecken zum Vorschein kommen,
also ein nur Innenpunkte des Treppenpolygons umschließendes
Rechteck, dessen Begrenzung nur einen Querschnitt enthält,
mit anderen Worten: ein durch diesen letzteren abgeschnittenes
freies Endstück.
Die gleiche Schlußweise, auf das , obere“ Treppenpoly-
gon 77, angewendet, liefert dann die Existenz eines zweiten,
gleichfalls durch einen horizontalen Querschnitt abzutren-
nenden Endstücks.
Ersetzt man in der vorstehenden Betrachtung die hori-
zontalen Querschnitte durch vertikale, so ergibt sich in
Bezug auf diese ein völlig gleichartiges Resultat. Damit ist
aber der oben ausgesprochene Satz vollkommen bewiesen.
5. Als unmittelbare Folgerung des eben bewiesenen Satzes
resultiert schließlich der folgende, das eigentliche Ziel dieser
ganzen Untersuchung bildende Hauptsatz:
Jedes Treppenpolygon, das nicht schon durch
einen einzigen Querschnitt in zwei Rechtecke
1) Die durch einen Querschnitt erzeugten neuen Ecken können
oÖ'enbar immer nur konvexe sein.
Treppenpolygone und deren funktionentheoretische Anwendung. 51
zerfällt^), läßt sich (auf mehrfache Art) in der
Weise aus Rechtecken zusammensetzen, daß um
einen rechteckigen Kern sukzessive weitere Recht-
ecke angesetzt werden, wobei jedes neu hinzu-
kommende Rechteck nur längs einer Seite ganz
oder teilweise mit einem einzigen der bereits vor-
handenen Rechtecke zusammenhängt.
Beweis, Zunächst lassen sich von dem Treppenpolygon
etwa durch horizontale Querschnitte mindestens zwei, even-
tuell auch eine größere Anzahl von freien Endstücken ab-
schneiden, die durchweg mit der Nummer 1 bezeichnet werden
mögen. Jedes dieser Rechtecke stößt nur längs des Quer-
schnittes, welcher eine Seite oder auch nur einen Teil einer
Seite bildet (vgl. Fig. III— VII) au das übrig bleibende Treppen-
polygon. Das letztere besitzt mindestens vier Ecken weniger,
als das ursprünglich und gestattet, falls es nicht bereits ein
Rechteck ist, oder schon durch einen Horizontalschnitt in
zwei Rechtecke zerfällt, ein weiteres Abschneiden von min-
destens zwei weiteren freien (genauer gesagt: durch die erste
Operation frei gewordenen) Endstücken, die dann die Num-
mer 2 erhalten sollen. Fährt man in dieser Weise fort, so
wird schließlich, etwa nach der (k — 1)*®” derartigen Operation
ein einziges Rechteck übrig bleiben, dem also die Nummer k
zukommen würde.^) Alsdann läßt sich aber offenbar das ur-
sprüngliche Treppenpolygon in der Weise wieder hersteilen,
daß man an das Rechteck mit der Nummer k zunächst das-
jenige oder diejenigen mit der Nummer (k — 1), an das so
Vgl. p. 48, Fußnote 2).
2) Man kann leicht eine obere Grenze für die Zahl Je angeben. Bei
jeder der ersten (Je — 2) Operationen gehen mindestens 4 Ecken verloren,
bei der (Je — l)ten möglicherweise nur 2. Alsdann bleiben noch die
4 Ecken des mit Je numerierten Kernrechtecks übrig. Darnach hat man,
wenn mit 2 m die Eckenzahl des gegebenen Treppenpolygons bezeichnet
wird : 4 (A: — 2) -|- 2 -|- 4 2 m, also :
4*
A. l’ringsheim
entstandene Treppenpolygon die Rechtecke mit der Nummer
Qc — 2) ansetzt, u. s. f. Dabei hängt jedes neu hinzukommende
Rechteck auf Grund seiner Entstehungsweise nur längs des
Querschnittes, durch welchen es früher abgeschnitten wurde,
mit einem einzigen Rechteck des bereits vorhandenen Kom-
plexes zusammen.
In ganz analoger Weise kann man mit lauter vertikalen
Querschnitten operieren. Das in diesem Falle zum Vorschein
kommende Kernrechteck muh offenbar ein anderes sein, als das
zuvor resultierende, da jenes frühere nur längs seiner hori-
zontalen, das jetzige nur längs seiner vertikalen Seiten
mit anderen Bestandteilen des Treppenpolygons zusammenhängt.
Schließlich kann man auch horizontale und vertikale Quer-
schnitte beliebig kombinieren, insbesondere bei jeder einzelnen
Operation alle überhaupt vorhandenen freien Endstücke ab-
schneiden, soweit sich das durch Anwendung beider Arten
von Querschnitten bewerkstelligen läßt.
§ 3.
Funktionentheoretische Anwendung.
Lehrsatz. Es sei Xq ein beliebiger Punkt im Innern
eines Treppenpolygons 77, eine für eine ge-
wisse Umgebung von konvergierende Potenzreihe.
Läßt sich diese auf jeder im Innern von 77 verlaufen-
den gebrochenen Linie^) analytisch fortsetzen, so defi-
niert das Funktions-Element (a; j eine im Innern
von 77 eindeutige und reguläre analytische Funktion.
Beweis. Wir betrachten vorläufig den speziellen Fall,
daß das Treppenpolygon sich auf ein einfaches Rechteck R
reduziert. Man erkennt dann zunächst, daß der Konvergenz-
kreis von (a; a:^) und jeder daraus abgeleiteten, um irgend
einen Innenpunkt von R konvergierenden Potenzreihe sich zum
Es würde schon ausreichen, vorauszusetzen, daß die Fortsetzung
auf jedem innerhalb TI verlaufenden Treppen wege möglich sein soll.
Treppenpolygone und deren funktionentheoretische Anwendung. 53
( mindesten bis an die Begrenzung von i? erstrecken muß. Denn
auf jedem dieser Konvergenzkreise muß mindestens eine sin-
I guläre Stelle c der betreffenden Potenzreihe liegen, die andern-
I falls in das Innere von li fallen würde. Alsdann wäre es aber
I unmöglich, ‘iPo(a; auf einem durch das Innere des betreffenden
I Konvergenzkreises gehenden Wege über c hinaus fortzusetzen.
1 Dies vorausgeschickt, denken wir
uns nach Annahme einer beliebig
kleinen positiven Zahl e ein Recht-
eck R‘ konstruiert, dessen Seiten im
' Abstande e parallel zu den Seiten von
i? und im Innern von R verlaufen.
Hierauf teile man eine Seite von R‘
(etwa, wie in der nebenstehenden
Fig. XI, die untere horizontale) in n
gleiche Teile, deren Länge b der Be-
ziehung genügen soll
(1) 6<(\ + V2), = y^_^,
XI
(
e
cf'
a
2fl
m
. . J...
.
.. ..
%
b, b, Z
b
b
6
al
{
'C (X
2/
■f
23
d
10 C
„ £1
,2' q
/
rj
ä
a
Ö7-^äo2 ^03 ^
on
und trage die Strecke b auch auf einer der vertikalen Seiten
ab, so oft es angeht (etwa, wie in der Figur, von unten be-
ginnend). Zieht man sodann durch sämtliche Teilpunkte Paral-
lelen zu den Seiten, so zerfällt das Rechteck R‘ in eine An-
zahl von (horizontal gelagerten) Parallelstreifen, deren jeder
aus n Quadraten von der Seitenlänge b besteht, und eventuell
einen letzten Parallelstreifen aus Rechtecken mit der Grund-
linie b und einer Höhe b‘ < d. Die Eckpunkte jener Quadrate
mögen, von unten links beginnend, mit
'00
^01
®02
'10
«11
«12
20
^21
«22
. «,
0 n
bezeichnet werden.
Man leite nun aus 'ßg {x x^ auf irgend einem in R‘ ver-
laufenden Wege eine Potenzreihe ‘ß(a;'a,j) ab, deren Konver-
54
A. Pringsheim
genzradius nach dem oben gesagten mindestens den Wert d + e
haben muß. Da aber aus Ungl. (1) folgt, daß:
d + e.>y 2- ö,
so ist derselbe größer als die Diagonale der einzelnen Quadrate,
so daß also ein um den Punkt «jj mit der Diagonale Y2 • d
beschriebener Kreis einschließlich seiner Peripherie aus lauter
Innenpunkten des Konvergenzbereiches von iß(a; a^) besteht
und somit die zwei ersten Quadrate des untersten und die-
jenigen des nächstfolgenden Parallelstreifens ganz in das Innere
jenes Konvergenzbereiches fallen. Leitet man sodann aus
'13 (a; ttjj) sukzessive die Potenzreihen ab:
^ (a: (Tjj, 012)1 Oj2, Ojj) . . . ^(a: On, Ojg, . . . Oj „_j),
so wird der Konvergenzbereich einer jeden dieser Potenzreihen
immer je ein Quadrat des unteren und des oberen Parallel-
streifens mit dem Konvergenzbereiche der unmittelbar voran-
gehenden Potenzreihe gemein haben, und es definiert somit
die obige Folge von Potenzreihen zunächst für die beiden
untersten Parallelstreifen eine daselbst eindeutige analytische
Funktion regulären Verhaltens.
Nun läßt sich aber aus ^(a; Oj,) auch eine Potenzreihe
(a: i «,j , «2,) und aus dieser letzteren wiederum eine Folge
von Potenzreihen ableiten
'13 (a; a,j, a2i, 022)*
!> (a: Ojj, O2J , O22’ ^23) • • • ^11’ ®2i ’ ^22 • • • ^2,n— 1)1
deren Konvergenzbereiche mit demjenigen von *15(0^ o,,,a2i)
zusammen den zweiten und dritten Parallelstreifen umfassen.
Dabei hat der Konvergenzbereich der Reihe *13(3; a,j, 02,) das
erste und zweite Quadrat des zweiten Parallelstreifens mit
dem Konvergenzbereiche von 13 gemein, derjenige von
'13 (a: fljj, «211 ^22) iioch das zweite jener Quadrate mit dem
Konvergenzbereiche der genannten Reihen und mit demjenigen
von '13 (a; «,,,0,2)- Daraus folgt aber die Gültigkeit der Be-
ziehung '13(a; «jj, a2,) = 'maJia,,) für die beiden ersten Qua-
Treppenpolygone und deren funktionentheoretische Anwendung. 55
drate, diejenige der Beziehung ^ (x | I <^ii i ^*12)
für das zweite und folglich auch für das (den Konvergenz-
hereichen dieser Reihen gleichfalls gemeinsame) dritte Quadrat
des zweiten Parallelstreifens. So fortschließend findet man,
daß die obige zweite Folge von Potenzreihen für den zweiten
und dritten Parallelstreifen eine daselbst eindeutige und regu-
läre analytische Funktion definiert, welche im zweiten Parallel-
streifen mit der bereits durch die erste Serie von Potenzreihen
definierten vollständig übereinstimmt. Und durch Fortsetzung
dieses Verfahrens läßt sich schließlich das ganze Rechteck 11'
mit einem System von Potenzreihen belegen, deren Konvergenz-
bereiche sich in analoger Weise teilweise überdecken. Dabei
hat man nur bei der Ausdehnunor der Entwicklungen auf den
obersten Parallelstreifen, falls nicht zufällig d' — d sein sollte,
vielmehr der (allgemeine) Fall d' < d eintritt, das Verfahren in
der Weise zu modifizieren, daß man als Mittelpunkte der be-
treffenden Potenzreihen-Entwicklungen nicht die auf der letzten
Teilungs- Horizontalen gelegenen Gitterpunkte, sondern die-
jenigen benützt, die auf einer im Abstande d zur oberen Seite
des Rechtecks R' gezogenen Parallelen liegen (in der Figur
die Punkte . . . d„_j).
Die Gesamtheit der so hergestellten Potenzreihen definiert
eine im Innern und auf der Begrenzung von R' eindeutige
und reguläre analytische Funktion / (a;). Zu jeder Stelle von
R' gehört ein und nur ein bestimmtes Funktionselement und,
auf Grund des oben näher beschriebenen Ineinandergreifens
der verschiedenen Potenzreihen, ist jedes andere auf jedem
beliebigen, dem Bereiche R' angehörenden Wege daraus ab-
leitbar. Insbesondere kann das nunmehr der Stelle zuge-
hörige Funktionselement kein anderes sein, als die ursprünglich
vorgelegte Potenzreihe ^o)- Denn auf dem speziellen
Wege, welcher zuerst dazu diente, ']3o(iC a:^) in ‘j? (yj rt,j) über-
zuführen, ließe sich bekanntlich — allenfalls mit Einschal-
tung geeigneter Zwischenpunkte — auch die Rückbildung von
'ß(a; a„) in 'ißo(^ Xg) bewerkstelligen. Da es ferner freisteht,
den mit d bezeichneten .Abstand von R' und R unbegrenzt
56
A. Pringsheim
zu verkleinern, so ist damit der oben ausgesprochene Satz
zunächst für das Innere eines Rechtecks bewiesen.
Es hat keine Schwierigkeit, das zur Definition von f{x)
angewendete Verfahren auf den Fall auszudehnen, daß der
Bereich, in dessen Innern die gemachten Voraussetzungen gelten
sollen, durch Ansetzen eines , freien Endstücks* vergrößert
wird, also eines Rechtecks, welches mit dem ursprünglichen
eine Seite ganz oder teilweise gemein hat. Man hat dann nur,
nachdem fix) in dem einen, als Anfangshereich angesehenen
(in den heigegehenen Figuren mit 1 hezeichneten) Rechteck
definiert ist, einen gewissen Parallelstreifen dem benachbarten
Rechteck, soweit es an die eine Seite des ursprünglichen an-
•stößt, hinzuzufügen und die daseihst bereits bestehende Defi-
nition von f (x) auf das Rechteck 2 (Fig. XII) hzw. das Teil-
rechteck 2 (Fig. XIII, XIV) auszudehnen und eventuell das
analoge Verfahren zur weiteren Fortsetzung von f(x) über das
Teilrechteck 3 bzw. 4 anzuwenden.
XIV
3 2 4
I
Um nun schließlich den ausgesprochenen Satz für ein
beliebiges Treppenpolygon II zu beweisen, denke man sich
dasselbe auf Grund des im vorigen Paragraphen abgeleiteten
„Hauptsatzes“ in ein Kernrechteck und eine Anzahl sukzes-
sive daran anzusetzender freier Endstücke zerlegt. Ist dann
das Funktionselement ^^(^c arg) in einem der einzelnen Teil-
rechtecke vorgelegt, so hat man dasselbe auf irgend einem
das betreflPende Teilrechteck mit dem Kernrechteck verbinden-
den, im Innern von II verlaufenden Treppenwege bis in das
Treppenpolygone und deren funktionentheoretiscbe Anwendung. 57
Kernrechteck fortzusetzen. Hierauf läßt sich nach dem oben
gelehrten Verfahren f{x) zunächst für das Kernrechteck ein-
deutig definieren, und diese Definition kann sukzessive über
sämtliche Teilrechtecke von TI in eindeutiger Weise fortge-
setzt werden. Daß die so definierte, im Innern von TI ein-
deutige und reguläre Funktion f {x) in der Umgebung der
Stelle Xq mit dem ursprünglich gegebenen Funktionselement
'13(0; iCß) übereinstimmt, folgt dann genau so, wie oben für
den Fall des Rechtecks.
Damit ist der fragliche Satz vollständig bewiesen.
58
Nachtrag zu der vorstehenden Abhandlung.
Von Alfred Pringsheim.
Vorgetragen in der Sitzung am 6. März 1915.
1. Wie ich schon in einer der vorstehenden Abhandlung
während der Drucklegung hinzugefügten Fußnote (s. p. 45)
hervorgehoben habe, findet sich in dem Handbuche des mathe-
raathischen Unterrichts von W. Killing und H. Hovestadt,
Bd. (1910) die von mir bisher vermißte Ergänzung zu dem
Beweise des Satzes, daß die Summe der inneren Winkel eines
beliebigen w-Ecks (n — 2)ji beträgt. Nachdem ich inzwischen
von den bezüglichen Auseinandersetzungen genauere Kenntnis
genommen habe, scheint es mir zweckmäßig, daran noch die
folgenden Bemerkungen zu knüpfen.
A. a. 0. p. 66 ergibt sich der Satz: In jedem einfachen
Polygon^) läßt sich mindestens eine gans im Innern
verlaufende Diagonale (d. h. zwei nicht benachbarte Eck-
punkte verbindende Gerade) ziehen. Hieraus wird dann
durch vollständige Induktion erschlossen, daß es in jedem ein-
fachen w-Eck mindestens ein System von {n — 3) im Innern
verlaufenden und daselbst sich nicht schneidenden Diagonalen
gibt, durch welche dann das Polygon in (w — 2) Dreiecke
zerlegt wird. Man erkennt nun aber des weiteren durch die-
selbe Schlußweise, wie sie beim Beweise des Lehrsatzes IV
über Treppenpolygone angewendet wui'de (s. p. 49), daß immer
') Ein Polygon heißt einfach, wenn jede Seite außer den beiden
mit den zwei benachbarten Seiten gemeinsamen Eckpunkten keinen
weiteren Punkt mit irgend einer anderen Seite gemein hat. Bei dieser
Terminologie wären also die bisherigen , Treppenpolygone“ als ein-
fache zu bezeichnen.
Nachtrag zu der vorstehenden Abhandlung.
59
mindestens zwei Teildreiecke vorhanden sein müssen, deren
Begrenzung nur je eine Diagonale, also je zwei Polygon-
seiten enthält (entsprechend den zwei abschneidbaren freien
Endstücken beim Treppenpolygon), und daraus folgt dann
wiederum die Möglichkeit, jedes einfache Polygon durch suk-
zessives Ansetzen von Dreiecken an ein Kerndreieck in der
Weise zu erzeugen, daß jedes neu anzusetzende Dreieck nur
längs einer Seite mit dem bereits vorhandenen Komplex zu-
sammenhängt. Um dieses Ergebnis zur Übertragung des in § 3
der vorigen Abhandlung für ein Treppenpolygon bewiesenen
Weierstraßschen Satzes auf ein beliebiges einfaches Po-
lygon zu verwerten, hätte man den entsprechenden Beweis
also nur für ein Dreieck zu führen. Dies läßt sich aber, in
den Einzelheiten der Ausführung zwar etwas weniger einfach,
jedoch prinzipiell in derselben Weise bewerkstelligen, wie es
a. a. 0. für ein Rechteck geschah.
2. Zu dem Weierstraßschen Satze über die Eindeutig-
keit einer durch ein Funktionselement ^o(.'C Xg) für das Innere
eines einfach zusammenhängenden Bereiches B definierten ana-
lytischen Funktion f{x) möchte ich noch die folgenden auf
die Fassung der Voraussetzung sich beziehenden Bemerkungen
machen. Diese Voraussetzung bestand in der Forderung, daß
ajg) auf jedem innerhalb B verlaufenden Wege (bzw.,
was im Effekt auf dasselbe hinausläuft, auf jedem polygonalen
oder auch nur auf jedem Treppenwege) analytisch fortsetzbar
sein sollte. Daraus folgt dann auf Grrund eines bekannten
Satzes über den wahren Konvergenzbereich einer Potenzreihe,
daß für keine der aus '!ßo(a;|a:o) ableitbaren Reihen eine im
Innern von B gelegene singuläre Stelle vorhanden sein
kann, und diese Eigenschaft bildet die eigentliche Grundlage
des weiteren Beweises. Nichtsdestoweniger dürfte es kaum als
zweckmäßig erscheinen, dieselbe, wie manche Autoren tun, von
vornherein in die Voraussetzung aufzunehmen. Will man näm-
lich ausreichend charakterisieren, in wieweit irgend eine Stelle
als singuläre zu betrachten sei, so muß doch gesagt werden,
es solle kein auf beliebigem innerhalb B verlaufenden Wege
60
A. Pringsheim
aus ableitbares Funktionselement eine im Innern
von 1) gelegene singuläre Stelle besitzen^). Diese Fassung
enthält aber im Grunde genommen einen logischen Fehler.
Denn ans der darin enthaltenen Forderung, dafä überhaupt auf
jedem beliebigem (innerhalb JJ verlaufenden) Wege immer
wieder Funktionselemente ableitbar sein sollen, ergibt sich die
Nichtexistenz innerhalb B liegender Singularitäten schon
als notwendige Folgerung, während sie hier als besonderes
Postulat erscheint. Immerhin würde auf diese Weise wenig-
stens nichts geradezu Unrichtiges gefordert. Das letztere ist
dagegen tatsächlich der Fall, wenn die Voraussetzung so ge-
faßt wird^): es solle die (durch das Element ^o) definierte)
Funktion f{x) im Innern von B keine singulären Stellen
haben. Denn der durch das Element ^o(a; x) hei Beschränkung
der Fortsetzungswege auf den Bereich B erzeugte Zweig der
Funktion f{x) kann sehr wohl durchweg eindeutig und regulär
verlaufen, andererseits aber die Funktion fix), bei Fortsetzung
über B hinaus und schließlicher Rückkehr in diesen Bereich,
daseihst beliebige Singularitäten besitzen®).
0 So, dem Sinne nach, bei C. Jordan, Cours d’Analyse 1 (1893),
p. 346. Der Beweis läßt übrigens mancherlei zu wünschen. Erstens
wird es dabei als selbstverständlich angesehen, daß man jedes Polygon
durch Diagonalen in Dreiecke zerlegen könne, derart, daß jedes Dreieck
mit dem nächstfolgenden eine Seite gemein hat, was doch keineswegs
so selbstverständlich ist (vgl. oben Nr. 1 des Textes), zweitens scheint
mir die infinitesimale Betrachtung, welche schließlich zum Beweise des
fraglichen Satzes für den Fall eines Dreiecks angewendet wird, dem
Wesen der Sache nicht recht zu entspi’echen und ermangelt daher der
schlagenden Beweiskraft.
‘^) S. z. B. Harkness and MoiTey, A Treatise of the Theory of
Functions (1893), p. 152.
®) Vgl. das weiter unten gegebene Beispiel (letzter Absatz) Ein
anderes einfaches Beispiel entsprechender Art liefert die Potenzreihe
00
1
(-ir
.la:
j'-i
welche zunächst für { a; | < 1 den Hauptwert von
1
X
1» (1-pa:), also in der
Nachtrag zu der vorstehenden Abhandlung.
61
Im Anschluß an die letzte Bemerkung verdient aber noch
hervorgehoben zu werden, daß ein ähnlicher Vorgang auch
innerhalb des Bereiches B sich vollziehen kann. D. h. es
kann der Fall eintreten, daß bestimmte Innenpunkte von B
bei Fortsetzung von ^o) gewissen (sogar auf unend-
lich vielen, überall dicht liegenden) Wegen sich als Punkte
regulären Verhaltens erweisen, bei der Wahl anderer (sc.
immer nur im Innern von B verlaufender) Wege aber als
singuläre Punkte erscheinen. Hiernach würde es also nicht
genügen, die Voraussetzung für die eindeutige Fortsetzbarkeit
von ^o) Bereich B etwa in der Weise zu fassen:
es solle für jeden Innenpunkt x‘ des Bereiches B ein
Funktionselement 'iß(,(a: . . . x‘) auf irgend einem innerhalb
B verlaufenden Wege aus '110(3: x^ ableitbar sein.
Die generelle Bestätigung für das wirkliche Vorhanden-
sein von Fällen der oben bezeichneten Art liefert ein Blick
auf die Riemannsche Theorie der algebraischen Funktionen,
bzw. auf die Zusaramenhangverhältnisse gewisser Riemann-
scher Flächen (worauf mich Herr Hartogs gelegentlich auf-
merksam gemacht hat). Es erschien mir indessen für das volle
Verständnis des vorliegenden, der elementaren Funktionentheorie
angehörenden Weierstraßschen Satzes und namentlich mit
Rücksicht auf Vorlesungszwecke wünschenswert, ein Beispiel
zu konstruieren, welches ohne jedes kompliziertere Hilfsmittel
das Erforderliche leistet, also eine Potenzreihe explizite anzu-
schreiben, von der sich durch eine Betrachtung sehr einfacher
Art nachweisen läßt, daß sie im Innern eines gewissen Be-
Weierstr aß sehen Bezeichnung ^lg(l-t-a;) darstellte. Das gleiche gilt
auch noch von der analytischen Fortsetzung des obigen Funktionselements
für die ganze längs der reellen Achse von — 1 bis — oo zerschnittenen
Ebene, welche also hier den im Texte immer mit B bezeichneten Bei’eich
vorstellt. Wird nun aber die Funktion weiter fortgesetzt auf Wegen,
die den Schnitt ( — 1, — co) beliebig oft in der einen oder in der anderen
Richtung überschreiten, so entstehen Funktionszweige von der Form
-\- x) + die an der Stelle x = 0 einen Pol haben.
62
A. Pringrsheim
reiches B nach jedem Punkte analytisch fortsetzbar ist und
dennoch keine in B eindeutige analytische Funktion definiert.
3. Wir betrachten die dreiwertige Funktion y = f{pc),
welche definiert wird durch die kubische Gleichung:
(1) f-2y-2x = Q.
Die Cardanische Formel liefert alsdann für die drei Werte
von f\x) die Ausdrücke:
y^ = f^{x) = V V I ^ X — V 1^1 + — X
(2)
= u — V
y., = f^{x) = au ~ a^v I
yz = U{x) = a^u — av )
wo: a = e
2^1
^ ^ 3
— e
i -T I
~3~
Dabei sind zunächst für a: | < 1 unter den Radikalen die
Hauptwerte der betreffenden AVurzeln zu verstehen, also speziell:
(3)
W)
/;(0) = a — a2 = dKs
— a = — i-KS.
Die Funktion f{x) besitzt, wie die Substitution x =
1
lehrt, in x = oo einen Verzweigungspunkt, in welchem alle
drei Werte der Funktion zusammenfallen. Da andererseits die
Radikanden x^ ± x für kein endliches x verschwinden, so
kommen als etwaige weitere Verzweigungspunkte von f{x) nur
diejenigen von Vl~+ x^, also die Stellen a: = i und x = — i
in Betracht. Um das A'^erhalten von f(x) in der Umgebung
dieser Stellen zu untersuchen, machen wir die Substitution:
(4) a; = i*sini9, also: 1 1 + = cosi5>,
so daß die Beziehungen (2) in die folgenden übergehen:
(5)
fi{x) — 2 i • sin
d
f^{x) = 2i- sin
d-\-2 7l
fi (x) = 2i sin
^ — 271
Nachtrii" zu der vorstehenden Abhandlung.
63
Es beschreibe jetzt 0^ den folgenden Weg: von 0 positiv
bis ^ — I d [, wo I d > 0 beliebig klein, sodann auf einem Halb-
kreise mit dem Radius d von ^ — |d| bis ^4- |d|, schließ-
lieh wieder reell positiv wachsend bis ti. Da
d^_
4! ■■■’
sin ± (3^ = cos d = 1 — -j-
so wird X für 0<i?< — — |d den rein imaginären Weg von 0
bis i • cos d| durchlaufen. Da ferner cosd für hinlänglich kleine
. d^ .
jd sich näherungs weise verhält wie 1 — so wird, wenn d
di
7t
einen Halbkreis mit dem Radius |d’ um beschreibt, a;(=i-cosd)
di
eine nahezu kreisförmige geschlossene Kurve um den Punkt i
beschreiben und sodann vom Werte i • cos d wieder nach 0
7t
zurücklaufen, wenn d- von ^4-|d| bis wächst. Läßt man
di
(lediglich der größeren Einfachheit der Notierung halber) d
gegen Null konvergieren, zieht also den von x beschriebenen
Schleifenweg in den Weg (0, i, 0) zusammen, so ergibt sich
mit Rücksicht auf die Beziehungen (5)
/ , . 71 . 571
I und wegen : sin — = sin —
das folgende Schema:
X = 0
(A)
# = 0
fl (x) = 0
f^{x) = i-K3
1
2’
/sC^) = —i
VI — 2i
. 71 . 2,71
Sin - = Sin —
0
7t
i- K3
0
-i-Ks.
Die Stelle x=i ist daher ein Verzweigungspunkt nur
für /j (a;) und f.2{x), dagegen nicht für f^{x).
04
A. Pringshelm
Analog ergibt sich für negative -& bzw. negativ imaginäre
Werte von x das Schema:
a; = 0 — i
0
r9 = 0 '
7t
2
/; (a;) = 0 —i
- M/3
(2 {x) — i- Y‘6 2 i
i ■ 1/3
f3(.x)== — i-V-6 —i
0,
so daß die Stelle x— — i nur für fi{x) und f^ipc), nicht aber
für f^ix;) als Verzvveigungspunkt erscheint.
Nun lassen sich aber die für lx;<l bestehenden Potenz-
reihen-Entwicklungen von fi{x), f^{x) leicht angeben.
TI TZ
Für reelle des Intervalls — — <»?<— und beliebige reele A
Li
bestehen bekanntlich die Reihendarstellungen ^):
(^5)
(7)
sin A (? = A ■ sin# “t" ~ sin®#
o .
;.# = l-|;sin®#+'ie^>si„®#
cos
^ ^ 'sin®i‘>-l
Setzt man speziell A = ^ und substituiert in (G) mit Rück-
X
sicht auf Gleichung (4): sin (9 = -r, so ergibt sich auf Grund
z
der ersten Gleichung (5):
‘) S. z. B. Scblömilch, Algebr. Analysis (4. Aufl. 1868), § 60 (p. 263),
Gl. (18), (16). — Hattendorf, Algebr. Analysis (1877), §47 (p. 133),
Gl. (7), (8) . . . Auch: Stolz-Gmeiner, Einl. in die Funktionentbeorie,
II (1905), p. 383, Gl. (18), (19), (wenn daselbst arcsin .r = ^ gesetzt wird).
Nachtrag zu der vorstehenden Abhandlung.
65
wo:
(8) = |
/, (x) = (a:) = 2^(x),
(I2.32-I) /a:Y (12.32-1)(32.32-1)
3! 5!
zunächst für reelle x des Intervalls — 1, dann aber
wegen des analytischen Charakters von /", {x) ohne weiteres für
komplexe x des Bereiches a: , ^ 1 .
Man hat ferner:
ß ± 2.-r
sin
Substituiert man auch in Gleichung (7): sin (? = — und
%
bezeichnet die für A = | resultierende Potenzreihe mit
so daß also:
(9)
C(a:) = l +
1 /a^Y (22.32— 1) fxy
2!V3y'^ 4! \‘d)
(22.32 — 1)(42. 32 — 1)
6!
ß
4 — »
so ergibt sich weiter mit Berücksichtigung von (5) :
f,(x) = 'p,(a:) = - + i- 1/3 • Q{x)
/j (x) = U, (x) = - U W - i • 1/3 • « (X) .
Aus den vorausgeschickten Betrachtungen über das Ver-
halten von f\(x), f2{x), fsix) in Bezug auf die Stellen a; = ± i
folgt dann, daß für das Funktionselement 'iß, (a:) die beiden
Stellen x — ±i singuläre sind, dagegen für die
Stelle x = i, für ^3(3;) nur x = — i.
Bedeutet also B irgend einen einfach zusammenhängenden
Bereich, der die beiden Stellen x = ±i im Innern enhält, so
wird das Funktionselement ‘iß, (a:) bei analytischer Fortsetzung
über einen den Punkt x = i einmal umlaufenden Schleifenweg,
wie das Schema (A) zeigt, in iß.2(a:) übergehen. Wird sodann
vom Punkte i aus ein Schnitt längs der imaginären Achse in
5
Sitzungsb. d. math.-pliya. Kl. Jahrg. 1915.
66 A. Pringsheim, Nachtrag zu der vorstehenden Abhandlung.
der Richtung nach oben gezogen, so existiert in dem so zer-
schnittenen Bereich B‘ für keine singuläre Stelle, und
es ist daher (a:) auf jedem beliebigen innerhalb JB‘ verlaufen-
den Wege analytisch fortsetzbar. Das analoge findet statt, wenn
man “ißj (a;) durch analytische Fortsetzung über einen die Stelle
x = - — i umlaufenden Schleifenweg zunächst in 'ißgCa;) überführt
(s. das Schema (B)) und sodann einen Schnitt vom Punkte — i
n der negativen Richtung der imaginären Achse führt.
Es zeigt sich also, daß das Funktionselement 'ißj(a;) auf
unendlich vielen überall dicht liegenden Wegen nach jedem
inneren Punkte von B analytisch fortsetzbar ist, ohne indessen
einen im Bereiche B eindeutigen und regulären Zweig
einer analytischen Funktion zu definieren.
Schließlich sei mit Rücksicht auf eine in Nr. 2 (s. p. 60
am Schlüsse und Fußn. 3) gemachte Bemerkung noch folgendes
erwähnt: Enthält der Bereich B nur eine der Stellen x = ±.i
im Innern, z. B. nur die Stelle a; = i, so definiert offenbar das
Funktionselement ißg (a;) einen im Innern von B eindeutigen
und regulären Funktionszweig, obschon der Bereich die
singuläre Stelle i der betrefl'enden analytischen Funktion
im Innern enthält.
67
Eine neue Lösung der Grundaufgabe der
Luftphotogrammetrie.
Von S. Finsterwalder.
Vorgetragen in der Sitzung am 6. März 1915.
Die Grundaufgabe der Photogramnietrie, von der hier die
Rede ist, betrifft die Wiederherstellung des dargestellten Gegen-
standes aus zwei Bildern, die mit bekannten Apparaten (bekannter
innerer Orientierung) aufgenonnnen wurden, deren Standpunkte
aber unbekannt sind. Zur Wiederherstellung der Form des
auf beiden Bildern dargestellten Gegenstandes reichen diese
Bilder auch ohne jede Kenntnis der Standpunkte aus, ja die
Standpunkte können in ihrer Lage zu dem Gegenstände mit-
bestimnit werden.^) Nur um die Größe des dargestellten Gegen-
standes festzulegen, ist eine Längenabmessung an ihm not-
wendig. In den meisten Fällen, insbesondere bei Geländeauf-
nahmen, ist es jedoch nicht bloß die Größe und Form des
dargestellten Gegenstandes, die man haben will, sondern auch
noch die Lage gegen die Lotrichtung, ohne deren Kenntnis
die gefundene Geländeform fast wertlos wäre. Dazu braucht
man aber die Lage und Höhe dreier Punkte des zu findenden
Geländes und man kann die Kenntnis derselben als notwendige
Voraussetzung für die Lösung der Grundaufgabe in einem
solchen Falle ansehen. Ist diese Voraussetzung gegeben, so
ist die Lösung vom theoretischen Standpunkt aus ganz wesent-
S. Finsterwalder, Die geom. Grundlagen der Photogrammetrie.
.Tahre.sber. der Deutsch. Math. Vereinigung, 6. Bd., 1899, S. 15.
5*
68
S. Finsterwalder
lieh vereinfacht. Während man im anderen Falle die Grund-
aufgabe bloß auf die vom theoretischen Standpunkt aus fast
hoffnungslos verwickelte Aufgabe, zwei sphärische Fünfecke
auf der Kugel perspektiv in Bezug auf ein Zentrum zu legen,
zurückführen kann,^) hat man bei der genannten Voraussetzung
nur zweimal die Aufgabe 4. Grades zu lösen, welche in dem
räumlichen Kückwärtseinschneiden eines Standpunktes nach den
drei gegebenen Festpunkten besteht“) und kann dann mittels
der ganz elementaren Methode des Vorwärtseinschneidens den
abgebildeten Gegen.stand punktweise wiederherstellen. Alle
hiezu nötigen Verfahren sind längst ausgearbeitet; allein, wenn
man sie mit der wünschenswerten Genauigkeit anwenden will,
erfordern sie trotz mancher Vereinfachung im einzelnen im
ganzen doch sehr viel Mühe und Zeit, so daß nur selten der
Wert des Erzielten mit dem dazu nötigen Aufwand in ent-
sprechendem Verhältnis steht. Auch dort, wo der schließliche
Wert des Ergebnisses außer Frage steht, schon, weil es auf
anderm Wege gar nicht zu erzielen ist, bildet die zu seiner
Erzielung notwendige Zeit ein ernstes Hindernis. Außerdem
wird die Genauigkeit der lotrechten Abmessungen des Gegen-
standes vielfach dadurch ungünstig beeinflußt, daß sie aus den
Differenzen großer Zahlen, nämlich der Höhenunterschiede des
gesuchten Punktes gegenüber den Standpunkten hervorgehen,
wodurch mindestens die Anforderungen an die Rechengenauig-
keit unliebsam gesteigert werden. Allen diesen Mißständen
geht das folgende Verfahren aus dem Wege, das vorläufig für
solche Verhältnisse ausgearbeitet wmrde, bei denen Bilder kleinen
Gesichtsfeldes vorliegen, wie sie z. B. die heutzutage allein
anwendbaren lichtstarken Apparate für Flugzeuge und Lenk-
ballone zulassen. Unter Voraussetzung einen kleinen Gesichts-
feldes versagen übrigens praktisch die früheren Methoden, welche
auf der gegenseitigen Orientierung zweier Bilder mittels der
*) S. Finsterwalder, Eine Grundaufgabe der Photogrammetrie. Ab-
handlungen d. K. B. Akad. d. Wiss., II. KL, 22. Bd., 2. Abt., 1903,
S. 231 Anmerkung.
*) Vgl. das Zitat auf der vorigsn Seite.
Eine neue Lösun^ der Grundaufgabe der Luffpliotogrammetrie.
gegnerischen Kernpunkte beruhen, während das ßückwärts-
einschneiden noch immer genügend genaue Ergebnisse zuläßt.
Wir wollen zunächst das Verfahren für den einfachen Fall
auseinandersetzen, wo die drei Festpunkte in einer wagrechten
Ebene liegen und die Änderungen, die für den allgemeinen
Fall nötig werden, am Schlüsse angeben. Das Verfahren be-
steht aus zwei Teilen: Erstens die Aufsuchung der Standpunkte
durch Rückwärtseinschneiden , zweitens die Herstellung des
Gegenstandes durch Vorwärtseinschneiden. Für beide Teile
kann man mit Erfolg eine optisch-mechanische Projektionsart
heranziehen, die von dem ideenreichen Verfechten der Luft-
photogrammetrie Th. Sc heim pflügt) stammt und welche ich
kurz als Scheimpflugprojektion bezeichnen will. Sie beruht
darauf, daß ein richtig zeichnendes Weitwinkelobjektiv jede
Ebene scharf und perspektivisch richtig in eine bestimmte andere
ihr konjugierte Ebene abbildet, deren Lage einfach anzugeben ist.
Es sei 0 die Linse mit ihren
Brennpunkten und B.^ und
es sei der Einfachheit halber
angenommen, daß ihre beiden
Hauptpunkte in 0 zusanimen-
fallen. Die Brennweite sei: OB^
— OB.^ = f\ die Punkte und
befinden sich auf der opti-
schen Achse in doppelter Brenn-
weite. Die Linse bildet dann die
Ebene durch senkrecht zur
Achse kongruent in die paral-
lele Eben« durch A^ und z. B.
den Punkt 6'j in C.^ ab. Der in
der Brennebene gelegene Punkt
F’j geht in den unendlich fern
Die Herstellung von Karten und Plänen auf photographischem
Wege. Sitzungsber. d. K. Akad. d. Wiss. in Wien, math.-naturvv. Kl.,
114. Bd., Abt. II a, 1907, S. G.
In Fig. 1 ist der Bogen 0 V aus Versehen angezogen, statt punktiert.
70
8. Fi nstei' Widder
gelegenen Punkt Gerade in parallel zu
OF^ über. C^F^ und schneiden sich im Punkte S und
es ist SFy — F^C.^. Gleich wie die Geraden C^F^ und C^F.^
in der Zeichenebene bilden sich auch die durch sie gehenden,
zur Zeichenebene senkrecht stehenden Ebenen durch die Linse
ineinander ab. Sie sind ein Paar konjugierter Ebenen und
können leicht mechani.sch mittels folgender V'orrichtungen mit-
einander in Verbindung gebracht werden. Man macht die
Ebenen um Achsen durch bzw. C.^ senkrecht zur Zeichen-
ebene drehbar. Diese Achsen werden parallel auf den Ge-
raden Aj C, und geführt und außerdem werden Cj und
6*2 durch eine symmetrische , Nürnberger Schere“ mit dem
Drehpunkt in 0 miteinander verbunden. In der Fortsetzung
der Ebenen sind geschlitzte Schienen, die einen Stift S um-
schließen, der selbst wieder auf einer Geraden OS senkrecht
zur optischen Achse der Linse geführt wird. Trägt nun die
Ebene Cj F^ ein Negativ und die Ebene F^ einen Projek-
tionsschirm, so wird die Linse innerhalb ihres nutzbaren Bild-
winkels (60° — 90") eine scharfe, perspektivisch richtige Projek-
tion liefern. Das Negativ kann dabei in seiner Ebene beliebig
verschoben und gedreht werden. Die Scheimpflug-Projektion
gibt (natürlich mit Rücksicht auf die praktischen Grenzen)
sämtliche cß® der Form und Größe nach verschiedenen Perspek-
tiven eines ebenen Objektes. Die Lage der Ebene 6\ F^ ist
offenbar von zwei, jene des Negativs in der Ebene von drei
Größen abhängig. Ist von dem Aufnahmeapparat die innere
Orientierung, also Hauptpunkt und Bildweite der damit er-
zeugten Bilder bekannt, so kommen von den co® Perspektiven,
die die Scheimpflug-Projektion gibt, nur oo* in Betracht, da
ein vorgegebenes Strahlenbündel ja nur von oc^ Ebenen ge-
schnitten werden kann. Man muß also die Beweglichkeit der
vorhin geschilderten Koppelung von Negativ- und Schirmebene
vermindern , wenn man die Projektion auf jene Fälle ein-
schränken will, die bei der Auinahme mit einem bekannten
Apparat allein möglich sind. Wir w'ollen zuerst die einfachen
Zusammenhänge zwischen den Abmessungen des Projektions-
Kine neue lyösun«^ der Cirund:iuf<(:il)e der liuftphotogrammetrie.
71
apparates und den Angaben über die Art der Bildaufnahme
kennen lernen. Es werde eine Kamera von der Bild weite F
aus der Höhe Ji unter der Neigung a gegen die wagrechte
Ebene der drei Festpunkte gerichtet. Die Figur 2 bezieht sich
auf die Hauptvertikalebene der Aufnahme. 31 sei der Auf-
nahmestandpunkt, A der Hauptpunkt der photographischen
Platte, also 31 A die optische Achse der Aufnahme und zu-
gleich die Bildweite F. Dem Punkte K entspricht die Schnitt-
linie der Bildebene AHK mit der Ebene der Festpunkte, dem
Punkte F[ der Horizont der Aufnahme. Die Entfernungen KH
und KN = H3I des Horizonts H und der Verschwindungs-
linie N von der Schnittlinie K drücken sich durch h und a
folgendermaßen aus :
31 N = HK = h : cos a NK = 31H= F-. cos a
AH = F ■ iga.
ln der Scheimpflug-Projektion Fig. 1 entspricht der Punkt F’
dem Punkte H, der Punkt G.2 dem Punkte N, und der Punkt K
dem Punkte S. Damit nun die Scheimpflug-Projektion die
Abbildung der Festpunktebene auf die Bildebene der photo-
graphischen Kamera wiedergibt, müssen folgende Bedingungen
erfüllt sein. Der Punkt U des Diapositios, welcher dem Haupt-
punkt A der Bildebene entspricht, muß in der Symmetrie-
ebene der Scheimpflug-Projektion (Zeichenebene von Fig. 1)
liegen. Der in der Entfernung F von A befindliche Punkt 31
fällt in der Scheimpflug-Projektion nach V und somit nicht
mit der Projektionslinse 0 zusammen.
72
S. i’insUM Wiililer
Ferner muß sein:
OG,
G.y S
uX
= F,S,=
= 0F,=
= AH =
HK = h: cos a
KK = F: cos «
F-tga.
Da VF^ — YF'^A- (-P’i = F-. cos a ist, so wird es gleich
OF/) und der mit in der Entfernung F verbundene Punkt V
muß so geführt werden, daß stets F^O = F ist. Das ist auf
verschiedene Weise möglich, am sicher-
I sten mit einem sogenannten Frosch-
schenkelmechanismus (Fig. 3), welcher
bewirkt, daß die Punkte OFF, in jeder
möglichen Lage ein gleichschenkliges
Dreieck bilden, wobei auch noch 0 und
F ihre gegenseitige Lage zur Mittellinie
des Systems ohne Durchgang durch einen
Todpunkt des Mechanismus vertauschen
können. Mittels eines derartigen Mecha-
nismus kann ein Gleitschieber, der das
um seinen Hauptpunkt 0, in seiner Ebene
drehbar gelagerte Negativ trägt, am Ende
F seines zu seiner Ebene senkrechten
Fortsatzes F, F so bewegt werden, daß
die Scheimpflug-Projektion nur jene oo=* Perspektiven ergibt,
welche den möglichen Aufnahmen der Festpunktebene mittels
des vorgegebenen photographischen Kamera entspricht. Wird
nun das Dreieck der drei Festpunkte auf dem Projektionsschirm
des Apparates verschiebbar gelagert und das Negativ inner-
halb der noch vorhandenen Möglichkeiten verschoben und ge-
dreht, bis das Bild der Festpunkte auf dem Projektionsschirm
Diese Gleichheit kann auch nach dem bekannten Satze der Per-
spektive eingesehen werden, wonach das perspektivische Zentrum sich
auf einem Kreise mit der Fluchtlinie F^ (Fig. 2) als Achse verschiebt,
wenn die Gegenstandsebene (hier Projektionsschirm) um die Achse der
Perspektive (S in Fig. 1, K in Fig. 2) bei feststehender Bildebene (Ebene
des Negativs) gedreht wird.
Eine neue Lösung der Grundnufgabe der Luftphotogranimetrie. 73
mit dem Dreieck zur Deckung kommt, so hat man durch Pro-
bieren die Perspektive vermittelt, welche bei der photogra-
phischen Aufnahme das Festpunktdi'eieck auf die Platte ab-
bildete. An den Teilungen der Schienen C^ S und S können
die Beträge:
C^S = 2C^F^ = 2h : cos a und C^S=2GC^=^2F-. cos a
abgelesen und hieraus h und a berechnet werden.^)
Macht man in der schließlichen Stellung des Apparates
eine photographische Aufnahme des Projektionsbildes und sorgt
man dafür, dah dabei auch der Hauptpunkt und die (in
der Zeichenebene von Fig. 1 gelegene) Hauptvertikale des Nega-
tivs zur Abbildung gelangt, so kann man vom Punkte auf
dem Projektionsbild der Hauptvertikalen ausgehend unschwer
zum Fußpunkt des Lotes vom Standpunkt auf die Festpunkt-
ebene gelangen, der von um die Strecke: h:tga entfernt
liegt. In ähnlicher Weise läßt sich der zweite Standpunkt
gegen das Dreieck der drei Festpunkte festlegen.
Hat man auf solche Weise die Standpunkte bestimmt und
die Projektionen des Geländes auf die Ebene der drei Festpunkte
von beiden Standpunkten aus photographisch festgelegt, so
gestaltet sich die Wiederherstellung des Geländes folgender-
maßen sehr einfach. Man denkt sich die beiden Projektionen
des Geländes so aufeinander gelegt, daß die Projektionen der
drei Festpunkte sich decken. Wäre das Gelände eben, so müßten
sich die Projektionen sämtlicher Punkte decken. Bei nicht
ebenem Gelände decken sich dagegen nur die Projektionen jener
Punkte, die mit den drei Festpunkten in einer Ebene gelegen
sind. Für die übrigen Punkte fallen sie auseinander, liegen
aber so, daß ihre Verbindungslinie P‘ P“ (Fig. 4) durch einen
festen Punkt K geht, nämlich jenen, in welchen die Verbin-
dungslinie der Standpunkte 310 die Ebene der drei Festpunkte
schneidet. Den Lotriß Pj eines Punktes P auf die eben ge-
b Da sich die Neigung a für kleine Werte aus cos a schlecht be-
stimmt, kann man das Maß von TIiFi = F tg a siur Berechnung von
« verwenden.
71
S. Finsterwalder
nannte Ebene erhält man, wenn man jede seiner beiden Scheim-
pflug-Projektionen P'P" mit dem Lotriß Oj bzw. J/j des zuge-
hörigen Standpunktes 0 bzw. M verbindet und die beiden Ver-
bindungslinien in Pj zum Schnitt bringt. Denkt man sich
endlich über den Lotrissen Oj J/j der beiden Standpunkte diese
selbst nach den vorhin ermittelten Höhen aufcretraffen und
dann mit den Scheirapflug- Projektionen eines Raumpunktes
verbunden, so schneiden sich diese räumlichen Verbindungs-
linien OP' und J/P" in dem gesuchten Raumpunkte P selbst
und die Höhe PPj des Raumpunktes über der Ebene der Fest-
punkte kann unmittelbar abgemessen werden.
M
Die soeben beschriebene Konstruktion ist nur gedacht und
kann in der angegebenen Form praktisch kaum ausgeführt
werden, weil das Übereinanderlegen und Auseinanderhalten der
beiden Scheimpflug-Projektionen nicht gut möglich ist. Ehe
die einfache Abänderung, die zu einer praktischen Konstruk-
tion führt, angegeben wird, soll der Vorgang besprochen wer-
den, den man am besten einhält, wenn die drei Festpunkte
nicht in einer wagrechten Ebene gelegen sind. Es wäre näm-
lich praktisch sehr umständlich, wenn man den theoretisch
einfachsten Weg einschlagen würde, der offenbar darin be-
steht, die Wiederherstellung zuerst in Bezug auf die geneigte
Ebene der Festpunkte durchzuführen und schließlich die ge-
fundene Geländeform so zu di-ehen, daß die Ebene der Fest-
punkte die geforderte Stellung gegen die Lotrichtung einninnnt.
Man verfährt vielmehr besser folgendermaßen: Man wählt eine
Eine neue Lösung der Grundaufgabe der riuftphotograiniuetrie.
7.)
wagrechte Ausgangsebene, deren Höhenlage so angenommen
wird, daß alle vorkommenden Geländepunkte darüber liegen.
In Bezug auf diese Ausgangsebene bestimmt man dann die Lage
der beiden Standpunkte 71/ und 0. Das kann auf dem Wege
der darstellenden Geometrie unschwer geschehen, wenn die
Lage der Standpunkte gegen das Festpunktsdreieck aus dem
Einpassen der beiden Scheimpflug-Projektionen in jenes Drei-
eck vorher bekannt war. Nun werden die gegebenen Fest-
punkte von den neu gewonnenen Standpunkten auf die wag-
rechte Ausgangsebene projiziert und so für jeden Standpunkt
ein neues wagrechtes Festpunktsdreieck gewonnen. Wenn die
Höhen der Festpunkte über der Ausgangsebene klein sind
gegenüber jener der Standpunkte, so werden sich das neue
wagrechte und das ursprüngliche geneigte Festpunktsdreieck
überhaupt nur wenig unterschieden und die geringfügigen
Unterschiede können ohne merklichen Schaden statt aus der
wahren Lage des betreffenden Standpunktes gegen die Aus-
gangsebene auch aus der nur wenig verschiedenen Lage gegen
die ursprüngliche Festpunktsebene bestimmt werden. Man spart
dabei die Konstruktion der Lage der Standpunkte gegen die
Ausgangsebene.
Hat man nun .so auf dem einen oder anderen Wege für
jeden Standpunkt ein neues wagrechtes Festpunktsdreieck er-
mittelt, so wird eine Scheimpflug-Projektion der zugehörigen
Aufnahme auf dieses Dreieck ausgeführt.
Die auf zwei verschiedene Festpunktsdreiecke ausgeführten
Scheimpflug-Projektionen müßten nun für die Herstellung des
Lageplanes so übereinandergelegt werden, daß die Grundrisse
des ursprünglichen Fe.stpunktsdreieckes, aus dem die neuen
durch Korrektion entstanden waren, sich decken. Die weitere
Konstruktion des Lageplanes und der Höhen über der ge-
wählten Vergleichsebene geschieht auf genau demselben Wege
wie vorher; es besteht nur der Unterschied, daß die Fest-
punkte nicht mehr die Höhe Null, sondern die gegebenen
Höhen erhalten.
Wie schon früher erwähnt, ist das Aufeinanderlegen der
76
S. Finsterwalder
beiden Scheimpflug-Projektionen für die praktische Durchfüh-
rung der Wiederherstellung nicht gut möglich, schon aus dem
Grunde, weil man die Projektionen auf Glas als Diapositive
hersteilen wird. Das einfache Mittel zur Überwindung dieser
Schwierigkeit ist in Fig. 5 angedeutet. Man verschiebt die
beiden Scheimpflug-Pi'ojektionen P‘ P“ aus ihrer Deckstellung
parallel zu sich selbst, um verschiedene Beträge P‘ Pö bzw.
P“ Po, so daß sie nebeneinander zu liegen kommen und im
durchfallenden Licht bequem beleuchtet werden können. Durch
einen passenden Mechanismus sorgt man dafür, daß ent-
sprechende Punkte Po und P'o, die durch optische Hilfsmittel
(Lupe mit Fadenkreuz oder Mikroskop) einzustellen sind, wieder
um die genannte Vei'schiebung nach P' und P“ zurückgebracht
werden und dort als Anhaltspunkte für Konstruktion des Grund-
risses durch Vorwärtseinschneiden von den vorher ermittelten
Grundrissen il/j Oj der Standpunkte aus dienen. Sorgt man
noch dafür, daß die beiden parallel zurückverschobenen Punkte
auf einer Geraden durch den Punkt K, den Schnitt der ver-
längerten Standlinie il/0 im Raum mit der Bildebene liegen,
so werden die Lupen, welche zur Punkteinstellung auf den
Scheimpflug-Projektionen dienen, von selber so geführt, daß
sie nur auf solche Punkte zeigen, deren Vorwärtsschnitt nicht
bloß im Grundriß Pj, sondern auch im Raume P selbst ein-
tritt und für die also die Höhe Pj P von beiderlei Stand-
punkten il/ und 0 aus gerechnet gleich groß ausfällt. Mittels
Eine neue Lösung der Grundaufgabe der Luftphotogrammetrie. 77
einer solchen Einrichtung lassen sich dann nicht bloß einzelne
Punkte, sondern auch zusammengehörige Linien ohne erkenn-
bare zusammengehörige Punkte festlegen. Man braucht nur
die eine Lupe Po auf dem ersten Bild V der Linie entlang
laufen lassen, während die andere Pii mit der ihr noch ver-
bleibenden Beweglichkeit auf dem zweiten Bilde der Linie l“
gehalten wird. Durch den Zwang, der P'P" stets durch K
führt, kommen dabei Po und Pö stets auf zusammengehörige
Stellen der Bilder V und l“.
Zum Schlüsse möge noch kurz die Reihenfolge der Ver-
kehrungen aufgezählt werden, die bei der Wiederherstellung
des Gegenstandes aus zwei seiner Bilder nach der angegebenen
Weise zu treffen sind, wobei ich mich auf den Fall beschränke,
daß die Höhenunterschiede des Gegenstandes klein gegenüber
den Höhen der Standpunkte sind.
1. Genähertes Einpassen jedes der beiden Negative auf
das Grundrißdreieck PjCj der 3 Festpunkte HP (7 und Be-
rechnung der genäherten Lage der Standpunkte M und 0 aus
den Ablesungen der Teilungen des Projektionsapparates.
2. Wahl einer genügend tief gelegenen Ausgangsebene und
Aufsuchung der beiden von den genäherten Standpunkten 0
und jSI auf diese Ausgangsebene projizierten Dreiecke A' B‘ ü‘
und A“B“C“.
3. Herstellung der Scheimpflug- Projektionen der beiden
Negative auf die beiden Dreiecke A'B'C, A“ B“ C“ und Be-
rechnung der endgiltigen Lage der Standpunkte gegenüber der
Ausgangsebene aus den Teilungen des Projektionsapparates.
4. Eintragung des Grundrißdreieckes H, P, C'j in jede der
beiden Scheimpflug-Projektionen.
5. Einlegen der beiden Scheimpflug-Projektionen in den
Auftragapparat, wobei die beiden Grundrißdreiecke Hj P, Pj
parallel in der Verschiebungsrichtung P' Pö des Apparates zu
liegen kommen.
6. Einstellung des Auftragapparates auf die Punktepaare
H'i Hö, PöPö, PöPö und Auftrag der parallel verschobenen
S. Finsterwalder, Eine neue Lösung der Grundaufgabe etc.
Punkte auf die Zeichenebeue, daran anscbliefsend Eintragung
der Grundrisse der Standpunkte 0, il/, und Einstellung ihrer
räumlichen Lagen OM sowie des Punktes K auf 0, M.
Nunmehr kann die punkt- und linienweise Wiederher-
stellung des Gegenstandes beginnen. Über die technischen
Einzelheiten des Projektions- und Auftragapparates, sowie über
die Aushilfen, welche bei Unzugänglichkeit des Punktes K ge-
troffen werden können, endlich über die erreichbare Genauig-
keit soll bei anderer Gelegenheit berichtet werden.
Zum Schlüsse sei noch darauf aufmerksam gemacht, daß
die Anwendung des Verfahrens nicht darauf beschränkt ist,
daß für die Festlegung eines jeden der beiden Standpunkte
dasselbe Festpunktsdreieck benützt werden kann. Es ist dann
nur notwendig, die gegenseitige Lage der verwendeten Fest-
punktsdreiecke zu kennen. Ferner läßt sich durch eine unbe-
deutende Erweiterung des Auftragsapparates die Verwendung
von drei und mehr Aufnahmen zur Vervollständigung und
Prüfung der Wiederherstellung eines Gegenstandes, der von
zwei Punkten aus nicht voll eingesehen werden kann, in die
Wege leiten.
79
Zur Theorie der Wirbelschichten.
Von M.ix Lag::illy.
Vorgeleg't von S. Finsterwalder in der Sitzung am 6. März 1915.
Einleitung.
Die Theorie der Wirbelschichten hat Helmholtz in seiner
berühmten Abhandlung^) ,Über Integrale der hydrodynamischen
Gleichungen, welche den Wirbelbewegungen entsprechen“, in
die mathematische Physik eingeführt; in einer zweiten Ab-
handlung „Uber diskontinuierliche Flüssigkeitsbewegungen“
macht er auf die Bedeutung der Wirbelschichten für die Strahl-
bildung in Flüssigkeiten aufmerksam. Das dort gegebene erste
Beispiel einer Strahlbildung läßt aber die Wirbelschicht analy-
tisch nicht in Erscheinung treten, ebensowenig wie die später
von Kirchhoff^) ausgebildete Methode der konformen Abbil-
dung zur Bestimmung der Strahlgrenzen. Beide Autoren be-
trachten eine Stromlinie, längs der die Strömung konstante
Geschwindigkeit und konstanten Druck hat, als mögliche freie
Grenze einer stationären Strömung und schließen auf der anderen
Seite dieser Stromlinie ruhende Flüssigkeit nicht-analytisch an.
Jede in einer Flüssigkeit vorhandene Wirbelschicht bringt
in der übrigen Flüssigkeit ein Geschwindigkeitspotential und
9 Journal für die reine und angewandte Mathematik, Bd. 55, 1858,
S. 25—55.
Monatsberichte der K. Akademie der Wissenschaften, Berlin 1868,
S. 215—228.
Mechanik, 22. Vorlesung.
80
M. Lagally
damit Bewegung hervor, kann also als Ursache der ganzen
Strömung betrachtet -werden. Diese Darstellung ist als Gegen-
stück zu der quellenmäßigen Darstellung einer Flüssigkeits-
bewegung aufzufassen. Von der Bewegung ist die Wirbel-
schicht selbst nicht ausgeschlossen; während die Normalkom-
ponente der Geschwindigkeit an der Wirbelschicht keine Unter-
brechung der Stetigkeit erleidet, ist das für die Tangential-
komponente der Fall. Die Tangentialkomponente der Ge-
schwindigkeit der Wirbelschicht selbst ist dem arithmetischen
Mittel der Tangentialkomponenten auf beiden Seiten gleich.^)
Soll die Wirbelschicht stationär sein und als Grenze eines
Flüssigkeitsstrahles dienen können, so muß ihre Geschwindig-
keit an allen Stellen die gleiche und folglich auch ihre Wirbel-
dichte konstant sein.
Der Grund, warum weder Helmholtz noch Kirchhoff die
Wirbelschichten, die sie doch sachlich zur Erklärung der Strahl-
bildung verwenden, auch analytisch zu ihrer Darstellung heran-
ziehen, liegt wohl in der Umständlichkeit der analytischen Aus-
drücke. Im folgenden ist der Versuch nur für die allerein-
fachsten Formen einer Wirbelschicht, nämlich für geradlinige
und kreisförmige^) ebene Wirbelschichten durchgeführt.
Trotz der geometrischen Einfachheit dieser Strömungen
sind die Ergebnisse nicht uninteressant. Zunächst gelingt es
für einige diskontinuierliche Strömungen , die man bisher in
jedem Teilgebiet durch eine andere Funktion darstellen mußte,
deren Geltungsbereich man willkürlich begrenzte, analytische
Ausdrücke zu finden, die in sämtlichen Teilgebieten gelten.
Erwähnt sei die Bildung eines unendlich langen Strahles in
einer unbegrenzten ruhenden Flüssigkeit, der geradlinig be-
grenzt ist, und eines ruhenden Streifens in bewegter Flüssig-
1) Lamb, Hydrodynamik, S. 71 u. f., S. 252 u. f. Ein Beispiel, die
Bewegung einer Kugel in einer Flüssigkeit, ist S. 254 wirbelmäßig dar-
gestellt.
-) Helmholtz, Über Integrale usw., S. 44.
Geschlossene Strahlformen hat W. Wien dargestellt. Lehrbuch
der Hydrodynamik, S. 115 u. f.
Zur Theorie der Wirbelschichten.
81
keit, der als Idealform des toten Wassers aufzufassen ist.
Ferner die Strömung im Inneren oder Aulieren eines festen
Kreises, sowie in einem ringförmigen Kanal. Da bei diesen
Strömungen das Vorhandensein einer Wirbelschicht die trei-
bende Ursache ist, liegt es nahe, einen Zusammenhang mit
der Prandtischen Grenzschicht^) zu suchen. Dadurch wird die
Frage gestreift, bis zu welchem Grad der Annäherung die
Vorgänge in reibenden Flüssigkeiten durch die Hydrodynamik
einer idealen Flüssigkeit dargestellt werden können. Die An-
nahme, daß in der Grenzschicht durch Reibung an der Wand
Wirbel entstehen können, führt zu einer mathematischen
Unstimmigkeit. Man muß umgekehrt annehmen, daß eine an
der Wand vorhandene Wirbelschicht die Ursache der Reibung
ist, welche nicht vernachlässigt werden darf, wenn man mit
den physikalischen Tatsachen im Einklang bleiben will. Diese
Reibung bewirkt einerseits eine Verringerung der Wirbelstärke
und damit eine Verlangsamung der Potentialbewegung, ander-
seits verursacht sie in bekannter Weise die Ablösung der
Prandtischen Wirbelschicht vom Körper. Es entsteht nun die
Frage, wie sich in einer idealen Flüssigkeit Wirbelschichten
bilden können, was infolge des Lagrangeschen Satzes über die
Konstanz der Wirbelstärke jedes Flüssigkeitsteilchens nicht
möglich zu sein scheint. Eine Lücke im Beweis dieses Satzes
läßt die Möglichkeit der gleichzeitigen Entstehung zweier
Wirbelschichten, die von demselben Punkt ausgehen, erkennen.
Weiter ist der Einfluß einer Störung, die eine periodische
Funktion des Ortes ist, auf eine geradlinige Wirbelschicht
untersucht. Es ergibt sich, daß die Folge eine zunehmende
Verdichtung der wirbelnden Teilchen an einzelnen Punkten
ist, die als Anfang der Bildung einzelner spiralig aufgerollter
Wirbel aufzufassen ist. Man kommt so zu Wirbelreihen, welche
mit den von v. Karman^) untersuchten geometrisch, aber nicht
h L. Prandtl, Über Flüssigkeitsbewegungen bei sehr kleiner Reibung.
Verb, des III. Internat. Math. Kongresses in Heidelberg 1904, S. 484 u. f.
2) Th. V. Karman, Über den Mechanismus des Widerstandes, den
ein bewegter Körper in einer Flüssigkeit erfährt. Nachr. der Ges. der
Sitzungsb. d. matb.-phys. Kl. Jabrg. 1915. 6
82
M. Lagally
der Entstehung nach übereinstimmen. Sie bilden sich gleichzeitig
und ohne jeden Einfluß der Reibung, während die Kärmän-
schen Wirbel nacheinander, durch Aufrollen je eines Stückes
der Prandtischen Wirbelschicht entstehen. Doch ist auch in
diesem häufigeren Fall die Reibung nach der Ablösung der
Wirbelschicht ohne weiteren Einfluß, und in gewissen Fällen,
deren einer von F. Klein') angegeben wurde, kann sich auch
diese Ablösung ohne Reibung vollziehen. Dagegen scheint zu
ihrer Ablösung eine periodische Schwingung des Hindernisses
notwendig zu sein.
Eine kreisförmige Wirbelschicht.
p
Es seien oo viele WirbeP)
gleichmäßig auf dem Umfang eines
Kreises vom Radius a verteilt. Die
auf das Bogenelement ad^ ent-
fallende Wirbelstärke sei wo
k die Wirbelstärke bedeutet, die auf
die Bogenlänge „Eins“ trifft und
einen endlichen Wert haben soll.
Diese Wirbelschicht bringt in
einem Punkt P {x, y) ein Geschwin-
digkeitspotential
C , y — <*sir
1) =
hervor, dessen Wert in den 3 Fällen, daß P auf dem Kreis-
Wissenschaften zu Göttingen 1911, S. 509 u. f. — Th. v. Karman und
H. Rubach, Über den Mechanismus des Flüssigkeits- und Luftwiderstandes.
Physikalische Zeitschrift 1912, S. 49.
') F. Klein, Über die Bildung von Wirbeln in reibungslosen Flüssig-
keiten. Zeitschr. für Mathematik und Physik 1910, Bd. 58, S. 259—262.
Die Bewegung einer endlichen Anzahl von Wirbeln in gleich-
mäßiger Verteilung auf einem Kreis hat J. J. Thomson, A Treat. on the
motion of vortex rings, London 1883, untersucht.
Zur Theorie der Wirbelschichten.
83
umfang, außerhalb und innerhalb des Kreises liegt, untersucht
werden soll. Führt man für P Polarkoordinaten r, (in der
Figur versehentlich & statt ein, so handelt es sich um die
Auswertung des Integrals
2.-t
J
arctg
r sin sin & , „
r cos i7„ — a cos v
1. Wenn r = a ist, wird
0
Das Geschwindigkeitspotential nimmt auf dem Kreis den Wert
2)
cp = Xand^Q — Xaji ' arctg
y
X
an. Würde man im Mittelpunkt des Kreises einen einzelnen
Wirbel von der Wirbelstärke pL = Xa7i anbringen, so brächte
er ein Geschwindigkeitspotential hervor, das auf dem Kreis
vom Radius a mit dem eben berechneten Wert übereinstimmt.
Die kreisförmige Wirbelschicht bewegt sich also in
sich selbst mit konstanterGeschwindigkeitATi, die nur von
der Wirbeldichte A, nicht aber vom Radius des Kreises abhängt.
2. Wenn r>a ist, wird
arctg
r sin 1^0 — a sin
r cos — a cos ??
a
zum Ausgangswert zurückkehren, wenn P den Kreis durch-
läuft, also d' um 2 n wächst. Nun soll als untere Grenze der
Integration der Polarwinkel — n eingeführt werden ; dann wird
!>0
r sin — a sin
r cos Öq — a cos &
d^.
(;•
84
M. Lagally
Dieses Integral wird in zwei Teile zerlegt
1?0 + -1 >'>0 +
1>Q — Jt 1?0 — -T V>0
und im 1. Teil ß = — i?, im 2. Teil ß = ■& — als Inte-
grationsvariable eingeführt; dabei sollen immer Punkte, die
zu 31 P symmetrisch liegen, gleichzeitig betrachtet werden.
Dann wird
ß = 0
r sin — a sin — ß)
J
— J
arctff
(3)
ß = n
° r cos d’Q — a cos (i?o — ß)
dß
ßz=n
+
Jarctg
r sin — a sin -}- ß)
r cos &Q — a cos {&o3- ß)
dß.
ß = 0
Aus der Anschauung oder durch Rechnung erkennt man, dali
, r sin df. — a sin — ß)
arctg JT r?r ;v:
° r cos (/q — a cos (i/ß — ß)
a sin 4- ß)
(4)
ist; also wird
I . rsin(5»o
-j- arctg
= 2
® r cos — a cos (d^ -j- ß) ”
J = f2d^dß = 27id^
ßio
folglich das Potential
5)
9? = 2 A a .-T = 2 A a .-T arctg —
00
Außerhalb des Kreises ist also die Strömung die-
selbe, wie sie ein einzelner Wirbel im Mittelpunkt
des Kreises, in dem die ganze Wirbelstärke 2/a7i vom
Umfang des Kreises vereinigt wäre, hervorbringen
würde.
3. Wenn r < a ist, wächst
r sin dn — a sin d
arctg
r cos #0 — a cos d
um 2 Ji, wenn d um 2 n wächst.
Zur Theorie der Wirbelschichten.
85
Die Gleichung (3)
ß =.71
ß = o
r sin — a sin — ß)
r cos — a cos (//q — ß)
“t" arctg
r sin — a sin + ß)
r cos — a cos -j- ß)
dß
bleibt zwar erhalten; aber die Summe der beiden arctg hat
den Wert 2 wie in (4), nur so lange 0 <C. ß ist; für
größere Werte von ß, für welche ß <_ n ist, hat sie den
Wert 2 2 Ji. Also wird
J = J 2 §odß + J (2 r\-ß27i)dß = 2 7i\
/? = ü ß=l>Q
Das Potential nimmt den konstanten Wert
b) 9? = 2lan^
an; daraus folgt, daß die Flüssigkeit im Innern des von
der Wirbelschicht gebildeten Kreises in Ruhe bleibt.
Gleichung (1) kann also als Potential der Zirkulation
um ein kreisförmiges Hindernis aufgefaßt werden; und
zwar stellt sie als Ursache der Bewecpunor die Wirbel-
O c5
Schicht hin, die am Rand des Hindernisses auftritt.
Daß die Zirkulationsgeschwindigkeit, die unmittelbar außerhalb
der Wirbelschicht den Wert 2X71 hat, an der Wirbelschicht
selbst sprungweise auf die Hälfte sinkt, steht in Übereinstim-
mung mit der Helmholtzschen Theorie.^) Die wirbelnden
Flüssigkeitselemente verhalten sich wie kleine Räder, die auf
dem festen Kreis rollen und auf denen die wirbelfreie Flüssig-
keit mitgeführt wird.*)
In ähnlicher Weise läßt sich die Bewegung im Innern
eines Kreises darstellen. Setzt man
1) Helmholtz, Über Integrale usw., S. 43, 44.
*) Dieser Vergleich findet sich auch bei Lanchester, Aerodynamik,
Bd. I, S. 118 im Anschluß an W. Thomson, ist dort aber mehr durch
Anschauung als durch die mathematische Untersuchung begründet.
86
M. Lapally
2.-r
r. 1 , V 1 r , y — asin?9
7) (T = 2?. a 71 arctg ^ — Xa I arctg d d,
’ ^ J °x — acos79
0
so hat man im Mittelpunkt des Kreises einen Wirbel von der
Stärke 2Aa7i; die gleiche Wirbelstärke ist, mit entgegen-
gesetzter Drehrichtung, auf der Peripherie des Kreises vom
Radius a verteilt. Im Innern des Kreises herrscht nur die
Bewegung, die der Wirbel im Mittelpunkt hervorbringt; außer-
halb ist die Flüssigkeit in Ruhe. Die Wirbelschicht selbst
bewegt sich mit der halben Geschwindigkeit wie die Flüssig-
keit an ihrem inneren Rand.
Verteilt man auf zwei konzentrischen Kreisen von den
Radien und gleiche Wirbelstärken von entgegengesetzter
Drehrichtung, so erhält man die Bewegung in einer Ring-
fläche. Es sei
2aj Ti/.j = — 2 »2 ^-2 =
_ _ . _ JI
/.j aj /g ^2 9 ^ ’
so nimmt das Potential
2.1
«’= 2.,
, V — a, sin d
arctg^ * - „
x—a^cosv
d&
folgende Werte an:
y
(p =
y
— .1/ arctg -}- M arctg — = 0
_ M
2
- 3171
y
y
M
im Außenraum
y auf dem äuße-
arctg — 4- 21 arctg =4- ^ arctg — •
^ X ^ X 2 ^ X ren Kreis
21 arctg —
im Ring
, , y
+ 2
- 2171
-2171 2r =0
wenn > Oj vorau.sgesetzt ist. Die Geschwindigkeit ist im
auf dem inne-
ren Kreis
im Innenraum,
Zur Theorie der Wirbelschichten.
87
King dieselbe, die ein Wirbel M im Mittelpunkte bervor-
bringen würde; an den Grenzen sinkt sie sprungweise auf die
Hälfte; im Innen- und Außenraum ist sie Null.
Die Grenzen des so erhaltenen ringförmigen Strahles sind
labil wie alle Wirbelschichten; man kann, um eine stabile Be-
wegung zu erhalten, sich eine Strömung in einem ringförmigen
Kanal vorstellen. Veranlassung der Bewegung bilden nach der
hier entwickelten Theorie die wirbelnden Flüssigkeitselemente,
die auf den Wänden des Kanals rollen. Um die Kluft zu
überbrücken, die zwischen den mathematischen Eigenschaften
einer idealen Flüssigkeit und den physikalischen Eigenschaften
einer reibenden zähen Flüssigkeit besteht, stellt man sich häufig
vor, daß letztere nahezu reibungslos in ihrem Innern ange-
nommen werden darf, während ihre Reibung an den Wänden
nicht vernachlässigt werden darf; sie soll zur Bildung einer
Wirbelschicht Veranlassung geben, während sich Wirbel in
einer idealen Flüssigkeit nicht bilden können. Die jetzt nahe-
liegende Vermutung, daß sich die Wirbelstärke der Randschicht
mit der Zeit infolge der Reibung vermehrt, würde aber zu
einem Widerspruch mit unserer Theorie führen, welche dann
auch eine rascher werdende Zirkulation der Flüssigkeit in dem
Kanal ergeben würde. Wir müssen uns also das allmähliche
Erlöschen der Flüssigkeitsbewegung durch Reibung so vor-
stellen, daß die wirbelnden Teilchen der Randschicht durch
Reibung aneinander oder durch rollende Reibung an der Wand
lebendige Kraft verlieren, und daß mit ihrer Wirbelstärke
auch die Geschwindigkeit der Strömung abnimmt. Also die
Reibung an der Wand veranlaßt nicht die Bildung der wir-
belnden Randschicht — diese ist auch bei nicht reibender
Flüssigkeit vorhanden — sondern sie vernichtet die Wirbel-
bewegung an der Wand und damit die ganze Strömung.
Das häufig vorkommende Entstehen von Wirbeln im Innern
einer reibungslosen Flüssigkeit wäre dann damit zu erklären,
daß sich die randliche Wirbelschicht infolge der durch Reibung
auftretenden Spannungszustände an einzelnen Stellen von der
88
M. Lajfally
Wand ablöst') und dann durch spiraliges Aufrollen in einzelne
Wirbel zerfällt.
Jetzt ergibt sich aber als neue Schwierigkeit die Frage,
wie eine Wirbelschicht in einer reibungslosen Flüssigkeit ent-
stehen kann. F. Klein*) hat darauf aufmerksam gemacht, daß
die Beweise für die Unmöglichkeit des Entstehens oder Ver-
gehens von Wirbeln in einer idealen Flüssigkeit gewisse Stetig-
keitsbedingungen stillschweigend voraussetzen; für die tatsäch-
liche Möglichkeit der Wirbelbildung gibt er folgendes Beispiel.
Ein Ruder, das in eine ideale Flüssigkeit eingetaucht und in
ihr bewegt wird, veranlaßt eine Potentialströmung, deren Ge-
schwindigkeit längs des Ruderblattes auf beiden Seiten ver-
schiedene Richtung hat. Man könnte also, um einen analy-
tischen Ausdruck für diese übrigens einfache und wohlbekannte
Strömung zu finden, an Stelle des Ruderblattes eine Wirbel-
schicht annehmen. Daß diese Wirbelschicht nicht nur analy-
tisch, sondern tatsächlich existiert, zeigt sich beim Heraus-
nehmen des Ruders: Die Wirbelschicht rollt sich zu zwei end-
lichen AVirbeln spiralig auf.
Wenn eine Strömung ein Hindernis umfließt, so gibt es
eine Stromlinie, die auf das Hindernis aufstößt, sich dort teilt
und das Hindernis beiderseits umschließt; zu einer Wiederver-
einigung, die in einer idealen Flüssigkeit stattfinden würde,
kommt es im allgemeinen tatsächlich nicht, weil sich infolge
der Reibung zwei Prandtische Wirbelschichten von dem Hin-
dernis ablösen. Daß die Wirbelschichten auch in idealen Flüs-
sigkeiten existieren, zeigt die Möglichkeit, die Strömung als
Folge des Geschwindigkeitspotentials einer auf dem Rand des
Hindernisses befindlichen Wirbelschicht dai'zustellen. Man kommt
so zu der Vorstellung, die analytisch noch näher zu begründen
wäre, daß jedes Flüssigkeitselement der erwähnten Stromlinie,
das auf das Hindernis aufstößt, dort in zwei wirbelnde Teile
L. Prandtl, Über Flüssigkeitsbewegung bei sehr kleiner Reibung.
Verhandlungen des III. Internat. Matheru. Kongresses in Heidelberg 1904,
S. 484 u. f.
-) F. Klein, vgl. Anmerkung (1), S. 82.
Zur Theorie der Wirbelschichten.
89
von gleicher, der Richtung nach entgegengesetzter Wirbel-
stärke zerfällt.
Von den Beweisen des Lagrangeschen Satzes, wonach die
Wirbelstärke eines Elementes einer idealen Flüssigkeit mit der
Zeit unveränderlich ist, ist der Kelvinsche^) wohl der schärfste.
Er geht von der Tatsache aus, daß die Zirkulation
^[udx vdy wdz]
längs jeder geschlossenen Kurve C, die sich mit der Flüssig-
keit bewegt und dabei in eine Kurve C‘ übergeht, mit der
Zeit unveränderlich ist. Da diese Zirkulation anderseits das
Maß für die algebraische Summe
aller in der Kurve eingeschlos-
senen Wirbel ist, folgt daraus der
Lagrangesche Satz. Doch scheint
die Möglichkeit übersehen worden
zu sein, daß zwei gleich starke,
der Richtung nach entgegenge-
setzte Wirbel in dem gleichen
Punkte entstehen, so daß es nicht möglich ist, vor ihrer Bil-
dung eine geschlossene Kurve zu ziehen, welche nachher nur
den einen der beiden Wirbel umfaßt. Die Entstehung unserer
Wirbelschichten ist also durchaus möglich, obwohl sie einen
Durchbruch des Lagrangeschen Satzes darstellt.
Schwierigkeiten entstehen, wenn man nach der Bildung
der Wirbelschichten eine geschlossene Kurve C zieht, welche
nur Teile der einen Wirbelschicht
enthalten soll, und die Formände-
rung derselben rückwärts verfolgt.
Man erhält dann eine Kurve C,
welche in ihrer Begrenzung einen
Teil der ursprünglichen Strom-
linie enthält. Soll auch jetzt die
W. Thomson, On Yortex Motion, Edinb. Trans. 25, 1869. Vgl.
Lamb, Hydrodynamik, S. 43 und 240.
90
M. Lagally
Zirkulation mit der Zeit unveränderlich sein, so muß man die
Stromlinie als doppelte Wirbelschicht auffassen, schon bevor
sie in 2 Wirbelschichten zerfällt, und die Wirbel der einen
Drehrichtung in C einschließen. Die Vereinigung zvt^eier Wirbel-
schichten in einer idealen Flüssigkeit zu einer Stromlinie wird
nur ausnahmsweise möglich sein, insbesondere dann, wenn sie
durch Trennung aus einer Stromlinie entstanden sind.
Zusammenfassend kommen wir also zu folgenden
Vorstellungen: Wenn eine Stromlinie an einem Hin-
dernis endet, entstehen zwei Helmholtzsche Wirbel-
schichten. Beim Umfließen des Hindernisses ist die
Reibung der Wirbelteilchen nicht zu vernachlässigen;
sie bringt Spannungen hervor, welche die Loslösung
der Wirbelschicht als Prandtische Wirbelschicht zur
Folge hat. Durch Aufrollen der in die Flüssigkeit aus-
getretenen Wirbelschicht entstehen spiralige Wirbel;
diese können sich unter Umständen auch ganz ohne
Mitw'irkung der Reibung bilden, wenn man das Hin-
dernis entfernt.
Eine geradlinige Wirbelschicht.
Die von einer geradlinigen Wirbelschicht hervorgerufene
Bewegung könnte man vielleicht aus dem vorigen durch Grenz-
übergang erhalten; hier soll jedoch die Untersuchung direkt
geführt werden.
Die X Achse sei die Wirbelschicht; das Potential, das sie
hervorruft, ist
8)
cp =
a =: — oc
Durch Anwendung partieller Integration findet man
fp= — Xy
Zur Theorie der Wirbelschichten.
91
Wir berechnen <p zunächst zwischen endlichen Grenzen — c
und c und lassen c hierauf ins Unendliche wachsen:
<p = — lim
x—c y
arctg
y
X — c
{x — cY x-\- c , y , ,
+ arctg^^^-|lg
y‘
y
{x + cf + l/
1,2
“ “ ''"Z™ II x-c-
JL.
X — c
+ arctg
y.
X-\- Cj
(x — cf 4- if
{x + cf + y^
Von den 3 hier auftretenden Grenzwerten ist der letzte Null
lim lg = 0.
c=oo ^ {x + cf-fy^
also
= — Xx lim ( arctff ^ arctg --- I
c = ®V ^x-~c ^x-\-cJ
-|- X lim
C = CO
Der zweite Grenzwert
lim c I arctg
; = 00 \
4- arctg
X — c ° x-\-
y~\
lim c { arctg h arctg ^
c = ® V ^x—c ^
X + cJ
nimmt die Form oo • 0 an ; er ändert sich um eine Konstante c n,
die an der Grenze oo wird, aber auf die Geschwindigkeit ohne
Einfluß bleibt, wenn man statt des Hauptwertes des arctg
y
einen anderen Wert nimmt, arctg ,
^ x±c
x±c
ist an der Stelle
= 0; c = oo in eine Reihe entwickelbar:
(y y \
arctg 1- arctg , )
^ x — c ‘ ^ x-i-cj
lim c ( ^ ^ + Glieder höherer Ordnung ) = 0.
c = oo \x—c x-fc J
92
M. La-jallj'
Somit ergibt sich
9? = — Ix lim 1 arctg — arctg ^ ) .
c = oo\ °x—c x-\-c)
Wenn y positiv ist und der variable Punkt A die x Achse
von “t" 00 bis — 00
durchläuft, nimmt arctg — - — um
71 von
^ x — a
0 bis — 71 ab. Ist
y
y negativ, so nimmt arctg
um 71
° X — a
von 0 bis -f- 71 zu.
Liegt P auf der x Achse selbst.
so ist
V
arctg - - stets Null.
“ x — a
Man hat also 3 Fälle zu unterscheiden
1. 2/ > 0 9? = — Inx
2. y = 0 95 = 0
3. ?/ <C 0 cp = Xjxx.
Die Flüssigkeit strömt beiderseits mit konstanter
Geschwindigkeit der a:Achse parallel, aber in ent-
gegengesetzten Richtungen; auf der a: Achse ist die Ge-
schwindigkeit Null. Die Geschwindigkeit u ist in den 3 be-
trachteten Fällen
l.y>0 U — — X 71
'2. y — 0 u — 0
3. 7/ < 0 U = X 71.
Die Geschwindigkeitsänderung beim Übergang über die
Wirbelschicht beträgt 2X71 und hängt von der Wirbeldichte /
ab; sie hat denselben Wert wie bei einer kreisförmigen Wirbel-
schicht von beliebigem Radius, bei der, wie bemerkt, die Krüm-
mung ohne Einfluß ist.
Durch Überlagerung einer gleichmäßigen Geschwindigkeit
in Richtung der x Achse kann man die Bewegung in der einen
Halbebene aufheben.
cp — X \ arctg ^ da — Xtt x
J ^ X — a
9)
— 00
Zur Theorie der Wirbelschichten.
93
gibt eine Strömung in der positiven Halbebene, die man als
Strömung längs einer Wand auffassen kann, und zwar
1. ^>0 99 = — 2k7ix u = — 2X71
2. y = 0 ff — — Xtix u = — Xtt
3. ^ < 0 9? — 0 M = 0.
Nimmt man 2 Wirbelschichten von gleicher Wirbeldichte,
aber entgegengesetzter Drehrichtung, parallel zur x Achse in
gleichem Abstand ± h, so erhält man ein Geschwindigkeits-
potential
90
<P
“f“ 00 -f- oc
k r arctg da — k f arctg da,
J ^ X — a J ^ X — a
— 00
— 00
das in den verschiedenen Teilen der Ebene die in folgender
Übersicht, die auch die Geschwindigkeiten enthält, angegebenen
Werte besitzt:
1.
y > h
cp =
k7lX-\-k7lX =
0
w — 0
2.
y = Ji
cp =
0 kn X =
knx
U =■ kn
3.
—h<y<h
99 =
knX kn X =
2 knx
U = 2 kn
4.
y = —h
cp =
knx 0 =
knx
u = kn
5.
y <—h
99 =
knx — } nx =
0
M = 0.
Geschwindigkeitsverteilung.
Die Bewegung stellt einen geradlinigen Strahl in
einer unbegrenzten Flüssigkeit dar, und zwar stellt
der analytische Ausdruck wieder die am Rand des
Strahles auftretenden Wirbel als Ursache der Bewe-
gung hin. Einen solchen Strahl kann man sich dadurch ent-
94
M. Lagally
standen denken, dalä man einen sehr langen, von parallelen
Wänden begrenzten Körper in der Flüssigkeit bewegt. Er
stellt eine Idealform des Kielwassers dar, von dem ersieh
vor allem durch seine unendlich große lebendige Kraft unter-
scheidet, die er infolge der Bewegung eines oo langen Körpers
vor ihm her besitzt, dessen Fortsetzung er bildet; auf den Zer-
fall der begrenzenden Wirbelschichten, die in wirklichen Flüs-
sigkeiten sehr schnell eintritt, soll nachher noch eingegangen
werden. Auch die Strömung in einem von parallelen Wänden
begrenzten Kanal von gleichmäßiger Tiefe kann durch obigen
Ausdruck dargestellt sein.
Nimmt man noch eine Parallelströmung in der ganzen
Ebene hinzu, die die Geschwindigkeit des Strahles gerade auf-
hebt, so erhält man einen unbewegten Flüssigkeitsstreifen in
gleichmäßig parallel bewegter Flüssigkeit
9“) 9? = A r arctg ^ da — X farctg ^ ^ — 2X7ix.
t/ CC (X (C ct
Die so dargestellte Strömung gibt eine Idealform des
toten Wassers, wie es sich hinter einem oo langen von par-
allelen Wänden begrenzten Hindernis ausbilden würde.
Anstelle des Geschwindigkeitspotentials könnte man auch
die Geschwindigkeitkomponenten berechnen, welche die Wirbel-
schicht in einem Punkt hervorruft. Man findet für
10)
u =
+ 00
y
{x — af -h xf
— 00
da
V —
+ 00
X — a
- af +
da
ohne nennenswerte Schwierigkeit die schon bekannten Werte
wieder.
Zur Theorie der Wirbelschichten.
95
Einfluss einer periodischen Störung auf eine Wirbelschicht.
Eine geradlinige Wirbelschicht, die in der x Achse ange-
nommen wird, soll durch störende Einflüsse so deformiert werden,
daß an der Stelle x = a ein Ausschlag db — ef(a) entsteht,
wo e eine kleine Konstante bedeutet. Dabei wird, wenn die
Bewegung aus der Anfangslage nicht senkrecht zur Wirbel-
schicht erfolgt, auch die ursprünglich konstante Wirbeldichte
verändert:
X{a) = /u + Eg{a).
Dabei bedeutet fx eine Konstante, g{a) eine Funktion von a.
Das Potential in einem beliebigen Aufpunkt ist dann
00
11) 99= ["(/i -f- («)) arctg ^
c/ OC (t
Die Geschwindigkeitskomponenten sind
u = — Eg (a)) ^ ^ ^
j vr ( (X — af -\-{y — Ef {a)y-
— 00
11')
+ ®
1 (n 4- £ o («)) 7 ^ ^da.
— 00
In einem Punkte der Wirbelschicht selbst ist y = Ef{x);
also ergeben sich als Komponenten der Geschwindigkeit, mit
der sich die Wirbelschicht verändert, die Ausdrücke:
12)
+ *
/„= — j^u + Egia))
(x
E(f(x) — f(a))
ay -f £2 {f {X) — f{a)y
-f-00
JCu + Eg{a)) da.
96
M. La^ally
Die Funktion f{x) ist im Endlichen überall endlich und
stetig vorausgesetzt; also werden die Zähler unter den Inte-
gralen überall endlich sein. Dagegen nehmen die Ausdrücke
unter den Integralen an der Stelle x = a die Form ^ an und
haben dort Pole 1. Ordnung. Denn setzt man
/'(^) — f{a) = {x — a) f{x^&{x — a)) ,
wo 0 < ?? < 1 ist, so wird
^ 1 f{x-\--&{^x — g))
(a; — a)® -j- f ® (/■(a;) — f{a)f x — « 1 -j- -f- (a; — a))
X- — a 1 1
{x — aY-\-£^{f{x) — f[.a)y X — a \ f‘^ {x & {x — a))'
Diese Stellen sind von der Integration auszuschließen ; physi-
kalisch findet das darin seine Berechtigung, daß ein Wirbel-
teilchen für seine eigene Translationsbewegung keine Kom-
ponente beiträgt.
Unter Voraussetzung eines hinreichend kleinen e läßt sich
1
{x — a)® -f £* (fix) — /"(a))®
in eine Reihe entwickeln;
1
(x — a)®
(x — a)® + £® (f(x) — f(a)y
1 _ ,2 p)-Aa)y , (m-f(a)Y _
\ X — a J — a )
Das gleiche gilt dann für und v^. Vernachlässigt man
Glieder, die in e von höherer als 1. Ordnung sind, so erhält man
r f(x) — f(a)
da
+» +x +»
f, , ^ . da r da , rg(a)da
•’• = J xi:- a = ■“ J . - a + ' J ^ a
Zur Theorie der Wirbelschichten.
97
Dabei ist das Integral
-f- 00 -|- 00
- ^5 -f-/2
p da
j X — a
X — a
— ÜO — 00
Ä=oo ~Ii
R=y>
Also ergeben sich für die Geschwindigkeitskomponenten
die endgültigen Ausdrücke
13)
Daraus ist insbesondere zu ersehen, daß «g = 0 ist, wenn
f(a) = f(x) ist an jeder Stelle a = x; dagegen ist ^^=0,
wenn g(a) an jeder Stelle Null ist. Eine transversale Ver-
schiebung der Wirbelteilchen bringt also eine longi-
tudinale Bewegung hervor, und umgekehrt veranlaßt
eine Verschiebung der Wirbelteilchen in longitudi-
naler Richtung einen transversalen Ausschlag.
Es soll jetzt eine transversale Störung untersucht werden,
die eine periodische Funktion des Ortes ist; also sei
f (x) = sin Je X
(durch Superposition solcher Störungen für alle Werte von Je.
würde man die Fouriersche Entwicklung einer allgemeinen
periodischen Störung erhalten). Die Geschwindigkeitskompo-
nenten sind
14)
Führt man
Jcx = Jea = a
ein, so ergibt sich
— CO
Sitzuugsb. d. math.-pUys. Kl. Jalirg. 1915,
98
M. Lagally
Nun wird das Intervall von — oo bis 4“ °° lauter Ab-
schnitte von der Länge 2n: zerlegt:
-j- OO ^ — 2^1 f
J == ■ ■ • J +']* + J + J + • • ’
— 00 ^ — 4rr I — 2 :rc ^ ^ 2 7i
also
f+2(v+l).T^
7 ’t?’ C sin i — sin a
«0 = — J _ „)2 -
^ + 2v;7
Durch Einführung von neuen Integrationsvariabein
ß = a — ^ — 2v:i,
hierauf durch Vertauschung der Reihenfolge von Summation
und Integration erhält man
7. r sin ^ — sin ß) ^ ^
_4J (ß+ 2V^~'’'^
* 0
2,-r
J+x 2
(sin — sin -j- ß)) . o ^ <^ß •
^ (ß -j- 2 VTl)
Führt man jetzt für
1
seinen Wert
ein, 4 so wird
-j- 00
5 (/^ + 2 vTiy
1
4 sin^ ^
2.T 2.T
E fik r sin ^ — sin (.^ -f ß) ß _ ^ ß ^ f
4 J . „ ß 2 J
0 sin“* - 0
cos
■ ß
sin-
dß.
Z. B. Bui'kliardt, Einführung in die Theorie der analytischen
Funktionen einer komplexen Verändeidichen, S. 145 — 148.
Zur Theorie der Wirbelschichten.
99
Für die Auswertung zerlegt man das Integral in 2 Teile
F. fl Je
= cos
0
0
Das erste der beiden Integrale wird Null; also ist
= — E fl Ti 71 sin Je x .
Es tritt also eine longitudinale Geschwindigkeit auf,
I deren Größe dem transversalen Ausschlag proportional
} ist. Sie ist auf diejenigen Stellen der Wirbelschicht hinge-
I richtet und bewirkt dort eine Verdichtung der Wirbel-
teilchen, wo die strömende Flüssigkeit die ursprüngliche Lage
i der Wirbelschicht in der Richtung von der konvexen zur kon-
« kaven Seite überschreitet.
Man kann nun nach der Gestalt fragen, die die Wirbel-
schicht infolge der longitudinalen Bewegung der Teilchen an-
I nimmt. War
2/ = £ sin li
die ursprüngliche Gleichung der gestörten Wirbelschicht, so
. wird für jedes Wirbelteilchen y ungeändert bleiben, dagegen
wird die Abszisse zur Zeit dt den Wert
X = Xq-\- Uf^Öt
annehmen. Führt man also
Xq = X — Uf^öt = X -\- E fiJtTi sin TiX^öt = X -f- filcTiy öt
ein, so wird
y = £ sin Ä (a; fiJcTiy dt)
: die Gleichung der Wirbelschicht zur Zeit dt in impliziter
I Form. Entwickelt man nach Potenzen von dt
100
M. Lagally
y = £ [sinka; juk-7tydt cos Je x + • • •]
und beschränkt sich auf die erste Potenz von d t, so kann man
die Gleichung nach y auflösen und erhält
y
£ smiix
1 — £ juJe^ 71 d t cosJc X
£ sin [1 + £ ju Je^ Tr d ^ cos a;] .
Also ist
16) y = esin/ca; -f" f^/iJc^ndt sinÄ;a; cosÄ:a;
die Gleichung der Wirbelschicht zur Zeit dt.
Es ist jetzt die Änderung der Wirheldichte zu unter-
suchen, die infolge der longitudinalen Geschwindigkeit eintritt.
Die Wirhelstärke, die sich auf einem Längenelement der Wirbel-
schicht befindet, wird mit der Zeit unveränderlich sein, auch
wenn das Element seine Länge ändert. Also
?.{x) ‘ dx = const.
oder durch logarithmisches Differentiieren nach der Zeit:
dA(a;) ödx
dx-öt
Dahei bezieht sich auf Änderung mit dem Ort, »d*"
auf Änderung mit der Zeit. Eine Vertauschung der Reihen-
folge der Operationen gibt
^x)
X(x)Öt
ddx
dx • dt
= 0.
Nun ist aber
d X
dt
= rr
0
die Geschwindigkeit an der Stelle x, also
17)
1 dA(a:)
}. (x) dt dx
= 0.
Für die Änderung der Wirbeldichte erhält man
17')
I
Zur Theorie der Wirbelschichten.
101
In unserem Fall ergibt sich nach (15)
7 2 7
—r^ = — £ UK^Tl cos IC X.
dx
Ferner ist [A (a;)]<r=o = /*) also
5 A (x) = £ /i‘‘ 71 cos Icxöt.
Folglich ist die Wirbeldichte zur Zeit dt
18) [A(a:)]<z=ii! = -f- cosZ-'icd^
In Übereinstimmung mit der Anschauung, die sich aus
•j der Geschwindigkeitsverteilung ergibt, tritt die größte Dichtig-
1 keit an den Stellen Tex = . . . 0, 2 7i, . . .2Tc7i . . . auf, die kleinste
'* Dichtigkeit an den Stellen Tex = . . . ti, Sti, . . . {2Ti ti . . .
, An allen diesen Stellen ändert die Geschwindigkeit das Zeichen ;
i und zwar strömt auf die ersteren die wirbelnde Flüssigkeit
» von beiden Seiten zu, von letzteren nach beiden Seiten weg.
IDie veränderte Wirbeldichte wird nun veränderte Geschwin-
digkeiten der Wirbelteilchen zur Folge haben. Nach (15)
^ ändert sich nur um einen Betrag 2. Ordnung in c; dagegen
nimmt v^, das bisher Null war, nach (13) den Wert
■h»
<^0 = £ fi^Te^ Jtdt ^
cos Te a
d a
an. Das hier auftretende Integral läßt sich in ähnlicher Weise
behandeln wie das in vorgekommene. Mittels derselben
Substitution
Tex = ^; Tea = a
und durch Zerlegung des Intervalls in Teilintervalle von der
Länge 2 71 erhält man
102
M. Lagally
Hierauf ergibt die Einführung neuer Integrationsvariablen ß
a — ^ = 2j'7r-|- ß
und die Vertauschung der Reihenfolge von Summation und
Integration
J cos /ca
X — a
da = —
cos {ß B)dß
ß 2 V 71
Nun ist
2.T
0
+ * 1 1 I
^^ß-\-2v7i ^ ®2
bei richtiger Anordnung der Glieder, welche die Konvergenz
gewälirleistet ; also
00 2 .-r
Jcos 7c a , 1 p / , , „N , ß 1 a
= cos(p + I) cotg^dß
— 00 0
Durch eine einfache trigonometrische Umformung findet man
-|- 00 TT
J ^x^ ^a ^ ^ ~ J* ^ 7 + sin (2 7 -j- ^)] d y,
wo
ß
y = o
ist; und durch Integration
4“ 00
r cos I _ cos I lg sin y — | cos (2 y -f _ q
d X — a
— “ =71 sin B = ^ sin /c x.
Also ist
19) Vq = £ 71^ siwkx • dt.
') Burkhardt, 1. c., S. 145 — 148.
Zur Theorie der Wirbelschichten.
103
Die transversale Geschwindigkeit ist also dem
ursprünglichen Ausschlag proportional und ver-
größert ihn.
Zusammenfassend lassen sich die Vorgänge in der
Wirbelschicht so schildern. Eine transversale Stö-
rung der Wirbelschicht, die eine periodische Funk-
tion des Ortes ist, bewirkt das Auftreten longitudi-
naler Geschwindigkeiten der Wirbelteilchen. Die Folge
davon ist eine Störung der Wirbeldichte, die ebenfalls
eine periodische Funktion des Ortes ist. Diese gibt
Veranlassung zu einer transversalen Geschwindigkeit
in Richtung des ursprünglichen Ausschlags, die seiner
Größe proportional ist und also die ursprüngliche
Störung verstärkt.
So lange nur Glieder 1. Ordnung in e in Betracht ge-
zogen werden müssen, wachsen also die Ausschläge propor-
tional an, während gleichzeitig an einzelnen Stellen, deren
2 71
Abstand ist, die Wirbeldichte einen mit der Zeit immer
fC
stärker werdenden Maximalwert annimmt. Für wachsende Aus-
schläge, wenn Glieder höherer Ordnung in e nicht mehr ver-
nachlässigt werden dürfen, werden die Verhältnisse so kom-
pliziert, daß sie rechnerisch nicht mehr zu verfolgen sind.
Indessen werden die gefundenen Bewegungen 1. Ordnung doch
auch weiterhin in der Hauptsache für die Veränderungen maß-
gebend sein, nur durch Korrektionsglieder verändert, die mit
wachsender Zeit immer mehr an Einfluß gewinnen. Es werden
also die aufgetretenen Maximalstellen der Wirbeldichte immer
mehr verstärkt werden, während die zwischenliegenden Minima
sich dem Wert Null der Wirbeldichte immer mehr nähern.
Dabei wird an den Minimalstellen die Geschwindigkeit der
PotentialbeAvegung zu beiden Seiten der Wirbelschicht immer
weniger verschieden werden ; das Auftreten neuer Unstetig-
keiten ist nicht zu erwarten, im Gegenteil wird der Einfluß
der ünstetigkeitsfläche vermindert bis auf Null. Die ganze
Wirbelschicht löst sich schließlich in eine Reihe gleich starker
104
M. Lagully
Wirbel in gleichen Abständen auf, wie sie v. Karman^) zu-
erst untersucht hat.
V. Karman und andere-) haben die Kärmänschen Wirbel
in Zusammenhang mit der Prandtischen''*) Grenzschichtentheorie
gebracht und angenommen, daß sich die Flüssigkeitsschicht,
die unmittelbar an der Wand eines in der Strömung befind-
lichen Hindernisses durch Reibung zurückgehalten und in Ro-
tation versestzt wird,^) als Wirbelschicht loslöst und in die
Flüssigkeit austritt, wenn ein gewisser Spannungszustand er-
reicht ist. Diese instabile Grenzschicht w'ird sich in gleich
starke spiralig aufgewundene Wirbel in gleich großen Ab-
ständen auflösen. Die einzelne Wirbelreihe ist allerdings selbst
wieder unstabil^) und deshalb zu Versuchen wenig geeignet,
dagegen können zwei parallele Wirbelreihen von entgegen-
gesetzter Drehrichtung eine stabile Lage annehmen. Die von
Karman veröffentlichten Photographien von Versuchen im La-
boratorium zeigen auch die beiden Wirbelreihen in sehr schöner
Ausbildung und guter Übereinstimmung mit der durch die
Theorie geforderten stabilen Anordnung, sowohl hinter einem
in der Flüssigkeit bewegten Hindernis als auch bei Strahl-
bildung in der Flüssigkeit. Die Ablösung der Wirbel ist auf
keinem dieser Bilder zu beobachten; der erste Wirbel tritt in
einem kleinen Abstand hinter dem Hindernis auf, wo er durch
Aufrollen eines Stückes der Prandtischen Wirbelschicht entsteht.
L. FöppD) hat gefunden, daß es hinter einem Kreiszylinder in
1) Th. V. Kiirmän, Über den Mechanismus des Widerstandes usw.
vgl. S. 81, Anm. 2.
2) F. Pfeiffer, Theorien des Flüssigkeitswiderstandes. Zeitschrift für
das gesamte Turbinenwesen, 1912, Heft IG bis 18. — L. Föppl, Wirbel-
bewegung hinter einem Kreiszylinder. Sitzungsb. der mathem.-physikal.
Klasse der K. B. Akademie der Wissensch. zu München, 1913, Bd. 43,
S. 1 u. f.
3) L. Prandtl, Über Flüssigkeitsbewegung bei sehr kleiner Reibung.
Vgl. S. 81, Anm. 1.
Ü Nach unserer Auffassung ist die Helmholtzsche Wirbelschicht
zuerst vorhanden und die Ursache der Reibung.
Th. V. Kärmän und 11. Rubach 1. c. vgl. Anm. 2, S. 81.
Zur Theorie der Wirbelschichten.
105
strömender Flüssigkeit unendlich viele, eine Kurve erfüllende
Punktepaare gibt, auf denen ein Wirbelpaar in Ruhe sein
kann; zu jedem Punktepaar gehört eine bestimmte Wirbel-
stärke. Wenn sich bald nach Beginn der Bewegung die Spitzen
der sich ablösenden Wirbelschichten zu spiraligen Wirbeln auf-
rollen, so müssen sich diese, um im Gleichgewicht zu bleiben,
um so weiter von dem Hindernis entfernen, je größer ihre
Wirbelstärke wird; bis dann infolge einer zufälligen Störung
des labilen Gleichgewichtes erst einer, dann der andere der
beiden Wirbel sich rascher mit der Strömung fortbewegt.
Nachdem so die Wirbelschicht abgerissen ist, bilden sich neue
Wirbel, die als Kärmänsche Wirbel den ersten folgen. Auf
den beigelegten Photographien sieht man sehr deutlich das Vor-
handensein ganz kleiner Wirbel zwischen dem Hindernis und
dem in Ruhe befindlichen Wirbelpaar. Es scheint sich also
die Prandtische Wirbelschicht zuerst in kleine Wirbel aufzu-
lösen, die sich dann zu größeren Wirbeln vereinigen.
Beobachtet man in der Natur, so bemerkt man, daß die
Wirbel, die hinter Pfosten, Pfeilern und dgl. in ruhig strömen-
dem Wasser auftreten, die stabile Anordnung nur in äußerst
seltenen Fällen annehmen, namentlich dann niemals, wenn
die Breite des Hindernisses einige Zentimeter überschreitet.
In der Regel zeigt sich beiderseits eine deutlich sichtbare Un-
stetigkeitsfläche, die oft allmählich verschwindet; gewöhnlich
bilden sich jedoch in ihr einzelne Wirbel oder Wirbelreihen in
annähernd gleichen Abständen, die sich dann bald infolge der
Unstabilität solcher Reihen in Wirbelgruppen auf lösen. Immer
beginnt die Wirbelbildung erst in einiger Entfernung, manch-
Ein Nachteil der Kärmänschen stabilen Anordnung ist, daß sie
für räumliche Strömungen nicht verallgemeinert werden kann. Man
müßte denn annehmen, daß sich etwa hinter einer kreisrunden Scheibe,
die auf der Strömungsrichtung senkrecht steht, spiralige Wirbel der Art
bilden, wie sie hinter einer Schiffsschraube aufzutreten scheinen. Ein
Versuch, den Riecke, Beiträge zur Hydrodynamik, Göttinger Nachrichten,
1888, S. 347 — 357 beschreibt, spricht jedoch für das Auftreten von kreis-
förmigen Wirbelringen hinter der Scheibe.
106
M. Lagally
mal ziemlich weit entfernt von dem Hindernis, kann also nicht
wohl anders als durch eine Störung erklärt werden, die den
Zerfall der ursprünglich kontinuierlichen Wirbelschicht veran-
lagte. In sehr ruhigem Wasser genügt manchmal die Erregung
eines Wellensystems durch einen in der Nähe eingeworfenen
Stein, um die Auflösung der Wirbelschicht in einzelne Wirbel
von grober Regelmäbigkeit zu veranlassen. Sehr regelmäßige
Reihen ganz kleiner Wirbel, die längere Zeit erhalten bleiben,
kann man auch häufig beobachten, wenn sich in ruhiger Strö-
mung Unstetigkeitsflächen infolge von Unebenheiten des Grundes
bilden; auch hier hat man es mit der Auflösung einer Wirbel-
schicht zu tun.
Die bisher geschilderten Wirbelsysteme sind sämtlich ihrer
Entstehung nach von dem Karmanschen System verschieden,
auch wenn sie der Gestalt nach mit ihm übereinstimmen, da
sich die Wirbel einer Reihe gleichzeitig, nicht nacheinander
bilden.
Hinter einem Ruder bildet sich meist beim Eintauchen
ein Wirbelpaar (eigentlich beobachtet man die freien Enden
eines Wirbelfadens), beim Herausnehmen ein zweites. Für die
Entstehung des letzteren hat Klein die schon erwähnte ein-
fache Erklärung gegeben.^)
Zieht man ein Ruder mit gleichmäßiger geringer Geschwin-
digkeit, so daß keine Turbulenzerscheinungen und keine zu
starken Oberflächenwellen, die die Beobachtung ganz allgemein
sehr stören, auftreten, so bilden sich keine weiteren Wirbel,
sondern geradlinige Trennungsschichten aus. Dagegen bemerkt
man stets, daß das Ruder in der Hand zu schwingen sucht.
Gibt man diesen Schwingungen nach, die von der Ruderlänge
sicher ziemlich unabhängig sind und als erzwungene Schwin-
gungen zu gelten haben, so bildet sich an jedem Umkehrpunkt
ein Wirbel aus, und es entsteht ein deutliches System Karmän-
scher Wirbel. Die Entstehung dieser Wirbel läßt sich leicht
durch eine weitere Verfolgung des Kleinschen Gedankens er-
0 F. Klein, vgl. S. 82, Anra. 1.
Zur Theorie der Wirbelschichten.
107
kläi'en: man kann sich vorstellen, daß das Kuder bei jeder
halben Schwingung aus den geschlossenen Stromlinien der einen
Seite herausgezogen wird und daß so ein Stück der Wirbel-
schicht freigelegt wird. Dabei wäre die Reibung, wenn nicht
ganz einflußlos, doch jedenfalls von viel geringerer Bedeutung
als man sich vorzustellen gewohnt ist. Es ist klar, daß ähn-
liche Erscheinungen auftreten müssen, wenn ein Hindernis in
bewegtem Wasser schwingt, oder wenn das Wasser selbst eine
schwingende Bewegung nach Art stehender Wellen ausführt;
beides kann man gelegentlich beobachten. Als Ursache der
Schwingung sind wenigstens im ersten Fall die auf das Hin-
dernis wirkenden Flüssigkeitsdrucke anzuseheu, die unsymme-
trisch sind, sobald die Symmetrie der Strömung nur einmal
durch eine zufällige Ursache gestört ist.
Man hat demnach zwei Ursachen zu unterscheiden,
die zur Entstehung von Wirbelreihen führen können.
Die erste ist eine Störung einer ausgebildeten Wirbelschicht,
die eine periodische Funktion des Ortes ist. Sie läßt sämt-
liche Wirbel gleichzeitig entstehen und ist im vorigen mathe-
matisch ein Stück weit verfolgt. Die zweite ist eine schwin-
gende Bewegung zwischen der Ausgangsstelle der Wirbelschicht
und der Flüssigkeit, also eine Störung, die eine periodische
Funktion der Zeit ist. Sie läßt einen Wirbel nach dem anderen
sich bilden, indem jedes Stück der Wirbelschicht, das in die
Flüssigkeit ausgetreten ist, schnell aufgerollt wird. Wenn die
örtlichen oder zeitlichen Störungen nicht periodisch sind, kommt
es zur Bildung von einzelnen Wirbeln verschiedener Stärke,
nicht von Wirbelreihen.
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109
Über die analytische Darstellung eines eindeutigen
Zweiges einer monogenen Funktion.
Von G. Mittag-Lefflcr.
Vorgelegfc von A. Pringsheim in der Sitzung am 6. März 1915.
Es sei C(,, Cj, . . . c,. . . .
eine unendliche Folge von Konstanten, die der Cauchyschen
Bedingung
lim
genügen, wobei r eine endliche positive Größe vorstelle.
Die Theorie der analytischen Funktionen nach Weierstraß
gründet sich auf die Betrachtung der Potenzreihe:
(1) ^ (a: — a) = £ (a; — a)^
') Augustin-Louis Cauchy, Cours d’ Analyse de l’Ecole Royale Poly-
technique, li®re paitie. Analyse algebrique. Paris 1821. Theoreme I, S. 132.
A'’gl. Ed. Phragmen, Om konvergensomrädet hos potensserier
af tvä variabler. Öfversigt af Kungl. Vet. Ak. Förh. Stockholm 1883.
No. 10, S. 24.
J. Hadamard, Essai sur l’etude des fonctions donnees par leur
developpement de Taylor, These, 1692, S. 7, 8.
A. Pringsheim, Enzyklopädie der Math. Wiss., Bd. 1, T. 1, S. 81,
Note 168.
Weierstraß, der zu Beginn seiner Arbeiten den Cauchyschen Satz
nicht gekannt hatte, begann seine Vorlesung über die Theorie der analy-
tischen Funktionen immer mit dem Beweise des folgenden Satzes: ,Der
Konvergenzradius der Reihe 5)1 (x — a) ist die obere Grenze der Werte
c..
von 'x-
für welche die obere Grenze von
(x — aY
(v = 0, 1, 2...)
endlich ist.“ Man sieht, daß dieser Satz mit dem Cauchys identisch ist.
110
G. Mittag-Leffler
wo X die Veränderliche und a eine beliebig ffewählte Kon-
stante bedeute. Diese Reihe definiert in einem Kreise C mit
dem Mittelpunkt a und dem Radius r eine analytische Funktion.
Sie bat die charakteristische Eigenschaft, in jedem innerhalb
C gelegenen Bereich gleichmäßig konvergent und andrerseits
in jedem Punkte außerhalb G divergent zu sein.
Man nennt den Bereich C den Konvergenzkreis oder
Konvergenzbereich der Reihe — a). Diese letztere Aus-
drucksweise, Konvergenzbereich, soll bei jedem arithmeti-
schen Ausdruck Anwendung finden, der im Innern eines Be-
reiches konvergent, aber in jedem Punkte außerhalb diver-
gent ist.
In (1) werde die Substitution ausgeführt:
(2) {x — a) — {x‘ — a) (1 -j- u).
Dabei soll x‘ im Innern von C angenommen werden. Nach
dem Weierstraßschen Satz über iterierte Reihen^) können wir
die Reihe (1) in eine neue Reihe nach steigenden Potenzen
von « umordnen:
'^5((a;'-a)(l-|-?0)
^/^/.Ca-l)...(/.-v-l-l)
wofür man schreiben kann :
(3)
{(x' — a) (1 -f iO) = £ f £ — a}" tr
r = 0\/< =0,'< • /
Die innere Summation geht hierbei der äußeren voraus.
Nach dem gleichen Satz von Weierstraß weiß man, daß
die Reihe (3) sicher konvergiert, wenn |w| so klein gewählt
B Karl Weier straß, „Zur Funktionenlehre (Aus dem Monatsbericht
d. Kgl. Akad. d. Wiss. vom 12. August 1880“). Werke, Bd. 2, S. 205 — 208.
Über die Terminologie , mehrfache Reihe“ und „iterierte Reihe“
sehe man „Encyclop. des Sciences mathematiques, T. 1, vol. 1,
Fase. 2, S. 255, Note 128.
I
über die analytische Darstellung' etc.
111
ist, daü X in das Innere von C fällt; dies drückt sich durch
die Ungleichung aus:
x' — a ' • « I < r — \x‘ — a I .
Ersetzt man jetzt auf der rechten Seite von (3) u durch
seinen Ausdruck in x und x‘
\ (4)
I
so erhält man :
X — a ^
x' — a
X — x‘
x‘ — a ’
= S f S — ^0’’^ — (:r' — a, X — x‘).
V = 0 \// = 0 ■ /
Die iterierte Reihe (5) konvergiert sicher für alle x im
I Innern eines Kreises Cx'i der um den innerhalb C gelegenen
' Punkt x‘ beschrieben ist und G von innen berührt.
Es kann indessen der Fall eintreten, daß diese Reihe (5)
j auch dann noch konvergent bleibt, wenn x einem konzen-
trischen Kreise Cx' angehört, der größer ist als der C berüh-
I rende Kreis. Diese Tatsache ist von grundlegender Bedeutung.
I Welchen Standpunkt man auch in der Funktionentheorie ein-
nimmt, sei es der von Weierstraß, von Cauchy oder von Rie-
j mann, die Grundlage der Theorie bildet immer die Tatsache,
, daß die Reihe 'iß (g: — a) durch eine Substitution
(6) X — a = (x‘ — a) ‘ f (u)
in eine andere transformiert werden kann, die, wie die erste,
aus den Elementen
^0 ’ > ^2 > • • • ’ ■ ■ ■
aufgebaut ist, aber einen weiteren Konvergenzbereich als
^ (a; — a) besitzt.
Die Wahl der Funktion f(u) = l-\-u, wie in der her-
kömmlichen Theorie, ist durchaus nicht wesentlich. Die Frage,
was man durch Einführung anderer Funktionen f{tt) an Stelle
des 1 -f- gewinnen kann, bedeutet daher ein Problem, das
112
G. ilittag-Letfler
der Theorie der analytischen Funktionen geradezu an die
Spitze zu stellen ist.
Indessen möge zunächst die Konvergenz der iterierten
Reihe — a, x — x‘') betrachtet werden, in der x‘ dem
Innern von C angehören soll und x dem Innern des Kreises
Cx', der einem gegebenen Punkt x‘ entspricht. Wir bezeichnen
mit D die Gesamtheit der Punkte x, die so erhalten wird,
wenn jeder Punkt nur ein einziges Mal gezählt wird. Die
Konvergenz hört dann auf, wenn x außerhalb D oder x‘ außer-
halb C gelegen ist. Dies folgt offenbar aus der oben erwähnten
Tatsache, daß eine Potenzreihe für jeden innerhalb ihres Kon-
vergenzkreises gelegenen Bereich gleichmäßig konvergiert, da-
gegen in jedem Punkte außerhalb dieses Kreises divergiert.
Nehmen wir nun an, daß x' einen innerhalb C gelegenen
Bereich durchlaufe, ebenso x einen entsprechenden Bereich im
Innern von D. Unter diesen Voraussetzungen ist die Reihe
'j? {x' — a, X — x‘) für diese beiden Bereiche gleichmäßig kon-
vergent.
In der Tat, nehmen wir zwei positive Größen & und ^
beide kleiner als eins an und bezeichnen mit Qx' den Radius
des Kreises Cx- mit dem Mittelpunkt x‘. Wenn der Punkt x'
das Gebiet x‘ — a\^&r durchläuft, möge x die entsprechen-
den Bereiche x — x‘\'^&Ox' durchlaufen; dieser Bereich, den
X durchläuft, wenn wir jeden Punkt nur ein einziges Mal
zählen, heiße D.
Es sei nun mit g die obere Grenze von ^ {x‘ — a, x — x‘)
im Innern oder auf der Begrenzung des Bereiches I) bezeichnet.
Dann gibt der Satz von Cauchy -Weierstraß U)
1 i;
j’! ,«=o g-
A. Cauchy, ,Resume d’un memoire sur la mecanique celeste
et sur un nouveau calcul appele calcul des limites (lu ä l’Academie de
Turin, dans la seance du 11 Octobre 1831)“. Exercises d’Analyse et de
Physique Mathematique, Bd. 2. Paris 1841, S. 53, Gleichung (9).
Karl Weier straß, „Zur Theorie der Potenzreihen. Münster, im
Herbst 1841.“ Werke, Bd. 1, S. 67—74.
113
über die analytische Darstellung etc.
Wählt man jetzt x in solcher Weise, daü
\X X‘ \<
SO erhält man:
Cfi + v
und
y'- I/.ZZ0 n-
{x‘ — a)!' (x — xy < g
n 4- »'
1' =r »i /« — 0 ^ • 1 U
/( = u ;
w. z. b. w.
Der Bereich D enthält den Bereich C in allen Fällen, in
denen er nicht mit ihm identisch ist.’) Fixiert man im Innern
von C einen Bereich für x‘, so gibt es immer einen inner-
halb D gelegenen entsprechenden Bereich für x von der Be-
schaffenheit, daß die Reihe 'iß (a:' — a, x — x‘) für diese beiden
Bereiche gleichmäßig konvergent ist. D ist also für die Reihe
iß (:z:' — a, x — x‘) Konvergenzbereich, ganz so, wie C für die
Reihe 'iß(a: — a). Die Reihe (x — a) stellt im Innern von
C den eindeutigen Zweig einer durch die Konstanten
^0 ’ ^1 > • • • d,. ...
definierten Funktion dar, die wir mit FC{x) bezeichnen wollen.
Die Reihe — a, x — x‘) repräsentiert im Innern eines
weiteren Bereiches D einen eindeutigen Zweig FI){x), der
FC(x) enthält und auf eindeutige Weise bestimmt ist, wenn
die Konstanten Cj, Cg ... c,, . . . fixiert sind.
Als Beispiel möge der Konvergenzbereich I) der iterierten
Reihe
(7) £ i; ^-^'’'^^x‘>yx-xy,
i'=o g-y'-
welche die Funktion - darstellt, untersucht werden. Die
1 — X
Begrenzungslinie des Bereiches D ist in diesem Falle, wie er-
’) Bekanntlich existiert in diesem Falle die durch iß(a’ — a) defi-
nierte analytische Funktion außerhalb des Kreises C nicht mehr. Der
Kreis C ist eine , natürliche Grenze“ der Funktion.
Sitzungsb. d. m.itli.-pliy.s. Kl. Jalirg, 1915.
8
114
G. Mittag-Leffler
sichtlich, die Umhüllende aller Kreise, die durch den Punkt A
mit der Koordinate x = l gehen und ihren Mittelpunkt 31 auf
dem Kreise C haben. Der Punkt B, der diese Kurve erzeugt,
ist zu Ä symmetrisch in Bezug auf die durcl / 31 an den Kreis C
gezogene Tangente 31 T.
r
Man erkennt nun in der Begrenzungslinie von D die Kar-
dioide^) p = 2 (1 — cos0), bezogen auf den Pol A und die
polare Achse Ax. In unserer Figur ist ein Kreis mit dem
Kadius OA im Innern der Kardioide und ein anderer mit dem
Radius (0, 3 A) gezeichnet.
’) M. Carre, „Examen d’une courbe formee par le moyen du cercle.“
Hist, de l’Acad. Royale des Sciences. Annee MDCCV. Memoires, S. 56 — 61.
.Johannes Castillioneus, „De Curva Cardioide, de Figura sua sic
dicta.“ Philosophical Transactions 1741, Nr. 461, S. 778— 781.
L. Lindelöf, „Lärobok i analytisk geometrie.“ Helsingfors 1864,
S. IIU.
über die analytische Darstellung etc.
115
Bevor wir weiter fahren, mögen einige Definitionen vor-
ausgescbiekt werden, von denen wir im folgenden fortwährend
Gebrauch zu machen haben.
Durch den Punkt a ziehen wir einen beliebigen Halb-
strahl aa; und wählen auf ihm einen Punkt so, daß die von
der Richtung des Halbstrahls abhängige
Länge (a, p) eine gewisse Größe 1 stets über-
trifft. (Der Punkt p darf übrigens auch im
Unendlichen liegen.) Lassen wdr nun ax
sich um den Mittelpunkt a um den Winkel
2 71 drehen, so überstreicht die Strecke (a^p)
eine Fläche, die a umgibt und die wir einen
Stern mit dem Mittelpunkt a nennen wollen. Der Punkt
soll Begrenzungspunkt des Sterns und die Gesamtheit der
Begrenzungspunkte soll Begrenzung des Sterns heißen.^)
Ein Stern E heißt Konvergenzstern für einen bestimmten
arithmetischen Ausdruck, wenn er der Konvergenzbereich dieses
Ausdruckes ist; d. h. wenn der Ausdruck für jeden innerhalb
E gelegenen Bereich gleichmäßig konvergiert, dagegen in jedem
Punkte außerhalb E divergiert. Der Zweig der Funktion F(x),
der durch einen solchen Ausdruck dargestellt wird, soll mit
FE{x) bezeichnet werden. Man sieht, daß der Kreis C Kon-
vergenzstern für die Reihe ^ (a: — a) ist, die den Funktions-
zweig FC{x') darstellt.
Es kann sein, daß der Begrenzungspunkt, der jedem Er-
zeugungsstrahi des Sterns entspricht, jeweils der erste singu-
läre Punkt von F{x) ist, zu dem man beim Durchlaufen des
Halbstrahls von a aus gelangt. In diesem Falle heiße der
Stern Hauptstern von F{xY) und sei mit dem Buchstaben A
bezeichnet, während wir den entsprechenden Zweig der Funk-
tion F{x) mit F A{x) bezeichnen wollen.
') G. Mittag-Leffler, ,Sur la represenlation analytique d’une
branche uniforme d’une fonction monogene.“ Acta Mathem., Bd. 23, S. 47.
ü G. Mittag-Leffler, ,Sur la representation analytique d’une
branche uniforme d’une fonction monogene (Seconde note). Acta Mathe-
matica, Bd. 24, S. 200.
8'“
IIG
G. Mittag-Ledler
Jeder analytischen Funktion, die in der Umgebung des
Punktes a durch die der Cauchyschen Bedingung genügenden
Konstanten Cq, ■ ■ ■ c,., . . . definiert i<jt, entspidcht folg-
lich ein Hauptstern A.
Andrerseits: Ist ein beliebiger Stern Ä gegeben, so kann
man immer und auf unendlich viele Arten einen arithmetischen
Ausdruck bilden, der einen Funktionszweig F A (x) darstellt,
für welchen A der Hauptstern ist. Der gleiche Satz besteht
in dem allgemeinen Falle, wo A ein beliebiges einfaches Kon-
tinuum bedeutet, d. h. ein aus einem einzigen Stücke be-
stehendes, sich in keinem Punkte mehrfach überdeckendes Kon-
tinuum.^) Es ist nicht einmal schwer zu erkennen, daß das
Theorem in solcher Weise ausgesprochen werden kann, daß
jedes beliebige Kontinuum zulässig ist.
Nach diesen Vorbetrachtungen kehren wir zu der iterierten
Reihe — a, x — x‘) zurück, die durch die nur der Cauchy-
schen Bedingung unterworfenen Konstanten c,. definiert ist.
Diese Reihe enthält außer der Veränderlichen x, die den
Variabilitätsbereich D besitzt, die V’^eränderliche x\ die auf das
Innere des Kreises C beschränkt bleibt. Der Radius r dieses
Kreises C ist nun zwar durch den Satz von Cauchy (s. S. 109)
durch die Folge der Konstanten c, , . . . Cy, . . . definiert; in-
dessen ist die Berechnung von r mit Hilfe dieser Konstanten
eine äußerst schwierige Aufgabe. Wenn die iterierte Reihe
0 G. Mittag-Leffler, „Sur la representation analytique des fonc-
tions monogenes uniformes d’une variable independante“. Acta Mathe-
matica, Bd. 4, S. 1 —79.
Der Satz ist hier von verschiedenen Gesichtspunkten aus bewiesen,
unter alleiniger Anwendung der elementaren Weierstraßschen Theoiäe
analytischer Funktionen.
Herr Runge hat ohne meine Arbeit zu kennen, das gleiche Theorem
in ähnlicher Allgemeinheit mit Hilfe des Cauchyschen Integralsatzes
bewiesen („Zur Theorie der eindeutigen analytischen Funktionen,“ § 2.
Acta Mathematica, Bd. 6, S. 239 — 244; vgl, S. 229).
Vgl. noch Hurwi tz, „Über die Entwicklung der allgemeinen Theorie
der analytischen Funktionen in neuerer Zeit.“ Verhandlungen des I. Inter-
nationalen Mathematiker-Kongresses in Zürich, 1897. S. 94.
über die analytische Darstellung etc.
117
— a, x — x‘) gegenüber der Reihe *^3 (.r — d) den Vorzug
eines größeren Konvergenzbereiches voraus hat, so hat sie
dafür eine wesentliche Eigenschaft der letzteren verloren, näm-
lich die, lediglich aus den Konstanten Cy mit Hilfe von nume-
rischen Koeffizienten aufgebaut zu sein, die von diesen Kon-
stanten unabhängig sind.
Es ist erst in den letzten Jahren geglückt, diesen Mangel
zu beheben. Um so bemerkenswerter erscheint die Tatsache,
daß man dabei den elementaren Rahmen der Theorie der ana-
lytischen Funktionen nicht zu verlassen braucht.^) Es gibt,
wie wir sehen werden, tatsächlich mehrere einfache und direkte
Methoden.
Wir sind zu der iterierten Reihe — a, x — x‘) mit
Hilfe der Substitution
(6) X — a = {x‘ — «)/'(m)
gelangt, wobei wir
f{u) = 1 -f (vgl. (2))
(8)
gesetzt hatten.
Es liegt auf der Hand, an Stelle der Substitution (8) die
allgemeine lineare Substitution einzuführen:
(9)
1) G. Mittag-Leffler, ,0m en generalisering af potensserien,“
9 mars 1898. ,0m den analytiska framställningen af en allmän mono-
gen funktion.“ 1 : sta meddelande, 11 maj 1898. 2 : dra meddelande,
11 maj 1898, 3 : dje meddelande, 14 sept. 1898. Öfvei'sigt af Kgl. Vet.
Ak. Förhandl. Stockholm 1898.
,Sur la representation analytique d’une branche uniforme d’une
fonction monogene,“ Note 1—5. Acta Mathematica, Bd. 23— 29, 15. März
1899 bis 9. Sept. 1904.
.Sulla rappresentazione analitica di un ramo uniforme die una
funzione monogena.“ Atti della R. Accad. delle Scienze di Torino, vol. 34,
23 Aprile 1899.
,Sur la representation d’une branche uniforme de fonction ana-
lytique.“ Comptes Rendus, T. 128, 15 mai 1899.
118
G. Mittag-Leffler
worin l, ni, j), <1 Konstanten bedeuten, die ebenso wie Cg, Cj, Cg,
. . . Cy . . . von X — a und x‘ — a unabhängig sind. Indem
mau nun auf gleiche Art wie im klassischen Falle verfährt,
d. h. indem man in 'iß (a; — a) an Stelle der Substitution (6) (8)
die allgemeine (6) (9) einfühi't, die Reihe — a)fiu)) nach
Potenzen von u ordnet und schließlich in der so erhaltenen Ent-
wicklung an Stelle des u seinen Ausdruck in , , nämlich
° X — a
(10)
l{x‘ — a) — p{x — a)
q{x — a) — m {x' — a)
einsetzt, erhält man einen Ausdruck, der die Reihe a, x—x )
als Spezialfall enthält. Man sieht leicht, daß man auf diese
Weise nichts gewinnt. Der neue Ausdruck hängt innerlich
ebenso wie — a, x — x‘) von dem Radius r ab.
Gleichwohl gibt es eine sehr einfache Methode, dieser
Schwierigkeit Herr zu werden, die sich sozusagen ganz von
selbst darbietet. Anstatt nämlich für ti in der Entwicklung
(11)
(x‘ — a)
l mu
P + 2«
den Ausdruck (10) einzuführen, Avollen wir u gleich einer Kon-
stanten setzen. Setzen wir n = 1 und unterwerfen die Kon-
stanten Z, w, p, q der Bedingung:
(12)
/’(1) = 1,
d. h.
(13)
1 -j- tu = p q
Dann hat man in der Reihe 'iß(l):
x' == X (vgl. (6), (12))
zu setzen.
Auf diese Weise gelangt man zu einem Ausdruck für F (x),
nämlich ‘iß(l), der auch noch außerhalb des Konvergenzkreises
Gültigkeit besitzt, aber nicht mehr mit der Unvollkommenheit
behaftet ist, die wir bei 'iß (a;' — a, x — x') angetrolFen hatten.
über die analytische Darstellung etc.
119
Es mögen zwei Fälle von verschiedenem Typus einer
näheren Betrachtung unterzogen werden:
(14)
(15)
f{u) =
1 + Tiu
I + äT’
Ä > 0
X — a = {x‘ — a)
1 -j- ktf
1 + Ä
= ^ = 1>«>0
, , , att
X — a = {x — a) . —
1 — pu
Wir wollen zuerst (14) untersuchen. Man hat (vgl. (3), (8)):
(16)
^(1) = S
v=0
/« = 0
jul vl
= %(x — a).
Für Je = 0 findet man wieder die Reihe
(1) ^ (a: — «) = £; ^ (x — a)”,
r = 0^-
wie dies vorauszusehen war.
Die Reihe (16) ist mit der Reihe identisch, die man er-
hält, wenn man in der Gleichung
(5) ^ (x' — a,
einsetzt:
x — x')^fj (x‘ — ay^(x — x‘y
.=0 fc=oJ^- ’•
(17)
a =
\ + Je
X — x‘
Ji{x — a)
1 + ■
Den Konvergenzstern der Reihe {x — a) erhält man
infolgedessen auf folgende Weise. Es sei l ein von a aus-
gehender Halbstrahl, auf dem ein Punkt t und sein in Bezug
auf a homothetischer Punkt , ^ , liege. Um den Punkt , ^ ,
1 -p A: 1 -P A:
beschreiben wir einen Kreis C , der durch ^ hindurchgeht,
120
G. Mittag-Leffler
und lassen nun ^ den Halbstrahl l von a aus durchlaufen, bis
entweder der mitgleitende Kreis C durch einen singulären
Punkt von F{x) geht oder der Punkt ^ , den Umfang des
i K
Konvergenzkreises C erreicht. Sobald einer dieser beiden Fälle
eintritt, markieren wir den entsprechenden Punkt und be-
halten von l nur die Strecke (a, bei.
Wiederholen wir die gleiche Konstruktion auf allen von a
ausgehenden Halbstrahlen, so bildet die Gesamtheit aller er-
haltenen Strecken (a, einen Stern Ek, der, wie unmittelbar
ersichtlich, der Konvergenzstern der Reihe — aj ist. Dieser
Stern enthält den Kreis C und ist seinerseits in dem Sterne D
enthalten. Bemerkt sei, daß die auf C gelegenen singulären
Punkte von E(x) gemeinsame Begrenzungspunkte der Sterne Ek
und D sind. Sie sind oifenbar die einzigen auf C gelegenen
Begrenzungspunkte von D oder
Um eine Vorstellung von der Gestalt des Sternes Ek zu
erhalten, untersuchen wir zunächst den Stern der Reihe
(18) V ^
,.=o ho VI 4- V
welche mindestens im Innern des Kreises C(^x\ =1) die Funk-
tion ,
1 — X
darstellt.
über die analytische Darstellung etc.
121
Als erstes sei bemerkt, daß Ek im Innern des Kreises r
mit dem Mittelpunkt 0 und dem Radius 1 Ic gelegen ist.
Wenn wir ferner den Ort z' der Punkte t konstruieren,
für welche die entsprechenden Kreise durch den Punkt A mit
der Koordinate 1 gehen, so wird Ei^ mit dem Anfangspunkt
1/^
auf der gleichen Seite dieser Kurve z' liegen und von dieser
Kurve begrenzt sein. Einem solchen Punkt ^ entspricht nun
der Punkt co mit der Koordinate
1 + h
als Mittelpunkt von C";
der Radius von C ist dann gleich wA, während wir andrer-
seits wissen, daß sein Wert crleich
' O
" 1 -p
ist. Also hat der Ort von oi die folgende Eigenschaft:
CO 0 1 -p Z,' 1 «
mA it
■ i-p“ä
Hat der Punkt A' die Koordinate 1 -p /c, so genügt der
Ort z' der Relation
jO _ oj 0 _ 1
V A' (I) A
122
0. Mittag-Leffler
Die Kurve t' ist also ein Kreis, dessen Gisichung, bezogen
auf die Achsen Oa und Oß lauten würde:
Der Stern Ek ist derjenige Teil der Ebene, der innerhalb t
und bezüglich t' auf der gleichen Seite wie der Anfangspunkt
gelegen ist.
Es ist die Gestalt des Sternes in den folgenden typischen
Fällen konstruiert worden (siehe Blatt A):
0<Ä:<1; k = Fig. 1
/c=l; Fig. 2
l</c<2; Ä: = 1 + Fig. 3
k — 2; Fig. 4
k '> 2; k = 3; Fig. 5.
Ist ky-2, so ist Ek der Kreis r' mit dem Mittelpunkt
— ^ iii dem Punkte A(x=l) berührt. Dieser
fC 1
Kreis nähert sich C, wenn k unbegrenzt wächst.
Die Reihe
(16)
— a) = 2
v = 0
^ n'
u = Q
,1
k
V
stellt ein erstes, sehr elementares Beispiel eines arithmetischen
Ausdrucks vor, der allein aus den Konstanten Cv und der Va-
riabein X — a besteht und in einem Bereich, der den Kreis C
enthält, in eindeutiger Weise einen Zweig der Funktion F’(^)
darstellt.
Indessen ist diese Reihe eine iterierte Reihe, während die
Reihe
(1) =
1=0 ' •
eine einfache Reihe war.
über die analytische Darstellung etc.
123
Blatt A.
124
G. Mittag-Leffler
Die Substitution
(15)
a u
f(ti) = /? = l-a; l>a>0
. , .au X — a
X —a = {x —a) ; u =
1 — ßu ax ßx — a
setzt uns in den Stand, auch diesem Mangel abzuhelfen.
Lassen wir hier ti den Kreis \u \ -^1 beschreiben, so be-
schreibt die Veränderliche x gleichzeitig einen Kreis Cß. Der
Durchmesser dieses Kreises ist die Verbindungslinie der beiden
Punkte :
2 ß
X = a — (x‘ — a) , - - und x = x\
1 + P
welche beziehungsweise den Werten u = — 1 und u = \ ent-
sprechen. Der Kreis Cß liegt im Innern von C, wenn x‘ im
Innern von C gelegen ist.
O O
Die Reihe
konvergiert sonach für t< < 1, wenn der Punkt x' in das
Innere von C fällt. Jedes Glied dieser Reihe
Cy
{x‘-
über die analytische Darstellung etc.
125
läßt sich in eine Reihe nach Potenzen von u entwickeln, die für
M <1 eleichmäßiof konverg-iert. Der Weierstraßsche Satz über
o o o
iterierte Reihen^) erlaubt uns also, die Reihe
in eine nach Potenzen von u fortschreitende Reihe zu entwickeln :
^ (a; — a) = ^ — a) ^ ^ (?<)
(19)
— ^0 + S
r = 1
V 1
H 1 (/i 1 ) !
u\
H 1- , , ” «)
V .
die sich für « = 1 verwandelt in :
% {x — a)
= ^o + f:
(20)
a(^- a) + ’■ j , ' - «)*
1!'
H [- ; a''{x — ay
V I
Die Reihe (20) kann, wie wir sehen werden, ebenso wie
es bei der Reihe
(IG)
(x — a)
^fi + y
/t! r!
7.-
der Fall war, einen Konvergenzbereich besitzen, der über den
Konvergenzkreis C der Reihe ^(a; — a) hinausreicht.
Wie man sieht, besteht zwischen den beiden Reihen (IG)
und (20) der -wesentliche Unterschied, daß die Reihe (20) ebenso
1) A. a. 0.
12G
G. Mitta" Lefflcr
wie die Reihe — a) eine einfache Reihe vorsteUt, während
(16) eine iterirte Reihe ist. Die Reihen — a) und 'iß(x — a)
enthalten nur einen einzigen Grenzübergang, die Reihe (16)
dagegen zwei nacheinander auszuführende Grenzübergänge.
Es soll nun zu der genauen Bestimmung des Konvergenz-
bereiches der Reihe (19) übergegangeu werden. Zu diesem
Zwecke machen wir die Subsitution (15) in FÄ(x — a), d. h.
in dem Funktionszweig, der mit Hilfe der Konstanten c,. in
dem Hauptstern A definiert ist. Nun lassen wir x' bis zu dem
ersten Punkte xö gleiten, für den der entsprechende Kreis Cß
durch einen Begrenzungspunkt von A, d. h. durch einen sin-
gulären Punkt von F{x) geht.
(Da F{x) immer mindestens einen singulären Punkt auf C
besitzt, so kann es nie Vorkommen, daß Cß den Kreis C um-
schließt, d. h. daß der Punkt
außerhalb C liegt.)
Bezeichnen wir jetzt mit Fa den Stern, den die Strecke
(a, Xy) erzeugt, wenn der zugehörige Strahl um a eine volle
Umdrehung macht.
Es soll sodann gezeigt werden, daß (19) konvergiert, wenn
x' im Innern von Fa liegt und m | < 1 ist.
In der Tat, nacli der Entstehungsart des Sternes Fa ist
die Funktion FA{x — a) im Innern des Kreises Cß und auf
diesem Kreise regulär, wenn der Cß entsprechende Punkt x'
im Innern von Fa liegt. Also ist die Funktion
für ti <1 eine reguläre Funktion von u, sofern x‘ dem
Stern Fa angehört. Nach dem Weierstraßschen Satz über
iterierte Reihen^) kann sie daher in eine Reihe nach Potenzen
') A. a. 0.
über die analytische Darstellung etc.
127
von M entwickelt werden, die für m,^1 konvergiert und mit
P{ii) bezeichnet werden möge.
Nun wurde schon bemerkt, dah die Werte des Funktions-
zweiges
für iz<j < 1 durch die Reihe (19) gegeben sind, wenn x‘ in das
Innere von C fällt. Die Reihe P(u) ist also mit der Reihe (19)
identisch, woraus hervorgeht, daß (19) konvergiert, solange x'
innerhalb liegt und < 1 ist.
In der Reihe (19) .setzen wir jetzt u — Dann erhält
man x = x‘ und die Reihe geht über in
{x — a)
wobei die rechte Seite für jeden Wert x innerhalb kon-
vergiert. Sie konvergiert überdies gleichmäßig und absolut für
jeden innerhalb Ea gelegenen Bereich. Ein solcher Bereich
kann tatsächlich immer in das Innere eines Sternes E'a einge-
schlossen werden, der innerhalb Ea. liegt und diesem genügend
angenähert i.st. Andrerseits kann man immer eine positive
Größe r so fixieren, daß
i<.<i
ist und außerdem der Punkt
in das Innere von Ea fällt, wenn x‘ im Innern von E'a liegt.
Bezeichnen wir nun mit g die obere Grenze von |‘ißa(j: — a) j
für alle x‘ im Bereiche E'a und für u <ir und erinnern wir
uns, daß die Reihe
1
128
G. Mittag-Lefller
(19)
)■ = 1
+ • • • + — o)*'
V !
für konvergiert, so gibt der Cauchy- Weierstraßsche
Satz :
Die Reihe (20) konvergiert also gleichmäßig und absolut
für den Bereich E'^ und folglich, da E'a dem Sterne beliebig
nahe kommen kann, in jedem Bereich innerhalb Ea.
Es sei noch bemerkt, daß die Reihe (20) in keinem Punkte x‘
außerhalb Ea konvergent sein kann. Denn unter dieser Voraus-
setzung müßte die Reihe (19) für u <ß< 1 gleichmäßig kon-
vergieren, während x' außerhalb Ea liegt. Ersetzt man dann n
durch seinen Ausdruck in x — a, so würde die erhaltene Reihe
gleichmäßig konvergieren, wenn x auf einen Bereich innerhalb
des über der Strecke
als Durchmesser beschriebenen Kreises Cß beschränkt wird. Sie
müßte dementsprechend einen für alle Punkte dieses Bereiches
regulären Funktionszweig darstellen.
Ordnet man jedoch diese Reihe nach steigenden Potenzen
von X — a, was für genügend kleines x — a\ immer möglich
ist, so erhält man eine mit ^(ic — a) identische Reihe. Also
wäre der in Rede stehende Funktionszweig identisch mit dem
aus ‘5? (a; — a) hervorgegangenen Zweig. Allein dies ist un-
möglich; denn da x' außerhalb Ea liegt, hat dieser Zweig not-
wendig in dem betrachteten Kreise Cß einen singulären Punkt.
1) A. a. 0.
über die analytische Darstellung etc.
129
Der Stern Ea ist folglich Konvergenzstern für die Reihe
'13a(a; — a), die im Innern von Ea den Zweig EEa{x — a) der
Funktion F{x) darstellt. Für a=l, /? = 0 geht der Stern
in den Konvergenzkreis C und die Reihe (20) in die Taylorsche
Reihe über.
Für a'Cia enthält der Stern Ea- den Stern Ea, indem
jeder reguläre Punkt von E{x), der auf der Begrenzung von
Ea liegt, in das Innere von Ea- fällt. Hieraus folgt, daß die
Reihe — a) in jedem Begrenzungspunkte von Ea kon-
vergiert, der regulärer Punkt von F(x) ist.
Um nun den Stern Ea einer Funktion F{x) mit bekanntem
Hauptstern zu konstruieren, wollen wir zunächst F{x) =
1
1 — X
setzen. In die.sem Falle lautet die Reihe (20):
(21)
i+i:
V=1
ax -\-
1!
~ß^-^{axy 4- 1)(^' ßy-3^axy
4- • • • 4- (a xy
Sie stellt einen Zweig von
= 14"^ ax(ß a xy~^.
v=zl
1
, in einem Sterne Ea dar,
1 — X
den man sehr einfach auf folgende Weise erhält:
Der Begrenzungspunkt von Ea auf jedem Halljstrahl durch
0 ist der Punkt R mit der Koordinate x‘, für den der ent-
sprechende Kreis Cß durch den Punkt A mit der Koordinate
X = \ geht. Der Mittelpunkt co von Cß hat die Koordinate
ß OC* 3C*
' ,, der Radius von Cß den Wert 4 — Dei" Punkt a>
1 + P 1 4- P
genügt folglich der Beziehung : = ß. Konstruieren wir
0 O o O * <
CO A
zu A den homothetischen Punkt A' nach dem Verhältnis
1 + ^
ß
, so gilt für R:
RO (oO
RA' (jd ^
Sitzungsb. d. matb.-phys. Kl. Jahrg. 1915.
9
130
G. Mittag-Leftler
Der Ort für R ist also ein Kreis durch A
AO
AA
7 = ßi
der seinen Mittelpunkt auf der Geraden (JA hat und die
Strecke (JA' harmonisch teilt
Seine Gleichung lautet :
hat die Koordinate 1 + -jV
PJ
Der zweite Schnittpunkt dieses Kreises mit der reellen
1 I ß
Achse hat die Abszisse — er rückt auf der negativen
«^-Achse ins Unendliche, wenn ß sich der Eins nähert.
Der Konvergenzstern Ea der Entwicklung (21) gleicht
also dem Konvergenzstern E^ der iterierten Reihe
(IS)
r = 0 fi = 0 VI 'V
Je >2
insoferne er auch ein Kreis ist, der
den Konvergenzkreis im Punkte x — 1
berührt und ihn umschließt. Aber
während für (18) der Radius des Krei-
ses E/c den Wert 2 nie überschreiten
konnte, kann der Kreis Ea für die
einfache Reihe (21) einen beliebig
großen Radius besitzen, sofern nur ß
genügend nahe an 1 gewählt wird.
über die analytische Darstellung etc.
131
Während also der Kreis Ek immer im Innern von D liegt,
kann im Gegensätze dazu der Kreis Ea bei genügender Ver-
kleinerung des a beliebig weit über D hinausreicben.
Nunmehr möge zu dem Falle einer durch die Konstanten
c„. Cj, Cg' • • - 5 • definierten Funktion F {x — a) mit dem
Hauptstern A übergegangen werden. Wir bezeichnen auf jedem
Halbstrabi durch 0 den ersten singulären Punkt der Funktion
F{x — o), den man von 0 aus erreicht, mit x und beschreiben
um den Punkt
als Mittelpunkt einen Kreis, der durch den Punkt x hindurchgeht.
Wir zeichnen nun ebenso zu allen anderen von a aus-
gehenden Halbstrahlen die entsprechenden Kreise. Der inner-
halb aller dieser Kreise gelegene Teil
— jeder Punkt ein einziges Mal ge-
zählt — bildet den Konvergenzstern
Ea. Strebt ß gegen 1, so nähert / \
sich Ea dem Stern, den Herr Borei /
„polygone de sommabilite“ nennt l
und der seinerseits Ea enthält. \ /
Diese Tatsache erklärt sich sehr
einfach. Das Polygon des Herrn Borei
kann durch einen Kreis mit dem
Durchmesser (a, x)^) erzeugt werden, während der Stern Ea
durch den Kreis mit dem Durchmesser
erzeugt wird, der sich dem erzeugenden Kreis des Herrn Borei
nähert, wenn ß gegen 1 strebt.
,Le9ons sur les series divergentes“, Kap. IV. Paris 1901.
2) G. Mittag-Leffler“, ,Sur la representation etc., Note 5“. 1904.
Acta Math., Bd. 29, S. 116, 154.
9’
132
G. Mittiig-Leffler
(23)
Andrerseits besteht zwischen dem Borelschen Ausdruck:^)
lim £ (^^0 + ^ ~
fo = oov = 0\ u •
CD
c \ (1)'’ ■f" ' r —
— TT ~ J {v^ 1)! = ;
und dem Ausdrucke:
% (z — a)
Cn -j—
(20) "
V =: 1
ß'-' a (a; — fl) + ^ ^ ß'-- flS {x — ay
I (^' ■*■) ^) Dl- T 1 / I I 1- /■ \i-
+ 3 ! 3d ß'-^u^(x-ay-\ j- - , a’ (z — a)'
der wesentliche Unterschied, daß der erste eine iterierte Reihe
vorstellt, d. h. zwei aufeinander folgende Grenzübergänge ent-
hält. während der zweite eine einfache Reihe ist, zu der man
durch ganz elementare Betrachtungen gelangt.
Bisher haben wir drei Ausdrücke, (5), (IG), (20), kennen
gelernt, die die Funktion F(z — a) in Bereichen darstellen,
die größer sind als der Konvergenzkreis C. In all diesen
Fällen enthält der Ilauptstern yl die verschiedenen Sterne C,
1) A. a. 0.
über die analytische Darstellung etc.
133
D, Eh, Ea, ohne daö es möglich gewesen wäre, die Para-
meter x‘, Je oder a so zu wählen, daß die entsprechenden Sterne
jeden im Innern von A gelegenen Bereich enthalten.
Dieses wichtige Problem wird, wie wir sehen werden,
durch eine Modifikation der Transformation (15) gelöst, näm-
lich durch die Substitution;
(24)
worin y einen reellen, passend gewählten Parameter bedeutet.
In Übereinstimmung mit unseren früheren Formeln lassen
wir dem Werte = l den Punkt x = x' entsprechen und setzen
daher :
(25) a = (l — /?))'; /5 == 1 — a)-; 0<a<l.
Betrachten wir zunächst die erzeugende Figur des Sternes.
Es .sei:
Wenn variiert, d. h. wenn u in seiner Ebene den Kreis
um den Anfang mit dem Radius 1 beschreibt, so beschreibt v
die erzeugende Figur. Diese ist symmetrisch zur reellen Achse;
= 0 entspricht v = 0, w = l entspricht v = l. Die Kurve
umschließt die Strecke (0, 1). Im übrigen ist hauptsächlich der
Punkt
a
der u = — 1 entspricht, sowie die Ordinate der Kurve von In-
teresse; es soll gezeigt werden, daß beide mit a gegen Null
streben. Es ist:
1 — ßu= 1 — = p e“ *
woraus
134
G. Mittag-Leflfler
V =
oy
n = sin (.0 4- y 0) = sin t> cos y & -j- ” sin r 0 cos 0
' py ^ Q'y . ' ' py '
*1 “ 7
Q~ = \ — 2 ßcosO = (1 — ßy -\- 4/9sin^^ = py 4ßsm~[j.
Also ist:
Nun ist
> 4/5 sin^ ^
> py
I
o > aJ”
« < ^ sin#cosy0 ^ — - siny0cosi5|
gy ' ^ gy ' '
p . . a I sin »5 I i a,, • S' ^ ^
sint/cosr0 < -- „y |cos70 = — i2l, psin— i cos . cosy
py / I ^ O'y' 1/ rf , ' 2 2 '
^ 2Vßsm^\
py
sin y 0 cos «9 << sin y 0 cos ?9 | .
Wenn y < 1 vorausgesetzt wird, so konvergiert der erste
dieser beiden Ausdrücke mit a gegen Null. Der zweite strebt
ebenfalls mit a gegen Null, wenn man von y annimmt, daß
es gleichzeitig gegen Null konvergiert. Wenn man also y = a
setzt, so konvergiert i] gleichzeitig mit a gegen Null, und
zwar gleichmäßig für alle & (0 < t) < 2 n). Der Punkt
strebt ebenfalls gleichzeitig mit a gegen Null.
über die analytische Darstellung etc.
135
Man konstruiere nunmehr um die Strecke (a, x') als Achse
eine Figur, die zu der vorhergehenden, durch die Gleichungen
1
fl ')r
^ = ^=1— 0<a<l; «1 = 1
bestimmten Figur ähnlich ist. Dabei soll das Ähnlichkeits-
Verhältnis gleich x‘ — a' sein und es sollen die Punkte a und x‘
den Punkten 0 und 1 entsprechen. Dann erhält man die Kurve,
die X vermöge der Substitution
n 'it
(26) X — a = {x‘ — a) 3-^
^ ^ ^(1 — ßu)'^
beschreibt, wenn u den Kreis um den Anfangspunkt mit dem
Radius 1 durchläuft. Diese Kurve, die zur Geraden (a, x') sym-
metrisch ist, nähert sich der Strecke (a, x‘), wenn a nach 0
konvergiert.
Es möge nun auf folgende Weise ein Stern Hr, erzeugt
werden: Auf jedem von a ausgehenden Halbstrahl lassen wil-
den Punkt x‘ bis zur ersten Lage ^ gleiten, bei welcher die
dem Punkte x' entsprechende Figur (26) durch einen Begren-
zungspunkt des Hauptsternes geht.
Macht der Halbstrahl eine volle Umdrehung um a, so
erzeugt die jeder dieser Lagen entsprechende Strecke (a, |) den
Stern Ha. Man sieht, wenn a nach Kuli konvergiert, daß der
Punkt dem auf dem Strahle gelegenen Begrenzungspunkte
von A beliebig nahe kommt, sofern der Begrenzungspunkt im
Endlichen liegt. Liegt er im Unendlichen, so kann für ge-
nügend kleines a der Punkt | beliebig weit von a entfernt
sein. Mit anderen Worten, ist A ein beliebiger innerhalb A
gelegener endlicher Bereich, so kann man a stets so klein wählen,
daß Ha den Bereich A in seinem Innern enthält.
136
G. Mittag-Leflfler
Für a = 1 fällt der Stern i/„ mit dem Koiivergenzkreis C
zusammen.
Die gleichen Betrachtungen, die auf die Substitution
(15) ^ — « = —
Anwendung gefunden hatten, zeigen hier ebenso, daß der Aus-
druck
(27)
SHaipc — a)
= <^0 + U
r = l
Cy , V , Cy-i n(v 1) _ ,
, {x—ay -j- — -1 V, , , ß {x - «)’-'
+
r: ' ' ■ (r-l)! 1!
c„_2 a()’ — 2)(a(j’ — 2) -f 1)
(r-2)!
c^
V.
91
ß^a''~^{x — ay~'^
, , c, «(a -h 1) . . . (a + )- — 2) ;
+ ••• + 7. ^a(x — a)
außerhalb Ha iu keinem Punkte konvergiert, aber für jeden
ganz innerhalb Ha gelegenen Bereich absolut und gleichmäßig
konvergiert. Der Stern H, ist also Konvergenzstern für den
Ausdruck (27), der im Innern von Ha den Funktionszweig
FHaipc) darstellt. Dieser Ausdruck stellt also für genügend
kleines a in jedem endlichen innerhalb A gelegenen Bereich
die entsprechenden Werte von F A{x) dar; für a = 1, ß = 0
reduziert er sich auf ^(x — a). Auch die oben für die Sub-
stitution (15) gemachten Bemerkungen über zwei verschiedene
Sterne Fa und von der Art, daß a > o', bleiben hier
gültig.
Neben der Formel (27) können wir eine andere, von Herrn
Fredholm^) gegebene Formel anführen, in der die numerischen
Koeffizienten sehr einfach definiert sind:
1) Ivar F redholm, „Sur la methode de prolongement analytique de
Mittag-Lettler“. Üversigt af Kungl. Yet. Ak. Förhandl. 13 mars 1901.
über die analytische Darstellung etc.
137
(28)
^0 + U - I ^2 ^v- 2 { j H“ ■ ■ ■
»' = I '
, — aX”“’ , (x — a\ ß'’
+ ( i/ j i/ jjr!
H=-\og{\-ß)
i (A + 1) . . . (A + w— 1) = 2" + Cf l"-' + • • • + Cf_, l .
Man erhält diese interessante Formel, wenn man in '^5(g: — a)
die Substitution ausführt:
(29)
X — a = {x‘ — a)
log(l — ßu)
log(l — ß) ’
0<ß<l.
Die Ausdrücke (27) und (28) haben beide den Nachteil,
daß ihre erzeugenden Figuren (26) und (29) die Halbstrahlen a i
unter einem rechten XVinkel schneiden. Die durch sie erzeugten
Sterne schmiegen sich dem Stern A daher weniger au, als
wenn die erzeugende Figur den Begrenzungspunkt des Sternes
unter einem spitzen Winkel erreichen würde, den man durch
genügend kleine Wahl des a beliebig verkleinern könnte.
Ein solches Resultat kann erzielt werden mit Hilfe der
Substitution: ^)
(30) X — a = (x' — a) ; 0 < a < 1 ,
die eine konforme Abbildung des Kreises ju <1 auf eine
Figur vermittelt, die von zwei bezüglich (a,x‘) symmetrischen
Spiralenbögen begrenzt wird. Der innere Winkel, unter dem
1) G. Mittag-Leffler, „Sur la representation analytique
Note 3‘. 1900. Acta Math., Bd. 24, S. 229.
138
G. Mittag-Leffler
diese herzförmige Kurve den Halbstrahl ax‘ im Punkte x‘
schneidet, hat den Wert .
Eine andere Lösung des Problems liefert die Substitution')
(31) x — a = {x‘ — a)a ~ ; 0<a<l,
^ ^ ^ ^ ü(l -}- w)« -p (1 — If)"
die den Kreis 1 « j ^ 1 auf eine aus zwei Kreisbogen bestehende
Figur abbildet, welche sich im Punkte a — a {x' — a) und
im Begrenzungspunkte x' des zugehörigen Sternes unter dem
AVinkel an schneiden.
AVenn die Substitutionen (30) und (31) geometrisch an-
schaulicher als die vorhergehenden sind, so führen sie dafür
auf weniger einfache arithmetische Ausdrücke als (27) und (28).
Die numerischen Koeffizienten, die man durch Anwendung
dieser Substitutionen erhält, sind in der Tat äufierst kompliziert.
Um andrerseits strenge zu beweisen, dafi die aus den er-
zeugenden Figuren der Substitutionen (30) und (31) gebildeten
Sterne tatsächlich Konvergenzsterne sind, muh man den voll-
ständig elementaren Rahmen verlassen, innerhalb dessen wir
bisher bleiben konnten.
Da diese Substitutionen die singulären Punkte u = — 1
und u = \ besitzen, so können sie nicht in Potenzreihen nach
M entwickelt werden, die für m|>1 noch konvergent sind.
Der AVeierstraßsche Satz über iterierte Reihen, dessen wir uns
bedient haben, ist daher für «f| = l nicht mehr anwendbar.
') A. a. 0., Note 3, S. 228, 229.
über die analytische Darstellung etc.
139
sondern nur für |^^ <1. Folglich haben wir nicht das Recht,
in dem hervorgegangenen Ausdruck u = \ zu setzen.
Herr Phragmen hat mit Hilfe von Betrachtungen, die der
Theorie der Fourierschen Reihen entliehen sind, gezeigt, wie
man diese Schwierigkeiten überwinden kann und daß man wirk-
lich M = 1 setzen darf.*) Herr Marcel Riesz ist mit Hilfe des
Cauchyschen Integrals zu dem gleichen Ergebnis und sogar
noch zu einem allgemeineren Resultat gelangt.^)
Den Mangel, welchen einerseits (27) und (28) aufwiesen,
indem sie keine so eng an die Strecke (a, x') sich anschmie-
gende erzeugende Figuren lieferten wie die Substitutionen (30)
und (31), die verwickelte Rechnung andrerseits, welche die Ver-
wendung von (30) und (31) mit sich bringt, kann man sehr
leicht vermeiden, wenn man als erzeugende Figur die Kurve
wählt, die ich schon an anderer Stelle angewandt habe, um
eine Darstellung mit Hilfe des Laplace- Abelschen Integrals
zu erhalten.®)
Betrachten wir nämlich die Substitution:
(32)
t; = (l— t()«; 0<rt<l.
Durchläuft u den Kreis mit dem Radius 1 um den An-
fangspunkt, so beschreibt v eine zur reellen Achse symmetrische
Kuiwe L, die im Anfangspunkte mit der positiven reellen
Punkte = 2“ unter einem rechten Winkel zum zweiten Male
schneidet. Die Gleichung der Kurve lautet in Polarkoordinaten:
(33)
*) G. Mittag-Leffler, ,Sur la representation . . ., Note 3“. 1900.
Acta Math., Bd. 24, S. 229-230.
Marcel Riesz, ,Sur un probleine d’Abel. (Extrait de deux lettre.s
ä M. G. Mittag-Leffler)“. Rendiconti del Circolo Matematico di Palermo,
Bd. 30, 1910, S. 339 — 345. Siehe die der vorliegenden Arbeit angefügte
Note: „Ein Satz des Herrn Marcel Riesz.“
®) G. Mittag-Leffler, „Sur la reiwesentation . . ., Note 5". 1904.
•■^cta Math., Bd. 29, S. 116, 154.
140
G. Mittag-Leffler
]\Ian erhält sie unmittelbar, wenn man beachtet, daß der
Punkt v" mit den Polarkoordinaten ~ und da identisch mit
dem Punkte 1 — einen Kreis durch den Anfangspunkt mit
dem Mittelpunkt x = i beschreibt.
1
Führt man also in die Potenzreihe iß (a; — a) die Sub-
stitution ein :
(34) X — a = {x‘ — o) (1 — (1 — «O'O)
so beschreibt die Veränderliche x um den Halbstrahl ax'
als Achse eine der Kurve (33) ähnliche Kurve, die im
Punkte x' mit ax' den Winkel bildet und ax' in dem
Punkte a — (x‘ — a)(2" — 1) unter einem rechten Winkel zum
zweiten Male schneidet.
In vollständig analoger Weise, wie wir früher die Sterne
für die Substitutionen (15), (26), (29), (30) und (31) konstruiert
haben, erhält man jetzt einen Stern Ka sowie einen Ausdruck:
SK„ {x — a) = Cf, ^ Af » (x — a) -1- Arf ' (x — a^
1=1^-
^ ^ - af
(35)
über die analytische Darstellung etc.
141
der j&r„ zum Konvergenzstern besitzt und im Innern von K„
den Funktionszweig FKn{x) darstellt. Um zu beweisen, daß Kn
tatsächlich Konvergenzstern ist, muß man sich der Methode
des Herrn Phragmen^) oder der des Herrn Marcel Riesz^)
bedienen.
Die Koeffizienten sind von sehr einfacher Beschaffenheit ;
_ ^ g (1 — g) ... (>1 — 1 — g)
1! l\
v(l — r) 2g(l — 2 g) • • • (A — 1 — 2 g)
' 2! A!
, r (1 — j') . . . — 1 — v) V a{l — 1' g) . . . (A — 1 — r a)
^ Ti ■
Alle diese Zahlen sind positiv, da die Koeffizienten von
/0/.N < X « . g(l— g) „ , a(l — g)(2 — g) , ,
(36) l~(l— h)« = ^,«+ ^
positiv sind und folglich auch die der Maclaurinschen Reihe
von [I — (I — t«)“]*".
Es ist mir bisher kein Ausdruck bekannt, der gleichzeitig
von beiden Gesichtspunkten aus, dem geometrischen und arith-
metischen, einfacher als der Ausdruck (35) wäre und ebenfalls
allen Anforderungen Genüge leisten würde.
Die Entwicklung besitzt noch einen wichtigen Vorzug.
Sei x' ein Begrenzungspunkt des Sternes Kn- Es sei ferner
a‘<ia; ist dann x' ein regulärer Punkt von F{x — a), so wird
x' in das Innere von Ka- fallen und der Ausdruck SKn'{x — a)
folglich im Punkte x‘ konvergieren. Ist dagegen x‘ ein sin-
gulärer Punkt von F(x — a), so ist dieser Punkt ein Begren-
zungspunkt von Kn und von K,'. Doch kann es Vorkommen,
daß der Funktionszweig FKn{x — a), wenn x im Innern von
Kn gegen x' strebt, sich einem und demselben Werte nähert,
welchen Weg auch die Veränderliche x innerhalb K, durch-
1) A. a. 0.
2) A. a. 0.
1-12
M. Mittag-LefTler
läuft. Unter dieser Voraussetzung ist der Ausdruck FK,^■{x—a)
im Punkte x = x' immer konvergent, und die Konvergenz ist
gleichmäßig für jeden Bereich, der x' als Begrenzungspunkt
enthält und im übrigen vollständig innerhalb Ka gelegen ist.
Dieser wichtige Satz, der eine unmittelbare Folgerung aus
dem weiter oben erwähnten ist, wurde von Herrn Marcel Riesz^)
für alle Sterne bewiesen, deren erzeugende Figur in dem zu-
gehörigen Begrenzungspunkte x' des Sternes den Strahl ax'
unter einem spitzen Winkel trifft.
Bevor wir die bisher behandelten Fälle verlassen, sei ein
allgemeiner Satz angeführt, der für alle bisher erhaltenen
Sterne gilt, zu denen wir auch den Konvergenzkreis zählen
können.
Ist
Yj fv (^)
v = 0
eine der im Vorhergehenden gebildeten Reihen, und liegt der
Punkt x' außerhalb des Konvergenzsternes dieser Reihe, so ist
der Grenzwert
lim ,
f,=X ] _ 0
immer unendlich.
Wäre er nämlich endlich, so hätte man:
und folglich
Die Reihe
' Ufr(F)
1 r = 0
r = 0
wäre für k| < 1 konvergent. Ersetzen wir jetzt ti durch seinen
Wert in x und x', so wird der so erhaltene Ausdruck für alle
AVerte von x innerhalb der zu dem Punkte x' gehörenden er-
1) A. a. 0.
über die analytische Darstellung etc.
143
zeugenden Figur konvergent sein. Er stellt also innerhalb
dieses Bereiches einen Funktionszweig dar, der für genügend
kleines \x‘ mit dem aus '^3(.r — a) hervorgegangenen überein-
stimmt. Allein dies ist unmöglich. Denn da x' außerhalb des
betrachteten Sternes gelegen ist, kann der aus — a) her-
vorgegancrene Funktionszweig nicht für alle solchen Werte
o o o o
von X regulär sein, die noch innerhalb der zu x' gehörenden
erzeugenden Figur, aber außerhalb des Hauptsternes liegen.
Unsere Behauptung ist damit bewiesen.
Sowohl die verschiedenen Ausdrücke (27), (28) und (35)
als auch die aus den Substitutionen (30) und (31) hervorge-
gangenen Entwicklungen sind alle von der Form:
S,.{x-~
(37)
«) = + S
v = I
V :
(x — «)’’ ,
worin die Koeffizienten (a) (ju — 1,2,3,... r) ganze rationale
Funktionen eines Parameters a mit numerischen Koeffizienten
bedeuten. Diese Koeffizienten sind unabhängig von der darzu-
stellenden Funktion, d. h. von den Konstanten Cj, . . . c,, . . .
die in ihrer Gresamtheit die Funktion definieren. Für a = 1
kommt man auf die Taylorsche Reihe zurück. Wählt man
andrerseits a hinreichend klein, so erhält man für Sa{x — a)
einen Konvergenzstern, der jeden gegebenen ganz innerhalb
des Sternes Ä gelegenen Bereich einschließt. Diese Tatsache
legt uns die Frage nahe, ob es nicht möglich ist, einen Aus-
druck S(x-a) von der gleichen Form wie Sa{x—a) zu finden,
der nicht mehr von dem Pai'ameter a ahhängt und für den
der Stern A Konvergenzstern ist. Wie wir sehen werden, läßt
sich dieses Problem in vollkommen elementarer Weise beant-
worten, wenn man die Forderung, daß Ä Konvergenzstern sein
soll, fallen läßt, indem man nur die Bedingung beibehält, daß
S{x — a) gleichmäßig für jeden innerhalb Ä gelegenen Bereich
konvergieren soll und auf die Divergenz von S'(a; — a) in jedem
Punkte außerhalb Ä Verzicht leistet.
144
G. Mittag-Leffler
Sei nämlich n eine gegebene positive ganze Zahl. Dann
definieren wir einen Stern E„ auf folgende Weise. Es werde
ein beliebiger von a ausgehender Halbstrahl l fixiert. Bezeichnet
man mit o„ eine genügend kleine positive Größe und trägt man
auf dem Halbstrahl von a aus die Länge {n — l)g„ ab, so
wird jeder Kreis mit dem Radius g„, der um einen beliebigen
Punkt dieser Strecke beschrieben ist, dem Hauptstern A an-
gehören. Bezeichnet man mit ii„ die obere Grenze der g„,
trägt auf l die Länge n R„ ab und läßt l um a eine ganze
Umdrehung machen, so erhält man den Stern E„. Man sieht,
daß der Stern E^ der Kreis C ist, ferner daß der Stern En
den Stern En-\ enthält, und daß alle Sterne E.^, E^, . . .
dem Stern A angehören.
Man sieht leicht, '•) daß man immer n so groß wählen
kann, daß En in seinem Innern jeden innerhalb A gelegenen
Bereich X enthält.
Es sei (S„ ein neuer, zu En konzentrischer und ähnlicher
Stern, der durch einen Halbstrahl von der Länge ng, g = Oli,,,
O<0<1, erzeugt werden soll. Es liegt auf der Hand, daß
man immer O genügend nahe an 1 wählen kann um zu er-
reichen, daß jeder im Innern von En gelegene Bereich in das
Innere von (§„ fällt.
Es werde nun mit ff die obere Grenze von F$n(x — a)
bezeichnet, wenn x dem Stern angehört. Es sei ferner | eine
Größe, deren absoluter Betrag t gleich g ist und es bedeute
!,,(/< = 1, 2, . . . n — 1) eine Folge von Punkten auf dem
gleichen Halbstrahl, von der Eigenschaft, daß die Entfernung
zweier Punkte ^„ + i und den Wert g nicht überschreitet
und daß die Entfernung zwischen ^„_i und dem Begrenzungs-
punkt von (Sn auf diesem Halbstrahl nicht kleiner als g sein
soll. Unter diesen Voraussetzungen gilt, wenn x dem Stern
an gehört:
b Vgl. G. Mittag-Leffler, ,Slu- la reprcisentation . . 1899.
Acta Matheuiatica, BJ. 23, S. 50/51.
2) A. a. 0.
über die analytische Darstellun;
F&n {X — o)
etc.
145
;.,z
Dahei- ist nach
Führt
= + ^) = £
;., = o •
t /, £<j.
zz 0 'ü •
h dem Cauchy-Weierstrahschen Satz:
.
'"1 •
t man jetzt eine neue Größe ein, deren absoluter
I' I gleich &Q ist (0 < (? < 1), so erhält man:
^1- r
: man andrerseits ^„_i = i.
-2+1, SO is
ist
0 - 2) •
^2 = 0 1 * 2 *
ly idai-f-Aj)
|/, ./2' I
y ,> _jr, (f.
Aj . Ag .
0“'ü
Fn - 2) +''■2 I < (J &'■* + ^*2
1 * - •
£ I - F*h + '-2) (f „ _ 2) l'h + '-2
ij zz 0 I ■ ^2 •
;.2=o • ^2-
- PO i + ^2^ ( t
+ A2!
j-~ F‘^«+'-2)(^„_2)|'h + A2
1 • ^2 •
^mi + l
= ■^(1 - vX
; m2-|-l
2) |'/.1+/.2|
1 —
)?'"2+l 1-
Sitzungsb. d. raath.-pliya. Kl. Jahrg. 1915.
10
146
G. Mittag-Left'lei-
Setzt man
+ t') = F&niin -2 "H + 10
('401 "'2 1
^ ^ ^ ^ ; r ; ! (!„_,) e, -\- e„
;.,=o /.o = o • ‘^2‘
(41)
^1 ^
'•1 = ”*1 + • ■'■2
. 4 !
/q = 0 I 2
1
«Hl 00
^2 = XI X ^ I A '
;.,=0 -iij = m2+l 1 • 2-
SO ist also
l«i £9
fo £9
F^^i + '-2)(|:„_2)|'''-i + '-2
i?’Gt + ^-2l(^„_2) ^'■‘1+^2,
7?Hlj + 1
(T—
•|9”'2+ *
(42)
(l-i9)2
Verfahrt man nun mit i^^^‘ + ''-2^(|„_<>) ebenso wie früher
mit i^^^-‘^(f„_i), so erhält man durch Einführung von
j/ai+/.2+A3) (^„_3)
die Gleichung:
F&„ (^„-1 + i‘) = F§)„ {$„—0 -j- 1' + 10 = F$„ (^„ _3 + 10
mj m2 mg 1
= X X X ; I ; . ; , F^'■iF■^+’.3^ (f _ 3) t'^-i+Aj+As ,
;.,=o Ajrzo ;.3=o'^’i‘ ''i' ■'‘■s-
wo
»1, »ij 00 1
(43) e3 = X X X ,i'^(s0.-3)^‘'‘+'“ + '=>
;.,=o ;.2=o /.3 = »i3+i '‘i • ''‘■2- ''3-
und
■|9'"3 + *
Fährt man in dieser Weise fort, so gelangt man schließ-
lich zu der Formel:
(44)
F$„ (x — n) =
1
mj IH2 H
X X X 1 ) 1 I ' I
^, = 0 ;.2 = 0 /.„zrO'^-l- '■2' • •• '-11 •
+ ^'2 + ■
— a\''i4‘'^-2H — ^ti
+ + ^'2 + • • ' + ^»1
Uber die analytische Darstellung etc.
147
wo
(45)
«1 ^91
h I ^9
(1 — -»f
^"'2+ ’
(1-^^
<9
.ß"‘n + '
(T^
Bezeichnet man mit d eine beliebig kleine positive Größe,
so erhält man also durch genügende Vergrößerung der Zahlen
m^, »«2, . . nin für jeden im Innern des Sternes gelegenen
Bereich X die Beziehung:
(46)
FEn {x — a) —
«il ni2 ”*n 2
^ ^ ^ ; I 3 I TI
3.1 = 0 3.2 = 0 3„ = 0 >• 2
J^ai+32+ -/.„)(^^j'
x — a\ + ■ ■ ■■‘n j
j I<<5.
Zwar wurde diese Ungleichung nur unter der Voraus-
setzung bewiesen, daß X einem zu konzentrischen und
ähnlichen Stern angehört, der in seinem Innern gelegen
ist und durch einen Halbstrahl von der Länge
wp', q' — 'd q{0 <,■& dl)
erzeugt wird. Man sieht indessen, wenn man die beiden
Größen # und 0 dem Werte 1 sich genügend nähern läßt, daß
die Ungleichung für jeden zu En konzentrischen und ähnlichen
Stern und folglich für jeden innerhalb E„ gelegenen Bereich X
richtig ist.
Setzt man
(47) == . ni„ = m
so verwandelt sich die Ungleichung (46) in')
') Vgl. G. Mittag-Leffler , „Sur la representation analytique
d’une brauche uniforme d’une fonction monogene, Note 2.“ 1900. Acta
Mathematica. Bd. 24, S. 201.
10’
148
6. Mittag-Leffler
(48)
in m
lim ^ Xi •
«'=«> Ai=o ;.2=o
■ XI ; I ; I ; I
F En {x — a) =
1 •
fx — aY-i+'-2+-
V w y
Die rechte Seite dieser Gleichung konvergiert gleichmäßig
für jeden Bereich X im Innern von E„ und stellt folglich
FEn {x — a) in einem solchen Bereich dar.
Von der Formel (48) gelangt man leicht zu einem für
jeden Bereich innerhalb des Sternes A gültigen Ausdruck.
Da nämlich mfi — m gesetzt wurde (,u = 1, 2, . . . m),
so ist
und folglich
(49) 'fi| + k2l + k3l + '
£i < I £2 < • ■ •
■ en\<n\En=ng—-^
p m — n.
Wir hatten vorausgesetzt, daß # eine positive Größe sein
soll, die dem Werte 1 beliebig nahe kommen darf. Also wächst
ß =
l — d
über alle Grenzen, wenn d nach 1 strebt.
Setzen wir nun
{)•
ß = = lügm(w).
wo co{n) eine reelle positive, mit n unbegrenzt wachsende
Größe sein soll, so erhalten wir:
n ß" IF = e
& ^ loga)(??)
>Y/*iog
^ V » I' p / . p — m -j- 1 — «.
Setzt man
(50)
m = n (o (p) ,
über eine analytische Darstellun<( etc.
149
d. h.
^ = n CO (») ( 1 +
\ no)(n) a>{n)J
. nßlo^ß
• 1 . 1 r. ß^o^n
so sieht man, dah sowie
P
P
nach Null konvergieren,
wenn n unbegrenzt wächst, während ^Slog-^ den Grenzwert 1
V
7)
annimmt und ^ gleichzeitig mit n über alle Grenzen wächst.
Führt man nun in der Gleichung (48) für m die erste
ganze Zahl größer als wco(w) ein, so verwandelt sich diese
Gleichung in die Relation:
+
(51) F A{x — a) =
hm S U-'-L ;-T71—^
«=® ;.i=o /.2=o /.„=o ■ '"i \ J
(m = erste ganze Zahl größer als nco(n)),
deren rechte Seite gleichmäßig und absolut in jedem inner-
halb des Sterns A gelegenen Bereich konvergiert.^) Die Aus-
Vgl. G. Mittag-Leffler, „Om den analytiska framställningen
af en allmän monogen funktion“. 11 maj 1898. Öfversigt af Kgl. Vet.
Ak. Förhandl. Stockholm 1898.
A. a. 0., G. Mittag-Leffler, „Sur la representation analytique
d’une brauche uniforme d’une fonction monogene“. 1899. Acta Math.,
Bd. 23, S. 60.
Der Ausdruck
m2 n*
/.i = oa2 = o = '^2- ■ • • \ « /
den man in diesen Arbeiten findet und der unter anderem in den fol-
genden Werken wiedergegeben ist:
Emile Borei, „Le90ns sur les series divergentes“. Paris 1901
(Gauthier -Villars). Kap. V, S. 156— 172;
G. Vivanti, „Theorie der eindeutigen analytischen Funk-
tionen“. Umarbeitung unter Mitwirkung des Verfassers, deutsch
herausgegeben v. A. Gutzmer, Leipzig 1906 (B. G.Teubner), S. 351 — 364;
ist viel weniger einfach als der Ausdruck (51). Dieser ergibt sich über-
dies fast unmittelbar aus den ersten Grundbegriffen der Theorie der
150
G. Mittapr-Lett’ler
drücke (48) und (51) haben beide die Form von Grenzwerten,
Es ist evident, dals man sie in Reihen umformen kann, deren
einzelne Glieder Polynome in.a; — a sind. Bezeichnet man die
rechte Seite jedes dieser Ausdrücke mit Ä„(a;), so wird die
entsprechende Reihe
CO
-F(a) + ^ (S,„+ 1 ix) — S,„ (a;)).
(52)
Kehren wir andrerseits zurück zu unseren Ausdrücken
so sieht man, daß diese in der Form geschrieben werden können:
analytischen Funktionen nach Weierstraß, während die Herleitung des
anderen Ausdrucks, obgleich auf denselben Grundlagen beruhend, recht
weitläufig war.
Es ist noch zu bemerken, daß man durchaus nicht leichter ans
dann zu dem allgemeinen Falle mit Hilfe des Cauchyschen Integrals
übergeht. Dies bedeutet im Gegenteil einen nutzlosen Umweg. Die Ab-
leitung für den Ausdruck (51) ist vollkommen identisch mit derjenigen,
die erforderlich wäre, um das entsprechende Resultat für — — zu erhalten.
* 1 <Tf»
1 — X
(Vgl. das Buch von Herrn Jacques Hadamar d, ,La serie de Taylor
et son prolongenient analytique“. Scientia, Mai 1901, S. 55 — 60.
G. Mittag-Leffler, „Sur la representation arithmetique des fonc-
tions analytiques generales d’une variable coniplexe.“ Atti de IV^ Congresso
internaz. dei matematici, Roma, 6—11 Aprile 1908. Roma 1909, S. 75.)
über die analytische Darstellung etc.
151
Ganz ebenso, wie wir verfuhren, um den Ausdruck
(51)
FA {x — a) —
''=«= ;ii=o ;.2=o /.„=o '-n- \ J
X — «N'-i + '-ad 'n
zu erhalten, kann man auch leicht eine Beziehung zwischen a
und der ganzen positiven Zahl m aufstellen, derart, dah (53)
für jeden innerhalb A gelegenen Bereich konvergiert. Wir
legen der erzeugenden Funktion /’(M|a) die gleichen Bedingungen
auf wie in den Fällen
(26) =
nämlich: es soll /’(0|a) = 0, /"(l a)=l, f{u\\) = u sein, es
soll ferner f{u a) für alle Punkte des Kreises regulär
bleiben und das durch f{ti\a) vermittelte Bild dieses Kreises
soll die Strecke (0, 1) immer enger umschmiegen, wenn a nach
Null strebt.
Unter diesen Bedingungen ist
F{{x‘ ^a)f{u\a))
(54)
{{x‘ — a)f{u\ a))
® ((a;' —a)f{u\ a))„ =o
2-1
dMF{{x‘ — a)f(u a))
du'’
Da diese Reihe für ^u\ = q konvergiert, wenn o größer
als 1, aber genügend nahe an 1 ist, so ist nach dem Cauchy-
Weierstraßschen Satz :
' V '
Q
<1
und folglich
^ ((a;' _ a)f{u a))„ = o ' ^
r! =-"'1-1? ^1 — d ■
V = m 4- l I
152
G. Mitfciig’-Lettler
Mau setze nun:
a
m = CO (w) ,
wo a)(n) eine positive Grölse ist, die gleichzeitig mit n über
alle Grenzen wächst. Wählen wir co (n) so, daß
_ 1
§ = e " ,
so erhalten wir:
m
^ 1
, — < 0) (w)^; = e = e-
1 17
Folglich strebt der absolute Wert von
^ (^x‘ — a) f{u a))„ ^ 0
«= ^ iTi
F =r m -j- 1
nach Null, wenn n ins Unendliche wächst, und man erhält
die Gleichung:
(55)
FA (x—a) — lim XI
n = » »’ = 1
(m = erste ganze Zahl größer als co (»)),
deren rechte Seite absolut und gleichmäßig für jeden im Innern
des Hauptsterns A gelegenen Bereich konvergiert.
Wie schon hervorgehoben wurde, besteht ein wesentlicher
Unterschied zwischen den zuerst erhaltenen Ausdrücken (37)
und (53) und den neuen Ausdrücken (48), (51) und (55). Die
ersteren besitzen, wie wir gesehen haben, einen Konvergeuz-
stern, der sich A beliebig nähert, wenn ein gewisser Para-
meter a nach Null strebt. In diesem Falle konvergiert der
Ausdruck für jeden innerhalb des Konvergenzsterns gelegenen
Bereich gleichmäßig, divergiert dagegen in jedem Punkt außer-
über die analytische Darstellung etc.
153
halb des Sterns. Im zweiten Falle konvergieren zwar die Aus-
drücke für jeden Bereich im Innern von A, aber die Be-
dingung, dah in jedem Punkte außerhalb Divergenz bestehen
.soll, wurde unterdrückt.
Man kennt seit der im Jahre 1880 veröffentlichten Arbeit
von Weier.straß „Zur Punktionenlehre“ den wesentlichen Unter-
schied, der zwischen einem arithmetischen Ausdruck^) und der
analytischen Funktion besteht. Man kann es geradezu als die
allgemeine Regel bezeichnen, daß ein arithmetischer Ausdruck
verschiedene analytische Funktionen darstellt, und als be-
merkenswerte Ausnahme, wenn der Ausdruck nur ein und den-
selben Funktionszweig darstellt, aber außerhalb eines gewissen
Bereiches keinen Sinn mehr besitzt. Gerade dieser letztere
Fall liegt bei der Taylorschen Reihe und ebenso bei (37)
und (53) vor. Insoferne also diese Ausdrücke diese wesent-
liche Eigenschaft der Taylorschen Reihe aufweisen, stellen sie
eine wirkliche Verallgemeinerung dieser Reihe dar.
Was nun andrerseits die Ausdrücke (48), (51) und (55)
betrifft, so liegt gar nichts besonders Bemerkenswertes in der
Tatsache, daß sie außerhalb Ä bei passender Wahl der Kon-
stanten Cg, Ci, . . . konvergieren können. Man kann
tatsächlich Ausdrücke dieser Art bilden, die für Kontinuen
außerhalb A konvergent sind und für diese Kontinuen analy-
tische Funktionen darstellen, die mit der
durch die Konstanten Cg, c^, c.^ ... c,, .. .
definierten Funktion nichts zu tun haben.
Es ist sogar der Fall nicht ausgeschlos- a
sen, daß ein solcher Ausdruck gleich-
, . . Die starken Linien sind Teile
mäßig für einen zweidimensionalen Be- Begrenzung des stems.
0 Monatsber. d. Kgl. Akad. d. Wiss. vom 12. Aug. 1880. Weier-
straß, Werke, Bd. 2, S. 201—233.
Die Bezeichnung „arithmetischer Ausdruck“ im Gegensatz zu „ana-
lytische Funktion“ findet sich bei Weierstraß nicht. Sie wurde in diesem
Sinne anscheinend das erste Mal in der Abhandlung: „Sur la represen-
tation des fonctions monogenes uniformes . . .“ von G. Mittag-Leffler
angewendet. Acta Math., Bd. 4, S. 1—79.
154
G. Mittag-LetFler
reicli konvergiert, der zum Teil in das Innere, zum Teil in das
Außere des Sterns A fällt. (Die schraffierte Figur.) Er würde
also für diesen Bereich eine Fortsetzung des Funktionszweiges
Fä{x) darstellen. Man kann auch erreichen, daß ein solcher
Ausdruck hei passender Wahl der Konstanten c^, Cj , . . . c,, . . .
auf einem Abschnitt eines Halbstrahls gleichmäßig konvergiert,
der vom Anfangspunkt ausgehend beliebig weit über den Be-
grenzungspunkt des Sterns hinausreicht, und auf diesem Ab-
schnitt eine stetige Folge von Werten annimmt; dabei können
die Werte, die dem außerhalb des Sterns gelegenen Teil ent-
sprechen, in vollkommen willkürlicher Weise gewählt werden.
Nichtsdestoweniger scheint es beim ersten Blick nicht aus-
geschlossen, daß Ausdrücke von der Form
lim G{x; n)
{(jr{x \ n) = ganze rationale Funktion von x, deren Glieder sich
von Cf,, c^x, c^x^ , . . . nur um numerische Faktoren unter-
scheiden, die von dem Parameter n abhängen.) existieren, für
welche der Stern A immer Konvergenzstern bleibt, gleichviel,
wie man die Konstanten Cg, c,, . . . c„ . . . auch wählt. Herr
Borei hat durch eine tiefgehende Untersuchung gezeigt, daß
dies nicht der Fall ist. Herr Phragmen ist noch weiter ge-
gangen, indem er zeigte, daß es auch dann nicht der Fall sein
kann, wenn man unter G{x\n) ein ganze transzendente Funk-
tion versteht.
Zu diesem bemerkenswerten Resultat kann man auf fol-
gende Weise gelangen.
Wir setzen voraus, es sei
, ^ Cy
(56) J^M(a:) = lim ^(r, co) ^ x*' ,
fo = a) ,,_Q r.
wo o) reell und positiv ist und die (r, co) numerische Koeffi-
zienten bedeuten, die von v und co abhängen, während die
Reihe
') „Le^ons sur les series divergentes.“ Paris 1901. (Gauthier-Villars.)
S. 172—175.
über die analytische Darstellung etc.
S
v = 0
für jeden positiven Wert von to eine in Bezug auf x stets
konvergente Reihe sein soll. Es wird ferner angenommen, daü
die obere Grenze von
i 00 C I
i
I 0 ■ I
für jeden endlichen Bereich von o), x endlich ist.
Wir setzen
00
(57) G(x; aj) = '^{v, (n)x'' (stets konvergente Reihe), d. h.
v = 0
(58) - — = lim G{x; w).
i X fcü = 00
Der Hauptstern dieser Funktion ist die ganze Ebene außer
der Geraden (1, oo).
Es werde andrerseits angenommen, daß der Hauptstern
der durch die Konstanten c^, c^, c.^, ■ ■ . c,. . . definierten Funk-
tion der Kreis ! x | <C 1 ist und daß diese Funktion auf folgende
Weise definiert werde.
Wir wählen auf der Peripherie des Kreises die Punkte
ciq = (2 = 1, 2, 3, . . .) in der Art, daß sie eine auf dem
Kreisumfang überall dichte Menge bilden, daß indessen die
Punkte X = \ und x = — 1 nicht zu ihnen gehören.
Wir nehmen ferner positive Größen (g = 1, 2, 3, . . .)
derart an, daß
CO
die Reihe konvergiert.
?= >
Aus diesen beiden Voraussetzungen schließt man mit Hilfe
des Weierstraßschen Satzes über iterierte Reihen die Gleichung:
deren rechte und linke Seite beide mindestens für X\<i\
konvergieren.
156
G. Mittag-Leffler
Man kann indessen auch folgern, dals der Kreis u; | < 1
der Hauptstern dieser beiden Ausdrücke ist. Um dies einzu-
sehen, fixieren wir einen der Punkte«,, etwa «,, = Setzt
man x = re^P, >' <C 1 1 so erhält man:
GO yi
L' -
9=1 1_
<1
X
nl)
1 »(©n-'y«)’
1 — r e ^ *
wobei die Summe auf der rechten Seite sich über alle Glieder
außer dem erstreckt. Der reelle Teil der rechten Seite ist:
1 — 9
1 — ■ r cos ( &p — (9,)
sin'^ ( (9p — 0,) -j- (r — cos ( 0^ — 0,))^
Jeder dieser Terme ist positiv. Dieser reelle Teil wächst
daher unbegrenzt, wenn x auf einem Radius sich dem
Punkte üp nähert. Andrerseits sind diese Punkte auf dem Um-
fang des Kreises \x <il überall dicht. Es ist daher unmög-
lich, (59) über den Kreis hinaus fortzusetzen, der folglich den
Hauptstern von (59) vorstellt.
Nunmehr unterwerfen wir die zwei neuen Bedingungen:
1. Die Reihe
9 = •
Ä,
sin 0,
soll konvergent sein.
Man zieht aus dieser neuen Voraussetzung eine wichtige
Folgerung. Ist nämlich x reell und positiv, so ist
= 1 — ■ X cos 0, -j- i a: sin 0, 1 = U^l — 2 x cos 0, -j- x^
= ]/ sin^ &q -\- (x — cos 0,)^ .
Die rechte Seite dieser Gleichung nimmt ihr Minimum für
.;c = cos0„ an und wird in diesem Falle gleich sin 0o .
Die Reihe
00 A
9= ' I •
über die analytisclie Darstellung etc.
157
ist folglich gleichmäßig konvergent für jeden Bereich 0<a;<X,
wenn X eine beliebige positive Größe bedeutet.
2. Sei q eine feste Zahl. Dann hat, wie man leicht sieht,
der absolute Wert
G ' ;a>
1 _ V«7
a,
für 0<a;<X und 0 < co immer eine endliche obere Grenzeil/,.
In der Tat, bezeichnet man mit d eine beliebig kleine
Zahl, so kann man immer eine Größe co so groß bestimmen, daß
<; <5; CO ^ CO.
Andrerseits hat
1 1
-a\
( X \
- - -
— ; 0)]
1-^
«9
U9 J.
in Anbetracht der über die und über Ct{x\ co) gemachten
Voraussetzungen eine endliche obere Grenze.
Unsere zweite Bedingung soll jetzt lauten:
Die Reihe ^
9 = 1
konvergiere.
Aus diesen verschiedenen Vorausisetzungen folgt, daß die
wo CO einen beliebigen positiven Wert haben soll, gleichmäßig
für jeden Bereich 0 ^ a; < X konvergiert und daß
lim
(O = oo
= 0.
158
G. Mittag-Lett'ler
Man erhält daher:
(60) lim A,g(^ ■, 0^ = ^ Q^x^X.
" = =° };= 1 V®? / 9 = 1 j
(tq
Nun ist (vgl. (57)):
CO /'T* \ 00 00
^;co)=SAL('’> ")(-) •
Für festes co und beliebiges g besitzt der absolute Wert
von für {R sei eine beliebige positive Größe)
eine bestimmte endliche obere Grenze.
00
Da die Reihe Ag konvergiert, so ist die Reihe
9 = 1
9 = 1 /
für \x . R gleichmäßig konvergent.
Setzt man also
(f'i) ü: = £ ('■gl- (59)),
9 = 1
SO ist
^ ^9 G ( ^ ; (0 ) = £; ()', co) X' -, X < R (vgl. (57))
9=1 W« / V=0
und man erhält
(62)
9=11—'
i]0’, (o)
1=0 •
Dieser Ausdruck hat den Kreis a;;<;l als Hauptstern.
Er stellt im Innern desselben den Funktionszweig F A{x) dar
(vgl. (56)), der durch die Reihe
£ -’ a:’' (vgl. (59), (61))
über die analytische Darstellung etc.
159
definiert ist, und konvergiert nicht allein im Innern des Haupt-
sternes A, sondern er ist sogar für jeden Bereich 0 < a; < X
gleichmäßig konvergent, wo X eine beliebig große positive Zahl
bedeutet.
Die Ergänzung des Borelschen Satzes durch Herrn Phragmen
ist von Bedeutung. Man kann tatsächlich sehr elegante Aus-
drücke vom Typus (56) bilden, die F'Ä(x)^) darstellen. Man
mußte daher fragen, ob es nicht hier möglich wäre, was im
Falle des Herrn Borei
tu ^
lim ^ (r, m) ’’ {x — a)’’
m = x ,,_0 I’.
nicht anging, nämlich Ausdrücke von der Form (56) zu finden,
die nirgends außerhalb A konvergent sind.
Das eben behandelte Problem hat nichts zu tun mit einem
anderen, von welchem Herr Borei eine interessante Lösung
gefunden hat. ^) Er weist durch ein sehr sinnreiches Beispiel
die Existenz analytischer Funktionen nach, die eine auf natür-
liche Weise definierte lineare Fortsetzung über ihren Existenz-
bereich hinaus besitzen. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen,
muß man den Begrilf der Derivierten erweitern. Man geht
nämlich nicht mehr durch alle Punkte in der Umgebung eines
bestimmten Punktes zur Grenze über, sondern nur durch solche
Punkte, die eine auf gewisse Weise definierte, überall dichte
Menge bilden. Das Wesentliche ist, daß die Funktion in ihrem
ganzen Existenzbereich durch die Gesamtheit ihrer Derivierten
in einem bestimmten Punkt eindeutig gegeben ist. Kennt man
Beispielsweise :
FA {x) lim
(a-D! 1
(a-2)!2! ^ /’
a =
00
siehe M ittag-Leffler, ,Sur la representation arithraetique des fonc-
tions analytiques generales d’une variable complexe.' Atti del IV Con-
gresso internaz. dei Matematici. Roma, 6 — 11 Aprile 1908, S. 82.
-) Emile Borei, , Definition et domaine d’existence des fonctions
monogenes uniformes.“ Proceedings of the fifth international congress
of Mathematics, vol. I, S. 133 — 144.
G. Mittajj-Leffler
1()0
diese Ableitungen, so ist die Funktion Yollständig gegeben,
ganz wie es bei den analytischen Funktionen der Fall ist.
Ungeachtet des Interesses, das dieser neue Gedanke des
Herrn Borei erweckt, erscheint es mir nicht angebracht, hierin
den Ausgangspunkt einer neuen Theorie der analytischen Funk-
tionen zu erblicken, welche allgemeiner als die klassische Theorie
wäre und diese als Spezialfall enthielte. Man müßte hiefür
zeigen können, daß die Funktionen des Herrn Borei in natür-
licher Weise in einem von der Wissenschaft selbst gestellten
Problem auftreten und keine künstliche Konstruktion sind, wie
es so viele in den entlegenen Gebieten der allgemeinen Theorie
der (nicht analytischen) Funktionen gibt.
Herr Borei hat gezeigt, daß seine Funktion durch einen
Ausdruck
lim G(x; m)
m z= 00
= ganze rationale Funktion mit dem Parameter w.)
dargestellt wird , der nicht nur im Innern des Hauptsterns
Gültigkeit besitzt, sondern auch für die linearen Fortsetzungen
der Funktion, die in der von ihm angegebenen Weise ge-
bildet werden.
Indessen hat er, wie es scheint, nicht gezeigt, daß sein
Ausdruck keine andere I’olge von Werten darstellen kann, die
mit der ursprünglich gegebenen Funktion nichts zu tun haben.
Aber gerade diese Frage erhebt sich hier wieder, ob man
einen nur im Existenzbereich der Funktion konvergenten Aus-
druck bilden kann, in den von der Funktion nur die Kon-
stanten Cq, Cj, Cg . . . . . . eingehen, die der einzigen Bedingung
genügen sollen, daß
O O ' V
endlich ist. Würde ein solcher Ausdruck existieren, der gleich-
zeitig vom formalen Gesichtspunkte aus einfach genug wäre,
so könnte man die Potenzreihe als Ausgangspunkt der Theorie
der analytischen Funktionen verlassen und durch diesen neuen,
vollkommeneren BegriflP ersetzen.
über die analytische Darstellung etc.
161
Anhang.
Ein Satz des Herrn Marcel Riesz.
„Es bedeute F{z) eine Funktion der komplexen Vei'änder-
lichen z, die in dem Sterne D
2\<R (i2>l)
<1 arg {z — 1 ) <1 2 71 —
einschließlich der Begrenzung stetig und in demselben Bereiche
mit Ausnahme des Punkte 2 = 1 regulär ist.
Unter dieser Voraussetzung ist die Reihe
%-{■ 2 2^ + • • • .5" + • • • ,
die im Innern des Konvergenzkreises 6’ (;^j =1) die Funktion F{2)
darstellt, in dem Bereiche i^| < 1 gleichmäßig konvergent.“
Die Begrenzung des Sterns B wird offenbar von einem
Kreisbogen mit dem Radius R und zwei vom Punkte 2 = 1
O
ausgehenden Strecken gebildet. Ohne Beschränkung der All-
gemeinheit des Satzes können wir i^(l) = 0 annehmen. Es
werde nun mit F eine Figur von gleicher Gestalt wie B be-
zeichnet, bei der der Kreisbogen mit dem Radius R durch
einen Kreisbogen vom Radius r (1 < r < AI) ersetzt ist, den
wir auf folgende Weise bestimmen:
Sitzungsb. d. math.-pbys. Kl. Jahrg. 1915.
11
162
G. Mittag-Leftler
Wir bezeichnen mit s eine beliebig kleine Größe und
wählen r so nahe an 1, daß auf dem geradlinigen Teile der
Figur r T-i/ s ^
F(2)\^e.
Die Schnittpunkte der geradlinigen Teile der Begrenzung
von r mit dem Kreisbogen vom Radius r bezeichnen wir mit
und
Dann sagt ein bekannter Satz Cauchys:
a„ = ^ . r d2 = ~\i dz + ? ^ dz
27llJ Z” + ‘ 27ll[j z" + ^ J z'‘+'
rFiz)
J + ‘
dz\.
Nun ist
d z\ ]dz\
r F(z) ' C \dz\ r d z\ .dz
J _j,n+l + l d\2
<_^ f .. 'i
— cos d J z\” + ^ ncosd \ J
und ebenso
; £i
f ^ i (i_ \
J z’‘ + ^ n cos V \z " J
j I ' I ■‘i i '
Bezeichnen wir die obere Grenze von |i^(^)| in dem
Sterne D mit g, so ist noch
1 r F(z)
2 i J *
dz'<
9
1 n
n r"
Versteht man unter (5 eine neue beliebig kleine positive
Größe, so ist für genügend großes n\
über die analytische Darstellung etc.
163
und folglich:
I
1 rF(^) d
2jzi J n
‘i
Man erkennt also, daß
£
|a„|< , soferne n>N,
n —
wenn e beliebig klein und N hinreichend groß gewählt ist.')
Es folgt nunmehr aus dem Tauberschen Satz,^) daß die
Gleichung .stattfindet
F{s)
n = 0
1) Dieser von Herrn Hardy gegebene Beweis wurde mir von Herrn
Marcel Riesz mitgeteilt.
2) Tauber, ,Ein Satz aus der Theorie der unendlichen Reihen.“
Monatshefte für Mathematik und Physik, Bd. 8, 1897, S. 274 — 275.
Es sei eine Potenzreihe
gegeben, für die
F{.x) = U A;„a;n
n = 0
lim nh^ = 0 .
n= 3>
Es werde ferner vorausgesetzt, daß F(x) gegen einen bestimmten, mit
F{z) bezeichneten Grenzwert konvergiert, wenn x längs eines Radius
gegen den auf dem Kreisumfang \ z\ = \ gelegenen Punkt z strebt. Unter
diesen Voraussetzungen konvergiert die Reihe
^Kzn
n = 0
gegen den Wert F{z). Ist die zweite Bedingung für eine Punktmenge
des Kreisumfanges z\ = \ gleichmäßig erfüllt, so ist die Konvergenz
der Reihe
»1 = 0
für alle Punkte dieser Menge eine gleichmäßige.
Der Beweis kann in das System folgender Formeln zusammengefaßt
werden :
11
164
G. Mittag-LetfJer, Über die analytische Darstellung etc.
und zwar nicht nur im Punkte .^ = 1, sondern auf dem ganzen
Umfange ls\ = l, und daß die Konvergenz von
^ a„ 2” für I ■ä' I 1
n=0
eine gleichmäßige ist.
N. ^L<1.
F{z)- i:Kz\<d-. n
v = 0 \.=0 '' ^ r=0 /
('- j) '+ y" y>y
v=:0 ' ' r = 0 ' 'v = n-f'l ^ '
='(‘-r'
1-
\ nj n
" / / l\v\ " r K 1 1 "
v=0 ' ' ^ v = 0 v = 0
1 ^ , (n—m)s
- 2-1^ ^ •
n ,, — n
Folglich:
m - i:. <v - 1 * ^ + i s I + i) •
v = 0
v = 0
165
Eine geometrische Aufgabe.
Von E. Czuber.
V'orgelej't von W. v. Dyck in der Sitzung am 9. Januar 1915.
1. Der allgemeine Fall.
1. Drei nicht orientierte Gerade in einer Ebene bestimmen
in dieser zwei Systeme ähnlicher Dreiecke, S und S‘; jede zwei
Dreiecke desselben Systems sind perspektiv ähnlich in Bezug
auf einen äußeren Ähnlichkeitspunkt, und jedes Dreieck aus
dem einen System ist mit jedem Dreieck aus dem andern per-
spektiv ähnlich in Bezug auf einen innern Ähnlichkeitspunkt.
Sind m, n, p, Fig. 1, die drei Geraden, so ziehe man zu
einer von ihnen, z. B. zu m, eine Parallele und nehme auf
dieser zwei Punkte N, P in der einen, oder N' , P‘ in der ent-
orecrengesetzten Richtung an. Durch N und N‘ ziehe man je
eine Parallele zu p, durch P und P' je eine Parallele zu w;
dadurch entstehen zwei ähnliche Dreiecke MNP, 31' N' P' mit
entgegengesetztem Umlaufssinn. Alle zu 31 N P ähnlichen und
Fig. 1.
166
E. Czuber
ähnlich liegenden Dreiecke bilden das eine System S, alle zu
J[' N' P' ähnlichen und ähnlich liegenden Dreiecke das andere
System S‘. Die weiteren Aussagen bedürfen keiner Begründung.
2. Das Problem, um dessen Lösung es sich handelt, be-
steht in folgendem.
In der Ebene der drei Geraden m, n, p ist ein Drei-
seit abc mit den Ecken A, JB, C gegeben. Es sind jene
Dreiecke der durch m, n, p bestimmten Systeme zu
konstruieren, deren Ecken auf den Seiten von ABC
liegen.
ln anderer Formulierung:
In einer Ebene ist ein Dreiseit abc und ein Drei-
eck MNP gegeben. Man soll dem Dreiseit alle Drei-
ecke einschreiben, die dem gegebenen perspektiv ähn-
lich sind.
3. Da nach Art. 1 alle zu MNP perspektiv ähnlichen
Dreiecke durch die drei Geraden m, w, p gegeben sind, so kann
die Lösung wie folgt in Angriff genommen werden.
Man führe, Fig. 2, zwischen irgend zwei Seiten des Drei-
seits, z. B. zwischen b und c. Transversalen parallel zu irgend
einer der drei Geraden, z. B. zu m, und lege durch die End-
punkte N, N\ . . . Parallele zu p, durch die Endpunkte P, P', . . .
Parallele zu n. Dann liegen die Schnittpunkte 31, fIP, . . .
homologer Paare auf einer Geraden, die durch A geht; und
diese Gerade schneidet die Gegenseite a in einem Punkte 3)1,
der bereits ein Eckpunkt eines der gesuchten Dreiecke ist, von
dem aus dieses selbst durch bloßes Ziehen von Parallelen er-
halten wird.
Zur Begründung sei bemerkt, daß N, N\ . . . und P, P', . . .
ähnliche Punktreihen in perspektiver Lage sind; infolgedessen
bilden auch die hindurchgeführten Parallelstrahlen ähnliche
Büschel in perspektiver Lage, deren Erzeugnis eine Gerade ist,
die notwendig durch den gemeinsamen, sich selbst entsprechen-
den Punkt A der Punktreihen läuft.
Dieser letzte Umstand bewirkt, daß zur Konstruktion von
iDJ nur eine Transversale, NP, erforderlich ist.
Eine greonietrische Aufgabe.
167
168
E. Czuber
Vertauscht man die Bezeichnung der Endpunkte und führt
die Konstruktion wie früher weiter, so kommt man zu dem
Eckpunkt SJJj eines zweiten Dreiecks S(}?j “iß, von der ver-
langten Beschaffenheit.
4. Dieses Konstruktionsverfahren läßt sich zweckmäßig in
folgender Art weiter ausbilden. Man verlege, Fig. 3, die zu
m parallele Transversale nach dem Eckpunkt B, gebe ihr also
die Lage BM*\ verzeichnet man nun über BM* als Diagonale
ein Parallelogramm dessen Seiten die Richtungen n
und j) haben, und projiziert die Gegenecken Mj, Mg aus A
auf a, so erhält man die Eckpunkte 9J?,, 3J?2 beiden Drei-
ecke, die vorhin getrennt behandelt worden sind.
Diese Dreiecke haben das gemeinsame Merkmal, daß die
Seite von der Richtung m der Ecke Ä des Dreiseits in dem
Sinne zugeordnet ist, daß ihre Endpunkte auf den durch A
laufenden Seiten liegen.
5. Man kann unter Beibehaltung des Seitenpaares b, c mit
den Geraden «, p ebenso Vorgehen, wie man soeben mit der
Geraden m verfahren ist, und erhält auf diese Weise sechs
eingeschriebene Dreiecke. Die andern Seitenpaare, ebenso be-
handelt, führen zu keinen neuen Dreiecken mehr; vielmehr ist
jedes so konstruierte Dreieck, wie eine einfache Überlegung
zeigt, unter den bereits gezeichneten.
Es ergibt sich also zur Lösung der Aufgabe das folgende
Verfahren.
Man ziehe durch B die Transversalen B31*, BN*, BP*
parallel zu m, n, p bis zur Gegenseite h: verzeichne über diesen
Transversalen als Diagonalen die Parallelogramme 7:?M,
B1I.P*II^, deren Seiten beziehungsweise die Rich-
tungen n, p; p, m; w, n haben; projiziere die Eckpunkte Mj,
M.^, Nj, N^, i/j, 7/g aus A auf die Gegenseite a, so hat man
in den Projektionen Tlt, , 97^, ‘ißg je einen Eckpunkt
für jedes der sechs Dreiecke, von denen aus diese selbst durch
bloßes Ziehen von Parallelen verzeichnet werden können.
Dieses Verzeichnen kann noch durch folgende Bemerkung
erleichtert werden. Die Transversalen B3I*, BN*, BP* können
Eine geometrische Aufgabe.
169
ebensogut auf das Seitenpaar a, ö bezogen werden wie auf b, c.
Folglich liefern die Projektionen derselben sechs Punkte Mj,
Mj, N3, N^, //., Ilg aus C auf c andere sechs Eckpunkte, die
sich auf die Dreiecke verteilen. Diese Verteilung ergibt sich
daraus, daß jeder der neuen sechs Punkte mit einem der
früheren auf einer Geraden liegen muß, die zu einer der drei
Geraden m, n, p parallel i.st. Dadurch ist dann auch die Be-
zeichnung der neuen sechs Punkte und somit auch die der
Eckpunkte auf der dritten Seite b bestimmt. Die Bezeichnung
ist hier so gewählt, daß ein Eckpunkt jenen großen Buch-
staben trägt, welcher dem kleinen Buchstaben entspricht, der
die Richtung der gegenüber liegenden Seite anzeigt.
Es braucht nicht betont zu werden, daß statt der Ecke B
auch jede der beiden andern hätte verwendet werden können.
Damit ist alles gesagt, was zur Durchführung und zum
Verständnis der Fig. 4 erforderlich ist.
L
170
E. Czuber
Die 18 Ecken der sechs Dreiecke verteilen sich auf die
Seiten von ABC in dem vorliegenden Falle wie folgt:
Auf a liegen
, c , 93?,, 573, 573,^3,^,;
oder in anderer Anordnung: Es liegen die Ecken
93?,, 97., 93?„ 97^, %\; m,, 93?„ 97„
93?3, 973, 93?3, 97e, ^3
beziehungsweise auf
a, b, c’, a, c, b; b, a, c; c, a,b\ b, c, a-, c, b, a.
Zu bemerken ist, daß die Punkte M,, Mg sowohl bei dem
Projizieren aus Ä auf a wie auch bei dem Projizieren aus C
auf c Punkte von der Art 93? geben; das gleiche gilt bezüg-
lich N3, N4 und /Zg, 77g.
Ist die Aufgabe so gestellt: Dem Dreiseit abc ein Dreieck
mit den Seitenrichtungen m, n, p einzuschreiben in der Weise
daß zwischen Ecken und Seiten eine bestimmte Zuordnung
eingehalten wird, daß z. B. die Seite von der Richtung ni
zwischen c und a, die Seite von der Richtung n zwischen b
und c, endlich die Seite von der Richtung p zwischen a und b
verläuft, so handelt es sich nach der obigen Zusammenstellung
um das Dreieck 93?3 973 ^3 ; zu seiner Konstruktion braucht man
nur das Dreieck BN*^^ zu verzeichnen; denn die Projektion
von N3 aus A auf a gibt die Ecke 973, von der aus das ganze
Dreieck hergestellt werden kann.
6. Zu einer andern Methode der Lösung führen die fol-
genden Erwägungen.
Dem Dreiseit abc sei ein Dreieck 93? 97^ eingeschrieben.
Wir ordnen dessen Seiten 97^33, ‘33937, 9)797 den Ecken A, B, C
zu nach der aus Fig. 5 ersichtlichen Gesetzmäßigkeit und ziehen
durch A eine Parallele zu 97*33, durch B eine Parallele zu
3393?, durch C eine Parallele zu 93?97. Dadurch entsteht ein
ABC umschriebenes Dreieck MNP mit zu 93? 9? 33 parallelen
Seiten. Wir ordnen die Ecke M der Seite BC us\v. zu, wie das
Eine geometrische Aufgabe.
171
der Figur unmittelbar zu entnehmen ist. Die Dreiecke
und MNP als perspektiv ähnlich besitzen einen Ähnlichkeits-
punkt 0, der durch Ziehen der Verbindungslinien homologer
Ecken erhalten wird. Die homologe Ecke zu M liegt auf der
M zugeordneten Seite von ABC usw.
P
Ist umgekehrt neben dem Dreiseit abc ein ihm umschrie-
benes Dreieck MNP gegeben und soll das dem letzteren zuge-
ordnete perspektiv ähnliche, abc eingeschriebene Dreieck be-
stimmt werden, so genügt es, den Ähnlichkeitspunkt 0 zu
kennen; durch Projizieren der Ecken von MNP aus 0 auf
die zugeordneten Seiten von ABC ergeben sich die Ecken
von
Um 0 zu finden, überlege man wie folgt.
Die Seite 3^^ befindet sich in der Schar der zu NP
parallelen Transversalen zwischen b und c; diese Transversalen
bestimmen auf b und c zwei ähnliche, perspektiv liegende
Punktreihen, und projiziert man diese aus N, beziehungsweise
P, durch Strahlenbüschel, so sind diese projektiv und perspektiv
liegend und erzeugen somit einen in zwei Gerade zerfallenden
Kegelschnitt mit dem Doppelpunkt A-, die eine Gerade ist NP,
die andere geht notwendig durch den gesuchten Punkt 0.
Wiederholt man dasselbe Verfahren noch an einer zweiten
172
K. Czuber
Ecke von ABC, z. B. bei C, wie in Fig. 6, so ist 0 gefunden
und das Dreieck bestimmt.
Die Lösung kann noch dadurch vereinfacht werden, daß
man die erforderlichen Transversalen durch die Ecken des Drei-
seits bis an die gegenüber liegenden Seiten führt. Dabei fällt
Fig. 7.
Eine geometrische Aufgabe.
173
nämlich einer der beiden zugeordneten Strahlen mit einer Seite
von 31 KF zusammen, wie das in Fig. 7 dargestellt ist. In
dieser Figur sind die Transversalen B3I*, BP* beziehungs-
weise NP, 31 N parallel; ihre Endpunkte 31*, P* aus N
auf P3I projiziert geben die Punkte 31* P*‘, die mit Ä,
beziehungsweise C zu verbinden sind, um den Punkt 0 zu
erhalten.
Ist nun wieder die Aufgabe gestellt, einem gegebenen Drei-
seit abc alle Dreiecke einzuschreiben, welche durch ein eben-
falls gegebenes Geradentripel m, n, p in der früher erklärten
Weise bestimmt sind, so wird man damit beginnen, daß man
ABC alle Dreiecke umschreibt, deren Seiten den Geraden m,
n, p parallel sind. Man kann durch jede Ecke von ABC zu
jeder der drei Geraden eine Parallele ziehen und jeweils die
zwei andern Parallelen auf die übrigen zwei Ecken in zwei-
facher Art verteilen, das gäbe 18 Anordnungen; es finden
jedoch dabei mehrfache Zählungen statt; scheidet man die
wiederholten Fälle aus, so verbleiben sechs verschiedene um-
geschriebene Dreiecke, die wir in folgender Weise ordnen und
numerieren wollen:
Durch
A
B
C
Parallele zu
1.
m
n
P
2.
m
P
n
3.
n
m
P
4.
n
P
m
5.
P
m
n
6.
P
n
m.
Dementsprechend sind in Fig. 8 die sechs Dreiecke mit
ilijJVjPj bis JigWgPg bezeichnet.
Nun hat man nach dem vorhin angegebenen Verfahren
zu jedem von ihnen den Ahnlichkeitspunkt, Oj bis Og, zu kon-
struieren und mit dessen Hilfe das eingeschriebene Dreieck
herzustellen.
174 E. Czuber
In Fig. 9 ist die Lösung für zwei von den sechs Fällen,
und zwar für die Fälle 1 und 3 durchgeführt. Nach dem
Vorausgeschickten erübrigt sich eine weitere Erklärung.
Das erste Verfahren ist diesem zweiten in zeichnerischer
Beziehung überlegen.
II. Besondere Fälle.
7. Bei dem ersten Lösungsverfahren kann es geschehen,
daß einer der Projektionsstrahlen A (M, , . . . //g) oder auch
deren mehrere parallel au.sfallen zur Seite a ; dann rückt die
bezügliche Projektion und damit auch das von ihr aus zu kon-
struierende eingeschriebene Dreieck ins Unendliche; es müssen
daher auch ebenso viele der Projektiomsstrahlen . . . /7g)
parallel sein der Seite c. Infolgedessen vermindert sich in
Eine geometrische Aufgabe.
175
Fig. 9.
einem solchen Falle die Anzahl der eigentlichen eingeschrie-
benen Dreiecke.
Bei dem zweiten Lösungsverfahren kann es sich ereignen,
daß eines der umschriebenen Dreiecke sich auf einen Punkt
reduziert, mit anderen Worten, daß die Parallelen zu den
Geraden m, n, p bei einer bestimmten Verteilung auf die Ecken
des Dreiseits in einem einzigen Punkte sich schneiden; auch
dies kann wiederholt eintreten.
176
E. Czuber
Um die georaetrisclie Bedeutung eines solchen Sachver-
halts zu erkennen, wenden wir auf ihn die erste Methode an.
Fig. 10 soll der Verteilung der Richtungen m, n, p auf die
Ecken B, Ä, C entsprechen, wobei statt eines Dreiecks nur ein
Punkt, A, zustande kommt. Zieht man die Transversale CM*
parallel zu ni und verzeichnet über ihr das Dreieck
so, daß die Seiten UM beziehungsweise die Richtungen
von n, p haben, so schneidet der Strahl jBM die Gegenseite ^ U
in einem Eckpunkt 3K des gesuchten eingeschriebenen Dreiecks.
Die folgende Überlegung zeigt aber, daß der genannte Strahl
der Gegenseite parallel ist, daß also der Punkt 0)1 und mit
ihm das ganze Dreieck 0)191 '13 ins Unendliche rückt. Nimmt
man nämlich auf dem festgehaltenen Strahl BA eine Punkt-
reihe X, X', ... an und projiziert sie aus A und C, so ent-
stehen zw'ei perspektiv liegende, projektive Strahlenbüschel;
ebensolche Büschel bilden sich bei dem beschriebenen Vorgang
um die Punkte Al* und C aus; ihr Erzeugnis ist ein Geraden-
paar; die eine Gerade ist CAl*, hervorgehend aus dem unend-
lich fernen Punkte der Punktreihe X, X', . . ., die andere geht
durch B und ist parallel zu AC, wie man erkennt, wenn man
X einmal nach B, ein zweites Mal nach X" verlegt.
Das Ergebnis der Untersuchung lautet also dahin, daß,
so oft die Parallelen zu m, n, p bei einer Verteilung auf die
Ecken des Dreiseits abc durch einen Punkt gehen, eines der
Eine geometrische Aufgabe.
177
eingeschriebenen Dreiecke ein uneigentliches, weil unendlich
fernes wird.
8. Sind die Geraden m, w, p so gerichtet, daß sie Dreiecke
bestimmen, welche dem zugrunde liegenden Dreieck ABC
symmetrisch ähnlich sind, so gibt es eine Anordnung, in
der sich die Parallelen in einem Punkte schneiden.
In zwei symmetrisch ähnlichen Dreiecken sind zwei Winkel
miteinander vertauscht. Es seien in Fig. 11 AC und MB die
Seiten, an welchen die vertauschten Winkel liegen, so zwar,
daß der Winkel bei C gleich ist dem Winkel bei M und der
Winkel bei A gleich dem Winkel bei F.
Fig. 11.
Man ziehe nun die Transversale CA parallel zu NF bis
an FM und verbinde ihren Endpunkt A mit A; dann fällt
AA parallel zu NM aus, folglich schneiden sich die Parallelen
bei der Anordnung
ABC
p n m
in einem Punkte, nämlich A.
Der Beweis für den behaupteten Parallelismus ergibt sich
wie folgt. Man ziehe in ABC die Transversale BAI* parallel
zu FN. Dann sind die Dreiecke AM*B und FBA ähnlich;
denn ihre Winkel bei A, beziehungsweise P, sind gleich nach
Sitzungsb. d. math.-phya. Kl. Jabrg. 1915. 12
178
E. Czuber
der Voraussetzung und die Winkel bei -B, beziehungsweise Ä,
sind es als Wechsel winkel an Parallelen; folglich stimmen auch
die Winkel bei JI* und B überein. Daraus ergibt sich weiter
die Ähnlichkeit der Dreiecke M*CB und B/IA; denn dem
eben Gesagten zufolge sind ihre Winkel bei M* und B be-
ziehungsweise gleich; ferner ergibt sich aus der Proportion
M*C _ ^
AM* ~ PB
unter Beachtung der erstgedachten Ähnlichkeit
M*C _ BA AM* _ BA PB _ BA
M^B ~ PB M*B ~ PB AB ~ AB'
so daß die die gleichen Winkel einschließenden Seiten pro-
portional sind. Daraus folgt die Gleichheit der Winkel 31* CB
und BAA, und da der Winkel 3I*CB voraussetzungsgemäß
gleich ist dem Winkel bei ilf, so ist in der Tat AA parallel
zu N3I.
Als Ergebnis kann also der Satz ausgesprochen werden:
Man kann einem zum Dreiseit erweiterten Drei-
eck fünf eigentliche Dreiecke einschreiben, die ihm
symmetrisch ähnlich sind.
9. Der im vorigen Artikel behandelte Fall ergibt sich
immer, wenn das zugrunde liegende Dreieck ABC gleich-
schenklig und das einzuschreibende ihm ähnlich ist; denn zwei
derartige Dreiecke können auch als symmetrisch ähnlich, mit
vertauschten Basiswinkeln, aufgefaßt werden.
Dies ergibt den weiteren Satz:
Einem gleichschenkligen Dreieck können fünf
ihm ähnliche, untereinander paarweise Perspektive
Dreiecke eingeschrieben werden.
10. Die drei gegebenen Geraden m, n, p seien den Höhen
des Dreiecks ABC parallel. Es handelt sich dann um solche
eingeschriebene Dreiecke, deren Seiten zu den Seiten des zu-
grunde liegenden Dreiecks normal stehen.
Eine geometrische Aufgabe.
179
Da die Parallelen zu m, n, p bei einer Verteilung auf
die Ecken von ABC, nämlich dann, wenn sie als Höhen des
Dreiecks erscheinen, sich in einem Punkte schneiden, so gibt
es nur fünf eigentliche Dreiecke der beschriebenen Art.
Fig. 12 bringt einen solchen Fall zur Darstellung. Die
drei Transversalen BM*, BN*, BP*, mit deren Hilfe die
Konstruktion durchgeführt ist, stehen der Reihe nach senk-
recht auf a, h, c. Von den Seiten der eingeschriebenen Drei-
ecke stehen
%%
9^5 “ißg senkrecht
auf a
und verlaufen
zwischen
c, b
a, b
a, c
c, a
b, ci ;
senkrecht
auf b
und verlaufen
zwischen
b, a
b, c
c, b
a, b
a, c-.
äJlgilig senkrecht
auf c
und verlaufen
zwischen
a, c
c, a
b, a
b, c
c, b.
Fig. 12.
180
E. Czuber
Die Lücke, welche das uneigentliche Dreieck
macht sich durch das Fehlen der Seitenpaare ft, c; c, a; a, h
beinei'kbar.
Ist bei derselben Sachlage das Dreieck ABC gleich-
schenklig, so gibt es noch eine zweite Verteilung der Par-
allelen, bei der sie durch einen Punkt gehen; wegen der Sym-
metrie tritt dies nämlich noch ein, wenn man die Parallelen
durch die Basisendpunkte miteinander vertauscht. Die Folge
davon ist, daß einem gleichschenkligen Dreieck nur vier Drei-
ecke eingeschrieben werden können, deren Seiten zu denen des
ersten normal stehen. Fig. 13 zeigt einen solchen Fall; zu seiner
Durchführung genügt es, bloß das Parallelogramm
über der Höhe BM* als Diagonale zu verzeichnen, das durch
Projizieren seiner Ecken M, , Mg aus A und C auf die Gegen-
seiten für jedes der vier Dreiecke je einen Eckpunkt liefert.
11. Sind die Geraden w,w,p den Halbierungslinien der
Innenwinkel von ABC oder den Halbierungslinien zweier
Außenwinkel und des Innenwinkels an der dritten Ecke par-
allel, so gibt es für die Parallelen zu ?«, w, p jedesmal eine
Eine geometrische Aufgabe.
181
Verteilung auf die Ecken, bei der sie sich in einem Punkte
schneiden. Auch in diesen Fällen wird also eines der einge-
schriebenen Dreiecke uneigentlich.
12. Nun setzen wir voraus, die Geraden m, n, p seien
den Medianen des Dreiecks ABC parallel.
In Pig. 14 seien w, n, p durch die Medianen AM*, BN*,
CP* selbst vertreten. Bei den verschiedenen Verteilungen der
Parallelen hierzu auf die Ecken von ABC ergeben sich folgende
Gebilde:
1.
A
m
B
n
C
P
der
Punkt ;
2.
m
P
n
„
!) “^2 ’
3.
n
m
P
» ^3;
4.
n
P
m
das
Dreieck M^N^P^
5.
p
m
n
„
6.
P
n
m
der
Punkt /lg.
Um die Richtigkeit der unter 2 aufgestellten Behauptung
zu erkennen, beachte man, daß nach dem Gange der Konstruk-
tion BA^CA^ ein Parallelogramm ist, das BC zur einen Dia-
182
E. Czuber
gonale hat, während die andere notwendig in die Gerade AM*
fällt; demnach schneiden sich die Geraden Fr,M^ und
AM* tatsächlich in einem Punkte. Ebenso sind die Behaup-
tungen 3 und 6 zu begründen.
Die Verfolgung der in Art. 6 entwickelten Konstruktions-
verfahren an der Figur 14 läßt den Schwerpunkt von ABC
als den gemeinsamen Ahnlichkeitspunkt der umschriebenen Drei-
ecke AI.X^F^ und der ihnen entsprechenden einge-
schriebenen Dreiecke erkennen. Schließlich kann das Ergebnis
wie folgt zusamraengefaßt werden:
Einem Dreieck können nur zwei Dreiecke einge-
schrieben werden, deren Seiten seinen Medianen par-
allel sind. Ihre sechs Ecken liegen auf den drei Ge-
raden M,M,, P4P5, welche die homologen Ecken
der zwei umschriebenen Dreiecke verbinden.
13. Eine der Geraden m, w, sei parallel einer Seite des
Dreiecks ABC.
Es gibt dann sechs eingeschriebene Dreiecke in besonderer
Gruppierung. In jeder der beiden Ecken, die der bevorzugten
Seite angehören, stoßen zwei der sechs Dreiecke zusammen,
und nur zwei davon liegen so, daß sie mit ABC keine Ecke
gemein haben.
14. Zwei der Geraden m, n, p seien zwei Seiten des Drei-
ecks ABC parallel, z. B. sei m parallel AB, n parallel BC.
In diesem Falle gibt es eine Verteilung der Parallelen zu
M, n, p auf die Ecken von ABC, bei der sie sich in einem
Punkte schneiden; es ist dies die Verteilung
ABC
m p n
und der gemeinsame Punkt ist B.
Die fünf Dreiecke, die sich jetzt ergeben, zeigen die be-
sondere Anordnung, daß vier von ihnen in der Ecke B Zu-
sammenstößen, während die beiden anderen Ecken von ABC
nur je einem von ihnen angehören. Nur ein Dreieck liegt so,
daß es mit ABC keine Ecke gemein hat.
Eine geometrische Aufgal)0.
183
Auf den eben besprochenen Fall führt die Aufgabe des
Art. 10, wenn sie auf ein rechtwinkliges Dreieck ange-
wendet wird. Dies bringt die Fig. 15 zur Darstellung. In der
Ecke B stoßen die Dreiecke I, III, IV, VI zusammen, A gehört
dem Dreieck VI, C dem Dreieck III als Ecke an, und nur das
Dreieck II hat mit ABC keine Ecke gemein. Das Dreieck V
ist im Unendlichen.
15. Die drei Geraden m, w, p seien den Seiten von ABC
parallel, und zwar ni parallel a, n parallel h und p parallel c.
Es gibt drei Verteilungen der Parallelen zu m, n, p auf
die Ecken von ABC, bei denen statt eines umschi'iebenen
Dreiecks ein Punkt entsteht, nämlich die folgenden:
ABC
2. m p n mit dem Schnittpunkt A
6. p n m „ „ „ B
3. n m p „ „ , C;
184
E. Czuber
hiernach rücken drei eingeschriebene Dreiecke ins Unendliche.
Von den drei übrigen fallen, wie die konstruktive Durchfüh-
rung des Falles nach der ersten Methode, Fig. 16, zeigt, zwei
mit dem gegebenen Dreieck zusammen, und zwar sind es die
Dreiecke mit folgender Verteilung ihrer
Ecken auf die Seiten von ABC:
liegt auf h c a
h c a c a 1}
Zählt man auch diese Lösungen zu den uneigentlichen, so
bleibt nur ein eigentliches eingeschriebenes Dreieck,
A” n
Fig. 16.
16. Das zugrunde liegende Dreieck ABC sei gleichseitig
und auch die Geraden m, n, p seien so gerichtet, daß sie
gleichseitige Dreiecke bestimmen.
Wir beginnen damit, zu zeigen, daß zwei gleichseitige
Dreiecke, von denen das eine dem andern umschrieben ist,
einen gemeinsamen Mittelpunkt haben.
Wenn in Fig. 17 s die Seite von ABC und a der Orien-
tierungswinkel des zweiten Dreiecks gegen das erste ist, so
hat man
Eine "eometriscbe Aufgabe.
185
sin
BM CN = AF = s
(y-") ^ ^
71
Sin
sin
MC = NA = FB = s
sm a
sin
somit ist die Seite von 31 NF
S — 2s cos
{; -)
In dem Dreieck B3I0, das durcli die Höhen BJ) und
31 Q bestimmt wird, betragen die Winkel bei B, 31, 0 der
Reihe nach + a, ^
D b ö
a , folglich ist
Fig. 17.
186
E. Czuber
Da ein gleichseitiges Dreieck in dreifacher Weise als gleich-
schenklig aufgefaßt werden kann, so tritt auch der in Art. 9
angeführte Fall di'einial ein, d. h. es gibt drei Verteilungen
der Parallelen zu w«, n, p auf die Ecken von ABC, bei welchen
sie sich in einem Punkte schneiden. Daraus folgt:
Einem gleichseitigen Dreieck können nur drei
gleichseitige Dreiecke von allgemeiner Orientierung
eingeschrieben werden.
Zum Zwecke ihrer Konstruktion beachte man, daß die
drei umschriebenen Dreiecke il/, Pj , und J/j P^ ,
Fig. 18, mit ABC einen gemeinsamen Mittelpunkt 0 haben,
daß mithin die homologen Eckpunkte il/, , il/^, il/^; i\", , N^, N^-,
Pj, P^, Pj je auf einer Geraden durch 0 liegen, welche drei
Geraden auf den drei Geraden m, n, p beziehungsweise senk-
recht stehen.
Hiernach ergibt sich das folgende Konstruktionsverfahren :
Man umschreibe dem gegebenen gleichseitigen Dreieck AP 6’,
Fig. 19, eines der drei gleichseitigen Dreiecke, deren Seiten
den Geraden m, n, p parallel sind, z. B. il/, W, P, , und pro-
jiziere seine Ecken aus dem Mittelpunkte 0 von ABC auf
alle Seiten dieses Dreiecks; dann sind die so erhaltenen neun
Punkte die Ecken der drei ABC eingeschriebenen gleich-
seitigen Dreiecke von der vorgeschriebenen Orientierung.
P^ine geometrische Aufgabe.
187
In dem besonderen Falle, wo die Seiten des einzuschrei-
benden Dreiecks auf jenen des gegebenen Dreiecks senkrecht
stehen, ist jeder der drei Projektionsstrahlen einer Seite von
ABC parallel. Mithin rückt eines der drei eingeschriebenen
Dreiecke ins Unendliche, die Aufgabe hat nur zwei eigent-
liche Lösungen, wie dies in Fig. 20 dargestellt ist.
18!)
Die Liesche Geraden -Kugeltransformation und
ihre Verallgemeinerungen.
Von Heinrich Liebmaiiii.
Vorgelegt von S. Finsterwalder in der Sitzung am 1. Mai 1915.
Keine der zahlreichen Darstellungen der Li e. sehen Geraden-
Kugeltransformation läßt, das darf wohl gesagt werden, die
einfachen Gedankengänge der projektiven Geometrie scharf Um-
rissen in den Vordergrund treten, auf deren Grundlage diese
durch ihre wichtigen Eigenschaften und mannigfachen An-
wendungen so bekannte Berührungstransformation abgeleitet
werden kann. Das hat .seine geschichtlich wohl begreiflichen,
auch von ganz bestimmten Lehrmeinungen und Absichten her-
rührenden Ursachen,®) auf die hier nicht eingegangen werden
kann. Auf jeden Fall erscheint eine solche Ableitung berech-
tigt, um so mehr, wenn sie nicht nur beim Bekannten stehen
bleibt, sondern sich auch mit Verallgemeinerungen befaßt, die
in den bisher vorliegenden Untersuchungen zum Teil noch
nicht einmal angedeutet zu sein scheinen.
Als Grundlage aus der Lehre von den Berührungstrans-
formationen dient der Satz von LieU)
Soll eine Berührungstransformation die Punkte P des
Raumes E (x, y, z) in oo® Gerade s‘ des Raumes i2' überführen,
Lie-Scheffers, Geometrie der Berührung.stransformationen I
(Leipzig 1896), Kap. 10.
Lie-Engel, Theorie der Transformationsgruppen III (Leipzig
1893), S. 137—138.
S. Lie, Liniengeometrie und Berübrungstransformationen (Leipzig,
Ber. 49, 1897, S. 687—740).
SitzuDgsb. d. matli.-pliys. Kl. Jabrg. 1915.
13
190
H. Licbinann
und ihre Umkehrung die Punkte P' des Raumes P' in oo® Ge-
rade s des Raumes P, so bestehen, wenn dabei die Geraden s
einem linearen Komplex (Nullsystem) angehören sollen, nur
zwei Möglichkeiten, nämlich
1. die Geraden s‘ sind die TrelFgeraden eines Kegel-
schnitts K‘ ,
2. die Geraden s' sind die Tangenten einer Fläche zweiten
Grades.
Hierzu ist noch zu bemerken, daß der Satz zur Konstruk-
tion der Abbildungen in keiner Weise benützt werden kann,
er weist nur auf Möglichkeiten hin, und er spricht aus, daß
es außer den — wie gesagt durch rein projektive Konstruk-
tionen herstellbaren — Abbildungen, welche diese Möglich-
keiten verwirklichen, keine weiteren geben kann.
I. Die Geraden-Kugeltransformation.
Die erste Abbildung, aus der übrigens die Liesche Transfor-
mation wird, wenn der ausgezeichnete Kegelschnitt K' der ima-
ginäre Kugelkreis ist, läßt sich in folgender Weise aufbauen.^)
Im Gegenstandsraum P und im Bildraum P' sind je zwei
Punkte A, B und Ä‘, B' gegeben. Sodann werden die Ge-
raden durch Ä den Ebenen a[ durch Ä‘ linear („korrelativ“)
zugeordnet, eine Zuordnung, bei der zugleich den Ebenen o,
durch A die Geraden M durch A“ entsprechen ; sie möge mit
— > ol) oder (oj — >h\) bezeichnet werden und ihre Umkeh-
rung mit (al — > Aj) oder auch (Al — >■ o,). Ebenso .sollen auch
die Geraden durch B den Ebenen o'z durch B‘ und damit
die Ebenen durch B den Geraden h'z durch B^ linear zuge-
ordnet werden, was mit (A2 — > oz) bzw'. (02 — bezeichnet
wird. Diese beiden Zuordnungen sollen aber nicht völlig un-
abhängig voneinander sein, es wird nämlich die Beschränkung
auferlegb, daß dem gemeinsamen Strahl Aq der beiden Strahlen-
bündel (A) und (P) in (Aj — n\) und in (A2 — ^02) beidesmal
dieselbe Ebene 0Ö entspricht.
') Vgl. hierzu Lie-Scheffer.s, a. a. 0., S. 446 ff.
Die liiesche CTeraden-Kugeltninsfbrmation.
191
Aus (/ii — > ö!) und {h> — y 02) entsteht dann die zu unter-
suchende Punktgeraden -Verwandtschaft (P — ^ s‘) durch die fol-
gende Vorschrift: Als Bild s' von P gilt die Schnittgerade der
den Geraden A, (ÄF) und (PP) entsprechenden Ebenen oj
und ö2. Bei der Umkehrung (P' — ^ s) ist s der Schnitt der
Ebenen Oj und welche den Geraden Ai {Ä‘ P‘) und A2 {B‘ P')
in (A'i — > Ol) und (A2 — ^02) entsprechen.
Wir stellen im Anschluß hieran zunächst fest, was das
Bild einer beliebigen, nicht dem System s angehörigen Ge-
raden y ist. Verbindet man ihre Punkte P mit Ä und P, so
erhält man zwei perspektivisch aufeinander bezogene ebene
Strahlenbüschel, denen zwei projektiv aufeinander bezogene
Ebenenbüschel entsprechen, deren Achsen übrigens die den
Ebenen Oj = (Ä, g) und = (P, g) in (oi — ^ Ai) bzw. (02 — > A2)
zugeordneten Strahlen sind. Da die entsprechenden Ebenen
der beiden Büschel einander in den Erzeugenden einer Fläche
zweiten Grades P2 schneiden, so verwandelt demnach (P — > s‘)
eine Gerade g in eine Fläche Pp
Betrachten wir dagegen eine Systemgerade s, so gehen
die Achsen der P2 erzeugenden Ebenenbüschel jetzt beide
durch P', die Fläche artet also in einen Kegel aus, dessen
Spitze P‘ ist.
Wir wollen nunmehr zeigen, daß alle Systemgeraden s'
Treflfgeraden eines bestimmten in oö gelegenen Kegelschnittes K'
sind. Jeder Ebene Ojg, d. h. jeder Ebene, die sowohl A wie
P enthält, wird durch (oj — >• Aj) eine in o'q gelegene Gerade t'i,
durch (02 — ► Ap eine ebenfalls in aö gelegene Gerade ^2 zuge-
ordnet, und der Ort der Schnittpunkte ist wegen der linearen
Zuordnung ein Kegelschnitt K‘. Jeder Punkt P bestimmt
zusammen mit A und P eine Ebene Ojg, und den Strahlen Aj
und Aj, welche A und P mit P verbinden, werden zwei
Ebenen öl und 02 zugeordnet, die t'i und enthalten, die
Schnittgerade s‘ der Ebenen ist also eine TreflFgerade von K‘,
was zu zeigen war. Durch K‘ gehen dann auch die Flächen Pp
welche den Geraden g in der Verwandtschaft (P — >s‘) ent-
sprechen.
13^
192
11. Liebmann
Betrachten wir jetzt die Umkehrung (P' — >s). Es gilt
wie oben der Satz, daß die Bilder der Punkte P' einer System-
geraden s' die Schnitte entsprechender Ebenen zweier projek-
tiven Ebenenbüschel sind, deren Achsen durch P gehen, nur
artet die projektive Zuordnung jetzt in eine Perspektive aus,
denn den beiden Strahlen t'i und ^2, die den Schnittpunkt S' von
s' und öö mit Ä' und B' verbinden, ist in (Ai — ►oi) und (Aj — >^02)
beidesmal dieselbe Ebene zugeordnet, d. h. diese Ebene,
welche die Achsen der projektiv zugeordneten Ebenenbüschel
enthält, entspricht sich selbst. Es ergibt sich also der Satz:
Durchläuft P' eine Systemgerade s\ so bilden die ent-
sprechenden Strahlen s ein ebenes Strahlenbüschel durch P
(dessen Ebene in der Folge mit r bezeichnet werden soll).
(Beiläufig bemerkt, kann man nun noch zeigen, daß die
Ebenen t sich um eine Achse q drehen, wenn P eine Gerade g
durchläuft, und dadurch tritt dann die Beziehung P — ^ t als
Nullsystem deutlich hervor. Legt man nämlich durch zwei
Punkte Pj und Pg von g die zugehörigen Ebenen Tj und
so schneiden sie einander in einer Geraden q, deren Punkte Q
einerseits den Systemgeraden ^P, , anderseits den System-
geraden QP^ perspektivisch zugeordnet sind. Bei der Abbil-
dung (P-->s') gehen Pj und Pj in zwei Erzeugendes!, S2 des
Bildes P2 von g über, die Bilder der Punkte Q aber sind eben-
falls Systemgerade s', also Treffgerade von K\ die sich über-
dies auf sl und S2 stützen, also der Fläche angehören.
Jede Gerade des einen Systems von geradlinigen Erzeugenden
der F» (d. h. die Bilder aller Punkte P), schneidet aber alle
Geraden des andern Systems, und hieraus folgt, daß die Ver-
bindungsstrahlen eines beliebigen Punktes P von g mit den
Punkten Q, von q lauter Systemgeraden s sind, d. h. daß t
sich um q dreht, wenn P auf g wandert.)
Ein einfaches Beispiel einer derartigen Berührungstrans-
formation ist gegeben durch die beiden Gleichungen
Die Liesche Gernden-Kugeltransformation.
193
dessen Natur deutlicher hervortritt, wenn man statt der recht-
winkligen Koordinaten homogene {x : 7j : s t) einfuhrt. Die
erste Gleichung gibt die Zuordnung — >• ol), wobei A und
A' die Koordinaten haben
A : X — y = ^ = 0,
A‘ :x,=y, = t,=Q,
und die zweite Gleichung gibt die Zuordnung {I12 02), wobei
B und B' die Koordinaten haben
B :x =y = z =0,
i?' : = ^, = ^1 = 0.
Der Geraden (/<q), nämlich :
X =-y = ^
entspricht bei beiden Zuordnungen die Ebene (oö), nämlich
= 0.
Die Systemgeraden s gehören hier dem Nullsystem
yds — zdy — dx = ^
an, und die Systemgeraden s' sind die TrefFgeraden des Kegel-
schnittes (JT')
= 0, rc, — y{ = 0.
Auf bekanntem Weg^) findet man aus den beiden Grund-
gleichungen (1) dann die Darstellung der Berührungstrans-
formation :
-1
1 + 1^’
Ix
Pi = ™, q^ = Xy — x,
wobei zur Abkürzung
gy— ^
ly + x'
z—px — qy
gesetzt ist.
qx -|- Xz
Xy^x '
X
1) Lie-Engel, Theorie der Transformationsgruppen II (Leipzig
1890), S. 53.
194
H. Liebmann
Man braucht nun nur noch die Transformation
x^ = X-\-iY, z^ = — X -\r iY, y^= ^
hinzuzufügen, um eine Liesche Geraden-Kugeltransformation
zu erhalten.
2. Die verallgemeinerte Geraden-Kugeltransformation.^)
Um jetzt eine Transformation zu erhalten, welche die
Punkte P in die Tangenten u‘ einer Fundamentalfläche zweiten
Grades X‘ überführt, braucht man noch eine Punktverwandt-
schaft (P' — *0,'^-, die den Treffgeraden s' von K‘ die Tan-
genten u' von Z' zuordnet (s' —
Eine solche Verwandtschaft erhält man in folgender Weise :
Zunächst muß Z‘ den Kegelschnitt K‘ enthalten. Jede Treff-
gerade s' schneidet dann Z' noch in einem weiteren Punkt.
Durch diesen Punkt denke man sich die Tangentialebene an
Z' gelegt und zum Schnitt gebracht (it') mit der Ebene, die
s' und den Pol C' der Ebene oö von K‘ in Bezug auf Z‘ ent-
hält. Diese Gerade ist Tangente an die Fläche Z' und soll
der Treflfgeraden o' entsprechen, wodurch die gewünschte Ab-
bildung hergestellt ist. Die Umkehrung dieser Abbildung ist
zweideutig, denn die durch C‘ und die Tangente u‘ gelegte
Ebene schneidet K‘ in zwei Punkten. Die Abbildung (s' -» «<’)
ist tatsächlich eine Punkttransformation {F Q'), denn
wenn man durch einen Punkt P' alle Treffgeraden von K'
legt, so entsteht ein Kegel, der Z‘ in einem zweiten Kegel-
schnitt trifft, und die Ebenen, welche durch die Erzeugenden
des Kegels und durch C" gehen, also durch P' und C", ent-
halten alle den auf P'C" gelegenen Pol der Ebene des
zweiten Kegelschnitts, d. h. den Treff“geraden von K\ welche
P' enthalten, werden die von <2' an Z‘ gelegten Tangenten
zugeordnet. Wir haben das Ergebnis:
') Vgl. Lie, a. a. 0. (Anm. 3), S. 736 und F. Engel, Verzeichnis
der Schriften von Lie (Bibliotheea mathematica 3 (1), 1900, S. 16G — 204),
Nr. 83 (S. 187).
Die Liesche Geraden-Kugeltransformation.
195
Ordnet man jedem Punkt P' des Raumes R‘ den Pol Q'
derjenigen Ebene zu, in der der Kegelschnitt liegt, nach dem
die durch P' gehenden TreSgeraden s' von K' die Fundamental-
fläche zum zweiten Male schneiden, so gehen bei dieser
einzweideutigen Punktverwandtschaft die Geraden s‘ in die Tan-
genten u' der Fundamentalfläche über.
Weitere Einzelheiten zur Ausführung und Begründung
sind aus der folgenden analytischen Darstellung zu entnehmen,
bei der wir die Koordinaten von P mit x, y, 2, die von Q
mit ajj, ^j, 2^ bezeichnen.
Wir wählen für K' wieder den imaginären Kugelkreis und
für Z' die imaginäre Kugel
2'^ \ = 0 .
Um die Verwandtschaft herzustellen, hat man den Kegel
{x — -V {y — yf -{-{2 — 'Qf = 0
mit Z‘ zu schneiden. Die Gleichung der (zweiten) Schnitt-
ebene ist
2x^ 2yt] 22!^ \ — x^ — iß — 2^ = 0,
und ihr Pol Q' ist gegeben durch
x^ = Xx, y^ = Xy, 2^ = X2,
(2) _ 2
1 — X^ — tß — 2^‘
Die Umkehrung (Q' — > P“) der Abbildung ist dann ge-
geben durch
X^,UXj, y = fiy^^ ^ ^
dabei ist noch
1 — ß{xl yl ß) = I — — iß — 2^ = 2 fl,
woraus die schon erwähnte Zweideutigkeit hervorgeht.
Den Treffgeraden («')
y — rx Q, 2 = sx a, (1 4- = 0
des imaginären Kugelkreises (K‘) werden die Tangenten (u‘)
196
H. Liebmann
= 2x : 2 {rx + g) : 2 (sx + o) : (1 — — 2a; (ro + so))
von zugeordnet.
Wir wollen auch noch die für die Zusammensetzung der
hier besprochenen Punkttransformation (P' — >• Q') oder (s' — >■ ti‘)
mit der Berührungstransformation (P -> s‘) wichtige Frage be-
antworten, was aus einer beliebigen K' enthaltenden Fläche
zweiten Grades Fn bei (P' -* Q') hervorgeht.
Die F'2 hat eine Gleichung von der Form
F2 = x^-\-y'^-\-s^-\-ax-\-hyFc^-\-d = x--{-ff
+ E{x, y,z) = 0,
und sie schneidet F' außer in K' noch in einem zweiten Kreis,
dessen Ebene die Gleichung hat
E{x, y,s) — l = (i.
Das Bild von F2 ist gegeben durch die Gleichung
1 — 2 4- {0,^1 -p ^y\ + -p = 0
in Verbindung mit
1 — 2 jx — {x\ F y\ + ^1) = 0.
Aus diesen beiden Gleichungen zusammen folgt, wenn wir
E{x^, y^, z^ zur Abkürzung mit P, bezeichnen
- 1)2 _ (1 + df {x\ -P y\ + -P 1) = 0, d. h.
Jede Fi, welche K' enthält, verwandelt sich bei der Ab-
bildung (P' — ► Q‘) in eine Fi, die längs des Kegelschnitts
berührt, den Fi und E‘ außer K‘ noch gemein haben.
Denkt man sich eine nichteuklidische (in unserem Fall
elliptische) Maßbestimmung mit der Fundamentalfläche Z‘ ein-
geführt, dann sind die Fi als Kugeln zu deuten, also läßt
sich das Ergebnis in aller Kürze so aussprechen :
Die durch Zusammensetzung vonP->s'mit s' —> u'
entstehende einzweideutige Punktgeraden-Transfor-
mation führt die Geraden g in die Kugeln über bei
geeigneter nichteuklidischer Maßbestimmung.
Die Liesehe Geraden-Kageltransformation.
197
Diese durch Zusammensetzung entstehende „nichteukli-
dische Geraden-Kugeltransformation“ ist in Lie-Scheffers,
Btr. f. trotz ihres einfachen Aufbaus nicht einmal erwähnt;
es ist anzunehmen, daß sie in den nicht erschienenen zweiten
Band Aufnahme finden sollte.
3. Entsprechende Transformationen in Bäumen von
höherer Dimension.
Lie hat die Frage nach Punktgeraden-Transformationen
in Räumen höherer, Dimension nur erwähnt,^) außerdem scheinen
von anderer Seite nur völlig unzulängliche Versuche einer Ver-
allgemeinerung der Geraden-Kugeltransformation vorzuliegen.
Wir wollen deshalb auf eine dieser Verallgemeinerungen
eingehen, nämlich die durch die Gleichungen:
+ 1 = 0,
(3) + 2/^, + ^ = 0,
xs^ + w = 0
gegebene Berührungstransformation des Denkt man sich
wieder homogene Koordinaten {x •. y \ z \ u •. t') eingeführt, so er-
kennt man leicht die Bedeutung dieser Gleichungen. Gegeben
sind in den Räumen R^ und R\ je drei Gerade :
(Ä) : X = y = t = 0, (B) : x = y = z = 0, (C) :x = y = u — 0
und {A‘) : Xj = 2/, = i!, = 0, {B‘) : y^ ^ = 0,
(C") : 5'j = = 0.
Durch die Gleichungen (3) werden den drei Bündeln von
je 00^ Ebenen durch A, B, C die drei Bündel von je oo^
linearen R^ durch A‘, B‘, C‘ zugeordnet, wobei die Ebene
X = y — 0, in der die drei Geraden A, B, C liegen, in jeder
der drei Zuordnungen dem linearen i?., (^j = 0) zugeordnet wird,
welcher A‘, B' und C‘ enthält. Das Bild von P ist die Ge-
rade s‘, in der die drei R^ einander schneiden, welche den
Ebenen (PA), (PB) und (PC) zugeordnet sind. Entsprechend
ist die Umkehrung (P' -> s) der Abbildung zu deuten.
Lie, a. a. 0. (Anm. 3), S. 740.
Vgl. den Bericht von F. Engel (Jahrbuch der Fortschritte der
Mathematik 30, Jahrgang 1899, S. 338—339).
198 H. Liehiuann, Die Liesche Geraden-Kuyeltransformation.
Die Geraden s' sind hier die TrelFgeraden der unendlich
fernen Kurve dritter Ordnung (des kubischen Kegelschnittes)
{K‘} :t, = 0, Xj — yi = — z\ = — a-, m, = 0.
Die Geraden s bilden wieder ein Nullsystem, Avic oben
in (1), d. h. durch jeden Punkt P gehen oo^ Gerade s, die
wieder ein ebenes Strahlenbüschel bilden. Ihre Fortschreitungs-
richtungen im Punkte x, y, z, u sind durch das nicht integrale
System von PfafFschen Gleichungen bestimmt
ydz — zdy — dx = 0,
ydu — udy xdz — zdx = 0.
Jede Ebene z = a^^x + -j- Cj,
« = «2^ + Ky +
bildet sich auf eine (dreifach ausgedehnte) ab, die {K‘)
enthält. Insbesondere kann man (vgl. den Schluß von Nr. 1)
die Transformation auch so wählen, daß sich unter den oo®
Bildern der Ebenen auch cc^ (dreidimensionale) Kugeln be-
finden. Man erhält damit eine (unvollständige) Ebenen-
Kugeltransfor mation des P^. Eine vollständige Geraden-
Kugel- oder Ebenen-Kugel-Transformation ist schon deshalb
unmöglich, weil die Schar der Geraden und Ebenen je sechs,
die der Kugeln aber nur fünf Parameter enthält.
Genau entsprechend zu der Untersuchung in Nr. 2 kann
auch im die Abbildung verallgemeinert werden zu einer
Transformation, welche die Punkte P abbildet auf oo^ von
den 00® Tangenten einer dreidimensionalen F^ oder Funda-
mentalmannigfaltigkeit die K‘ enthält.
Schon die Gestalt der Gleichungen (3) zeigt, wie man
von hier aus zu bestimmten Verallgemeinerungen, zu ent-
sprechenden Punkt-Geradentransformationen in Räumen höherer
Dimension gelangen kann. Daneben besteht die Aufgabe, zu-
nächst im R^ einen Überblick über alle Möglichkeiten zu
gewinnen, wie ihn Lie für den gegeben hat, und alle diese
Möglichkeiten auch durch einfache Beispiele zu verwirklichen.
199
Über die Ausgleichung des zukünftigen bayerischen
Hauptdreiecksnetzes.
Von Sebastian Fiiisterwalder.
Vorgetragen in der Sitzung am 1. Mai 1915.
Das zukünftige bayerische Hauptdreiecknetz, welches nach
den Erkundungen des K. Bayer. Katasterbureaus ent-
worfen^) und in Fig. 1 dargestellt ist, umfaßt 42 Hauptdrei-
eckspunkte, 62 Dreiecke, 103 Seiten und 22 innere Punkte,
die zu Kranzsystemen Veranlassung geben. Im Norden hängt
es mit 4 Punkten und 3 Seiten mit dem preußischen Haupt-
dreiecksnetz zusammen, dem noch ein Punkt (Kapellenberg)
des sächsischen Dreiecksnetzes ^) annähernd gleichwertig ange-
schlossen ist, so daß ein 223 Kilometer langer Anschlußzug
(Steigekoppe, Kreuzherg, Großgleichberg. Döbra, Kapellenberg)
zur Verfügung steht, der eine Basismessung im Norden des
Netzes überflüssig erscheinen läßt. Im Süden ist eine Basis-
messung vorgesehen, welche die Länge der Dreiecksseite München-
Schweitenkirchen liefern soll. Das Netz ist also, obwohl es
im übrigen nur eine schlichte Folge von Dreiecken ohne Dia-
gonalen darstellt, reichlich verwickelt und seine Ausgleichung
stellt auf alle Fälle eine umfangreiche Arbeit dar, die wohl
überlegt sein will. Wenn das Netz als Ganzes ausgeglichen
Es ist hier gegenüber dem ursprünglichen Entwurf um die Punkte 8
(Steigekoppe) und 34 (Breitsöl) erweitert um eine weitere ])reußische
Anschlußseite einheziehen zu können.
') Vgl. diese Berichte, Jahrgang 1914, S. 241,
200
S. Finsteiwalder
werden soll, so kommen vornehmlich zwei Methoden in Be-
tracht, die zuerst besprochen werden sollen.
Die Methode der bedingten Beobachtungen. Die
Beobachtungen an den 42 Stationen ergeben ebensoviele Rieh-
tungssätze mit 2 • 103 = 206 Richtungen, die durch 206 — 42
= 164 Richtungswinkel ausgedrückt werden können. Wegen
des im Norden zu übernehmenden Anschlußzuges fallen 3 von
den in den mittleren Ecken sonst zu beobachtenden Winkel
+
0 10 20 30 iOM607D 80 90IOOTtOt2Da>Ml6ll6»l?OlM80200 Ktm.
Üljer die Ausgleiclmn«? etc. ^01
weg, da diese dem Ansclilußzug zu entnehmen sind. Es ver-
bleiben also 161 beobachtete Richtungswinkel. Diese unter-
liegen zunächst den 62 Dreiecks-Schlußbedingungen und den
22 Kranzbedingungen. Außerdem kommen noch 4 Seiten-
bedingungen hinzu, welche aussagen, daß die Basis im Süden
ein bestimmtes Verhältnis zu den 4 Anschlußseiten im Norden
hat. Es sind also im Ganzen 62 22 -f- 4 = 88 Bedingungen
zu berücksichtigen. Dementsprechend ergeben sich ebensoviele
Gleichungen für die unbekannten 88 Korrelaten, aus denen
sich die Verbesserungen der 161 beobachteten Richtungswinkel
aufbauen. Die verbesserten Winkel gewährleisten dann eine
widerspruchfreie Berechnung der Seiten des Netzes und der
Koordinaten der Eckpunkte.
Die Methode der vermittelnden Beobachtungen.
Von den 42 Netzpunkten sind 37 neu zu bestimmen. Diese
haben 74 unbekannte Koordinaten. Letztere werden so ge-
wählt, daß die 161 gemessenen Winkel möglichst richtig und
die Seite München-Schweitenkirchen genau nach der Messung
wiedergegeben werden. Mittels der letzteren Bedingung kann
man eine (z. B. die nordsüdliche) Koordinate von Schweiten-
kirchen eliminieren, so daß 73 unbekannte Koordinaten übrig
bleiben, durch deren Wahl den 161 Beobachtungen möglichst
Rechnung getragen wird. Die Zahl der Unbekannten ist hiev
also nur 73 und die Unbekannten sind das gewünschte Schluß-
ergebnis der Ausgleichung.
Beide Arten der Ausgleichung haben ihre Vor- und Nach-
teile; es unterliegt aber kaum einem Zweifel, daß, so lange
man nur unter ihnen zu wählen hat, im vorliegenden Falle
die zweite Art den Vorzug verdient. Die Hauptrechenarbeit
beruht in der Auflösung der Gleichungen für die Unbekannten
und wächst mit dem Quadrat ihrer Anzahl; diese Rechenarbeit
verhält sich also in den beiden Fällen wie 88^ : 73^ = 7744 : 5329.
Der Umstand, daß die Bedingungsgleichungen bei der ersten
Methode erheblich leichter zu bilden sind als die Fehlerglei-
chungen bei der zweiten, hebt den Unterschied zu Gunsten der
zweiten Methode nicht auf. Aber auch in der Art des Schluß-
202
S. Finsterwalder
ergebuisses ist die zweite Art der ersten überlegen, da dieses
gerade in den gesuchten Punktkoordinaten besteht, wobei deren
mittlere Fehler, ja wenn man will sogar die Fehlerellipsen der
gefundenen Lagen der Punkte in unmittelbarem Anschluß an
die Auflösung der Normalgleichungen gefunden werden können.
Die erste Art liefert unmittelbar und einfach nur den mitt-
leren Fehler der gemessenen Winkelgrößen und dient in diesem
Sinne gewissermaßen nur der Befriedigung der persönlichen
Eitelkeit der Messenden, ohne zugleich eine ausreichende Kritik
des Ergebnisses zu ermöglichen, da die Punktlagen nicht bloß
von der Genauigkeit der gemessenen Winkel, sondern in nicht
minderem Grade von der Anlage des Netzes abhängen. Eine
Berechnung der Koordinatenfehler, die ja an sich möglich ist,
erweist sich hier wegen der großen Zahl der Korrelaten prak-
tisch als ganz undurchführbar. Welche von den beiden Arten
der Ausgleichung man auch wählen mag, stets wird die rie-
sige Rechenarbeit in einem gewissen Mißverhältnis zu dem er-
zielten Schlußergebnis stehen, wenn man nämlich praktische
Erwägungen als ausschlaggebend erachtet und nicht das Be-
wußtsein, das Beste unter dem Möglichen erreicht zu haben,
als genügenden Ausgleich für die aufgewendete Arbeit ansieht.
Das erwähnte Mißverhältnis liegt in der Natur der Ausglei-
clmng aus einem Guß begründet. Gerade, weil sie den vielen
auf das Ergebnis einwirkenden Umständen einzeln und unpar-
teiisch Rechnung trägt, wird die Abhängigkeit des Ergebnisses
von diesen Umständen so verwickelt, daß sie weder genau aus-
gerechnet, noch auch im Einzelnen durchschaut werden kann.
Rein praktische Erwägungen haben in vielen ähnlichen Fällen,
z. B. auch bei der Ausgleichung des alten bayerischen Haupt-
dreiecksnetzes durch V. Orff zu einer Teilung des Netzes (bei
V. Orff in 30 Polygone) geführt, wobei das Ergebnis der Aus-
gleichung des einen Teils immer als Zwangsbedingung für die
Ausgleichung des anschließenden Teiles eingeführt wird. Da-
durch wird die Rechenarbeit auf alle Fälle sehr erheblich ver-
mindert. Allerdings ist das Schlußergebnis abhängig von der
Art der Zerlegung des Netzes und der Reihenfolge der Teile
Übel- die Ausgleichung etc.
203
bei der Ausgleichung. Auch verzichtet man von vorneherein
auf die möglichst günstige Ausgleichung. In wieweit bei einer
solchen teilweisen Ausgleichung eine ausreichende Kritik der
Messungsgenauigkeit und ein genügender Einblick in die Sicher-
heit des Messungsergebnisses erzielt wird, hängt ganz und gar
von der Anordnung der Ausgleichung ab. Es soll im folgen-
den ein diesbezüglicher Vorschlag gemacht werden, welcher
die genannten Gesichtspunkte in befriedigender Weise berück-
sichtigt.
Der Vorschlag setzt voraus, dals Näherungskoordinaten
von den Hauptdreieckspunkten bereits bekannt sind, was für
das bayerische Netz durch die Vorarbeit des Verfassers') zu-
trifft. In dieser sind in gemeinsamer konformer Doppelprojek-
tion die genauen Koordinaten der Anschlufäpunkte und die ge-
näherten Koordinaten der übrigen Netzpunkte gegeben^) und
es ist das System so gewählt, daß unter Beibehaltung der
Gaußschen Projektionskugel die genäherten Koordinaten des
nördlichen Frauenturms in München die Werte Null erhalten.
Von dem preußischen System der konformen Doppeiprojektion
unterscheidet sich das genannte nur in der Wahl des Aus-
gangsmeridians, der durch München statt durch 31° öst. Ferro
geht und die Zählung der Abszissen, die von München aus,
statt von 52° 42' 2!'5 n. B. aus geschieht. Das Netz wird nun
durch die in Fig. 1 angedeuteten strichpunktierten Linien in
7 Felder zerschnitten und in jedem Feld ein trigonometrischer
Punkt als Ausgangspunkt gewählt. .ledes Feld stellt ein ein-
faches Teilnetz mit wenigen Bedingungen dar; es soll ohne
jeden Zwang für sich ausgeglichen werden und zwar nach
der Methode der bedingten Beobachtungen. Folgende Tabelle
gibt eine Übersicht der in Betracht kommenden Verhältnisse.
ü Es fehlen die genäherten Koordinaten des Punktes 34 (Breitsöl);
diese sind: Absc. -f- 198394,4, Ord. — 154145,7.
2) Der Zusammenschluß des preußischen und sächsischen Haupt-
dreiecksnetzes im Norden von Bayern. Diese Berichte 1914, S. 259.
204
>S. i'insterwalder
Nummer des Feldes
1
2 3
4
5
' I
6 7 Summe
Zahl der Dreiecke ....
9
1
ü 14
9
7
7 10 62
Zahl der Zentralp
1
1 2
1
1
1 2 9
Zahl der Bedingungsgl. . .
10
7 i 16
10
8
8 12 71
Rechenarbeit
100
49 i 25G
100
64
64 ; 144 : 777
Es werden nun mit den ausgeglichenen Winkelwerten und
einem passenden Näherungswert für die Längen ausgehend von
den Näherungskoordinaten des gewählten Ausgangspunktes des
Feldes Koordinaten aller derjenigen Punkte des zugehörigen
Teilnetzes gerechnet, welche mit den preußischen Festpunkten
oder mit den Grenzpunkten eines Nachbarfeldes Zusammen-
treffen sollen. Naturgemäß entstehen dabei gegenüber den
preußischen Festpunkten und an den Grenzpunkten benach-
barter Felder Koordinatenunterschiede, die einer zusammen-
fassenden Hauptausgleichung unterzogen werden sollen.
Wir denken uns dabei die einzelnen Felder unter Beibehaltung
ihrer Form ähnlich verändert, verschoben und gedreht, so daß
ein möglichstes Zusammenpassen der Felder untereinander und
gleichzeitig ein möglichst günstiger Anschluß an die preußi-
schen Festpunkte erfolgt. In dem 6. Feld, das die Basisseite
München-Schweitenkirchen (6 — 24) enthält und das in seinen
Abmessungen hiedurch schon bestimmt ist, soll sich die Ver-
änderung bloß auf Verschiebung und Drehung beschränken.
Da die Verschiebung des Ausgangspunktes je zwei, die Ver-
drehung und Maßstabänderung je eine unbekannte Größe für
das Feld einführt, so sind hiernach 6 • 4 -j- 3 = 27 Unbekannte
zu bestimmen. Die dabei notwendige Rechenai-beit wird durch
27- = 729 ausgedrückt und es beziffert sich die Gesamtrechen-
arbeit einschließlich der in der Tabelle ausgewiesenen auf
729 -1- 777 = 1506 gegenüber 7744 bzw. 5329 bei der Aus-
gleichung aus einem Guß. Sie kann also auf ein Fünftel bis
ein Drittel von jener geschätzt werden. Ehe wir auf die wei-
teren erheblicheren Vorteile dieser Ausgleichung in Teilen auf-
über die Ausgleichung etc.
205
merksam machen, soll auf die genauere Durchführung der-
selben näher eingegangen werden.
Von den 24 Punkten, welche bei der angegebenen Felder-
einteilung auftreten, haben 4, nämlich 8, 9, 11 und 12 feste
preußische Koordinaten und einfache Pelderkoordinaten, die bei
8 und 9 dem Felde 1, bei 11 und 12 dem Felde 2 angehören.
Man wird die Quadrate der Koordinaten-Unterschiede der Feld-
koordinaten gegenüber den festen Koordinaten, oder, was auf
das Gleiche hinausläuft, Q die Quadrate der Entfernungen der
Feldlagen von den festen Lagen in die Fehlerquadratsumme
aufnehmen. Der Punkt 10 kommt in 2 Feldern vor und ist
außerdem preußischer Anschlußpunkt. Man wird das Quadrat
der Entfernung des Mittels beider Feldlagen von der festen
Lage in die Fehlerquadratsumme einrechnen, um seiner Eigen-
schaft als Anschlußpunkt an die preußische Vermessung ge-
recht zu werden. Als gegen.seitiger Anschlußpunkt zweier be-
nachbarter Felder wird er wie die Punkte 13, 14, 15, 17, 18,
19, 20, 21, 22, 24, 26, 27, 28, 29, 30, 31 zu behandeln sein.
Man nimmt das doppelte Quadrat der Entfernung jeder der
beiden Feldlagen von ihrer Mittellage in die Fehlerquadrat-
summe auf. Der Punkt 23 kommt in 3 benachbarten Feldern
vor. Er liefert 3 Fehlerquadratsummanden, die aus den Ent-
fernungen jeder Feldlage vom Schwerpunkt der 3 Feldlagen
gebildet werden. Die Punkte 16 und 25 endlich treten in 4
verschiedenen Feldlagen auf, aus denen je 4 Bestandteile der
Fehlerquadratsumme dadurch gebildet werden, daß man die
Entfernung jeder Feldlage vom Schwerpunkt der 4 Feldlagen
quadriert. Es setzt sich also die Fehlerquadratsumme aus fol-
genden Summanden zusammen : 5 Summanden infolge des preus-
sischen Anschlusses, 17 mal 2 Summanden infolge des Auf-
Das gilt nur so lange, als die Entfernungen sich wie in der
Ebene aus den Koordinaten-Unterschieden berechnen lassen. Bei kon-
formen Koordinaten wird hiebei die Maßstabsänderung vernachlässigt,
die bis zu 0,4®/oo betragee kann. So lange die Verschiebungen unter
einigen Metern bleiben, ist das erlaubt. Eine Berücksichtigung der Maß-
stabsänderung begegnet keinerlei Schwierigkeiten.
Sitzungsb. d. m.ith.-pbys. Kl. Jabrg. 1915.
14
206
S. FinsterwilUlcr
tretens von ebensoviel doppelten gegenseitigen Anschlußpunkten
zweier Felder, 1 mal 3 Summanden infolge des dreifachen und
2 mal 4 Summanden infolge der beiden vierfachen Anschluß-
punkte. Es gibt insgesamt : 5-|- 34 -1-3-1-8 = 50 Entfernungs-
quadrate oder die doppelte Zahl, wenn man die Quadrate der
Koordinaten -Unterschiede zählt. Letztere Zählung schmiegt
sich mehr der üblichen Bildung der Fehlergleichungen an, in-
dem man die verbleibenden Koordinaten -Unterschiede als Ver-
besserungen ansieht, die an den verschiedenen Feldkoordinaten
anzubringen sind, damit letztere für denselben Punkt gleiche
Werte ergeben. Diese Verbesserungen sind Funktionen der
27 einzuführenden Unbekannten und ihre Quadratsumme wird
durch geeignete Wahl derselben zu einem Minimum gemacht.
Als Unbekannte führt man am besten ein: die Koordinaten-
Verschiebungen der 7 Felder- Ausgangspunkte, welch letztere
mit 1 bis 7 bezeichnet sind, die kleinen Drehwinkel, die diese
Felder erfahren und 6 kleine Größen, die zur Einheit addiert,
das geänderte Maßstabverhältnis der Felder 1, 2, 3, 4, 5 und 7
kennzeichnen. Feld 6 behält, wie schon erwähnt, den Basis-
maßstab bei. Bezeichnen wir mit x”*, y'" die Koordinaten des
^ten Punktes im Feld nach der ersten Teilausgleichung,
mit X"' y"‘ dieselben Koordinaten nach der Schlußausgleichung
und nennen wir die kleinen Koordinaten -Verschiebungen des
Feldausgangs-Punktes dx,,,, dy„,, den Drehwinkel da,,, und die
Streckung der Einheit dk,,,, so bestehen folgende Beziehungen:')
^ _ (jm _ da,,, -f (x’" — X„,) dk,„
y'^ ~ y"l "F di/i„ (x'l^ Xm) da,„ -p ■ y,„) dkm,
x,„ und y„, sind dabei die Koordinaten des Feldausgangs-Punktes
vor der Hauptausgleichung x,„ -j- dx„,, ym + dy,,, nach derselben.
Die früher erwähnten 2 x 50 = 100 Fehlergleichungen
lassen sich nun mittels obiger Differentialformeln leicht bilden.
Diese Formeln gelten streng nur für ebene Koordinaten. Bei
konformen Koordinaten wäre wieder der Maßstabuntersehied zwischen
dem Ausgangspunkt und dem betrachteten Punkt zu berücksichtigen.
über die Ausgleichung etc.
207
Einige charakteristische Gleichungen dieser Art mögen ange-
führt werden. Die Koordinaten der preulsischen Anschluß-
punkte werden mit griechischen Buchstaben bezeichnet.
Für den preußischen Anschlußpunkt 9 im Feld 1 :
iCQ — 1^9 =
Ähnlich in y und >/; insgesamt 8 Gleichungen.
Für den preußischen Anschlußpunkt 10 in den Feldern 1
und 2:
^ (^10 ^lo) ?10 ^10
Ähnlich in y und insgesamt 2 Gleichungen.
Für den gleichen Punkt 10 als gegenseitiger Anschluß-
punkt der Felder 1 und 2:
■g (^10 ~1~ ^io) ^10
x\o — i (^lo + a:io) = vln
Ähnlich in y\ insgesamt 68 Gleichungen.
Für den Punkt 23 als gegenseitiger Anschlußpunkt der
Felder 3, 5 und 6:
^23 ^ (^23 ~1“ ^23 “P ^23) ^23
^23 — i + Xli 4- x%) = v'n
4 (ß'ii 4“ ^23 4" ^23) ^23
Ähnlich in y; insgesamt 6 Gleichungen.
Für den Punkt 16 als gegenseitiger Anschlußpunkt der
Felder 1, 2, 3 und 4:
icjs — 4 (a:}6 4- 3^16 4- ^te 4- = Vic
^'le — i (a^le + ^16 4- ^16 4- ^te) = v'ib
— 4 4- ^le 4- ^16 + ^te) = v"b
^IG 4 (^16 4“ ^16 4" ^16 4~ ^Ig) ^IG
Ähnlich in y: insgesamt 16 Gleichungen.
Diese 100 Gleichungen werden nach den 27 Unbekannten
dx„i, dy,„, da,,,, dTc„, geordnet und aus ihren Koeffizienten in
der üblichen Weise jene der Normalgleichungen gebildet, deren
14*
208
S. Filisterwillder
Auflösung dann die Werte der Unbekannten liefert. Die Be-
rechnung der Gewichtskoeffizienten und der mittleren Fehler
der Unbekannten, die bei ihrer mätiigen Auswahl vollständig
durchgeführt werden kann, liefert dann die wertvollsten Auf-
schlüsse über die erzielte Genauigkeit der Lagehestimraung
durch die Triangulation, indem sie die mittleren Punktfehler
oder, wenn man will, auch die Fehlerellipsen von 7 über das
Netz gut verteilten Punkten ergibt und außerdem noch die
Sicherheit der Orientierung und der Maßstahbestimmung in den
7 um diese Punkte herumliegenden Feldern, wobei der preus-
sische Anschluß im Norden die Ausgangsbasis für die genannte
Genauigkeitsbestimmung in dem Sinne abgibt, daß die mitt-
leren Punktfehler und Orientierungsfehler gegenüber jener als
richtig angenommenen Basis zu gelten haben.
Mit den aus der Hauptausgleichung ermittelten Unbe-
kannten werden nun die Koordinaten der den einzelnen Fel-
dern zugehörigen Punkte korrigiert und für die Grenzpunkte
zweier oder mehrerer Felder die Koordinaten gemittelt. Diese
betrachtet man jedenfalls als endgiltige Werte und man hat
dann außer den 5 preußischen Anschlußpunkten noch 19 wei-
tere feste Punkte, die über das ganze Netz verteilt sind. Sind
die AnschlußdifFerenzen genügend klein, so kann man die 7
ausgeglichenen Ausgangspunkte eines jeden Feldes unbedenk-
lich zu den 24 schon bestimmten Punkten hinzunehmen und
die noch fehlenden Punkte mit jenen Koordinaten ansetzen,
die sie nach der Hauptausgleichung in ihrem Felde haben.
Sollten sich jedoch, was kaum zu erwarten ist, Anschlußdiffe-
renzen heraussteilen, die zu Bedenken Anlaß geben, so bliebe
immer noch der Ausweg, an den 19 -j- 5 Punkten festzuhalten
und die übingen Punkte jedes Feldes durch kombiniertes Vor-
und Bückwärtseinschneiden einzuschalten. Man hätte auf diese
Weise im ersten Feld 3, im zweiten Feld 1, im dritten Feld 3,
im vierten Feld 2, im fünften Feld 3, im sechsten Feld 1, im
siebenten Feld 5 Punkte gemeinsam einzuschalten. Die be-
treffende Rechenarbeit wäre mit 6® ff- 2^ -|- 6^ -j- 4^ -j- 6^ -f-
2® -j- 10® = 232 zu beziffern. Es würde sich damit die Ziffer
über die Ausgleichung etc.
209
für die Gesamtrechenarbeit auf 1738 erhöhen, bliebe aber noch
weit hinter der Mindestziffer 5329 einer Gesarataussrleichunsf
O O
aus einem Guö zurück.^)
Fassen wir endlich zusammen, was sich zu Gunsten der
vorgeschlagenen Ausgleichung nach 7 Feldern sagen läßt.
1. Die Rechenarbeit ist gegenüber einer Gesamtausglei-
chung auf ein Drittel bis ein Viertel vermindei't; sie kann in
jedem Felde für sich begonnen und weiter geführt werden;
man braucht also nicht das Ende der Messungen abzuwarten.
2. Die zwanglose Ausgleichung der einzelnen Felder liefert
einwandfreies Material zur Ermittelung der reinen Winkel-
messungsfehler.
3. Aus der Zusammenfügung der Felder ergeben sich für
sieben gut verteilte Punkte des Netzes die Lagen-, Orien-
tierungs- und Maßstabfehler und damit wird eine zutreffende
Kritik des eigentlichen Messungsergebnisses erzielt.
4. Das Ausgleichungsverfahren trägt insofern systema-
tischen Charakter, als das Ergebnis desselben zwar von der
Art der Feldereinteilung, nicht aber von der Reihenfolge, in
der die Felder aneinandergefügt werden, abhängt. Im vor-
liegenden Falle ist übrigens die Art der Feldereinteilung durch
die Zahl der Felder und die Rücksichten auf den preußischen
Anschluß sowie die südbayerische Basismessung so gut wie
festgelegt.
9 Bei der Hauptausgleichung werden auch die Koordinaten des
Punktes 6 (München, nördl. Frauenturm) kleine Änderungen erfahren und
nicht mehr genau gleich Null sein. Legt man wegen der alten Kataster-
blatt-Einteilung Wert darauf, die Koordinaten Null für diesen Punkt
beizuhalten, so ist eine Transformation sämtlicher Koordinaten erforder-
lich, die sich jedoch bei der voraussichtlichen Kleinheit der Änderungen
sehr einfach erledigen läßt.
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211
Die Lösung der Spannungsaufgabe für das
Ausnahmefachwerk.
Von A. Föppl.
Vorgelegt in der Sitzung am 1. Mai 1915.
Die Theorie des Fachwerks beschäftigt sich hauptsächlich
mit der Ermittelung der Stabspannungen, die entweder in
einem statisch bestimmten oder auch in einem unbestimmten
Fachwerke durch gegebene Lasten hervorgebracht werden, die
an den Knotenpunkten angreifen. Schon längst hat man ver-
schiedene Verfahren gefunden, nach denen diese Spaiinungs-
aufgabe für das ebene wie für das räumliche Fachwerk in fast
allen überhaupt möglichen Fällen ohne Schwierigkeit und in
befriedigender Weise gelöst werden kann.
So weit es sich um statisch unbestimmte Fachwerke han-
delt, legt man bei der Lösung der Spannungsaufgabe die An-
nahme zu Grunde, daß die Längenänderungen der Stäbe pro-
portional mit den Stabspannungen und zugleich so klein gegen
die ursprünglichen Stablängen sind, daß sie mit hinreichender
Genauigkeit als unendlich klein in die Rechnung eingefUhrt
werden dürfen. Bei den praktischen Anwendungen, die man
von der Theorie des Fachwerks im Bauwesen zu machen hat,
trifft diese Voraussetzung stets mit großer Annäherung zu.
Größere Abweichungen bestehen freilich bei den prak-
tischen Bauausführungen von der anderen Annahme, daß die
Fachwerkstäbe in den Knotenpunkten frei drehbar miteinander
verbunden sein sollen. Dle.se Annahme liegt indes.sen schon
dem geometrischen Begriffe des Fachwerks zu Grunde. Wenn
212
A. Föppl
sie nicht genau genug erfüllt ist, wird dadurch zwar die An-
wendbarkeit der Theorie auf den betreffenden Fall der Bau-
ausführung entsprechend beeinträchtigt; der Fachwerktheorie
selbst kann aber kein Vorwurf daraus gemacht w'erden, daß
sie auf Umstände keine Rücksicht nimmt, die überhaupt nicht
in ihren Aufgabenkreis fallen.
Mit diesen Vorbehalten kann man sagen, daß die Span-
nungsaufgabe der Fachwerktheorie, abgesehen von dem beson-
deren Falle, der hier besprochen werden soll, bereits als voll-
ständig befriedigend gelöst angesehen werden darf. Bisher
noch nicht gelöst ist nämlich die Aufgabe nur bei den soge-
nannten Ausnahmefachwerken. Darunter versteht man Fach-
werke, die trotz genügender Stabzahl und sonst geeigneter
Gliederung wegen der besonderen Lage, in der sich die Knoten-
punkte gegeneinander befinden, keine steifen und gegen be-
liebige Belastungen widerstandsfähigen Stabverbände bilden.
Um ein einfaches Beispiel dafür vor Augen zu haben, betrachte
man den Zusammenschluß von zwei Dreiecken in der Ebene
durch drei Verbindungsstäbe. Wenn man jeder Ecke des einen
Dreiecks eine Ecke des anderen Dreiecks als entsprechend zu-
weist und zwischen je zwei entsprechende Ecken einen Ver-
bindungsstab anordnet, erhält man im allgemeinen ein stabiles
ebenes Fachwerk. Dagegen tritt der Ausnahmefall ein, sobald
die Dreiecke so zueinander liegen und die Stäbe zwischen ihnen
so geführt werden, daß sich ihre Richtungslinien entweder
in demselben Punkte schneiden oder daß sie parallel zu ein-
ander sind.
Ein anderes sehr bekanntes Beispiel liefert das Pascalsche
Sechseck. Ein Stabverband aus 9 Stäben, von denen 6 den
Umfangsseiten eines Sechsecks und die anderen den drei Haupt-
diagonalen folgen, bildet nämlich unter gewöhnlichen Um-
ständen ein widerstandsfähiges Fachwerk. Sobald aber die
Ecken des Sechsecks auf einem Kegelschnitte liegen, bildet
der Stabverband ein Ausnahmefach wörk.
Die Ausnahmefach werke haben seit langem in der Fach-
werktheorie eine wichtige Rolle gespielt. Gewöhnlich hat man
Die Lösung d. Spannungsaufgabe f. d. Ausnahmefachwerk. 213
sich aber doch nur insoweit mit ihnen beschäftigt, als man
die Bedingungen nachwies, unter denen der Ausnahmefall ein-
tritt.*) Auf die Spannungsaufgabe ging man nicht näher ein,
sondern begnügte sich mit der Bemerkung, daß im Grenzfalle,
der dem Ausnahmefachw'erke entspricht, die Spannungen bei
beliebig gegebenen Lasten unendlich groß ausfielen. Natürlich
ist aber diese Aussage nur dahin zu verstehen und auch nur
dahin verstanden worden, daß selbst noch so große Stabspan-
nungen kein Gleichgewicht mit den Lasten herzustellen ver-
mögen, ohne daß eine Gestaltäuderung der Fachwerkfigur er-
folgte. Wie groß aber die Spannungen nach einer solchen
Gestaltänderung tatsächlich ausfielen, ließ man dahingestellt.
Eine Gestaltänderung tritt bei jedem Fach werke ein, wenn
es belastet wird, da die Stäbe durch die Spannungen elastische
Längenänderungen erfahren. Unter gewöhnlichen Umständen
bleibt jedoch die Gestaltänderung von derselben Größenordnung
wie die Längenänderung der einzelnen Fachwerkstäbe, so daß
sie bei der Spannungsermittelung überhaupt nicht beachtet zu
Averden braucht. Beim Ausnahniefachwerk ist dies aber anders;
es stellt auch in dieser Beziehung einen Ausnahmefall dar,
indem eine merkliche Gestaltänderung bereits möglich ist, wenn
sich auch die Stablängen nur um im Vergleiche dazu unmerk-
lich kleine Größen ändern. Um dieser geometrischen Eigen-
schaft der Ausnahmefachwerke durch eine anschauliche Be-
zeichnung Ausdruck zu geben, habe ich ihnen in meinem Lehr-
buche der graphischen Statik das Eigenschaftswort „wackelig“
beigelegt. Man könnte daher die Ausnahmefachwerke auch
als „ WackelfachAverke“ bezeichnen.
Nachdem sich eine kleine Gestaltänderung vollzogen hat,
ist der Ausnahmefall nicht mehr genau verwirklicht und der
Stab verband wird um so widerstandsfähiger gegen weitere Form-
1) Eine sehr ausführliche und gründliche Untersuchung dieser Art,
die sich auch auf das räumliche Fachwerk erstreckt, hat neuerdings
Herr Prof. Ernst Kötter in Aachen unter dem Titel „Über den Grenz-
fall u. s. f.“ im Anhänge zu den Abhandlungen der Berliner Akademie
für 1912 veröffentlicht. Sonderabdruck im Verlage d. Akad., Berlin 1913.
214
A. Föppl
änderungen, je mehr die Gestalfcänderung fortschreitet. Diese
Überlegung lehrt, daß jeder Grund fehlt, die Stabspannungen
als unendlich groß anzusehen; sie werden nur sehr groß aus-
fallen im Verhältnisse zu stabilen Fachwerken unter sonst ähn-
lichen Umständen, weil sich die Fachwerkfigur auch nach der
Formänderung immerhin nicht viel von der dem Ausnahme-
falle entsprechenden unterscheidet. Aber wenn die Belastung,
die von dem Fach werke aufgenoramen werden muß, ziemlich
klein ist, können die Stabspannungen, die dadurch hervor-
gerufen werden, leicht unterhalb der Grenzen bleiben, die man
als zulässig anzusehen hat. Es liegt dann kein erhebliches
Bedenken gegen eine praktische Ausführung dieser Art vor.
Freilich sind die Ausnahmefachwerke im Vergleiche mit
ihnen sonst ähnlichen Anordnungen von stabilen Fachwerken
stets nur in geringem Maße widerstandsfähig. Man wird sie
daher, wenn nicht zwingende Gründe von anderer Art vor-
liegen, stets sorgfältig zu vermeiden suchen. Hierin ist jeden-
falls der Grund dafür zu erblicken, daß man sich bisher so
wenig um die Lösung der Spannungsaufgabe für die Aus-
nahmefachwerke bemüht hat. In der ersten Auflage meines
vorher erwähnten Lehrbuchs, die im Jahre 1900 erschienen
ist, habe ich zwar bereits für einen besonders einfachen Fall,
der bei gewissen praktischen Anwendungen tatsächlich vor-
kommt, eine Lösung der Spannungsaufgabe gegeben. Daran
habe ich damals die folgende Bemerkung geknüpft: „Ein ganz
allgemein anwendbares direktes Verfahren für die Lösung dieser
Aufgabe ist bisher, so viel mir bekannt ist, nicht ausgearbeitet
worden und ich will mich jetzt auch nicht mit einem Ver-
suche aufhalten, die Lücke auszufüllen.“ Hierin war offen-
sichtlich eine Anregung ausges])rochen, diese Frage in Angriff
zu nehmen. Aber obschon das Buch in den Kreisen, die sich
mit Fragen dieser xlrt beschäftigen, eine große Verbreitung
gefunden hat, scheint bisher noch Niemand der Aufforderung,
wenigstens nicht mit einem merklichen Erfolge, entsprochen
zu haben. Als ich vor einiger Zeit selbst Veranlassung fand,
mich mit diesen Dingen von neuem zu beschäftigen, beschloß
Die Lösung d. Spannungsaufgabe f. cl. Ausnahniefachwerk. 21.)
ich daher, selbst den Versuch zu einer Lösung zu machen, die
immerhin von vornherein keineswegs leicht erschien. Dabei
stellte sich jedoch schließlich heraus, daß die Lösung durch
Einführung von Vernachlässigungen, die den Rahmen der auch
sonst üblichen nicht wesentlich überschreiten, weit einfacher
gestaltet werden kann, als ich- anfänglich vermutet hatte.
Hier werde ich mich damit begnügen, das Verfahren ganz
allgemein zu beschreiben und zu begründen und die allgemein
gültigen Schlußfolgerungen abzuleiten, die sich daraus ergeben.
Zur besseren Erläuterung wäre freilich auch die Behandlung
einiger Beispiele wünschensw'ert; aber diese möchte ich lieber
auf eine andere Gelegenheit verschieben.
Um zu einer leicht verständlichen, möglichst einfachen
Ausdrucksweise zu gelangen, lege ich bei der Auseinander-
setzung des Verfahrens ein ebenes Fachwerk zu Grunde, wie
ja auch von jeher das ebene Fachwerk den Hauptgegenstand
fast aller Arbeiten über die Fachwerktheorie gebildet hat.
Ich bemerke jedoch, daß dieselben Überlegungen mit geringen
Änderungen ebenso auch bei räumlichen Ausnahmefachwerken
zum Ziele führen.
Um n Knotenpunkt in der Ebene steif miteinander zu ver-
binden, braucht man 2n — ^3 Stäbe. Diese müssen zwischen den
Knotenpunkten so verteilt sein, daß niemals zwischen irgend-
wie ausgewählten n‘ von diesen Knotenpunkten (w > »' > 1)
mehr als 2n‘ — 3 Verbindungsstäbe verlaufen. Die Erfüllung
dieser Bedingungen führt im allgemeinen zu einem geome-
trisch und statisch bestimmten Fach werke; dem Begriffe des
„Ausnahmefach Werks“ oder „Grenzfachwerks“ entspricht es,
daß dieselben Bedingungen bei ihm ebenfalls erfüllt sein sollen.
Nimmt man aus dem hiernach aufgebauten Verbände der
2n — 3 Stäbe einen beliebig ausgewählten Stab heraus, so
wird ein zwangläufiger Mechanismus entstehen. Das gilt eben-
falls nicht nur für das statisch bestimmte Fachwerk, sondern
im allgemeinen auch noch für das Ausnahmefachwerk. Man
muß allerdings hinzufügen, daß Herr Ernst Kötter in seinem
Beitrage zur Festschrift für Müller-Breslau und auch in der
216
A. Föppl
vorher schon angeführten Akademieschrift darauf hingewiesen
hat, daß dies nicht unbedingt so sein muß. Man kann näm-
lich, wie Herr Kötter gezeigt hat, auch solche Stabverbände
angeben, die bei n Knotenpunkten und weniger als 2n — 3
Stäben trotzdem „in sich einspannbar“, d. h. fähig sind, ein
Spannungsbild von Eigenspannungen ohne Mitwirkung äußerer
Lasten aufzunehmen und die außerdem bei streng unveränder-
lichen Stal)längen auch als unverschieblich zu betrachten wären.
Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß man nach Entfernung
eines Stabes aus dem Verbände von 2 n — 3 Stäben nicht auf
einen Mechanismus, sondern auf einen solchen Kötterschen
Stabverband kommt. Aber von diesem ganz besonderen Falle
will ich hier absehen und mich damit begnügen, ein gewöhn-
liches Ausnahmefachwerk zu untersuchen, das durch Fortnahme
eines Stabs in einen Mechanismus verwandelt werden kann.
Daß der Stabverband ein Ausnahmefachwerk bildet, ist
alsdann darauf zurückzuführen, daß der Stab, den man ent-
fernt hatte, um einen Mechanismus herzustellen, nach seinem
Wiedereinsetzen wenigstens eine kleine Bewegung des Mecha-
nismus nicht zu verhindern vermag. Das ist nur unter der
Bedingung möglich, daß sich der Abstand der Knotenpunkte
des Mechanismus, zwischen denen der herausgenommene Stab
verlief, bei einer kleinen Bew'egung des Mechanismus ohnehin
nicht ändert und daß daher die bestehende Bewegungsmög-
lichkeit durch das Einsetzen des Stabs nicht wieder aufgehoben
werden kann. Diese Überlegung führt zu dem von Mohr für
die Ausnahmefachwerke angegebenen Kennzeichen, daß irgend
ein Stab, etwa der, den wir uns herausgenommen dachten, eine
Länge haben muß, die entweder ein Maximum oder ein Mini-
mum bildet, das mit den als gegeben anzusehenden Längen
aller übrigen Stäbe aus Gründen des geometrischen Zusammen-
hangs noch verträglich ist.
Der kürzeren Ausdrucksweise wegen soll hier der Stab,
durch dessen Herausnahme man das Fachwerk in den vorher
besprochenen Mechanismus verwandelt, als der Hauptstab
bezeichnet werden. Bei der Bezifferung, durch die wir her-
Die Lösung d. Spiinnungsaufgabe f. d. Ausnahiiiefachwerk.
217
nach die einzelnen Stäbe des Facliwerks voneinander unter-
scheiden wollen, soll er die Ziffer 0 erhalten. Welchen Stab
des Fachwerks man als den Hauptstah ansehen will, ist im
allgemeinen gleichgültig, wenn nur für ihn das vorher ge-
nannte Mohrsche Kennzeichen zutrifft. Gewöhnlich und so
auch bei den vorher als Beispiele angeführten einfachen Fällen
kann sogar jeder Stab des Faehwerks als Hauptstab ausge-
wählt werden. Gehen jedoch z. B. von einem Knotenpunkte
nur zwei Stäbe aus, die nicht in einer geraden Linie liegen,
so kann von diesen beiden Stäben jedenfalls keiner als Haupt-
stab angesehen werden, da das vorher angeführte Mohrsche
Kennzeichen für ihn nicht zutrifft. Ferner ergibt sich aus den
weiteren Betrachtungen, daß nur solche Stäbe nicht als Haupt-
.stäbe gelten können, die bei dem in dem Ausnahmefach werke
möglichen Spannungsbilde von Eigenspannungen nicht beteiligt
sind, sondern beim Fehlen äußerer Lasten notwendig spannungs-
los bleiben müssen. Die Entscheidung nicht nur über die
zulässige, sondern zugleich auch über eine zweckmäßige Aus-
wahl des Hauptstabs wird in der Regel bei den Ausnahme-
fachwerken, für die man die Spannungsaufgabe zu lösen wünscht,
keinerlei Schwierigkeiten verursachen.
Die augenblickliche Stellung des Mechanismus, der durch
Entfernen des Hauptstabs hervorgegangen ist, soll durch eine
geeignet gewählte Veränderliche (p gekennzeichnet werden. Am
zweckmäßigsten wird es gewöhnlich sein, als Hülfsveränder-
liche 95 einen Winkel zu wählen, den zwei Stäbe miteinander
bilden, die sich bei einer Bewegung des Mechanismus gegen-
einander drehen. Für die Ausgangsstellung, die der Mecha-
nismus im gegebenen Ausnahmefachwerke einnahm, sei der
AVinkel mit bezeichnet und für die Drehung 99 — cp^ sei,
unter der Voraussetzung, daß die Drehung ziemlich klein bleibt,
kürzer A cp geschrieben.
Man kann aber unter dem bei den folgenden Rechnungen
vorkommenden Buchstaben cp auch den Abstand zwischen zwei
passend ausgewählten Knotenpunkten des Mechanismus ver-
stehen. In diesem Falle würde eine Stabvertauschung, bei der
218
A. Föppl
man den beseitigten Hauptstab durch den Stab von der Länge
ersetzt, das Ausnahmefachwerk in ein gewöhnliches stabiles
Fach werk verwandeln. Ich nehme hier zunächst an, dah (p
ein die Stellung des Mechanismus beschreibender Winkel sein
.soll, mache jedoch darauf auLnerksam, dalä die aufgestellten
Formeln auch bei der anderen Deutung des Buchstabens ihre
Gültigkeit behalten.
Der Abstand der Knotenpunkte, zwischen denen im Aus-
nahmefachwerke der Hauptstab verlief, sei für irgend eine
Stellung des Mechanismus mit l bezeichnet und für die An-
fangsstellung mit /q. Der Abstand l ist als eine Funktion
von cp aufzufassen und für die Änderung l — /q oder Al, die
1 bei einer kleinen Bewegung Acp des Mechanismus erfährt,
findet man nach dem Taylorschen Satze
Nach der Voraussetzung, daß es sich um ein Ausnahme-
fachwerk handeln soll, ist aber der erste Differentialquotient
von l nach cp^ gleich Null. Unter Vernachlässigung von höheren
Potenzen der kleinen Größe Acp behält man daher
Der Wert des zweiten Differentialquotienten von 7 für die
Anfangsstellung des Mechanismus kann und muß in jedem
Beispiele, für das man die Spannungsaufgabe lösen soll, auf
Grund einer geometrischen Betrachtung der Bewegung, die der
Mechanismus ausführt, zahlenmäßig ermittelt werden. Sollten
sich für eine genaue Berechnung irgend welche Schwierig-
keiten einstellen, so wird es doch stets leicht möglich sein,
auf graphischem Wege einen hinreichend genauen Näherungs-
wert dafür abzuleiten, indem man mehrere aufeinander folgende
Stellungen des Mechanismus im Maßstabe so genau als mög-
lich aufzeichnet und die aus der Zeichnung abgemessenen Ab-
stände 7 mit den zugehörigen Drehungen Acp aus der Anfangs-
Die Lösung d. Spannungsaufgabe f. d. Ausnahniefachwevk.
219
stellun«? vergleicht. Jedenfalls darf daher für die weitere Unter-
O O
suchung vorausgesetzt werden, dah der Wert des zweiten Dif-
ferentialquotienten von l nach 99 für die x\nfangsstellung des
Mechanismus bereits ermittelt sei. Er ist dann als eine be-
kannte konstante Grölse anzusehen, für die weiterhin die Be-
zeichnung Cq gebraucht werden soll. Die vorige Gleichung
ist dann kürzer
= (1)
zu schreiben.
Bisher war angenommen, daß die Stablängen . . .Jk
konstant bleiben sollten. Jetzt setze ich aber voraus, daß
nicht nur der Winkel eine Änderung um Acp erfahren soll,
sondern daß zugleich auch alle Stäbe des Mechanismus ihre
Längen um beliebige kleine Größen zl?j, . . . Al^ ändern
sollen. Die augenblickliche Gestalt und Stellung des Mecha-
nismus wird dann durch die voneinander unabhängigen Ver-
änderlichen 97, Zj, Z^ . . . h beschrieben und der Abstand Z
der Endknotenpunkte des aus dem Ausnahmefachwerk heraus-
genommenen Hauptstabs ist als eine Funktion aller dieser
Variabein aufzufassen. Nachher sollen unter den JZj u. s. f.
elastische Längenänderungen der Stäbe verstanden werden, die
nach dem, was vorher besprochen wurde, und mit demselben
Rechte wie bei der Spannungsberechnung für die gewöhn-
lichen statisch unbestimmten Fachwerke mit genügender An-
näherung als unendlich klein angesehen werden dürfen. Hier-
nach ist die Änderung von Z, die zu einer solchen Änderung zlZ,
von Zj gehört, wenn dabei die anderen unabhängigen Veränder-
lichen als konstant angesehen werden,
(2)
ZU setzen. Der Differentialquotient von Z nach Z, verschwindet
nämlich, wie wir nachher noch sehen werden, im allgemeinen
nicht; in der Kegel wird vielmehr Al mit JZ, von ungefähr
gleicher Größenordnung sein. Von der Beifügung eines Avei-
teren Gliedes in der Taylorschen EntAvickelung mit dem Fak-
tor Al\ darf daher abgesehen werden.
220
A. Föppl
Auch die Dilferentialquotienten von l nach /j u. s. f.
können und müssen irn einzelnen Falle sämtlich zahlenmäßig
ermittelt werden. Das wäre, wie vorher bei Cg, durch eine
Untersuchung der Bewegung möglich, die der Mechanismus
ausführt. Kürzer und auch noch aus anderen Gründen zweck-
mäßiger ist aber ein anderes Verfahren.
Wie vorher schon bemerkt, gehört es nämlich zu den
wichtigsten und längst bekannten Eigenschaften des Ausnahme-
fachwerks, daß in ihm Spannungen auftreten können, die an
jedem Knotenpunkte Gleichgewicht herstellen, ohne daß dabei
äußere Kräfte mitzuwirken brauchten. Um sich davon zu über-
zeugen, denke man sich den Hauptstab herausgenommen und
an seinen beiden Endknotenpunkten Lasten Sq angebracht von
gleicher Größe und entgegengesetzten Richtungen, so wie sie
einer vom Hauptstabe übertragenen Zugspannung entsprechen
würden. Bei einer kleinen virtuellen Bewegung, die man hier-
auf mit dem Mechanismus vornimmt, ist die Summe der Arbeits-
leistungen der beiden Kräfte gleich Xull, weil sich nach
der grundlegenden Eigenschaft des Ausnahmefachwerks der
Abstand der beiden Angriffspunkte nicht, oder doch wenig-
stens nur um unendlich kleine Größen von der zweiten Ord-
nung ändert. Hierin besteht aber nach dem Prinzip der vir-
tuellen Geschwindigkeiten das hinreichende Kennzeichen dafür,
daß sich die beiden Lasten Sq an dem Mechanismus im Gleich-
gewichte halten. Es müssen sich hiernach in den anderen
Stäben Spannungen S.^ . . . ausbilden, die zusammen mit
den Lasten Sg an jedem Knotenpunkte Gleichgewicht hersteilen.
Das Spannungsbild Sj, S.^ . . . der , Eigenspan-
nungen läßt sich im einzelnen Falle auch durch einen Kräfte-
plan vor Augen führen, der für eine beliebige Annahme von
iSfl in bekannter Weise mit geringer Mübe aufgezeichnet wer-
den kann. Zweckmäßig ist es, die Spannung S,, im Haupt-
stabe hierbei als eine Zugspannung von der Lasteinheit anzu-
nehmen, wie es in ähnlicher Weise auch bei der Lösung der
Spannungsaufgabe für die gewöhnlichen statisch unbestimmten
Fach werke zu geschehen pflegt. In der Folge bezeichne ich
Die Lösung d. Spannungsaufgabe f. d. Ausnahmefachwerk.
221
diesen Kräfteplan der Eigenspannungen mit dem Buchstaben
und zwar derart, data die daraus entnommene Spannung des
Stabes 1 mit «j bezeichnet wird u. s. f. Jedes u ist positiv
zu rechnen, wenn es einer Zugspannung und negativ, wenn es
einer Druckspannung entspricht. Für den Hauptstab hat man
hiernach auf jeden Fall
«0 = + 1 (3)
zu setzen.
Nachdem der Kräfteplan u gezeichnet ist, denke man sich
außer dem Hauptstabe noch einen anderen Stab, etwa den
Stab 1, der ja ein ganz beliebiger Stab sein kann, aus dem
ganzen Verbände entfernt. Um das vorher betrachtete Gleich-
gewicht dann noch weiter aufrecht zu erhalten, bringe man
an den Endknotenpunkten von Stab 1 zwei äußere Kräfte an
von derselben Größe und Richtung wie die daran vorher an-
greifende Stabspannung von Stab 1. Die Größe stimmt daher
mit überein und die Richtung bestimmt sich nach dem Vor-
zeichen von Mj. Bei einer virtuellen Bewegung des jetzt mit
zwei Freiheitsgraden ausgestatteten Stabverbandes möge (p kon-
stant bleiben, während sich die Entfernung der Endknoten-
punkte des herausgenommenen Stabes 1, die vorher gleich
war, um den kleinen Betrag Al^ ändern soll. Dann steht die
zugehörige Änderung der Entfernung der Endknotenpunkte des
gleichfalls herausgenommenen Hauptstabes Al mit Al^ in dem
durch Gl. (2) angegebenen Zusammenhänge.
Bei dieser virtuellen Bewegung muß die Summe der Arbeits-
leistungen der vier an dem Stabverbande angreifenden äußeren
Kräfte gleich Null sein. Die beiden Kräfte n, leisten hierbei
zusammen genommen eine Arbeit
— A ,
wobei das negative Vorzeichen davon herrührt, daß die Zug-
spannungen positiv gerechnet werden und daß Al^ positiv ist,
wenn es eine Verlängerung bedeutet, wobei aber die Zugspan-
nungen, weil sich die Angriffspunkte entgegen den Kraftrich-
tungen voneinander entfernen, eine negative Arbeit leisten.
Sitzung.sb. d. matli.-pliys. Kl. Jahrg. iai5. I5
222
A. Föppl
In derselben Weise lälat sich auch die Arbeit der an den
Endknotenpunkten des herausgenommenen Hauptstabes angrei-
fenden Zugspannungen von der Lasteinheit ausdrücken und
die Arbeitsgleichung lautet daher
— Al — JZj = 0,
woraus in Verbindung mit Gl. (2)
dl
gefunden wird. Hiernach können die Differentialquotienten von
l nach den unabhängigen Veränderlichen l^ . . .1^ ohne weiteres
aus dem Kiäfteplan u entnommen werden.
Hierauf kehren wir zur Betrachtung der Gestaltänderung
zurück, die der durch Herausnahme des Hauptstabs erhaltene
Mechanismus erfährt, wenn sich gleichzeitig 95 um A(p und
die Stablängen Z, , ... Z* um beliebige kleine Beträge Al^
... Alk ändern. Die zugehörige Änderung der Strecke Z er-
gibt sich mit Rücksicht auf Gl. (4) zu
J Z = ^ Cg /I <p“ — «Cj J Zj — u.^Al,^ • • • — Uk A Ik (ü)
Insbesondere gilt diese Gleichung auch für den Fall, daß
man unter den Al die elastischen Längenänderungen versteht,
die die Stäbe durch die Spannungen erfahren, die in dem Aus-
nahmefachwerk durch die daran angebrachte Belastung her-
vorgerufen werden. Bezeichnet man die Spannung, die hiei'-
bei der Hauptstab aufzunehmen hat, mit X, die der übrigen
Stäbe mit S^.. S.^ . . . Sk und die Stabkonstanten mit r^, r, , • • • '>'k,
so geht die vorige Gleichung hierfür über in
»o A' = Cq zl 9>2 — r, S’j — Wj ^'2^2 ' " — (6)
Die in dieser Gleichung vorkommenden Spannungen kann
man sich zu einem Kräfteplan zusammengesetzt denken, in
dem außer ihnen noch die gegebenen Lasten P auftreten. Aber
die Stabspannungen sind, weil es sich um ein Ausnahmefach-
werk handelt, jedenfalls bedeutend größer, als die Lasten P.
Dies gilt um so mein-, je kleiner die Lasten sind und je kleiner
Die Lösung d. Spannungsaufgabe f. d. Ausnahmefachwerk. 223
hiermit auch die durch sie hervorgebrachte Gestaltänderung
der Fachwerkfigur bleibt. Wenn beide klein genug sind, kann
sich daher der Kräfteplan, vom Maßstabe abgesehen, nur sehr
wenig von dem vorher bereits besprochenen Kräfteplan u der
Eigenspannungen unterscheiden. Wirklich gleich dürfte man
beide Kräftepläne freilich nur unter der Voraussetzung unend-
lich kleiner Lasten und hiermit einer unendlich kleinen Gestalt-
änderung der Fachwerkfigur setzen.
Aber die Annahme, daß es als genügend zu erachten sei,
die Foi'mänderungen als unendlich klein anzusehen und den
daraus hervorgehenden Fehler mit in den Kauf zu nehmen,
liegt der Lösung der Spannungsaufgabe bereits in allen anderen
Fällen zu Grunde, mit denen sich die Fachwerktheorie be-
schäftigt. Man braucht daher auch in unserem Falle nicht zu
zögern, sie sich anzueignen. Freilich ist die Ungenauigkeit,
die dadurch herbeigeführt wird, hier größer als sonst, weil die
Änderung Aq), von der die Gestaltänderung des Ausnahme-
fachwerks hauptsächlich abhängt, weit größer ausfällt, als die
verhältnismäßigen Längenänderungen der Fachwerkstäbe. Man
kann sich aber, wenn aus diesem Grunde ein Bedenken er-
hoben wird, immer darauf zurückziehen, daß die Betrachtung
nur für den Grenzfall unendlich kleiner Lasten und zugleich
auch einer unendlich kleinen Gestaltänderung Anspruch auf
genaue Gültigkeit erhebt. Da bei den praktischen Anord-
nungen der Theorie die zulässigen Fehlergrenzen gewöhnlich
sehr weitherzig bemessen werden, so daß selbst auf einige Pro-
zente mehr oder weniger im Schlußergebnisse nicht viel an-
kommt, wird man jedoch wohl in allen Fällen, die praktisch
Vorkommen können, unbedenklich die Formeln verwenden dürfen,
die unter der Voraussetzung unendlich kleiner Lasten abge-
leitet sind.
Auf Grund dieser Überlegungen genügt es, in Gl. (6)
/S, = «fj X (7)
u. s. f. zu setzen. Hiermit geht Gl. (5) über in
^ (^0 + «D-i H H llkTk) = i Co ^ cp^
15*
224
A. Föppl
Hierbei ist es nach Gl. (B) zulässig, beim ersten Gliede
in der Klammer noch den Faktor ?fo beizufügen, um es aut
die gleiche Form wie die übrigen Glieder zu bringen. Die
Gleichung lautet dann
XZu^r ^ \ (8)
Die Summe ist über alle Stäbe des Ausnahmefachwerks
zu erstrecken und leicht zahlenmäßig auszurechnen. Jeden-
falls liefert sie einen positiven Wert und hieraus folgt, daß
X und Cq stets vom gleichen Vorzeichen sein müssen.
Um die gestellte Aufgabe zu lösen, müssen wir sowohl
X als J99 berechnen und Gl. (8) liefert zunächst eine Gleichung
zur Berechnung der beiden Unbekannten. Sie ging aus der
Betrachtung des geometrischen Zusammenhangs der Fach-
werkfigur hervor, indem für ein gegebenes Acp die geänderten
Stablängen miteinander verträglich sein müssen, was eben durch
Gl. (8) zum Ausdruck gebracht wird. Nun brauchen wir noch
eine zweite Gleichung zwischen den beiden Unbekannten, die
nur dadurch erhalten werden kann, daß man den statischen
Zusammenhang zwischen dem von der Gi'öße X abhängigen
Spannungsbilde und den gegebenen Lasten P in geeigneter
Weise zum Ausdruck bringt.
Zu diesem Zwecke wollen wir eine virtuelle Bewegung des
durch Herausnahme des Hauptstabs erhaltenen Mechanismus
betrachten, bei der sich von den unabhängigen Veränderlichen
nur der Winkel <p, der durch die Formänderung die Größe
A cp angenommen hatte, weiterhin um einen unendlich
kleinen Betrag Öcp ändert, während die Längen Zj bis h. die
Größen beibehalten, die sie durch die elastische Formänderung
erhalten haben. Die Länge l des Hauptstabs muß sich da-
gegen infolge davon auch um ein Differential öAl bei der vir-
tuellen Verschiebung ändern und zwar finden wfir aus Gl. (5)
dAl — Cf^Aq)-dcp (9)
Bei der virtuellen Verschiebung, die hiermit näher be-
zeichnet ist, legen die Angriffspunkte der gegebenen Lasten P
Die Lösung d. Spiuiiuingsiiufgabe f. d. AusnahmefachwerU.
225
gewisse Wege zurück, die für jeden gegebenen Fall ohne
Schwierigkeit festgestellt werden können. Zunächst kann man
den Weg ^s^, der vom Angriffspunkte der Last Pj in der
Richtung dieser Last zurückgelegt wird, in der Form
ds. = _ - d(p
' dq)-
anschreiben. Da wir aber annehmen dürfen, daß der Zu-
sammenhang zwischen dem Wege Sj und dem Winkel (p oder
A(p in jedem Falle, für den man die Spannungsaufgabe zu
lösen wünscht, ohne weiteres ersichtlich sein wird, dürfen wir
den in dieser Gleichung vorkommenden Dilferentialquotienten
als eine, wenn nicht genau, so doch mindestens mit hin-
reichender Annäherung zahlenmäßig angebbaren Wert an-sehen,
den wir weiterhin sj bezeichnen wollen. Die vorige Gleichung
lautet dann
ds, =51^9?
und für die Arbeit aller äußeren Kräfte P bei der betrachteten
virtuellen Verschiebung findet man
dcpZFs'.
Bei der Berechnung der Summe kommt es natürlich nur
auf die relativen Verschiebungen der Knotenpunkte gegenein-
ander an, denn bei einer Verschiebung ohne Gestaltänderung
wird die Summe der Arbeiten aller P gleich Null, da diese
den Gleichgewichtsbedingungen am starren Körper auf jeden
Fall genügen müssen.
Für die Arbeit der Kräfte X, die an den Endknoten-
punkten des beseitigten Hauptstabs noch als weitere äußere
Kräfte am Mechanismus angreifen, erhält man
— XdAl
und mit Rücksicht auf Gl. (9) läßt sich daher nach Wegheben
des gemeinschaftlichen Faktors ^99 die Arbeitsgleichung
IFs‘ — Xc^Acp = 0
(10)
226
A. Föppl
schreibeu. — Es bleibt jetzt nur noch übrig, die beiden Glei-
chungen (8) und (10) nach den Unbekannten X und J(p auf-
zulösen. Man findet
X =
/1 9? =
jl'Ps'f
‘Ic^Sn^r
2Zu^r- XPs'
cl
(11)
(12)
womit die Aufgabe gelöst ist, da alle auf den rechten Seiten
beider Gleichungen vorkommenden Größen nach den darüber
früher gemachten Bemerkungen als bereits bekannt anzusehen
sind, und die übrigen Spannungen aus Gl. (7) folgen, nach-
dem X berechnet ist.
Ein besonderer Fall tritt ein, wenn die Lasten P so ge-
geben sind, daß für sie
XPs‘ = 0 (13)
wird. Dann erhält man nach den vorhergehenden Gleichungen
sowohl X als A(p gleich Null. Das ist indessen nicht wört-
lich zu nehmen. Vielmehr muß man dieses Rechenergebnis
dahin deuten, daß X keineswegs, wie bei der Ableitung der
Formeln vorausgesetzt war, sehr viel größer wird, als die
Lasten P sind. Die in Gl. (7) ausgesprochene Näherungs-
annahme verliert daher in diesem Falle ihre Gültigkeit und
damit fallen auch alle Folgerungen, die daraus gezogen wurden.
Nur wenn XPs' von Null so viel verschieden ist, daß das mit
diesem Werte nach Gl. (11) berechnete X bedeutend größer
ausfällt, als jede der Lasten P, sind die Gleichungen (11) und
(12) überhaupt anwendbai'.
Übrigens ist der durch Gl. (13) gekennzeichnete Belastungs-
fall schon früher näher untersucht und die Spannungsaufgabe
für ihn bereits gelöst worden. Er ist von der Art, daß der
durch Herausnahme des Hauptstabs erhaltene Mechanismus
unter dem Einflüsse der Kräfte im Gleichgewicht bleibt, ohne
daß dabei eine Spannung X mitzuwirken braucht. Anderer-
seits kann man aber für das Ausnahmefachwerk auch unend-
Die Lösung d. Spannungsaufgabe f. d. Ausnahmefachwerk. 227
lieh viele Spaiinungsbilder angeben, bei denen X einen be-
liebigen Wert annimmt, während keine Lasten an den Knoten-
punkten angreifen. Beim Bestehen von Gl. (13) sind daher
unendlich viele Gleichgewichtsmöglichkeiten vorhanden, die
durch Übereinanderlegung des zuerst angeführten Spannungs-
bildes mit einem der zuletzt erwähnten herauskommen. Die
Aufgabe, die Spannungen zu bestimmen, ist statisch unbestimmt
in demselben Sinne wie bei den Fachwerken mit einem über-
zähligen Stabe und sie kann auch mit denselben Hülfsmitteln
wie bei diesen gelöst werden. In meinem früher schon er-
wähnten Lehrbuche der graphischen Statik kann man diese
Lösung finden.
Weiterhin sehe ich von diesem Falle ab, nehme also an,
daß die Gleichungen (11) und (12) wirklich als zutreffend
gelten dürfen.
Dann ist ferner der Grenzfall zu erwähnen, daß alle Stab-
konstanten r gleich Null zu setzen sind. Das würde heißen,
daß die Stäbe als starr betrachtet werden sollen. Die For-
meln liefern dann Aq? = 0, d. h. man erfährt daraus, was an
sich selbstverständlich ist, daß bei vollkommen unveränder-
lichen Stablängen keine Gestaltänderung der Fachwerkfigur
eintreten kann, und ferner X = oo. Das ist die Lösung, mit
der man sich gewöhnlich bei der Behandlung der Statik des
Ausnahmefachwerks begnügt und die in der allgemeinen gül-
tigen Lösung auch mit enthalten ist. — Sollte Cq = 0 werden,
so wäre A(p = oo, d. h. man hätte eine so große Gestalt-
änderung zu erwarten, daß die vorhergehenden Betrachtungen,
die eine kleine Gestaltänderung voraussetzen, nicht mehr an-
wendbar blieben. Insbesondere würde dieser Fall eintreten,
wenn der Stabverband einen sogenannten übergeschlossenen
Mechanismus bildete; man hätte es aber dann nicht mehr
mit einem Ausnahmefachwerke im gewöhnlichen Sinne dieses
Wortes zu tun.
Wenn die Gleichungen (11) und (12) hiernach überhaupt
zu Recht bestehen, läßt sich als wichtigste Folgerung daraus
entnehmen, nach welchem Gesetze die Stabspannungen und
228
A. Föppl
die Gestaltänderung der Fachwerkfigur zunehnien, wenn man
die Lasten P wachsen läht und zwar so, dah alle Lasten P
proportional miteinander wachsen. Man sieht, daß die Gestalt-
änderung mit der und die Spannungen mit der Potenz
der Lasten wachsen. Zur 8 -fachen Belastung gehört demnach
eine verdoppelte Gestaltänderung und in jedem Stahe eine vier-
fache Spannung.
Zu demselben Schlüsse war ich schon früher bei dem ein-
fachen Beispiele gekommen, das ich, wie bereits erwähnt, in
der ersten Auflage meines Lehrbuchs der graphischen Statik
(und dann auch in den folgenden) behandelt hatte. Es hat
sich aber jetzt herausgestellt, daß diesem Ergebnisse eine viel
allgemeinere Gültigkeit zukommt. Während bei dem gewöhn-
lichen statisch unbestimmten Fach werke die Spannungen und
die Formänderungen proportional mit den Lasten zunehmen
und auch noch bei den Ausnahmefachwerken das Gleiche gilt,
wenn für die Lasten die durch Gl. (13) ausgesprochene Be-
dingung erfüllt ist, zeigen die Ausnahmefachwerke anderen-
falls und im Gegensätze hierzu das durch die Gl. (11) und (12)
ausgesprochene Verhalten.
Schließlich möchte ich noch einige Bemerkungen über die
Genauigkeit machen, mit der die Gleichungen (11) und (12)
voraussichtlich für einen bestimmten, praktisch vorliegenden
Fall zutreffen werden. Daß man bei der Anwendung dieser
Gleichungen an gewisse Beschränkungen gebunden ist, war
schon erwähnt und ich möchte nur nochmals betonen, daß sie
nur für Belastungen gelten, die nicht so groß sind, um Stab-
spannungen hervorzurufen, durch die die Proportionalitäts-
grenze überschritten wird. Außerdem muß aber auch in Er-
innerung behalten werden, daß bei der Ableitung der Glei-
chungen, wie bei allen Berechnungen, die zur Fachwerktheorie
im engeren Sinne gehören, keine Rücksicht auf den Einfluß
der Steifigkeit der Knotenpunkte genommen wurde. Wie groß
die Abweichungen sind, die hierdurch gegenüber dem wirk-
lichen Verhalten eines genieteten Stabverbandes hervorgerufen
werden, muß ich vorläufig unentschieden lassen. Man könnte
Die Lösung d. Spannungsaufgabe f. d. Ausnahmefachwerk.
229
daran denken, eine Berechnung nach Art der Theorie der
Sekundärspannungen vorzunehmen, um zu einem Urteile dar-
über zu gelangen. Besser wäre aber eine experimentelle Prü-
fung, die in einem Vergleiche von Gl. (12) mit den Ergeb-
nissen eines Bela.stungsversuchs an einem geeigneten Modell
bestehen könnte. Ich werde mir noch überlegen, ob ich einen
Versuch dieser Art oder vielmehr eine Versuchsreihe, da ein
einzelner Versuch nicht ausreichend erscheinen könnte, bei Ge-
legenheit selbst vornehmen oder sie wenigstens in die Wege
leiten soll.
Bei dem Vergleiche der Formeln mit den Ergebnissen
eines Belastungsversuchs wird man übrigens jedenfalls noch
auf einen anderen Umstand zu achten haben, von dem bisher
noch nicht die Rede war. Geringe unbeabsichtigte und leicht
unbeachtet bleibende Abweichungen der Fachwerkgestalt von
der dem Ausnahmefalle entsprechenden infolge von Ungenauig-
keiten in der Ausführung, die bis zu einem gewissen Grade
überhaupt unvermeidlich sind, können nämlich gerade beim
Ausnahmefachwerke unter Umständen von erheblichem Ein-
flüsse auf das Verhalten des Versuchsmodells sein. Sie dürften
sich darin äußern, daß die Formänderung nicht einfach pro-
portional mit der dritten Wurzel aus der Belastung zunimmt,
.sondern so, als wenn den wirklich aufgebrachten Lasten schon
eine Anfangsbelastung vorausgegangen wäre, durch die man
sich die bereits bestehende Abweichung von der Figur des
Ausnahmefalls hervorgebracht denken könnte. Um dem Rech-
nung zu tragen, ließe sich in Gl. (12) zw. ZPs' ein konstantes
Glied beifügen. Einstweilen scheint es aber nicht nötig, hier-
auf näher einzugehen.
231
Über die Transformation linearer Formen und
die Lösung linearer Gleichungen.
Von A. Voss.
Vorgetragen in der Sitzung am 1. Mai 1915.
§ I.
Die Auflösung linearer Gleichungen ist durch den Begriff
des Ranges r der Matrix des Gleichungssystems ihrem all-
gemeinen Verlaufe nach vollständig erledigt. Dabei müssen
aber die Unbekannten, welche mit Hülfe der übrigen, will-
kürlich bleibenden, zu ermitteln sind, so gewählt werden, dah
die Determinante r- Grades ihrer Koeffizienten von Null ver-
schieden ist. Aber wenn, wie das bei Fragen der Geometrie
und Mechanik häufig der Fall ist, einige dieser Unbekannten
eine vorgeschriebene Bedeutung haben, während die anderen
nur als zu bestimmende Parameter auftreten, läßt diese Rech-
nung häufig die erforderliche Symmetrie vermissen. Herr
Frobenius hat allerdings eine vollständig symmetrische Be-
handlung von m linear voneinander unabhängigen Gleichungen
mit n'> m Unbekannten durch seine Methode der Fundamental-
lösungen gegeben;^) bei der Willkürlichkeit der in diese letz-
teren eingehenden Größen führt sie aber schon bald zu recht
umständlichen Ausdrücken.
Schon bei den einfachsten Fragen der Geometrie und
Mechanik, wo bei der Benutzung von Parallelkoordinaten gerade
h Über das PfafFsche Problem, Borchardts Journal 82, S. 236.
232
A. Voss
Linien als ürter zu bestimmender Punkte auftreten, begnügt
man sich daher häufig mit der Ermittelung der Ebenen, deren
Schnittlinien diese Punkte bilden, falls man nicht Betrach-
tungen der Liniengeometrie oder der Vektorenrechnung heran-
ziehen will. — Man kann indes diesen formalen Mangel leicht
beseitigen, wie zunächst an einigen typischen Beispielen ge-
zeigt werden möge.
Die Geschwindigkeitskomponenten eines Punktes mit den
recht winkeligen Koordinaten x, y, 0, Avelche vermöge einer
Botation mit dem Komponenten p, q, r um eine (der Einfach-
heit halber) durch den Anfang der Koordinaten gehende Achse
und durch die Translationskomponenten «, v, w entstehen, sind
bekanntlich
v^ = qz— rij -j- u
Vy = rx — pz -j- V
Vb — u-
und die Lage der zugehörigen Schraubenachse ist bestimmt
durch die Gleichungen
qz — ry -\- u — /.p
1) 7-x — pz V = Iq
py — qx w = ?.r.
Da up -\- vq -]- ivr ~ X{p^ q^ -f- r®), so wird dieselbe
zunächst gegeben durch die Gleichungen
. qz — ry -f- u rx — py v py — qx iv
P ~ ? ~ >•
d. h. durch den gemeinsamen Schnitt von drei Ebenen.^)
Die einfache Bemerkung, daß die Schraubenachse durch die
Minimumseigenschaft der Geschwindigkeit charakterisiert ist,
liefert indes eine explizite Bestimmung der x, y, z. Bildet
man nämlich die Summe der Quadrate der linken Seiten von
1) in der Form
■) So z. B. auch bei Darboux, Lecons sur la theorie des surfaces I,
S. 8; Appell, Traite de mecanique I, S. 65 usw.
über die Transformation linearer Formen etc.
233
'iß + 2 u {([z — ry)
-\- 2v {rx — pz) + 2 tv {py — qx),
wobei :
t = px qy rz
Q — p^ +2® + 'i'^
gesetzt ist, so ergibt sich durch Differentiation nach x, y, z
Qx = pt ivq — vr
2) Qy = qt ru — wp
Qz — rt pv — uq,
wobei t völlig willkürlich bleibt. Man erkennt hieraus die
vektorielle Lösung
ijlc
= +j(I + ^cr) + pqr .
H V IV
so daß der Vektor V jedes Punktes der Schraubenachse mit
den Komponenten x, y, z durch die Vektoren P mit den Kom-
ponenten p, q, r und Q mit den Komponenten ii, v, iv durch
die Gleichung
Q.V=tF+lPQ\
be.stimmt ist, in der der Klammerausdruck das Vektorprodukt
von P und Q bezeichnet.
In dieser Form hat man denn auch für die Koordinaten
der Achse des zu dem Kräftesystem XiyiZi, dessen Komponenten
und Momentensummen bezüglich x, y, z\ iip, d/^, iip sind,
gehörigen Winders die Gleichungen
x{X^ ß -Y Z^) ^ tX ß- FJP — ZM„
y (X* JY -Y Z^) = tY Y- ZM^ — XM,
z (X2 + Y^-Y Z^) = tZY- X3I,, — Fiip.
Soll nun das etwas allgemeinere Gleichungssystem
qz-ry-Y u = Ap,
rx — pz -Y
PV — 2-^ +
234
A. Voss
gelöst werden, so hat man zunächst
. up vq-\- ivr
und, wenn man an Stelle von «(, v, iv in den Gleichungen 1)
die Ausdrücke
u-\-X{p—p,)
v\-X{q — g,)
w + A (r — /-j)
treten läßt, die Lösung
Qx =■ pt -j- qiv — rv — X{qr^ — rq^
3) üy = qt ru — piv — X {rp^ — pr^
üz = rt pv — qu — X{pq^ — qp^.
Diese Gleichungen, die wieder vektoriell gedeutet werden
können, bestimmen diejenigen Punkte, deren Geschwindigkeit
der vorgeschriebenen Richtung j?j, q^, r, parallel läuft. In
einer gegebenen Ebene gibt es daher nur einen Punkt, dessen
Geschwindigkeit eine vorgeschriebene Richtung hat usw.
Ein weiteres charakteristisches Beispiel kann man der
Theorie des linearen Nullsystems entnehmen;
4)
«1 Vx) -t- «3 (^ — ^x) + «4 iy^x — ^Vx)
+ «5(^^I — ^^x) + — y^x) = 0,
welches dem Punkte a;, , z^ die Ebene 4) zuordnet. Für die
Koordinaten des Punktes y^, z^, der in der gegebenen Ebene
h)
CxX + C.^y + C3^+ = 0
liegt, hat man die Gleichungen
«62/. — «5^1 + «1 = Xc,
Öfj.S'j ögiPj ^‘■<'2
0.5 a;, — a^y^ + «3 = Xc^
«1^1 + (liVx + «3^1 = — -^^^^4-
deren letzte sich auch durch
über die Transformation linearer Formen etc.
235
ersetzen läßt. Aus den 3 ersten Gleichungen 6) erhält man
nach 3) für |> = — a^, q = — a^, r = — a^\ m = a, , v = a.y,
w — a^\ == q^ — c^, r = c^, falls
A = al al al
gesetzt wird,
Ax, = — aJ — {a^a. — a^a^) + X {a^c^ — u^c^)
7) Ay, == —a^t — {a^a^ — a^a^) + X («gC, — a^c^)
As^ = — {a^a^ — a.^a,) + X {a^c.^ — a^c^),
wobei nach 6)
X (Cißi + Cg «5 + Cgag) = a,a, + -J-
zu setzen ist, und aus der letzten Gleichung 6) folgt endlich
Cj Cg Cj
0 = Ac^ — (CjCT^ + Cgßg + Cgag) t — a^a. ,
«1 «2 «3
womit auch t gefunden i.st. Ist nun -}- ^*2^5 *^3^6 ~
also A = 0, so werden unabhängig von Cj, Cg, Cg, c^,
d. h. die Nullpunkte liegen alle auf der Achse des speziellen
Komplexes, dessen Gleichung eben durch 7) gegeben ist. Und
nimmt man anstatt der Ebenenkoordinaten c,- die eines Büschels
ai-\-f^ßi, so geben die Gleichungen 7) die Punkte der zur
Büschelachse konjugierten Geraden usw.
Um die Gleichungen
+ «12^2 + «13^3 + ^«1 =
^21^1 ~l~ *^22^2 ®23^3 Xd^ = &g
^31^1 ®22^2 ®33^3 ^^3 ^3’
bei denen die Matrix der a,* vom Range 2 ist, so daß
^iiCiik = 0 für Je = 1, 2, 3
auf eine ähnliche Weise zu behandeln, kann man die 3 Formen
Ai — ZdihXit, wenn keine zwei derselben zueinander propor-
tional sind, und sie demgemäß gleich Null gesetzt 3 Ebenen
£j, e.^, fg vorstellen, die eine durch den Anfang gehende Gerade
gemein haben, durch eine Transformation auf den früheren
Fall zurückfühi’en.
§ II-
Die Transformation eines Systems von «-linearen Formen.
Die Betrachtungen des § 1 führen auf die allgemeine Frage,
wann w-lineare Formen
1) A, = '^aaXk\ h,i= 1,2 . . .n
k
sich in w-lineare Formen
Bi = ’^bikt/k
durch eine nicht singuläre Transformation
2) Xie = y
deren Determinante (7 = Cn, nicht Null ist, überführen lassen, und
wie man die sämtlichen Substitutionen 2) dieser Art finden kann.
Dabei werde angenommen, dafi die Matrix der Koeffizienten
der Formen 1) vom Range r ist, so dafi also etwa die De-
terminante r-Grades
A = aik[; i, k = l, 2 . . . r
von Null verschieden ist, während alle Determinanten höherer
Ordnung gleich Null sind. Ich bezeichne nun die Indices 1
bis r durch lateinische Buchstaben s, t . . die Indices r -j- 1 . . .
bis n dagegen durch griechische a, t . . .; die Indices i, k, l
sollen dagegen von 1 bis n gehen.
Alsdann lassen sich immer nicht sämtlich verschwindende
Multiplikatoren
J.O
angeben, welche die Gleichungen
') Die würden nur dann alle Null sein, wenn die sämtlich
Null wären; dann müßten aber nach 4) auch alle verschwinden, so
daß die Form Aa identisch Null ist, was natürlich auszuschließen ist.
über die Transformation linearer Formen etc.
237
+A"a, +-"-4-A"a =a
befriedigen. Aus diesen Gleichungen folgt aber, daß auch
X'^a, 4- X%a,^ -{-■ ■■X'’a =a
llr* 22r* r rz oz
für alle t = r -f- 1 • • • w sein muß, weil jede Determinante
t’ + 1-Grades aus den Elementen a,fc Null ist. Demnach be-
steht das System der Gleichungen
für alle k — 1, . . . n.
Ist nun
o) ^ i k ft yk ! ^ — 1, . . . w
'e fc
und multipliziert man die ersten r- Gleichungen 5) mit den
X^, . . . A", so folgt
^2^2& ^al)yk ~
k
dies erfordert aber wegen der Willkürlichkeit der i/^, . . . y„
die zu 4) analogen Gleichungen
4')
+ ^2^2ft H ^r^ok = Kk-
Diese Bedingungen sind für die Transformierbarkeit not'
wendig. Setzt man 2) in 5) ein, so folgt
6)
l
Aus
den in 6) enthaltenen Gleichungen
7)
^ 1 t ('tk ~i~ z^zk k
t T
für
Sitzungsb. d. matfa.-phys. Kl. Jahrg. 1915. 16
238
A. Voss
kann man nun die sämtlichen Ctk durch die willkürlich bleiben-
den Crk ausdrücken. Multipliziert man jetzt in Gleichungen 7)
mit den und summiert über den Index s, so entsteht
2j2j^st^s^tk ~l~ S ~ U ^sfe •
s i st s
Aber diese Gleichung geht nach 4) und 4') über in
t r
oder einfacher in
(^alClk k
über. Vermöge der Gleichungen 7) sind alle Transformations-
relationen schon von selbst erfüllt.
Daraus ergibt sich:
Unter der Voraussetzung, daß die Matrix der
Formen A vom Range r ist, und zugleich die Koeffi-
zienten der Formen B den Gleichungen 4') genügen,
lassen sich nr der Transformationskoeffizienten Csk
mit Hilfe der übrigen Cak, deren Zahl n(w — r) beträgt,
so ausdrücken, daß die Formen Ä vermöge 2) in B
übergehen.
Aber diese Transformationen sind damit noch nicht nicht-
singuläre. Hierzu ist vielmehr erforderlich, daß die Deter-
minante der Cik nicht verschwindet. Um zu unterscheiden,
wann dies der Fall ist, multipliziert man ihre Determinante
Cli
• Cr I
C,+ll
... C„i
Ci r
• Crr
Cr+lf
... C,ir
C\r+\ ■
• Crr-\-\
^'»■+1 c+I
. . . Cni+l
C|» •
• Crn
Cr+1 n
... Cnn
mit der nicht verschwindenden Determinante
«11 . . . a\r
Ä =
«rl • • • (f-rr
Uber die Transformation linearer Formen etc.
239
Dann ergibt sich vermöge der Gleichungen 7)
^ Cf I , • • • 0)1 Xj Crl , Cr + 11 • •
(J _ j ^^12 ^<*1 jCr2) • • • by2 ^®rrCr2) Cr+l 2 • •
I ^®lrCr„, . . . Örn ^örrCrnj Cr+ | n • •
• C„i
■ C„ 2
• Cnn
die sich durch geeignete Subtraktion der letzten n — r- Ver-
tikalreihen von den ersten in
'1,',
6i 1 62 1 .
. hfl C, +1 I .
. C„ 2
.. nieir;-
CA = .
• bri Cr+12 ■
• C„2
b\nb>n ■
• b,„ .
• Cnn
verwandelt. Die bisher willkürlichen cok sind daher so zu
wählen, daß diese Determinante nicht Null ist. Das wird aber
stets möglich sein, wenn wenigstens eine der r-reihigen De-
terminanten der Matrix
welche mit der Matrix
^aj j OSj 2 . . . «2 „\
1 (ly2 • ■ • dr n j
korrespondiert, von Null verschieden ist, womit zugleich aus-
gedrückt ist, daß die Matrix der Koeffizienten selbst vom
Range r ist.
So ergibt sich der Satz, der übrigens auch auf m > n
lineare Formen unter entsprechenden Voraussetzungen erweitert
werden kann:
n lineare Formen vom Range r lassen sich dann
und nur dann durch eine Mannigfaltigkeit von {n—r)n
Transformationen in n lineare Formen B transfor-
16*
240
A. Voss
mieren, falls die Bedingungen 4') erfüllt sind. Soll
aber die Transformation eine nicht singuläre sein, so
muß die zu den eine nicht verschwindende Determi-
nante vom Grade r bildenden Elementen der A kor-
respondierende Matrix der Formen vom Range rsein.
Ein System von Formen A vom Range n kann man daher
immer in jedes gegebene System an Formen H von gleichem
Range durch eine einzige nichtsinguläre Transformation ver-
wandeln, was übrigens selbstverständlich ist.
Die vorstehenden Betrachtungen sind namentlich dann an-
wendbar, wenn es sich darum handelt, ein Formensystem A
in ein System li von vorgeschriebenem Charakter zu
transformieren.
Einige einfache Fälle mögen hier behandelt werden.
1. Transformation von w Formen .4. vom Range n—1
in n Formen B, deren Koeffizienten ein symmetrisches
System bilden.
Die Gleichungen 4) und 4') sind, falls die Determinante
<*11 • • • <*1 n-l
A =
<*11—11 • • . «n-l n-l
nicht Null ist.
8)
^ I ^1 k k
für
i = 1, . . . n — 1 ; /.• = 1 . . . n.
Die Transformationsrelationen sind
y i <*is <'sfc <*in<'nk
«ns <-8 Ir ^^n k (^nnCnk^
s
WO die Indizes s von 1 bis n — 1 gehen.
über die Transformation linearer Formen etc.
241
Aus den Gleichungen 8) oder:
l\bi\ •••-!- = hnl
X\h\2 ’ ■ • /n— 1 &n-12 = ^»2
8')
ergeben sich die Werte der h„\, bn2, • ■ • bnn, wenn man die
bii^', i, = 1 . . . w — 1 willkürlich annimmt. Aus den ersten
n — 1 Gleichungen 9) ergeben sich für ä; = 1 , . . . n die Cgk
ausgedrückt durch die c„k\ die letzte der Gleichungen 9) ist
dann jedesmal vermöge 8) von selbst erfüllt, so daß die
n Größen c„i . . . c„„ willkürlich bleiben. Die Determinante CA
erhält vermöge 8) die Gestalt
b\\ . . . bn-n
sie verschwindet bei willkürlich angenommenen Werten der
nicht. Die Gesamtheit der c,/, ist daher von
n(w + 1)
2
Parametern, nämlich von den n c„i ... c„„ und den 6,,-, abhängig.
2. Transformation von wFormen^vomRangen — 1
in ein System von Formen B, deren Koeffizienten ein
alternierendes System ?>,/( = — bilden.
Hier muß n eine ungerade Zahl sein, da sonst die For-
men B ein System von niedererem als n — • D«“ Range bilden.
Von den Gleichungen 8') dienen jetzt die n — 1 ersten zur
Bestimmung der b„i . . . b„„-i; die letzte ist identisch erfüllt.
Die Gesamtheit der c,fc ist von
n* — w 2
2
Parametern abhängig.
242
A. Voss
Für w = 3 hat man in Übereinstimmung mit § 1, falls
keine zwei der Formen A,, A.^, Ag zueinander proportional
sind, die von Null verschiedenen Multiplikatoren i, rj, C» für die
iA^ + tjAg + CAg = 0,
und die Bedingungen für die Z»,s sind
V ^12 ^ 3 ~ ^
^2^ — ^23^ =0
&J3 ^ bgg rj = 0 ,
so daß nur Z»i2 + 0 willkürlich bleibt und die Cj, , Cgj, C33 so zu
wählen sind, daß
^^31 V^32 “ü ^^31 ^
Aber eine nichtsinguläre Transformation existiert auch
dann, wenn zwei der Formen, etwa A^ und Ag zueinander
proportional sind. Dann ist r] = 0 und b^g = 0 und man
kann die A durch eine nichtsinguläre Transformation
(falls iCg^ + CC33 + 0)
in die Formen
-^1 ~ ^!2 ^2
-^2 ~ ^12^1 ^12 ^3 ^
^3 ~ ^12^2
überführen.
3. Dieses Verfahren läßt sich auch bei beliebigem Range
der Formen A befolgen. Es mag das noch für den Rang n — 2
der Formen A bei geraden n unter Voraussetzung eines
alternierenden Koeffizientensystems der Formen B
ausgeführt werden.
Die Gleichungen 4), 4') sind hier, wenn die Indices i, j
von 1 bis w — 2, die k, k^ von 1 bis n gehen.
über die Transformation linearer Formen etc.
243
a) iS bij — — I j
t
b) Sj ^in— 1 ^»1 — 1 n— 1
»■
c) ii n 1 n
i
d) hij ^nj
i
6) bin—\ — bnn — 1
f ) Sj A,- bin bnn •
i
Die Gleichungen a) geben die fe„_ij= — bjn-], und da-
mit ist zugleich b) erfüllt. Gleichung c) liefert die h„-\n, aus-
gedrückt durch die aus d) zu entnehmenden b„j. Endlich
wird c) vermöge d) zu
Sj bi j bn—} n
und e) vermöge a) zu
Sj bi j bfin — l^
SO daß auch 6nn-i = — bn—\„ wird, und bei willkürlichen
Werten der = — bji die bki^ ein alternierendes System bilden.
Die Determinante CA bringt man auf die Form
CA = d{P,Q,-FM,
wo
0 b^i ■ • ■ b„-2i
d = ! &,2 0 . . . b„-02
bl m-2 ■ . ■ 0
und
Pj = c„_i „_i -j- Sc„_i, Ai
Cn n — 1 “i“
i
jpg = ^'#1—1 n "H £ ('n—J i
i
— Oft “1“ Cn i A|' .
i
244
A. Voss
Es existieren also im ganzen von
2n -\-
2n — 3 — n + 6
2
Parametern abhängige Koeffizienten c,fc, welche die Formen Ä
nicht singulär in die B überführen. Z. B. lassen sich die
Formen A.^, A.^, A^, welche den Gleichungen
^‘1 “i” ^"2 -^2 ~ -^3
/tj Aj -f- .idg = A^
genügen, falls «11^22 — ^12^12^^ System der Formen
vom Range 2
-^1 ~ 2/2 '^'■2 2/s M-2 Vi
-®2 ~ Hl '^‘'1 y% /“i Vi
^3 = — Kyi + Ky2 — pyi
= — f^2 2/1 + ^2 + P2/4
durch eine nichtsinguläre Transformation verwandeln, wenn
das System der willkürlichen Csk, Cik, /i; = l, . . . 4 so gewählt
ist, daß
^31 ^32 ^33 ^'34
^41 ^42 ^43 ^44
0 1 Äg ,«2
1 0 /j ,Uj
nicht Null ist. Für p ist /tjXg — zu setzen.
Ich schließe hieran noch den Beweis eines Satzes über
bilineare Formen, der mit diesen Betrachtungen nahe ver-
wandt ist:
Jede bilineare Form ^aa^^ii/k vom Range r läßt
sich durch nichtsinguläre Transformation der x und y
in die Normalform
s = 1, . . . r
S
überführen.
über die Transformation linearer Formen etc.
245
Setzt man, den früheren Bemerkungen gemäß, voraus,
daß den Gleichungen 4) entsprechend
Ol fc 4" ■ ■ ■ "h = dak
für alle o = r \ . n, Tc = 1 . . . n ist, so folgt
di fc Xi yti — Os ft Ifk “f~ 0>j k fjk
— dg k yic (Xg — I” ^'s •^o)
= L (Os< yt + OsrZ/r) (^. + S a:»)-
Setzt man jetzt
Vr = y'r
^ Os < yt ?/s
= a:;
Xg “h •
Dies sind zwei nichtsinguläre Transformationen der Va-
riabein X, y in x‘, y' und man erhält so eine fache Mannig-
faltigkeit nichtsingulärer Transformationen, welche eine Bilinear-
form A vom Range r in eine Form gleichen Ranges B ver-
wandeln.
Unter derselben Voraussetzung gilt übrigens noch eine
zweite Transformation mittelst der Gleichungen
,dr (^kr Ofco t
welche durch die Gleichungen
ya = yo
IJr + Yt nyya = y'r
Xr = X,-
ausgedrückt ist.
246
A. Voss
§ III.
Die symmetrische Auflösung linearer Gleichungen.
Durch die im § II behandelten Transformationen wird
allerdings der symmetrische Charakter der Lösungen, der sich
in den einfachen Beispielen des § I erreichen ließ, wieder auf-
gehoben. Indessen läßt sich auch hier auf eine völlig sym-
metrische Weise verfahren.
Es sei zunächst das System der n Gleichungen
Xj 0/ 1 ,■ Xi — n 1
1)
Qif, i Xi — Ofi
gegeben und die homogenen Gleichungen
2)
l^aii^i = 0
— 0
voneinander unabhängig. Die ludices i sollen dabei von 1 bis
n p gehen. Alsdann handelt es sich, da die sämtlichen
Lösungen des Systems 2) in symmetrischer Weise durch die
Methode der Fundamentallösungen als gegeben zu betrachten
sind, nur um eine spezielle Lösung des Systems 1).
Fügt man den Gleichungen 1) die folgenden mit den will-
kürlichen Koeffizienten Uhk, h = \ . . . p; A: = 1 . . . n p
gebildeten
Yj‘ii\iXi = 0
'i^UpiXi = 0
hinzu und bezeichnet die ünterdeterminanten nach der n
. . . n -\- p Reihe der Determinante
über die Tninsformation linearer Formen etc.
247
i)
mit
so ist
5)
Cl\\ * • • (^\ n-\-p
j 1 • • • n-^p
Xi\\ . . . ti\
Up 1 . . . Up n-\-p
Uki, Ic^ l . . . p
i — \ . . . n -\- p,
i Uk i — 0
i
^ijUki Uki — ö, K 4" ^
I
Uk i Uk i ^ )
wobei die Indices h von 1 bis n, >c und Je von 1 bis p gehen.
Setzt man noch
6)
IjyiXi= X,
so erhält
man aus 1),
3), 6)
«11 . .
• n-\-p CEj
«„1 . .
7)
JX +
U\\ . .
• n-^-p 0
Up 1 . .
, Up n+p 0
• •
y n+p 0
mit den y, sind willkürliche Koeffizienten bezeichnet,
pliziert man die Determinante
«11 ... «1
^ CE« 1 . . . OE« n~{-p
üll . . . U\ K-j-p
Up 1 . . , Up n-\-p
Multi-
248
A. Voss
mit der Determinante zl, die als nicht verschwindend voraus-
gesetzt wird, so folgt aus 5)
Äi] . . . Äi„
Jd = AP
= ApA,
wobei die Elemente der symmetrischen Determinante Ä durch
die Gleichungen
‘4/, Aj \ ... 71
definiert sind. Es ist aber A das Quadrat der Matrix des
Systems 2)
mithin gleich der Summe der Quadrate der w-reihigeii Deter-
minanten derselben und verschwindet nicht, wenn man sich
auf reelle Koeffizienten a,* beschränkt. Unter dieser Voraus-
setzung ist daher ö nicht Null.
Man kann die Determinante A in eine einfachere Gestalt
bringen. Da die w-reihige Determinante der a,y; i, y = 1 . . . «
stets als Amn Null verschieden angenommen werden kann, läßt sich
8) MiH+-s = "h • • • +
für s = 1 , . . .
setzen. Formt man nun die Determinante A in derselben Weise
um, wie dies auf Seite 251 geschehen ist, mit Hülfe von 8) um,
so entsteht, falls man die Determinante der a,j mit D be-
zeichnet, die Gleichung (abgesehen vom Vorzeichen)
1 -j- Cii C\2 ... Ci„
A == 1)^ C21 1 -f- C22 . . ■ Cin
Cnl C„2 . . . 1 -f- C„n
WO
über die Transfonnation linearer Formen etc.
24!)
eine symmetrische Determinante ist, die sich wieder als Summe
von Quadraten darstellen läßt.
Multipliziert man
die Gleichung 7)
mit
^5,
so
folgt
Äi\ . .
A\ „
0
0
0
0
«1
Änl . .
Ann
0
0
0
0
ri„
i li{ 1 (X\i . .
zi
0
0
0
0
^ip (X\ 1 , .
0
0
0
/)
0
i • *
. Ij7.«n.-
y.Uu
'
■u,
0
In der so entstandenen w + + 1 -reihigen Determinante
aber kommen in den letzten + 1 . . . n -|- 2?*®" Vertikalreihen
die 7,- nur mit den U/j,-, d. h. mit den Fundamentallösungen
des Systems 2) vor, auf deren Bestimmung es nicht weiter
ankommt. Läßt man diese Glieder fort, so erhält man die
von den willkürlichen Elementen Uik vollständig be-
freite Lösung
•
All
Ai„
Ol
XA -h
A„ 1
. . A„„
= 0,
yiCiii .
0
von der man jetzt übrigens unmittelbar erkennt, daß die aus
der durch Vergleichung der Koeffizienten der 7, entnommenen
Werte der Xi das System 1) befriedigen.
Ein ganz analoges Verfahren läßt sich einschlagen, wenn
es sich um die Lösung des voneinander unabhängigen Systems
von Gleichungen
8)
IjttikXk -h Aa,- = hi
i
i, k = l . . . n
handelt, wobei die Determinante der a,/c vom Range
n — 1 vorausgesetzt wird.
250
A. \’oss
Nimmt man hier die Gleichung
'LtikXh = 0
hinzu, und bezeichnet mit J die Determinante
A =
Uu 0 ’
die bei willkürlichen «f, nicht Null ist, so ergibt sich, falls
man mit den t/, die nach der letzten Reihe von A genommenen
Unterdeterminanten bezeichnet, nach Einführung von
oder
dA
au ■
• n
an 1 ■
UfinCtfi
u. .
. u„ 0
.^11 “h
d\ .
• • Al „ A'
(X (Xft
0
An I + «1 f/„ .
■ ■ A„„ -}- a,',
0
a„i
A
Au ■ ■
■ Atnai
ö=-
A„i . .
9
ai . .
. a„ 0
da die aus den Elementen Ant gebildete symmetrische Deter-
minante verschwindet.
Die Determinante d kann aber, abgesehen von ihren Vor-
zeichen, in die Gestalt einer 2 « -j- 1 -reihigen Determinante
gebracht werden, indem man von den Elementen Aik wieder
zu den Elementen a,* zurückkehrt, man erhält nämlich :
Ül)er tlie Transformation linearer Formen etc.
251
i 0 . .
o
o
a\
an
ai2 . . .
*1-1
«1 n
0 . .
. 0 0
a-i
a2i
a22 . . •
«2*1-1
«2*1
( 0 . .
o
o
a,j — I
ön-ll
a„_i2 . . .
0-n — 1 >1 —
«*i — 1 n
0 . .
o
o
ttn
«Hl
an 2 • ■ •
«*i *1—1
a»! n
ai . .
a„ — 1 a„
0
0
0 ' . . .
0
0
an . .
(Xn — 1 1 a,j 1
0
— 1
0 . . .
0
0
ai2 . .
a„_i2 a„ 2
0
0
— 1 . . .
0
0
a\ „_i . .
, — i «—1 — 1 «
0
0 . . .
— 1
0
ai„ . .
« — 1
an n
0
0 . . .
0
0
Setzt man nun voraus, was immer angenommen werden
kann, daß etwa die Determinante
an • •
• «1 *1—1
a„_n •
• «n- 1 n— 1
nicht Null ist, so gibt es w — 1 nicht sämtlich verschwindende
Multiplikatoren |i, ... derart, daß
^ dik “h <^nk 0
i
für k = 1, ... n und ebenso n — 1 denselben Bedingungen ent'
sprechende Multiplikatoren tj, . . . t]n-\ derart, daß
^ Ofti “l" ÖSfcn = 0.
Man kann daher — abgesehen vom Zeichen — (5 zunächst
in die Form bringen
(S a,- -j- «n)
0
0
«11
... 0/1 n_i
«ln
0
0
«n— 11
. . . an — 1 *1 —
«n— 1 »1
an
. . . a,i_ii
— 1
0
0
«1 *1—1
• • • «** — 1 *1 —
0
. . . —1
Ü
«*i *1
• • • «*i— 1 n
0
0
— 1
A. \'oss
252
Aber diese verwandelt sich, wenn man die w + 1 • • •
2n — 1*® Vertikalreihe mit den rji . . . v,n-i multipliziert und
zur letzten addiert und ebenso in Bezug auf die Horizontal-
reihen verfährt, in
0 .
0
du
öHii— 1
0
0 .
0
a„_ii .
• ÖSn-l n-1
0
«Jl .
• ''^«-11
— 1 .
0
VI
Ofi-U •
• • — 1 H — ]
0 .
. —1
Vn-l
0 .
0
Vi ■
>?n-l
— 1
deren Wert, vom Zeichen abgesehen, gleich ist. Die Deter-
minante d kann daher nur dann verschwinden, wenn
“h ß« = 0,
d. h. wenn die Gleichungen 1) nicht voneinander unabhängig sind.
Multipliziert mau jetzt die nach Analogie von 1) gebildete
Gleichung
mit (5, so folgt:
«11 .
• Ctln
«1 hl
Xzl -(-
«nl .
• ®/i«
«n hn
Ul .
. u„
0 0
n ■
■ 7n
0 0
= 0
All -j- öl • •
. Al „ 4- «1 «„ 0 hl
XdJ +
A« 1 -j- öl ön •
■ A„„ -i- «* 0 hn
W| Cl\ 1 . .
Üm,«„, J 0
S}'löl, . .
oder, wenn man y,- Ui fortläht,
yiii
Al „
5i
öl
j\. ti 1
• • A„„
hn
s
II
o
IjytCiii .
. . ^ 7« öni
0
0
«1
• . ö|i
0
9)
XA —
= 0.
über die Tninsfoniiation linearer Formen etc.
253
In dieser von den w, freien Gleichung kann man endlich
noch das Element — 1 fortlassen, da die Determinante
Al „ bl
A„„ b„
J'.-Oli
. . L/.a«
Null ist. Man erkennt dies
durch Mu
«11 .
. . «1 „ Wi
a„i .
■ • ^nn
y\ •
■ • 7h 0
mit der verschwindenden Determinante
«11
■ . K 0
1
• • ^nti ö
0
..01
.Man erhält demnach zur Bestimmung der a;, die in den
yi identische Gleichung
10)
All . . .
-^in
bl
«1
Xd -f
jLfi 1 ...
Ann
bn
«„
0.
«1
«„
0
0
Xj7.»i.' • • •
Yi i
0
0
Derselbe Weg führt nun
auch zur
Lösung
des
]Li du Xi -j- Al «11
• ■ • + As
ais
=
S da Xi Al «21
• • • 4"
a-is
=
ß2
^ «n» Xi -p Al «„ 1
• "p As
«sl
ßn,
falls die Koeffizienten a,& eine Determinante vom Range r bilden
und s = n — r ist, wobei die Ai . . . ^ ebenfalls zu bestimmende
Parameter vorstellen. Indessen ist es nicht nötig, die vorhin
17
Sitzungsb. d. matb.-phys. Kl. Jabrg. 1915.
254
A. Voss
angestellten Betrachtungen zu wiederholen, nachdem einmal
der Charakter der Lösung erkannt ist.
Setzt man
A
11 • •
Ain
au
ai.
ß^
A
n I
• Ann
a»i
ans ßn
11) +
an
a„i
0
0
0
=
0,
a
Is
• s
0
0
0
• y i i
0
0
0
wobei wiedei
X
Xi genommen
ist.
so
erhält
man für
}'i i
All •
. . Ai„ an
Ols
ßi
Anl .
• • Ann 1
a»
ßn
(^(ly.i
aii .
• «»1 0
0
0
= 0
Gis .
• ^ns h
0
0
0 . .
. 0 a^t
a^ s
ßn
oder, wenn man die Koeffizienten dei
Determinante, welche bei
den Elementen der letzten Horizontalreihe auftreten, mit
bezeichnet.
-^1 1
ö ^ Xia^i -\- ay,\ A\ -\- •
• Af, , A
* * As ßy. A,
Um die Lösung zu erhalten, ist der bisher willkürlich
gebliebene Faktor o gleich
All . .
• -dli ,j an . .
• ai s
An 1 . •
• -^n n
a»! ■ ■
• n s
Oll . .
. an 1
0 . .
. 0
«1« • ■
• ans
0 . .
. u
über die Transformation linearer Formen etc.
255
zu setzen. Dai3 er nicht verschwindet, wenn das System der
Gleichungen 10) voneinander unabhängig ist, läßt sich durch
eine geeignete Transformation der Determinante o, die der
vorhin für den Fall s = 1 durchgeführten ganz analog ist,
zeigen.^) Die Bestimmung der Lösung 11) wird allerdings
schon in einfachen Fällen ziemlich weitläufig. Ist z. B. das
System der Gleichungen
dX^ 03^3 Yi
(XX^ -[■ dx^ -}■ €X^ ^1 *^21 ^2^22 / 2
bx^ dX2 "j" “F ®31 ~t“ ^2^32 Yz
cx^ ex^ ~F ^1 ®4i ”1“ ^2®*42 Yi
gegeben, und setzt man voraus, daß
a/’-F fee -f- = 0,
also
f =hy — cß, e = ca — ay, d—aß — ha
ist, so ist das System der a,* vom Range 2), aber die Äjh
erhaltet! Werte, welche eine Reduktion der siebenreihigen Deter-
minante nicht unmittelbar zu gestatten scheinen.
Wenn aber die Determinante der a,* vom Range n — 1
ist, kann man von vornherein aus ihren ersten Unterdeter-
minanten Mj, . . . Un nach irgend einer Horizontalreihe das
System bilden
'^jdiuXk -f Aa, = hi
'^tikXk • = 0.
Man erhält dann
(-i)"XLt/.“ +
(*11 ... Cf] n dl fei
d/i I . . . (f ,j n dfi fe,j
Ul ... Un 0 0
yi ... 7« 00
= 0.
0 Hierbei ist die auf S. 248 und 251 angedeutete Reduktion derselben
zur Anwendung zu bringen.
17
25(5
A. Voss, Über die Transformation linearer Formen etc.
In dem einfaclien Beispiel des § I
q^s — ry -j- = w
rx — pz Xq = V
py — qx -{■ Xr = iv
wird, da die , u.^, U3 bezüglich gleich
werden :
Multipliziert man mit der Determinante
0 — r q p
j r 0 — p q
— q p 0 )•
p q r 0
so entsteht
XQ — {n{qy^ — ry^) + vCrj'j — py^) + u-{py^ — qy^))
oder xQ — rv — icq
yü = pic — TU
zQ = qu — pv
wie vorhin im § 1.
-p-Q,
—
qQ,
r.
0
— r
2
p
u
r
0
— P
2
V
— 2
P
0
r
IV
P
2
r
0
0
rz
0
0
02
257
Beiträge zum Äquivalenzproblem der Raumkurven.
Von F. Böhm.
Vorgelegt von A. Voss in der Sitzung am 1. Mai 1915.
Herr Study hat in dem 10. Bande der American Trans-
actions 1909 in einer grundlegenden Arbeit ,Zur Differential-
geometrie der analytischen Kurven“ allgemein für reguläre
Kurven und für wichtige Klassen spezieller Kurven wie , Krumme
Linien in Minimalebenen, auf Minimalkegeln, Minimalkurven etc.“
Systeme von charakteristischen Bewegungsinvarianten aufge-
stellt. Im Hinblick auf die nicht immer ganz auf der Hand
liegenden Methoden der algebraischen Invariantentheorie, ins-
besondere der orthogonalen Transformation, legte ich mir die
Frage vor, ob es nicht möglich sei, auch mit gewöhnlichen
elementaren Betrachtungen, nämlich mit Hilfe der Projektion
auf die Ebene diese überaus wichtigen, absoluten Invarianten
herzuleiten, sie weiter zu illustrieren und so deren Kenntnis
auch den mit den Studyschen Methoden weniger Vertrauten
zu vermitteln. Wir gewinnen auf diese Weise insbesondere
bei Heranziehung der Gruppentheorie manche neuen Resultate,
die nicht ohne Interesse sein dürften.
Die vorliegende Abhandlung ist lediglich ein Auszug aus
umfangreicheren Untersuchungen. Diese würden infolge ein-
gehender Diskussion aller Einzelfälle, welche durch das Ver-
schwinden der einzelnen Dififerentialinvarianten auftreten können,
den verfügbaren Raum bedeutend übersteigen und sind einer
eventuellen Veröffentlichung Vorbehalten.
258
F. Böhm
Im Anschlufs an Study werden folgende Bezeichnungen
gebraucht :
Für die ebenen Kurven;
(a h) — a^b^ -f speziell (« a) = al-\- ai
(ab) = ajb^ — a^b^;
für die Raumkurven:
(a b) == «j&j -|- «2/^2 + *^3^3 speziell {a d) = d\ -j- «2 + «3
«1 «1 «2
{abc) = &, &2 ^3 |-
^ ^2 ^3 ! ■
Ist die Kurve gegeben durch die Parameterdarstellung:
(0
x^ = x.,{t)
X3 — x^ (f) ,
so sollen die Differentialquotienten durch Ziffern bezeichnet
werden, z. B.
(0 10) = ir? + x“; (12) = ; (11) = x[^ + x? +
Xi Xi
(123) =
a;, a”2 a^s
x[ x'i x's
x"‘ X2
x'i
usw.
Da wir im Wesentlichen nur mit ebenen Kurven zu tun
haben, so sind unsere Hauptbausteine die beiden Formen (a'&)
und (rtft), zwischen denen nun folgende fundamentale Iden-
titäten bestehen:
1.
ferner
{abf =
a a ab
ab bb '
(a c) (b d) =
a b a c
b d c d '
(ab) (cd) (bc) (ad) -f- (ca) (bd) = 0,
Beiträge zum Äquivalenzproblem der Raumkurven.
259
weil
a,
«2
«1
a^
h
w
= 0,
^2
Ci
0
0
d.
d.
II.
a, a^
a, a.2
<*1 + «2
a^ — a2 i
6j 6j
62 6j
0
■« i
Cj C2
C, C2
C-i + c^
C‘i Cg 1
(Z, d^
d^ d^
0
0
= — 2 (ac) (5(/)
also
= {(a5) (c d) + ipc) {d d) -f- {cd) {a b) {da) (5|c)}
— 2(ac) {Jjd),
{ab) {c d) -l" (be) {d a) -f- {cd) {a b) -|- {da) {b c) = 0,
b mit d vertauscht gibt dieselbe Identität von rückwärts,
b mit c vertauscht gibt
{ac) (&|<?) + {cb) {a d) 4- {bd){a\c) -j- {da) {c b) = 0.
Den beiden Identitäten kann man auch die Form geben:
{ab) (c|d) "h {d' {cd) = — {bc) {a d) {ad) (6|c)
{ac) {b d) “h {a c) ibd) = (6c) {a d) + {ad) (b c).
Wird speziell c = d, so haben wir
{ab) (c c) = (ac) (ftjc) — (a c) (6c) und (ac) (6l6) = {ab) (6 c)
+ (a 6) (6 c).
Diese Identitäten werden im folgenden fortwährend ver-
wendet und, wo angängig, auch die Klammern bei (a6) und
(a 6) weggelassen.
260
F. Böhm
I. Kapitel.
Die Kurven auf dem Minimalkegel.
§ 1. Die Beziehungen der Differentialinvarianten der Raum-
kurve zu den Differentialinvarianten ihrer Projektion in der
Ebene ^3 = 0.
1. In allgemeiner Parameterdarstellung:
mit der Bedingung 0 i Ö = 0,
also cCg = (-)]/ — Ö : 0 .
Mit Hilfe der Identitäten der Einleitung und der höheren
Differentialquotienten von Xg(t) nach t können wir alle Dif-
ferentialinvarianten der Raumkurve durch die ihrer Projektion
ausdrücken und erhalten für die absoluten charakteristischen
Diflferentialinvarianten und W die folgende Darstellung:
L _ 1 1 ^2 — 12" _ 12 12 _ 2-0 0-12 — Ol-lil
~ Ijl* 11® ~ 01®
1 lOQ
=B?T- T|T3 = — — { 3 . 1 2 [ 0 1 1 . 0 1 - 0 0 . 0 2 ]
-f 13-0 0-01}.
1 . . TI.
0 — ^2 ist das Krümraungsquadrat und ~ Y
Torsion der Raumkurven.
2. Bezogen auf den natürlichen Parameter:
Die Definitionsgleichungen des natürlichen Parameters sind :
1 i fp = — 1 und 0l| = — 0 Op,
wobei wir durch den Index p andeuten, daß die Differential-
quotienten alle nach p genommen sind
X, = X, (t)
^2 = ^2 (0
X, = xM)
Beiträ^^e zum Äquivalenzproblem der Kaumkurven.
261
<1^^ = 2 2p =
(03)p
(01)p
0 Op — 2-0 2p-Q Op + 0 i;
'/'p = 2t3p
, _ (13)p
(01)p
0 lp{0 Op — 2-0 2p-0|0p+0 i;}4-0 0^0 3p _ 1 d<I>p
0,0; 2 d p '
was durch Differentiation der Definitionsgleichungen und durch
Anwendung der Identitäten leicht verifiziert wird.
NB. [Es ist zu beachten, daß die Differentialinvarianten:
0 0, 0 1, 0j2 und 0 3 vollständig dazu ausreichen.]
§ 2. Die Charakterisierung der Kurven nach ihrem natür-
lichen Parameter.
d X)
^ = 0 gibt die Erzeugenden: Krümmung und Torsion
ct z
sind unbestimmt.
d j)
= c gibt die singulären Kreise: Krümmung ist 0,
Torsion unbestimmt.
Man könnte nun so fortfahren; wir umfassen aber alle
diese Fälle, wenn wir von der folgenden Parameterdarstellung
ausgehen :
j ^2 ist das Bogenelementquadrat
— 2 — Raumkurve.
^3 = ÄTfCT)
usw.
262
F. Böhm
Der natürliche Parameter ist definiert durch die Gleichung:
Den Geraden der Ebene (12) = 0 gehört die Lösung der
Differentialgleichung:
ff\ -f r{2fl—ff^) = 0, nämlich f= zu.
X T -j— A
Allgemein entsprechen den Geraden der Ebene reguläre
Kreise; im Speziellen den Minimalgeraden singuläre Kreise,
den Geraden durch den Anfangspunkt die Erzeugenden, speziell
den Minimalgeraden durch den Anfangspunkt sie selbst.
Zu einer umfangreichen Klasse von Kurven kommen wir,
w'enn wir /'=t" wählen. Wir erhalten lauter Schraubenlinien
auf dem absoluten Kegel; die Projektionen sind logarithmische
Spiralen, welche die invariante Differentialgleichung (01) = x (0 1)
erfüllen.
_ (n + ly
~ n{n-\-2y
Ausgezeichnete Fälle sind: n = 0 und n = — 2 (singuläre — )
n = — 1 (reguläre Kreise).
Im allgemeinen gehören immer zu zwei Indices und n.^,
für welche Wj -j- = — 2, spiegelbildlich gleiche Kurven auf
dem Kegel. Der natürliche Parameter stellt sich als die Torsion
der Kurven heraus.
§ 3. Die Minimalprojektion.
Die Minimalprojektion ordnet jedem (reellen) Punkte a:, ,
a;.^, a^g in der Ebene a^g = 0 einen oi’ientierten (imaginären)
Kreis zu mit dem Mittelpunkt a;, , und dem Radius ix^:
(f j — + (^2 — ^2)^ + ^3 = 0.
Den Punkten des absoluten Kegels entsprechen lauter
Kreise durch den Anfangspunkt, so dafi wir auch statt der
Kurven auf demselben die entsprechenden Kreis-scharen und
Beiträge zum Äquivalenzproblem der Kaumkurven.
263
deren Enveloppeii studieren können: einerseits ergeben spezielle
Kurven interessante Kreisscharen, andererseits spezielle Kreis-
scharen interessante Kurven. Die Enveloppe hat die Para-
meterdarstellung :
I, = 0 = 0
o 01 '
und
^ =-2. o;:
-2 I
also ihr Bogenelement:
4-0 0-122
1 P
Wenn wir den Radiusvektor r und den Krümmungsradius q
einführen, stellt das Verhältnis
eine absolute Differentialinvariante dar, d. h. einen von der
Wahl des Parameters unabhängigen Differentialausdruck.
Zu einer beliebigen reellen Geraden gehört ein elliptisches
Kreisbüschel (die Enveloppe besteht aus einem Punktpaar), zu
einer Geraden durch den Anfangspunkt ein parabolisches Kreis-
büschel (die Enveloppe besteht aus einem Linienelement im
Anfangspunkt). Betrachten wir eine imaginäre Gerade, so er-
halten wir ein Kreisbüschel, welches halb elliptisch, halb hyper-
bolisch ist, da es durch den reellen Anfangspunkt und einen
imaginären Punkt geht; es enthält auch einen reellen Kreis,
welcher den reellen Punkt der imaginären Geraden zum Mittel-
punkt und dessen Entfernung vom Anfangspunkt zum Radius
hat. Gesondert davon sind die Minimalgeraden zu betrachten.
Die Enveloppe bildet einer der absoluten Kreispunkte, in wel-
chem alle Kreise des Büschels sich berühren. Man könnte es
deshalb halbkonzentrisch nennen. Auch dieses Büschel ent-
hält einen reellen Kreis. Geht schließlich die Minimalgerade
durch den Anfangspunkt, so zerfällt das Büschel in lauter
Linienpaare, deren eine Linie immer die betrachtete Minimal-
gerade durch den Anfangspunkt ist. Enveloppe ist das ent-
1
264 F. Böhm
sprechende absolute Linienelement des Anfangspunktes. Der
reelle Kreis wird ein reeller Nullkreis. Die diesen Kreisscharen
und ihren Enveloppen entsprechenden Kurven haben wir schon
in § 2 betrachtet.
Die allgemeine Paraineterdarstellung der Enveloppe ist
W+ ’f,)
Nehmen wir f = t”, also eine logarithmische Spirale, so
wird die Enveloppe ebenfalls die Differentialgleichung der log.
Spiralen erfüllen; sie ist, abgesehen von ihrer Lage dieselbe
Spirale, d. h. durch dasselbe x charakterisiert, w = 0, n = — 2;
n = — 1 sind nicht eigentliche Spiralen. Die Enveloppe er-
gibt die beiden absoluten Kreispunkte, bzw. den konzentrischen
Kreis mit dem doppelten Radius. Im allgemeinen entsprechen
wieder Werten w, + = — -2 spiegelgleiche Enveloppen.
Im engsten Zusammenhang stehen diese Betrachtungen
natürlich mit den Beziehungen von Evolvente und Evolute der
logarithmischen Spiralen, welche ja auch einander kongruent
sind. Auf die Schraubenlinien kommt man auch, wenn man
fragt: welche Kurven auf dem absoluten Kegel haben ebene
Evolventen? Die Verbindungslinien zugehöriger Punkte er-
zeugen die abwickelbare Tangentenfläche der Schraubenlinie.
Verfahren wir ebenso mit den Punkten der Enveloppe, so er-
halten wir lauter Minimalgerade, wie auch aus der Definition
der Enveloppe hervorgeht. Diese Minimalgeraden sind also
Tangenten einer Minimalkurve. Ihre Gleichungen sind im Falle
der Schraubenlinie folgende:
+« + 2!
^3 = 2cT"+h
Beitrilj'e zum Aquivaleiizproblem der Raumkurven.
265
Die Minimalkurve liegt auf dem Kreiskegel :
n{n + 2) {y\ + y\] + (w + Ifyl = 0.
Der Fall
n=\ p = St und c~
ergibt die bekannte , kubische Parabel*
■ \ P P
= — Mat-
: P^
2/3 = ^ 9
+
9i
4
welche auf dem Kegel 3 (yl + yl) 4 ^3 = 0 und auf dem
Zylinder (y, — iy^Y — 2iy^ = 0 von Miniraalgeraden liegt.
Betrachten wir allgemein die Projektionen der Minimal-
kurven, so müssen sie Evoluten der Enveloppen sein. Schließ-
lich sehen wir noch, was noch nicht bekannt zu sein scheint,
daß unsere Ausgangs- oder Mittelpunktskurve Sehnenmittel-
punktskurve zwischen Enveloppe und ihrer Evolute ist. Nicht
in dieser Klasse von algebraischen Minimalkurven enthalten,
aber verwandt zu ihnen ist die Lyonsche Schraubenlinie.
4. Eine neue Zuordnung von ebenen Kurven und Kurven
auf dem absoluten Kegel.
Gegeben sei eine ebene Kurve
(0 I
^2 = ^2 (0 j '
^1 = ^1
X2
^2 = ^2 + 7
Ihre Evolute ist
266
F. Bölini
Ziehen wir zu den sukzessiven Normalen die Parallelen
durch den Anfangspunkt und tragen auf ihnen in entsprechen-
dem Sinne die Länge des Krümmungsradius auf, so erhalten
wir die Kurve:
t
r
Xi
s‘
als Projektion der Raum kurve
^2 = + ^
x\
s'
I3 = -t- ir.
Wir sehen dann, daß das Bogenelement der Raumkuiwe
bis auf das Vorzeichen gleich dem Bogenelement unserer Aus-
gangskurve ist. Durch die Einführung des natürlichen Para-
meters i) = is erhalten wir für diese Kurve;
d^lr
dp^
+
2
als Summe von absoluten Differentialinvarianten der zuge-
ordneten ebenen Kurve.
Beiträf'e zum Aquivalenzproblem der Kaumkurven.
267
II. Kapitel.
Das zugehörige Äquivalenzproblem.
§ 1. Die Bewegungen, welche den absoluten Kegel invariant
lassen, und die entsprechenden Transformationen der Ebene.
Diese Bewegungen sind charakterisiert durch die ortho-
gonale Substitution, welche wir in der Cayleyschen Form an-
nehmen :
= 1 + r^—s^ — P y--ci2i — — 2 (t-}-rs)
= — 2(s — rt)
yO'i2 = 2{t—rs) —
y.-a^^ = 2{s-\-rt) y.-a.^^ — 2{r —st)
y.-a^^ — \ — P — -h
y. = \-\-p-^s'^-\-P.
Für ein bestimmtes Wertetripel besteht die Bevvegung in
einer Rotation um die Achse
x^\ x^: x^ = r •. — s:t.
Die Punkte des absoluten Kegels beschreiben Kreise in den
dazu senkrechten invarianten Parallelebenen des Abstandes c:
— sig -p ^^3 = cVr^ -p
Die Projektionen dieser Kreise .sind die Bahnkurven der
entsprechenden Transformationen in der Ebene = 0. Drehen
wir das Koordinatensystem so, daß diese Ellipsen symmetrisch
zur a:, Achse werden, so lautet deren Gleichung:
wobei
V -p P '
268
F. Böhm
Die endlichen Gileichungen dieser Transformation sind :
fl “ ^1 (cos® u -)- sin® u cos &) — sin sin ^ -h *
sin fJL cos (1 — cos &)
^2 = sin sin j? + ^2 ^ — iV^xf -j- x?2 cos /i sin 1? ,
also
i -j- Jfj = Xj sin ju cos ju (1 — cos + x^ cos fx sin i?
-J- i Ka:® -j- (sin® n + cos® }x cos i?) ;
hiebei ist tg,u = ^ und ^ der wesentliche Parameter; die in-
finitesimale Transformation
^■2 = — x^ sin ,«
1^2 = x^ sin /< — iV^x\-Y cos /r .
01
§ 2. Die Differentialinvarianten der Transformation.
1. Wir wählen aus die Differentialinvariante I. Ordnung
welche das Bogenelementquadrat der Raumkurve darstellt.
Die Invarianz desselben lälät sich leicht direkt aus den end-
lichen Gleichungen der Gruppe bestätigen, oder man erweitert
die infinitesimale Transformation üf zu
U‘f^
dXj^ ^® dx^ dx\ '' dX2‘
Da die Differentialinvariante aber keine absolute Invariante
ist, so gibt sie nur in dem speziellen Fall |j = 0 zu invarianten
Kurvenscharen Anlafi, welche durch die entsprechende Trans-
formation wieder in invariante Kurvenscharen derselben Art
übergeführt werden.
/t = 0 = 0 fl =
^2 = — iYx\-\- xl ^2 = x^ cos & — iYx\-[- xi sin d.
Beiträge zum Äquivalenzproblem der Raumkurven.
269
Die invariante Differentialgleichung q q ~ ^
2 1
a = i als Lösung die Parabelscliar • n = . Die ent-
sprechenden Kurven auf dem absoluten Kegel — im Falle der
Parabeln sind es singuläre Kreise (<Z> = 0) — haben die Eigen-
schaft, bei einer Drehung um die x^ Achse immer wieder zu
Projektionen Kurven unserer Schar zu erhalten.
2. Wichtiger ist die absolute Ditferentialinvariante deren
Invarianz ebenfalls entweder direkt gezeigt werden kann oder
mit Hilfe einer nochmaligen Erweiterung der infinitesimalen
Transformation. Zur Integration der invarianten Differential-
gleichung *P = \ verwenden wir nach der Theorie der kon-
tinuierlichen Gruppen die Kenntnis von 3 voneinander unab-
hängigen infinitesiraaleu Transformationen (entsprechend den
infinitesimalen Rotationen um die Koordinatenachsen), welche
die Differentialgleichung invariant lassen. Die Differential-
gleichung hat in x, y die Form:
Q = 2 -f- if) tj“ — {xy‘ ~y)(l-\-y‘^) — ~ {xy‘ — yf = 0.
Die infinitesimalen Transformationen sind:
I, = 0 = — */ ^^ = iVx^ -{-y^
i ]/a:2 -p ^2 >;2 = + ^ = 0
rjx = —I
x-\-yy‘
r}i = —I
Ka;2 -j- ?/2
(a;2 -p y^) yij“ -p {xy‘ — yf
= '>n = ~iy
. x^yy‘
Ka:2 -p
y"
Vx^ -p
m = Sy‘y“
i-j-i — —I
, (2 a: -P 2>yy‘) {x^- + r/)y“ y‘ {xy‘ — yY
Ka;2 -t- tf)
IJ\ Q =
— 3iy
V -\-y
SitzuDgsb. d. matli.-pliys. Kl. Jalirg. 1915.
ü UlU = ^y‘-Q U;Q =
— ^iyy‘
V a;2-p
Ü.
y‘
18
270
F. Böhm
Die Zusammensetzung der infinitesimalen Transformationen
ist die symmetrische:
= {U,U,) = U, {U,U,) = l,.
Die Determinante
I n'i
^ = j h ^'2
1^3 % V'S
= {xy‘
yf
ergibt, daß die einzige invariante Kurvenscbar, welche die
allgemeinste Transformation der Gruppe gestattet, die Schar
der Geraden durch den Anfangspunkt ist; ihr entsprechen die
Erzeugenden des Kegels. Da ferner unsere Transformations-
gleichungen den DilFerentialausdruck nicht ungeändert lassen,
so gehört unsere Differentialgleichung zum 2. Typus. Wählen
wir die folgenden unabhängigen infinitesimalen Transforma-
tionen :
V i
L\ = — 2iU,
+ V„
so wird durch die Transformation
- _ _ — _ ] / _i^^y }_
^iV2 — hVi * ^ — i'y Vx — iy
r —y^dx-Y-tidy
unsere Differentialgleichung 2. Ordnung ü = 0 in die sofort
integrierbare Form gebracht:
y“ =
X
2
271
Beiträge zum Äquivalenzproblem der Raumkurven.
Die Integralkurven sind die ähnlichen Hyperbeln
y- ^ {x — x^y ^
(7^
Xq und sind Integrationskonstante.
In den Koordinaten xy erhalten wir natürlich die Projek-
tionen der Schnitte der Ebenen ax -\- ßy ^ yz — ia mit dem
ab.soluten Kegel (d. h. der regulären Kreise mit dem Radius d).
Unter diesen ist eine Schar besonders hervorzuheben,
welche dem Werte (7 = 0 der Integrationskonstanten entspricht.
Wir erhalten dafür die Schar der Parabeln y'^ = ± 2iTc{x — xß),
denen die Kreise auf dem absoluten Kegel entsprechen, welche
alle durch einen der absoluten Kreispunkte der Ebene x^ = 0
gehen.
Für die Ebenen, in denen diese Kreise liegen, ist /? = + ia,
7 = 1. Daraus können wir aber nicht schließen, daß ihre
Normalen Parallelen zur x^ Achse seien, sondern nur, daß der
unendlich ferne Punkt derselben auf der Tangente des ab-
soluten Kegelschnittes im entsprechenden Kreispunkte liegt.
Der Winkel der Normalen zur Achse wird gewissermaßen durch
die Entfernung dieses Punktes von dem unendlich fernen Punkt
der Achse auf jener uneigentlichen Minimalgeraden gemessen;
diese Entfernung kann unter anderen auch den W^ert Null
haben. Die Projektionen dieser Kreise sind Ellipsen, welche
durch einen der absoluten Punkte gehen und dort die Minimal-
geraden zu Tangenten haben. Ihre Gleichung ist:
(a (x iy) — iay {x i rj) {x — ■ irj) = 0.
Ihre Achsenrichtung ist die eine Miniinalrichtung; bezüg-
lich ihrer Brennpunktseigenschaften stehen diese Kegelschnitte
zwischen Ellipse und Parabel. Andererseits sind sie mit dem
Kreis verwandt. Berührt ein solcher Kegelschnitt die unend-
lich ferne Gerade, so entsteht statt einer imaginären Parabel
die doppelt zählende Minimalgerade.
18’
272
F. Böhm
Gresondert ist der Fall verschwindender Krümmung = 0)
zu betrachten. Er ergibt die transformierte Differentialglei-
chung y“ — 0. Die Integralkurven werden gebildet von der
Gesamtheit aller Geraden Ax -F By -|- C'= 0, ausgenommen
den Fall 2? = 0, in welchem die Krümmung unbestimmt wird
(Fall der Erzeugenden des Kegels).
§ 3. Eine Abbildung der Kurven auf dem absoluten Kegel.
Unsere Koordinaten x, y vermitteln eine Abbildung, bei
welcher die Kurven konstanter Krümmung Null des absoluten
Kegels (die singulären Kreise) übergehen in die Kurven kon-
stanter Krümmung Null der Ebene (die Geraden).
Die Krümmung ist *Px = A^iy^y“.
Die Kurven auf dem Kegel sind folgendermaßen dargestellt :
+ 1 ix^ — \ 'iV — ix
2y^ ^ 2iy'^ 2 iß
Wir haben dann folgendes Entsprechen:
Ebene x, y
Absoluter Kegel
Ebene x, y (Projektion)
I. Beliebige Gerade
Beliebiger singulärer
Kreis
Imaginäre Parabel
X Parallele
spezieller singulärer
Kreis 11
Minimalgerade II
Gerade durch den
spezieller singulärer
Minimalgerade I
Anfangspunkt
Kreis I
y Parallele
Erzeugende
Gerade durch den
Anfangspunkt
X Achse
Absoluter Kegel-
Unendlich ferne Ge-
schnitt
rade
y Achse
Minimalgerade I i
Minimalgerade durch
Unendlich ferne
Gerade
Minimalgerade 11 1
den Anfangspunkt
Beitrüge zum Äquivalenzproblem der Raumkurven.
273
Ebene x, y
Absoluter Kegel
Ebene x, y (Projektion)
11. Kegelschnitte
Kurven konstanter
Imaginäre Ellipsen
symmetrisch zur
Krümmung = re-
X Achse
guläre Kreise
'
Symmetrische Pa-
Kurven konstanter
Imaginäre Ellipsen
rabeln
Krümmung = re-
durch den entspre-
guläre Kreise durch
eilenden Kreispunkt
Symmetrische Pa-
einen der al)soluten
Kreispunkte in der
Ebene x^ = ^
x^ -\- y^ = in x^
Kreis x^ + jf —
rabeln durch den
= + ia
Anfangspunkt
Symmetrische Xi-
siehe unter I
siehe unter I
nienpaare und
Doppellinien.
Die einfache Form der Krümmung legt uns die Frage
nahe, welche Gleichung zwischen x und y die oben betrach-
teten Schraubenlinien charakterisiert. Da
X = \^ii und y = , lautet sie • x" = const. \n = —
Vf V »'
Wenn wir gewisse einfache Funktionen fp{x, y') wählen,
welche die Integration der Differentialgleichung ermöglichen,
so können wir aus den Krümmungseigenschaften der Kurve
deren Gleichungen explicite aufstellen. Z. B. kann die Glei-
chung (p = Cx~'^^ durch die Substitution y = cx'‘ integriert
werden, ebenso, wenn 0 nur eine Funktion von y ist, z. B.
c y'’ (v = 3).
274
F. Böhm
III. Kapitel.
Die Minimalkurven.
Ganz in derselben Weise können wir auch die Minimal-
kurven behandeln :
(0
^2 = ^2(9
iCj = (±)i-s(0
wobei s die Bogenlänge der Projektion ist. Wir fuhren zu
diesem Zwecke nach Study das sphärische Bild der Kurve
auf dem absoluten Kegel ein, dessen Koordinaten gleich den
ersten Differentialquotienten der Koordinaten der Minimalkurven
nach dem natürlichen Parameter sind. Dieser ist definiert
durch die Gleichung
Es erhöhen sich dann in unser n Formeln des I. Kapitels
§ 2 alle Ziffern um eine Einheit. Die charakteristischen ab-
soluten Differentialinvarianten der Minimalkurven sind also
Nimmt man z. B. den Kreis = cos t, = sin t, so wird
F =i und F = 0. Die zugehörige Miniraalkurve ist eine
Minimalschraubenlinie. Bei diesem Beispiel kann man wie
auch sonst mit Vorteil die Bogenlänge der Projektion als Para-
meter einführen. Es ist allgemein :
7-131 — 4 •12s- {14, -1-2 -233}
4i(23)s
Man kann auch den Zusammenhang mit den Weierstrah-
schen Formeln untersuchen; ebenso nach den Minimalkurven
IJeitrilge zum Äquivalenzproblem der Kaunikurven. 275
fragen, welche die im 1. Kapitel untersuchten Kurven des ab-
soluten Kegels zu sphärischen Bildern haben. Die zugehörige
Weierstraßsche Funktion ist:
— i
^ 7^4-l)(2w-t-2) {2n + 2>) '
Den Fällen w = 0 und n = — 2 entsprechen algebraische
Minimalkurven dritter Ordnung, deren sphärische Bilder die
singulären Kreise I und II sind; n = — 1; n — — ^ und
n — — f sind besonders zu untersuchen. Sie ergeben trans-
zendente Miniraalschraubenlinien. Im übrigen gehören wieder
Indices und Wg, für welche Wj -j- Wg = — 2, z. B. w, = -f- 1 ,
n^ = — 3 zusammen.
Mit Ausnahme der Fälle n — — 1; n = — ^ und n = — |
liegen diese Minimalkurven auf dem Kegel: (2n 1) (2 w -j- 3)
{x\ xX) -\- {2n 2y x\ = 0. [Man könnte diese Minimal-
kurven auch zu den in Kapitel I betrachteten Minimalkurven
in Beziehung bringen.] Für n ■= — 1 liegt die Minimalkurve
auf dem Kreiszjlinder, für n = — ^ und n — — | auf den
Zylindern von Minimalgeraden: x^ + ix^-^ ^ix\ = Q , welche
die Parabel: x^-\-2ixl = 0, x^ = 0 von den beiden absoluten
Punkten der Ebene x^ = 0 aus projizieren.
IV. Kapitel.
Die sphärischen Kurven.
Die Gleichungen der sphärischen Kurven seien:
x^ = Xj (t) x^ — x^ (t) 3:3 = (jl) — 0 0.
Der Krümmung dieser Kurven kann man die charakteri-
stische Form
1 il2,.g + 01,)«
S* + ü*(oo, — i?*)
geben, wenn der natürliche Parameter definiert ist durch
276
F. böhin
fdpy 1 — OF _ 13^
[dt) R^-0 0 ' VR^OÖ;''
auch hier würden wir mit Hilfe der Identitäten mit den In-
varianten 0 0, 0 1, 0 2 und 0 3 vollständig ausreichen.
In der Minimalprojektion entsprechen den Punkten der
Kugel orthogonale Kreise des Äquators (auch Diametralkreise)
R^ — 0 0 = 0. 1 1 — OP = 0 ergibt die erzeugenden
Minimalgeraden, deren Projektionen die Gesamtheit aller Tan-
genten des Äquators von inneren Punkten desselben aus dar-
stellt. Minimalgeraden als Projektionen entsprechen entweder
.selbst Minimalgerade oder singuläre Kreise; beliebige singuläre
Kreise haben wieder die bekannten Parabeln zur Projektion,
welche auch in Parallellinienpaare zerfallen können.
Die oben angegebene Form der Krümmung erinnert uns
an den Satz über die relative und absolute Krümmung von
Mannigfaltigkeiten in der nichteuklidischen Geometrie: das
Quadrat der relativen Krümmung einer Kurve in der ellip-
tischen Ebene (auf der Kugel) ist gleich dem Quadrat der
Krümmung der Kurve — als Raumkurve im euklidischen
Raum aufgefaßt — vermindert um das Riemannsche (hier auch
Gaußsche) Krümmungsmaß der elliptischen Ebene (Kugel).
[Für Flächen gilt ein gleicher Satz.]
Es ergibt sich, daß unser Ausdruck
(p
1
1
0^
das Quadrat der geodätischen Krümmung der sphärischen Kurven
also auch eine absolute Differentialinvariante derselben darstellt.
In der allgemeinen Parameterdaivstellung auf der Einheits-
kugel ist dieser Ausdruck
1 ( 12.(1 — 0 0) — 01-(1 1 -OP) P
~ l (1 1 — 017/2 }■
Um die relative (geodätische) Krümmung definieren zu
können, müssen wir eine derartige Pararaeterdarstellung der
Beiträge zum Äquivalenzproblem der Kaunikurven.
277
Kugel geben, daß die geodätischen Linien durch lineare Glei-
chungen dargestellt werden ;
l -j- Ul -f- u
1 -f- Ml + m:
a;,
2
2
1
1' 1 -j- Ul u\
1 {dtiicPu^ — du^d^tiiY
{E dul -\- 2 Fdu^du^ Gdul)^ ‘
Das ist aber genau das Quadrat der geodätischen Krümmung.
Alle Betrachtungen und Formeln über die sphärischen
Kurven auf der Kugel müssen für R^ = 0 die Formeln des
I. Kapitels ergeben, ln gleicher Weise wird das Aquivalenz-
problem und die Minimalprojektion behandelt. Die Enveloppen
der Orthogonal-(Diametral)kreise sind anallagmatische Kurven
4. Ordnung, wenn die Mittelpunktsörter selbst Kreise des Ortho-
gonalsystems bilden. Ist der Ort der Mittelpunkte eine Parabel,
•SO kann man daran einfache geometrische Betrachtungen an-
schließen, besonders wenn die Parabeln Projektionen von singu-
lären Kreisen darstellen.
V. Kapitel.
Die Kurven in Minimalebenen.
~ (Ol ^2 ~ ^2(0) ^3 = ^^2(0- Hier sind die charak-
teristischen Differentialinvarianten :
^1 =
ic'i • 1 3 — 3 • a;i 1 2
i“
v“
— ^-Xi-x^-Vd ~\-{lb-x"i^ — i-x\xi\-12
x\*-l2
y""
y
1
wenn y = F(x) die Projektion ist.
Der natürliche Parameter ist
a;, = ip
^2 = '? = /’(P)-
f
278 F. Böhm
Hier wird das Aquivalenzproblem sehr einfach zu lösen sein,
denn die Differentialgleichungen = const. und — const.
lassen sich ohne weiteres integrieren. Die infinitesimalen Trans-
formationen sind: U^=p, = U^ = yq mit
der Zusammensetzung: (f7j U^) = 0, (Z7, ü^) —l\, U^) = 0,
{U, U,) = 0, {L\ U,) = U,, (U, ü,) = U,.
Man wird die einzelnen infinitesimalen Transformationen
zu je zwei oder drei zusammentassen, die invarianten Gebilde
dieser Untergruppen aufstellen und schließlich die Betrach-
tungen mit Hilfe der allgemeinen Theorie der viergliedrigen
Gruppen vervollständigen.
Die Minimalprojektion ordnet jedem Punkt der Minimal-
ebene einen Kreis zu, welcher die Achse berührt; also den
Kurven derselben q = f{p) Scharen von solchen Kreisen, be-
ziehungsweise deren Enveloppen:
“r J ^72 j ■< ^2 j ^2 •
Wir erhalten dann die speziellen Fälle:
I. Die Geraden der Minimalebene:
1. Eine Ausnahmestellung hat der Fall ^ = const. ; dies
sind die Minimalgeraden, welche zur Projektion die Parallelen
zur Achse und zur Enveloppe ein Linienelement der x^ Achse
haben.
2. f — c ist eine imaginäre Parallele zu der reellen Ge-
raden der Minimalebene: Projektion ist eine Parallele zur
x^ Achse, Enveloppe ebenfalls eine solche mit doppeltem Ahstand.
3. f = cp d ist eine beliebige Gerade, wie auch Pro-
jektion und Enveloppe. Hat die Projektion die Richtung cp,
so hat die Enveloppe die Richtung 2 cp. Spezielle Fälle sind:
d = 0, c=±i, c=±l.
II. Die singulären Kreise der Minimalebene:
4. Bevor wir die quadratischen Funktionen betrachten,
fragen wir nach der Bedeutung der Differentialgleichung:
p(l-n-|- 2//' = 0, also ^, = 0.
Beiträge zum Äquivalenzproblem der Raumkurven.
279
Die Integration ergibt die Lösung:
/ =
— 1
2 c
also f“‘ = 0, d. h. spezielle singuläre Kreise der Minimalebene,
in der Projektion die bekannte Parabelschar
welche die Achse zur gemeinsamen Direktrix haben. Die
zugehörigen Enveloppen fallen alle in den entsprechenden
Brennpunkt; eine additive Veränderung von p ergibt nur eine
Verschiebung der Figuren.
5. Die quadratische Funktion f= ap^ 2hp c (wobei
auch h gleich Null sein kann) ergibt allgemein singuläre Kreise
und als zugehörige Enveloppe den Kreis
1 — 4acV ÄacV
4 a j \ 4 a / ’
also wenn c = — - Fall 4.
4 a
Gehen wir umgekehrt von den Enveloppen aus und fragen
nach den Kurven in der Minimalebene, für welche die Enve-
loppe ein besonders einfaches Verhalten zeigt, so müssen wir
dazu folgende Ausdrücke bilden:
d l, _
2f
(i-ry
d^i
V1 + /V’
d^h
-2r
di!
-2 1^1 4-7-2;’
Krümmungsradius
1 /! +
2fr -ry
- 2r j '
Wir können dabei unterscheiden zwischen Eigenschaften,
welche nur in einer diskreten Anzahl von Punkten, und solchen,
welche für alle Punkte gelten. Die letzteren charakterisieren
auch das Verhalten in den ersteren Punkten und deren nächster
Umgehung.
280 F. Böh 111, Beiträge zutn Äquivaleiizproblein der liauinkurven.
= 0
gibt
CO .
d^
= ± i
n
f=c
f = ± ip-\- d
/■ = ±
Siehe 1), 2) und 3).
- = tg 2 «p, also y' = — if = tg?);
«' S 1
die Richtungswinkel
verdoppeln sich.
(P(*2 n I ~ ^ ~ ^ [oder /' = 1], wenn
d^\ I nicht zugleich /”' = ± i gibt die Fälle 1) — 3);
<d — 00 , wenn /" = 0 und nicht zugleich /' = ± 1 ebenfalls 1) — 3).
Die Integration der Differentialgleichung o = const. gibt
als Integrale die Schar:
y -\-y, = \C{x — X^f -h
d. h. die unter 5) betrachteten Parabeln mit einer Translation
des Mittelpunktes; für x = 0 und = 0 Fall 4).
Mit diesen Ausführungen wären wir am Ende unserer Be-
trachtungen angelangt. Aus dem vorliegenden ist klar ersicht-
lich, daß die von uns durch sämtliche Kapitel verfolgte Methode
durchaus geeignet ist, einen tiefen Einblick in das Wesen des
Aquivalenzprobleras der Raumkurven, insonderheit der imagi-
nären Gebilde unter ihnen zu gestatten. Bezüglich der Minimal-
projektion sei schließlich noch auf die Abhandl. von W. Blaschke
in den Monatsheften für Mathematik und Physik, XXI, 1910,
„Untersuchungen über die Geometrie der Speere in der eukli-
dischen Ebene“ und bezüglich der Kurven in der Minimalebene
auf H. Beck „Zur Geometrie in der Minimalebene“, Sitzungs-
berichte der Berliner mathematischen Gesellschaft 1912, ver-
wiesen. Beide Autoren behandeln verwandte Probleme, jedoch
nicht mit der von uns benutzten Projektionsmethode.
281
Über eine besondere Klasse unendlicher Kettenbriiche
mit komplexen Elementen.^)
Von Otto Szäsz.
Vorgelegt von A. Pringsheim in der Sitzung am 1. Mai 1915.
Gegeben sei der Kettenbruch :
1 -^1 + T + r + --’
wo die tty beliebige reelle oder komplexe Zahlen mit Ein-
schluß der Null sind. Sei ferner
00
5 — 2j’' «.'i = '«2 + +•••
2
konvergent. Bekanntlich konvergiert der Kettenbruch unter
der Bedingung:^) s:^l.
Im folgenden gebe ich einen einfachen Beweis dieses Satzes,
wobei sich eine kleine Erweiterung seines Gültigkeitsbereiches
h Diese Mitteilung ist ein Teil einer größeren Arbeit, welche als
Habilitationsschrift im Mai 1914 der damaligen Akademie für Sozial-
und Handelswissenschaften Frankfurt a. M. Vorgelegen hat, jedoch bisher
nicht gedruckt wurde.
Für reelle negative bewies den Satz schon M. A. Stern in
seiner Note: Über die Konvergenz der Kettenbrüche. [Nachrichten etc.
Göttingen, 1863, S. 136 — 143.] Für beliebige und s ■< 1 zuerst Herr
Helge von Koch: Sur un theoreme de Stieltjes et sur les fonctions
definies par des fractions continues [Bull. Soc. Math, de France, t. 23,
1895, p. 33 — 40], von neuem und auch für den Fall s = 1 Herr A. Prings-
heim: „Über einige Konvergenzkriterien für Kettenbrüche mit komplexen
282
0. Szäsz
ergibt; es muläte nämlich bisher vorausgesetzt werden, daß für
unendlich viele / =r 0 ist.^) Ich konnte diese Einschränkung
— soweit als möglich — beseitigen. Ferner leite ich speziell
für den Fall lauter reeller nicht-positiver a,.(a,, ^0) eine Ver-
allgemeinerung dieses Satzes ab.
§ 1.
Die Näherungsbrüche des Kettenbruches (1) seien:
(r = 0, 1, 2, . .);
bei'eits Herr von Koch hat bewiesen,^) daß dann A,. und
sesen bestimmte endliche Grenzen konvergieren:
O O O
lim A,. = A, lim ~ B.
»' = X »' = X
Die Konvergenz des Kettenhruches ist daher damit gleich-
bedeutend, daß B nicht verschwindet.* *)
Nun ist offenbar:
B,+i — By = By-i (v > 1);
setzt man hier statt v sukzessive r -(- 1 , . . ., v -\-
ein und summiert, so folgt:
Gliedern. [Diese Sitzungsber., BJ. 35, 1905, S. 359 — 380.] Einen allge-
meineren Satz bewies ich in meiner Arbeit: Über gewisse unendliche
Kettenbruchdeterminanten und Kettenbrüche mit komplexen Elementen
[diese Sitzungsber., Jahrg. 1912, S. 323—361], S. 341.
Vgl. 0. Perron, Die Lehre von den Kettenbrüchen, Leipzig,
1913, S. 259. Dieses Werk wird im folgenden unter , Perron, Lehr-
buch“ zitiert.
*) A. a. 0.; vgl. auch Perron, Lehrbuch, S. 3 15 — 346. — HerrE. Maillet
(Sur les fractions continues algebriques [Journal de l’Ecole Polytech-
nique, II® Serie, XI 1® Cahier, 1908, p. 41— 62]; vgl. auch Perron, Lehr-
buch, S. 346) hat ferner bewiesen, daß A und B nicht gleichzeitig ver-
schwinden können. Ich zeigte dies (a. a. 0., S. 331 — 332) mit Hilfe der
Kettenbruchdeterminanten-Darstellung. Daß Herr Maillet dies schon
früher (auf anderem Wege) bewiesen hatte, war mir damals leider ent-
gangen.
*) Ist B = 0, .d ^ 0, so divergiert der Kettenbruch außerwesentlich.
über eine besondere Klasse unendlicher Kettenbriiche etc. 283
i>v-\-y. J^v Ö!l+I -j" 4" ■ • • -j-
und wenn man hier zur Grenze für h = od übergeht, erhält
man schließlich die Gleichuner:
O
00
^y — ij''- (^r+X l^r-\.} — 2 (v > 1). (2)
Nun gibt es offenbar in der abgeschlossenen Menge;
i^o - , ^2 - • • •; B
eine größte Zahl; ist \B selbst dieses Maximum, so ist —
wegen uß„[ = 1 — .B|> 1 und daher konvergiert der Ketten-
bruch in diesem Falle. Hat aber B\ einen kleineren Wert,
so gibt es ein kleinstes n{n>l), für das die Ungleich-
heiten bestehen :
B,,\> 2, 3, . . .). (3)
Nun folgt aus Gl. (2) für v = n:
Bn \ ^ I B„ I (ln-\.x (4)
1
und damit hier Gleichheit gelte, ist wegen der Ungleichheit (3)
notwendig, daß die Gleichungen bestehen:
a«+3 = 0, a„_|.t = 0, a„+5 = 0, . . . 5)
Ferner folgt aus Ungleichung (4):
und schließlich:
\B„\ — B ^ I B„ ; Yi'- «»+/. I
-ß| ^ I Bn ^1 — ^x a„^x 1^ > 0.
Hieraus ist unmittelbar ersichtlich, daß der Kettenbruch
für .9 1 konvergiert; ist aber 9=1, so kann B nur dann ver-
schwinden, wenn die Gleichungen (5) gelten und wenn zugleich
|ön+l -|- =1
ist. Es müssen also
erfüllt sein:
, wenn w>2 ist, auch
ü) • • • ) •^11 0.
die Gleichungen
284
0. Szäsz
Für n = \ hat man jetzt offenbar:
-Z>2 = 1 -j- Og , — 1 -f- <Z., -j- ö, , i?,, = \
=
der Kettenbruch divergiert also nur dann, wenn ^3
reell und nicht positiv sind und 02-1-03 = — 1 ist. Und zwar
ist der Kettenbruch für aj(l-|- 031 = 0 wesentlich divergent,
sonst außerwesentlich divergent.
Ebenso hat man für w > 2 :
^^2 = 1, . . ., 2^,1 1, 1 -j- ön+l, 2)„^2 = 1
+ «n+l Öm+2, Bn+v = 2?„^2
-42 = Oj, ..., .4n = Oj, = Oj (1 -)- Ön+O)
1 ) • • ■ )
^»+2 = (1 + ön+1 “F «>1+2)) A„^y = Ä„^2
der Kettenbruch divergiert also nur dann, wenn On-f-i und o„-f.2
reell und negativ sind und o„-|-i -)- o„-f.2 — — 1 ist, und zwar
ist er dann wesentlich divergent.
Zusammenfassend haben wir den folgenden Satz abgeleitet:
Satz 1. Der Kettenbruch mit beliebigen Elementen
konvergiert, wenn U*' «v < 1 ist; nur wenn für
. 1 Ji 2
ein n(M>l) o„+i und o„^.2 reelle nicht-positive Zahlen
sind und o„+i -f- orn+2 = — 1 ist, während alle übrigen
o,, verschwinden, wird der Kettenbruch wesentlich
divergent, bzw. im Falle « = 1, Oj (1 -j- O3) 0 außer-
wesentlich divergent.
Speziell für Kettenbrüche mit lauter reellen nicht-positiven
Elementen läßt sich der Satz noch etwas erweitern.
Sei also:
= — r,., r,. >0 (»' = 2. 3, . . .) ;
00
sei ferner r,. ^1 (r ^ 2) und ij-’ r,. konvergent.
Uber eine besondere Klasse unendlicher Kettenbrüche etc. 285
Ich setze zur Abkürzung:
O
= = yr2=l — n,, jr, = (1 — (1 — r^) . . . (1 — r„),
lim 71,. = 71 ;
~ ^'21 ®2 ~ ^'2 + limo^ = o;
1 >' = 00
sei ö < 1, offenbar ist ö.,-i<öy<l.
Nun beweise ich die Ungleichungen:
1 — öy_i <C £y <C 71,, j
\
dieselben sind offenbar »für v = 2
daß sie für v y. — 1 , y(y'> S)
zeige, daß sie dann auch für v =
aus der Rekursionsformel:
(r = 2, 3, ...); (G)
, 3 gültig. Ich nehme an,
bereits bewiesen sind, und
■ y l gelten. In der Tat,
Bx-^i B,, > >^-b: B^ — 1
folgt zunächst die Ungleichung:
5.+1 < B,,,
ferner nach Voraussetzung:
O
Bx-\-\ ^ By_ (1 > «d-l) ^ ^y. (1 1
und schließlich :
By-[.] >1 — 0;,_i — 7r„_, = 1 — o.y\
somit sind die Ungleichungen (6) allgemein gültig. Hieraus
\ — 0^B<71,
ist also o < 1, so konvergiert der Kettenbruch.
Sei 0 = 1, dann betrachte ich zwei Fälle gesondert:
1. Es gibt unter den (v > 2) wenigstens eines mit dem
Werte 1; sei nun n der kleinste Index, für den >*„ = 1 ist.
Für n = 2 hat man:
rg = 1, ö, = O2 = I ;
Sitzungsb. d. m.ith.-pliys. Kl. Jahrg. 1915.
19
286
0. Sziisz
hieraus folgt: r3 = 0; jetzt ist: = = i), . . daher
divergiert der Kettenbruch.
Für w > 3 hat man :
n
T 1, Ofi ^/. — 1 — ■ ‘ * • 0\
1
daher ist (wegen ^ 7t)) :
n
o > r;.+i 71). = .T„_1 + r„_i rr„_2 + • • • + /'j .Tj (7)
1
und Gleichheit gilt dann und nur dann, wenn die Gleichungen
bestehen :
r;.+i 71). = r;.+, (a = 1, 2, . . n). (8)
Für / = 1 ist diese Gleichung eine Identität; für ). = 2,
. . n ist für das Bestehen der Gleichung (8) notwendig und
hinreichend, dalä mindestens eine der beiden Zahlen: >v.,
verschwindet. Daher kann Gleichung (8) durch die folgende
ersetzt werden:
r;.ri+i = 0 (A = 2, . . ., n). (9)
Jetzt beweise ich noch die Identität:
V — I
7iy-\-'^>r).j^i7i). = 7iy-\-ry7iy-i-\ [- »‘g .T , = D,, = 1 (>’^2); (10)
1
bezeichnet man nämlich diese Summe vorübergehend mit Dy,
so ist offenbar
Dy (1 l,)7ly.-\ -j- Ty7ly — \ "f" ' ' ‘ “j” ^2^1 Dy—},
und da D^=l ist, so gilt Gleichung (10) allgemein.
Somit lautet Ungleichung (7):
ö > 1,
und Gleichheit gilt hier allemal dann, wenn die Bedingung (9)
erfüllt ist; insbesondere muß — da r„ = 1 ist — r„_, = 0
und r„_|.i = 0 sein.
Jetzt ist:
Bn-\ = B„-2, B„ = 0, J?, 1-1-1 = 0
also divergiert der Kettenbruch.
über eine besondere Klasse unendlicher Kettenbrüclie etc. 287
2. Sei durchwegs r,, <1 {v ^ 2), dann ist sicherlich :
71,. >0, 7l'> 0.
Ist nun B = tz, so konvergiert der Kettenbruch.
Sei B <,7i\ dann gibt es ein kleinstes da B^ =
derart, daß (vgl. üngl. (6)):
B„ < jr„ für r = x + 1, -f 2, . . . (11)
und
By. = Tl.y (12)
ist. Nun folgt aus Gl. (2), wenn man darin v = x 1 setzt:
QO
1
daher ist (vgl. üngl. 6):
00
B^\ — Oy — rx+] Jix-i = 1 — ö,
K+l
und mit Anwendung der Ungleichung (11) und Gleichung (12)
folgt, daß hier das Gleichheitszeichen dann und nur dann
gilt, wenn :
By^l =1 Oy und Ty = 0 fÜl' I' = Pi ^ 3, Pi + 4, ...
ist. Damit nun By^.i = 1 — Oy sei, muß auch By=l — Oy^i
sein (vgl. S. 285), und die Hinzuziehung der Gleichung (12)
liefert die Bedingung:
Oy—l Tly = \.
Nun ist, mit Beachtung der Ungleichung pt,, _i >
Oy 1 I 7ly /*2 71q “U * • • I y JCy^2 ^ K ^
“h ' * * “T 1 “h
also mit Rücksicht auf (10):
Oy-i -j- ^ 1 1
und Gleichheit gilt hier dann und nur dann, wenn Pi = 2 oder
^'2^3 = 0, . . . , ry_, fy = 0 (pi > 3) (13)
ist (vgl. die Formeln (7) — (9)). Unter diesen Bedingungen
ist offenbar auch
ap._i -|- pr^ = 1 für /I = 2, . , Pi,
19*
288 0. Szäsz, Über eine besondere Klasse unendl. Kettenbrüche etc.
da jetzt keine neuen Bedingungen zu den Gleichungen (13)
hinzutreten müssen. Und nun ist tatsächlich :
1^2 1 ■ Uj ^2 > ^ ^2 ^3 ’ ■ • ■
1 — 2 '^y.^y. — 2 1 — I ^y.^
By.-\-\ = 1 (Jy.—l '>'y.+\ ^x-1 =1 .
Für y. —2 fällt Bedingung (13) fort.
Damit nun B — 0 sei, muß nach dem vorhergehenden
1 Oy. r.yJ^i 71« = 0
sein. Dies heißt aber:
^y. — I ^x-j-2 ^y ü
oder, nach Division mit 7r«_i (es ist 7r«_i>0):
1 ^y. '^‘y.Jfl Tyfy^i = 0.
Diese Resultate fasse ich in folgenden Satz zusammen:
Satz 2. Der Kettenbruch mit reellen nicht-posi-
tiven Elementen
vergiert, und
■r,.
1
konvergiert, wenn S’' tV kon-
-j- ^3 -h iJ;. rx+i (1 — r^) (1 — >-3) ... (1 — r>.-i) < 1,
^ r,. <1 (r > 2)
ist; nur in den folgenden drei Fällen:
(14)
1- ^2=1) ^3 = 0
2. = 0 für z = 2, . . . , n, r„ = 1 (w > 3)
3. r;._irx = 0 für z = 3, . . n; rx = 0 für + 3, 1
fn + ^'n+l + ^n+2 >'n ^'n+2 =1 )
divergiert der Kettenbruch.
Für n — 2 fällt im Falle 3) die Bedingung r;._i rx = 0 fort.
Da tta-i ^ 1 — (A > 3) ist, so ist offenbar üngl. (14)
sicher erfüllt, wenn
^2 + ^'3 -f (1 — ^2) < 1’ »V < 1 (J' > 2) ist.
289
Anwendung des Prinzips der gekoppelten
Schwingungen auf einige physiologische Probleme.
Von Otto Frank.
Vorgetragen am 5. Juni und 3. Juli 1915.
Seit einer Reihe von Jahren bin ich mit der Feststellung
der Leistungen der Registrierapparate beschäftigt, die zu phy-
siologischen Zwecken gebraucht werden. Es läßt sich der
Nachweis erbringen, daß die wesentlichen Eigenschaften der
Registrierinstrumente die Empfindlichkeit des Instrumentes, die
Schwingungszahl und Dämpfung des bewegten Systems sind.
Meine Untersuchungen habe ich mit der Theorie der Mano-
meter begonnen. Die Leistungen des einfachsten Manometers,
das aus einer mit Flüssigkeit gefüllten Röhre besteht, deren
eines Ende mit dem Teil des Kreislaufssystems in Verbindung
steht, an dem der Druck bestimmt werden soll, während das
andere Ende durch eine elastische , massenlose“ Membran oder
Platte verschlossen ist, habe ich hinreichend exakt darstellen
können. Ich habe jedoch auch verwickeltere Systeme mit
Methoden zu behandeln versucht, von denen ich ohne wei-
teres gesehen und erklärt habe, daß sie nicht als streng
gelten können. Dazu gehören Systeme wie das Hebelmano-
meter, bei dem ein nicht mehr als massenlos zu behandelnder
Hebel auf die Membran aufgesetzt ist, ferner Systeme, bei
denen Luftsäulen wesentliche Bestandteile sind oder solche, bei
denen die Massen der Membran und Platten nicht mehr zu
vernachlässigen sind. Die Vereinfachungen, die ich zur Be-
handlung vorgenommen habe, waren wohl sämtlich so getroffen,
daß die wesentlichen Eigenschaften der Systeme nicht berührt
290
0. Frank
wurden. Aber ich hatte immer den Wunsch nach einer stren-
geren und weniger gekünstelten Behandlung. Dabei hatte ich
den Eindruck, daß das Prinzip der gekoppelten Schwin-
gungen, das für gewisse elektrische Erscheinungen mit so
großem Vorteil angewandt wird, auch bei den erwähnten
mechanischen Systemen die Lösung der Aufgaben ermöglichen
könnte. Dieser Meinung habe ich vor längerer Zeit brieflich
Ausdruck verliehen. Vor zwei Jahren konnte ich eine Differen-
tialgleichung zur Behandlung der gekoppelten Schwingungen
mechanischer Systeme aufstellen. Erst nachträglich habe ich
gesehen, daß die gekoppelten mechanischen Systeme schon
eine eingehende Behandlung erfahren haben. Ich habe solche
Probleme in der „Technischen Mechanik“ von A. Föppl auf-
gefunden, auch A. Sommerfeld hat ein reizvolles -derartiges
Problem behandelt.^) M. Wien hat in eingehender Weise die
gekoppelten Schwingungen analysiert.®) Einen außerordent-
lichen Nutzen gewährte mir das Studium von Rayleighs „Theory
of Sound.“ Es gelingt an der Hand der Theorie dieser Be-
wegungsformen eine überraschend große Reihe von Problemen,
die für die Physiologie oder physiologische Technik von Be-
deutung sind, entweder vollständig oder doch hinreichend ge-
nau lösen. Die Systeme besitzen dabei eine beschränkte An-
zahl von Freiheitsgraden oder auch unendlich viele Freiheits-
grade, von denen aber fast durchweg nur einige wenige be-
rücksichtigt zu werden brauchen. In vielen Fällen genügt die
Berechnung der Grundschwingung des Systems, wie ich schon
bei meinen früheren Untersuchungen erkannt habe. Ihre Er-
mittelung ist aber nur auf der Basis der allgemeinen Theorie
sicher durchzuführen.
1. Das Hebel membran-Manometer. Es läßt sich
als ein System von 2 Freiheitsgraden auffassen ebenso wie das
unter Ni'. 2 behandelte Federmanometer. Ich gebe zunächst
die allgemeinen Gleichungen eines derartigen Systems.
Festschrift A. Wüllner, Teubner 1905, S. 162.
“) Wiedemanns Ann., Bd. 61, S. 151.
Anwendung des Prinzips der gekoppelten Schwingungen etc. 291
Die Bewegungsgleichungen lauten:^)
tn^x -f- Ax -\- Cy = 0
m.^y + By + Cx = 0.
Für die Schwingungszahl n (in 2 .t Sekunden, in der Enc.
d. math. Wiss. durchgehends als „Frequenz“ bezeichnet), er-
gibt sich;
^ \m.B A ±.
2m^m^ *
2)
K (»ij B -f- »»2 Ay — 4 Wj m^AB{\ — C^fAB)}.
(J2
Den Ausdruck bezeichne ich als Koppelungsfaktor K.^)
Er ist eine reine Zahl, immer positiv und in den wirklichen
Fällen niemals größer als 1. Zur Umwandlung des obigen
Ausdruckes führe ich die Schwingungszahlen der einzelnen Teile
des Systems ein, die sich ergeben, wenn jeweilig die Massen m.2
und Wj Null werden. Es ergibt sich:
n
B
A
OTj
B
«»2
(l-JT)
il-K).
3)
Die Schwingungszahlen des gekoppelten Systems werden
dann zu:
Ist K klein bzw. die Koppelung lose, dann erhält man:
= Wj bzw. = w|. 5)
9 In diesen Gleichungen tritt bei „Beschleunigungs-Koppelung“ an
Stelle von Cy und Cx oder neben diesen je ein Glied m^y bzw. auf.
Vgl. Rayleigh, S. 160.
2) Von M. Wien sind andere Größen als Koppelungskoeffizienten
bezeichnet worden. Fär die von mir hier diskutierten Probleme eignet
sich die Größe K sehr gut, um die dynamische Verbindung der beiden
Massen zu charakterisieren.
292
0. Frank
Ist K nahe 1, d. h. die Koppelung enge, so erhält inan
unter den entsprechenden Vernachlässigungen:
9 O
n\ng
für die langsamere Schwingung n\ = ^
A ^ B j..
+ n|
, , raschere , nl = — ^
Wird noch wa = w/?, wie dies bei dem rationell gebauten
Hebel- oder Federmanorneter der Fall ist, so ergibt sich:
oder
V\ — K '
Das für die Untersuchung des Kreislaufes gebrauchte Hebel-
manometer besteht aus einer mit Flüssigkeit gefüllten Röhre,
deren eines Ende mit dem Kreislaufsystem in offener Verbin-
dung steht, während das andere durch eine Membran (gewöhn-
lich aus Gummi) abgeschlossen ist. Auf der Membran ist eine
starre Platte zentrisch befestigt. Die Exkursion der Platte
wird durch einen materiellen Schreibhebel vergröbert aufge-
schrieben. Die Massen, die hier in Betracht kommen, sind
erstens die auf den Verbindungspunkt des Hebels mit der
Platte „reduzierte“ Masse des Hebels.^) Ferner die „wirksame“
Masse M' der Flüssigkeit. Zur Berechnung der Trägheitskräfte
der Flüssigkeit habe ich den Ausdruck J/' = Q ^ eingeführt.
Er hat .sich vollkommen bewährt. Ich komme auf seine Be-
deutung unten zurück. Die Verrückungen des Systems be-
stehen in der linearen Verrückung / der Platte, mit welcher der
Hebel gelenkig verbunden ist bzw. des Verbindungspunktes von
9 Der Begriff der reduzierten Masse wurde von mir in meiner
ersten Abhandlung über die Theorie der Registrierinstrumente eingeführt.
Ihre Einführung wurde bemängelt; sie ist aber in der technischen Mechanik
z. B. bei der einfachen Kreisbewegung einer Scheibe und in der allge-
meinen Mechanik bei Gelenksystemen durchaus bewährt.
Anwendung»' des Prinzips der gekoppelten Schwingungen etc. 293
Membran und Hebel (s. oben). Ferner in der Verrückung
der Flüssigkeit. Ich bestimme sie nach dem Durchgang des
Volumens V durch den Querschnitt der Röhre. (Fluß oder
Strom.) Die Elastizitätskoeffizienten des Systems bestehen ein-
mal in der durch die Einheit der Verrückung f geweckten
elastischen Kraft rj. Weiter in der durch die Einheit der
Volumverrückung erzeugten elastischen Kraft E‘. Auf diesen
Grundzügen läßt sich zunächst die Statik des Systems aufbauen.
E' ist bei einer gleichmäßig mit der Spannung S gespannten
Membran von dem Radius r und dem Verhältnis d des Platten-
8 S
radius zum Radius der Membran = —r— — . v bemißt
r*(l — 0^)71
271 S
sich zu
(3'
Außerdem kommt für
die Gleichgewichts-
verhältnisse noch die Empfindlichkeit, d. h. die Verrückung f
für die Druckeinheit in Betracht. Sie ist = y =
r^(l-d^)
4/S'
(vgl. Physiologische Methodik, herausgegeben von Tigerstedt,
Abschnitt Haemodynamik, S. 14 — 16).
Läßt man die Kraft P und den Druck p auf das System
einwirken, so ergeben sich folgende Verrückungen:
V = P y p\E‘
P
n
f= -\-pr-
Daraus berechnen sich umgekehrt für die Verrückungen V
und f der entwickelte Druck p bzw. die Kraft P
P =
VE' — fi]yE‘
1 — rjy^E'
frj — VrjyE'
1 — rjy'^E'
(Masse w, = JP)
(Masse = m)
E'
-Yjy
2^, entspricht also dem Koeffizienten A der obigen
^ dem Koeffizienten B und dem
i]y^E 1 — yjy^E
Gleichung,
294
O. Frank
Koeffizienten C. Der Koppelungsfaktor K ist also =
Bei meinen früheren angenäherten Berechnungen der Schwin-
gungszahlen des Hebelmanometers habe ich schon die Bedeu-
tung dieser Größe erkannt, ich hatte sie mit ^ bezeichnet
<P
(vgl. Tab. der „Hämodynamik“, S. 18). Die 2 Schwingungs-
zahlen des Systems berechnen sich nach den obigen Formeln 2
und 4. Wenn die Platte groß wird, dann ist K groß und die
Koppelung enge. Ich habe früher darauf hingewiesen, daß
es wünschenswert ist, die Platte möglichst groß zu wählen
bzw. das Membranmanometer einem Kolbenmanometer mög-
lichst ähnlich zu gestalten. Dann liegt der Fall, der in den
obigen Gleichungen 6 beschrieben ist, vor. Und die lang-
samste Schwingung kann nach der Formel T — V TJ
berechnet werden. Nach dieser Formel habe ich früher das
Hebelmanometer in Anlehnung an die Verhältnisse des Kolben-
manometers berechnet. Die Differenz gegenüber der Formel 2
und 4 ist geringfügig bei den in der Physiologie gebrauchten,
rationell gebauten Manometern. Da für diese, wie ich nach-
gewiesen habe, die beiden Schwingungszahlen der Einzel-
systeme Ä und B gleich gemacht werden müssen, so kann
man den äußersten Fehler, der überhaupt bei der Anwendung
meiner früheren Formel begangen wird, berechnen, wenn d
bzw. Al = 0 ist. Er beträgt dann 40®/o.
2. Das Federraanometer. Bei dem von Fick vorge-
schlagenen Federmanometer drückt gegen die Platte eine Feder.
Die elastische Kraft der Feder kann durch Torsion oder durch
Biegung erzeugt sein. Bei der Konstruktion dieses wichtigen
Instrumentes verfolgt man, wie ich früher auseinandergesetzt
habe, die Absicht, die wechselnde und unvollkommene Ela-
stizität des Kautschuks der Membranmanometer durch die Ela-
stizität von Metallen zu ersetzen. Die Membran soll eigent-
lich nur zur Abdichtung dienen. In der Grenze wird dann
das Federmanometer mit dem aus technischen Gründen unver-
wendbaren Kolbenmanometer identisch. Um ziflfermäßig den
Anwendung des Prinzips der gekoppelten Schwingungen etc. 295
Anteil der Grummielastizität an den Leistungen des Federmano-
meters festzustellen, habe ich das Verhältnis eingeführt,
das sich aus folgender Gleichung ergibt:
■)] = n- E,
wobei E der Elastizitätskoeffizient der Feder ist. Die mit
7, E\ (p bezeichneten Größen sind die gleichen Funktionen der
Spannung und der Radien wie bei dem Membranmanometer.
Die den obigen Gleichungen analogen lauten hier;
V={P-Ef)y + plE‘
r P-Ef ,
/= Vp-y.
Daraus ergibt sich weiter:
VE' — friyE'
l-,y^E‘
^ f\t] -F E—rjy^E‘E)— VtyyE'
1 — rjy^E'
Der Koeffizient A ist also =
E‘ cp
E{ncp -f- — 1)
cp — l
cp
1
Der Koeffizient B
und C =
1
y {cp — 1)
. Der Koppelungsfaktor
wird zu ; -. In meinen früheren Abhandlungen habe
np p — 1
ich ihn mit 1/^ bezeichnet. Bei dem von Fetter und mir
nach den Ergebnissen der Theorie konstruierten Manometer
betragen die Konstanten:
n = 0.1, d = 0.8, also - = 0.9835, ^ = 0.8424,
Cp ^
2r = 0.89, m = SQ.7, il/'=100.
i;= 5.7x10®, = 0.57x10®.
Der Koppelungsfaktor beläuft sich auf 0.8424. Die kürzere
Schwingung ist bei der Russschreibung, für die das Instrument
0 Selbstverständlich nicht mit der Schwingungszahl zu verwechseln.
0. Frank
29()
selbstverständlich bestimmt ist, nicht zu ermitteln. Sie wurde
in einem besonderen Versuch, bei dem ein Gewicht statt der
reduzierten Masse des Hebels mit der Platte verbunden wurde,
durch optische Registrierung festgestellt. Es sind Schwin-
gungen, die auf die Hauptschwingung aufgesetzt erscheinen.
Die aus den obigen Daten nach der Formel 7 berechnete
Schwingungszahl, wonach sie 5.04 fachgröher als diejenige
der Hauptschwingung sein sollte, stimmt sehr gut mit der
beobachteten überein. Es ist also nicht mehr der geringste
Zweifel, dah sowohl das Hebelmanometer als das Federmano-
meter in der angegebenen Weise als System von 2 Freibeits-
graden endgültig beschrieben ist. Der Fehler, den ich nach
meiner früheren Formel, vgl. S. 294, für die Berechnung der
Hauptschwißgung begangen habe, beträgt nur 2°lo.
3. Luftsäule in einer zylindrischen Röhre, die an
beiden Seiten mit einer Membran verschlossen ist.
Die Membran wird zunächst als masselos behandelt. Die Lösung
dieses Problems ist wertvoll für die Behandlung der unter den
nächsten Nummern angeführten Aufgaben. Vor allem für die
Theorie der Lufttransmission. Bei der Analyse dieser und ähn-
licher Probleme habe ich mich mit großem Vorteil einer Be-
ziehung bedient, die ich in der folgenden Formel kurz ausdrücke:
»Ir = Elastische Kraft, m, ist die Masse eines Teils oder
Elementes des Systems, ir seine maximale Verrückung und die
elastische Kraft ist die an dem Systemteil wirkende, sinn-
gemäß gebildete Komponente der elastischen Kraft. Sie muß
umgekehrte Richtung wie die Verrückung haben. Es ist eine
Gleichung, die sich auf Grund des d’ Alembertschen Prinzips
ergibt für solche Bewegungen des Systems, bei denen vermöge
der Anfangsbedingungen die sämtlichen Teile des Systems in
der gleichen Periode n schwingen (vgl. Rayleigh I, S. 107).
Sie ist vollständig analog der für die Behandlung von Luft-
wellen allgemein benutzten Gleichung. Sind die einzelnen Teile
des Systems diskrete Massen, so resultiert für n eine algebrasche
Gleichung von dem Grad, der durch die Anzahl der Massen
bzw. der Freiheitsgrade bestimmt wird. Besteht das ganze
Anwendung des Prinzips der gekoppelten Schwingungen etc. 29 (
System oder ein Teil desselben aus einem kontinuierlichen
Medium, dann werden die Massen zu den Massenelementen
und die elastische Kraft für das Massenelement ergibt sich
aus einer Differentialbeziehung. Das allgemeine Integral der
Differentialgleichung führt zu unendlich vielen Lösungen für n,
d. h. zu unendlich vielen Freiheitsgraden. (Unsere Formel
konnte selbstverständlich auch für die Lösung der Probleme 1
und 2 verwendet werden.) Wendet man das Prinzip auf die
zylindrische Luftsäule von der Länge L und dem Querschnitt Q
an, so erhält man folgende Differentialgleichung:
^
dx^ K
ln ihr ist x der Volumelastizitätskoeffizient der Luft, der
je nach dem es sich um isotherme oder adiabatische Zustands-
änderung handelt, verschieden ist. o ist die Dichte der Luft.
Die Lösung der Gleichung ist:
^ = yd sin (/c a: -p e) , h = w|/^—
271
worin k die Größe (, Wellenzahl“) bedeutet, wie sie in
A
vielen Formeln der Luftschwingungen und Wellen vorkommt.
Die Elastizität der Membranen drücke ich wieder durch die-
selben Koeffizienten {E“) aus, wie sie in den vorhergehenden
Problemen benutzt worden sind. Ich bezeichne sie mit e, und e.^.
Darnach lauten die Grenzbedingungen :
oder:
e, Qsin e = ;< cos£ und ^ sin (A'Z/ -p e) = — cos (/c L -p e)
bzw. tan e = und tan (kL -p e) = — -.
Qe^ Qe^
Mit diesen zwei Gleichungen zur Bestimmung von k und e
ist die Lösung des Problems gegeben. Interessant ist die Be-
handlung der Grenzfälle.
298
0. Frank
a) Wenn die eine Membran durch eine starre Wand er-
setzt wird, d. h. e^= co wird, erhalten wir;
tane = und liL e = n bzw. jhtt.
b) Wenn noch unendlich wird, resultiert
e = 0 und TcL = m 71 oder / = 2 Ljm.
Die bekannte Lösung für die Schwingungen einer Luft-
säule in einer an beiden Enden geschlossenen zylindrischen Röhre.
c) Wenn statt dessen = Null wird, d. h. die Röhre am
Anfang offen ist, ergibt sich:
£=^ und kL = 7i(2m — l)/2 oder P. — 4: Lj (2m — 1).
Die Lösung für eine gedeckte Pfeife.
d) Wenn Null ist und am anderen Ende die Röhre
durch eine Membran verschlossen ist, ergibt sich:
£=| und tm(kL+ 2) = ^
oder nach einigen Umformungen:
tan TcL = .
kx
Wird auch diese Membran durch eine starre Platte ersetzt,
so resultiert wieder die Gleichung
kL — 7i(2m — l)/2 (vgl. c)
e) Wird e, und Cg = Null, d. h. die Röhre an beiden Seiten
offen, so wird kL = (m — l)7i und für den Grundton ä: = 0,
n = 0 und / = 00 . Dies Resultat widerspricht scheinbar der
üblichen Behauptung, daß die Wellenlänge des tiefsten Tones
für eine an beiden Seiten offenen Pfeife = 2 L ist. Aber dieser
Ton ist zweifellos der erste Oberton des Systems. Der Grund-
ton muß tiefer sein als der Ton, den eine an beiden Seiten
geschlossene Röhre gibt. Denn bei dem letzteren Fall steht
das System unter einem Zwang und seine Schwingungen müssen
Anwendung des Prinzips der gekoppelten Schwingungen etc. 299
nach Rayleigh zwischen den Schwingungen der an beiden Seiten
offenen Röhre liegen. Der ideale Grenzfall bietet ein gewisses
systematisches Interesse. Es erscheint aber auch nicht ausge-
schlossen, den beliebig tiefen Grundton experimentell darzustellen.
Sehr bemerkenswerte Resultate ergeben sich, wenn die Flüs-
sigkeit inkompressibel oder schwach kompressibel gemacht wird,
f) Es resultiert dann, wenn x = oo ist :
lim tane = oo und lim tan {kL -j- f) = — ; £ und JcL s
werden nahezu
+
71
2 ■
71
Setzt man e = ■
7 und kL -j- ^ + d, worin 7
U
und d unendlich kleine Winkel sind, so erhält man schließlich:
kL = y d = (e, bzw.
n" =
(g; -j- e,) Q
L-o
d. h. die Formel für die Schwingung einer Flüssigkeitssäule,
die von den Membranen mit den Koeffizienten g, und gg be-
grenzt ist. Es ist der Ausdruck für die Schwingungszahl des
von mir als optisches Manometer bezeichneten Systems, vgl.
Ap
S. 289. In ihm ist die wirksame Masse M' =
enthalten.
g) Kann die Flüssigkeit nicht mehr als absolut inkom-
pressibel betrachtet werden, so muß von der Reihenentwick-
lung für arc tang auch das zweite Glied — berücksichtigt
o
werden. Es ergibt sich dann
Berücksichtigt man, daß k’^ annähernd =
' ¥
Lk
(g, -f gg) ist
(vgl. oben unter f und S. 297), so erhält man
^2 _ 0^1 + 1 1 _ LQ{e\-\- 62) I
Lq ( S H (e^ -\- e^y \
800
0. Frank
Ich habe früher gezeigt, dah bei den leistungsfähigsten
Manometern die Kompressibilität der Flüssigkeit nicht mehr
vernachlässigt werden kann. Wir erhalten in dem Summanden
in der Klammer einen Korrekturfaktor für die Berechnung der
O
Schwingungszahl bei solchen Systemen.
Instruktiv werden diese analytischen Beziehungen, wenn
man sie graphisch darstellt. Die Länge der Luft bzw. Flüssig-
keitssäule stellen dann verschieden lange Teile einer Sinus-
kurve dar. In dem Fall 3 b reicht die Länge von 0 bis ti, in
■Jl
dem Fall 3 c von 0 bis . Am interessantesten erweisen sich
(Li
die Fälle 3e, f, g. Bei ihnen umgreift die Länge der Säule
nur das Maximum der Sinuskurve. Dadurch wird es erreicht,
daß die Verrückungen für die ganze Länge der Flüssigkeits-
säule bzw. der Luftsäule gleich groß werden.
Zu genau denselben Ergebnissen führt die Analyse der
Schwingungen einer schweren Saite, die an masselosen Federn
aufgehängt ist.
4. Angenäherte Berechnung des Problems 3. Ehe
ich die volle Lösung des Problems 3 erreicht hatte, habe ich
eine angenäherte versucht. Man kann aus Rayleigh Art. 89
ersehen, daß angenäherte Berechnungen, wenn sie sinngemäß
durchgeführt werden, überraschend genau ausfallen. Sie er-
möglichen zunächst nur die Berechnung der tiefsten Schwin-
gung des Systems, aber auch die höheren lassen sich durch
besondere Kunstgriffe ermitteln. Das Prinzip der angenäherten
Berechnung, die ich im folgenden nur ganz kurz angebe, be-
ruht darauf, den Teilen des Systems eine willkürlich aber
vernünftig ausgewählte Verrückung zu erteilen, dann die
maximale potentielle Energie und die maximale kinetische
Energie der Schwingung zu berechnen. Ich lasse die Ele-
mentarscheiben der Luftsäule Verrückungen durchmachen in
Form einer parabolischen Funktion der Strecke x. Sie resul-
tiert bei der Saite, wenn sie gleichmäßig belastet wird, und
bei der senkrecht gestellten Luftsäule, wenn sie sich unter
ihrem eigenen Gewicht verrückt. Die Rechnungen sind ein-
Anwendung des Prinzips der gekoppelten Schwingungen etc. 301
fach, aber ziemlich langwierig und führen für die maximale
während einer Sch.vingung entwickelte potentielle Energie zu
dem Ausdruck
e,e,L^(f + {ie,y. + ie,>c)L(^ 12y.^
24 (e, e^LQ e^y. -f-
Für die maximale kinetische Energie ergibt sich :
4- 7e,e2(e, + e^)UQ^y. + [16(e, e^Y -)- lOe^e^]
+ 80 (e, + e,,)LQy.^ + 120x4}.
Die Schwingungszahl ergibt sich, wenn man diese beiden
Energien gleich setzt. Es ist bemerkenswert, daß für die Grenz-
fälle Werte resultieren, die den nach 3 berechneten außer-
ordentlich nahe kommen. So erhalten wir für den Fall 3 b
statt des Wertes 2L:l.99L und bei dem Fall 3 c statt 4Z
: 3.97 L. Wenn die Flüssigkeit inkompressibel bzw. schwach
kompressibel ist, dann erhält man dieselben Beziehungen wie
bei der genauen Formel. Damit ist gezeigt, daß die ange-
näherte Berechnung derartiger Probleme zu außerordentlich
genauen Werten führen kann. Sie wird in vielen Fällen, wenn
die exakte Berechnung nicht durchgeführt werden kann oder
zu umständlich ist, zum Ziel führen.
5. Optisches Manometer (vgl. S. 299) mit ange-
schlossener Luftsäule. Eine interessante Anwendung der
Lösung des Problems 3 oder 4 kann auf folgendes System ge-
macht werden. Es besteht aus einer Röhre vom Querschnitt Q,
in der sich hinter einer Membran zunächst eine Flüssigkeits-
säule von der wirksamen Masse M‘ und darauf eine Luftsäule
von der Länge L befindet. Die Membran 1 fehlt. Damit wird
71
f = — , vgl. 3c. Der Hauptansatz lautet:
Sitznngsb. d. matb.-phys. Kl. Jahrg. 1915.
20
302
0. Frank
Hierin ist F die Volumverrückung der Flüssigkeit. Die
weitere Entwicklung ist folgende :
Vn^ JT = Fe — Alex
bzw. Alex sinÄF = F(e — n^M“) = QAQ,o?,leL{e —
Lösung :
tan leL =
Q{e — Al')
Q{e — le^cUr)
lex
worin c die Schallgeschwindigkeit (adiabatisch oder isotherm)
ist. Man hat das Gefühl, daß dieses System sich wie ein
System von 2 Freiheitsgraden verhalten kann. Ich habe auf
Grund dieser Annahme früher eine angenäherte Berechnung
durchgeführt, die ich hier nicht aufnehme, da sie keine prin-
zipielle Bedeutung hat. Es hat sich gezeigt, daß sie hin-
reichend genau ist. Ich habe sie nämlich an einem Experiment
erprobt, das die Anregung zu diesen Berechnungen gegeben.
Die Richtigkeit der oben angegebenen Gleichung (vgl. 3 f) für
die Schwingung einer Flüssigkeitssäule unter der Einwirkung
einer Membran war angezweifelt worden. Von den Kritikern
ausgeführte Versuche sollten dartun, daß ein solches System
überhaupt keiner Regel folgt und die Schwingungen ganz un-
regelmäßigen schwebungsartigen Charakter tragen. Ich hatte
den Verdacht, daß bei diesen Experimenten Luftsäulen ange-
hängt waren, und habe experimentell gezeigt, daß dann ähn-
liche Schwingungen auftreten , wie sie der Flüssigkeitssäule
allein zugeschrieben waren. Läßt man die Luftsäule weg, so
resultieren schwebungsfreie Schwingungen mit bestimmtem De-
krement, deren Zahl bis auf 1 — 2°/o nach der obigen Formel (3f)
zu berechnen ist. Fügt man die Luftsäule an, so können
Schwebungen auftreten, die sich nach der an genäherten Formel
gut berechnen lassen. Das System stellt sich damit in der
Hauptsache als ein lose gekoppeltes von 2 Freiheitsgraden dar.
Dies muß sich nun auch aus der genauen Formel ergeben.
In der Tat stimmt die Berechnung nach der genauen Formel
noch um 3— 4°/o besser mit der Beobachtung und zwar in
der korrekten Richtung (vgl. Rayleigh, Art. 88, 89). Stellt
Anwendung des Prinzips der gekoppelten Schwingungen etc. 303
man die obige Beziehung graphisch dar, so sieht man, daß
die Funktion der rechten Seite die Tangentenfunktion der
linken Seite schneidet oder schneiden kann und zwar zweimal
von 0 — 71. Von da ab jeweils nur hinter (2m + l)^ usw.
Die zwei ersten Schnittpunkte repräsentieren die Schwingungen,
die miteinander zu Schwebungen interferieren können, wenn
sie nahe genug beieinander liegen.
Um den Koppelungsfaktor zu ermitteln, setze ich den Wert
für die Schwingungszahl des Systems, das aus der Membran
mit Flüssigkeitssäule ohne Luftsäule besteht, in die Gleichung
ein. Der Wert ist n\ = Es ergibt sich dann
A 2r °
oder :
d. h. die Schwingungszahl des gekoppelten Systems kann um
so näher an diejenige des Einzelsystems rücken, je kleiner
der Wert ist, bzw. je größer der Querschnitt der Röhre
und der Elastizitätskoeffizient E' der Membran ist. Eine ganz
ähnliche Beziehung erhält man, wenn man die Schwingungen
eines Systems von 2 Freiheitsgraden berechnet, das besteht
aus 2 diskreten Massen, die an 2 Federn hintereinander auf-
gehängt sind. Dann wird der Koppelungsfaktor =
^2
und um so kleiner, je größer das Verhältnis des Elastizitäts-
koeffizienten der dem Aufhängepunkt benachbarten Feder Cj
zu dem zweiten Elastizitätskoeffizienten e.^ ist.
6. Lufttransmission. Bei dem Verfahren der Lufttrans-
mission, das zu Registrierzwecken wesentlich zuerst von Marey
angewandt worden ist, wird eine Bewegung von einer Stelle
durch eine Luftsäule auf eine Membran übertragen. Das voll-
20*
304
0. Frank
ständige System besteht aus der Röhre, die mit Luft erfüllt
und an beiden Enden durch Membranen verschlossen ist. Wird
die eine Membran deformiert, so deformiert sich die zweite
durch die entsprechenden Druckschwankungen. Die Defor-
mation der zweiten Membran wird durch einen mit ihr ver-
bundenen Hebel aufgeschrieben. Im kompliziertesten Fall wird
die Deformation der ersten Membran ebenfalls durch einen
mit ihr verbundenen Hebel hervorgerufen. Die Schwingungen
dieses komplizierten Systems werden durch Kombination der
Analyse des Falles 1 und des Falles 3 berechnet. Wenn L
und Q Länge und Querschnitt der Luftsäule, ferner Wj und
die reduzierten Massen der beiden Hebel, f\ und die Ex-
kursionen der beiden Platten sind, schreiben sich die Be-
dingungen wie folgt an: {e — E‘, 7, (p haben dieselbe
Bedeutung wie bei 1).
a) Anfang des Systems : x = 0
n^nif
f = - yy.k cos e
V
V = Q sin E = m f y x Je cos eje.
Daraus
eQsine — y.Jccoss
e^sine — y. Je cos E
-f- y y. Je cos e ;
eyii
weiterhin
tanf =
b) Ende des Systems x = L
f= - yy.JecosiJeL + e)
V
V = Q sin {JeL -|- e) = mfy — y.Je cos (Je L -b £)/<?.
Daraus :
Anwendung des Prinzips der gekoppelten Schwingungen etc. 305
Die Größen m, e = E', i], y, (p sind für den Anfang des
Systems {x = 0) und das Ende (a; = 0 und das Ende (x = L)
verschieden.
Eine Diskussion der Schlußergebnisse unterlasse ich. Es
empfiehlt sich, zunächst das Experiment anzusetzen, um aus
den Möglichkeiten, welche die Theorie liefert, diejenigen heraus
zu wählen, die praktisch von Bedeutung sind. Ähnlich wie
die Lufttransmission verhält sich die elektrische Transmission.
7. Schwingungen von Luftsäulen in ungleich weiten
Röhren, x sei die Achse der Röhre, ihr Querschnitt ein Kreis
vom Radius y = fix). Ich nehme vorerst an , daß sich die
Bewegung nur senkrecht zu dem Querschnitt der Röhre voll-
zieht. Die Volumänderung, welche die Querscheibe xßnäx
durch die maximalen Verrückungen ihrer Grundflächen um |
und I -4- f ^ im Verhältnis zu dem Volumen der Querscheibe
im ungestörten Zustand erfährt, berechnet sich zu
cTT ^ ^ ^ n
V y dx dx‘
Darnach ist der Druck in dieser Scheibe
\ y dx ' dx)'
d D
Der DifiFerentialquotient bestimmt die durch die Druck-
vv OC
dilferenz auf beiden Seiten der Scheibe wirkende bewegende
Kraft. Die Differentialgleichung zur Ermittelung der Schwin-
gungszahl lautet demgemäß:
— X
'2dt dy
ydx dx
2 k (dyY, 21 dßy dn
y^ \dx ) y dx^ dx^
Die Formel kann experimentell an einigen einfach ge-
stalteten Röhren verifiziert werden. Ihre Tragweite kann aber
auch bis zu einem gewissen Grade theoretisch voraus bestimmt
30()
0. Frank
werden. Zu dem Zweck wende ich sie auf Probleme an, deren
Lösung bekannt ist. Zunächst auf eine gleichmäßig konische
Rühre. Die Spitze des Konus liege im Anfang der x Achse,
fl sei die Tangente des halben Offnungswinkels des Konus.
y ist dann = fi-x. Die Differentialgleichung wird zu
o =
\xdx
2^ (li\
x^ dx^)'
Ich habe das Integral dieser Differentialgleichung nicht
direkt ermittelt. Aber ich war der Überzeugung, daß es schon
auf einem anderen bewährten Weg gefunden werden kann.
Es ist bekanntlich gelungen, die Schwingung einer Luftmasse
zu berechnen, die in einer Hohlkugel enthalten ist. Die Lösung
dieses Problems basiert auf der Lösung der Gleichung:
\/^<p = 0.
ip ist das Geschwindigkeitspotential, von dem die Bewegung
ableitbar sein soll, die also wirbelfrei ist. Die Lösung dieser
Gleichung unter den bestehenden Grenzbedingungen wird auf
Kugelfunktionen zurückgeführt. Sie ergibt sich in folgender
Form: 99 = A r" S" (ohne den Zeitfaktor). In diesem Aus-
druck ist S„ eine Kugelflächenfunktion n ter Ordnung und
R„ eine Funktion von r allein. Wenn n = 0 ist, resultiert
sin Je r
V
A
Jer
mit der Grenzbedingun
welche die
Schwingungszahl definiert. Dieser Fall entspricht einer Be-
wegung in radiärer Richtung. Man kann aus der Kugel be-
liebige Konuse durch feste Wände abgrenzen, ohne daß die
Schwingungszahlen sich ändern. Es muß also die Gleichung
auch die Lösung für die konische Luftsäule sein. Aus dem
Geschwindigkeitspotential läßt sich die Verrückung in der t Rich-
tung durch Differentiation nach r ermitteln, was ergibt:
t = JcA
/ cos Jer
l, Jer
Vgl. z. B. Lamb, Hydrodynamics, S. 478 oder Rayleigh, toni. II,
S. 2G0 ff.
Anwendung des Pnnzij)s der gekoppelten Schwingungen etc.
Dies müßte die Lösung der obigen Differentialgleichung
sein, wenn unsere Überlegungen stichhaltig sind. In der Tat
trifft dies zu, wie man durch Einsetzen von ^ in die Differen-
tialgleichung ersehen kann {x statt r gesetzt), ü
Wenn man jetzt die allgemeine Differentialgleichung (S. 305)
auf einen weiteren Fall, dessen Lösung bekannt ist, au.szu-
beuten versucht, nämlich für eine Schwingung der in einer
Kugel enthaltenen Luftsäule, die von einem Pol der Kugel zu
dem entgegengesetzten erfolgt, so erkennt man sofort die Grenzen
ihrer Anwendung-smöglichkeit. Wandelt man die Differential-
gleichung für diesen Fall der kugelförmigen Begrenzung um,
und vergleicht sie mit dem nach der obigen Gleichung für
n — \ erhaltenen partikulären Integral, so erkennt man ohne
weiteres, daß es nicht die Lösung der Differentialgleichung
sein kann. Eine nähere Überlegung zeigt, daß meine Diffe-
rentialgleichung zu einer größeren Schwingungszahl führen muß.
Denn bei ihrer Aufstellung wurde angenommen, daß die Be-
wegung streng in einer Richtung parallel zur a; Achse erfolgt.
Dadurch, daß wir diese Annahme gemacht haben, haben wir
dem System einen Zwang auferlegt und die danach berechnete
Schwingungszahl muß größer als die wirkliche sein (vgl. Rayl.,
Art. 88). Dies kann man für den Fall des Konus auch ohne
Kenntnis dieses Rayleighschen Satzes sehen. Konus und Kugel-
sektor stimmen ja nur für kleine üffnungswinkel überein. Für
große üffnungswinkel ist ein Konus, welcher dieselbe Höhe
1) Mehr unmittelbar gelangt man zu der Lösung der Differential-
gleichung, wenn man bedenkt, daß für einen engen Konus r statt x
gesetzt werden kann. Führt man noch statt f das Geschwindigkeits-
potential I
dtp .
dr
in die Differentialgleichung ein, so wird sie zu
d
d r
d^ <p 2 dtp
dr^ r dr
dr
<p 2
Wenn tp wie hier nur von r abhängt, so wird piy
und die Differentialgleichung geht in ~7'^(p -\- k'^cp
sin k r
d(p
dr
0 über, deren nur
von r abhängige Lösung ist: cp = A'
kr
308
O. Frank
wie der Radius des Sektor hat, an Inhalt größer als der Sektor.
Es muß also seine Schwingungszahl kleiner sein als diejenige
des Kugelsektors. Unsere Beziehung ergibt aber die gleiche
Schwingungszahl wie die für den Kugelsektor streng, d. h. für
eine wirbelfreie Bewegung abgeleitete Formel, also für den Konus
eine zu hohe Schwingungszahl. Sie ist nur richtig für einen
Konus von kleiner Öffnung. Man darf so wohl schließen, daß
die Differentialgleichung für enge Röhren richtig ist, streng
wahrscheinlich für Stromröhren. Eine spätere Diskussion wird
dies zu erweisen haben. Aber ich habe gar keinen Zweifel,
daß der Geltungsbereich der Differentialgleichung sehr weit
reicht. Früher angestellte Experimente erweisen dies.ö Wir
haben in eine Röhre von mehrmals plötzlich wechselndem
Querschnitt Flüssigkeit unter dem Einfluß einer Membran
schwingen lassen. Die Schwingungszabl wurde so berechnet,
als ob die Flüssigkeitsbewegung parallel den Wänden erfolgte,
die Stromlinien an den Querschnittsveränderungen also unter-
brochen wurden. Die Abweichung der Beobachtung von der
Rechnung war, trotzdem der Fall extrem gelagert war,
äußerst gering.
Es fragt sich nun, ob es nicht möglich ist, diese Ab-
weichung irgendwie zu schätzen. Hier scheint mir zunächst
ein Weg gegeben durch Benutzung einer Analogie, die Ray-
leigh für ähnliche Verhältnisse mit der elektrischen Strömung
gezogen hat.^) Bei der Berechnung der Schwingungszahlen
von Luftresonatoreu, die aus einem weiten Gefäß mit ange-
schlossenem Hals bestehen, kommt Rayleigh zu der Über-
legung, daß für die Schwingungszahl erstens maßgebend ist
die Kompressibilität der in den Bauch des Resonators einge-
schlossenen im wesentlichen ruhenden Luft, zweitens die Träg-
heit der in dem Hals als inkompressibel behandelten Luftsäule.
Die Trägheit wird bestimmt durch den zweiten Differential-
quotienten des Flusses nach der Zeit und dui'ch eine von der
Brömser-Frank-Petter. Zeitschr. f. Biol., 59, S. 232.
Rayleigh, sound II, S. 181.
Anwendung des Prinzips der gekoppelten Seliwinguiigen etc. 309
Konfiguration des Halses abhängige Konstante. Sie wird gleich
wenn der Hals gleich weit zylindrisch ist und die Strom-
Lj
fäden in den Zylinderwänden parallel verliefen. Sie ist ver-
gleichbar der Leitfähigkeit eines leitenden Körpers für den
elektrischen Strom. (Die Leitfähigkeit entspricht vollständig
dem reciproken Wert der von mir eingeführten wirksamen
Masse Vgl. oben unter 1).
V
Da sowohl der elektrische Strom als die Verrückungen
sich von einem Potential ableiten, kann man aber auch um-
gekehrt die Trägheit aus der Leitfähigkeit eines mit der Röhre
gleich geformten leitenden Körpers entnehmen. Dies ließe sich
durchführen für ähnliche Systeme, wie sie bei den obigen
Experimenten benutzt worden sind, bei denen die Flüssigkeit
inkompressibel ist, also auch für Manometer mit optischer
Registrierung. Viel schwieriger liegen jedoch die Verhältnis.se
für die kompressible Luft. Hier müßte die Erhöhung der
lebendigen Kraft gegenüber der angenommenen, aus der grad-
linigen Bewegung sich ergebenden, für möglichst kleine Ab-
schnitte der Röhre einzeln angesetzt werden. Es wird kaum
möglich sein, die Leitfähigkeit so festzustellen, daß die ein-
zelnen Stücke einer Röhre sich richtig aneinander schließen
würden. Dagegen dürfte eine andere Methode zum Ziel führen,
die auf dem obigen Experiment beruht. Man verschließt die
Röhrenstücke an beiden Seiten mit Membranen, nachdem sie
mit einer inkompressihlen Flüssigkeit gefüllt worden sind, und
stellt nun die Abweichung der beobachteten Schwingungszahl
von der unter der Voraussetzung einer gradlinigen Bewegung
berechneten fest.
8. Schwingungen der Luft in den Vokalräumen.
Von wesentlich größerer Bedeutung für physiologische Zwecke
ist die Berechnung der Schwingungen einer Luftsäule, die in
einem unregelmäßigen Hohlraum enthalten ist, für dessen Be-
grenzung sich keine hinreichend einfache Gleichung aufstellen
läßt. Sie kommt nämlich in Betracht für die Theorie der
310
0. Frank
Erzeugung der Vokale durch die , Vokalräume“. Sie bestehen
aus Kehlkopf, Rachen und Mundhöhle. Man muß hier den
Leitfaden der Theorie haben, um sich in dem Gewirre der
empirischen Daten zurecht zu finden. Für die Berechnung der
Hauptschwingung der Luftmasse, die in einem derartigen Raum
schwingt, schlage ich ein Verfahren vor, das in ganz ähnlicher
Weise zuerst für die Berechnung der Schwingungen der Saite
angewandt worden ist, nämlich eine sinngemäße Unterteilung
des Raumes in einzelne Kammern. Wie rasch man durch eine
derartige Berechnung zu genügend genauen Resultaten kommt,
zeigen die folgenden Beispiele.
a) Angenäherte Berechnung der Schwingungsdauer einer
Luftsäule, die sich in einer beiderseits geschlossenen zylindri-
schen Röhre befindet. Ebenso wie bei der Saite werden ent-
sprechende Massen der Luft an den Wänden als stillstehend
angenommen. Teilt man die Röhre in 2 Kammern ein, ver-
legt die halbe Masse in die Mitte und an den beiden Enden
je ein Viertel der Masse, die .sich an diesen Stellen nicht be-
wegen, während nur die mittlere Masse unter dem Einfluß
der Elastizität der beiden Kammern schwingt, so erhält man
bei dieser ganz rohen Anordnung eine Wellenlänge A = 2.22 L,
also eine um ll°/o zu geringe Schwingungszahl. Teilt man
die Röhre in 3 Kammern ein, beläßt je ein Sechstel der Masse
an den Enden, während zwischen den Kammern je ein Drittel
der Masse unter dem Einfluß der Elastizität der Kammern
schwingt, so erhält man ?. = 2.09 L, welcher Wert nur mehr
um 4.5 °/o von dem richtigen abweicht.
b) Führt man dasselbe aus für die diametralen Schwingungen
einer Luftmasse, die sich in einer Hohlkugel befindet, vgl. S. 307,
so erhält man für eine 3 Kammer-Einteilung, wobei das System
2 Freiheitsgrade besitzt, den Wert ~ = 1.566 statt 1.509.
za
Teilt man die Kugel in 4 Kammern ein, so resultiert ^
u ct
= 1.521 statt 1.509, also nur mehr eine Differenz von ^/s^/o-
Im letzten Fall besitzt das vereinfachte System 3 Freiheits-
AnwendunfT des Prinzips der gekoppelten Schwingungen etc. 311
grade und die Behandlung führt zu einer algebraischen Glei-
chung dritten Grades. Geht man noch weiter mit der Kammer-
Einteilung, so macht die Auflösung dieser Gleichung Schwierig-
keiten. Mir erscheint es daher in diesem Fall vorteilhafter,
durch die Einteilung der Säule in 2 oder 3 Kammern einen
angenäherten Wert für die Schwingungszahl auszurechnen und
dann bei der Elimination der Verrückungen aus den verschie-
denen Gleichungen diesen Wert plus einer kleinen Größe d ein-
zusetzen und alle höheren Potenzen als die erst von 6 fortzu-
lassen, so daß schließlich eine lineäre Gleichung für d resultiert.
Das Beispiel des kugelförmigen Raumes trügt insofern
etwas, als es den Anschein erweckt, daß man sich bei der
Einteilung in eine wachsende Zahl von Kammern dem rich-
tigen Wert sukzessive nähern würde. Es ist aber kein Zweifel,
daß dann wegen der ungenauen Annahme über die Bewegung
der wahre Wert unterschritten wird. Denn wir haben hier die-
selbe Grundannahme gemacht wie bei der Aufstellung der obigen
Differentialgleichung (vgl. S. 305) und müssen schließlich eine
zu hohe Schwiugungszahl erhalten. Wir lassen ja ebenfalls
die Bewegung nur in einer Richtung erfolgen, haben das System
also einem Zwang unterworfen. Wenn man hierfür noch eine
Korrektur einführen will, so muß man das obige Verfahren
der experimentellen Bestimmung der wirksamen Masse für die
einzelnen Kammern anwenden (vgl. S. 309).
Die gesamte Energie ist immer größer als diejenige der
wirbelfreien Bewegung, was ebenfalls aus dem Satz von der
Einwirkung eines Zwanges oder aus dem Kelvinschen Theorem
folgt. ^) Die wirkliche Schwingungszahl ist also immer kleiner
als die unter Annahme der Existenz eines Geschwindigkeits-
potentials berechnete.
9. Schwingung einer kreisförmigen Membran.
Angenäherte Berechnung. Die Gleichungen für die Be-
rechnung der Membranschwingungen sind bekannt (vgl. Rayl.,
I, S. 306 — 351). Sie führen auf Besselsche Funktionen. Da
0 Vgl. z. B. Lamb, Hydrodynamics, S. 45, und Rayleigh, Art. 79.
312
0. Frank
die an genähe rte Berechnung der Hauptschwingung eines
Systems von Bedeutung sein kann, gebe ich hier eine solche
für die Membran nach einem von Rayleigh, I, Art. 89 für die
Saite vorgeschlagenen Weg. Ich nehme an, dab die einzelnen
Punkte der Membran eine Schwingung nach der folgenden
Beziehung ausführen.
2, = cos»(jl-(0'|.
Die potentielle Energie berechnet sich daraus wie folgt;
1
Die kinetische Energie des Systems ergibt sich aus fol-
gender Formel:
a
T = \ ^ 2r7id- gy^dr = n^Tid- Q
m‘ a"
2 (m 4- 1) {ni -f- 2)
.)si
sin^
Durch Gleichsetzung der beiden maximalen Werte von V
und T erhält man für die Schwingungszahl
^2 _ (w + l)(>>^ + 2)/g
d-gma^
Da die Schwingungszahl bei einer derartigen Berechnung
nach Rayleigb immer zu hoch wird, hat man m so zu wählen,
daß sie ein Minimum wird, was für m = 2 eintritt. Dann
wird die Schwingungszahl zu |/^;7~ • Sie ist nur 0.4 “/o
höher als die korrekte (vgl. Rayleigh, S. 345). Aber auch
wenn man m = 1 oder 2 entsprechend der Schnittkurve als
gebrochene Grade oder Parabel gewählt hätte, würde die Dif-
ferenz immer gering, nämlich 1.8 ‘'/o sein.
10. Kreisförmige Membran mit einer starren Scheibe
in der Mitte. Radius der Membran = a, Radius der Scheibe
= h, Maße der Scheibe: M. Die Differentialgleichung lautet:
Anwendung des Prinzips der gekoppelten Schwingungen etc. 313
1 rfC n^d-o ^
(^7^ + 7 r?,- “ ~ S~'^'
(Nur symmetrische Schwingungen berücksichtigt.)
Setzt man
d- p
so ist die Lösung
C = ÄJf^{ur) -f BK^{ur).
Jf, und Kq sind Besselsche Funktionen erster und zweiter Art.
Die Grenzbedingungen ergeben sich aus folgender Gleichung:
0 = AJ^{j.ia) -]- BK^{fxa).
Ferner aus der Bewegungs-Gleichung für die Scheibe selbst.
Sie lautet, wenn a der Neigungswinkel der meridionalen Schnitt-
kurve am Rand der Scheibe ist. ^hnSsiaa = Mn^p. Setzt
man statt sin a die Tangente, so erhält man folgende Gleichung:
A f, Ji b) + Bjii Ki (,u h) - - [A J, h) BK, Cu 6)].
Hieraus :
r r . . *^0 (/*
M/i
’2b dp 71
J,{jMb)
K, (/z u)
K,{ab)
Das durch die vorhergehende Gleichung charakterisierte
System wird bei manchen akustischen Registrierungen ver-
wendet, so zum Beispiel bei dem von Hermann vorgeschlagenen.
In ähnlicher AVeise läßt sich auch das AVeißsche Phonoskop
behandeln oder die von Garten vorgeschlagene Methode, bei
der eine Seifenmembran mit eingestreutem Eisenspähnchen der
wesentliche Teil ist.
11. Kreisförmige in der Mitte mit einer starren
Scheibe von der Masse 31 verkittete Platte. Die Phono-
graphen- und Grammophonkapseln sind nach diesem Prinzip
gebaut. Wenn die in folgendem skizzierte Berechnung zu große
Schwierigkeiten bieten sollte, dürfte für unseren Zweck auch
eine angenäherte genügen, die etwa nach dem Schema von
314
0. Frank
Xr. 9 durchgeführt werden inütäte. Die Platte ist am Rand
eingeklemmt. Ebenso ist die Scheibe starr mit dem mittleren
Teil der Platte verbunden.
an
+
u* = n'
= + /t k.
1
r dr
12 Qim^
X
1)
h- E
(m = Koeffizient der Querkontraktion, vgl. Föppl, Festigkeits-
lehre, 1. Aufl., S. 8, h = Dicke der Platte).
Lösung :
;■ = + CK^ifir) -j- l)K^{iiir)
Grenzbedingungen C = 0 für r = a
dl:
dr
= 0
r = b
¥Em^
12(w2 — 1)
d
dr
dr^ ^
1 dC\
r dr)
X 2h7i = 2Lq
für r = h.
12. Einige weitere den unter 9 — 11 Angeführten
verwandte Systeme. Von Ph. Brömser und mir ist zu
akustischen Registrierzwecken eine Kapsel vorgeschlagen wor-
den, in der eine Glimmerplatte eingespannt ist. Auf der
Glimmerplatte ist unmittelbar ein kleines Spiegelchen exzen-
trisch aufgeklebt und zwar an der Stelle, wo der Neigungs-
winkel der Meridiankurve der elastischen Fläche bei der Ein-
wirkung eines hydrostatischen Druckes am größten wird. Das
ist in einer Entfernung von des Radius der Platte der
Fall. Ich habe eine angenäherte Berechnung dieses Systems
in ähnlicher Weise, wie vorher angegeben wurde, durchgeführt
und hierzu die von Föppl, Sitzungsberichte der Akademie
München 1912, S. 155 angegebenen Gleichungen verwendet.
Die Berechnung ist jedoch so kompliziert, daß ich sie vor-
Anwendung des Prinzips der gekoppelten Schwingungen etc. 315
läufig nicht veröffentliche. Erst nach der Ausführung einiger
Experimente wird sich der beste Weg für die Lösung des
Problems ergeben.
Dasselbe gilt für ein System, das aus. einer Membran oder
Platte, deren Masse nicht mehr vernachlässigt werden kann,
und einer an sie angeschlossenen Luftsäule besteht. Seine Be-
rechnung ist wertvoll für die Theorie des Mikrophons und
ähnlicher Apparate mit angeschlossenem Schalltrichter. Auch
hier hat mir eine angenäherte Berechnung eine ziemlich gute
Übereinstimmung mit den Beobachtungen ergeben.
Ganz ähnlich wird sich ferner das schallleitende System
berechnen lassen, das aus Trommelfell, Gehörknöchelchen, den
Membranen in dem ovalen und dem runden Fenster mit der
Flüssigkeit in der Schnecke besteht. Es dürfte sich auf ein
System mit 3 Freiheitsgraden zurückführen lassen, während
bis jetzt noch nicht der geringste Versuch gemacht worden ist,
es überhaupt von dieser Seite zu behandeln.
Auch die Schwingungen einer Membran von der Gestalt
eines Kreissegments, die mit einer segmentförmigen Scheibe
verbunden ist, werden sich mit genügender Annäherung be-
stimmen lassen, nachdem durch Sommerfeld die Deformation
festgestellt worden ist, die sie unter Einwirkung eines hydro-
statischen Druckes erfährt.
317
Über Dirichlets Teilerproblem.
Von Edmutid Landau in Göttingen.
Vorgelegt von A. Pringsheim in der Sitzung am 3. Juli 1915.
Es bezeichne T{n) die Anzahl der Teiler von n und r (x)
für X > 0 die summatorische Funktion^)
[^1
T (ic) = XI T{n)
m=l
X
m
= X 1.
Dirichlet^) hatte
(1) r {x) = x\ogx {2C — \)x-\-0(yx)
bewiesen, wo C die Eulersche Konstante bezeichnet. Erst
Vorono'i^) gelang es, (1) zu verbessern und zwar zu
3
(2) r{x) = x\o^x -j- (2 C — \)x -{■ 0(y xXogx).
Der Vorono'ische Beweis von (2) ist etwa 40 Seiten lang; ein
späterer, ganz verschiedener Beweis von mirD, der gleichfalls
Ü
X bedeute 0.
K = l
2) Uber die Bestimm uitf/ der mittleren Werlhe in der Zahlentheorie
[Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin,
Jahrgang 1849, mathematische Abhandlungen, S. 69 — 83; Werke, Bd. II,
S. 49-66], S. 73 bzw. 56.
Sur nn problcmc du calcul des fonctions asymptoliques [Journal
für die reine und angewandte Mathematik, Bd. CXXVI (1903), S. 241 — 282].
*) Die Bedeutung der Bf ei ff er’ sehen Methode für die analytische
Zahlentheorie [Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissen-
schaften in Wien, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Bd. CXXI
(1912), Abt. II a, S. 2195-2332], S. 2206-2246.
Sitzungsb. <1. math.-phys Kl. Jatirg. 1915.
21
318
E. Landau
im Gebiete der reellen Analysis verläuft, erfordert weniger
Rechnungen, ist aber auch noch recht lang. Meine Behand-
lung^) dieses Problems (im Rahmen einer allgemeineren Unter-
suchung) mit den Mitteln der komplexen Funktionentheorie
hatte zwar auch über (1) hinausgeführt, aber nur bis fast
zu (2), nämlich bis zu bei jedem ^ > 0. Dafür hatte
diese komplexe Methode das über
Tk (aj) = 1.' Tk (w) = 1 (k > 2)
n=l ...
(Anzahl der Zerlegungen aller Zahlen bis a: in ä: Faktoren)
Bekannte zu
(3) Tk{x) = x{bk-\ log*-’ x-j- h Öq) + ö ^ )
bei jedem £>0 verschärft; die b sind hierbei Konstanten.
Nunmehr ist es mir gelungen, durch Verschmelzung meiner
beiden alten Methoden und einige weitere Kunstgriffe einen
Weg mit komplexer Funktionentheorie zu finden, der den
ersten kurzen Bew'eis von (2) ergibt und für ä; > 2 das bisher
beste Ergebnis (3) zu
(4) Tkix) = x{bk-\ log*“’ a; -P • • • -f &o) 0 (a;*+’ log*“’ a:)
verschärft.
Und zwar werde ich nicht Tc = 2 besonders, sondern gleich-
zeitig alle A' > 2 behandeln; das Ziel (4) enthält ja (2) genau
als Spezialfäll k = 2. Es sei also k eine feste ganze Zahl > 2.
Hilfssatz I: Es gibt eine absolute Konstante c derart, daß
für alle U > 0 und alle ü ^ 0
. V
(I
ist.
1) Über die Anzahl der Gitterpunkte in gewissen Bereichen [Nach-
richten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen,
mathematisch-physikalische Klasse, .Tahrg. 1912, S. 687 — 771], S. 695—720.
über Dirichlets Teilerprobleni.
319
Beweis: Steht z. B., übrigens mit c= 18 1^2, auf S. 381
meiner Besprechung der Wigertschen Abhandlung Sur quelques
fonctions arithmetiques [Acta Mathematica, Bd. XXXVII (1914),
S. 113 — 140] in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, Jahr-
gang 1915, S. 377 — 414. Die Behauptung deckt sich offenbar^)
mit dem (ebenda nicht vorgekommenen) Spezialfall 7 = — \
des Hilfssatzes 10 meiner oben erwähnten Abhandlung aus den
Göttinger Nachrichten und ist fast wörtlich wie dieser Hilfs-
satz beweisbar; was eben 1. c. geschah.
Hilfssatz 2 : Es sei w > 0. Bann sind die h Integrale
3 + 00 1
; ^ — ds — H(w),
( + 1) ■ ■ ■ (^ +
I cos — 1 (s) 1
— 00 «
j-i- 001
1
tv
,s+fc— 1
(cos®"r(s))‘
s(s -H 1) • • • (s + * — 1)
ds = (w),
^ — Goi
1+00«
Uf
^cos ^r(s)^
ds = Hhiw)
absolut konvergent und zwar hei festem > 0 für 0 < ^ tv^
gleichmäßig, so daß jede dieser Funktionen stetig und (von der
zweiten an) die Ableitung der vorangehenden ist. Also insbesondere:
H{iv) ist kMale differentiierbar, und zwar ist:
Beweis: s werde = o -j- ti gesetzt. Bekanntlich^) ist bei
festem o und sogar (was beim Beweise von Hilfssatz 3 ange-
') Abgesehen von dem unerheblichen Werte der absoluten Kon-
stanten c.
2) Vgl. z. B. S. 702 meiner Arbeit aus den Göttinger Nachrichten.
320
E. Landau
wendet werden wird) bei festem Oj und festem o, > Oj für
Oj < o < O.J gleichmäßig
(5) =
also für 0 = f
r-r N
cos -^r(s)
(cos ™ r(s)^
= o{t ^ ') =
folglich jeder der 7»; -(- 1 Integranden absolut genommen gleich
(v = 7:, . . . , 1, 0) mal einer Funktion von 7, welche 0 {t~ ist.
Hilfssatz 3: Es ist für tv>0 erstens
H h 00 I
2 “ 2k
(6) H{w) =
1
IV
iS+k
1 i ^
00 I
2 * 2fc
cos^As)
Ys(,
)
(s + 1) • • • (s + ^')
ds
1 _ I
~2~Tk
+ 00 f
(7)
J (cosf r(.))‘
s(s -b 1) • • • (s + k)
ds
2 2h
und zweitens
2 2k ^
(8)
m^xv) =
'1(4
1 1
I\s)
ds.
Beweis: 1) Ich wende den Cauchyschen Satz auf den
Integranden in (6), (7) und das Rechteck mit den Ecken
l-m, l + ri, -i±2, + n -|±2V-^'
an, wo (7'>0, 77 > 0 ist. Dasselbe enthält keinen Pol des
über Dirichlets Teilerprübleni.
321
Integranden. (Diese Pole sind ja 1, 3, 5, . . . ad inf. , sowie
die negativen ungeraden Zahlen > — Je.) (6) und (7) werden
also aus Symmetriegründen bewiesen sein, wenn ich für
1
2
1
2 Je
<o<
3
4
gleichmäßig
lim
1 1
cos “ ris)]" + 1) ^
2 /
= 0
zeige; dies folgt aber nach (5) so:
1
= 0 ((<=■")■*■
(cos ^ r(s))‘ + 1) ■ ■ ■ (* +
^1 „ l - kc
= 0\t 2
2) Dieselbe Betrachtung beim Rechteck mit den Ecken
Ui
3 jj. 3 1
j-üt, j + Tt, 2
^ + 1- ^
2ifc ^ ’ 2 2Je
ergibt wegen der für ^ < o < ^ gleichmäßigen Ab-
schätzung
die Behauptung über Hk {iv) = H^^'* (w).
Hilfssatz 4: Bei ivacJisendem w ist
322
E. Landau
Beweis: Bekanntlich') ist bei festem o, wenn «j eine koin-
I)lexe, nur von o abhängige Konstante bezeichnet,
I
1
S7T
COS 2 r{s)
-a -<taog<- 1) , , , ^
= a, ^ e ( 1 -j- 0
Folglich ist, wenn und zwei nur von li abhängige kom-
plexe Konstanten bezeichnen, für o = — ^
21i
1
1
*(» + !)• -(s + i)
“)
(9) =a^t
und für o —
3- —kii(logt—l)
+ OU
(cos^^'As))'
(10)
= Üot '' G ’i ^
(<-).
— - — h fc ti
Der Integrand in (7) ist w ^ w mal dem Aus-
druck (9); der Integrand in (8) ist tv'^
2 2 t
w
mal dem Aus-
druck (10). Also wird offenbar Hilfssatz 4 bewiesen sein,
wenn es gelingt, für «t; > 0, T > 0
. r
('1) <A = A(h)
1) Vgl. z. B. S. 701 meiner Arbeit aus den Göttinger Nachrichten
... 1 ^ 1
für r=—, wahrend = 2e" e -
r(.s) .9.T
cos —
1+«
(;
trivial ist. Übrigens
ergibt sich «1 sogar als absolute Konstante, was aber unerheblich ist.
über Dirichlets Teilerproblem.
323
zu beweisen, wo Ä nicht von tv und T abhängt. Ua nun
^ 1 / 1 \
J1 r — — ll> 1 lOgH — logfe— 1 -lüg io)
= — \u - e ^ ^ 'du
Vk J
0 0
ist, so ist (11) nach Hilfssatz 1 wahr, sogar mit dem absolut
c
konstanten Ä =
K2
Hilfssatz 5: Es sei- 1, A„H{iv) die kte Dif-
ferenz hei jeiveiligem Fortschreiten um v:
(12)
A^Hiiv) = H(tv + kv)
->-(D
S (w -|" (k — 1 ) ?^)
Behauptet wird die Existenz zweier nur von k, nicht von v, ir
abhängiger Konstanten Ä^, so daß
ist.
A„ H{iv) < A
A^Hiiv) <,A^v'‘iv
1 ^
Beweis: Nach Hiifssatz 4 ist für «(; > 1
(13) \H{w) <A^w
und
(14) < A^tv
1) Nach (12) und (13) ist
1
2 2k
A ^H{iv)\<A^ f (w 4- k w) ■'* “ * ^ ( 1 )
- + fc
2 2ft^
1 1
IV
2 2 k
_j ^ (^1 -1-
2) Wegen
AJf(tv) = J dn\ j dw^ • • • J
+ '<
JO + 0 »'1 + K — I "b *
10 JOj
"’/t-l
324
E. Landau
ist nach (14)
J h 11
•Je H (H') I <C (vf ]i <(•) 2 2/t ^ Jii- -k
Hilfssatz 6; Es ist
—■ f
I rr e J
+ 1) • • • (s + Ä’)
0
für 0 <y^\.
Beweis. Steht z. B. auf S. 380 meiner Besprechung' der
Wigertschen Arbeit.
Es ist für a > 1
=(cw)‘.
«=i n®
Die Riemannsche Funktionalgleichuno-
(15)
gibt demnach
t (1 — s) = cos /’(s) : (s)
1
also für o < 0
(16) Z(s) =
cosy r(s)^
Z(1 — s),
2*
(cos^^A.))^^.
^ n ^ ^
Ich setze für a; > 0 zur Abkürzung
O
1 M
1 M %
^ L' (”) — w)*' = J (?a;, I (?a;2 • • • J TA(a;*) dx^.
” — * (IO o
Dann ergibt Hilfssatz 6 für a;>0
2+00 1
^+fc
2+ai
2 — X I
S(5 + l)---(5 + Ä-)
^+/t
5(s+l)-- -(s+Ä*)^", n'
=£ri(n)>!\- ( , I
+a I / \ 5+*
« = 1
2.TiJ s(s+l)- ••(«+/.')
2 — X I
1 W (x \*
, r ^A-(»)«‘- - lj = <P{x).
über Dirichlets Teilerproblem.
325
Nun werde der Cauchysche Satz auf das Rechteck mit
den Ecken
2 — Ui, 2 + Ti,
l + 2/,: +
1
2k
— Ui
(wo T>0, > 0 ist) und den Integranden
(17)
s(s+l)..-(s + Ä:)^^"^
angewendet. Darin liegt der Pol kter Ordnung s = 1 und der
Pol erster Ordnung s = 0 mit der Residuensurame
R(x) == (^fc_ilog*-i aj + i/o) +
wo git-i, ■■ -1 g reelle Konstanten bezeichnen (die nur von k
und ihrem Index abhängen). Das Integral über die wage-
rechten Rechtecksseiten strebt gegen Null, da bekanntlich^) für
ö > — + 2^^ gleichmäßig
also für — ^ -h ^_<ö<2 gleichmäßig der Integrand (17)
^ ciK> ~ '
0
= 0(1)
ist. Demnach ist
1,1,.
J 4- 00 t
2 ^ 2fc “
f (.) = - Jä(.) = J mäs,
1,1
2 2fc
folglich nach (16)
2 2
1 1 r a;'’+'‘
2711 2'‘J «(s-p l)---(s-l-^)
’ I 1
(2* 71* w)® (7 s.
1) Man pflegt es aus (15) abzuleiten.
326
E. Landau
(19)
Hier ist Vertauschung von Summation und Integration er-
laubt, da
1
s(s -|- 1) • • • (s “h f
cos-^r(s) '”-1
y; {2’‘ji'‘ny
= 0\t 2
. ist. Demnach ist
Fix).
(_ 4-00»
2 ^ 2k^
T,in) r
n=l
JR
r(s)
^(s+l)---ls+^')
ds
1 1
— 4- 00 1
2 ^ 2k
= -2.+.+i. t
n = 1
(18)
nach (6).
&-1
Nun setze ich für a;> 1, indem ^ die Bedeutung x^^ hat,
zl, F(x) = F(x + k^)-{ ^jF(xF(k-l)^) + ----h(- l)'‘F(x).
Dann ist nach (12) und (18) für a: > 1
Tkin)
^sF(x) 2i+ic+it’‘ ^i+ic^ ^ w'‘+‘
n=l
worin iv = 2’‘7i'‘nx, v = 2’‘7i^nz gesetzt ist. Nach Hilfssatz 5
ist demnach
Tuin)^,.
fc(fc-i) 1111
zl,idR)3=0L t^Min.U 2 2fe' ^ 2 2fc' ,n'':c'‘+iw2 2*^2 2fc
t-l
]
'ik
+ k
V
3M
i . *
n^'^2k.
über Uiriclilets Teilerproblem.
327
Bekanntlich ist, nämlich als leichte Folge der rohesten Ab-
schätzung Tk(x) — 0 (x x) ,
■ für;, <1
und
” Tk(n)
^ n'- für/>l;
(19) liefert also
/ ^-1) 1 1 ft— 1 / 1 ]\ \
d,F(x) = 0\X’‘ + ^ 2
-h 0 (a;“2“'2i+*+A-+i(-2-^\ogft-i^j
= U {x’‘-'^ log*--' x) = 0 (.är'‘+l log*“-' x).
Nun ist
J, R (x) = i?'*') (I) ( < ^ «< a: + Jcx^) ,
also, wegen
R^x^x) = x{bk^i log*‘-'a: -1 [.
Ag R (x) = 0’‘(x{bic—\ log*““' X Ar l> -{' 0 {s log*“—' a;))
= z'‘x{b,_^ log*=-’ a; -1 f- ^o) + log'^-'a;),
A, (P{x) = A,F{x) -|- A,R{x)
(20) = z’^x{bk-x log^-'a; H H U + ö(^'‘+' log*-'a;).
Wegen
x+e Xj-l-x 1+^
A, <P{x)= l’ dx^ ^ dx.^. . . ^Th {Xk) dxk
ist Xk^i
(21) Tft (a;) < ^ (a;) z’^ {x -[- ^•^).
Aus (20) und (21) folgt erstens
(22) Tk{x)^x{bk-i log'‘-’a; -1 h ^o) + Ö (a;*+i log*‘-'a:),
zweitens
Tu [x + l-x^^ > X {bk-x log*'-' a: -1 h ^o) + Ö (a;'‘+' log"-' a:) ,
ft-i
d. h., X F = y als neue Variable eingeführt,
328
E. Landau, Über Diriclilets Teilerproblem.
Tk
{>/)^iy + o{y'‘^')){hk-,i\ogy-{-o{y+^ ')) 6^
;.-i
+ 0 \ ?/*'+! log*“"' y)
(23) = y {hk-x log*'-' y-\ h ^o) + ^ (</'“+' log*'“’ y)
(22) und (23) besagen zusammen ^ ^
(4) Xk (x) = X {bk -I log* -^x-\ H ^o) + log*-' a
Der Spezialfall Ic = 2 der Identität (18) steht (wenn auch
mit längerem Beweis) schon^) in der Voronoi'schen Arbeit Siir
une fonction tramcendante et ses applications ä la sommaüon de
quelques S(ries^), S. 497, Z. 3 v. u. Voronoi hat aber nicht
bemerkt, daß der lange direkte Beweis von (2) in seiner anderen
Arbeit (aus Grelles Journal) durch die obige kurze Schluß-
weise von (18) aus ersetzt werden kann; die von mir ver-
wandten asymptotischen Abschätzungen®) der Funktionen H{;tv)
und iif^*^(tt) kommen^) in jener Arbeit (aus den Annales de
l’Ecole Normale) vor, soweit es sich um seinen Fall k = 2 handelt.
Göttingen, den 21. Juni 1915.
1) Der Leser, welcher die gliedweise Übereinstimmung beider For-
meln verifizieren will, muß sich z. B. durch Anwendung des C au chy sehen
Satzes davon überzeugen, daß (für Ic = 2) mein H{w) gleich — 2.'ri mal
der Residuensumme des Integranden in den Polen 1, 3, 5, . . . ist, und
daß diese Residuensumme
. » „>2A4-3
log?c + 2C-
ist, also in Vorono’ischer Bezeichnung =
1 + 2 + -
+
2I+3
))
sdsW — VsW).
2) Annales scientifiques de l’Ücole Normale superieure, Ser. III,
Bd. XXI (1904), S. 207— 2G7 und S. 459—533.
*) Nicht etwa die Fassung des obigen Hilfssatzes 5 und seine An-
wendung, worin gerade mein (der Pfeifferschen Methode entnommener)
Ausgangspunkt besteht.
Ü Wenn man den in der drittletzten Fußnote angedeuteten Über-
gang von J{{ic) zu Vorono'is Funktionen hinzunimmt.
329
Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in
München und Lageändsrnng von Hanptdreiecks-
punkten in Südbayern.
Von M. Schmidt
mit 1 Tafel.
Vorgetragen in der Sitzung am 6. November 1915.
Im Jahre 1914 ist an dieser Stelle über die Ergebnisse der
Untersuchung von regionalen und lokalen Bodensenkungen im
oberbayerischen Alpenvorland auf Grund geometrischer Höhen-
messungen durch Feinnivellements berichtet worden, die im
Bereich der Inn-Salzachplatte zur Ausführung gekommen sind.
Für den Abschluß dieser Arbeiten schien eine Verbindung
der bisherigen Nivellements mit einigen außerhalb des unter-
suchten Gebietes gelegenen, zuverlässigen Haupthöhenpunkten
des bayerischen Präzisionsnivelleraents und eine Weiterführung
derselben bis München erforderlich.
Diese schon im vergangenen Herbst in Aussicht genom-
menen Arbeiten erlitten durch den Ausbruch des Krieges eine
unerfreuliche Verzögerung und konnten erst in diesem Jahre
wieder aufgenommen werden.
Sobald es die Witterungsverhältnisse im Frühjahr erlaubten,
wurden einige im Stadtbezirk von München gelegene, für den
Nivellementsanschluß in Aussicht genommene ältere Haupt-
höhenpunkte des Präzisionsnivellements auf ihre Unveränder-
lichkeit sorgfältig geprüft.
Hiebei kamen die folgenden, in der Veröffentlichung „Das
Präzisionsnivellement in Bayern rechts des Rheins,
Sitzungsb. d. math.-phys. Kl. Jahrg. 1915. 22
330
M. Schmidt
München 1893“ unter den beigesetzten laufenden Nummern
aufgeführten Höhenpunkte in Betracht, welchen noch die zur
Benützung für spätere Anschlüsse am Friedensdenkmal auf der
Prinzregenten-Terrasse neu festgelegten vier Punkte beigefügt
sind, die noch keine laufenden Nummern erhalten konnten. Um
die seit der erstmaligen Nivellierung der älteren Punkte ein-
getretenen Höhenänderungen auf einen Blick übersehen zu
können, sind den bisher für sie geltenden Höhen über N.N.,
die in erster Linie stehen, die entsprechenden neu ermittelten
Werte und die Unterschiede beider beigefügt worden.
Die Punkte Nr. 1533, 1537, 1548, 1316, 1319 sind wie die
Mehrzahl der Hauptfestpunkte des Präzisionsnivellements durch
10 cm lange und 2 cm starke Messingbolzen mit Vorgesetzten
gußeisernen Höhenschildern bezeichnet.
Bei den unter Nr. 1321, 1322, 2434, 2435 erwähnten
Pfeilern gilt die angegebene Höhe für die wagrecht abge-
glichene Oberfläche. Den Punkt Nr. 1540 bezeichnet eine
durch ein Quadrat von 10 cm Seitenlänge begrenzte Steinfläche.
Die Punkte am Friedensdenkmai sind durch kleine, 5 cm lange
und 2 cm starke, mit Bleiringen gut eingestemmte Bronze-
bolzen mit abgerundeten Köpfen festgelegt, auf welche ebenso
wie auf die Pfeileroberflächen und die Steinmarke die Nivellier-
latten unmittelbar aufgesetzt werden.
Zwischen den in der nachstehenden Tabelle angeführten
Punkten ist in den Monaten April, Mai und September 1915
durch die in der Ausführung von Feinnivellements seit Jahren
geübten Beamten des Geodätischen Instituts der K. Technischen
Hochschule mit einem dem genannten Institute gehörenden,
von der Firma Karl Zeiß in Jena gefertigten, für Feinnivelle-
ments von höchster Genauigkeit bestimmten Nivellierinstrument
mit biaxialem Fernrohr und zwei von derselben Firma bezogenen
Präzisionsnivellierlatten mit Invarbandteilung ein Verbindungs-
nivellement in beiden Richtungen ausgeführt worden, dessen
Genauigkeitsgrad durch den dabei erreichten mittleren zufälligen
Kilometerfehler von ± 0,4 mm gekennzeichnet ist.
Als Ausgangspunkt diente der an einem Mauerpfeiler der
Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in München. »331
Tabelle I.
Nivellementsanschlusspunkte in und bei München.
Nr.
Höhen
über
N.N.
ni
Unter-
schied
mm
Art und Lage des Höhenpunktes
1533
525,3893
525,3873
— 2,0
O J3etriebshauptgebäude in Feldkirchen,
Bahnseite.
1537
532,9458
—
O Güterhalle in München-Ostbahnhof,
Bahnseite, Mittelbau, südöstlicher Pfeiler.
1540
523,9414
523,9397
— 1,7
Q Eiserne Fachwerksbrücke der München-Brau-
nauer Eisenbahn über die Isar in Giesing,
südöstl. Widerlager.
1548
529,0621
529,0596
— 2,5
O Stationshaus in Trudering, Nordseite,
neben dem Expeditionseingang.
1321
514,8467
514,8451
— 1,6
V Polierte Oberfläche des südl. Komparator-
pfeilers iin Hofe der K. Technischen
Hochschule.
1322
514,6702
514,6708
+ 0,6
V Polierte Oberfläche des nördl. Komparator-
pfeilers im Hofe der K. Technischen
Hochschule.
2434
529,0203
529,0112
— 9,1
X. Oberfläche des ovalen Beobachtungspfeilers
im großen Meridiansaal der K. Sternwarte
in Bogenhausen.
2435
535,5378
535,5295
— 8,3
V Oberfläche des Pfeilers unter der westlichen
Kuppel derK. Sternwarte in Bogenhausen.
1316
519,2605
519,2498
— 10,7
O Gebäude derK. Staatsschuldentilgungs-
kasse rechts vom Eingang am Lenbach-
platz.
1319
519,3850
519,3773
— 7,7
©Frauenkirche, nördl. Turm, südl. Wand
neben dem Turmaufgang.
Friedensdenkmal auf der Prinzregenten-
terrasse, 2. Sockelstufe;
NWE
523,4024
—
Iff nordwestl. Ecke,
SWE
523,4085
—
Io. südwestl. Ecke,
SOE
523,4202
J südöstl. Ecke,
NOE
523,4199
Tj] nordöstl. Ecke.
22’
332
M. Schmidt
massiv aus Ziegelsteinen gebauten großen Güterhalle in München
O.-Bhf durch einen mit Höhenschild gedeckten Messingbolzen
versicherte Haupthöhenpunkt Nr. 1537, dessen Höhenlage sich
durch die in den Jahren 1913 und 1915 von vorgenannten
Beobachtern in beiden Richtungen nach den beiderseits auf der
Bahnlinie München-Braunau gelegenen, 4,4 bzw. 4,0 km ent-
fernten Nachbarpunkten Nr. 1540 und 1548 und nach dem auf
der Bahnstrecke nach Mühldorf 9,6 km von München O.-Bhf
entfernten Punkt Nr. 1533 ausgeführten Feinnivellements als
unverändert erwiesen hatte.
Gegenüber der im Jahre 1872 vorgenommenen erstmaligen
Nivellierung dieser vier Punkte ergab das wiederholte Nivelle-
ment nur Abweichungen von — 1,7 bis — 2,5 mm, welche
innerhalb der Grenzen der zulässigen Nivellierfehler liegen.
Es kann daher die Höhenlage aller vier Punkte als unverändert
angesehen werden.
Als besonders zuverlässig und für den Anschluß weiterer
Nivellements geeignet, erscheint der auf dem südöstlichen
Widerlager der Isarbrücke durch eine in Granit gehauene
Steinmarke festgelegte Punkt Nr. 1540.
Die im Jahre 1868 ausgeführte Gründung der Brücke, auf
welcher die München -Braunauer Bahn die Isar südlich von
München überschreitet, ist in den Technischen Mitteilungen
über den Bau der K. B. Staatseisenbahnen von Oberingenieur
Schnorr v. Carolsfeld in der Zeitschr. des Bayer. Architekten-
u. Ing.-Vereins, III. Bd., 1871, S. 85 ff. eingehend beschrieben.
Hiernach ist die Beschaffenheit des Untergrundes dieses
Bauwerkes durch Anwendung des Erdbohrers untersucht worden.
Die Bohrungen ergaben bis 3 m Tiefe lockeren Kies, sodann
eine 3 bis 3,5 m mächtige Sandschicht, welche so fest gelagert
ist, daß sie dem Eindringen der mit der Kunstramme geschla-
genen Pfähle ein fast absolutes Hindernis entgegenstellte. Dar-
unter erreichte die Bohrung den Flinz, jenes sandig-mergelige
Gebilde, welches als alter Meeresboden in einer bisher noch
nicht ergründeten Mächtigkeit das ganze südliche Bayern durch-
zieht. Die Bohrungen wurden in diesem Material auf unge-
Senkiingserscheinun^en an der Frauenkirche in München.
333
fahr 15m Tiefe geführt. Die Flinzmasse zeigte sich als ganz
gleichartig, nur die oberen Schichten waren etwas blätterig
gefügt und weniger gebunden als die tieferen.
Da die Widerlager durch Hochwasserdämrae und Ufer-
deckwerke vor jeder Unterspülung geschützt sind, konnte ein
Teil der festen Sandlage unbedenklich unter den von Spund-
wänden eingeschlossenen, 2 m mächtigen Betonfundamenten
belassen werden. Das Mauerwerk besteht von der Betonober-
fläche bis zur Bodengleiche aus Nagelfluhquadern und darüber
aus Granit, welcher auch die Abdeckung der Widerlager bildet
und keinerlei Spuren von Abwitterung bemerken läßt. Die auf
einem der Decksteine angebrachte Steinmarke ist daher unbe-
denklich als sicherer Anschlußpunkt benützt worden.
Die Höhenpunkte Nr. 1321 und Nr. 1322 werden durch
die wagrecht abgeschliffenen Oberflächen zweier im Abstand
von 160 m erbauten „Komparatorpfeiler“ gebildet, die ursprüng-
lich zur Festlegung einer unveränderlichen Streckenlänge für
die Abgleichung geodätischer Längenmaße bestimmt waren.
Die Pfeiler liegen am westlichen Rande der den Hofraum
der K. Technischen Hochschule in der Nordsüdrichtung durch-
ziehenden Fahrstraße und sind rund 5 m von den Fluchtlinien
der nächsten Gebäude entfernt. Sie sind bis zur Bodengleiche
in den aus sandigem Schotter bestehenden Boden versenkt und
durch verschließbare gußeiserne Schutzkästen überdeckt. Die
unterste, auf den in 6 m Tiefe anstehenden festen Flinz auf-
gesetzte Fundamentabteilung der Pfeiler wird durch einen 1,6 m
hohen und ebenso starken Betonzylinder gebildet. Auf diesen
folgt ein vierseitiges Prisma von 3 m Höhe und 1,1 m Geviei't-
seite aus Ziegelmauer werk, das mit einem Werkstück aus Granit
von 0,5 m Höhe und 1 qm Querschnittsfläche abgedeckt ist.
Den Kopf der Pfeiler bildet ein Syenitblock von 0,7 m
Höhe und quadratischer Grundfläche von 0,6 m Seitenlänge.
Die Oberflächen dieser Blöcke tragen in der Mitte eingesetzte
Bronzekegel, deren Achsen die Komparatorlänge begrenzen.
Bei der Auswahl von Hauptfestpunkten für das Präzisions-
nivellement sind die polierten Oberflächen dieser Pfeilerköpfe
334
M. Sebniidt
als besonders zuverlässige Höbenpunkte betrachtet und seither
vor jeder Veränderung sorgfältig bewahrt worden. Ihre Höhen-
lage hat sich seit ihrer ersten Nivellierung im Jahre 1870 durch
die später vorgenommenen Kanalisations- und Gründungsarbeiten
bei der Herstellung umfangreicher Neubauten, die in neuerer
Zeit auf dem Gelände der Technischen Hochschule in der Nähe
der Pfeiler ausgeführt worden sind, nicht geändert.
Die Punkte Nr. 2434 und 2435 sind ebenfalls durch die
wagrechten Oberflächen zweier zur Aufstellung astronomischer
Instrumente bestimmter, bereits im Jahre 1818 erbauter Stein-
pfeiler festgelegt, die, um ihrem Zweck zu entsprechen, be-
sonders sorgfältig gegründet worden sind. Soviel bekannt ist,
wurden an diesen Pfeilern seit ihrer Erbauung keinerlei Ver-
änderungen vorgenommen. Durch die Achse des unter der West-
kuppel stehenden Pfeilers ist zugleich der Hauptdreieckspunkt
der Landesvermessung „München-Sternwarte“ festgelegt.
Auch gegen die Zuverlässigkeit der Höhenmarken Nr. 1316
und 1319 am Gebäude der Staatsschuldenverwaltung und am
Nordturm der Frauenkirche bestanden bisher keine Bedenken,
weshalb auch diese Punkte für den Anschluß der neuerdings
in Oberbayern zur Ausführung gebrachten Feinnivelleraents
beigezogen werden sollten.
Das, wie bereits bemerkt, bei der Höhenmarke Nr. 1537
an der Güterhalle im O.-Bhf München beginnende Nivellement
wurde über den Prinzregentenplatz gegen Nord -West durch
die äußere Prinzregentenstraße, über die das Friedensdenkmal
der Stadt München tragende Prinzregenten-Terrasse und durch
die Prinzregent-Luitpoldstraße bis zur Technischen Hochschule
an der Arcisstraße geführt und besitzt in seiner Hauptlinie eine
Länge von 5,5 km. Von der Prinzregenten-Terrasse aus läuft
in nordöstlicher Richtung die 1,6 km lange Abzweigung nach
der Sternwarte in Bogenhausen. Ein 2,2 km langer weiterer
Zweig führt von der Technischen Hochschule aus in südöst-
licher Richtung nach dem Gebäude der Staatsschuldenverwal-
tung am Lenbachplatz und nach der Frauenkirche.
Am Friedensdenkmal (s. d. Abb.), welches in seinem sicht-
Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in München. 335
F riedensdenkmal.
336
ScliuiicU
baren Hauptteil aus einer mächtigen Steinsäule besteht, die auf
ihrem Kapitäl einen vergoldeten Friedensengel trägt, sind als
feste Höhenpunkte in den vier Ecken der zweiten Stufe des
aus Muschelkalkquadern hergestellten Unterbaues kurze Bronze-
bolzen mit abgerundeten Köpfen eingesetzt und durch ein-
gestemmte Bleiringe befestigt worden, die ein unmittelbares
Aufsetzen der Nivellierlatte gestatten. Diese Höhenpunkte ver-
sprechen eine dauernde Unveränderlichkeit, da sie den gleichen
behördlichen Schutz wie das sie tragende monumentale Bau-
w'erk genießen und durch die sorgfältige Gründung des mas-
sigen Denkmals gegen Höhenanderungen gesichert sind.
Das unterste Fundament des Bauwerks bildet eine Ilm im
Geviert messende, 1,5 m starke Betonplatte, welche 15 m unter
der Terrassenoberfläche in die auch hier den festen Untergrund
bildende Flinzschicht eingebettet ist. Auf dieser Grundplatte
bauen sich mächtige, durch Gewölbe verbundene Pfeilerstel-
lungen auf, welche auf einer Plattform den aus drei Stufen von
0,85 m Breite und 0,55 m Höhe gebildeten Unterbau des eigent-
lichen Denkmals tragen. In die Mitte der diagonal laufenden
O O
Gratlinien der 1,81 m langen und 1,42 m breiten Eckquadern
der mittelsten Stufe sind die vier Festlegungsbolzen dei'art ein-
gesetzt, daß sie dem Beschauer des Denkmals nicht in die
Augen fallen.
Zu den in Tabelle 1 zusammengestellten Nivellements-
ergebnissen ist noch zu bemerken, daß nach denselben außer
den Anschlußpunkten Nr. 1533, 1537, 1540 und 1548 nur noch
die Punkte Nr. 1321 und 1322 an den Komparatorpfeilern der
Technischen Hochschule bis auf kleine den unvermeidlichen
Beobachtungsfehlern zuzuschreibende Unterschiede in ihrer Höhe
unverändert geblieben sind.
Was die scheinbaren Änderungen der Punkte Nr. 2434
und 2435 auf den Pfeilern der Sternwarte in Bogenhausen
anlangt, so ist im Jahre 1874 nach B. M. IV, S. 22 der Höhen-
unterschied zwischen der Steinmarke □ 1535 am Sockel der
Signalglockensäule (Läutebude) bei Bahnwärterposten Ni-. 10
der Münch en-Simbacher Bahnlinie und der Oberfläche des ovalen
Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in München. 337
Beobachtungspfeilers im Meridiansaal der Sternwarte -j- 7,0312 m
gewesen; im Jahre 1915 ist derselbe aber vom Anschlußpunkt
Nr. 1537 aus durch Neumessung um 9,1 mm gröiser gefunden
worden. Die Länge der zwischen den erstgenannten beiden
Punkten liegenden Nivellementsstrecke beträgt 3,81 km.
Nach den älteren im Jahre 1874 geltenden internationalen
Bestimmungen sollte bei Feinnivellements der wahrscheinliche
Kilometerfehler 3,0 mm und der mittlere Fehler 4,5 mm nicht
überschreiten. Für 3,81 km Streckenlänge wird dieser Grenz-
■wert 4,5 • V 3,81 = 8,8 mm. Die vorliegende Abweichung von
9,1 mm liegt daher ganz nahe an der zulässigen Fehlergrenze
und kann durch zufällige Beobachtungsfehler im älteren Nivelle-
ment genügend erklärt werden. Eine Senkung der beiden Be-
obachtungspfeiler der Sternwarte ist auch deshalb nicht anzu-
nehmen, weil sich ihre relative Höhe völlig unverändert er-
halten hat.
Letztere betrug 6,5175 m nach der Me.ssung im Jahre 1874
und 6,5183 m nach jener vom Jahre 1915. Dieser Wert ist
das Mittel aus zwei von verschiedenen Beobachtern mit zwei
übereinander gestellten Nivellierlatten unter Berücksichtigung
der Lattenkorrektionen ausgeführten Messungen, die bis auf
0,4 mm übereinstimmen. Nebenbei mag noch bemerkt werden,
daß der im Jahre 1874 benutzte Ausgangspunkt des Nivelle-
ments nach der Sternwarte, der am Sockel einer z. Z. nicht
mehr vorhandenen Läutehude angebracht war, nicht als zuver-
lässig betrachtet werden darf. Eine kleine Senkung desselben
ist bei der nur oberflächlichen Gründung der Sockelmauer der
Läutebude in der Zeit zwischen der Nivellierung der München-
Simbacher Bahnlinie im Jahre 1872 und der Ausführung des
Nivellements nach der Sternwarte im Jahre 1874 nicht unwahr-
scheinlich.
Da die fragliche Läutebude inzwischen bei Umbauten an
genannter Bahnlinie beseitigt werden mußte, läßt sich eine
Veränderung der Höhe der Steinmarke nicht mehr feststellen.
Die neu bestimmten Höhen der Oberflächen der beiden Pfeiler
338
M. Schmidt
der Sternwarte Nr. 2434 und 2435 können dagegen nunmehr
als sicher und unveränderlich betrachtet werden.
Für die Höhenmarke Nr. 1316 an dem im Jahre 1869
errichteten Gebäude der Staatsscbuldenverwaltung am Lenbach-
platz hat die Neumessung eine Senkung von 10,7 mm ergeben.
Die Höhenmarke ist am rechtsseitigen Pfeiler des den Haupt-
eingang des Gebäudes bildenden Torwegs angebracht und be-
steht aus einem in der Achse durchbohrten Bronzebolzen
mit Vorgesetztem gußeisernen Höhenschild mit der Aufschrift
„Höhenmarke“.
Die Außenwand des Gebäudes steht hart am Rande eines
alten, jetzt ausgefüllten und überbauten Stadtgrabens, dessen
Verlauf aus älteren Stadtplänen zu ersehen ist. Auf die Flügel
des Gebäudes sind zwei Stockwerke, auf den mittleren Teil
über dem Torweg dagegen drei Stockwerke aufgebaut, wodurch
eine stärkere Belastung der Außenmauern im mittleren Teil
des Gebäudes gegenüber den Flügelbauten bedingt ist.
Die nähere Besichtigung des Inneren des Gebäudes ergab,
daß die den Torweg an der rechten Seite begrenzende Quer-
wand von der Hauptmauer durch offene Spalten getrennt ist.
Solche sind auch im Kellergeschoß an den Gewölbekappen
sichtbar und durchsetzen im Erdgeschoß die Sohlbank sowie
den Sturz einer Fensteröffnung, welche sich in der Querwand
hinter dem die Höhenmarke tragenden Torpfeiler vorfindet.
Zur Zeit der Besichtigung waren eben Maurer damit beschäf-
tigt, diese Spalten mit Mörtel zu verstreichen. Es wird also
später leicht fe.stzustellen sein, ob sich diese Spalten wieder
öffnen und die Senkung der Mauern weiter fortschi-eitet. Jeden-
falls kann die erwähnte Höhenmarke nicht als zuverlässig be-
trachtet werden.
Der an der Südwand des Nordturms der Frauenkirche
angebrachte, durch einen Bronzebolzen mit Vorgesetztem Höhen-
schild versicherte Hauptfestpunkt Nr. 1319 bildet den End-
punkt des im Herbst des Jahres 1870 ausgeführten Nivelle-
ments der Bahnlinie Augsburg-München und besteht nunmehr
seit 45 Jahren.
Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in München. 339
Seine Verbindung mit dem durch die Spitze des genannten
Turmes festgelegten Normalpunkt der bayer. Landesvermessung
und seine Verwendung als Ausgangspunkt des in den Jahren
1892 bis 1894 durch den Observator der K. B. Erdmessuncrs-
O
kommission Dr. Carl Oertel ausgeführten Präzisionsnivellements
der Kgl. Haupt- und Residenzstadt München verleiht diesem
Punkt eine besondere Wichtigkeit.
Die kürzlich ausgeführte Neumessung der Höhenlage dieses
Punktes hat in unerwarteter Weise eine Senkung desselben
von 7,7 mm ergeben.
Da diese Höhenänderung nicht gut ohne eine Senkung
des ganzen Turms denkbar ist, wurde eine eingehende Unter-
suchung über die Entstehungsweise dieser Senkung gepflogen.
Die enorme Belastung des Baugrundes durch die Mauerwerks-
raassen der Kirche und insbesondere der beiden über der Boden-
gleiche rund 98 m hohen mächtigen Türme ließ vermuten, daß
neben der Senkung auch eine Abweichung der Turmachsen
von ihrer lotrechten Stellung und eine entsprechende Lage-
änderung der Turmspitzen eingetreten sein könne, was mit
Rücksicht auf die Benützung der Spitze des Nordturms als
Ursprungspunkt des Koordinatensystems der Landesvermessung
von großer Bedeutung sein würde.
Die Längsachse der Frauenkirche^) ist ziemlich genau von
Ost nach West gerichtet. Eine durch die Mitte der auf der
Westseite der Kirche angebauten Türme gelegte Vertikalebene
entspricht der Querachse der Kirche und verläuft in der Nord-
südrichtung. Zur Untersuchung der lotrechten Stellung der
Türme ist zunächst in einem 68 m westlich vom Nordturm auf
der Gehbahn der Augustinerstraße au-sgewählten Standort ein
Theodolit mit seitlichem Fernrohr aufgestellt und mit diesem
in beiden Fernrohrlagen die Mitte zwischen den obersten Enden
der Kanten der Türme, welche von halber Höhe ab bis unter
1) Ausführliche Angaben über die Frauenkirche, besonders in kunst-
historischer Beziehung, finden sich in dem umfangreichen Werk ,Die
Domkirche zu Unserer Lieben Frau in München“, aus den Quellen dar-
gestellt von Anton Mayer, Benefiziat der Dorakirche. München 1869.
340
M. Schmidt
die Hauben die Gestalt von achtseitigen Prismen besitzen, bis
auf die Pflasterhöhe am Fuß der Türme projiziert worden.
Die Projektion fällt bis auf einzelne Zentimeter genau mit
der Mitte zwischen den Sockelkanten der Westseite der Türme
zusammen. Eine seitliche Abweichung der Turmachsen von der
Mitte des Sockelmauerwerks am Fuße der Türme ist somit in
nordsüdlicher Richtung nicht nachweisbar.
In gleicher Weise wurde die Untersuchung der Stellung
der Vertikalachse der beiden Türme in zwei auf der Nord- und
Südseite der Türme in 42 bzw. 23,5 m Abstand vom Sockel
gewählten Theodolitständen ausgeführt.
ln diesen Standorten waren weder die Turmspitzen über dem
Knopf noch die Helmstangen sichtbar, da sie durch die Wölbung
der Turmhauben verdeckt sind. Es wurden daher die inneren
Strebepfeilerkanten des Turmmauerwerks, deren Verlauf in
den Abbildungen zu ersehen ist, beiderseits der Mittellinien
der Türme in fünf verschiedenen Höhen von 28 — 42 — 57 — 68
und 85 m mit dem vertikalen Faden in beiden Fernrohrlagen
eingestellt und durch Kreisahlesungen die Abweichungen der
Mauerkanten in diesen Höhen von der durch die Mitte des
Sockelmauerwerks der beiden Türme laufenden Vertikalen be-
stimmt. Eine einfache Rechnung ergab die in die Abbildung
der Nordseite der Frauenkirche eingeschriebenen Maße.
Nach diesen Maßen ist die Achse des unteren Teiles des
Nordturms bis zu 42 m Höhe um etwa 8 Minuten nach Westen
geneigt und verläuft von dieser Höhe ab bis zum obersten
Mauerkranz unter der Haube nahezu lotrecht. Die Mitte des
oberen Endes der den Knopf des Turmes tragenden Helrastange
liegt nach einer im Dezember 1909 von Dr. M. Näbauer aus-
geführten Einmessung 7 cm südlich und 3 cm östlich vom
geometrischen Mittelpunkt des die Turmstube begrenzenden
Mauerpolygons. Dieser letztere Punkt ist in der Abbildung als
das oberste Ende der Turmachse angenommen worden. Für den
Südturm ist diese Einmessuug nicht erfolgt und deshalb die Lage
des Knopfes in der Zeichnung auch nicht angegeben worden.
Beiläufig dieselbe Neigung wie die Achse des Nordturms zeiget
Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in München. 341
Frauenkirche von Norden,
AcAse des Sudtur/ns
342
M. Schmidt
die Achse des Südturms bis zur Höhe von 57 m, um von hier
ab ebenfalls in eine nahezu lotrechte Stellung überzugehen.
Eine Erklärung dieser Erscheinung liefert die Annahme,
dal3 während des Aufbaues der Türme bis zur Höhe von 42 m
bzw. 57 m infolge der zunehmenden Belastung des Baugrundes
Senkungen desselben stattgefunden haben, die nach Erreichung
der angegebenen Turmhöhen zum Stillstand gelangt sind, so
dalä bei der Fortsetzung des Aufbaues die oberen Teile der
Türme keine Störungen in ihrer lotrechten Stellung mehr er-
litten haben.
Bei der großen Gleichförmigkeit in der Lagerung der auch
hier den Untergrund bildenden Flinzschichten war zu erwarten,
daß die eingetretenen Senkungen sich auch auf das SchitF der
Kirche ausgedehnt und auch an diesem Neigungsänderungen
von ursprünglich wagrecht gerichteten Gesimslinien hervor-
gerufen haben könnten.
Für eine derartige Untersuchung eignet sich das in bei-
läufig 4 m Höhe über dem Pflaster rund um das Schiff der
Kirche laufende, die Fensteröffnungen nach unten abschlie-
ßende Sohlbankgesimse. Die Unterkante der Wassernase dieses
Gesimses ist in ihrem größten Teil gut erhalten und durch
Abwitterung nur au wenigen Stellen beschädigt, so daß ein
Nivellement der ursprünglich von den Erbauern der Kirche
mit Bleiwage und Setzlatte wagrecht abgeglicheuen Gesims-
linie gute Anhaltspunkte für eine etwaige nachträgliche Sen-
kung der Umfassungsmauern der Kirche geben muß. Diese
Erwartung hat sich erfüllt, wie das in der auf Seite 341 bei-
gefügten Abbildung der Kirche eingetragene Längenprofil der
genannten Linie erkennen läßt.
Die mittlere Neigung der Sohlbankgesimslinie auf der
Südseite der Kirche beträgt nach unseren Messungen etwa
6 Minuten. Sie ist beiläufig von derselben Größe und verläuft
im gleichen Sinn wie die Abweichung des unteren Teiles der
Turmachsen von der lotrechten Stellung. Die nördliche Ge-
simslinie zeigt denselben allgemeinen Charakter, doch macht
sich neben dem ersten Seiteneingang auf der Nordseite der
Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in München. 343
Kirche in ihrem stetigen Verlauf eine Knickung nach oben
bemerkbar, die nicht etwa als Messungsfehler erklärt werden
kann, wie eine Nachprüfung der Richtigkeit der Messung
zeigte.
Die an den Türmen sowie an den Langwänden des Kirchen-
schiffes nachgewie.senen Neigungsänderungen müssen wohl durch
Nachgeben des Untergrundes bei zunehmender Belastung durch
die aufgebrachten Mauerwerksmassen entstanden sein.
Daß diese Senkung keine gleichmäßige ist, sondern nach
Westen hin an Grröße zunimmt, erklärt sich aus der einsei-
tigen Belastung des Baugrundes durch die an der Westseite
der Kirche angebauten mächtigen Türme. Den Anlaß zu der
in der Neuzeit beobachteten geringen Senkung der Höhen-
marke am Nordturm dürften die in den letzten Jahrzehnten
auf dem Frauenplatz in nächster Nähe der Türme ausgeführten
Kanalisationsarbeiten gegeben haben.
Die Tragfähigkeit der in 4 bis 5 m Tiefe unter der Boden-
oberfläche anstehenden Flinzschichten, auf welche das ganze
Bauwerk gegründet ist, dürfte wohl schon zur Zeit der Er-
bauung der Kirche, die in die Zeit von 1468 bis 1488 fällt,
durch einen 5 bis 6 m breiten und 3,5 bis 4 m tief ins Ge-
lände eingeschnittenen alten Stadtgraben, welcher vom Hof-
grabenbach durchflossen war, beeinträchtigt worden sein.
Dieser Bach bildete die Fortsetzung des erst vor wenigen
Jahrzehnten überwölbten Färbergrabens und war ursprünglich
ein Teil der unter Heinrich dem Löwen in den letzten Jahr-
zehnten des 12. Jahrhunderts begonnenen ersten Stadtbefestigung.
Der Verlauf dieses Stadtgrabens ist in dem im National-
museum aufgestellten, vom Drechsler Jakob Sandtner aus Strau-
bing im Auftrag des Herzogs Albrecht V. für die herzogliche
Kunstkammer im Jahre 1570 in Holz ausgeführten Modell
der Stadt München, sowie in den älteren Stadtplänen, z. B.
in dem im Jahre 1806 durch den Ingenieur-Geographen Jos.
Consoni aufgenommenen und durch Carl Schleich meisterhaft
in Kupfer gestochenen Plan der Haupt- und Residenzstadt
München deutlich zu verfolgen. Er umzieht in einem Viertel-
344
M. Schmidt
kreisbogen mit 244,0 m Halbmesser und den Mittelpunkts-
koordinaten X = — 214,7, y == — 76,5 m vom Färbergraben
her bis zur Schäffiergasse den Frauenplatz auf der West- und
Nordseite der Kirche und nähert sich der Nordwestecke der
Kirche bis auf etwa 5 m.
Bei den in den letzten Jahren ausgeführten Fundierungs-
arbeiten von Neubauten auf alten, über dem Graben liegenden
Baustellen am Frauenplatz, hat sich derselbe mit metertiefen
schwarzen Schlammschichten angefüllt gezeigt, in welchen die
mit Kunstrammen eingetriebenen Rostpfähle erst bei 8 m Tiefe
tragfähig wurden. Die Wände des alten Grabens bestanden,
wie die ausgeführten Aufgrabungen, welche Oberstleutnant z. D.
Karl Müller in seinen ,Fortifikatorischen Studien“ in der illu-
strierten Wochenschrift ,Das Bayerland“, 14. Jahrgang, Mün-
chen 1903, und in mehreren Nachträgen hiezu in den folgen-
den Jahrgängen näher beschreibt, erkennen ließen, ursprüng-
lich aus mit Rollsteinen und Kalkmörtel ausgefüllten Gußfüll-
mauern von etwa 1,2 m Stärke und waren streckenweise dui'ch
ein aus 7 cm starken Bohlen aus Fichten= und Pfählen aus
Eichenholz hergestelltem Beschlächt gestützt. In den 70 er
Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist der Graben mit einem
3 m im Lichten haltenden Halbkreisgewölbe überdeckt und im
Jahre 1912 mit einem völli«? in den festen Flinz eingrebetteten
geschlossenen Sohlkanal mit eirundem Profil versehen worden.
Es ist wohl anzunehmen, daß die wenig widerstandsfähigen
Grabenwände schon während der Erbauung der Kirche dem
beträchtlichen Seitendruck des durch die Mauerwerksmassen der
Kirche überlasteten Bodens etwas nachgegeben haben und daß
durch Zusammenpressung der Flinzschichten bei wechselnden
Grundwasserständen die neuerdings durch Messung sicher fest-
gestellte und in der Abbildung der Kirche näher angegebene
Neigung der Turmachsen gegen Westen entstanden ist.
Die im Turmmauerwerk eingetretenen Bewegungen haben
zum Aufreißen offener Spalten an den Verbindungsstellen der
Türme mit den Langmauern des Kirchenschiffs geführt, die
zwar gelegentlich einer im Jahre 1868 vorgenommenen Haupt-
Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in München. 345
reparatur der Frauenkirche durch Ausstreichen mit Mörtel
äußerlich geschlossen worden sind, die aber bei näherer Be-
trachtung für das scharfe Auge des Baukundigen noch erkenn-
bar sind, während sie allerdings dem flüchtigen Beschauer
leicht entgehen können. Diese Risse im Mauerwerk haben be-
sonders an den Leibungslinien der Spitzbögen der den Türmen
zunächst gelegenen Fenster auf beiden Langseiten der Kirche
kleine Verdrückungen hervorgerufen und lassen sich in ihrer
Fortsetzung auch noch in den über den Fensterbögen liegenden
Friesfüllungen wahrnehmen.
Nach einer mündlichen Mitteilung des mit der Ausführung
der baulichen Erhaltungsarbeiten an der Frauenkirche betrauten
Baumeisters J. Burger mußte sogar das die Fensteröffnungen
ausfüllende steinerne Maßwerk, das ganz zertrümmert war, aus-
gewechselt und das zersprungene Mauerwerk über den Fenster-
bögen mit starken Eisenbändern verbunden werden.
Diese Beschädigungen im Mauerwerk sind durch kleine
Senkungen im Fundament der Türme allein nicht ganz erklär-
lich; es müssen noch andere Kräfte bei diesen Zerstörungen
mitgewirkt haben. Solche lassen sich in dem Einfluß der hef-
tigen Weststürme unschwer erkennen, welche mit voller Wucht
die gegen Westen frei liegenden Türme treffen und sie in
Schwingungen versetzen, an welchen die Langwände der Kirche
nicht teilnehmen können. Die Türme mußten sich deshalb an
den schwächsten Verbindungsstellen über den Fenstern von den
Langmauern trennen. Auch die Bewegungen, welche im oberen
Teil des Nordturmes durch die Glockenschwingungen hervor-
gerufen werden, können bei der Lostrennung der Türme von
den Langmauern mitgewirkt haben, wenn auch diese Ursache
hier als eine mehr nebensächliche erscheint, da die Glocken-
schwingungen in der Querrichtung des Kirchenschiffes erfolgen.
Lageänderung der Turmspitze.
Wie bereits angedeutet, ist die Lage der Spitze des Nord-
turmes der Frauenkirche für die Landesvermessung von beson-
derer Bedeutung, da die Projektion dieses Punktes auf die
SitzuDgsb. d. matb.-phys. Kl. Jalirg. 1915. 23
346
M. Schmidt
Meeresfläche den Ursprungspunkfc des bayerischen Koordinaten-
systemes bildet. Es soll daher noch näher untersucht werden,
ob die an der Frauenkirche beobachteten Senkunffserscheinungen
nicht auch mit einer Verschiebung dieses wichtigen Punktes in
Zusammenhang stehen, die sich bei der Einpassung der neu
gemessenen südbayerischen Dreieckskette in das Hauptdreiecks-
netz nach den Sitzungsberichten 1910, 11. Abh., Tabelle III,
Xr. 6 als Koordinatenänderung des Nullpunktes dx^ = -p 0,05 m
und dy^ = 4- 0,34 m ergeben hat, wobei dx^ und dy^ als Ver-
besserungen der Koordinatenwerte der Landesvermessung zu
nehmen sind. Diese Änderung entspricht einer Verschiebung
der den Nullpunkt bildenden Turmspitze um 5 cm gegen Süden
und 34 cm nach Osten, die im Zeitraum zwischen dem Beginn
der Ausführung der Landesvermessung im Jahre 1801 bis zum
Jahre 1904 eingetreten sein müßte.
Wie a. a. 0. näher ausgeführt ist, kann aus den auf dem
Nordturm der Frauenkirche in den Jahren 1801/05, 1855/57
und 1904 ausgeführten Winkelmessungen eine Lageänderung
des Hauptdreieckspunktes München gegen die ihm benachbarten
Hauptdreieckspunkte sowie auch gegen die im Stadtbezirk von
München gelegenen, bei der Katastertriangulierung benützten
Turmpunkte mit Sicherheit nicht gefolgert werden. Es wurde
vielmehr der Meinung Ausdruck gegeben, daß die erwähnte
scheinbare Nullpunktsverschiebung durch die Fehler der älteren
Winkelmessung und die bei der Berechnung umfangreicher
Dreiecksnetze vorkommenden sogenannten Netzverschiebungs-
fehler ihre Erklärung finden müßten. Auch die neuerdings
durch Theodolitmessungen vorgenommene Ablotung der den
Hauptdreieckspunkt München bildenden Helmstangenspitze des
Nordturmes der Frauenkirche bestätigt die erwähnte Anschauung,
da die Abweichung dieser Spitze von der Achse des Turm-
mauerwerkes im Betrag von ca. 5 cm nicht nach Osten, sondern
nach Westen fällt und höchstwahrscheinlich schon zur Zeit der
Erbauung der Kirche entstanden ist. Das Zusammenfallen der
Turmspitze mit der Achse des Turmmauerwerkes ist durch die
im Jahre 1904 bei Gelegenheit der Vornahme der Winkel-
Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in München. 347
messungen auf den in den Fensternischen der Turmstube er-
richteten Pfeilern durch die daselbst für Zentrierungszwecke
sehr sorgfältig ausgeführten Liniennetzmessungen nachgewiesen
worden.
Bei der Nachforschung nach etwa vorhandenen Netzver-
schiebungsfehlern war besonders die Unsicherheit der Lage
solcher Dreieckspunkte zu berücksichtigen, die zur Zeit der
Landesvermessung mit Pyramidensignalen oder auch durch die
auf den Berggipfeln stehenden Holzkreuze bezeichnet wai'en
und erst nachträglich mit Steinen dauerhaft versichert wurden.
Da beim Setzen dieser Versicherungssteine die Pyramiden
und Kreuze vielfach zerstört oder in ihrer Stellung verändert
waren, konnte die ursprüngliche Lage der Messungspunkte
meist nur nach den im Boden noch vorhandenen Resten des
Holzwerkes beurteilt werden. Es war daher in vielen Fällen
eine scharfe Zentrierung der Versicherungssteine nicht möglich.
Die auf den neu versicherten Stationspunkten ausgeführten
Winkelmessungen führen daher nicht selten zu kleinen Ab-
weichungen in den daraus berechneten Koordinaten gegenüber
den Werten der Landesvermessung. Eine sichere Ermittelung
der ursprünglichen Lage der Stationspunkte durch Vergleich
der neuen Winkelmessungen mit den ursprünglichen kann aber
nur dann ausgeführt werden, wenn die bei den neuen Winkel-
messungen benützten Zielpunkte identisch mit jenen der Landes-
vermessung sind, oder gegen diese mit Sicherheit eingemessen
werden können.
Als solche können in der Regel nur die auf Türmen fest-
gelegten Punkte gelten, unter der Voraussetzung, daß die Türme
seit der Zeit ihrer früheren Benützung bei der Landesvermes-
sung durch Umbauten nicht verändert worden sind, was übrigens
zumeist aus den pfarramtlichen Akten mit Sicherheit festge-
stellt werden kann.
Bei den kürzlich unternommenen Versuchen, die im west-
lichen Teil der südbayerischen Dreieckskette in den Jahren 1888
bis 1894 ausgeführten Azimutmessungen mit den im Jahre 1904
vorgenommenen Dreieckswinkelmessungen in Einklang zu bringen ,
23*
348
M. Schmidt
ergaben sieb gewisse Widersprüche, welche begründete Zweifel
an der Identität der durch nachträgliche Versicherung festge-
legten Hauptdreieckspunkte Aenger und Grünten in Schwaben
mit den gleichnamigen Punkten der Landesvermessung erweckten.
Dadurch wurde eine Neuberechnung der Koordinaten des
ursprünglichen Ortes der beiden genannten Punkte veranlaßt,
wobei die Voraussetzung gemacht wurde, daß die als Aus-
gangspunkte für die Berechnung gewählten benachbarten Turm-
punkte Roggenburg, Kirchheim, Peißenberg und Waldburg seit
der Landesvermessung unverändert geblieben seien.
Bei dieser Berechnung kamen sowohl die an den eben
genannten Hauptnetzpunkten, als auch die in den zu bestim-
menden beiden Punkten neu gemessenen Winkel zur Verwertung.
Da der gegenseitige Abstand der Punkte Aenger und
Grünten im Vergleich mit ihrer Entfernung von den genannten
Ausgangspunkten wesentlich geringer ist, schien es vorteilhaft,
ihre Lage gemeinsam nach dem Verfahren der Doppelpunkt-
einschaltung zu berechnen und sowohl die in den neu zu be-
stimmenden Punkten, als auch die in den Turmpunkten beob-
achteten Winkel zu verwerten; dabei wurden die von letzteren
Punkten auslaufenden äußeren Richtungen mit dem Gewicht ^/i,
die auf den neu zu bestimmenden Punkten selbst beobachteten
inneren Richtungen mit dem Gewicht 1 in die Ausgleichung
eingeführt, welche mit insgesamt 14 Richtungen zur Durch-
führung gelangte.
Die Berechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate
lieferte den mittleren Richtungsfehler m — ± 0*77 und die
wahrscheinlichsten Koordinatenwerte der neu versicherten Sta-
tionspunkte nebst den zugehörigen mittleren Fehlern
{x = — 45909,41 ± 0,14 m
] y 106022,01 ± 0,08 ,
ix==— 64146,21 X 0,18 ,
( y = -|- 94296,02 ±0,17 „
Berechnet man mit diesen verbesserten Koordinaten die in
meiner Abhandlung in den Sitzungsberichten vom Jahre 1910
Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in München. 349
durchgeführte Netzeinpassung nach dem Verfahren von Helmert
aufs neue, so ändern sich die dort in Tabelle III angegebenen
Zahlenwerte und man erhält die in nachstehender Tabelle II
gegebene Fehlerzusammenstellung, in welcher die frülier ange-
wendeten allgemeinen Bezeichnungen beibehalten sind.
Wie zu erw’arten war, haben sich durch Einführung der
neuen Koordinatenwerte für die Punkte Aenger und Grünten
nicht nur deren Koordinatenunterschiede dx und dy und zwar
besonders in dy von + 87 cm in -j- 58 cm bei Aenger und von
-p 84 cm in 43 cm bei Grünten, sondern auch die Ordinaten-
verbesserungen r,, nicht unbeträchtlich vermindert und zwar
für Aenger von -p 47 cm auf -p 33 cm und für Grünten von
-P 41 cm auf -p 15 cm.
Auch die mittleren Netzfehler sind im allgemeinen kleiner
cfeworden. Die scheinbare Verschiebung des Punktes München
in der Ordinatenrichtung ist jedoch nur von — 33 cm auf
• — 30 cm zurückgegangen und kann im Zusammenhalt mit
den früheren Ausführungen dieser Abhandlung nicht als die
Folge einer im Laufe des letzten Jahrhunderts eingetretenen
Neiffuncfsänderunfi der Turmachse betrachtet werden, sondern
ist nur durch Identitätsfehler in der Lage benachbarter Haupt-
dreieckspunkte zu erklären, deren Einfluß sich bei der Netz-
berechnung in der Ordinatenrichtung in ungünstiger Weise
angehäuft hat. Hierauf deutet auch die ungleichmäßige Ver-
teilung der Vorzeichen der Ordinatenverbesserungen hin. Die
größten Ordinatenverbesserungen von -p 59 und -p 65 cm zeigen
die Punkte Hoch gern und Asten, von welchen der erstere bei
der Landesvermessung mit einem Pyramidensignal bebaut war,
während der Turm der Kirche in Asten ein Kuppeldach mit
Holzstuhl von 17,4 m Höhe trägt, welches nach einer Bemer-
kung in der bei den Akten des Kgl. Landesvermessungsamtes
befindlichen alten Stationsbeschreibung beträchtliche Seiten-
schwankungen aufweist, so daß die bei den älteren V inkel-
messungen als Zielpunkt benützte Helmstangenspitze nicht als
unveränderlich gelten kann.
0 Vgl. A. G. A., Heft 2, S. 10.
350
M. Schmidt
Tabelle
Fehlerzusammenstellung
Nr.
Stationen
dx
dy
1.
Neuberechnung
Vx
Vy
rx
ry
cm
cm
cm
cm
cm
cm
1
Aenger Pyr
+ 1
+ 58
+ 17
+ 25
— 16
+ 33
2
Roggenburg Turm . .
+ 15
+ 35
+ 11
+ 20
+ 4
+ 15
3
Peißenburg Turm . .
— 25
+ 33
+ 10
+ 30
— 35
+ 3
4
Staufifersberg Pyr. . .
+ 27
+ 2
+ 6
+ 21
+ 21
— 19
5
Altomünster Turm . .
+ 16
+ 9
+ 3
+ 25
+ 13
— 16
6
München n. Fr.-Turm .
0
0
+ 2
+ 30
— 2
— 30
7
Aufkirchen Turm . .
0
0
— 1
+ 30
+ 1
— 30
8
Mitbach Turm . . .
+ 7
+ 8
— 1
+ 32
+ 8
— 24
9
Wendelstein Pyr. . .
+ 33
+ 48
+ 4
+ 37
+ 29
+ 11
10
Hochgern Pyr. . . .
+ 10
+ 100
- 1
+ 41
+ 11
+ 59
11
Asten Turm ....
+ 4
+ 93
- 5
+ 28
+ 9
+ 65
12
Schweitenkirchen Turm
+ 12
+ 4
— 1
+ 26
+ 13
- 22
13
Kircbbeim Turm . . .
— 4
+ 7
+ 10
+ 22
— 14
— 15
14
Grünten Pyr
— 16
+ 43
+ 18
+ 28
— 34
+ 15
15
München, Sternwarte .
— 7
- 2
+ 2
+ 30
-9
— 32
CO
CO
CO o
1
O
S
ü
S
Ü
+ +
II II
+ +
II II
04 00
ö 00
+ -f“
00
+
II
H
= ±31
II
ii
%
Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in München. 351
II.
der Netzeinpassung.
2.
Neuberechnung
3. Neuberechnung
Restfehler
I'X
I'X
1'!/
Vx
<'!/
rx
»V/
Bx
By
cm
cm
cm
cm
cm
cm
cm
cm
cm
cm
+ 3
+ 37
— 2
+ 21
- 3
+ 43
+ 4
+ 15
-3
+ 43
+ 15
+ 30
0
+ 5
+ 15
+ 33
0
+ 2
+ 15
+ 33
— 1
+ 24
— 24
+ 9
— 8
+ 22
— 17
+ 11
— 8
+ 22
— 14
+ 21
+ 13
— 19
+ 16
+ 20
+ 11
— 18
+ 16
+ 20
+ 9
+ 13
+ 7
— 4
+ 9
+ 8
+ 7
+ 1
+ 9
+ 8
+ 2
+ 13
— 2
— 13
— 3
+ 3
— 4
— 3
+ 4
+ 3
+ 7
— 3
— 7
0
— 4
0
+ 4
0
— 4
— 1
+ 5
+ 8
+ 3
— 6
— 6
+ 13
+ 14
— 6
— 6
— 11
+ 11
+ 44
+ 37
— 17
+ 12
+ 50
+ 36
— 17
+ 12
— 20
— 1
+ 30
+ 101
— 20
— 1
— 10
— 11
+ 14
+ 104
— 10
-11
+ 10
+ 8
+ 2
— 4
+ 9
— 1
+ 3
+ 5
+ 9
— 1
+ 11
+ 28
— 15
— 21
+ 9
+ 29
— 13
— 22
+ 9
+ 29
— 2
+ 37
— 14
- 6
— 11
+ 42
— 5
+ 1
— 11
-f 42
+ 2
+ 12
— 9
— 14
-3
+ 4
- 4
— 6
— 3
+ 4
1
7
S
o
1
7
o
o
s
g
Ü
S
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00
a
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II
7
11
■«»
CD
+ .
II
CD
+
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ö
+
II
CO
1
II
CO
+
II
+
11^
+
11
CI
H-
II
352
M. Schmidt
In Anbetracht der für die örtliche Lage der Punkte Hoch-
gern und Asten bestehenden Unsicherheit sind bei einer wei-
teren Netzeinpassungsberechnung diese beiden Punkte ganz außer
Betracht geblieben, mit dem aus der vorstehenden Fehler-
zusammenstellung ersichtlichen Ergebnis, daß die Maximal-
verbesserung mit ra; = -p 44 cm und = -p 37 cm jetzt der
Hauptdreieckspunkt auf dem 1838 m hohen Gipfel des Wendel-
stein zeigt, woselbst ursprünglich die alte Kapelle als Ganzes,
später eine daneben errichtete Holzpyramide und nach deren
Verfall ein an ihrer Stelle errichtetes und wiederholt erneuertes
Holzkreuz zur Bezeichnung des Dreieckspunktes gedient hat.
Im Jahre 1899 ist dieser Punkt durch Beamte des K. Landes-
vermessungsamtes mit einem Granitstein neu versichert und über
diesem im Jahre 1904 für die Winkelmessungen in der süd-
bayerischen Dreieckskette ein Betonpfeiler mit zentrisch ein-
gesetztem Messingbolzen erbaut worden, welcher nunmehr den
Hauptdreieckspunkt Wendelstein bezeichnet.
Bei den vielfachen Veränderungen, welche dieser Punkt
seit der Zeit der Landesvermessung erfahren hat, darf man
sich nicht wundern, wenn derselbe jetzt nicht unbeträchtliche
Koordinatenabweichungen zeigt.
Bei der zweiten Netzeinpassung haben nunmehr die mitt-
leren Koordinatenfehler für beide Achsrichtungen die gleiche
Größe erhalten:
nij: = m,
= ± 16
cm.
Der Richtungsfehler d ist unverändert geblieben. Der
Maßstabfehler = — 19,2 -10“' hat dagegen sein Vorzeichen
gewechselt und ist etwas größer als bisher geworden. Für
den Normalpunkt München endlich bleibt die ohnehin sehr
geringe Abszissenverbesserung dem Wert nach ungeändert, die
Ordinatenverbesserung dagegen erhält den wesentlich vermin-
derten Betrag >> = — 13 cm, der den mittleren Koordinaten-
fehler nicht erreicht.
Die große nunmehr auf den Punkt Wendelstein treffende
Koordinatenverbesserung, die Unsicherheit der ursprünglichen
Punktfestlegung und die mit derselben im Laufe der Zeit mehr-
Senkungserscheinungen .an der Fr.auenkirche in München. 353
fach vorgenommenen Veränderungen ließen es indessen ange-
bracht erscheinen, auch diesen Punkt bei der Netzeinpassung
als unzuverlässig auszuschalten und eine dritte Neuberechnung
ohne den genannten Punkt auszuführen, bei welcher nunmehr
die scheinbare Verschiebung des Normalpunktes München in
der Abszissen- bzw. Ordinatenrichtung auf 3 cm und — 4 cm
zurückgegangen ist. Der mittlere Koordinatenfehler nahm dabei
die Werte Wx = ± 8,5 cm und niy = ± W cm an, die Orien-
tierungsverbesserung ist d = 0!'26 und die Maistabverbesse-
rung i»- — — 31 • 10~'.
Eine Veränderung in der Lage der als Normalpunkt
der Landesvermessung dienenden Spitze des Nordtur-
mes der Frauenkirche in München ist somit aus den
Ergebnissen der im letzten Jahrzehnt ausgeführten
Winkelmessungen und Koordinatenberechnungen nicht
nachweisbar.
Die aus der Fehlerausgleichung hervorgehenden Größen
und Yy stellen die Verschiebungen der Punkte der Landesver-
messung in der Richtung der beiden Koordinatenachsen in der
Form von Koordinatenverbesserungen dar, welche nach Besei-
tigung der systematischen Orientierungs- und Maßstabfehler
noch nötig werden, um diese Punkte mit den entsprechenden
Punkten der südbayerischen Dreieckskette möglichst gut in
Deckung zu bringen. Für die durch Türme festgelegten Punkte
überschreiten diese Verbesserungen nur wenig die mittleren
Koordinatenfehler.
Weit größere Verbesserungen und zwar im Betrag bis zu
1 m treffen dagegen auf die Ordinaten der am Nordrand des
Gebirges und in dessen Vorland gelegenen Punkte, die bei der
Landesvermessung mit Pyramidensignalen bebaut waren, und
erst nachträglich nach Ablauf mehrerer Jahrzehnte mit Steinen
dauernd versichert worden sind, deren Standort nur nach den
im Boden noch vorhandenen spärlichen Signalresten bestimmt
werden konnte. Die Vorzeichen der Ordinatenverbesserungen
dieser Punkte sind überwiegend positiv, was einer regionalen
Punktverschiebung gegen Westen entspricht. Doch dürfte es
354 M. Schmidt, Senkungserscheinungen a. d. Frauenk. in München.
gewagt erscheinen, hieraus auf eine tektonische Ursache der
Lageänderung dieser Punkte zu schließen.
Weit wahrscheinlicher rührt diese scheinbare Punktver-
schiebung von Beobachtungsfehlern und von der Art der Fehler-
ausgleichung bei der Berechnung des Dreiecksnetzes der Landes-
aufnahme her, welche nicht einheitlich für das ganze Netz,
sondern in einzelnen zu Polygonen zusammengefaßten Gruppen
von Dreiecken erfolgte, die zum Teil eine recht ungünstige
Form besitzen und nicht ohne Anschlußzwansf zu verbinden
waren. Die zur Zeit in Vorbereitung stehende Neutriangulie-
rung von Bayern wird über diese Punktverschiebungen nähere
Aufschlüsse bringen.
Berechnet man schließlich mit Hilfe der Werte Vy die
vex'besserten Koordinatenwerte der Landestriangulierung für die
Punkte der südbayerischen Dreieckskette und vergleicht sie mit
den durch die Neumessung erhaltenen Werten durch Bildung
ihrer Unterschiede, so erhält man den Charakter unregel-
mäßiger Fehler tragende Restfehler, welchen die Mittelwerte
= ± 11 cm und m'y = ± 21 cm entsprechen. Die größten
Einzelfehler im Betrag von -j- 0,43 m und 0,42 m in der
Ordinatenrichtung zeigen die nach dem Verfahren der Doppel-
punkteinschaltung neu bestimmten Punkte Aenger und Grün-
ten, -welche wegen ihrer Lage in der südwestlichen Ecke des baye-
rischen Netzes mit diesem nur durch nach einer Seite gerichtete
Strahlen verbunden sind und deshalb gegen einseitige Ver-
schiebung durch Beobachtungsfehler nicht gut gesichert er-
scheinen. Bei den übrigen, zuverlässig identischen Punkten ist
jedoch die gute Übereinstimmung der älteren und neuen Lage-
bestimmung, welche in der geringen Größe der Restfehler zum
Ausdruck gelangt, als eine ganz befriedigende zu bezeichnen.
Jf. Schmidt, Senkiingserscheinungen etc.
Frauenkirche uon Westen.
Sitzungsb. d. math.-phys. KI. Jahrg. 1915.
355
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres
bei Aristoteles.
Von A. Endrös.
Vorgelegt von S. Günther in der Sitzung atn G. November 1915.
Einleitung.
Bei der Bearbeitung des über zwei Jahrtausende alten
Euripusproblems war ich veranlaßt, die Literatur der Alten
zu durchsuchen. Während ich nun in den vielen bekannteren
Literaturstellen nur nebensächliche Punkte der Frage berührt
fand, konnte ich in den Schriften des Aristoteles ganz staunens-
werte Kenntnisse entdecken.^) So kannte der Stagirite bereits
die Seiches der Meere und deren Ursachen und die Entstehung
der Meereswogen durch Wind und Erdbeben. Ferner war ihm
die Lösung des Euripusproblems ebenso weit bekannt, wie
F. A. Forel sie wieder finden konnte. Es können somit nicht
die Euripusströmungen es gewesen sein, die Aristoteles nicht
ergründen konnte, sondern nur die rätselhaften Gezeitenano-
malien bei Chalkis. In diesen ist auch der Grund dafür zu
suchen, daß er, wie aus seinen Schriften zu ersehen ist, über
die Vorstellung der Ebbe und Flut als eine Art Ein- und Aus-
Die Durcharbeitung der Schriften im Urtext bot an der Hand
der lateinischen Übersetzung keine besonderen Schwierigkeiten, nachdem
ich an meinem verehrten Freund und Kollegen Herrn Professor Dr.
F. Schühlein, der als Posidoniusforscher mit der einschlägigen Lite-
ratur vertraut war, einen erfahrenen Berater zur Seite hatte und mir
in der Bibliothek des hiesigen Lyzeums alle Hifsmittel zur Verfügung
standen.
356
A. Endlos
atmen der Erde nicht hinausgekomraen ist entgegen einer Stelle
bei den Doxographen, nach welcher er die Gezeiten als Schwan-
kungen angesehen haben soll. Dort können nämlich nur mete-
orologische Fluten gemeint sein. Da nun der große Philosoph
gerade auf diesem Gebiete bis heute so verkannt worden ist,
möchte ich es nicht unterlassen, die Ergebnisse zu veröffent-
lichen; dabei darf ich nicht übergehen, daß ich die Anregung
dazu Herrn Geheimrat Professor Dr. Sigmund Günther in
München verdanke, der ebenso wie meiner Arbeit über das
Euripusproblem auch dieser sein besonderes Interesse schenkte.
Die Stelle bei Aristoteles über die Gezeiten.
In den Meteorologika des Aristoteles Buch II, Kapitel 8
findet sich eine Stelle, welche für unsere Frage von größter
Bedeutung ist, die aber merkwürdiger Weise bis heute fast
ganz unbeachtet geblieben ist. Und doch enthält sie den Be-
weis dafür, daß Aristoteles die Erscheinung der Ebbe und Flut
wohl gekannt, von dem Bewegungsvorgang aber eine ganz
andere Vorstellung sich gemacht hat, als man auf Grund der
Stelle bei den Doxographen’) annehmen mußte. W^eiterhin
ersieht man aus der Stelle, daß Aristoteles den Strömungs-
vorgang des Euripus näher gekannt hat.
Das Kapitel 8 behandelt die Theorie der Erdbeben, die sich Ari-
stoteles ausschließlich durch die in die Poren und Hohlräume der Erde
eingeschlossenen Pneumata entstehend denkt. Letztere selbst entstehen
durch die fortgesetzt vor sich gehende Ausdünstung trockener und feuchter
Dünste innerhalb und außerhalb der Erde und bewegen sich bald ein-
wärts, bald auswärts und manchmal auch teils ein- teils auswärts.
Fließen die Pneumata vollständig einwärts, so ist Windstille. Bei Wind-
stille nun entstehen die meisten und größten Erdbeben. ,Und nachts
entstehen mehr und größere Erdbeben, diejenigen bei Tag aber um die
Mittagszeit. Am ruhigsten ist gewöhnlich die Mittagszeit — denn die
Sonne beendigt, wenn sie die meiste Kraft hat, die in die Erde hinein
gerichtete Ausdünstung; sie hat aber die größte Kraft um die Mittags-
zeit — .“ Hier folgt die Stelle:* *)
*) Di eis Dox. Graeci, S. 382.
*) Ed. acad. reg. boruss., Berol. 1831, Bd. I, Meteor. II, 8, S. 366, 1. —
Lateinische Übersetzung ebenda, Bd. III, S. 191, 2.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc.
357
„Xtti al vvHisg ös zair tjfiegwv vtjvsucüzEgai Sia zt]v anovatuv ztjv zov
zjh'ov ■ Cüoz' Eiao) ylyvEzai ndXiv z) gvaig, wo-teq afznoizig Etg zovvdvziov zrjg
Egco&EZ’ gtXt]/.iuvQtdog, xal gigög dgdgov udXtaza' ztjrixavza ydg xai zd nvEv-
fiuza nizpvxEv dg^EO&ai gifsTy. idr ofr Eiaco zvyjj fiEzaßdXX.ovaa fj dgyij
avzwv diö.Tso Evgigiog, öid z6 :iXrj&og iayvgdzEgov :xoiEi zov OEia/idv.“ Was
ich übersetze; „Und die Nächte sind ruhiger als die Tage wegen der
Abwesenheit der Sonne; deshalb' geschieht das Fließen wieder einwärts,
wie die Ebbe in entgegengesetzter Richtung der auswärts gerichteten
Flut, und bei Tagesanbruch am stärksten;*) in diese Zeit fällt auch der
Beginn des Wehens der Winde. Wenn nun gerade damit zusammen-
trifft, daß die Winde in ihrem Beginnen nach innen sich richten wie
der Euripus, so macht es das Erdbeben wegen der Menge stärker.“
Die Stelle enthält zunächst einen bei klarem Himmel täg-
lich sich abspielenden Strömungsvorgang der Pneumata. Die-
selben fließen in der einen Hälfte des Tages einwärts, in der
anderen auswärts. Die Sonne beendigt das Einwärtsfließen
um die Mittagszeit, worauf das Äuswärtsfließen beginnt, das
nachts wieder in ein Einwärtsfließen übergebt. Letzteres er-
reicht gegen Tagesanbruch sein Maximum um dann wieder
abzunehmen bis Mittag. Unschwer ist hierin eine bei klarem
Himmel sich wirklich abspielende periodische Änderung der
Lufttemperatur zu erkennen. Mit zunehmendem Sonnenstand
erwärmt sich bekanntlich die Luft und steigt in die Höhe,
am stärksten nachmittags. Nach Sonnenuntergang kühlt sich
o o o
die Luft ab und des Nachts tritt ein Senken der Luftschichten
ein und die kalte Luft dringt in Hohlräume, Keller etc. ein,
am stärksten vor Sonnenaufgang, weil die Lufttemperatur am
niedrigsten ist. Eine Beobachtung dieses Vorganges scheint
obigem Strömungsvorgange zugrunde zu liegen.
Diesen unsichtbaren Vorgang sucht nun Aristoteles seinen
Lesern klar zu machen, indem er einen sichtbaren Vorgang,
den der Ebbe und Flut, zum Vergleiche heranzieht. Wir
können umgekehrt aus dieser Stelle schließen, daß Aristoteles
sich das Ebben als Einwärtsfließen des Wassers in die Erde
und das Fluten als ein Auswärtsfließen in entgegengesetzter
*) F. Vatablus übersetzt fidXuoza mit creberrime, was dem Sinne
nach nicht möglich ist.
358
A. Endrös
Richtung vorgestellt hat. Der Umstand ferner, daß er die
Gezeitenbewegung überhaupt zur Veranschaulichung heran-
zieht, läßt auch den Schluß zu, daß mau allgemein den Vor-
gang der Gezeitenbewegung sich als eine Art Ein- und Aus-
atmen gedacht hat. Aristoteles hat also keine eigene neue
Theorie der Gezeiten aufgestellt; denn die Meteorologika gelten
als das zuletzt geschriebene naturwissenschaftliche Werk des
Philosophen.
Daß man auch schon zu den Zeiten des Aristoteles in
Griechenland die Erscheinung der Ebbe und Flut wohl ge-
kannt haben muß, läßt sich auf Grund der neuen Ergebnisse
der Gezeitenforschung annehmen. Es zeigen sich nämlich die
Gezeiten an einigen Punkten Griechenlands entgegen der frü-
heren Annahme sehr augenfällig, wie im Golfe von Euboea^)
und im korinthischen Meerbusen,*) wo überall die Hubhöhen
den für das Mittelmeer großen Betrag von 1 Meter erreichen.
Daß Aristoteles selbst die Erscheinung in ihrem Verlaufe näher
kannte, dürften wir wohl schon deshalb annehmen, weil er
sich häufig in Chalkis aufgehalten hat,®) wo die Gezeiten noch
dazu sich in den Euripusströmuugen zeigen. Xun finden wir
in unserer Stelle sogar die Bestätigung dieser Annahme.
Er zieht nämlich bei einem weiteren Vergleich die Euripus-
strömungen selbst heran.
Bei Tagesanbruch ist nach dem oben besprochenen Vor-
gänge das Einwärtsfließen der Pneumata am stärksten. Wenn
dann noch die Winde, die um diese Zeit im Entstehen be-
griffen sind, dazu einwärts sich wenden, wie der Euripus,
so wird das Erdbeben wegen der Menge der Pneumata stärker.
Man beachte zunächst die ganz kurze Erwähnung des Meeres-
armes, der in seinen Strömungsvorgängen ein so kompliziertes
Problem von jeher bildete. Jedenfalls ist unsere Stelle des-
') 0. Krümmel, Zum Problem des Euripus, Pet. Mitt. 1888, S. 332.
G. Wegemann, Beiträge zu den Gezeiten des Mittelländischen
Meeres. Ann. d. Hjdr. u. Marit. Met., 1907.
Pauly, Realenzyklopädie d. klass. Alt., YI. Bd. Stuttgart 1909.
S. 1021.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc. 359
halb nicht beachtet und gewürdigt worden, weil die so kurze
Erwähnung des Euripus nicht verstanden worden ist, und man
muß das Euripusproblem schon näher kennen um einzusehen,
daß die zum Vergleich herangezogenen Wasserbewegungen mit
denjenigen der Pneumata sehr gut übereinstimmen. Um dies
zu erläutern müssen wir auf die Gezeitenbewegungen der bei
Chalkis zusamraenstoßenden Meeresteile kurz eino-ehen.
O
Im Nordhafen von Chalkis finden sich ausgesprochene halbtägige
Gezeiten, welche Hubhöhen bis zu 1 Meter erreichen können, während
im Südhafen die Halbtagstiden nie 15 Zentimeter Höhe erreichen, und so
unter den sonstigen Niveauänderungen ganz verborgen bleiben. Der
Euripus beginnt also nach Norden zu strömen, somit einwärts, wenn der
Wasserstand iin Nordhafen beim Ebben unter das südliche Niveau hinab-
geht, das ungefähr mit Mittelwasser übereinstimmt. In gleicher Weise
beginnt der Strom sich südwärts zu wenden, wenn beim Steigen des
Wasserstandes im Nordhafen infolge der Flut das nördliche Niveau über
das südliche sich erhebt. Die nordwärts gerichtete Strömung entspricht
dem einwärts gerichteten Winde iin obigen Vergleiche, der gerade dann
sich nach innen richtet, wenn das Einwärtsströmen am stärksten ist, das
ist gegen Tagesanbruch. Auch der Euripus beginnt eben dann einwärts
zu fließen, wenn das Fallen des Wassers im Nordhafen am raschesten
erfolgt; das ist der Fall beim Passieren des Mittelwassers. Der Ver-
gleich der Ebbe und Flut mit dem Ein- und Auswärtsströmen der Pneu-
mata stimmt nämlich auch darin überein, daß beide sogenannte perio-
dische Bewegungen sind. Ist der höchste Wasserstand erreicht, so be-
ginnt das Wasser erst allmählich zu fallen und fällt dann immer rascher,
bis es das Mittelniveau passiert und das Maximum der Geschwindigkeit
hat, von wo ab das Sinken wieder langsamer und langsamer erfolgt, bis
zum niedrigsten Wasserstand. In gleicher Weise geht das Steigen vor
sich. So ist auch das Ein- und Auswärtsfließen der Pneumata nach der
Darstellung des Aristoteles zu denken.
Wii- können also aus obiger Stelle bei Aristoteles den
Nachweis liefern, daß er die Gezeiten selbst und die perio-
dische Änderung des Wasserstandes wohl gekannt hat, ebenso
daß er von den mit den Gezeiten zusammenhängenden Strö-
mungen des Euripus eine genaue Kenntnis besaß. Auch müssen
wir, wie oben schon, auch hier wieder annehmen, daß er auch
bei seinen Lesern eine genaue Bekanntschaft mit den Euripus-
strömungen voraussetzt, wenn er überhaupt annehmen konnte.
360
A. Endrös
daß er mit dieser kurzen Andeutung verstanden werde. Es
sind nun in unserer Stelle nur die sogenannten regelmäßigen
Euripusströmungen gemeint, weil für sie nur der Vergleich
stimmt und sie nur durch die Gezeitenbewegung in der er-
wähnten Weise verursacht werden. Die Gezeiten des Xord-
hafens werden aber mit der Annäherung an die Zeiten der
Quadraturen des Mondes, das ist des ersten und letzten Viertels,
wie überall im Meere, immer kleiner und im Golf von Euboea
haben sie die Eigentümlichkeit, daß sie in einem großen Teile
des Jahres um diese Zeit ganz verschwinden. Dann treten
die von alters her bekannten unregelmäßigen Strömungen auf,
welche dem Euripus eine solche Berühmtheit verschafft haben.
Daß nun Aristoteles auch diese kannte und sogar richtig er-
klärte, können wir aus einer weiteren Stelle ersehen.
Zuvor ist noch eine Unklarheit im Texte unserer ohigen Stelle zu
erwähnen, wo fj s^codev steht, während dem Sinne nach nur
efco erwartet werden kann, wenn anders der Vergleich mit den Pneu-
mata stimmen soll. Einige Ausgaben haben auch sfw, wie in den Fuß-
noten erwähnt ist. Auch F. Vatablus’) übersetzt die Stelle im Sinne
von ffto: ,quomodo aquarum influxus in contrariam atque effluxus par-
tem fit.“ Ich halte es nicht für unmöglich, daß hier eine Änderung
eines Abschreibers vorliegt. Die von außen her gerichtete Flut ent-
sprach nämlich der Vorstellung vom Bewegungsvorgang der Ebbe und
Flut einzig und allein, weil an allen Küstenpunkten die Flut von außen
her kommt. Nur bei Chalkis haben wir diese Unregelmäßigkeit, auf
die J. P. Babin^) zuerst aufmerksam gemacht hat. Der Grund für diese
Anomalie ist darin zu suchen, daß, wüe wir oben schon gesehen haben,
der vom Aegäischen Meere viel mehr abgeschlossene Golf von Euboea
so starke Gezeiten aufweist, aber der mit dem Meere unmittelbar zu-
sammenhängende südliche Golf von Petali so viel wie keine halbtägigen
Gezeiten zeigt. Deshalb geht die Flutströmung nicht von außen herein,
sondern auswärts, der Ebbestrom aber einwärts, nicht umgekehrt, wie
es an allen anderen Buchten und Küstenpunkten der Fall ist.
*) Übers, d. Meteor., zit. S. 356, p. 191, 2.
2) Vgl. Pet. Mitt. 18S8, S. 331.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc. 361
Die Seichesbewegungen des Meeres bei Aristoteles.
Eine zweite ozeanographisch sehr wichtige Stelle findet
sich im 1. Kapitel des II. Buches der Meteorologika, wo vom
Meere und seiner Entstehung die Rede ist. Dieselbe enthält
die merkwürdige Tatsache, daß Aristoteles die Seiches der Meere
wohl gekannt hat. Die Stelle in Meteor. II, 1') lautet:
. {>eovaa d' tj d'üXaiia cpalvexai xaia rag oxsvoiijzag, sl' nov Sia
xijv jizQiEj^ovaav yi]v elg fiixpov ex ^eydlov avvdyeTut jieXayovg, did x6 xaXav-
xevsa&ai devQO x’ äxsTae ixolkdxig. xovxo S' ev ^ler xxoßJ.xü jxlrj'd^ei d^aXdxxrjg
dStjkov' de 8id xrjv axevdxiqxa xfjg yijg dXiyov eixeyei xdjxov, dvayxaiov xijv
ev xw gxe).dyei /iiixodv xaXdvxcooiv exei xpaiveo&ai fieyd/^rjv.
, Flutend aber sieht man das Meer längs der eingeengten Stellen,
wenn irgendwo es sich infolge der Umschließung duixh das Land aus
der weiten Meeresfiäche in einen kleinen Raum zusammenzieht, weil das
Meer häufig her und hin schwankt. Diese Erscheinung Vjleibt auf offenem
Meere unbemerkt; wo es aber infolge der Einengung durch das Land
wenig Platz hat, dort muß die auf dem weiten Meere kleine Schwankung
notwendig vergrößert sich zeigen.“
Diese ganze Stelle könnte ungeändert in ein modernes
Lehrbuch der Ozeanographie aufgenommen werden. Dabei ist
aber zu beachten, daß erst nach den Forschungen der beiden
letzten Jahrzehnte unser Wissenstand so weit ist um das vor-
liegende Gesetz aufstellen zu können. Im Jahre 1869 näm-
lich hatte F. A. ForeD) an dem Eingang des Hafens von
Morges am Genfersee, also auch an einer Einengung, ein solches
Hin- und Herfiießen beobachtet und war dann auf Grund mehr-
jähriger Untersuchungen mit Registrierapparaten zu dem Er-
gebnis gekommen, daß diese lokale Erscheinung nur eine Folge
der periodischen Schwankungen des ganzen Sees ist, welche
dann nach einer Lokalbezeichnung am Genfersee in der Wissen-
schaft allgemein Seiches genannt wurden. Forel hat dann
die Untersuchung der gleichen Bewegungen der Meere ange-
regt und erst in den letzten 20 Jahren konnten diese Erschei-
nungen in den Meeren soweit ei'forscht werden, daß man die
Ed. ac. Bor., zit. S. 356, p. 354, 1.
F. A. Forel, Le Leman II. Lausanne 1895, S. 53.
Sitzungsb. d. math.-phys. KI. Jabrg. 1915.
362
A. Endrös
längst bekannten Schwankungen in den Buchten als eine Folge-
erscheinung von Schwankungen des offenen Meeres ansehen
muß, welche von Forel als Vibrationen des Meeres bezeichnet
wurden. Speziell haben die Japaner^) nachgewiesen, daß die
Schwankungen auch außerhalb der Buchten mit gleicher Perioden-
dauer zu beobachten sind, aber so kleine Amplituden haben,
daß sie unter den anderen Niveauänderungen ganz verborgen
bleiben. Die moderne Seichesforschung hat also erst in den
letzten Jahren nachweisen können, was Aristoteles 2200 Jahre
früher als Gesetz ausgesprochen hat.
Zu beachten ist, daß die griechische Bezeichnung von Seiche mit
TaÄdvTcoatg den Bewegungsvorgang auch wirklich ausdrückt, was von
keiner anderen lokalen Bezeichnung dieser Naturerscheinung in den ver-
schiedenen Sprachen und Gegenden gesagt werden kann. Dieselbe ist
jedenfalls von den Schwankungen des Wagebalkens genommen. Ob Ari-
stoteles auch den Isochronismus der Schwingungen gekannt hat, wie er
bei den Schwingungen an der Wage zu beobachten ist, ist nicht wahr-
scheinlich. Wenigstens sind die Seichesbewegungen ganz selten so regel-
mäßig, daß man isochrone Bewegungen beobachten kann, weil immer
mehrere Schwingungen von verschiedener Periodendauer sich überlagern.
Diesen Bewegungsvorgang des Meerwassers bezeichnet Aristoteles auch
bloß mit gsir, wobei darunter ein Hin- und Herfließen zu verstehen ist,
wie in unserer Stelle bei dem Fluten der Meerengen. Ein Fließen im
Sinne eines Flusses, also eine fortschreitende Bewegung in derselben
Richtung, kann nach Aristoteles das Meerwasser nicht haben.
Aristoteles spricht an unserer Stelle nur von einer hin-
und hergehenden Bewegung des Wassers bei den Seiches-
schwinerungen, wohl weil diese nach seiner Ansicht die Strö-
mungen in den Meerengen nur verursachen. Nun ist aber
damit ein Heben und Senken des Niveaus verbunden. Obwohl
davon nicht die Rede ist, glaube ich doch, daß Aristoteles
diese Bewegung gekannt hat, schon weil das Heben eine not-
wendige Folge des Herfließens, das Senken des Wegfließens ist.
Außerdem fällt das periodische Heben und Senken des Niveaus
dem Beobachter am Ufer zunächst in die Augen. Ich selbst
b K. Honda, An Investigation of the secondary undulations of
oceanic tides. Journ. Coli. Science, Bd. 24. Tokyo 1908.
b Vgl. Ed. ac. Bor., zit. S. 356, p. 354, 1.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc.
363
konnte an allen Seen erfahren, dah einzelne aufmerksame Be-
obachter diese viel kleineren Schwankungen wohl kannten.
Daß auch die Alten diese „beständig rückkehrende Bewegung
aus sich heraus und in sich zurück“ wohl gekannt haben,
sehen wir aus einer Stelle bei Strabo^), der anschaulich
schildert, wie dem am Ufer stehenden die Füße bespült und
wieder entblößt und wieder bespült werden und das in einem
fort, und zutreffend bemerkt, dies geschehe zwar häufiger bei
Wind, aber auch bei ruhiger See und bei vom Lande weg
wehendem Winde. Diese Bewegungen zeigen sich viel augen-
fällicer in Buchten und müssen in den vielen Buchten der
O
reich gegliederten griechischen Küste auch von jeher beobachtet
worden sein. Besonders stai'ke Schwankungen zeigen sich im
Südhafen von Chalkis, wo sie eine Hubhöhe von 30 Zentimeter
erreichen können und ständig vorhanden sind, wie Miaulis
beobachtet hat. Diese verursachen auch hauptsächlich die
unregelmäßigen und rasch wechselnden Euripusströmungen um
die Zeit der Quadraturen des Mondes. Es ist auch sehr wahr-
scheinlich, daß sie Aristoteles gerade von dort her aus eigener
Beobachtung kannte. Die Gezeitenbewegung bleibt nämlich
dort unter den ständigen Seichesbewegungen fast ganz ver-
borgen. Weitei'e Beobachtungen von sehr deutlichen Seiches
liegen vor von Posidonia am Ende des korinthischen Meer-
busens, von Isthmia am Ende des Saronischen Golfes und von
Poros an der gleichnamigen Bucht, welche Beobachtungen mit
Registrierapparaten von Makaroff gemacht und von G. Wege-
mann bearbeitet sind,®) wobei Hubhöhen von bis 40 Zenti-
meter gefunden wurden. Da gerade an den beiden letzten
Punkten die Gezeitenbewegungen nur klein sind und diese
Schwankungen zum Teil in wenigen Minuten sich wiederholen,
so können sie den Anwohnern nicht entgangen sein.
Warum Aristoteles die Mechanik dieser Wasserbewegungen
*) Strabo, I, 53.
Krümmel, Pet. Mit. 1888, p. 135.
G. Wegemann, Beiträge zu den Gezeiten des Mittelländiscben
Meeres. Ann. d. Hydr., August 1907.
24
364
A. Endrös
in ihrem wahren Vorgänge weit seiner Zeit vorauseilend klar
erkannt hat, läßt sich wohl daraus erklären, daß an den zahl-
reichen Einengungen des Meeres der griechischen Küsten die
horizontale Wasserbewegung leichter beobachtet werden konnte.
„Überall da, wo das Meer infolge der Umschließung durch
das Land in einen kleinen Raum sich zusammenzieht, muß die
auf dem weiten Meere kleine hin- und hergehende Wasser-
bewegung notwendig vergrößert sich zeigen“ sagt deutlich, daß
Aristoteles nicht nur die allbekannten Meerengen damit ge-
meint hat, sondern auch jeden verengten Eingang in eine Bucht
oder einen Hafen. Besonders stark sind diese Strömungen in
dem schmalen Kanal, der die fast kreisrunde Bucht im Süden
von Chalkis mit dem Eretrischen Euripus verbindet, so daß
von jeher für die Durchfahrt der Schiffe eigene Anweisungen
galten. Auch der Eingang in die südliche Bucht der Insel
Lesbos und die Meerenge von Knidos müssen wegen solcher
periodischen Strömungen besonders bekannt gewesen sein, da
sie als Euripos bezeichnet wurden. Alle diese Strömungen will
jedenfalls Aristoteles mit den häufigen Schwankungen des Meeres
begründen und er hat darin die vollständig richtige Begrün-
dung gefunden, wie man nach dem heutigen Wissensstand
sagen kann.
Man muß sich wundern, daß gerade diese Stelle bei Ari-
stoteles so wenig beachtet und gar nicht gewürdigt worden ist.
Einen Grund hiefür können wir wohl darin suchen, daß die
Stelle über die Seiches im Zusammenhänge mit den Strömungen
in den Meerengen steht und diese von jeher zu den ungelösten
Problemen gehörten. In neuerer Zeit finde ich sie nur von
H. Berger erwähnt. ü Er sucht aber in den geschilderten
Schwankungen Gezeitenbewegungen. Aber schon der Umstand,
daß Aristoteles diese Schwankungen „häufig“ auftreten läßt,
spricht gegen die Annahme von Gezeiten, da dieselben ja regel-
mäßig und ununterbrochen wiederkehren, was Aristoteles be-
H. Berger, Geschichte der wiss. Erdkunde der Griechen. Leip-
zig 1889, II, S. 114, Fußnote 4.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc. 365
kannt war. Eine solche Deutung der Stelle ist aber nun ganz
ausgeschlossen, nachdem wir aus unserer ersten Stelle wissen,
daß Aristoteles die Gezeiten allgemein nicht als ein Hin- und
Herschwanken des Meeres angesehen hat, sondern als eine Art
Ein- und Ausatmen der Erde und nur weil Berger sich auf
die Stelle bei den Doxographen stützte, die Aristoteles die
Gezeiten des Atlantischen Ozeans als Schwankungen des Meeres
auffassen ließen, konnte er zu dieser Deutung kommen.
Nun ist aber immer noch sehr auffällig, daß Aristoteles
allgemein ausspricht: , Flutend erscheint das Meer durch die
Schwankungen“, während doch allbekannt war, daß die deut-
lichsten und stärksten Strömungen an einigen Meerengen ge-
rade die Gezeiten verursachen. Man hätte eine eigene Erwäh-
nung dieser Strömungen erwarten müssen. Hiefür kann man,
wie ich glaube, eine vollständige Aufklärung in unserer ersten
Stelle über die Gezeiten und die Euripusströmungen finden, wo
er diese Strömungen mit als Ebbe und Flut ansieht, derart,
daß der Euripus bei Chalkis an dem Ein- und Auswärtsfließen
des Euboeischen Meeres direkt teilnimmt, das Einwärtsfließen,
also die Nordströmung, eben die äfincDrig und das Auswärts-
fließen, die Südströmung, die 7iX}]tifxvQig ist. Die Behandlung
dieser Strömungen gehörte also in eine Abhandlung über die
Gezeiten, die wir allerdings bei Aristoteles nirgends finden,
worauf ich später zurückkommen werde. Die Gezeitenströ-
mungen an solchen eingeengten Stellen sind außerdem überall
im Mittelmeer, ausgenommen bei Chalkis und bei Messina, so
schwach, daß sie neben den Strömungen infolge der Seiches
nicht beobachtet werden können.
Hier sei noch eine weitere Stelle aus den Schriften des Aristoteles
besprochen, welcher aber nicht die Bedeutung der obigen Stelle zukommt.
Es ist nämlich nicht sicher, ob sie von Aristoteles selbst stammt, weil
sie in den Problemata enthalten ist. von denen erwiesen zu sein scheint,
daß sie erst von späteren Peripatetikern gesammelt worden sind, wobei
die fehlenden Lücken aus anderen Werken, besonders aus denjenigen
von Theophrast ergänzt worden sind.') Auch sind diese kurzen Be-
') W. V. Christ, Geschichte der griech. Literatur, I, G. Aufl., p. 737.
366
A. Endrös
merl\ungen über die schwierigsten schwebenden Fragen, soweit sie wirk-
lich von Aristoteles herrühren, jedenfalls nicht auf Grund systematischer
Verarbeitung des betreffenden Stoffes entstanden, sondern mehr als ge-
legentliche, bei der Lektüre oder bei der Bearbeitung anderer Gebiete
sich aufdrängende Fragen aufzufassen, die später gelegentlich vielleicht
auch weiter verfolgt werden sollten. Die Stelle ist aber dennoch für
unsere Frage der Seiches und Strömungen von Interesse, weil sie wenig-
stens aus jener Zeit stammt und auf eine diesbezügliche Äußerung des
Aristoteles vielleicht zurückzuführen ist. Die Stelle in Aristoteles Pro-
blemata XXVI, 4 lautet:')
Aia Ti ai zQOTiai nviovoiv; ^ Sia xo avxo o xal oi svqltoi (>iovoiv ;
/tsxQi yao rov Qeiv xal fj däkaaaa (psQsrai xal 6 d/jg' gld' öxav drxijieaf]
xal iiTjxixi Svvtjxai xd djiöyeia Jigodygir did /lij layrgdv sysiv xijv dgxlp’ xfjg
xirtjaecos xal cpogäg jidXii’ drxajioöidcoair.
„Warum wehen die Wechselwinde? Etwa aus demselben Grunde,
aus welchem auch die Euripus genannten Meerengen hin und her strömen?
Bis zum Fließen wird nämlich sowohl das Meerwasser als auch die Luft
gebracht. Wenn es (das Wasser bzw. die Luft) sich dann entgegenstellt
und nicht mehr im stände ist, das vom Lande her kommende weiter zu
bewegen, weil der Antrieb zur Bewegung und zum Fortbewegen nicht
stai'k ist, wirft es (dasselbe) wieder zurück.“
Was diese Stelle zur Frage enthält, ist vor allem die Vorstellung,
wie aus einer fortschreitenden Bewegung des Wassers wieder eine in der-
selben Richtung zurückkehrende wird. Zum Fließen wird das Meerwasser
wie auch die Luft gebracht; durch welche Ursachen, erfahren wir von
Aristoteles an anderen Stellen, worauf ich zurückkommen werde. Aber
das Wasser des Meeres kann nicht in fortgesetzt fließender Bewegung
bleiben, wie ein Fluß, sondern es stellt sich das Wasser selbst entgegen,
d. h. es bildet sich ein Wellenberg. Wenn dann die kinetische Energie
des bewegten Wassers aufgebraucht ist, weil sie sich in Energie der
Lage umgewandelt hat, so wird das Wasser wieder nach derselben Rich-
tung zurückbewegt. Man sieht, es beruht diese Schilderung auf einer
guten Beobachtung, wie man Wasserwogen und Seiches durch Bewegen
des Wassers auslösen kann. Besonders ist darin auch enthalten, daß
die Größe des Weges, den die Wassermasse bei der hin- und hergehen-
den Bewegung zurücklegt, nicht nur von der Geschwindigkeit, sondern
auch von der Masse des bewegten Wassers abhängt. Inhaltlich steht
also die Stelle vollständig im Einklang mit unserer Hauptstelle über die
Seiches und kann daher wohl von Aristoteles herrühren.
*) Ed. ac. Bor., Bd. 11, a. a. 0., p. 940.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc. 36/
Ursachen der Seiches bei Aristoteles.
Nachdem wir nun wissen, dalä Ari.stoteles so klar ausge-
sprochen hat: „Das Meer schwankt häußg hin und her“, darf
man wohl in Anbetracht der Gründlichkeit, mit der er allen
Problemen und besonders deren Ursachen nachgegangen ist,
sofort annehmen, daß er auch die Frage nach dem Woher
dieser Schwankungen sich gestellt hat. Eben diese Über-
legung veranlaßte mich, die Schriften des Aristoteles nach
solchen Seichesursachen zu durchsuchen. Es finden sich auch
wirklich Stellen, welche die auch heute bekannten Haupt-
ursachen der Seiches enthalten.
Besonders klar spricht Aristoteles aus, daß die gleiche
Ursache, welche auf dem Lande Erdbeben erzeugt, auf dem
Meere Schwankungen auslöst. In dem gleichen Buche II,
Kapitel 8 der Meteor, heißt es am Schlüsse:^)
,sr£ Sk QeX [fj ^dlnzTa) xal ov aeiexai XQaTOV/.iivt] vjio zwv zivevLidzojv.“
, Außerdem flutet das Meer und wird nicht erschüttert, wenn es der
Kraft der Pneumata ausgesetzt ist.“
Da wir aus der Stelle S. 361 wissen, daß er unter geir beim
Meere die Schwankungen versteht, ist hier sehr klar enthalten,
daß bei Seebeben solche Schwankungen entstehen. Zu be-
merken ist nur noch, daß unter Pneumata hier nicht aus-
schließlich die oberirdische Luftbeweguug der Winde, sondern
die hochgespannten unterirdischen Gase zu verstehen sind, wie
der Zusammenhang an dieser Stelle ersehen läßt. Nach den
heutigen Forschungsergebnissen wissen wir auch, daß bei allen
Seebeben Wellen großer Länge entstehen, die sich an den
Küsten als Seiches zeigen. Besonders bekannt sind die Wellen,
welche beim Ausbruch des Krakatau an fast allen Küstenpunkten
des Weltmeeres auftraten, ebenso die ungewöhnlich großen
Seichesschwingungen in den Buchten Japans infolge von See-
beben, die oft viele Menschenleben vernichtet haben.®)
1) Ed. ac. Bor., a. a. 0., p. 362, 2.
Vgl. 0. Krümmel, Handbuch der Ozeanographie, II. Stutt-
gart 1911, p. 134 ff.
368
A. Enclrös
Während an der obigen Stelle zunächst die Wirkung der-
jenigen Pneuraata gemeint ist, welche die Erdbeben erzeugen,
also mehr der von unten her wirkenden Winde, findet sich an
einer weiteren Stelle ausdrücklich die Einwirkung der ober-
irdischen Winde erwähnt. Die Stelle lautet:^)
^ojtov S’ äfia xvfia aeiafic^ yeyoi-et’, airiov, orav ivavxia yiyvrjrai ra
jrvsv/naxa. tovto yiyvexai, oxav x6 aeiov xijv yfjr m'ev/ia (psQoitevrjv vtx' aXlov
Tivevfiaxog xrjv dälaooav aTxwaai ukv o/.cog dvvrjxai, jxgocodovv de xal
avaxekkov etg xavxov avya&Q0ia>] xoXX'^v' x6xs yäg dvayxaXov fjxxrfdevxog
xovxov xov Tivevfiaxog d&göav wQovuevrjv vjiö xov evavxiov Tivevfiaxog exgi)-
yvva&at xal TioieXv xov xaxaxXvofiov.'^
,Wo aber gleichzeitig mit einem Erdbeben eine Woge entstand,
war daran schuld, daß entgegengesetzt gerichtete Winde entstanden.
Solches ereignet sich, wenn das Pneuma, welches die Erde erschüttert,
das von einem anderen Winde bewegte Meer nicht vollständig zurück-
drängen kann, seinerseits aber das Meer vorwärts treibt und zusammen-
schiebt und dadurch eine große Wassermenge anhäuft. Dann muß nach
Überwindung des ersteren die gesamte Wassermenge von dem entgegen-
gesetzten Winde getrieben hervorbrechen und die Überschwemmung ver-
ursachen.“
Was in der Stelle für uns zunächst wichtig ist, ist die
klare Erkenntnis der Wirkung des Windes auf das Meer, der
nach Aristoteles das Meerwasser in seiner Richtung in Be-
wegung versetzt und dadurch Wogen erzeugt. Das TiQoco^elv
rrjv Od}MTrav entspricht auch unserer heutigen Vorstellung der
wogenerregenden Wirkung des Windes. Dabei ist es aber
nach den neuesten Ergebnissen nicht der fortgesetzt gleich-
mäßig wehende Wind, sondern der stoßweise auftretende, der
besonders Wellen großer Länge erzeugt,^) wie das besonders
bei böigem Wetter in den Fallwinden zu beobachten ist, worauf
zuerst S. Günther aufmerksam gemacht hat.
Von besonderem Interesse ist ferner noch, daß Aristoteles
das Auftreten besonders großer Wogen infolge raschen Um-
1) Ed. ac. Bor., a. a. 0., p. 362, 2.
-) ln Probl. 23, 11 findet sich auch diese Beobachtung ausgesprochen:
„IlgowdeX de ov avveyeg tio> dv x6 Tivevfia, dXXd dgyofievov.
S. Günther, Von den rythraischen Schwankungen des Spiegels
geschlossener Meeresbecken. Mitt. d. Geog. Ges. Wien 1888, 31, p. 510.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc. 369
Schlagens des Windes in die entgegengesetzte Richtung be-
kannt war, wie unsere Stelle ersehen läßt. Die Beobachtungen
an Seen und die Berichte über große Wasserwegen an den
Meeresküsten enthalten häufig solche meteorologische Verhält-
nisse, bei denen ein rasches Umschlagen des Windes ange-
nommen werden muß. Wenn auch viele Berichte besonders
über das Auftreten von sogenannten Seebären Windstille am
Beobachtungsorte konstatieren, so ist die Auslösung der Woge
eben nur in weiterer Entfernung zu suchen. Die Art und
Weise, wie die Woge entsteht, denkt sich Aristoteles dabei
allerdings sehr einfach als eine Überlagerung der von den
sich begegnenden Winden erzeugten Wogen. Der Vorgang ist
natürlich ein viel verwickelterer, wie wir heute wissen. Vor
allem wirkt dabei eine plötzliche Änderung des Luftdruckes
mit, ferner hängt die Höhe der Woge mit dem Zeitintervall
zwischen dem Nachlassen des einen und dem Auftreten des
entgegengesetzten Windes zusammen in Verbindung mit der
Tiefe des Meeres und der Gebietsausdehnung, welche dieser
Störung ausgesetzt ist, und anderen Faktoren; eine Analyse des
einzelnen Vorgangs ist aber schon deshalb nicht möglich, weil
die Störungsstelle immer auf dem Meere draußen liegt und
eine Beobachtung dieser Faktoren unmöglich ist.
Daß gleichzeitig mit dem Erdbeben eine solche durch
meteorologische Ursachen erzeugte Woge auftritt, wie sie Ari-
stoteles erwähnt, ist wohl möglich. Doch wird gewöhnlich
die Wirkung des Erdbebens selbst, eines sogenannten Dis-
lokationsbebens, die großen Wasserfluten erzeugen. Was für
unsere Frage von Interesse ist, ist die Tatsache, daß Aristo-
teles sogar in Erdbeben wogen meteorologische Ursachen suchte,
während man später bis auf unsere Zeit umgekehrt als Ur-
sachen aller großen Wasserwogen immer ferne Erd- und See-
beben betrachtete und erst in neuester Zeit als gewöhnliche
Ursachen derselben meteorologische Vorgänge wieder erkannt
hat. Wenn auch dieser wiederum mit den modernsten An-
sichten übereinstimmende Standpunkt des Aristoteles sich ein-
fach aus seiner Theorie der alles vermögenden Pneumata ergibt.
370
A. Endrös
SO ist doch die klare Erkenntnis solcher Vorgänge und die ein-
fache Erklärung derselben für die damalige Zeit sehr staunenswert.
Daiä auch das Vorauseilen dieser Wogen vor dem Winde
Aristoteles bekannt war, folgt aus einer Stelle im gleichen
Kapitel 8 der Meteor. ;
y^Q TO.-TOi, — , ötä TO Ttjv üa/.ÜTTai' fisv TTOOCodeiaOat ijSij
aÖQooi&sv, — ,Wenn der Südwind zu wehen im Begriffe ist, zeigt er
sich vorher an. Es geben die Gegenden ein Geräusch, weil das Meer
schon von der Ferne her vorwärts getrieben wird. . .
Die Frage, warum die Wogen dem Winde vorauseilen,
ist auch in den Problemata dreimal besprochen, nämlich in
Buch XXIII, 2, 11 und 12. In No. 2 und 11 finden wir über-
einstimmend die gleiche Begründung wie oben, daß der Wind
das Meer vorwärts stoße von der Ferne, ein :igo(o&eh’ xr]v
ddXmrav. Während aber bei den vorausgehenden Stellen nach
dem Zusammenhang nur Wellen großer Länge gemeint sein
können, kann mau an diesen Stellen unter xvfinTa ebenso die
Oberflächenwellen des Windes wie die langen Wellen verstehen.
Beide Wellenarten werden vom fernen Winde erregt und ge-
langen, wie richtig geschildert ist, dadurch, daß das vom Winde
angestoßene Meer das daran angrenzende seinerseits in Wellen-
bewegung versetzt, vor dem Winde oder auch, ohne daß der
AVind das Ufer selbst erreicht, an die Küste. Die Stellen selbst
scheinen auch von Aristoteles wirklich herzurühren; aus dem
erwähnten Grunde aber können wir sie doch nicht für unsere
Frage direkt verwenden.
Aus den obigen Ausführungen geht also zur Genüge her-
vor, daß Aristoteles außer den Erdbeben als Hauptursache der
Seiches die Einwirkung der Pneumata auf die AVasserober-
fläche angenommen hat. Die AVinde läßt er dabei ausschließ-
lich durch ihren Stoß auf das AA'asser wirken. A'ergleicht man
diese seine Ansicht mit dem jetzigen AAhssensstand in dieser
Frage, so ersieht man, daß Aristoteles zwei von den 3 Haupt-
ursachen der Seiches der Meere damit richtig erkannt hat.
Ed. ac. Bor., zit. S. 356, p. 367, 1.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Aüeeres etc. 371
Nur die weitere häufige Ursache der Luftdruckschwankungen
ohne Mitwirkung des Windes war ihm unbekannt, wenn wir
nicht in dieser Wirkung der Pneumata auch den Luftdruck
einschließen dürfen. Bedenkt man aber, .daß auch heutzutage
die Ursachen der Seiches der Meere nicht durch Beobach-
tungen gefunden wurden, sondern nur durch Analogieschluß
von den kleinen Wasserbecken auf das große Meer abgeleitet
sind, so müssen wir auch hierin die Kenntnisse der alten
Griechen, speziell des großen Stagiriten bewundern.
Die Gezeiten des Atlantischen Ozeans bei Aristoteles.
Von jeher hatte man gerade bei Aristoteles nach einer
Ansicht über Ebbe und Flut gesucht, weil man wußte, daß
er alle Gebiete des menschlichen Wissens seiner Zeit beherrscht
hatte. Während man nun auffälliger Weise die einzige in
seinen Schriften wirklich enthaltene und uns überkommene
Stelle nicht beachtete, hielt man sich an zwei andere Stellen,
die über die Gezeiten des Atlantischen Ozeans handeln, die aber
sich nicht in den uns überkommenen Schriften finden. Die
eine Stelle überliefert uns Strabo, die andere findet sich bei
den Doxographen und in beiden Stellen ist Aristoteles miß-
verstanden worden, wie ich im folgenden zeigen werde.
In der Erdbeschreibung des Strabo findet sich in Buch III,
c. 153 das bekannte Fragment von Posidonius:
^fl dfj aal töv ’AoiaioziXrj eprjaiv Tloasidcoviog ovx ooOwg ahiäa&ai rijv
Jiaga/.cav zwv Tzkrjufiygidoiv xnl zwv dfijzwzezov' :za?.iQQOsTv ydg zpävai zrjv
&äkazzav öid z6 zag dxzdg vipz]läg ze xac zaysing elvai dsyo(.iivag zt zo
HVfia oxXzjgwg xac ävzajzodcdovaag. z' uvdvzia ydg zfj ‘Ißr)gi<t divzödeig slvai
xal zaneivdg zag jzlstazag, dgdöjg ?Jyo>v.'‘
, Weshalb denn auch Posidonius bemerkt, daß Aristoteles mit Un-
recht die Küste als Ursache der Fluten und Ebben angebe; er behaupte
nämlich, das Meer flute abwechselnd hin und her, weil die Ufer steil und
felsig wären, welche so der Woge widerstünden und sie zurückwerfen in
entgegengesetzter Richtung. Im Gegenteil nämlich habe Iberien größten-
teils sandige und niedrige Ufer, fügt Posidonius mit Recht au.“
An der Stelle ist ohne Zweifel zu ergänzen „als Ursache
der dortigen Fluten und Ebben“, wie Schühlein auch betont
372
A. Kndrös
hat/) womit natürlich die im Verhältnis zum Mittelländischen
Meere großen Gezeiten nur gemeint sein können, welche durch
die seefahrenden Phönizier auch in Griechenland schon bekannt
waren. Wir müssen diese Ergänzung jetzt notwendig anbringen,
weil wir die Ansicht des Aristoteles über die Gezeiten ja kennen.
Auch Posidonius hat jedenfalls in diesem Sinne Aristoteles er-
widert und Strabo hat eben auch an dieser Stelle ungenau
zitiert, wie ihm Schühlein so oft nach weisen konnte. Wenn
Aristoteles wirklich die astronomischen Gezeiten hiemit gemeint
hat, was mir nicht wahrscheinlich ist, so war das Heranziehen
der Reflexion zur Erklärung großer Fluthöhen ganz im Sinne
der modernen Forschungsergebnisse. Stoßt die Flutwelle senk-
recht auf die entgegenstehende Küste auf, so wird sie in der
gleichen Richtung wieder zurückgeworfen und durch Über-
lagerung der ankommenden und der reflektiei'ten Welle erlangt
die Fluthöhe den doppelten Betrag. Schon Börgen hat die
Reflexion gerade zur Erklärung der ungewöhnlichen Fluthöhen
an der englischen Küste herangezogen und R. A. Harris hat
in seiner neuen Theorie der Gezeiten* *) den gleichen Vorgang
an vielen Küstenpunkten mit Recht angenommen. Wir sehen
daraus, daß Aristoteles den Vorgang der Reflexion der Wellen
gekannt und, wie es scheint, an der Reflexion der Oberflächen-
wellen des Meeres an steilen Küsten beobachtet hat. Bei den
kurzen Wellen nämlich ist ein steiles Ufer notwendig, damit
nicht die Welle brandet und sich überschlägt; daß aber die
Woo’en von bedeutender Länge auch an flachen Küsten ebenso
reflektiert werden wie an Steilküsten, hat Aristoteles nicht
gewußt, wie wir aus dieser Stelle ersehen können.
Es ist aber auch die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß
Aristoteles und auch Posidonius an dieser von Strabo aus
dem Text herausgerissenen Stelle die astronomischen Gezeiten
o^ar nicht gemeint hat und die Stelle von Strabo wieder miß-
1) F. Schühlein, Untei'suchungen über des Posidonius Schrift:
.-regt (oy.euvov, Programm des hum. Gymn. Freising, 1901, S. 93.
2) Ann. d. Hydrographie, 1908, S. 410.
*) R. A. Harris, Manual of Tides IV A und IV B.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc.
373
verstanden worden ist. Posidonius selbst spricht nach Strabo^)
von , manchmal eintretenden gesteigerten Fluten“, für welche
er die doppelte Fluthöhe derjenigen bei Springflut anset^-.t und
von denen er sagt, daß „sie ein gemeinsames Vorkommnis an
der ganzen Küste des Ozeans rund herum sein sollen.“ Es
können darin nur die durch meteorologische Ursachen erzeugten
o o
Fluten gesucht werden, wie sie an vielen Küsten des Meeres
auftreten und die von Alters her bekannt waren. Aristoteles
selbst kannte auch die Nachrichten von großen Fluten im
Atlantischen Ozean und erwähnt sie sogar zweimal in seinen
Schriften, so in Eth. Eud. III, 1, wo er von der bekannten
Sage spricht, daß die Cimbern um sich in der Unerschrocken-
heit zu üben die Waffen gegen die Fluten ergreifen, ferner
in Eth. Nik. III, 10, wo er von den Kelten spricht, welche
weder die Erdbeben noch die Fluten fürchteten. An beiden
Stellen steht nun für Fluten y.vfxma, wie auch in unserem
obigen Fragment die Flut, welche reflektiert wird, mit Kvfia
bezeichnet ist. Strabo hat auch gerade da, wo er die auch
von Aristoteles erwähnten Flutsagen der Cimbern bespricht,
dieselben mit jih^/ujuvQideg xal äfincbzeig im Texte gegeben und
wirklich für astronomische Gezeiten angesehen, wie aus der
Polemik hervorgeht. Diese Verwechslung der meteorologi-
schen und astronomischen Fluten ist von Herodots Zeiten bis
in unsere Zeit vorgekommen und hat viel zu der Verwirrung
in diesen Fragen von jeher beigetragen. Es ist demnach sehr
wahrscheinlich, daß Aristoteles nur die einzeln manchmal auf-
tretenden großen Fluten und Ebben gemeint hat, die er ja,
wie wir aus dem Vorausgehenden wissen, durch Erdbeben oder
Winde entstanden denkt und welche durch die Reflexion an
den Küsten zu solcher Höhe gesteigert werden können.
Die zweite Stelle, welche bis jetzt als einzige überlieferte
Ansicht des Aristoteles über die Gezeiten gegolten hat, findet
sich bei den Doxographen und fast gleichlautend bei Plutarch,
Stobaeus und auch bei Galenus. Vgl. Diels Dox. Gr. S. 382:
1) Strabo, III, 175.
2) Strabo, VII, 293.
I
3/4 A. Endrös
/.do(OTOT£/j;s ') ^Hoax?.Ei'St]g v;i6 xov ij/.tov la :JikgTaTa zwv ^vsvfidrwr
xii’ovi'To; xal av/xxsQiqpggovtoi’-) vcp' wi’ g/tßa?.Ä6vT(oy /ist' :!iQom&ov/iifijv
uvoiösTv Ttp’ AxXavzixljv &d?.aaoai’ xal xazaaxevd^Sii' zijv 7ih]/i/iVQav , xaza-
h/ydi'zwv 8' dvzixsQiax(ü/isvr]v vjioßaivsiv , ojzsq sirai zrjv ä/ijiioziv.“
„Aristoteles und Heraklides lassen die Gezeiten durch die Sonne
entstehen, welche die meisten Pneumata in Bewegung bringt und mit
sich herumführt; diese Pneumata fallen auf das Atlantische Meer und
dadurch werde dasselbe vorwärts gestoßen und schwelle an und bilde
so die Flut; wenn sie aber nachlassen, ziehe sich das Meer rings herum
in entgegengesetzter Richtung zui'ück und nehme dadurch ab, was die
Ebbe sei.“
Nachdem wir die Ansicht des Aristoteles über den Be-
wegungsvorgang bei den Gezeiten kennen, dürfen wir mit ziem-
licher Sicherheit behaupten, daß obige Darstellung nicht authen-
tisch sein kann. Daß man den Doxographen in diesen kurz
zusammengefaßten Ansichten der Gelehrten über die wichtigsten
Probleme kein besonderes Vertrauen entgegen bringen kann,
zeigen mir schon die Artikel über die Erdbeben und Winde
bei Aristoteles, welche nur die Unmöglichkeit beweisen, die
Theorien des Aristoteles, die wir ja glücklicher Weise noch
besitzen, in kurzen Sätzen zusammenzufassen. Wie irreführend
gerade die Angaben über die Gezeitentheorien bei den Doxo-
graphen sind, sieht man vor allem bei der kurzen Bemerkung
über Pytheas Ansicht, wo nur eine Stelle aus seinen ver-
dienstvollen Gezeitenbeobachtungen herausgerissen und entstellt
ist. Er hatte dort, woran kein Zweifel sein kann, nur betont,
daß bei zunehmendem Mond die größeren Fluten und bei ab-
nehmendem die größeren Ebben entstehen, während er nach
den Doxographen die Fluten bei zunehmendem und die Ebben
bei abnehmendem Monde entstehen läßt. Auch ist sehr un-
wahrscheinlich, daß Posidonius, der beste Kenner der Ge-
zeiten, diese durch die Winde entstehen läßt, welche vom Monde
bewegt w'erden sollen. Es ist doch ganz unmöglich, daß Posi-
donius dem Monde eine so regelmäßige Einwirkung auf die
Winde zuschreiben konnte, wo man bis heute vom Monde
1) Stobaeus hat xal und Galenus erwähnt nur den Aristoteles.
Stobaeus hat nur sTsgupsnovzog, ebenso Galenus.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc. 375
keinen merkbaren Einfluß auf die Atmosphäre beobachten konnte.
Es scheint eben hier wieder vermengt zu sein die Entstehung
der astronomischen Gezeiten, deren Abhängigkeit vom Monde
ja speziell Posidonius zuerst klar erkannt und ausgesprochen
hat, und diejenige der zeitweilig auftretenden großen Fluten,
welche durch Winde erzeugt werden können.
Bei unserer obigen Stelle sind wir nun in der Lage, mit
noch größerer Wahrscheinlichkeit ein Mißverständnis des be-
treffenden Berichterstatters zu erkennen. Wissen wir ja doch,
daß Aristoteles die astronomische Ebbe durch ein Zurückziehen
des Wassers in die Erde und die Flut durch ein Herausströmen
entstanden gedacht hat. Warum sollte Aristoteles bei den
Atlantischen Gezeiten eine neue, ganz verschiedene Theorie
aufgestellt haben? Und wenn wir noch die Möglichkeit in
Betracht ziehen, daß an einer uns verloren gegangenen Stelle
Aristoteles vielleicht die Pneumata als wirkende Kräfte bei
diesem Ein- und Ausatmen angenommen hat, so müßte beim
Herabfallen der Winde auf das Meer das Wasser zurückge-
drängt werden in die Erde und die Ebbe entstehen und beim
Nachlassen des Druckes die Flut, nicht umgekehrt, wie obige
Stelle klar angibt. Unsere Stelle kann daher nur einer ver-
loren gegangenen Aufzeichnung über die zeitweise auftretenden
meteorologischen Fluten entnommen sein, die Aristoteles, wie
wir oben gesehen haben, wobl gekannt hat und welche ihn
jedenfalls wie alle merkwürdigen Erscheinungen zu einer Er-
klärung und Begründung herausgefordert haben. Wir haben
im vorausgehenden außerdem gesehen, daß Aristoteles die zeit-
weilig aufti'etenden Wogen {y.vfiaTO.) durch den Stoß der von
der Ferne her wirkenden Winde und auch die Erdbebenwogen
durch die von oben oder unten her wirkenden Pneumata ent-
standen denkt. Und in dieser Schilderung der Doxographen
finden wir dieselbe Entstehung der Wogen genau wieder. Auch
hier ist vom ngoco^eiv des Meeres die Rede wie oben.
Die anschauliche Darstellung der Auslösung der Fluten und
Ebben stimmt ja merkwürdig damit überein, wie wir uns heut-
zutage die Entstehung der Seiches durch Wind und Luftdruck
376
A. Endrös
denken. Durch die Drucksteigerung der Luft auf einem Teile
einer Wasserfläche oder durch den Stoh des Windes wird die
Wasserfläche niedergedrückt und gegen das Ufer vorwärts
getrieben und schwillt dort an. Allerdings ist für die Ent-
stehung der Ebbe kein Nachlassen des Druckes notwendig,
sondern durch die Gleichgewichtsstörung sind nun die perio-
dischen Schwankungen schon erzeugt, da das Wasser durch
seinen Überdruck selbst wieder zurückfließt und sich ebenso
weit unter das Gleichgewichtsniveau senkt, als es sich vorher
über dasselbe erhoben hatte. Wenn aber das Nachlassen im
Takte der ausgelösten Schwingung erfolgt, wie man bei den
besonders großen Schwankungen annehmen muß und es auch
nachgewiesen hat, dann wird die Schwankung um denselben
Betrag erhöht. In obiger Schilderung ist also die Auslösung
der Schwingungen statisch aufgefaßt, wie man das auch an-
fangs bei den Seiches und Gezeiten noch getan hat.
Vergleichen wir die Stelle bei den Doxographen mit der-
jenigen bei Strabo, so finden wir eine große Ähnlichkeit beider,
ja man ist versucht, die beiden Stellen auf die gleiche Quelle
zurückzuführen. Daß in der Strabostelle die Flut als xvjxa
angesprochen ist, habe ich schon betont und die Reflexion
dieser Woge an den steilen Küsten paßt vorzüglich zu der
Doxographenstelle, da wirklich die Reflexion die Hubhöhe noch
vergrößert. Darnach hätte Strabo bei Benützung dieser Posi-
doniusstelle wieder eine Nebensache herausgegrififen, weil sie
eben zur Schilderung Iberiens gerade paßte, die Hauptsache
aber, wie die Fluten selbst entstehen, w^eggelassen. Das Frag-
ment von Aristoteles hätte demnach bei Posidonius gelautet:
Die Winde fallen auf das Atlantische Meer und dadurch wird
dasselbe vorwärts gestoßen und schwillt an und bildet so eine
Woge. Die steilen Ufer an der iberischen Küste widerstehen
der Woge und werfen sie in entgegengesetzter Richtung zu-
rück, wodurch die bekannten Fluten an dieser Küste sich er-
klären. Lassen die Pneumata in ihrem Drucke nach, so strömt
das Wasser von allen Seiten wieder zurück und es entstehen
die bekannten Ebben dieser Gegenden.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc. 377
Die Stelle bei den Doxographen enthält aber noch die als
wesentlich zu bezeichnende Bemerkung „vno rov fjUov zu TilsToza
zcbv jivEVfidzcov xivovvTog y.al av/nJiEQicpEQoihog, worin als An-
sicht des Aristoteles hingestellt ist, dah die Gezeiten von der
Sonnenwirkung herrühren. Hierin ist aber, woran ich nicht
zweifle, nur eine Bemerkung des Berichterstatters zu erblicken,
der in den Schriften des Aristoteles nach einer Erklärung
gesucht hat, daß diese Pneumata eine so regelmäßig wieder-
kehrende tägliche Erscheinung hervorbringen. Es ist nämlich
weder an einer uns erhaltenen Stelle von einer derartigen Ein-
wirkung der Sonne auf die Pneumata die Rede noch ist die
Bemerkung überhaupt in Einklang zu bringen mit der Ansicht
des Aristoteles über die Bewegung der Pneumata, die ja in den
Meteorologika so eingehend behandelt und zerstreut in allen
4 Büchern immer wieder mit der Theorie übereinstimmend
dargelegt ist. Die Sonne erzeugt wohl Pneumata, indem sie
durch ihi-e Wärme die Ausdünstung fördert und nur insofern
ist die Entstehung derselben „vno zov f]?uov xvxXw q)EQojuEvov“
abhängig. Aristoteles war aber doch sehr gut bekannt, daß
die Richtung der Winde, überhaupt die Bewegung der Pneu-
mata eine Unregelmäßigkeit, ja Regellosigkeit zeigt, die nicht
mit dem Gange der Sonne in Übereinstimmung zu bringen war.
Noch viel weniger konnte ein Aristoteles eine so regelmäßige
Einwirkung der Sonne auf die Pneumata annehmen, daß die
täglich so regelmäßig wiederkehrende Erscheinung der Ebbe
und Flut dadurch verursacht sein konnte. Und daßPlutarch
noch ein ov jUJiEoiqoEoovzog daraus macht, deutet erst recht darauf
hin, daß man bei Aristoteles eben eine Einwirkung der Ge-
stirne gesucht und eine solche von der Sonne hineinkonstruiert
hat, ähnlich wie auch bei Posidonius die Winde vom Monde
bewegt werden sollten. Daß aber die zeitweise auftretenden
großen Fluten und Ebben durch die Pneumata erzeugt werden,
die ihrerseits von der Sonne beeinflußt werden, das liegt ganz
im Gedankenkreise des Aristoteles und im Sinne seiner Lehre.
') Ed. ac. Bor., a. a. 0., Met. II, 4, S. 359, 2.
Sitzungsb. d. math.-phys. Kl. Jahrg. 1915.
25
378
A. Endrös
Aristoteles und die Euripusfrage.
Im vorausgehenden konnte ich nachweisen, daß Aristoteles
die Gezeitenbewegung des Nordhafens von Chalkis und die
damit zusammenhängenden Strömungen wohl gekannt hat. Im
besonderen wußte er, daß der Strom zur Zeit des raschesten
Fallens und Steigens infolge der Gezeiten kentert und die
Stromgeschwindigkeit periodisch zu- und abnimrat. Er kannte
also damit die sogenannten regelmäßigen Strömungen des Eu-
ripus und ihre Ursache. In gleicher Weise kannte er die Seiches
des Meeres und wußte, daß die rasch wechselnden Strömungen
in den Meerengen durch diese Schwankungen verursacht werden.
Er kannte also auch die unregelmäßigen Euripusströmungen
und deren Ursachen. Es ist daher sehr merkwürdig, daß man
schon bald nach Aristoteles die Lösung des Problems nicht
mehr verstanden hat, obwohl sie in den Schriften desselben
direkt enthalten ist. Es erklärt sich das wohl daraus, daß
man das Problem selbst nicht mehr gekannt hat, wie die irre-
führenden Einzelheiten an den uns überkommenen Stellen zeigen.
So weiß Strabo von Eratosthenes,i) daß der Chalkidische Euripus
siebenmal an jedem Tage seine Richtung ändere, und dieses Fi'agment
des Eratosthenes enthält die erste Erwähnung des 7 maligen Wechsels;
Plinius ferner, der sich wohl auf dieselbe Quelle stützt, berichtet etwas
genauer, daß in der Meerenge bei Euboea siebenmal in einem Tage
und einer Nacht die Ebbe und Flut wechsle und daß daselbst die Flut
3 Tage lang stehen bleibe, nämlich am 7., 8. und 9. Tage nach dem
Neumonde.^) Wir sehen, von der ganzen komplizierten Erscheinung ist
nur herausgegriffen, daß ein 7 maliger Wechsel der Strömung bei Tag
und ebenso bei Nacht vorkommt. Nun zeigt sich dieser Wechsel nur
zur Zeit der Quadraturen und da nicht etwa in gleichen Intervallen, wie
die Stellen annehmen, und auch nicht 7 mal, sondern, wenn überhaupt
ein häufiger Wechsel vorkommt, kann man bis 7 und auch mehr solche
zählen.^) Und nur Plinius erwähnt, daß 3 Tage lang keine Fluterschei-
nung sich zeige; aber auch diese Bemerkung ist irreführend, weil nicht
diese unregelmäßigen Fluten stehen bleiben, sondern die regelmäßigen
Gezeiten. Man sieht, wie herausgerissen und falsch die Darstellung ist.
Strabo, II, 55. Plinius, II, 100.
Vgl. Zum Problem des Euripus, diese Sitzungsberichte 1914, p. 131
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc.
379
Auf diese stützen sich auch die späteren Schriftsteller. Manche Stellen
erwähnen nur die große Unregelmäßigkeit der Strömungen, nicht aber,
daß diese nur an den 3 Tagen zur Zeit der Quadraturen anzutreffen ist.
Hierher gehört auch Livius,*) der aber als erster sehr nachdrücklich
einen regelmäßigen, siebenmaligen Wechsel bestreitet und die
Regellosigkeit der Strömungen in Stärke und Richtung sehr anschaulich
und richtig schildert. Man sieht aber aus dieser Stelle, daß wieder die
regelmäßigen Strömungen nicht bekannt waren, sonst wäre nach Livius
nicht die Flotte des Sulpicius, die an den kritischen 3 Tagen im Nordhafen
gelegen hatte, ohne die regelmäßigen Fluten abzuwarten, wieder abgesegelt.
Einen eingehenderen Bericht über das Problem verdanken
wir ers^ wieder dem Jesuitenpater J. P. Babin, der sich von
1667 bis 1669 in Chalkis aufgehalten hatte. Der Bericht findet
sich mehrfach in älteren Geographien und Reisebeschreibungen
Griechenlands^) und auf Grund dieses Berichtes hat F. A. Forel
im Jahre 1879 eine Erklärung der regelmäßigen Strömungen
als verursacht durch die Gezeiten und eine solche der unregel-
mäßigen als veranlaßt durch die von ihm erstmals wieder ent-
deckten Seiches gegeben^) und das Euripusproblem galt als
von Forel gelöst. Eigentümlich mutet es uns aber an, wenn man
liest, wie in der ersten Begeisterung über die Forel gelungene
Lösung ein französischer Schriftsteller H. von Parville*) be-
dauern zu müssen glaubte, daß der große Stagirite kein Zeit-
genosse Forels gewesen sei, der ihn hätte aufklären können,
nachdem wir nun wissen, daß Aristoteles die Lösung des Euripus-
problems ebensoweit gekannt hatte, als sie Forel 2200 Jahre
später gefunden hat. Forels Theorie blieb nicht unwider-
sprochen. Der griechische Seeoffizier A. Miaulis veröffent-
lichte nämlich im Jahre 1882 seine sehr eingehenden und ver-
dienstvollen Beobachtungen,^) welche außer anderem in halb-
Livius, Lib. 28, 6. — Nebenbei kann man aus dieser Stelle an-
geben, daß das betreffende geschichtliche Ereignis in der Zeit des 1. oder
letzten Viertel des Mondes war.
Der erste Bericht findet sich bei Spon und Wheeler: Voyage
dTtalie, de Dalmatie, de Grece etc. fait 1675 et 76. Amsterdam 1679,
vol. II, p. 252.
P. A. Forel, Comptes rendus 1879, p. 861.
’Avt. MiuovXrjg , Ilegl trjg jiakiQgoiag xov Evgtnov, Athen 1882.
25*
380
A. Endrös
stündlichen Ablesungen des Wasserstandes im Nord- und Süd-
hafen von Chalkis aus den Jahren 1871 und 72 bestehen, und
bezweckte damit nachzu weisen, daß Forel das Euripusproblem
nicht gelöst habe, weil er es nicht gekannt habe. Die Haupt-
frage bestehe nicht in den unregelmäßigen Strömungen, son-
dern in einer anormalen Gezeitenperiode und besonders in einem
ganz merkwürdigen Ausfallen eines Niedrigwassers am 11. und
26. Mondtage, wofür er selbst auch keine Lösung finden könne.
Im Jahre 1888 trat Prof. 0. KrümmeD) in diesem Streite für
Forel auf, indem er die genannten Gezeitenanomalien für un-
wahrscheinlich und durch Miaulis Beobachtungen nicht für
erwiesen erklärte, während er Forels Theorie gerade durch
Miaulis Ergebnisse im einzelnen begründen konnte.^) Auf Grund
einer Durcharbeitung der Miaulischen Beobachtungen konnte
ich dann im Jahre 1914 nach weisen,^) daß diese Anomalien
entgegen der Annahme Krümmels wirklich vorhanden sind und
sich durch ein merkwürdiges Zusammentreffen von Gezeiten-
komponenten vollauf begründen lassen.
Man hatte nun von jeher angenommen, daß die unregel-
mäßigen, rasch wechselnden Euripu.sströmungen es waren, die
Aristoteles vergeblich zu ergründen suchte. Eine Sage ging
sogar soweit, daß sie ihn aus Verzweiflung darüber den Tod in
den Euidpusfluten suchen ließ, in die er sich gestürzt haben
soll mit den Worten: „Fasse mich, weil ich dich nicht erfassen
kann“.'^) Nachdem wir aber wissen, daß Aristoteles gerade
diese weit seiner Zeit vorauseilend mit dem Auftreten von
Seiches richtig begründet hat, so können es nur die Gezeiten-
anomalien gewesen sein, die, wie wir sehen werden, auch ganz
*) 0. Krümmel, Zum Problem des Euripus, Pet. Mitt. 1888, p. 331.
*) Ein sehr klarer und erschöpfender Bericht über die Forel-Krüm-
melsche Lösung des Problems findet sich in Pauly, Real-Enzykl. d. klass.
Alt., VI. Stuttgart 1909 unter Euripos mit vollständiger Literaturangabe
von A. Philippson.
Zum Problem des Euripus, diese Sitzungsberichte 1914, p. 99 ff.
Die erste Erwähnung der Sage findet sich bei Justin. Cohort.
ad Graec., p. 34.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc. 381
dazu geeignet waren, die Aufmerksamkeit eines Aristoteles
immer wieder auf sich zu lenken und mit ihrer Rätselhaftig-
keit den Sinn eines so großen Forschers zu verwirren. Man
wußte auch von jeher, daß Aristoteles sich häufig in Chalkis
selbst aufgehalten hat, wo er ein Haus besaß, und daß er
das letzte Jahr seines Lebens ganz dort verbracht hat.^) Um
so mehr muß man annehmen, daß ihn diese Erscheinuntren
dort sehr viel beschäftigt haben. Auch muß es seiner Um-
gebung und seinen Schülern bekannt gewesen sein, wie sehr
die Euripusfragen den Meister beschäftigten. Dazu kommt
noch, daß Aristoteles die Frage der Ebbe und Flut und die
Euripusfrage so wenig in seinen Schriften berührt, und wie
man annehmen darf, auch keine eigene Schrift über die alle
größeren Gelehrten des Altertums so sehr beschäftigenden Fragen
hinterlassen hat. Wenn man alle diese Momente berücksichtigt,
so kann man die Entstehung eines solchen Gerüchtes begreif-
lich finden.
Eine erste große Merkwürdigkeit der Gezeitenerscheinungen
bei Chalkis, die oben schon erwähnt worden ist, besteht darin,
daß der vom Meere durch den langgestreckten Oreoskanal abge-
schlossene Talantische Euripus eine so starke Gezeitenbewegung
hat, im Südhafen von Chalkis aber, der durch den Golf von
Petalia unmittelbar mit dem Meere zusammenhängt, der Ge-
zeitenhub so klein ist, daß dieser neben den Seichesschwan-
kungen ganz verborgen bleibt. In diesem Umstande darf man,
wie ich glaube, den Grund dafür suchen, daß Aristoteles und
vielleicht die Griechen überhaupt sich die Ebbe und Flut als
eine Art Ein- und Ausatmen der Erde vorgestellt haben. Eine
derartige Bewegung ist nämlich nur möglich, wenn man sich
den Untergrund des Meeres von Poren und Hohlräumen durch-
setzt denkt. Aristoteles macht auch ausdrücklich auf diese
Beschaffenheit der Gegenden des Euböischen Meeres aufmerk-
sam und bringt damit auch in Zusammenhang das häufige Auf-
*) Real-Enzykl. d. kl. Alt., Bd. II, Lebensbeschreibung des Aristo-
teles, S. 1021.
382
A. Endrös
treten von Erd- und Seebeben in diesen Gegenden, wie auch
das Vorkommen heiläer Quellen, das sich an den Ufern dieses
Golfes so häuft. Dazu kommt dann noch die besondere Eigen-
tümlichkeit, daß beim Ebben Wasser vom weiten Meere durch
den Euripus nach dem inneren Meere hineinfließt und bei der
Flut wieder heraus. Gerade diese Erscheinung mußte die Vor-
stellung wecken und immer wieder stützen, daß infolge der
schwammartigen Beschaffenheit des Untergrundes dieses Ein-
und Auswärtsfließen in und aus der Erde ein viel stärkeres ist
als anderswo. Aristoteles speziell hat die Gezeitenbewegung
nur in Chalkis kennen gelernt und eingehend .studiert. Er
konnte daher zu keiner anderen Vorstellung über den Be-
wegungsvorgang der Gezeiten kommen, als wir ihn schon vor
seiner Zeit und besonders bei seinem Lehrer Plato finden, ob-
wohl gerade Aristoteles durch die Auffindung der Seiches-
schwingungen als horizontale periodische ^Vasserschwankungen
dem wahren Vorgänge der Gezeitenschwingungen so nahe ge-
kommen war.
Diese Vorstellung der Gezeitenbewegung blieb dann die
herrschende für lange Zeit und wurde besonders von den Sto-
ikern in ihrer Art weiter ausgebildet, indem sie die Erde als
eine Art tierischen Organismus ansahen und in den Gezeiten
einen regelmäßigen Atmungsprozeß erblickten. Auch in spä-
teren Zeiten bis auf Xewton kehrte man immer wieder zu
dieser Vorstellung zurück, nur die Ansicht über die diese Be-
wegung auslösenden Kräfte wechselte immer wieder.^)
In einem weiteren anormalen Verhalten der Gezeiten im
Nordhafen von Chalkis kann man, wie ich glaube, einen Grund
dafür suchen, daß Aristoteles und auch die Griechen keinen
Zusammenhang zwischen dem Gezeitenverlauf und dem Gang
der Sonne und des Mondes aufgefunden haben, der überall
da bekannt war, wo so große Gezeiten mit Hubhöhen bis zu
ff Met. II, 8. Ed. ac. Bor., S. 366, 1.
Vgl. die verdienstvolle Darstellung der , Gezeitentheorien in ihrer
historischen Entwicklung“ von S. Günther in seinem Handbuch der
Geophysik, II. Band. Stuttgart 1899, p. 468 und 469.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc. 383
1 Meter sich zeigen wie bei Chalkis. Dieselben richten sich
nämlich dort weder nach dem Monde noch nach der Sonne.
Die vom Monde herrührende Gezeitenwelle erreicht nämlich
während eines großen Teiles des Jahres dieselbe Hubhöhe wie
die von der Sonne erzeugte Tide.^) Dadurch erhält die durch
beide Komponenten gebildete halbtägige Gezeitenwelle nicht
die normale Periodendauer von 12 Stunden 24 Minuten, son-
dern nur von 12 Stunden 12 Minuten, das ist das arithmetische
Mittel zwischen der Periode der Sonnentide und der Mondtide.
Die Flutwelle richtet sich daher weder nach Mondzeit noch
nach Sonnenzeit, sondern bleibt zwischen beiden. Zur Zeit
der Aequinoktien ist die Hochwasserzeit fast genau in der
Mitte zwischen dem Mond- und Sonnenhochwasser, bleibt aber
nicht fest an dieser Stelle, sondern nähert sich zur Zeit der
Solstitien mehr der Zeit des Mondhochwassers. An diesen
abweichenden Gang gegenüber den ozeanischen Gezeiten müssen
wir wohl denken, wenn wir bei einigen Schriftstellern solche
Andeutungen über den Gang der Gezeiten lesen. Dieses eigen-
tümliche Verhalten der dortigen Tiden mußte jede Beobach-
tung eines Zusammenhanges mit dem Laufe von Mond und
Sonne unmöglich machen.
Eine weitere Folge der anormalen Gezeitenperiode ist,
daß zur Zeit der beiden Mondviertel gar keine Tidenbewegung
sich zeigt.®) In dieser Zeit kommen dann die Seiches zur
Geltung und erzeugen jene kurz dauernden Stromwechsel,
welche den Euripus so bekannt gemacht haben. Nach den
Quadraturen tritt mit dem Wiedererscheinen der Gezeiten eine
noch merkwürdigere und bis jetzt nirgends sonst beobachtete
Erscheinung ein, die sogenannte Vertauschung der Flut- und
M Das Gleiche ist auch der Fall bei den Gezeiten des Korinthischen
Golfes und denjenigen in Isthmia, die sich also auch weder nach dem
Monde noch nach der Sonne richten.
2) Strabo, I, 54; Mela, III, c. 1; Pseudo- Aristoteles, De
Mundo 4, 32.
Plinius, II, 100 erwähnt, ,am 7., 8. und 9. Mondtag stehe die
Flut still“.
384
A. Endrös
Ebbezeit, die Miaulis zuerst wieder beobachtete. Die Hoch-
wasserzeiten folgen wie überall immer in gleicher Periode, hier
nach 12 Stunden 12 Minuten aufeinander; gerade am Euripus
kann man das Intervall in den Stromwechseln deutlich beob-
achten. Rechnet man nun mittels dieser Periodendauer das
Erscheinen des ersten Hochwassers nach den Quadraturen aus,
so stimmt das nicht mehr mit der Beobachtung, sondern ge-
nau um diese Zeit tritt Xiedrigwasser auf. Es verschiebt sich
also die ganze Bewegung um 6 Stunden 6 Minuten. Gerade
dieses Verhalten mußte auf jeden Beobachter besonders ver-
wirrend wirken und war auch für Miaulis das Rätselhafteste
am ganzen Problem und Krümmel konnte das Vorhandensein
einer solchen Anomalie überhaupt nicht glauben.
Beachten wir alle diese großen, dort merkwürdig so zusam-
mentreffenden Unregelmäßigkeiten der Gezeitenerscheinungen,
die in ihrem normalen Typus schon ein schwieriges Problem
zu allen Zeiten gebildet haben, so kann man so recht ver-
stehen, daß nur diese es waren, die ein Aristoteles sein Leben
lang vergeblich zu ergründen suchte, und daß darin wieder
der Grund dafür zu erblicken ist, daß und warum er über die
Gezeiten- und Euripusfrage nichts Näheres hinterlassen hat und
die Fragen so selten berührt, daß in seinen vielen Schriften
das Wort Ebbe und Flut nur ein einziges Mal vorkommt.
Wir wissen aber auch heute, daß dieses Unvermögen die Größe
des Stagiriten in nichts beeinträchtigen kann; denn eine Er-
klärung eines so anormalen Gezeitenverlaufes war bis in die
neueste Zeit überhaupt unmöglich. Erst die Entwicklung der
modernen Gezeitentheorie gibt uns in der sogenannten har-
monischen Analyse ein Mittel an die Hand, auch einen so
merkwürdigen Verlauf genau zu ergründen. Es ist hier nicht
der Ort, auf dieses für den Nichtmathematiker schwierige
Kapitel einzugehen; es sei nur erwähnt, daß in unserem Falle
der Umstand, daß die Mondtide und die Sonnentide nahezu
Miaulis, a. a. 0., S. 379, p. 17; Krümmel hatte das Auftreten
derselben bestritten. Vgl. Pet. Mitt. 1888, S. 337.
Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres etc. 385
gleich groß sind, die ganze Erscheinung mit Notwendigkeit
ergibt. Dabei ist aber heute noch nicht erwiesen, warum
gerade dort diese Anomalien auftreten, wenn auch durch
G. H. Darwin,^) ß. A. Harris^) und andere der Weg zur
Lösung der Mittelmeergezeitenfrage gezeigt ist und in neuester
Zeit G. Grablovitz, G. Wegemann^) und R. von Stern-
eck‘‘) auf dem richtigen Wege vorgearbeitet haben.
1) G. H. Darwin, Ebbe und Flut. Leipzig 1911, S. 180.
2) R. A. Harris, Manual of Tides, IV. B., 1904, Taf. 19.
G. Wegemann, a. a. 0., zit. S. 363.
■*) R. von Sterneck jun.. Zur Theorie der Gezeiten des Mittel-
meeres, Sitzungsber. d. K. K. Akad. d. Wiss., math.-nat. KL, Bd. 122, II a,
Wien 1913, und Über die Gezeiten des Ägäischen Meeres, ebenda Sitzung
vom 10. Dezember 1914, Ak. Anz. Nr. 26.
387
Über die Weierstrass’sche Produktdarstellung
ganzer transzendenter Funktionen und über
bedingt konvergente unendliche Produkte.
Von Alfred Pringsheini.
Vorgetragen in der Sitzung am 6. November 1915.
Der bekannte Satz über die Darstellung einer ganzen
transzendenten Funktion mit unendlich vielen vorgeschriebenen
Nullstellen durch ein beständig und unbedingt konvergierendes
unendliches Produkt ist von seinem Entdecker Weierstraß
mit ausschließlicher Benützung von Hilfsmitteln, welche der
Theorie der eindeutigen analytischen Funktionen angehören,
völlig einwandfrei begründet worden.^) Immerhin mag viel-
leicht gesagt werden, daß der von Weierstraß benützte Ge-
dankengang schon eine merkliche Vertrautheit mit seinen funk-
tionentheoretischen Methoden voraussetzt und namentlich dem
Auffassungsvermögen der Anfänger einige Schwierigkeit zu
bereiten pflegt. Für die Richtigkeit dieser Ansicht dürfte
wohl die Tatsache sprechen, daß unter der großen Anzahl
mir bekannter Lehrbücher ein einziges (dasjenige von Vivanti-
Gutzmer) den Weierstraßschen Beweis ohne wesentliche Ver-
änderung wiedergibt. Die große Mehrzahl der übrigen (mehr
als ein Dutzend) versucht mit mehr oder weniger Glück, jenen
1) Abhandlungen aus der Funktionenlehre (1886), p. 16 = Mathe-
matische Werke 2, p. 92.
2) A. a. 0., Nr. 208 (p. 154—157).
388
A. Pringsheiii)
Beweis unter Beibehaltung des Hauptgedankens etwas zu ver-
einfachen, wobei als gemeinsames Merkmal die Benützung des
(von Weierstraß geflissentlich vermiedenen) komplexen Loga-
rithmus und der logarithmischen Reihe sich ergibt. Mir per-
sönlich will es nicht recht angemessen erscheinen, beim Be-
weise eines grundlegenden und verhältnismäßig einfachen Satzes
aus der Theorie der eindeutigen Funktionen die Eigen-
schaften einer unendlich vieldeutigen Funktion, also einer
wesentlich komplizierteren Gattung in Anspruch zu nehmen.
Doch mag diese Auffassung anderen einseitig und pedantisch
erscheinen, zumal wenn man dem Aufbau der Funktionen-
theorie den Ca uchy sehen Integralsatz zu Grunde legt und
in diesem Falle die Theorie des komplexen Logarithmus als
eine der ersten und einfachsten Anwendungen jener Methode
gewinnt. Wenn nun aber einige Lehrbücher sich so weit von
der Weierstraßschen Methode entfernen, daß sie den frag-
lichen Satz als Folgerung (!) aus dem Mittag-Lefflerschen
Satze durch logarithmische Integration herleiten (und zwar
dieses Verfahren nicht etwa nur in Form einer gelegentlichen,
ja sehr nahe liegenden Bemerkung, sondern als einzigen und
maßgebenden Beweis mitteilen), so dürfte diese Art, die Dinge
auf den Kopf zu stellen, wohl von niemandem gebilligt werden,
der in der Mathematik etwas anderes sieht, als eine regellose
Anhäufung mathematischer Resultate.
Bei dieser Sachlage erscheint es vielleicht nicht über-
flüssig, wenn ich im folgenden einen Beweis des fraglichen
Satzes mitteile, der an Einfachheit alle bisherigen wesentlich
übertrefifen dürfte. Derselbe beansprucht überhaupt keinerlei
im üblichen Sinne funktionentheoretische Hilfsmittel, nicht
einmal den Begriff der gleichmäßigen Konvergenz, sondern
liefert auf rein formal reihentheoretischem Wege ganz
direkt die Konvergenz des bekannten Weierstraßschen Pro-
duktausdrucks und die Möglichkeit, denselben in eine beständig
konvergierende Potenzreihe umzuformen.
Ich möchte zugleich diese Gelegenheit benützen, um zur
Ergänzung früher von mir veröffentlichter Bemerkungen über
über die Weierstraßsche Produktdarstellung etc.
389
bedingt konvergierende unendliche Produkte^) zu zeigen, wie
die Weierstraßsche Methode, ein an sich divergentes Pro-
dukt durch Zusatzfaktoren unbedingt konvergent zu machen,
auch dazu dienen kann, ein Kriterium für bedingte Konver-
genz unendlicher Produkte abzuleiten und die etwaige Wert-
veränderung, die durch Umordnung der Faktoren erzeugt wird,
zu bestimmen.
§ 1-
Der Weierstrass’sche Hauptsatz.
1. Versteht man unter für r = 0, 1, 2 . . . eine unbe-
grenzte Folge beständig konvergierender Potenzreihen
und setzt:
n
(1) ipc) = JJ” (1 + (x}) (n = 0, 1, 2 . . .),
ü
00
so heißt das unendliche Produkt U’ (1 -p (a;)) an der Stelle x‘
u
konvergent und ^(x') .sein Wert, wenn sämtliche ^^(^0 von
— 1 verschieden sind und ^(x‘) für n = co den endlichen,
von Null verschiedenen Grenzwert ^(x‘) besitzt. Hierzu ist
00
bekanntlich hinreichend, daß die Reihe (^c') ! kon-
0
vergiert und zwar konvergiert das betreflFende Produkt dann
auch unbedingt. Wird jetzt zugelassen, daß für eine end-
liche Anzahl von Indices v die Bezeichnung l-p^v(a:') = 0
besteht, so soll das betreffende unendliche Produkt noch kon-
vergent und Null sein Wert heißen, wenn dasselbe nach
Ausschluß jener für x = x' verschwindenden Faktoren in dem
oben bezeichneten Sinne konvergiert. Unter der weiteren An-
00
nähme, daß die Reihe beständig konvergiert,^)
0
1) Math. Annalen 22 (1883), p. 475 ff. Ebendaselbst 33 (1889), p. 149 ff.;
44 (1894), p. 413 ff.
^) Man bemerke, daß auf Grund dieser letzteren Annahme für keine
Stelle x' mehr als eine endliche Anzahl von )Py(a:') den Wert — 1
haben kann.
390
A. Pringsheim
ist sodann auch das Produkt n »•(1 -}- ‘iß,.(a:)) ein beständig
0
und unbedingt konvergentes.
Man hat nun für r > 1 :
<5^ {x) = (a;) (1 -t- ‘ißr ix))
und speziell:
so daß aus der für jedes n > 1 geltenden Identität
n
^Jln (X) = ^0 (^) + (^) - (^))
1
sich ergibt:
n
(2) (x) = l-\- % (x) + 2” (^) • (^)
1
und schließlich:
(3) (1+ %■ (X)) = 1 + <ip„ (;r) + (x) • (x).
0 1
Da jedes der Produkte (a:) nach der Cauchy-
schen Multiplikationsregel durch eine einfache Potenzreihe er-
setzt werden kann, so folgt also zunächst, daß das unter den
gemachten Voraussetzungen beständig konvergierende Produkt
in eine beständig konvergierende Reihe von Potenzreihen trans-
formierbar ist. Diese letztere kann aber wiederum noch in
eine einfache, gleichfalls beständig konvergierende Potenzreihe
umgeformt werden, wenn man die Voraussetzung dahin ver-
schärft, daß die (aus lauter positiven Gliedern bestehende) Reihe
00
x\) beständig konvergieren soll, unter ‘^3^(2^) die-
u
jenige Reihe verstanden, welche aus (a:) durch Umwand-
lung sämtlicher Koeffizienten in ihre absoluten Beträge
entsteht. Denn unter dieser Voraussetzung (welche offenbar
die ursprünglich gemachte der beständigen Konvergenz von
00
‘18v(:z^) nach sich zieht, aber nicht umgekehrt) be.steht.
über die Weierstraßsche Produktdarstellung etc.
391
wenn noch gesetzt wird: = JJv(l nach Ana-
U
logie der Beziehung (3) die folgende:
(4) J[.(l -t- a; )) = 1 + ^ ),
0 0
in dem Sinne, daß zunächst das links stehende unendliche Pro-
dukt und infolgedessen auch die rechts stehende Reihe be-
ständig konvergiert. Dies besagt, daß unter der jetzt ge-
machten Voraussetzung die in Gl. (3) auftretende Reihe kon-
vergent bleibt, wenn man jeden einzelnen Bestandteil durch
seinen absoluten Betrag ersetzt. Alsdann ist es aber auf Grund
des sogenannten Gauch yschen Doppelreihen-Satzes auch ohne
weiteres gestattet, jene Reihe nach Potenzen von x zu ordnen.
Hiernach ergibt sich der folgende, die eigentliche Grundlage
unseres Hauptbeweises bildende Hilfssatz:
Versteht man unter für r = 0, 1, 2 . . . eine
unbegrenzte Folge beständig konvergierender
Potenzreihen, unter ‘13,. (a;) diejenige Reihe, welche
aus 13v(a:) durch Verwandlung aller Koeffizienten
in ihre absoluten Beträge entsteht, ist sodann auch
00
die Reihe '15^(1 X ) beständig konvergent, so gilt
u
das Gleiche von dem unendlichen Produkte
U
und zwar läßt sich dasselbe in eine beständig kon-
vergierende Potenzreihe umformen, stellt also eine
ganze transzendente Funktion von x dar.
X
2. Reduziert sich jedes '13.. (a;) auf das eine Glied
OP j
(wo li™ o,y = Qo) und ist sodann ^ \ beständig,
ü ay\
Ü Cauchy, Analyse algebrique, 1821, p. 540 = Oeuvres (2), T. III,
p. 444.
392
A. Pringsheim
CO ^ I
d. h. ^ überhaupt konvergent, so liefert das unend-
0 «>
liehe Produkt M — wie aus dem bisher gesagten folgt,
0 \ ttyj
übrigens auch unmittelbar zu ersehen ist, eine ganze trans-
zendente Funktion mit den Nullstellen Uy. Dieser Fall scheidet
CP j .
für die weiteren Betrachtungen aus. Ist also jetzt / ;»■ |_|
0 I Öfj- 1
divergent, so kann man bekanntlich eine unbegrenzte Folge
mit wachsendem v niemals abnehmender natürlicher Zahlen p,.
00 Py -f- I
so bestimmen, daß die Reihe
X
Oy
heständisr konver-
giert.^) Dies vorausgeschickt beweisen wir jetzt den folgenden
Hauptsatz: Legt man den Zahlen a,,, py die so-
eben angegebene Bedeutung bei und setzt:
Gibt es Exponenten p (die natürlich ^ 1 sein müssen), derart, daß
Sl ^
, also auch für jedes endliche x die Reihe / ,
^y 1 »’
konvergiert, so setze man Py = p4-1, wobei man unter p etwa die
kleinste, der fraglichen Bedingung genügende ganze Zahl zu verstehen
hat. Gibt es kein solches p, so wird durch die Annahme P^ = »• — 1
oder besser (weil wesentlich kleinere Py liefernd) durch die folgende :
= [lg v] (d. h. gleich der größten in lg v enthaltenen ganzen
Zahl) das Verlangte geleistet. Wird nämlich J? >• 0 beliebig groß
angenommen, darauf n so fixiert, daß :
Ji
a..
< , für »•>
so hat man, wegen: Py-p 1 > lg v, für |ai •< E:
X iP+i
a..
ao
<S-
1
V*’
so daß die fragliche Reihe in der Tat beständig konvergiert.
über die Weierstraßsche Produktdarstellung etc.
393
so ist das unendliche Produkt n yEy{x) beständig
0
und unbedingt konvergent und läßt sich in eine
beständig konvergierende Potenzreihe uniformen,
stellt also eine ganze transzendente Funktion mit
den Nullstellen a,, vor.
Beweis. Um die Faktoren Ey{x) auf die im vorigen Hilfs-
satze betrachtete Form zu bringen, hat man lediglich Ey{x)
nach Potenzen von x zu entwickeln. Diese Entwickelung läßt
sich wesentlich einfacher bewerkstelligen, wenn man dieselbe
zunächst nicht an Ey(x) selbst, sondern an der Deri vierten
Ey (x) vornimmt. Man findet zunächst;
(6) £,■(.) = (-;
Andererseits ergibt sich:
+r:+
+
und daher:
(7)
1 XP>’
a,. ClyPr^^
E'y (X) = —
Xfy
Um jetzt noch nach Potenzen von x zu entwickeln,
hat man :
wo die durchweg positive (rationale) Zahlen sind (speziell:
ßW = ßW = 1) und die betreffende Reihe beständig kon-
vergiert.
Sitzungsb. d. math.-phys. Kl. Jahrg. 1915.
26
394
A. Pringsheim
Hiernach geht die Gleichung (7) in die folgende über ;
(9)
a'-
Mit Berücksichtigung des Umstandes, daß nach Gl. (5)
Ey (0) = 1 ist, folgt hieraus weiter :
~~ aÄ+‘ ü + ^ + l
(10)
WO
(11)
-'OM:y
.-O-S-ir+t+T©
eine beständig konvergierende Potenzreihe mit lauter posi-
tiven Koeffizienten.
Nachdem jetzt Ey{x) auf die für die Anwendung des vorigen
Hilfssatzes erforderliche Form gebracht ist (wobei offenbar
I — I ) die Rolle der dort mit bezeichneten
I ®>!/
Reihe spielt), bleibt nur noch nachzuweisen, daß die Reihe
tty \
a,.! \a.t/
für jedes endliche x konvergiert. Da aber diese Eigenschaft
vermöge der getroffenen Auswahl der Zahlen py bereits der Reihe
a; |Pt+i
0 «vi
zukommt und andererseits die Potenzreihen
(.■ = 0,1,2...)
für jeden einzelnen Wert des Index v beständig konver-
gieren, so ist nur noch zu zeigen, daß nach Annahme einer
beliebig großen oberen Schranke für x ihre Summen auch für
unbegrenzt wachsende r unter einer endlichen Schranke bleiben.
über die Weierstraßsche Produktdarstellung etc.
395
Mit Benützung der Gleichungen (11), (8) und (5) findet
man zunächst:
Wird also jetzt > 0 beliebig groß angenommen, so-
dann n so definiert, daß
I —
a.
< \ für V > n, so folgt weiter, daß:
(13) = v>n,
womit die einzige noch offen gebliebene Frage erledigt und
somit der ausgesprochene Satz vollständig bewiesen ist.
§ 2.
Über bedingt konvergente unendliche Produkte.
1. Setzt man in dem zuvor bewiesenen Hauptsatze:
X
— Xiy ?
üy
so daß also die Uy {v = 0, 1, 2 . . .) eine Folge irgend welcher
komplexer Zahlen von der Beschaffenheit bedeuten, daß lim u,, = 0
CO V = X
und die Reihe divergent ist, so folgt zunächst:
0
Werden natürliche Zahlen p,, (r = 0, 1, 2 . . .) so
CO
bestimmt, daß die Reihe MvP>'+' konvergiert
0
(was stets auf unendliche viele Weisen ausführ-
bar ist), so ist das unendliche Produkt
(1)
^ = JJv((l -1- Uy)-e-^^),
. 0
wo: Uy = Uy — lUy • • -k ( — 1)'’*'“'
unbedingt konvergent.
1
UPv
Pv "
26'
396
A. Pringsheim
Um dieses Ergebnis zur Aufstellung eines Kriteriums für
bedingte Konvergenz des (infolge der vorausgesetzten Diver-
genz von ^ Uy sicher nicht unbedingt konvergierenden)
PC
Produktes n v(l -|- Uy) ZU benützen (wobei wir die Uy durchweg
u
als von — 1 verschieden annehmen wollen), werde gesetzt:
(2) = IJv (1 + M„) nu = n- (1 + Uy),
0 Ü
SO daß also zwischen und die Beziehung besteht:
(3)
(4)
'^u„
“Pn • e ° ,
Alsdann ergibt sich, falls die Reihe C/",. konvergiert:
lim • e
und umgekehrt muß offenbar jene Reihe konvergieren, wenn
ein endlicher, von Null verschiedener Grenzwert lim '•’IU
existieren soll. Somit finden wir:
GC
Das unendliche Produkt n konvergiert
0
in der durch die Indices vorgeschriebenen Anord-
00
nungdann und nur dann, wenn die Reihe^^v kon-
0
vergiert, und zwar hat dasselbe, wenn gesetzt wird:
(5)
0
den Wert stimmt daher mit dem unbedingt
konvergierenden Produkt (1) nur dann überein,
wenn U = 0 ist.^)
OD
Man bemerke noch, daß das Produkt offenbar nach
0
er
0 divergiert, wenn der reelle Teil von U„ nach — oo divei'giert.
über die Weierstraßsche Produktdarstellung etc.
397
2. Die soeben hergestellte Beziehung zwischen einem be-
dingt und einem ihm gewissermaßen zugeordneten unbedingt
konvergierenden Produkte kann dazu dienen, um die etwaige
Wertveränderung zu bestimmen, welche das bedingt kon-
vergierende Produkt bei irgend einer ümordnung der Fak-
toren erleidet.
Bezeichnet man etwa mit
V, . . .Vy, . . .
irgend eine Umordnung der Zahlen
mit
■Mq , Mj , . . . Mv ) . • •
3,, • • • 3v, . . .
die entsprechende ümordnung der Zahlen
Po 1 P\^ • • • P'’^ • • • »
00
so daß also die Reihe + ' lediglich eine Umordnung
0
CD
der Reihe !'’>'+* vorstellt und, wie diese, konvergiert,
0
setzt man ferner;
n
(6) +
1
wo: Vy = Vy -\- ^Vy -j" ’ ’ ’ -j" ( 1)’*'“^ ’ ^ A ,
3v
so wird das mit Q,„ bezeichnete Produkt bei unbedingt wach-
sendem n von dem unbedingt konvergierenden Produkte ^
sich lediglich durch die Anordnung der Faktoren unterscheiden,
und da diese auf den Wert des betreffenden unendlichen Pro-
duktes hier ohne Einfluß ist, so hat man :
(7) lima„ = ^.
n= 00
Bildet man ferner:
n
n
0
(8)
398
A. Pringsheim
SO folgt, Tveun man diese Gleichung durch die Gleichung (3)
dividiert;
(9)
0
ni„
und daher unter der Voi-aussetzung, daß die Reihe ^vFv kon-
vergiert und daß o
(10) = 1^- liro = "’IG lim “U. =
0 n =r 39 n = 00
gesetzt M’ird, schließlich :
(11)
d. h. der Wert des uiugeordneten Produkts unterscheidet sich
von demjenigen des ursprünglichen um den Exponentialfak-
tor
3. Die vorstehenden Ergebnisse nehmen noch eine etwas
durchsichtigere Form an, wenn wir den Spezialfall j3,. = = p
(d. h. konstant) etwas näher ins Auge fassen, wenn also an-
genommen wii'd, daß die Reihe ^ für irgend ein ganz-
zahliges > 1 konvergiert (wobei dann unter }) die kleinste
ganze Zahl dieser Art verstanden werden soll). In diesem
Falle wird zunächst:
(12) ?/„ = M,. — ^ + i«’ — • ■ • + (—
Wenn dann jede der Reihen
2”«.,
0 0 0
zum mindesten in der durch die Indices vorgeschriebenen An-
ordnung konvergiert, so ergibt sich:
(13) '^'■Ur='^yu,. — + • • • + ( — 1)P~’ • ^ uü,
0 0 0 0
OD
so daß also Uy gleichfalls konvergiert.
über die Weierstraßsche Produktdarstellung etc.
399
Man erhält daher in diesem Falle aus dem Satze von Nr. 1
den folgenden:^)
00 CO
Ist u,.\ divergent, dagegen + ^ für
0 0
irgend ein ganzzahliges /)!> 1 konvergent, so be-
steht die nohvendige und hinreichende Bedingung für
die bedingte Konvergenz des unendlichen Pro-
■JO
duktes ^Jv(l -|- M,,) bei der durch die Indices vor-
0
geschriebenen Anordnung in der (bedingten) Kon-
vergenz der Reihe:
Hierzu ist hinreichend die (bedingte) Konvergenz
der Reihen:
S-«..,
0 0 0
Zugleich ergibt sich, dalä (unter Beibehaltung der in Nr. 2
benützten Bezeichnungen) die Wertveränderung , =
l/i
falls die letztgenannte Konvergenz-Bedingung erfüllt ist und
die entsprechende auch nach der Uinordnung besteht, ledig-
flP CO
lieh abhängt von den Differenzen = 1,2, ...p),
0 0
also von den einzelnen Wertveränderungen, welche die Reihen
cc
(A = 1, 2, ... 2?) durch die betreffende Umordnung erleiden.
0
Sind die u,. (zum mindesten von irgend einem bestimmten
CC
Index V ab sämtlich reell, so kann offenbar die Reihe
0
Vgl. Stolz-Gm einer, Einleitung in die Funktionentheorie (1905),
p. 436.
Beispiel: «,, =
(also: p = 3).
1
400 A. Pringsheim, Über die Weierstraßache Produktdarstellung etc.
wenn sie überhaupt konvergiert, nicht anders als absolut
konvergieren. Ist dies der Fall, also p = \ zu setzen, so er-
gibt sich als notwendig und hinreichend für die bedingte
00
Konvergenz des Produktes n >' (1 -f- Uy) die (gleichfalls nur
0
bedingte) Konvergenz der Reihe m,,. Ist dagegen zwar
0
cc
diese letztere konvergent, die Reihe u; jedoch diver-
0
gent, so divergiert offenbar (s. die Fußnote auf S. 396) jenes
unendliche Produkt nach Null. ^)
Ersetzt man wieder m,. durch , so lassen sich die
üy
obigen Ergebnisse auch unmittelbar auf unendliche Produkte
von der Form £J[v M | übertragen.* *)
Satz von Cauchy: Analyse algebrique, p. 563 = Oeuvres (2),
T. III, p. 460.
*) Beispiel: Das unbedingt konvergente Produkt:
kann ohne weiteres durch das folgende bedingt konvergente:
CO 00 . .
ersetzt werden, da hier: ^ j = 0.
Ordnet man dagegen p Gliedern von der Form immer q
solche von der Form (^+v) zu, so liefert die Gleichung (11) mit Be-
nützung der bekannten Beziehung: lim ^ ^ — = lg — die Wertver-
Pm yn
änderung : lim^ ü” ( ^ ' IIt
sinjra;
e f • .
nX
401
tiber die Einwirkung von Brom auf einige
Pyrrolderivate.
Von Hans Fischer.
Ans dem Physiologischen Institnt der Universität München.
Vorgelegt von 0. Frank in der Sitzung am 4. Dezember 1915.
Die Halogene wirken äußerst energisch auf Pyrrolkörper
ein, so daß man leicht Harze erhält. In verdünnter Lösung
läßt sich die Reaktion mäßigen und Ciamician,^) Silber, Benn-
stedt und Hepp^) haben ein Tetrachlorpyrrol, Tetrabrompyrrol
und Tetrajodpyrrol beschrieben. Letzteres, unter dem Namen
Jodol bekannt, wird technisch dargestellt und findet Anwen-
dung in der Wundtherapie. Mit Bartholomäus®) habe ich schon
vor längerer Zeit ein Bromderivat des 2-4-Dimethyl-3-Acetyl-
pyrrols dargestellt. Wir wollten damals das Brom gegen
Hydroxyl austauschen, um so zu Oxypyrrolen zu gelangen,
jedoch schlugen diese Versuche fehl, da das Brom zu fest ge-
bunden war.
Neuerdings nahm ich nun diese Untersuchung wieder auf
und konnte nur unsere damaligen Erfahrungen in dieser Rich-
tung bestätigen. Neu dargestellt wurde das isomere 2-4-Dime-
thyl-5-Acetyl-3-Brompyrrol
HsCCr CBr
HgCOCC^ ^CCHa
NH
1) Ber. 17, 1743; 18, 1763. *) Ber. 20, Referate S. 123.
Zeitschr. f. pbysiol. Chemie, 87, S. 235.
402
H. Fischer
In diesem Pyrrol sitzt das Brom in der ß Stellung womög-
lich noch fester wie in a Stellung; selbst durch Einwirkung
von Natrium auf die siedende alkoholische Lösung des Pyrrols
konnte ich das Brom nicht entfernen. Auffallend ist der Unter-
schied zwischen den Ketazinen der beiden isomeren Brompyrrole.
Beide Brompyrrole reagieren nämlich mit Hydrazin unter Ketazin-
bildung, ohne daß das Brom irgendwie in Reaktion tritt, und
unter den gleichen Bedingungen in Pyridinlösung untersucht,
kristallisiert nur das in a Stellung bromierte Pyrrol mit zwei
Molekülen Pyridin schön als Pyridindoppelverbindung. Es ge-
lang nicht, aus dieser Verbindung das Pyridin abzuspalten.
Ich ließ nun weiterhin einen Überschuß von Brom auf
substituierte Pyrrole einwirken und zwar zunächst auf das
Hg CG CCOCHg
yCCHg
\/
NH
2-4-Dimethyl-3-Acetylpyrrol in der Hoffnung, auch in ß Stel-
lung in der Seitenkette den Eintritt von Brom erzwingen zu
können, um so auf einem Umweg zu den Aldehyden der
Pyrrole zu gelangen oder indirekt auf diesem Wege eine Ver-
längerung der ß Seitenkette zu 'ermöglichen.
Diese Hoffnung schlug fehl, dagegen erhielt ich bei der
Einwirkung von überschüssigem Brom auf das genannte Pyrrol
einen prachtvoll kristallisierenden Farbstoff, dem vielleicht fol-
gende Konstitution zukommt.
CHg Brj CCt= ^CHg Hg CG
HG
\
N
GGBr,GHg
GGHg
N
Höchst merkwürdig ist der Ersatz des Sauerstoffs durch
Brom, der nach den Resultaten der Analysen erfolgt sein muß,
ein Befund, für den schwer eine Erklärung zu geben ist.
über die Einwirkung von Brom auf einige Pyrrolderivate. ■103
In Analogie hiermit zu setzen ist die Einwirkung von Brom auf
2-4-Dimethyl-3-Acetyl-4-Carbäthoxypyrrol, das unter Abspal-
tung der Athoxygruppe nach der Analyse in ein Säurebromid
der folgenden Konstitution übergeht, wobei natürlich die Stellung
des zweiten Bromatoms in a Stellung willkürlich angenommen ist.
Hs CG CCOCH3
J _
CaHsOOC',^ ^CCHs
\/
NH
Hs CG GGOGH3
BrOGG^ ^GGHaBr
\/
NH
Ich habe diese Reaktion, so verlockend es auch vom che-
mischen Standpunkt aus erscheint, nicht weiter verfolgt, weil
solche Versuche mich von meinem eigentlichen Thema, der
Klarlegung der Konstitution des Blut- und GallenfarbstofFs,
zu weit abführen und habe die Reaktion nur weiter in der
Richtung der Farbstoffbildung verfolgt.
Ich ließ Brom weiterhin einwirken auf 2-4-Dimethyl-
3-Carbäthoxypyrrol, und auf Hämopyrrol = 3-Athyl-4-5-dime-
thylpyrrol und erhielt zwei Farbstoffe der folgenden Konstitution.
GsHsOOGG— -=-=fGGH3 H5GG GGOOG2H5
HsGG!^ yG=^^.-™G.^ ^GGHaBr
N N
GHsC
HsGG,
\/
N
GG2H5 HsGgG
G =G
\ /
\/
N
GGHs
GGHaBv
Für den zuerst angeführten Farbstoff käme auch die isomere
Formel eines Dipyrrylmethens in Betracht.
H3GG
GGOOG2H5 HgGG
BrG
^ ^G GH . G
\,
iGGH,
NH
N
404
H. Fischer
Letztere ist aber sehr unwahrscheinlich, weil die Bildung
des Farbstoffs fast momentan vor sich geht, so daß eine inter-
mediäre Aldehydbildung nicht annehmbar erscheint. Auch wäre
dann zu erwarten, daß man durch Einwirkung von Brom auf
Bis (2-4-Dimethyl-3-Carbäthoxypyrryl) methan eine analoge
C2He,OOCC|] ^CCHs H3CC|—
HgCdl^ yG CHa
\/
NH
^CCOOCsHb
I
/CCHs
\/
NH
Ca Hb 00 CC-
H3CC
\ /
\/
NH
CCH3 H3CC
C CH=^ ci
CC 00 Ca Hb
CCHs
\/
N
Oxydation einer a ständigen Methylgruppe zu erwarten hätte,
dies ist aber nicht der Fall, sondern das genannte Methan wird
einfach zu dem zugehörigen entsprechenden Methenderivat (siehe
die Formel) oxydiert.
In ganz analoger Weise wirkt Brom auf das Methenderivat
O O
des aus Glyoxal und 2-4-DimethylpyrroO) erhaltenen Farbstoffs
ein, indem zwei Bromatome an den freien Methingruppen der
Pyrrolkerne eintreten, aber eine Oxydation einer a ständigen
Methylgruppe erfolgt nicht.
HC|
H3CC
7CCH0 HoCCt =CH
\ /
\/
NH
BrC
CH3C
V
NH
C -CH C
CCHs HjC
C CH=C
2 Bra =
\ ^CCHb
\/
N
Br
-l-2HBr
\ /
N
CHs
1) Ber. 47, S. 1820 und S. 3266.
über die Einwirkung von Brom auf einige Pyrrolderivate. 405
Endlich erhielt ich durch Einwirkung von Brom auf 2-4-
Dimethylpyrrol- 3 -Carbonsäure sowie auf 2-4-Dimethylpyrrol
prächtig kristallisierende Farbstoffe, über deren Konstitution ich
jedoch nichts Näheres sagen kann. Aus den oben angegebenen
Gründen habe ich auch hier die Reaktion nicht weiter verfolgt.
o
Hervorzuheben ist das charakteristische spektroskopische
Verhalten sämtlicher hier angeführten Farbstoffe. Sie absor-
bieren alle in Blauviolett geradeso wie „Urobilin“ und die von
Piloty^) zuerst beschriebenen Dipyrrylmethenfarbstoffe und geben
fluoreszierende Zinksalze. Es folgt hieraus wiederum, daß über-
einstimmende spektroskopische Befunde keineswegs beweisend
für die Konstitution sind.
Experimenteller Teil.
2-4-Dimethyl-5-Acety 1-3-Brompyrrol.
CH3C, rC Bi-
ch, 0 CG
\ /
\/
NH
CCH,
3,5 g 2-4-Dimethyl-5-Acetylpyrrol wurden in 40 ccm Eis-
essig gelöst und 4 g Brom in 30 ccm Eisessig zugegeben.
Es tritt Bildung von Bromwasserstoff ein, Erwärmung und
bald beginnt die Kristallisation des neuen Bromkörpers. Nach
einer Stunde wurde abgesaugt, mit wenig Eisessig ausgewaschen.
Nach Umkristallisieren aus Essigsäure wurden 4 g analysen-
reines Material erhalten. F.P.149— 15P. Alkohol, Äther, Chloro-
form relativ leicht, Wasser, Petroläther schwer löslich.
Analyse: 0,2237 g Sbst.: 0,3673 g CO^ + 0,0981 g H^O;
0,2478 g Sbst.: 14,8 ccm N bei 18'' und 719 mm Hg; 0,1965 g
Sbst.: 0,1700 g AgBr.
CgH,oNBrO(216,01). Ber.: 44,44«/oC; 4,67‘>/oH; 6,490/0
N; 37,000/0 Br.
Gef.: 44,78 0/0 C; 4,90o/o H; 6,55 0/0 N; 36,82 0/0 Br.
1) Ber. 47, S. 400; S. 1124 und 2531.
406
H. Fischer
Einwirkung von Hydrazinliydrat auf 2-4-Dimethyl-5 Acetyl-
3-Bronipyrrol.
Ketazin des 2-4-Diniethyl-5- Acetyl-3-Brompyrrols.
BrC
CCH3 CH3C
CBr
CHsC^
/CCNCH3 CH3NCC
1 1
\
^CCH.
\/
NH
NH
1,1 g Bromkörper wurden in 5 ccm Pyridin gelöst, 0,25 g
Hydrazinhydrat (= 1 Mol.) zugegeben und 2 Stunden im sieden-
den Wasserbad gelassen. Durch Zusatz von Essigsäure und
Wasser wurde ein gelbes 01 erhalten, das beim Reiben kri-
stallisierte.
Es wurde abgesaugt, mit Wasser ausgewaschen und zur
Analyse aus Weingeist umkristallisiert. F. P. 204 — 205° unter
Zersetzung. Bei Einwirkung von 2 Mol. Hydrazinhydrat wurde
der gleiche Körper erhalten.
Analyse: 0,1809 g Sbst.: 0,2991 g COg und 0,0792 g HgO;
0,2053 g Sbst.: 25 ccm N 11° 717 mm Hg; 0,1550 g Sbst.:
0,1358 g Ag Br.
CieHgoN.Br^ (424,04). Ber: 44,86°/oC; 4,71°/oH; 13,09°fo
N; 37,34 °/o Br.
Gef.: 45,09°/oC; 4.90°/o H; 13,50°/oN; 37,29 °/o Br.
Einwirkuug von Hydrazin auf 2-4-Dimethyl-3-Acetyl-
5-Brompyrrol.
Ketazin-Pyridindoppelverbindung.
CH3C
BrC
„CCNCHo CHoNCC —
-CCH,
\ /
\/
NH
CCH-
2 'Pyridin
CHoC'l
\/
NH
CBr
1,1 g des isomeren Brompyrrols wurden genau .so ange-
setzt, wie eben beschrieben. Der Ansatz erstarrte nach 1 bis
2 Stunden zum Kristallbrei. Es wurde abgesaugt und der
t}ber die Einwirkung von Brom auf einige Pyrrolderivate. 407
intensiv gelb gefärbte Körper mit Alkohol ausgewaschen. Aus-
beute 0,3 g. Durch längeres Erhitzen (5 Stunden) steigt die
Ausbeute bis auf 0,5 g, durch Zusatz von mehr Hydrazinhydrat
wurde kein anderes Resultat erhalten. Der Körper ist in Wasser
spielend löslich, in Alkohol und Äther so gut wie unlöslich.
F. P. 266” unter Zersetzung.
Analyse: 0,2009 g Sbst. : 0,3865 g CO^ -j- 0,0974 g H2O;
0,1608 g Sbst.: 0,1027 g AgBr; 0,1871 g Sbst.: 23,9 ccm N
12” 715 mm Hg.
CaeHjoNgBra (586,14). Ber. : 53,23 ”/o C; 5,16 ”/o H;
14,34 ”/o N; 27,27 ”/o Br.
Gef.: 52,49 ”/oC; 5,42 ”/o H; 14,27”/üN; 27,16 «/o Br.
Das Pyridin ist außerordentlich fest gebunden; es gelang
nicht, das pyridinfreie Ketazin zu gewinnen.
Einwirkung eines Überschusses von Brom auf 2-4-Dimethyl-
3-Acetylpyrrol.
CHsBraCC, -=CCH3
CHsC^ /C=
\/
N
CHoC
-CG Br., CH,
•HBr?
N
CH
Läßt man auf das genannte Pyrrol in Eisessig ein Molekül
Brom einwirken, so erhält man in guter Ausbeute 2-4-Dimethyl-
3-Acetyl-5-Brompyrrol. Bei Anwendung eines Überschusses
von Brom erhält man einen prachtvoll kristallisierten Farb-
stoff von obiger Konstitution.
2,8 g 2-4-Dimethyl-3-Acetylpyrrol wurden in 50 ccm Eis-
essig gelöst und hierzu 10 g Brom (= 5 Mol.) in 15 ccm Eis-
essig gegeben. Alsbald entwickelt sich Bromwasserstoff und
die Lösung färbt sich tief dunkelrot. Nach spätestens Stunde
beginnt die Kristallisation eines hellroten Farbstoffs, die nach
mehreren Stunden beendigt ist. Es wird abgesaugt, mit Eis-
essig, Alkohol und Äther vollständig ausgewaschen. Ausbeute:
2 g. Zur Analyse wurde in Chloroform gelö.st und mit Petrol-
äther gefällt. Feine, verfilzte Nadeln.
408
H. Fischer
Analyse: 1. 0,1529 g Sbst.: 0,1582 g CO^ und 0,0339 g
HjO; 0,2124 g Sbst.: 8,8 ccm N; 18'* 719 mm Hg; 0,2064 g
Sbst.: 0,3114 g HBr. II. 0,1454 g Sbst.: 0,1543 g CO^ und
0,0377 g H,0; 0,2124 g Sbst.: 8,8 ccm N; 18** 719 mm Hg;
0,2107 g Sbst.: 0,3147 g AgBr.
C„H„N2Br5(624,76). Ber.: 28,81 «/oC; 2,74'-/oH; 4,48'*/o
N; 63,96 o/o Br.
Gef.: I. 28,220/oC; 2,48‘'/oH; 4,54o/oN; 64,20‘>/üBr
„ 11. 28,94 „ ; 2,90 „ ; 4,51 , ; 63,56 ,
Auch bei Anwendung eines großen Überschusses von Brom
erhält man den gleichen Körper. 6 und 9 Mol. Brom wurden
genommen, die Ausbeute geht zurück, der Farbstoff hat aber
den gleichen Bromgehalt.
6 Mol., Analyse: 0,1948 g Sbst.: 0,2928 g AgBr =
63,96 o/o Br.
9 Mol., Analyse: 0,2038 g Sbst.: 0,3072 g AgBr =
64,15 o/o Br.
Als Ausgangsmaterial zur Gewinnung des Farbstoffs braucht
man nicht von dem 2-4-Dimethyl-3-Acetylpyrrol auszugehen,
ebensogut kann man die Carbonsäure anwenden, aus der man
durch Destillation das Pyrrol erhält:
18,1 g 2-4-Dimethyl-3-Acetyl-5-Carbonsäurepyrrol wur-
den in 200 ccm Eisessig aufgeschwemmt und nicht zu schnell
64 g Brom (4 Mol.) in 50 ccm Eisessig zugegeben. Unter Auf-
schäumen (COg Entwicklung) tritt Lösung ein. Gleichzeitig
erfolgt stark Brom Wasserstoff- Entwicklung und Rotfärbung.
Die Ausbeute an kristallisiertem Farbstoff beträgt 19 g.
Analyse: 0,2107 g Sbst.: 0,3134 g AgBr = 63,30o/o Br.
Freier Farbstoff.
Das bromwasserstoffsaure Salz wurde in Chloroform gelöst,
mit Natronlauge ausgeschüttelt, zuletzt mit Wasser. Die ge-
trocknete Cbloroformlösung hinterläßt beim Eindunken im Va-
kuum den gelbroten Farbstoff kristallisiert. Zur Analyse wurde
aus Aceton umkristalli.siert. Derbe Prismen. Der freie Farb-
stoff sintert bei 185° stark, schmilzt jedoch bis 300° nicht.
über die Einwirkung von Brom auf einige Pyrrolderivate. 409
Er absorbiert, im Spektroskop in Chloroformlösung betrachtet,
intensiv im ßlauviolett. Zur Analyse und Molekulargewichts-
bestimmung wurde bei Zimmertemperatur im Vakuum zur Ge-
wichtskonstanz getrocknet.
Analyse: 0,1962 g Sbst.: 0,2268 g CO^ und 0,0427 g HgO;
0,2015 g Sbst.: 9,7 ccm N H** 721 mm Hg; 0,2237 g Sbst.:
11,1 ccm N 13° 706 mm Hg; 0,1608 g Sbst.: 0,2221 g Ag Br.
0,9170 g Sbst. bewirkten in 34,55 g Chloroform eine Siede-
punktserhöhung von 0,160°. K = 36,6.
CjsHjgNjBr, (543,83). Ber. : 33,10% C; 2,97 °/o H; 5,15°/o
N; 58,78 °/o Br.
Gef.: Mgw. = 607. Ber.: 33,01°/oC; 2,49°/oH; 5,35,
5,37 °/o N; 58,78 °/o Br.
Man sollte annehmen, daß bei der Einwirkung des über-
schüssigen Broms zunächst Dimethylacetylbrompyrrol entsteht ;
dies ist nicht der Fall, aus diesem Pyrrol erhält man den Farb-
stolF durch Bi'om nicht. Mehr Brom in den Farbstoff einzu-
führen gelang auch nicht.
Als ich obige Versuche nochmals der Nachprüfung unter-
warf, konnte ich die obengenannten Resultate nicht wieder
erhalten, und zwar erhielt ich bei den Kohlenwasserstoff-
bestimmungen sowohl des bromwasserstoffsauren Salzes wie des
freien Farbstoffes ein Defizit von 2°/o im Kohlenstoff. Für
den freien Farbstoff fand ich bei zahllosen Ansätzen konstant
C = 30,96; H = 2,76; Br = 58,54; N = 5,20. Hieraus berechnet
sich die Formel Cj6,25 H^^so Br4_6 No, 3 Oj. Aus der Unstim-
migkeit dieser Zahlen glaube ich schließen zu dürfen, daß ich
bei den späteren Versuchen nicht mehr die richtigen Bedin-
gungen getroffen habe und daß die Reaktion doch in obigem
Sinne verläuft, aber jedenfalls muß die Reaktion vorläufig als
eine unsichere bezeichnet werden.
Reduktion mit Eisessig- Jodwasserstoff.
2,4 g des Farbstoffes wurden mit 60 ccm Eisessig- Jod-
wasserstoff H/a Stunden lang im siedenden Wasserbad erhitzt.
Nach dem Reduzieren des abgeschiedenen Jods mit Jodphos-
SitzuDgsb. d. math.-pbys. Kl. Jabrg. 1915. 27
410
H. Fischer
phonium wurde der Eisessig-Jodwasserstoff unter vermindertem
Druck abdestilliert, der Rückstand mit Wasser und Soda be-
handelt und dann alkalisch mit Wasserdampf abgetrieben.
Das Destillat wurde in der üblichen Weise auf Pyrrolpikrat
verarbeitet. Erhalten wurde 0,4 g Dimethylpyrrolpikrat. F. P.
92—93°.
Analyse: 0,1590 g Sbst. : 25 ccm N bei 18° 712 mm Hg.
Gef.: 17,01. Ber.: 17,29.
Der mit Dampf behandelten Mutterlauge kann man durch
Chloroform eine geringe Menge Substanz entziehen, die man
beim Versetzen der konzentrierten Chloroformlösung mit Petrol-
äther kristallisiert erhält. Wegen der geringen Ausbeute wurde
sie nicht näher untersucht.
Einwirkung von Brom auf 2-4-Dimethyl-3-Carbäthoxypyrrol.
CoH^OOCC
CCH, CH,C,
CCOOCoH,
CHoC
\
\/
N
•HBr
N
CCHoBr
1,68 g 2-4-Dimethyl-3-Carbäthoxypyrrol wurde in 30 ccm
Eisessig gelöst und hierzu 3,2 g Brom (2 Mol.) in Eisessig zu-
gegeben. Tiefrote Färbung und unter Brom Wasserstoff- Ent-
wicklung fast plötzliche Kristallisation eines tiefrot gefärbten
Farbstoffes. Derbe Prismen. Es wurde abgesaugt, mit Eis-
essig, Alkohol und Äther nachgewaschen. Ausbeute 1,5 g.
Zur Analyse wurde aus Chloroform-Petroläther umkristal-
lisiert, und bei 100° im Vakuum bis zur Gewichtskonstanz
getrocknet.
Analyse: 0,2324 g Sbst. : 1 1,4 ccm N bei 15° und 7 15 mm Hg;
0,1936 g Sbst.: 0,3112 gCO^ und 0,0773 g H^O; 0,2078 g Sbst.:
0,1562 g AgBr.
C.gHaaNgBry, (490,04). Ber. : 44,08 °/o C; 4,53 °/oH;
5,72 °/o N; 32,62 °/o Br.
Gef.: 43,84 °/oC; 4,47°/o H; 5,41°/oN; 31,99°/oBr.
über die Einwirkung von Brom auf einige Pyrrolderivate. 411
Freier Farbstoff.
In analoger Weise, wie beim bromwasserstoffsauren Salz
des Farbstoffs aus Dimethylacetylpyrrol (S. 408) beschrieben,
wurde auch hier das bromwasserstofifsaure Salz in den freien
Farbstoff übergeführt. Der Chloroformrückstand kiüstallisiert
sofort. Zur Analyse wurde aus Aceton -Wasser umkristallisiert.
Nadeln, büschelförmig vereinigt. F. P. 154'^. Zur Analyse I
und II, ebenso zur Molekulargewichtsbestimmung wurde bei
gewöhnlicher Temperatur, zur Analyse III bei 100° zur Ge-
wichtskonstanz getrocknet.
I. 0,2116 g Sbst.: 0,4103 g CO^ und 0,1006 g H^O;
0,2255 g Sbst.: 14,2 ccm N bei 17° und 721 mm Hg; 0,1599 g
Sbst.: 0,0752 g AgBr. 0,7414 g Sbst. in 29,10 Chloroform ge-
löst bewirkten eine Siedepunktserhöhung von 0,260°. K = 36,6.
II. 0,2219 g Sbst.: 0,4293 g CO2 und 0,1048 g H2O;
0,1904 g Sbst.: 11,8 ccm N bei 9° und 713 mm Hg; 0,1563 g
Sbst.: 0,0731 g AgBr.
HI. 0,2092 g Sbst.: 0,4054 g CO2 und 0,0993 g H2O;
0,2211 g Sbst.: 13,6 ccm N 9° 712 mm Hg; 0,1516 g Sbst.:
0,0704 g AgBr.
C,8H2iN2 0, Br (409,11). Ber.: 52,80 °/o C; 5,17 °/oH;
6,85 °/oN; 19,54 °/o Br.
Mgw. : Gef.: 359.
Gef.: I. 52,88% C; 5,32% H; 6,94°/oN; 20,01°/oBr.
„ H. 52,76 „ ; 5,28 „ ; 6,98 „ ; 19,90 „
, IH. 52,85 , ; 5,31 „ ; 6,91 „ ; 19,81 „
Bei der Reduktion mit Eisessig-Jodwasserstoff gibt auch
dieser Farbstoff 2-4-Dimethylpyrrol.
412
H. Fischer
Einwirkung von Brom auf Di (2-4-Dimethyl-3-Carbätlioxy-
pyrrol) metban.
CjHbOOCC,
‘ ' 'HBr
CH3Ö
\ /
\/
NH
CCH3 CHbC
C — CH C
\ /
\^/
N
CCH3
1,2g Di(2-4-Dimethyl-3-Carbäthoxypyrrol)-methan wurden
in 30 ccm Eisessig mit 1,6 g Brom (3 Mol.) in Eisessig versetzt.
Sofort kristallisiert ein roter Farbstoff heraus, der abgesaugt,
mit Alkohol und Äther gewaschen wurde. Ausbeute 1,2 g.
Zur Analyse wurde aus Chloroform-Alkohol umkristallisiert
und derbe metallisch glänzende Prismen erhalten. Im Kapillar-
rohr erhitzt, tritt bei 190° Dunkelfärbung, bei 227° Zersetzung.
Analyse: 0,1926 g Sbst. : 0,3781 gCO^ und 0,0995 gHgO;
0,2398 g Sbst.: 14,6 ccm N bei 17° und 718 mm Hg; 0,2185 g
Sbst.: 0,0968 g AgBr.
CigH^BN^O.Br (425,14). Ber: 53,63 % C; 5,92 °/o H;
6,59 °/oN; 18.80°/oBr.
Gef.: 53,54 °/oC; 5,78 °/oH: 6,68 °/oN; 18,85 °/o Br.
Auch durch Einwirkung von 8 Mol. Brom und Erhitzen
bis zum Sieden wurde kein wesentlich anderes Resultat erhalten.
Die Ausbeute ging zurück auf 0,9 g, die Analyse ergab einen
etwas höheren Bromgehalt und entsprechend weniger Kohlen-
stoff und Stickstoff.
Gef.: 53,04°/oC; 6,00°/o H; 6,56°/oN; 20,19°/o Br.
Einwirkung von Brom auf Hämopyrrol (4-5-Dimetbyl-
3-Ätbylpyrrol).
CH3C
CH3C
CC2H5 CjHüCi
c .d .
\/
N
N
CCHj
CCHjBr
•HBr
2,2 g nahezu reines Hämopyrrol (Pikrat F. P. 122°) wurden
in 15 ccm Eisessig gelöst und hierzu 3,2 g Brom (1 Mol.) in Eis-
über die Einwirkung von Brom au einige Pyrrolderivate. 413
essig auf einmal zugegeben. Sofort tiefe Dunkelfärbung, Brom-
wasserstoff-Entwicklung und Erwärmung. Es ist nun not-
wendig, möglichst schnell die Kristallisation zu erzielen, sonst
tritt Verschmierung ein. Ist man im Besitz von Impfkristallen,
erfolgt bei Zusatz die Kristallisation sofort. Die Impfkristalle
erhält man durch Aufgießen einer Probe auf einen Objekt-
träger und heftiges Reiben mit einem Glasstab über die ganze
Fläche.
Die Ausbeute an reinem kristallisierten Material betrug
im günstigsten Fall 0,8 g, einmal jedoch nur 0,1 g. Es wurde
gewogen nach Absaugen, Auswaschen mit Eisessig, Alkohol
und Äther und Trocknen im Vakuum.
Zur Analyse wurde aus Chloroform-Petroläther umkristal-
lisiert und im Vakuum zur Gewichtskonstanz getrocknet.
I 4,217 mg Sbst. : 7.395 mg CO^ 2,08 mg HgO; 5,184 mg
Sbst. : 4,86 mg Ag Br; 4,780 mg Sbst. : 0,304 ccm N bei 17° und
723 mm Hg.
CieHj^N^Br^ (402,04). Ber.t 47,76°/oC; 5,52o/oH; 6,97°/o
N; 39,76 °/o Br.
Gef.: 47,83°/oC; 5,52°/oH; 7,12°/oN; 39,90°/o Br.
Freier Farbstoff.
Durch Zerlegen mit Chloxoform und Kalilauge in der oben
beschriebenen Weise erhält man den Farbstoff in kristallisiertem
Zustand. Zur Analyse wurde er aus Alkohol umkristallisiert
und in derben Prismen erhalten. F. P. 119 — 120°. Äther und
Petroläther leicht löslich, intensives „ Urobilin “spektrum.
Analyse: 4,808 mg Sbst.: 10,63 mg COg und 2,83 mg HgO;
4,557 mg Sbst.: 10,08 mg CO.^ und 2,72 mg H.2O; 4,282 mg
Sbst.: 0,334 ccm X bei 16,5° und 723 mm Hg; 4,922 mg Sbst. :
2,885 mg Ag Br.
C.eH^iN^Br (321,11). Ber.: 59,80 °/oC; 6,59 °/oH; 8,73 °/o
N; 24,89 °/o Br.
Gef.: 60,30, 60,33 °/oC; 6,59, 6,68 °/o H; 8,75°/oX;
24,94 °/o Br.
414
H. Fischer
Aus der freien Base erhält man in üblicher Weise das
Pikrat. Aus Alkohol stahlblau glänzende (im auffallenden
Licht) makroskopische Prismen, im durchfallenden Licht rot.
Pulver rot. Der Körper enthält 1 Mol. Pikrinsäure.
0,1396 g Sbst. : 16 ccm N bei 14° und 721 mm Hg.
022024^^5 OtBi- (550,16). Ber.; 12,730|oN.
Gef.: 12,80°/oN.
Reduktion mit Eisessig- Jod Wasserstoff.
Ein eigenartiges Verhalten zeigte der Hämopyrrolbrom-
farbstoff bei der Reduktion mit Eisessig-Jodwasserstoff in der
beim Hämin üblichen Weise. Nach der oben angegebenen
Konstitutionsformel sollte man erwarten, daß nur Hämopyrrol
auftritt. Der Schmelzpunkt des Pikrates war jedoch von 108
bis 111° statt 120°, eine Erklärung für dieses Verhalten kann
ich nicht geben.
1,5 g Hämopyrrolbromfarbstoflf wurden in der üblichen
Weise mit Eisessig- Jod Wasserstoff reduziert und nach D/aStunden
mit Jodphosphonium entfärbt. Hiernach wurde der Eisessig-
Jodwasserstoff im Vakuum abdestilliert und der Rückstand soda-
alkalisch mit Dampf abgetrieben. Die Basen wurden auf Hämo-
pyrrolpikrat verarbeitet, und 1,3 g Rohpikrat erhalten. Nach
zweimaligem Umkristallisieren aüs Benzol wurden 0,6 g er-
halten vom Schmelzpunkt 108 — 111°. Das Kristallbenzol 4var
vorher durch Trocknen im Vakuum entfernt worden. Die Ehr-
lichsche Probe fiel intensiv positiv aus.
0,1699 g Sbst. gaben 0,2988 g Kohlensäure und 0,0792 g
Wasser.
0,1375 g Sbst. gaben 21 ccm N bei 23° und 715 mm Hg.
C^HjgN^O,. Ber.: C = 47,72; H = 4,55; N = 15,91.
Gef: C = 47,96; H = 5,21; N = 16,27.
über die Einwirkung von Brom auf einige Pyrrolderivate. “ÜS
Einwirkung von Brom auf Bis (2 4-Dimethylpyrryl) metkan.
BrC “
CCH3
H3CC
1
CBr
HsCd^
'!
Je CH
<
Je CH,
\/ x/-
NH N
1,6 g des obigen Körper? wurden in Eisessig gelöst und
3 Moleküle Brom in Eisessig eingerührt. Die Kristallisation
erfolgt sofort, von der abgesaugt und die mit Eisessig ausge-
waschen wurde. Nach dem Waschen mit Alkohol und Äther
betrug die Ausbeute 2,3 g. Was hier vorlag, war das brom-
wasserstoffsaure Salz und dies wurde mit Hilfe von Chloro-
form und Natronlauge in die freie Base übergeführt, die zur
Analyse zweimal aus Aceton umkristallisiert wurde. Erhalten
0,45 g, derbe Prismen. Schmelzpunkt 181®, nachdem bei 177®
Sintern eingetreten war.
0,1881 g Sbst. gaben 0,3024 g Kohlensäure und 0,0733 g
Wasser.
0,1401 g Sbst. gaben 10,2 ccm N bei 19® und 713 mm Hg.
0,1165 g Sbst. gaben 0,1220 g AgBr.
CjjH^N^Br^; Mgw. 357,97. Ber.: C = 43,58; H == 3,94;
N = 7,82; Br = 44,66.
Gef.; C = 43,84; H = 4,36; N = 7,88; Br = 44,56.
Einwirkung von Brom auf 2-4-Dimetliylpyrrol.
BrC ^CCHä CH3C: ^ CBr
CH3C.
\
\/
N
N
CCHzBr
Das 2-4-Dimethylpyrrol gewinnt man am besten nach dem
Vorgang Knorrs aus 2-4-Dimethyl-3-5-Dicarbäthoxypyrrol
durch Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure.
416
H. Fischer
Hierbei entstehen verschiedene Nebenprodukte, deshalb ge-
nügt es nicht, aus der alkalisierten Lösung das Dimethylpyrrol
abzutreiben, sondern das Destillat muh sorgfältig der frak-
tionierten Destillation unterworfen werden.
Bei der Einwirkung von Brom auf reines Dimethylpyrrol
entstehen nun wahrscheinlich nebeneinander zwei verschiedene
schön kristallisierende Körper. Verschiedentlich erhielt ich
Analysenzahlen, die gut auf einen Körper obiger Konstitution
stimmten, gelegentlich aber entstanden auch bromreichere Pro-
dukte. Beim Verwandeln in den freien Farbstoff wurde stets
Brom gegen Hydroxyl partiell ausgetauscht. Da ich keine
einwandfreien Resultate erhielt, verzichte ich auf die nähere
Beschreibung der mühevollen Versuche und zahllosen Analysen.
Einwirkung von Brom auf 2-4-Dimethyl-3-Carbonsäurepyrrol.
Bei der Einwirkung von 2 Mol. Brom auf die Säure er-
folgt eine Reaktion ganz anderer Art wie auf den zugehörigen
Ester. Es entsteht ein roter Kristallbrei, unter dem Mikroskop
braungelbe Nadeln, die abgesaugt, mit Alkohol, Äther nach-
gewaschen wurden. Eine Kohlensäure-Entwicklung war nicht
zu erkennen. Ausbeute 1,7 g.
Da der Körper nicht umkristallisiert werden konnte, wurde
das Rohprodukt analysiert. Bei gewöhnlicher Temperatur konnte
keine Gewichtskonstanz erreicht werden, deshalb wurde bei
100® konstant getrocknet, wobei eine Gewichtsabnahme von
nicht weniger als 3 ®/o erfolgte. Die gefundenen Zahlen
stimmten auf einen hochmolekularen Körper von der Formel
C.jg HggN,(, OgBi'jj. Es folgt hieraus, daß wahrscheinlich beim
Trocknen noch sekundäre Einwirkungen erfolgt sind und des-
halb wurde bei einer neuen Darstellung die erhaltene Kristal-
lisation sofort mit 200 ccm 5®/oiger Natronlauge aufgeschlemmt
und über Nacht geschüttelt. Am anderen Morgen wurde mit
Wasser verdünnt und abgesaugt. Offenbar war also in dem
Produkt keine Carboxylgruppe mehr vorhanden. Der Rück-
stand ließ sich nun sehr gut sowohl aus Pyridin wie alkoho-
über die Einwirkung von Brom auf einige Pyrrolderivate. 417
lischera Ammoniak Umkristallisieren. Aus letzterem kristal-
lisiert er absolut einheitlich in langen gelbroten Prismen. Der
Körper schmilzt bis 290° nicht. In den gebräuchlichen Lösungs-
mitteln außer Pyridin ist er sehr schwer löslich. Zur Analyse
wurde bei 100° zur Gewichtskonstanz getrocknet.
0,1404 g Sbst. gaben 9 ccm N bei 24° und 718 mm Hg.
0,1677 g Sbst. gaben 0,2342 g Kohlensäure und 0,0476 g
Wasser.
0,2227 g Sbst. gaben 0,2044 g AgBr.
Mgw. 621,95. Ber.: 0 = 38,59; 11 = 3,21;
N = 6,77; Br = 38,55.
Gef.: 0 = 38,09; H = 3,17; N = 6,82; Br = 39,06.
Was für ein Körper hier vorliegt, ist nicht ermittelt worden.
Einwirkung von Brom auf 2-4-Dimethyl-3-Acetyl-5-Carbon-
säureäthylesterpyrrol.
Hä CG iiCCOCHä
??
BrOCCv^ ^CCHjEr
\/
NH
Läßt man 1 Mol. Brom auf den oben angeführten Ester
einwirken, so erhält man sofort einen schön kristallisierenden
roten Körper, der seinen Eigenschaften nach ein Perbromid ist.
Ich habe ihn nicht näher untersucht, sondern 4 Mol. Brom
auf den Ester einwirken lassen.
2,1 g des Esters wurden in 30 ccm Eisessig gelöst und
hierzu 6,4 g Brom zugegeben. Alsbald kristallisiert ein gelb
gefärbter Körper aus, der abgesaugt, mit Eisessig, Alkohol
und Äther angewaschen wurde. Hiernach war der Körper
farblos und wog 1 g. F. P. 167 — 170°. Stark bromhaltig.
Da das Brom leicht abgegeben wird, wurde direkt das Roh-
produkt nach Trocknen über PgO- analysiert: 0,1905 g Sbst.:
0,2336 g CO2 und 0,0596 g H^O; 0,2229 g Sbst.: 0,2557 g
AgBr; 0,2028 g Sbst.: 8,1 ccm N 16° 715 mm Hg.
■il8 H. Fischer, Über d. Einwirkung v. Brom a. einige Pyrrolderivate.
Cg Hg NO^Brg (322,92). Ber.: 33,44 «/o C; 2,81 °/o H;
4,33 °/o N; 49,50 “/o Br.
Gef.: 33,46«/oC; 3,50“/oH; 4,39°/oN; 48,82o/oBr.
Durch Behandeln mit Wasser und Alkohol verliert der
Körper sein Brom und geht in schön kristallisierende Sub-
stanzen über, die ich aus den oben angeführten Gründen nicht
weiter untersucht habe.
419
Über einen Satz des Herrn Serge Bernstein.
Von G. Mittag-Leffler.
Vorgelegt von A. Pringsheim in der Sitzung am 4. Dezember 1915.
Herr Serge Bernstein hat einen wichtigen Satz ausge-
sprochen, der in engem Zusammenhänge mit den Resultaten
meiner früheren Arbeiten steht. Sein Satz lautet:
„Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß
eine Funktion F{z) der reellen Veränderlichen 2 auf einer
Strecke AB analytisch ist, besteht darin, daß die Funktion in
eine Reihe von Polynomen entwickelbar ist:
(1) F{2) = P,{2) -f P.(^) . . . + P„(^) -t- . .
worin P„ {2) ein Polynom bedeutet, das höchstens vom Grrade n ist
und auf der Strecke AB gleichmäßig der Ungleichung genügt:
(2) Pr,{2) <Mq"{q<IV^)
1) ComptesRendus de l’Acadera. des Sciences de Paris, 27 Fevrier 1911.
Herr Bernstein hat dem Beweise seines Satzes die folgenden
Arbeiten gewidmet:
„Sur Vordre de la meilleure approximation des fonctions continues
par des polynomes de degre donne.“ Memoire couronne par la classe
des Sciences de VAcad. Royale de Belgique dans sa seance du 15 Decembre
1911. Bruxelles 1912.
„Sur une propriete des polynomes.“ Mitteilungen der math. Gesell-
schaft in Charkow.
„über die beste Approximation der kontinuierlichen Funktionen
durch Polynome gegebenen Grades.“ Mitteilungen der math. Gesellschaft
in Charkow (2), 13, S. 49—194 (Russisch).
„Sur la definition et les proprietes des fonctions analytiques d’une
variable reelle.“ Math. Ann., Bd. 75, S. 449 — 468.
420
G. Mittag-LefFler
Der erste Teil dieses Satzes, nämlich die Notwendigkeit
der Bedingung, ist in den Formeln enthalten, die in den
Noten 3') und 4®) meiner Arbeit „Sur la representation ana-
lytique d’une brauche uniforme d’une fonction monogene“ so-
wie in meinen früheren Veröffentlichungen“*) abgeleitet sind.
ln der Tat habe ich gezeigt, daß es beliebig viele ana-
lytische Funktionen f{u\ a) gibt, „erzeugende Funktionen“,
wie ich sie nannte {u bedeutet die Variable, a einen positiven
Parameter), die folgende Eigenschaft besitzen:
„Die Funktion v — a) ist für u\<B, wobei ß>l,
aber hinreichend nahe an 1 ist, eine reguläre Funktion von »,
für welche /’(0; a) = 0, /'(l; a) — 1. Durchläuft tc die Peri-
jiherie des Kreises ■u \ — iv, so durchläuft v eine geschlossene
Kurve — sie heiße F„ — , welche die Strecke (0, 1) umschließt
und zu dieser Geraden symmetrisch ist. Diese Kurve umschmiegt
die Strecke (0, 1) immer enger, wenn a nach Null strebt.“
Eine solche Funktion ist*)
I
CI 7/
(3) ^ = 0<a<l.
Eine andere ist die des Herrn Fredholm®)
(4)
v = f{u\ a) =
log(l —
log(l— /i) ’
a = l — ß- 0<ß<l.
Ich habe früher auch noch andere Funktionen dieser Art
untersucht.®)
1) Acta Mathematica, Bd. 24, 1900.
‘^) Acta Mathematica, Bd. 26, 1902, S. 365, 366.
Siehe auch G. Mittag-Leffler, „Über die analytische Darstellung
eines eindeutigen Zweiges einer monogenen Funktion.“ Münchener Be-
richte, 6. März 1915, S. 133 — 137.
Siehe z. B. „Om en generalisering af potensserien.“ Öfversigt
af Kgl. Svenska Vet. Akad. Handl. 9 Mars 1898“; „Om den analytiska
framställningen af en allmän raonogen funktion, 3: dje meddel.“ ; Öfversigt
af Kgl. Svenska Vet. Akad. Handl. 14 Sept. 1898.
■*) Note 4, S. 365. Münchener Berichte, 1. c., S. 134 — 136.
“) Note 4, S. 366. Münchener Berichte, 1. c., S. 137.
6) A. a. 0.
über einen Satz des Herrn Serge Bernstein.
421
Null beliebig nahe kommen kann, so bleibt die Funktion f{n \ n),
wie man sieht, für j« = R regulär.
Es werde nun vorausgesetzt, dah die Funktion F{z — Ä),
gleichviel, ob z — Ä reell ist oder nicht, auf der von den
Punkten A und B begrenzten Strecke mit Einschluß der End-
punkte regulär ist.
Bezeichnet x einen beliebigen Punkt der Strecke AB und
setzt man z — A = {x — A) f {u \ a), so wird F (z) bei hinreichend
kleiner Wahl von a für ,u <Z R eine „
reguläre Funktion von u sein. Als
Funktion von z betrachtet ist die
Funktion F {z) im Inneren und auf
der Begrenzung des Bei’eiches {B — A) • V„ regulär.
Es ist folglich
F{{x-~ A)fiu; a))
'd''Fi(x — A) f{u; a))
(5)
00 /;
= F{0) + L (
r—1 ^
du''
wobei die Reihe “iß (u) für u < R konvergiert.
Andererseits ist in genügend kleiner Umgebung des Punk-
tes A
F{z~A)==%{z-A),
(6)
wo ^ — A) eine nach positiven Potenzen von (z — A) fort-
schreitende Reihe bedeutet. Hieraus folgt, wenn man /'(O; a) — 0
berücksichtigt, für genügend kleines u\ die Gleichung
(7) ^(«0 = F{{x — A)f{u-, a)) = ‘^{{x — A)f{u-, a)).
Der Weierstraßsche Satz über iterierte Reihen U liefert
nun die Entwicklung
(8)
((aj — A) f{u ; a)) = (a:) -|- P, {x) u
-f • •• -f P„(x)u" -| ,
1) Werke, Bd. 2, S. 205-208.
422
G. Mittag-Leffler
in der Pn{x) ein Polynom von höchstens w-tem Grade vorstellt
und die in der Umgebung des Punktes ?< = 0 konvergent ist.
Die Gleichung (5) liefert also in der Umgebung des Punktes
M = 0
rq'i ^ ; a)) = ^ (m) = -Po (^) + Pi (^) «
Die Reihe konvergiert, wie wir gesehen haben, für
ti I < B. Dasselbe gilt also von der Reihe (8).
Verstehen wir nun unter g die Größe lim so ist
nach dem Satz von Cauchy -Weierstraß a'^x^b
(10) \P„{x)\<gR~” ^ go”-, Q <1.
Andererseits ist wegen /"(l; a) = 1
(11) F{x^Ä)^ Pq (a;) + P, (a;) H P„ (x) -]
Durch die Aufstellung der Formeln (10) und (11) ist der
Beweis für den ersten Teil des Bernsteinschen Satzes erbracht.
0 Im Falle der erzeugenden Funktion
(3)
ist P„W = -F(«)(A)
(n(a; — .4))» a{n — 1)
1!
UC»-i) [A] ß
{a{x — 4))" — '
(«-!)!
a{n — 2) (a(«-2)-l-l)
FC« -2) [A) ß
.,(a(x-A))«-^-
(«-2)1
a(a-Fl)---(a + a-2) a{x- A)
(H — 1)! ^ 1!
Im Falle
(4)
erhält man dagegen
+ F^'> (4)
X — A
K
wobei Ä G -f- 1) {/. -f- 2 ) • • • (/. -H « — 1) = /” -p C)”D." *-!-•••+ ^
1
H= los
\-ß
über einen Satz des Herrn Serge Bernstein.
423
Um auch den zweiten Teil des Satzes zu beweisen, muh
man Betrachtungen anderer Art zu Hilfe nehmen, die, wie
mir scheint, mit ihrem eigentlichen Kerne einem elementaren,
längst bekannten Teile der Theorie der analytischen Funk-
tionen angeboren.^)
Es besteht nämlich folgender Satz:
„Es bezeichne
(12) 2 — cos cp ih sin cp
einen Punkt der Ellipse
S + i« = ' («* -*•’ = !)
mit den Brennpunkten -h 1 und — 1. Dann ist der absolute
Wert der Funktion
(14) y> (z) = 2 Y — 1
(die Wurzel sei so bestimmt, dah sie für reelle 2 > 1 positiv
ist) konstant und gleich a b, wenn 2 die Ellipse beschreibt.
Auf der Strecke ( — 1, -f- 1) ist j
Der Beweis dieses Satzes ergibt sich unmittelbar. Er ist
in den folgenden Formeln enthalten :
(15)
(2) = a cos 99 + i & sin 93 -j-
Y cos^ cp 2 i ab cos 9? sin cp — b^ sin^ cp — 1
= a cos 99 -|- i 6 sin 99 -p
Y cos^99 -j- 2 ia 6 cos 99 sin 99 — b'^sm^cp — -f- b^
= a cos cp -f- i 6 sin 99 -p
Y b^ cos^ 99 -j- 2iab cos cp sin 99 — sin^ cp
= a cos 99 -p i & sin 99 -p ft cos 99 -p i a sin 99
= (a -h b)e'’P
\xp{s) \ = a -p 6
xp {2) = 2 Y — 1 = ^ -p i 1 — 2^
9.« (.?) I — 1 ; — l <2^-\-
Siehe außer den Arbeiten des Herrn Bernstein die bemerkens-
werte Vereinfachung, die Herr Marcel Riesz vor kurzem dem Beweis des
Fundainentalsatzes gegeben hat, aus dem bei Herrn Bernstein der zweite
Teil seines Satzes fließt (Acta Mathematica, Bd. 40).
424 Ct. Mittag-Leffler, Über einen Satz des Herrn Serge Bernstein.
Man setze nun zur größei'en Einfachheit
(16) A — — !;-£> — 4"li
was der Allgemeinheit des Beweises keinen Eintrag tut, und
betrachte die Funktion:
(17)
(V’(^))"
= V(^).
Sie ist in dem von der Doppellinie ( — 1, -\- 1) begrenzten
Bereich regulär. Da nun P„{s) ein Polynom ist, da-
gegen nicht, so kann q)(g) sich nicht auf eine Konstante
reduzieren. Der größte Wert von \cp{2)\ befindet sich also
auf der Linie ( — 1, -|- 1). Wie wir gesehen haben, ist ^>{2)
hier gleich 1.
Ferner setzten wir voraus
(2) Pn{z) < J/p"; o < 1.
Also ist
(18) |(^(.e)!<il/p’'; — l<.e<+ 1.
Es möge nun z die Ellipse (13) durchlaufen. Bekanntlich
kommt a -\- b. das größer als 1 ist, dem Werte 1 beliebig nahe,
wenn man die Ellipse hinreichend schmal wählt. Setzt man also
(19) (« 4- ft) p < r < 1,
so erhält man
(20) \P„{z)
so lange z im Inneren oder auf der Ellipse hleibt.
GO
Die Reihe Yj Pn i^) ist folglich in diesem Bereich für z
n =z\
gleichmäßig konvergent. Die in dem Bereiche durch die Reihe
dargestellte Funktion ist also hier analytisch und regulär, wo-
mit auch der zweite Teil des Bernsteinschen Satzes bewiesen ist.
425
Zur Theorie der Balmerschen Serie.
Von A. Sommerfeld.
Vorgetragen in der Sitzung am 6. Dezember 1915.
Die Theorie des Balmerschen Wasserstoffspektrunis scheint
auf den ersten Blick durch die wunderbaren Untersuchungen
von N. Bohr zum Abschluß gebracht zu sein. Bohr konnte
nicht nur die allgemeine Form des Seriengesetzes, sondern
auch den Zahlenwert der darin eingehenden Konstanten und
seine Verfeinerung unter Berücksichtigung der Kernbewegung
erklären. Man darf sogar .sagen, daß die Leistungsfähigkeit
der Bohrschen Theorie vorläufig beschränkt ist auf diese Wasser-
stoffserie und auf die wasserstoff-ähnlichen Serien (ionisiertes
Helium, Röntgenspektren, Serien-Euden sichtbarer Spektren).
Trotzdem möchte ich zeigen, daß auch die Theorie der Balmer-
serie in gewissem Sinne eine Lücke aufweist, sobald man näm-
lich nichtkreisförmige (also im Falle des Wasserstoffatoms ellip-
tische) Bahnen zuläßt. Ich werde diese Lücke ausfüllen durch
eine Vertiefung des Quantenansatzes und dabei zugleich die
Sonderstellung des Wasserstoffspektrums beleuchten: Während
die anderen Elemente eine Reihe verschiedener Serien (Haupt-
serie, Nebenserien und ihre Kombinationen) und verschiedener
Serientypen aufweisen (einfache Serien, Düblet-, Tripletserien),
hat der Wasserstoff' (von dem noch dunkeln Viellinienspektrum
abgesehen) nur die einzige Balmersche Serie. Nach der hier
vorzutragenden Auffassung erklärt sich dies daraus, daß in der
Balmerschen Serie eine Reihe von Serien zusammenfallen, daß
nämlich jede ihrer Linien auf eine gewisse Anzahl verschiedener
Sitzangsb. d. matli.-phys. Kl. Jahrg. 1915. 28
426
A. Sommerfeld
Arten entstehen kann, nicht nur durch Kreisbewegungen, son-
dern auch durch elliptische Bahnen von gewissen Exzentrizitäten.
Diese eigenartige Linienkoinzidenz, die beim Wasserstoff nur
durch die besondere Einfachheit der Keplerschen Bewegung
oder, was dasselbe ist, durch die besondere Einfachheit der
Konstitution des Wasserstoffatoms zustande kommt, kann, wie
man leicht übersieht, bei anderen Elementen nicht mehr statt
haben. Hier werden vielmehr die den verschiedenen Ellipsen-
bahnen analogen, aber entsprechend komplizierter gestalteten
Bahntypen je zu verschiedenen Linien führen, die sich weiter-
hin in verschiedene Serientypen anordnen lassen werden. Das
allgemeine Serienschema würde dann nicht mehr von zwei
ganzen Zahlen n und m, sondern (vorbehaltlich weiterer Ver-
allgemeinerung) von vier ganzen Zahlen n, n‘ und m, m' ab-
hängen, in der Form
V
^ = n‘) — (p (m, m')
und die Besonderheit des Wasserstoffs würde darin bestehen,
dal3 hier 99 (n, n') = <p (n -j- n') — (n -j- «')“- wäre.
Ich habe diese Dinge bereits vor einem Jahr in einer Vor-
lesung vorgetragen, ihre Veröffentlichung aber zurückgestellt,
da ich beabsichtigte, sie u. a. für die Auffassung des Stark-
effektes fruchtbar zu machen. Diese Absicht scheiterte indessen
vorläufig an der inzwischen auch von Bohr stark betonten
Schwierigkeit, den Quantenansatz anzuwenden auf nicht-perio-
dische Bahnen, in welche ja die Keplerschen Ellipsen durch
ein elektrisches Feld auseinander gezogen werden. Auf diese
und ähnliche Anwendungsmöglichkeiten werde ich am Schlüsse
hinweisen; in der Hauptsache beschränke ich mich hier auf
die Darstellung der allgemeinen Überlegungen, die, wie ich
glaube, bei der weiteren Ausgestaltung des Bohrschen Serien-
modelles eine entscheidende Rolle spielen werden.
Zur Theorie der Balmerschen Serie.
427
^ I. Der Quantenansatz für periodische Bahnen.
Vor jeder Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung
hat man sich die Frage nach den gleich-wahrscheinlichen Fällen
(nach der Richtigkeit der zu benutzenden Würfel) vorzulegen.
Auf dem Gebiete der statistischen Mechanik liefert hiei-für den
einzigen Anhaltspunkt der Liouvillesche Satz. Dieser sagt be-
kanntlich aus, dah gleichgroße Elemente des „Phasenraumes“
(?) P) gleich wahrscheinlich sind, insofern und weil sie zeit-
lich ineinander übergeführt werden, q sind die Lagenkoordi-
naten, p die zugehörigen Impulskoordinaten
P =
dT
H
T ist die lebendige Kraft, und man hat soviel Koordinaten q
und p, als man Freiheitsgrade des Systems hat. Indem man
die Elemente ll{dqdp) des Phasenraumes betrachtet, operiert
man von Anfang an mit kontinuierlichen Wahrscheinlichkeiten.
Die Quantentheorie ersetzt diese durch diskrete Wahrschein-
lichkeiten und betrachtet statt des Phasenelementes dq dp als
Elementarbereich der Wahrscheinlichkeit das endliche Phasen-
Sdiäp^h.
Wir erinnern an eine berühmte, bei Planck nicht hinge-
zeichnete Ellipsenfigur für den harmonischen linearen Resonator.
In der Zustandsebene der q, p beschreibt der Resonator eine
Ellipse, deren Hauptachsenverhältnis durch Trägheit m und
Schwingungszahl v des Resonators gegeben ist und längs der
seine Energie konstant ist. Von dem hiernach bestimmten
System ähnlicher Ellipsen werden in der ursprünglichen Fas-
sung der Quantentheorie diejenigen Ellipsen als allein mög-
liche Zustandskurven hervorgehoben, die zwischen sich den
Flächeninhalt h einschließen. Für die Energie W dieser aus-
gezeichneten Ellipsen gilt TF=w/t»’, d. h. die Vorstellung der
Energieelemente hv folgt für den linearen Resonator aus der
Forderung der endlichen Phasenelemente h.
28’
428
A. Sommerfeld
Debye^) hat das Plancksche Verfahren auf eine beliebige
periodische Bewegung von einem Freiheitsgrade ausgedehnt,
und Ehrenfest^) hat dasselbe angewandt auf den Fall der ein-
fachen Rotation. Handelt es sich um einen Massenpunkt m,
der auf dem Kreise vom Radius a gleichförmig rotiert, so ist
q = (p, T = — (p^, p = m a^<p = konst.
Die Zustände gleichförmiger Rotation werden in der q, /»-Ebene
durch Geraden parallel der g- Achse dargestellt ; statt der Ellipsen-
ringe beim Resonator ergeben sich hier Rechtecke von der
Grundlinie 2 :rr, dem Zustandsbereich
der Variabein q = cp, und der Höhe
derart, daß der Rechteckinhalt
2 71
wie verlangt gleich h wird. Die
aufeinander folgenden ausgezeich-
neten Zustände sind hier also be-
TlfJl
stimmt durch p = „ ; an die Stelle
der diskreten Energieelemente beim
schwingenden Massenpunkt tritt also beim rotierenden Massen-
punkt der Bohrsche Ansatz der diskreten Impulselemente.
Nach diesen vorbereitenden Beispielen wollen wir den
Quantenansatz allgemein formulieren. Wir denken uns in der
q, /5-Ebene die Bildkurven einer einfach unendlichen Schar von
Bahnkurven konstruiert und betrachten die Fläche zwischen
irgend zweien der Bildkurven. Sind die Bildkurven geschlos-
') Vorträge über die kinetische Theorie der Materie, 1913, p. 27.
2) Deutsche Physik. Ges., 1913, p, 451. Verf. beschreibt in den
Gl. (7) und (8) die Figur so, als ob sie aus dem Nullpunkt und den
Streckenpaaren bestände, wobei der Nullpunkt der Rotation Null
entsprechen würde. Es ist offenbar naturgemäßer, die Rotation Null
ebenfalls durch die Strecke — -t bis -|- -i darzustellen, wie es in unserer
Fig. 1 geschieht, da die Orientierung des Massenpunktes bei der Rotation
Null beliebig ist.
a b(o für Ellipse
Fig. 1
Zur Theorie der Balmerschen Serie.
429
sene, wie beim Resonator, so ist die Fläche direkt definiert.
Andernfalls nehmen wir wie beim rotierenden Massenpunkt an,
daß sie durch Hülfslinien (dort die Geraden (p = +7i) zu ge-
schlossenen ergänzt werden können, infolge irgend welcher
Periodizitäts- oder Symmetrie-Eigenschaft der Bahnen. Inner-
halb der unendlichen Schar unserer Bildkurven zeichnen wir
nun eine diskrete Menge aus durch die Forderung, daß die
Fläche zwischen der n — Iten und der «ten dieser Kurven
gleich h sein soll. Bezeichnen wir die Ordinaten dieser Kurven
der Reihe nach mit P21 • ■ -i so schreibt sich unsere
Forderung bei Ausführung der Integration nach p folgender-
maßen :
SSdpdq = S Pndq — Spn-idq = h.
Bezüglich des Vorzeichens möge festgesetzt werden, daß
die Integration nach q im Sinne des Ablaufs der Bewegung
(der fortschreitenden Zeit) genommen werde. Ferner wollen
wir annehmen, daß die Kurve p^ so gewählt werden kann, daß
Sp^dq = 0
sei ; diese Annahme ist in unseren beiden Beispielen erfüllt,
indem die Bildkurve des ruhenden Resonators ein Punkt ist
(der Mittelpunkt des Planckschen Ellipsensystems), die des
ruhenden Rotators ein Stück der j-Achse selbst. Schreiben
wir daraufhin unsere Quantenforderung der Reihe nach für
w = 1, 2, 3, . . . hin, so ergibt sich:
SPidq = h
SPidq — SPxdq^h
SPidq~SP2dq = h
durch Summation folgt :
(I)
Die links stehende Größe nennen wir das Phasenintegral.
Es ist nur definiert für periodische oder quasiperiodische Bahnen.
(Unter quasiperiodischen Bahnen mögen solche verstanden wer-
430
A. Sommerfeld
den, auf denen, wie bei der Bahn des sphärischen Pendels,
jedem Punkt ein späterer zugeordnet werden kann, in dem und
von dem ab die Bewegung entsprechend verläuft.)
Wir zeigen, daß das Phasenintegral eine notwendig posi-
tive Größe ist, daß die Quantenzahl n also eine wirkliche
(positive) Zahl ist. Wir denken uns zu dem Ende solche
(orthogonale) Koordinaten q benutzt, daß in der quadratischen
Form T nur die quadratischen Glieder
nicht die Produkt-
glieder 2,^4 auftreten, wobei wegen des positiven Charakters
von T die als Funktion der Koordinaten zu denkende Funktion
^ > 0 sein wird. Dann wird der zu q — g,- gehörige Impuls
p = Aqi und daher das Phasenintegral
J pdq = J pqdt = J Aq-dt'> 0.
Die Einführung orthogonaler Koordinaten in I ist immer
möglich; die später zu benutzenden Polarkoordinaten genügen
von selbst dieser Bedingung. Jedenfalls braucht man nur
solche Koordinaten zu verwenden, für die das Phasenintegral
ebenso wie für orthogonale positiv wird.
Es ist der Hauptgegenstand dieser Arbeit, die Anwendung
des Ansatzes (1) auf die Keplersche Bewegung zu studieren
und seine Durchführbarkeit zu zeigen. Die Keplersche Be-
wegung finde unter dem Einfluß einer Newtonschen oder Cou-
lombschen Kraft statt, zunächst um ein festes Zentrum. Auf die
Bewegung im Azimute cp können wir die vorige Figur direkt
übertragen. Die zugehörige Impulskoordinate ist hier die
Flächenkonstante p, die Zustandskurven werden also wieder
Geraden parallel der g'-Achse; unser Ansatz (I) zeichnet unter
diesen diejenigen quantenhaft aus, für welche gilt
2n
(1) ^ p dq = p ^ dp = 27t p = n/i.
0
Wir wollen betonen, daß wir, um unserem quantentheore-
tischen Standpunkt getreu zu bleiben, die dynamisch definierte
Flächeukonstante j), nicht eine durch die mittlere Umlaufs-
Zur Theorie der Balmerschen Serie.
431
geschwindigkeit (o definierte, nur kinematisch bestimmte Größe
dem Quantenansatz unterwerfen müssen. Dieser Unterschied
ist wesentlich für die Beurteilung der im folgenden Paragraphen
zu besprechenden Schwierigkeit. Der Zusammenhang zwischen
p und CO ist der folgende :
p = mahw = ma^Y\ — e^co
(cc, b = große und kleine Hauptachse der Ellipse, s = nume-
rische Exzentrizität, a 6 co = doppelte Fläche der Ellipse, ge-
teilt durch Umlaufszeit, also — mittlere Flächengeschwindig-
keit). Soviel ich sehe, ist Herr Bohr geneigt,^) nicht die Größe
2 Tip, sondern
(la) 27imar ü) = ■ ^ = nn
ZU setzen, wodurch die hervorzuhebende Schwierigkeit aller-
dings scheinbar vermieden wird. Abgesehen von der allge-
meinen Folgerichtigkeit des quantentheoretischen Standpunktes
in unserem Ansatz (l) und der künstlichen Bevorzugung der
großen Achse a in dem Ansatz (la) werde ich zu Gunsten des
Ansatzes (1) in § 4 den Fall der kreisförmigen Rotation von
Elektron und Kern um ihren gemeinsamen Schwerpunkt heran-
ziehen, der Bohr zu der bedeutenden, inzwischen experimentell
bestätigten Entdeckung der Abhängigkeit der Rydbergschen
Konstanten N vom Atomgewicht des fraglichen Elementes ge-
führt hat. In diesem Falle kommt man zu dem von Bohr
vorhergesagten tatsächlichen Wert von N vollkommen unge-
zwungen, wenn man die Flächenkonstante p, d. h. den Gesamt-
impuls von Elektron und Kern, nicht eine aus Abstand und
Umlaufsgeschwindigkeit gebildete kinematische Größe gleich
einem vielfachen von h setzt.
Ich vermute dieses nach den allgemeinen Erörterungen zu Be-
ginn seiner ersten Arbeit, Phil. Mag. 26, pag. 3, wo alle Bewegungs-
Elemente durch a und w dargestellt werden. Eine ausdrückliche For-
mulierung des Ansatzes (la) habe ich bei Bohr nicht gefunden.
432
A. Sommerfeld
Es sei schon hier bemerkt, daß die Anwendung des Quanten-
ansatzes auf die einzelne Zustandskoordinate cp nach dem Vor-
angehenden zwar nahe liegt, aber eine neue Hypothese enthält.
Bei dem Planckschen Oscillator oder der einfachen Rotation
haben wir nur einen Freiheitsgrad und können bezüglich der
Berechnung des Phasenintegrals nicht im Zweifel sein. Bei
der Keplerschen Bewegung dagegen haben wir zwei Freiheits-
grade; die Begriffsbestimmung des Phasen integrals ist daher
hier nicht mehr eindeutig. Inwiefern unser Ansatz vom
Koordinatensystem unabhängig ist, wollen wir später erörtern.
§ 2. Die Energie der Keplerschen Bewegung.
Bekanntlich benutzt die Bohrsche Theorie noch an einer
anderen Stelle einen Quantenansatz, indem sie die ermittierte
Schwingungszahl durch die Energiedifferenz des Überganges
aus der ursprünglichen in die spätere Bahn des Elektrons
ausdrückt :
(II) hv=W„-Wr,
Ich glaube, daß diese Verwendung der Quantentheorie, trotz
ihrer außerordentlichen Leistungsfähigkeit in Hinsicht auf das
Kombinationsprinzip der Spektrallinien, doch nur provisorisch
ist. Um z. B. beim Zeeman-Effekt die scharfe Polarisation
der Zerlegungslinien zu erklären, wird es nötig sein, den
Übergang im Einzelnen zu verfolgen und sich nicht zu be-
gnügen mit einer pauschalen Energiebilanz. Um dieses Ziel
zu erreichen, müßten ganz neue Gesetze der Mechanik gefunden
werden. Handelt es sich doch in der gewöhnlichen Mechanik
stets um Vorgänge, bei denen Energie und Impuls im Prinzip
erhalten bleiben, hier dagegen um Übergänge, bei denen Energie
und Impuls in charakteristischer Weise abgeändert werden.
Um den Bohrschen Ansatz (II), dem wir uns natürlich
einstweilen anschließen müssen, verwenden zu können, müssen
wir die Energie der Keplenschen Bewegung durch die Flächen-
konstante p und die Exzentrizität e ausdrücken. Wir könnten
uns hierbei auf wohlbekannte Tatsachen der Mechanik stützen.
Zur Theorie der lialmerschen Serie.
438
Ich ziehe es aber vor, die Formeln kurz abzuleiten, teils wegen
anschließender Verallgemeinerungen, teils weil mir die folgende
Ableitung besonders einfach scheint.
Nimmt man die Kernladung gleich -f- e und die Kern-
raasse zunächst als co an und beschreibt die Beweguncr des
Elektrons m teils durch rechtwinklige Koordinaten x, y, teils
durch Polarkoordinaten r, q> mit dem Kern als Zentrum, so gilt
p ~
. d ■ d ■ .
dt ^ ~ 'P’ dt^^y~
Ersetzt man
(3)
y, durch q) j =
dt dcp
und führt man die Abkürzung o =
p d
mr^ dcp
1 . . .
ein, so wird
mx
pd (. da >
(r cos cp) = — p I o sm ^ -j- -yy cos cp
dcp
p d
(r sin 91) = — p
COS 9?
dcp
do .
dcp^^^^^
Statt (2) kann man also schreiben:
f (
mr'^ dp \
do \
sin «jy -j- cos 95 1
s cos w
mr‘
dp
cos 93,
p^ d (
da .
“o 7 ■ ö cos p — y- sin p
mr^ dp \ dp
p‘‘ . 1’ d^o . \ e‘
h
sin p I y— s 4- O = i sin 93.
m r“ \d 93^ /
Indem man den Faktor bzw. — ^ beiderseits hebt.
folgt aus beiden Gleichungen gemeinsam :
434
A. Sommerfeld
also durch Integration
(P o tu e®
d(p
p‘
m
o = - A cos cp B sin cp.
Nimmt man 9? = 0 zum Perihel, so wird
B = 0 wegen f ^ = 0 für w = 0
clq>
m e'
A = — i- £ wegen ,
•r 1
1 4- £ _ o(0)
£ o{jl)
1 T
1 —
Ap^
m e®
Ap^'
me*
Wir erhalten also die gewöhnliche Polargleichung
Ellipse in der Form
(5)
1 >.
O = - — g (1 -P £ cos <35).
r
Hieraus folgt wegen (3)
(6)
p dr
7)1 dp
p do e* .
— , = — £ sin 09.
7)1 dp p
rp = = o = — (1 -p £ cos 09).
))ir 771 p
Für die kinetische Energie erhält man nach (6);
All ^ ^
r = ^ (r* 4- r® = — — (c® sin* 99 4- (1 4- e cos 99)*)
4-£2
7)1 e*
7)1 fl
~ _p* V
4- « cos 99
)■
für die potentielle Energie nach (5);
e* 7)1 e'
V =
für die Gesamtenergie also
p^
(1 4- £ cosp),
7)1 e*
ir-= j+ ~ ^(1 — £*).
zp-
der
Zur Theorie der Balmerschen Serie.
435
Das Wesentliche an diesem Re.sultat ist die Art, wie die
Exzentrizität e in dasselbe einsreht. Dalj die Gesamtenersrie
(ebenso wie bei Bohr) mit negativem Zeichen erscheint, braucht
uns nicht zu überraschen. Ist sie doch nur bis auf eine will-
kürliche additive Konstante definiert. Z. B. würden wir nach
der Relativitätstheorie noch die weit überwiegende Massen-
energie mc* und llc^ des Elektrons und des Kernes hinzu-
zufügen haben, durch welche der Ausdruck für W sofort
positiv werden würde.
Tragen wir in (7) unsern Quantenansatz (1) ein und
schreiben wir zur Unterscheidung s„ statt e, so ergibt sich
W=W„ = —
2 71^ m c* 1
= — Nh
1
mit Benutzung des Bohrschen Wertes für die Rydbergsche
Konstante N. Dieser Ausdruck von W hängt in kontinuier-
licher Weise von der Exzentrizität e,, ab. Bilden wir in gleicher
Weise die Energie W,n für eine andere Bahn von der Exzen-
trizität E„, und dem Impulsmomente 27ip = mh, so folgt durch
den Quantenansatz (II) nicht die Balmersche Serie
mit scharfen, ganzzahlig durch ni und n definierten Linien,
sondern
also eine Folge von Schwingungszahlen, welche bei kontinuier-
lich veränderlichen Exzentrizitäten vollkommen unscharf wäre:
keine diskrete Serie, sondern ein verwaschenes Band.
Wollen wir also dem Elektron nicht überhaupt verbieten,
außer Kreisen auch Ellipsenbahnen zu beschreiben, so ergibt
sich unabweislich die Forderung, auch die Exzentrizitäten
quantenhaft zu arithmetisieren und au gewisse ganzzahlige
Werte zu binden.
■130
A. Sommerfeld
Pjs sei denn, daß wir den Quantenansatz (1) aufgeben und
uns dem Ansätze (la) anschließen. Da bei diesem -- —
Kl— e®
an die Stelle von p tritt, würde sich allerdings aus (7), un-
abhängig von f, ergeben:
iVA . . /I 1\
W„ = — - und r = ^ ).
Wie indessen am Ende des vorigen § erörtert wurde, müssen
wir diesen Notbehelf als zu künstlich abweisen.
^ 3. Quantenbedingung für die Exzentrizität.
Nachdem wir gesehen haben, daß die Exzentrizität der
Ellipsenbahnen nicht kontinuierlich veränderlich sein darf,
sondern auf ausgezeichnete diskrete Werte zu beschränken ist,
erhebt sich die Frage nach einer Quantenbedingung für die
Exzentrizität. Der einfachste Ansatz führt sogleich zu einem
überzeugenden Ergebnis.
Wir übertragen den Quantenansatz (I) wörtlich von der
azimutalen Koordinate <p auf die radiale Koordinate q — r.
Der zugehörige Impuls ist p, —
— =m r im Falle unendlicher
dr
Kernmasse. Wir betrachten unser Phasenintegral Spdq =
J p, dr erstreckt über einen vollen Umlauf und setzen dasselbe
nach (I) gleich einem ganzen Vielfachen n' von h; also
(9)
2
^ Pr dr = § mrdr = J mr
0
dr
dp
dp = n‘h.
In den nach r genommenen Integralen würde die Inte-
gration etwa von der Periheldistanz r = (1 — e) a bis zur
Apheldistanz r = (1 -f e) a und wieder zurück zur Perihel-
distanz zu erstrecken sein; indem wir auch hier p als formale
Integrationsvariable wählen, erzielen wir die einfacheren Inte-
grationsgrenzen 0 und 2 71 und eindeutige Abhängigkeit des
Integranden von der Integrationsvariabein.
Zur Theorie der Balmerschen Serie.
4:17
Zur geometrischen Veranschaulichung unseres Ansatzes (9)
betrachten wir in der Phasenebene q, p die Bilder eines
Systems von Bahnkurven, indem wir g = r und p = p,- als
rechtwinklige Koordinaten benützen. Die Ordinaten p der
aufeinanderfolgenden quantenhaft auszuzeichnenden Kurven des
Systems mögen wie in § 1 als , p^, . . . unterschieden
werden. Pq sei im Besonderen eine Kreisbahn, für welche also
r = 0, Pq — ^ ist, so daß wk in § 1 festgesetzt wurde
^p^dq = 0
wird. Unser Bahnsystem sei etwa durch konstante Werte der
Flächenkonstante p (für die wir aber hier der Deutlichkeit
wegen f schreiben wollen) bei wachsenden Werten der Exzen-
trizität £ definiert. Die Bildkurven dieses Bahnsystems sind
Fig. 2
sämtlich geschlossene Kurven, jede folgende schließt die vor-
hergehende ein. Als Gleichung des Systems ergibt sich nach
(5) und (6) durch Elimination von q>
also eine Gleichung vierter Ordnun
und q mit den Konstanten f und
g zwischen den Variabein p
m e‘'
und dem Parameter £.
Der Flächenring zwischen zwei aufeinander folgenden Kurven
der Reihe Pn P2> • • • > unsere Quantenbedingung (9)
aus der Gesamtschar herausgehoben werden, ist konstant gleich h.
488
A. Sommerfeld
Übrigens sind die Einzelheiten der Figur und der Kurvenform
für unsere Zwecke belanglos und hier nur der größeren An-
schaulichkeit wegen wiedergegeben.
Wir haben nunmehr das Phasenintegral in Gl. (9) durch
die Exzentrizität e auszudrücken, wobei wir uns auf die frü-
heren Formeln für die Ellipsenbewegung zu stützen haben.
Zunächst ist nach der Ellipsengleichung (5)
dr \ do p^E sin9^
dqj dq: me^ ( 1 -)- e cos 9:^)^ '
andererseits nach (6)
me^E .
vir = sin €p.
P
daher nach (9)
J (1 -h £ cos 9?)^
u
Das Integral läßt sich durch partielle Integration um-
formen und auf ein bekanntes Integral reduzieren. Man hat
nämlich :
2 .-T 2 -T 2 .-T
g r swi^cpdqj r cosqdq C/ 1
J (1 -|- £ cos 99)“* J 1 -|- £ cos 9? J \1 -1- £ cos q
0 0 0
Nun ist aber bekanntlich (am bequemsten durch Integration
in der komplexen Ebene der Variabein e'f zu verifizieren):
2.-T
1 r dq 1
2 jT J 1 f cos q — ^2
0
Man findet also
(10)
PE
g , sirrqdq
/
(1 -p £ 00899)^
= 2 71 p
V\
— 1
Zur Theorie der Balmerschen Serie.
439
Setzen wir dies nach (9) gleich n‘ h und zugleich nach
Früherem 2np = nh, so ergibt sich als unsere neue Quanten-
bedingung
(11)
V\
1 =
»r
{n -|- n'y
Die gewünschte quantenmähige Heraushebung ausgezeich-
neter diskreter Werte der Exzentrizität ist damit gefunden.
Nunmehr tragen wir diesen Wert in den Energieausdruck (7)
ein, zugleich mit 27ip = nh, und erhalten
(III)
ir = —
2 71^ m e*
1
(n -h n‘y
Nh
{n -f- n'y '
Dies Resultat ist im höchsten Grade überraschend und von
schlagender Bestimmtheit. Nicht nur sind die weiterhin zu-
lässigen Energiewerte ganzzahlig diskret geworden, sondern es
hat sich der frühere Nenner gerade herausgehoben, derart,
daß das Resultat nur noch von n n' abhängt. Die Energie
ist also eindeutig bestimmt durch die Summe der Wirkungs-
quanten, die wir auf die azimutale und die radiale Koordinate
beliebig verteilen können. Es scheint mir ausgeschlossen, daß
ein so präzises und folgenreiches Ergebnis einem algebraischen
Zufall zuzuschreiben sein könnte; ich sehe darin vielmehr eine
überzeugende Rechtfertigung für die Ausdehnung des Quanten-
ansatzes auf die radiale Koordinate resp. für die gesonderte
Anwendung dieses Ansatzes auf die beiden Freiheitsgrade
unseres Problems.
Aus dem Energieausdruck (III) ergibt sich nun sofort die
Balmersche Serie, wenn wir neben der Bahn mit den Quanten-
zahlen n, n‘ (Endbahn des Elektrons) eine zweite mit den
Quantenzahlen m, m‘ (Anfangsbahn des Elektrons) betrachten.
Nach dem Quantengesetz (II) erhält man nämlich
(IV)
v = N
1
1
(n n'y {m -f- >«')'
d. h. die Balmersche Serie in neuem Lichte, abhängig von
vier ganzen Zahlen, die sich aber beim Wasserstoff sozusagen
440
A. Sommerfeld
zufällig auf zwei ganze Zahlen reduzieren. Durch Zulassung
unserer quantenhaft ausgezeichneten Ellipsenbahnen hat die
Serie nichts an Linienzahl gewonnen und nichts an Schärfe
verloren. Statt des verwaschenen Bandes, von dem wir früher
sprachen, haben wir wieder die diskreten Balmerlinien, aber
in aufserordentlich vervielfachter Mannigfaltigkeit ihrer Er-
zeugungsmöglichkeiten.
§ 4. Ergänzung betreffend die Mitbewegung des Kernes.
Der in (III) benutzte Wert für die Rjdbergsche Kon-
stante N ist bekanntlich nur insoweit richtig, als wir die Elek-
tronenmasse gegen die Masse des Kernes vernachlässigen können.
Bei Berücksichtigung der Endlichkeit der Kernmasse tritt an
Stelle von m die unten zu definierende, aus Elektronenmasse
und Kernmasse resultierende Masse ju. Wir benutzen diese
inzwischen experimentell gesicherte Tatsache, um unseren
Quantenansatz (I) teils zu prüfen, teils zu erweitern.
Zu dem Ende setzen wir zunächst die Formeln für die
Bewegung von Elektron und Kern um ihren gemeinsamen
Schwerpunkt her. Sind X Y It<P bzw. xy r (p rechtwinklige
und Polarkoordinaten für Kein und Elektron mit dem Schwer-
punkt als Anfangspunkt, so hat man zunächst als Flächensatz:
(12) p = m r^ <p -p 31 0.
Bezeichnet man den jeweiligen Abstand von Kern und
Elektron mit q a = Ti ' r
und beachtet, dafi nach dem Schwerpunktsatz ist
(13) 3IR = mr, 0 = q)
so ergibt sich
(13 a) R =
m
31 4- m
31
31 -P 7)1
Q, also p =
mit der Abküi'zung ,u für die , resultierende Masse“
(14)
7)1 31 1 1 , 1
m -p AT’ p 771 ‘ 31'
Zur Theorie der Balmerschen Serie.
441
Die Bewegungsgleichungen lauten :
(15)
dt
dt
X =
X =
1 e‘
M Q
1
m o
cos 4>,
2 COS 9?,
d
1
e* . ^
r= —
, sin 0
dt
Q
d
1
.
dt
y = —
m
o2 sin*?’-
Bildet man die Differenz der untereinander stehenden Glei-
chungen und schreibt rj für x — X, y — Y, so erhält man,
wie bekannt, die Gl. (2) mit i i] /n g statt x y m r. Es folgt
also bei gleicher Rechnung wie oben die Bahngleichung (5)
und bei entsprechend zu ergänzender Definition von T die
Energiegleichung (7) in Abhängigkeit von der Exzentrizität e
der Relativbewegung, mit dem einzigen Unterschied, dafi überall,
insbesondere in dem Werte von N, [x an die Stelle von m tritt.
Es fragt sich nun, wie in diesem Falle — bei Vorhanden-
sein zweier azimutaler Koordinaten 93, und zweier radialer
Koordinaten r, R — der Quantenansatz zu erweitern ist. Die
Erweiterung muh so vorgenommen werden, daß schließlich wie-
der der Energieausdruck (III) und die Balmersche Formel (IV)
zum Vorschein kommt, mit dem einzigen Unterschiede, daß in
dem Wert der Rydbergschen Konstanten y. an Stelle von m
tritt. Wir behaupten, daß diesem Gesichtspunkt der folgende
Quantenansatz entspricht, der auch an sich der einfachste und
nächstliegende ist:
p^dcp-\-S =
\ ^Pr dr ^ RgdR^ n'h,
daß sich also die Phasenintegrale für das Elektron und den
Kern additiv verhalten.
Die Bedeutung der hier eingeführten Bezeichnungen p, P
ist ersichtlich die folgende;
dT dT
X>tp = . —nir^p, Pr= . =nir,
d(p dr
= MR^ <f>, Pu = ^ R.
dR
Sitzungsb. d. math.-pbys. Kl. Jahrg. 1915.
29
442
A. Sommerfeld
Nach Gl. (12) ist aber = p = konstant, nach
Gl. (13) überdies = dp. Daraufhin wird die erste Zeile
von (16) identisch mit 2jip = nh oder mit Rücksicht auf (13 a)
fXQ^p = nh.
(17)
Andererseits formen wir die zweite Zeile von (16) durch
die Schwerpunktsbeziehungen (13 a) um. Wir erhalten
S Pr dr ^ PjidR = ju- ^ gdg = n'h.
Diese Gleichung entspricht genau dem Ansatz (9) des
vorigen Paragraphen mit dem einzigen Unterschiede, daß p
und Q an die Stelle von ni und r getreten sind. In dem-
selben Sinne entspricht Gl. (17) der Quantenbedingung für die
frühere einzige azimutale Koordinate p. Die weitere Ausrech-
nung läuft daher genau so wie im vorigen Paragraphen, wo-
bei man die Ellipsengleichung für die Relativbewegung g zu
Grunde zu legen hat. Das Resultat wird durch Gl. (11) für
die Exzentrizität und, wie verlangt, durch die Gl. (III) und
(IV) für die Energie und die Serienformel dargestellt, bei
abgeändertem N.
Der Ansatz (16) läßt sich auch von folgendem Stand-
punkte aus begründen. Man wähle von den beiden Koordi-
naten r, R die eine, z. B. r, aus als diejenige, durch die wir
die Dynamik unseres Systems beschreiben wollen. Dann hat
man die andere durch die Schwerpunktsgleichung mr = MR
auf jene zurückzuführen, insbesondere in dem Ausdruck der
lebendigen Kraft
-f -k R^
Zur Theorie der Balmerschen Serie.
443
Zu der einmal bevorzugten Koordinate r gehört als Impuls-
koordinate des Systems, unter T den soeben umgeformten Aus-
druck verstanden :
Als Phasenintegral des Systems haben wir jetzt
sprechen :
r = m
anzu-
Daß dieses Integral mit (18) identisch ist, folgt aus der
Beziehung (13 a)
_ M
~ 31^ m
der zufolge wir erhalten
J7>, dr = SQdQ = ^ihdQ.
Die entsprechende Rechnung unter Bevorzugung von R
als radialer Systemkoordinate liefert
^ f + t)
^ PRdR = gdg.
Derselbe Standpunkt (Elimination einer der beiden Koor-
dinaten, Bevorzugung der anderen) läßt sich auch bei den
azimutalen Koordinaten einnehmen und führt hier entsprechend
auf Gl. (17). Unsere Quantenansätze in den Gleichungen (16)
erscheinen also auch von diesem Standpunkte aus als naturgemäß.
Schließlich kommen wir nochmals auf den Ausweg zu-
rück, durch den abgeänderten Quantenansatz (1 a) die Schwierig-
keit der kontinuierlichen Abhängigkeit der Energie von der
Exzentrizität zu beseitigen. Wenn dieser Ausweg schon bei
alleiniger Betrachtung des Elektrons reichlich künstlich er-
schien, so wird er mit Rücksicht auf die Mitbewegung des
Kernes noch schwerer gangbar. Im Anschluß an Gl. (la)
29*
444
A. Sommerfeld
müßte man nämlich jetzt, um den Energieausdruck zu arith-
metisieren, ^ ,
— 7= = 2,jiua^co = nli
V 1—8^
setzen, also eine in ziemlich künstlicher Weise aus der mittleren
Umlaufsgeschwindigkeit w, der größten Entfernung a von Kern
und Elektron und der mittleren Masse /x zusammengesetzte
Größe der Quantenbedingung unterwerfen. Man könnte fragen,
warum wird nicht statt der jrrößten eine mittlere Entfernung
zu Grunde gelegt, warum wird gerade das dynamisch definierte
Massenmittel fi benutzt?
Noch größere Schwierigkeiten entstehen dem Quanten-
ansatz (la), wenn man die Veränderlichkeit der Masse nach
der Relativitätstheorie in Betracht zieht. Während es sich
im vorigen Falle nur um das Mittel /t zwischen den konstanten
Massen von Kern und Elektron handelte, müßte man hier bei
entsprechender Übertragung des Ansatzes (1 a) mit einem kom-
plizierten Zeitmittel der Massen oder mit den betreffenden
Ruhmassen rechnen, mit denen das Problem eigentlich nichts
zu tun hat. Dagegen handelt es sich bei unserem Ansatz
stets um die auch in der Relativitätstheorie eindeutig und
naturgemäß definierte Impulskonstante. Ich möchte indessen
an dieser Stelle nicht näher hierauf eingehen, da ich auf die
bedeutsame Rolle, welche der Relativität bei der weiteren Aus-
gestaltung unserer Theorie und bei ihrer experimentellen Sicher-
stellung zukommt, ohnehin in einer anschließenden Arbeit zu-
rückzukommen haben werde.
§ 5. Die zu einer Balmer-Linie gehörenden Ellipsenbahnen.
Wir wünschen uns ein Bild zu machen von Anzahl und
Gestalt derjenigen Bahnen, welche zu demselben Werte der
Energie TU Anlaß geben. Es sind dies nach (III) alle die-
jenigen Ellipsen, für welche n -j- n' denselben Wert hat, z. B.
den Wert n j- n' = 2 wie in dem ersten Terme der sicht-
baren Balmer-Serie oder den Wert m -f- m' = 3, 4, 5, . . . wie
in dem zweiten Term.
Zur Theorie der Balmerschen Serie.
445
Nach (1) und (11) ist
M 2
(19) 27ip = nh, 1 — =
(n -(- n y
Aus der Ellipsengleichung (5) folgt für das Perihel
(99 = 0; r = a (1 — e)) oder das Aphel (cp — n, r = a {1 + e)):
«if’d +,). also a= -P’,
a (1 + e) ^ ’ me^ \ — e®
Andrerseits ist nach Definition der Exzentrizität
o2 1
(20 a)
(20 b)
h = aVl~£^ =
jy
me^ Yl £2 ■
Setzen wir die Werte von p und 1 — aus (19) in (20 a, b)
ein, so folgt:
(21)
a =
4 7r*me^
(n + n'y, h =
4:n^me^
n(n n').
Für die Diskussion kommt namentlich in Betracht, daß
die ganzen Zahlen n und n' notwendig positiv sind, wie in § 1
allgemein gezeigt wurde. Wir erhärten diese ebenso einfache
wie folgenreiche Tatsache in unserem Falle folgendermaßen:
Unter Absehung von der Bewegung des Kernes wird für unsere
(orthogonalen) Polarkoordinaten r, cp:
Pr = mr, pcp = m cp
^ Pfdr = j mr^ dt, ^p,pd<p = ^ mr^ dt.
Beide Phasenintegrale sind so sicher positiv, als der Fort-
schritt der Zeit positiv ist, da stets dr und dcp wachsend im
Sinne des Ablaufs der Bewegung gezählt wurden. Ebenso bei
beweglichem Kern, wo sich n und n' nach (16) je aus zwei
positiven Summanden zusammensetzen. Also haben wir stets
eine positive Zahl von Quanten n und n‘. Bezüglich der Zu-
lässigkeit des Wertes Null ist folgendes zu bemerken. n‘ = 0
bedeutet nach (19) e = 0, also die Kreisbahn, die wir jedenfalls
als möglich erklären werden, n — 0 aber bedeutet p — 0, also
Ausartung der Ellipsen fläche in eine doppelt zählende Gerade.
446
A. iSuiiuiierfeld
Das Elektron würde hierbei dem Kern unendlich nahe kommen
und von ihm vermutlich abprallen (vgl. Rutherfords Versuche
über die Ablenkung der a-Strahlen). Außerdem müßte die
Geschwindigkeit in dieser Bahn mit der Annäherung an den
Kern unendlich werden, so daß die bisherigen Rechnungen
ungültig werden würden und relativistisch zu modifizieren
wären. Jedenfalls werden wir die Bahn mit n' = 0 als höchst
problematisch ansehen und dm folgenden nicht mitzählen; in
den Figuren ist sie punktiert eingetragen.
Zu den Gl. (21) ist zu bemerken, daß a bei gegebenem
w + w' fest, h veränderlich ist. Wie es sein muß, gilt nach
(19) und (21) stets 0<f<l, h<ia.
n *n'=2 m*m'-3 m*m=^
Fig. 3 Fig. 4 Fig. 5
Wir zählen jetzt die bei den Balmer-Linien maßgebenden
Fälle auf:
n n‘ = 2, zwei Möglichkeiten.
n‘ = 0,
w = 2,
£ = 0,
h = a
n' ~ 1,
w = 1,
. =
2 '
2
(w‘ = 2,
n ~ 0,
£ = 0,
6 = 0, problematisch ;
der entsprechende Fall wird im folgenden fortgelassen).
m -j- m' = 3, drei Möglichkeiten.
m' — 0,
m = 3,
£ == 0,
6 =
a
m‘ = 1,
m = 2,
£ = 1^5
3 ’
h =
9
m' = 2,
m= 1 ,
£ =
3 ’
6 =
1
3"
Zur Theorie der Balmersehen Serie.
447
m -|- m'
= 4, vier Möglic
hkeiten.
/»' = 0,
m = 4, e = 0,
b = a
m‘ = 1,
o
m = 3, £ =
b = — a
4
m‘ = 2,
o ^12
4
2
- ^ = 4 «
m' = 3,
, Kl 5
/« = 1, E =
4
, 1
- * = 4 «
usf. Soll Ha erzeugt werden, so kommen dafür als End-
bahnen die zwei in Fig. 3 {n-\-n' = 2) verzeichneten, als
Anfangsbahnen die drei Bahnen in Fig. 4 (m + Wi' = 3) in
Betracht; im ganzen gibt es hiernach
2-3 = 6
Erzeugungsarten für Ha- Ebenso für Hß (Übergang aus einer
der vier Bahnen von Fig. 5 (m -|- m‘ = 4) in eine der zwei
Bahnen von Fig. 3)
2-4 = 8
Erzeugungsarten, allgemein mit n -\- n‘ = N, m m' — M
die Anzahl
(22) N-3I.
Man kann aber im Zweifel sein, ob jeder dieser Über-
gänge möglich ist, ob nämlich nicht vielleicht nur solche
Übergänge zuzulassen seien, die mit Quantenverlust verbunden
sind. Bei Betrachtung der Energie und der Energiequanten
im Sinne des Ansatzes II von Bohr ist es uns geläufig zu sagen :
die Energie ist eine positive Größe; bei Prozessen, die von selbst
vor sich gehen, kann sie nur abnehmen; aus IF„, — Tr„ > 0
folgt dann:
m m' > n n‘ .
Gegenwärtig handelt es sich zwar nicht um Energiequanten,
sondern um Wirkungsquanten; hier nun scheint es, daß Impulse
oder Impulsmomente ebensogut positives wie negatives Vor-
zeichen haben und ebensogut zu- wie abnehmen können.
448
A. Souamerfeld
Nachdem wir aber festgestellt haben, daß in unserem Ausdruck
für das Phasenintegral die fragliche Impulskoordinate durch
Multiplikation mit dem dq der Lagenkoordinate zu einer wesent-
lich positiven Größe verbunden ist, liegt die Annahme nahe,
daß eine Veränderung dieser Größe bei freiwilligen Übergängen
ebenso einseitig stattfände, wie die der Energie, nämlich im
abnehmenden Sinne. Dann würden nur solche Übergänge
zwischen den vorgenannten Bahnkurven möglich sein, bei welchen
keine der beiden Quantenzahlen abnimmt, bei denen also
w > w, m' > n' .
Eine Entscheidung über diese und ähnliche Fragen darf
man (vgl. den nächsten §) von dem Stark-EflFekt erw'arten.
Unter vorläufiger Annahme dieser Ansicht würden z. B.
bei Ha von den 6 vorher aufgezählten Übergängen nur die
folgenden 4 wirklich sein;
ni = 3, m‘ — 0 — >■ n — 2, n' = 0
m = 2, m' = 1 w = 1 , n' = \
m = 1 , m' = 2
Ebenso würden bei den anderen Balmer-Linien Hß^ H.,...
je zwei Übergänge in Fortfall kommen. Die Anzahl der
Erzeugungsarten würde allgemein betragen bei n n' = N,
m -p m' — 31"^ N
(22 a) —
z. B. bei der von Ritz und Paschen entdeckten ultraroten
Kombinationslinie des Wasserstoffe N — d, 31 = i
3-2 = 6.
In jedem Falle erscheint eine Wasserstoff linie in unserer
Auffassung als eine ziemlich komplizierte Überlagerung ver-
schiedener diskreter Vorgänge.
Zur Theorie der Bahuerscheii Serie.
-14!J
6. Allgemeine Folgerungen betreffend den Stark-EfFekt bei Wasser-
stoff und die verschiedenen Serientypen bei anderen Elementen.
Die elementare Lorentzsche Theorie des Zeeman-EtFektes
beruht darauf, daß in jeder Spektrallinie drei unter sich gleiche
Hauptschwingungen eines quasielastisch-isotrop schwingenden
Elektrons Übereinanderfallen. Das Magnetfeld erzeugt keine
neuen Schwingungsmöglichkeiten, sondern legt nur die vor-
handenen auseinander. Die ursprünglich zusammenfallenden
Frequenzen erscheinen dahei als ein labileres, durch äußere
Einwirkung leichter zu beeinflussendes Gebilde wie die ursprüng-
lich verschiedenen Frequenzen eines anisotrop schwingenden
Elektrons, bei dem der Zeeman-Efifekt nur von der zweiten
Ordnung sein würde.
Diese Anschauung überträgt sich unmittelbar auf den
Stark-EfFekt bei der Balmer-.Serie. Nach unserer Auffassung
fallen in jeder Balmer-Linie eine ganze Reihe von Frequenzen
verschiedenen Ursprunges zusammen. Das elektrische Feld
wird die verschiedenen Ellipsenbahnen in verschiedener Weise
beeinflussen und daher die ursprünglich zusammenfallenden
Frequenzen auseinanderlegen. Die Beeinflussung wird beim
WasserstoflF stärker sein, als bei anderen Elementen, wo (vgl.
unten) ein derartiges Zusammenfallen nicht zu erwarten ist.
Für diese Auffassung des Stark-EfFektes spricht die große
und mit der Nummer der Balmer-Linie steigende Komponenten-
zahl, die Stark bei seiner Feinzerlegung beobachtet. Eine von
Lo Surdo aufgestellte Regel, wonach diese Zahl jener Nummer
selbst gleich sein sollte, ist damit widerlegt. Wir stellen hier
die Zahlen zusammen, die Stark für die p- und s-Komponenten
findet, mit denen, die sich aus unserer Abzählung in Gl. (22)
und (22a) ergeben. Dabei zähle ich von den Starkschen Linien
nur diejenigen, die nach der einen Seite verschoben sind und
rechne die unverschobene Linie mit. Diese Anzahlen sind
1) Göttinger Nachrichten 1914.
450
A. Sommerfeld
p-Komp.
s-Kotnp.
Gl. (22 a)
Gl. (22)
H,,
3
2
4
6
tlß
6 bis 7
6 bis 7
6
8
Hy
7
7
8
10
Hs
7 bis 8
7 bis 8
10
12
Einige Linien sind
von Stark als
zweifelhaft bezeichnet,
auch wird von der Möglichkeit gesprochen, daß noch weitere
lichtschwache Komponenten gefunden werden könnten. Ein
allgemeiner Parallelismus zwischen der beobachteten und der
von uns berechneten Linienzahl ist nicht zu leugnen, zumal
wenn wir den im vorigen Paragraphen aus allgemeinen Gesichts-
punkten bevorzugten Standpunkt der Gl. (22a) einnehmen.
Es sind schon verschiedene Erklärungen für den Stark-
Efifekt vorgeschlagen. Insbesondere stellt eine Formel von
Bohr^) die Verschiebung der stärksten p-Komponente sehr gut
dar. Aber gerade in Betreff der Linienzahl versagen alle diese
Erklärungen bisher vollständig. Sie lassen eigentlich immer
nur zwei ^-Komponenten vorhersehen. Bezüglich der Ver-
wendung unserer Abzählung sind wir geneigt, dieselbe sowohl
für die p- wie für die s-Komponenten in Anspruch zu nehmen.
Eine Unsicherheit liegt hier darin, daß der Energieansatz (II)
überhaupt keinen direkten Schluß auf die Polarisationen zu-
läßt. Man muß sich also damit begnügen, Bahnen, deren
Ebenen dem elektrischen Felde parallel sind, mit den ^-Kompo-
nenten, Bahnen, die dazu senkrecht stehen, mit den s-Komponenten
in Zusammenhang zu bringen, wobei noch die weitere Schwierig-
keit auftritt. daß die durch das Feld deformierten Bahnen strenge
genommen nicht mehr eben sind. Für unsere feldlosen Bahnen
sind natürlich alle Ebenen gleichberechtigt; unter dem Einfluß
des Feldes aber können die parallelen und senkrechten Ebenen
bevorzugt werden. Während die Gestalt der ursprünglichen
Ellipsenbahnen durch das Feld deformiert wird, wird ihre
Anzahl im allgemeinen erhalten bleiben. Hierauf gründet sich
unsere Vermutung, daß die Anzahl der p- und s-Komponenten
') Phil. Mag., September 1915, pag. 404.
Zur Theorie der üalmerschen 8erie.
451
gleich und gleich der Anzahl unserer ursprünglichen Ellipsen-
bahnen sein dürfte. Die genauere theoretische Deutung und
die Gröhenbestiramung der Verschiebung für die einzelnen
Komponenten scheiterte bisher an der in der Einleitung betonten
Schwierigkeit, den Quantenansatz auf nicht-periodische Bahnen
auszudehnen. Die Berechnung der durch das elektrische Feld
deformierten Bahnen führt auf elliptische Integrale und läßt
sich übersichtlich durchführen ; aber eine naturgemäße quanten-
hafte Heraushebung eines Systems ausgezeichneter Bahnen aus
der Schar der mechanisch möglichen ist mir bisher nicht
gelungen.
In der Einleitung wui-de bereits darauf hingewiesen, daß
unsere Auffassung von der Sonderstellung des Wasserstofi-
spektrums Rechenschaft gibt davon, daß es (vom Viellinien-
spektrum abgesehen) nur ein Wasserstotfspektrum gibt gegen-
über den Haupt- und Nebenserien und den verschiedenen
Serientypen der anderen Elemente. Das Balmersche Spektrum,
im allgemeinsten Sinne einschließlich aller Kombinationsspektren
genommen, haben w’ir nach unserer Auffassung so zu schreiben:
(w -f- ny
1
(w -j- m‘
Es ist klar, daß unsere Auffassung auch auf andere Elemente
auszudehnen ist, d. h. man wird auch die in den Atomfeldern
der anderen Elemente möglichen Bahnen nach dem Phasen-
integral für die Umlaufs- und die Radialbewegung zu beurteilen
und quantenhaft ausgezeichnete Bahnen hervorzuheben haben,
deren Folge nach zwei ganzzahligen Quantenparametern n und «'
fortschreiten wird. Wie schon Bohr betont, tritt bei all-
gemeineren Atomfeldern an die Stelle des Coulombschen
Potentials — eine allgemeine Kugelfunktion und an die Stelle
von ^ dementsprechend eine allgemeinere Funktion cp (w). Von
unserem Standpunkt müssen wir hinzufügen, daß an die Stelle
'^on ; — — eine von der Atomkonstitution abhängige Funktion
\n -f n y
452
A. Sommerfeld
zweier ganzer Zahlen 93 (n, n‘) treten wird, da die Verbindung
n -j- n‘ eine Besonderheit des Keplerschen Bahusystems ist.
Nur für große Werte von n (große Entfernungen vom Atom)
wird sich das Bahnsystem Keplersch und die Serie wasserstoff-
ähnlich verhalten; hier wird also 93 (w, n') mehr und mehr
übergehen in (n -j- Die allgemeine Form des Serien-
gesetzes wird daher lauten:
(23) ^=qr, (n, n‘) — 93 (w, m‘) = {n) — (m).
Indem man dem Parameter n' resp. m' verschiedene Werte
gibt, erhält man verschiedene Arten der funktionellen Ab-
hängigkeit f und verschiedene Serien. Man kann z. B. schematisch
die Existenz und die gegenseitigen Beziehungen von Haupt-
und Nebenserien darstellen, indem man drei besondere Werte
für n‘ resp. m‘ benutzt und im Anschluß an die gewohnten
Bezeichnungen für die Hauptserie (/?), die I. Nebenserie (d) und
II. Nebenserie (s) die zugehörigen Funktionen f„' resp. fm' be-
zeichnet mit fp, fd, fs-
Wählt man überdies die ganze Zahl n in solcher Weise,
Avie es durch die Erfahrungen im sichtbaren Gebiete gegeben
ist, so erhält man das folgende wohlbekannte Schema der
Serienzuordnung
H. S. . . . ^ = fs{n) — fp{m), w = 1, w = 2, 3, 4, . . . ■
I. N. S. . . . ^ — fp (n) — /■rf(m), n = 2, m = 3, 4, 5, . . .
II. N. S. ... = /p (w) — fs (^>0i n = 2, m = 2, 3, 4, . . .
Indem wir die Analogie mit den Keplerschen Bahnen des
Wasserstoffs durchführen, w^erden wir vermuten, daß die Zahlen
m oder n mittels des azimutalen Phasenintegrals die Größe der
betreffenden Bahnen, die Zahlen mj,, mii, nig oder np, n'd, Ws mittels
des radialen Phasenintegrals allgemein gesprochen die Ab-
flachung der betreffenden Bahnen bestimmen. So Avie beim
Wasserstoff alle Bahnen mit gleichem w' Ellipsen von der
Zur Theorie der Balmersehen Serie.
453
gleichen Exzentrizität waren, wird man allen Bahnen des Serien-
terras oder /’s, fa Gleichheit eines gewissen gestaltlichen Merk-
mals zuschreiben, welches von Element zu Element je nach der
Beschaffenheit des Atomfeldes wechseln wird. Es hat keinen
Wert, diese allgemeinen Vermutungen weiter auszuspinnen.
Zu ihrer Prüfung im einzelnen ist reichliches spektroskopisches
Material vorhanden. Ich möchte hier nur bemerken, dah auch
Herr Bohr in seiner letzten Arbeit (Phil. Mag., September
1915, § 3) zu der Anschauung gelangt, daß bei Atomen mit
mehr als einem Elektron die verschiedenen Serien verschiedenen
Formen der Bahnen entsprechen müssen. In unserer Dar-
stellung ist diese Vorstellung durch das Beispiel des Wasser-
stoffs präzisiert.
Gegenüber dem Wasserstoff können die anderen Elemente
noch eine weitere Komplikation aufweisen. Beim Wasserstoff
sind die Bahnen nach der Natur des Keplerschen Problems
notwendig eben. Es genügen daher zwei Koordinaten r und 9?
zu ihrer Beschreibung. Bei anderen Elementen von geringerer
Symmetrie des Atomfeldes wird dies nicht mehr der Fall sein.
Hier wird als dritte Koordinate s erforderlich. Wir müssen
daher auch ein Phasenintegral für die .e'-Koordinate ins Auge
fassen. Zu den Quantenzahlen n, n‘ tritt dann eine dritte ganze
Zahl n“ . Die allgemeine Form des Seriengesetzes geht dann
über (vgl. (23)) in
V
(23 a) ~ 93 («, n\ n“) — cp (m, m‘, m“) = - {n) (m).
Die Mannigfaltigkeit der Serienmöglichkeiten wächst da-
durch natürlich stark an. Es ist durchaus möglich, daß man
schon bei der Deutung der Haupt- und Nebenserien in den
Raum gehen muß, daß also z. B. p in fp(ni) als Funktion zweier
ganzzahliger Parameter «P, m“ aufzufassen ist. Überhaupt wird
sich die Beschränkung auf die Ebene, im Bau der Atome
und in der Gestalt der Elektronenbahnen, die bisher vom Was.ser-
stoff aus ohne weiteres auf andere Elemente ausgedehnt wurde,
auf die Dauer nicht halten lassen.
454
A. Sommerfeld
7. Über die Unabhängigkeit des Quantenansatzes von der Wahl
der Koordinaten. Beziehungen zur allgemeinen Mechanik.
Wir beginnen mit einem allgemeinen Zusammenhang
zwischen der mittleren kinetischen Energie und unseren Phasen-
integralen. Nach einer bekannten Formel aus der Mechanik
beliebiger Systeme ist
T =
also bei Integration nach der Zeit
('24) 2 ^ Tdt = '^ ^ pdq.
Rechts steht die Summe unserer Phasenintegrale, genom-
men über alle Koordinaten des Systems; um sie bilden zu
können, müssen wir ein bestimmtes Stück der Bahnkurve oder
eine bestimmte Länge der Zeit ohne Willkür abgrenzen können.
Dies ist möglich bei periodischen oder quasiperiodischen Bahnen
(vgl. § 1). Sei T die Periode und T die mittlere kinetische
Energie während dieser Periode
f= J J Tdt,
so ergibt sich mit unserem Quantenansatz (1) allgemein
(25) 2 f T = (« + «' 4- • • •) h.
Hiernach hat zunächst die Quantensumme ?? -f »' + • • •
eine invariante, vom Koordinatensystem unabhängige, durch
die wirkliche Bewegung bestimmte Bedeutung. Es fragt sich,
ob auch die Aufteilung der Summe nach den einzelnen Ko-
ordinaten berechtigt ist. Im Falle der Keplerschen Bewegung
ist diese Frage zu bejahen. Hier sind (p und 2 zyklische
Koordinaten und als solche dynamisch ausgezeichnet. (Zyklisch
heilst eine Koordinate, wenn sie weder in dem Ausdruck der
kinetischen noch der potentiellen Energie explicite vorkommt,
wenn also die kinetische Energie nur von dem zeitlichen Dif-
ferentialquotienten der Kooi'dinate abhängt.) Daraus, dah z. B.
Zur Theorie der Balmerschen Serie.
455
die Koordinate cp eine wirkliche mechanische Bedeutung hat,
folgt, daß eine solche auch ihrem Phasenintegral zukommt.
Letzteres war 2, Tip, also in der Tat invariant. Dasselbe gilt
von der ^^-Koordinate, wo wegen der Ebenheit der Kepler-
Bahnen das Phasenintegral Null wird. Hiernach und nach
dem Satze (25) folgt dann für die übrig bleibende Koordinate r,
daß auch ihr Phasenintegral eine von der besonderen Wahl
der r-Koordinate unabhängige Bedeutung hat.
Wir bestätigen dies durch direkte Ausrechnung des Phasen-
integrals. Sei
des Elektrons
s ein von r verschiedenes Maß für
vom Kern
so wird
s = f{r),
und
also
dT ^ dT .
clr = ^ ds.
dr ds
Mithin folgt
S Prdr ^ dr = ds = S p,ds,
wie behauptet.
Eine allgemeine Regel für die AusAvahl der Koordinaten
bei beliebigem Atomfeld wüßte ich nicht anzugeben. Daß die
Koordinatenwahl nicht gleichgültig ist, zeigt sich bei der Kepler-
bewegung unter Benutzung rechtwinkliger Koordinaten z y.
Diese sind nicht cyklisch, weil die potentielle Energie {pc^
von ihnen abhängt (in Hinsicht auf die kinetische Energie sind
auch sie cyklisch). Hier wäre die Forderung
^ Pxdx = ^ mxdz = ^ mx^ dt — h
S Pydy =S'^iydy =^my^dt = n^h
456
A. Sommerfeld
verschieden von unserer früheren Forderung
^ p,pd(p = nh, ^ Pr dr =■ n' h
und sinnlos, weil von der besonderen Lage des Koordinaten-
systems der X y abhängig.
Wir wollen schließlich die allgemeine Gleichung (25) mit
anderen Formulierungen der Quantentheorie vergleichen. Zu-
nächst mit derjenigen der Planckschen Energieelemente.
Es sei die mittlere kinetische und potentielle Energie ein-
ander gleich. Die Gesamtenergie heiße wieder IF; .sie ist kon-
stant. In diesem Falle gilt
T = F, 2 T = TF, TFr = (n ) A ;
mit 1' = ^ wird also TF = Vielfachem von h v.
T
Dies ist Plancks Hypothese der Energieelemente, welche
sich also aus unserer Gl. (25) immer ergibt, wenn T =V ist.
Es handle sich sodann um einen Massenpunkt, der sich
unter dem Einfluß einer beliebigen Zentralkraft 5 bewegt.
Der vorige Fall ergibt sich im Besonderen, wenn die ZenHal-
kraft direkt proportional der ersten Potenz der Entfernung ist
3 = (5:^, 5.V» Bs) = ^v. r = X, y, X
unter K den Proportionalitätsfaktor verstanden. Jetzt sei die
Kraft allgemeiner von der Potenz
^ = Kx'<-'v.
Die potentielle Energie ist dann
n K
Die mittlere kinetische Energie berechnet sich durch Virial-
bildung
0
Zur Theorie der Balinerschen Serie.
457
Das Glied ohne Integralzeichen möge verschwinden, was
z. B. bei einer periodischen oder cpasiperiodischen Bahn der
Fall ist; in dem hinzutretenden zweiten Glied setzen wir die
Bewegungsgleichungen ein. Dann ergibt sich
r r
T = — j r''~' (x^ y- d t = — ^ J + ^ dt.
0 ü
Hier erweist sich die rechte Seite bis auf den Faktor
j; -)- 1
^ gleich der mittleren potentiellen Energie, also
(26) r = ^ + V.
Daraus folgt insbesondere für y. = — 2 (Couloml)sche.s
Gesetz)
eine Beziehung, von der in der Bohrschen Theorie öfter Ge-
brauch gemacht wird. Allgemein berechnet sich aus
(27)
T^V=W und T=
^ 4- 1
+ 3
Gl. (25) liefert also mit v =
z
Hier würden also sozusagen gebrochene Energiequanten,
insbesondere im Coulombschen Falle x = — 2, negative halbe
Energiequanten auftreten. (Man beachte wegen des negativen
Vorzeichens die Unterdrückung der Integrationskonstanten bei
W und V.) Diese Bemerkungen bezwecken offenbar nur zu
zeigen, dah der Begriff der Energiequanten im allgemeinen
unzulänglich ist.
Sitzungsb. d. mnth.-phys. Kl. Jabrg. 1915.
30
458
A. Sommerfeld, Zur Theorie der Balmerschen Serie.
Gl. (25) erinnert, wenn wir darin T durch Tr gemäß (27)
ausdrücken, an den Ansatz:
Energie • Zeit = A,
den ich in diesen Berichten bei Untersuchungen über y- und
Röntgenstrahlen vorgeschlagen hatte. ^) Die Auffassung der
gegenwärtigen Quantenbeziehung ist aber von der früheren in
mehreren Punkten verschieden. Sie beschränkt sich jetzt im
wesentlichen auf periodische Bewegungen und sieht ein ganz-
zahliges Vielfaches von h vor, auch wird die Gleichheit durch
eine von dem Kraftgesetz abhängige Proportionalität ersetzt.
Über die Struktur der ^'-Strahlen, Jahrgang 1911, pag. 1.
459
Die Feinstruktur der Wasserstoff- und der Wasser-
stoff-ähnlichen Linien.
Von A. Sommerfeld.
Vorgetragen in der Sitzung am 8. Januar 1916.
Die vorliegende Mitteilung knüpft unmittelbar an die vor-
angehende Arbeit^) über das Balmersche Wasserstoffspektrum
an und liefert die experimentellen Belege dafür, daß die dort
entwickelten neuartigen Vorstellungen über quantenhaft aus-
gezeichnete Elektronenbahnen genau der Wirklichkeit ent-
sprechen. Diese Belege werden gewonnen gerade aus den un-
scheinbarsten Ergebnissen der Spektroskopie, aus dem Auf-
treten feiner Dubletts und Tripletts, welche nur den Apparaten
mit stärkstem Auflösungsvermögen zugänglich sind. Die Fein-
struktur der Spektrallinien gibt durch Komponentenzahl und
Komponentenabstand unmittelbare Kunde davon, daß die in den
Fig. 3, 4, 5 der vorigen Mitteilung aufgezeichneten Bahnen von
2, 3, 4, . . . Ellipsen resp. Kreisen reale Existenz haben, daß also
die Dynamik der stationären Bewegungen im Atominnern von
dem Quantenbegriff in der Formulierung unserer Phasenintegrale
beherrscht wird. Damit eröffnet sich uns ein Einblick in die
Einzelheiten der Vorgänge nicht nur beim Wasserstoff und
bei Wasserstoff-ähnlichen Atomen, sondern bei entsprechendem
Ausbau auch in die Atomfelder der anderen Elemente unter
Verwertung des in den spektroskopischen Daten aufgehäuften
riesigen Materials. Auch läßt sich nunmehr eine wirkliche
1) Diese Berichte, Dezember 1915, pag.425; im folgenden als (1) zitiert.
30*
460
A. Sommerfeld
Theorie des Zeenian-Eäektes in nahe Aussicht stellen, dessen
verschiedene Typen ja gerade von der Multiplizität der Serien-
tenne herrühren, also von demjenigen Umstande, der durch
unsere Theorie aufgeschlossen wird.
Besonders überraschend ist die Anwendung, welche unsere
Auffassung im Gebiete der K- und A-Serie der Röntgenstrah-
lung findet. Hier treten durch das ganze natürliche System
der Elemente hindurch von 34 bis = 80 (if = Ordnungs-
zahl des Elementes = Stellenzahl im natürlichen System) Du-
bletts auf, die denselben Ursprung haben wie die Wasserstoff-
dubletts, und geradezu als ein um den Betrag {Z — 1)^ ver-
größertes Abbild jener anzusehen sind. Der Größe dieses Fak-
tors (37.10® bei Gold) ist es zu verdanken, daß namentlich in
der A-Serie diese Dubletts nicht mehr unter die unscheinbaren
Merkmale der Feinstruktur fallen, sondern als verschiedene,
weit getrennte Linien beschrieben wurden und trotz der vor-
läufig naturgemäß noch primitiven Beobachtungsmittel in diesem
Frequenzbereich mit völlig ausreichender Genauigkeit gemessen
werden konnten.
Unsere Ergebnisse sind gesicherter und quantitativer Art.
soweit es sich um die relative Größe gegenüber den WasserstoflF-
dubletts handelt. In Bezug auf die absolute Größe der frag-
lichen Dubletts und Tripletts sowie die Größe der WasserstofF-
dubletts selbst besteht noch eine durchgehende Unstimmigkeit
des Zahlenfaktors, an welcher vermutlich die Grundlagen der
Quantentheorie oder der Relativitätstheorie schuld sind. Wegen
der allgemeinen quantentheoretischen Überlegungen verweise ich
auf die vorangehende Arbeit; im folgenden möchte ich mich auf
eine .kurze Darlegung der numerischen Beziehungen beschränken.
§ I. Die Keplersche Ellipse in der Relativitätstheorie.
Auf die Bedeutung der Relativitätstheorie für den Ausbau
seines Atommodelles hat bereits Bohr verschiedentlich hinge-
wiesen. Auch schlägt er bereits vor, die WasserstoffdublettsQ
1) Phil. Ma^., Febr. 1915.
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
461
aufzufassen als einen relativistischen Effekt von der Ordnunsf
O
(vjcy. Indem wir diesen Vorschlag aufnehmen, ändern wir
zugleich den Standpunkt prinzipiell ab: Nach den quanten-
theoretischen Gesichtspunkten der vorigen Arbeit kann es sich
nicht, wie bei Bohr, um Ellipsen von kleiner oder verschwin-
dender Exzentrizität handeln, sondern muß das Dublett seinen
Grund haben in den endlich verschiedenen, diskreten Exzen-
trizitäten unserer ,gequantelten“ Ellipsen.
Als Vorbereitung leiten wir die relativistische Bahn des
Elektrons um den Wasserstoff kern ab. Das Ergebnis ist nicht
verschieden von dem z. B. in der Dissertation von Wacker^)
behandelten Planetenproblem. Doch können wir die Rechnung
nach der in (I, § 2) benutzten Methode sehr vereinfachen.
Wegen späterer Verallgemeinerungen sei die Ladung des Wasser-
stoffkerns mit E bezeichnet, die des Elektrons ist — e. Der
Kern wird als ruhend angenommen. Dann wirkt derselbe auch
nach der Relativitätstheorie auf das Elektron genau mit der
eE .
Coulombschen Kraft in der Verbindungslinie. Man über-
zeugt sich nämlich leicht, daß die relativistischen Zusatzglieder
(,Geschwindigkeits-“ und , Beschleunigungsterm“) bei ruhen-
dem Kern verschwinden. Die Bahn ist eben und es gilt der
Flächensatz in der Form
(1) mr^<p = p, m = j7|^— ’ ^ ^ c '
Benutzt man neben den Polarkoordinaten r, cp rechtwink-
lige Koordinaten x, y mit dem Anfangspunkte im Kern
x — rc,os(p, ^ = rsm(p,
so lauten die Bewegungsgleichungen
(2)
mx= —
d t
eE
r
cos cp, = —
eE .
über Gravitation und Elektromagnetismus. Tübingen 1909.
-) Vgl. z. B. A. Sommerfeld, Zur Relativitätstheorie II, Gl. (37),
Ann. d. Phys. 33, 1910, pag. 681.
462
A. Sommerfeld
Mit Rücksicht auf den Flächensatz schreiben wir
p d p d
m(p = ~ = — ,
d t m dtp
■ dx » d(r cosQ?)
mx = m tp \ — —
dtp dp
. da
sin p -f- — cos p
m
— — si
/ da . \
y = cos 99 — sin 7^ 1
= p(-'si
)
, \ dr ^
mit der früheren Abkürzung o =
Also
r
d . d f ■ , da
^^mx — — o o sin® + , cos 79
dt mr^ dp \ dp
P
a + r cos p
mr^ \ dp^J
dt
p^ f d^ a
= 2 ®
m \ dp^
sin 7-'.
Die Bewegungsgleichungen (2) gehen daher unter Fort-
hebung des Faktors resp. über in die eine Gleichung
(3)
d'^a eEm eEm^ 1
r ^ — 9 ~
p's
dp^- ' “ p^ p^ Kl-/?'
Die rechte Seite ist variabel wegen ß. Um sie umzu-
formen, benutzen wir die Zeitkoniponente der Bewegungs-
gleichungen, welche in bekannter Weise den Energiesatz liefert
(4)
(5)
m,c^ - 1) - = TU.
Wl — ß^ J r
W ist die Konstante der Gesamtenergie. Also wird
1
= 1 +
TT^
eE
V 1 —
und Gl. (3) geht über in
di +'’(*- ^-pc) ) =
+ TTT
W
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
463
Die Integration gibt
a = A cos y(p-\-B sin y
mit den Abkürzungen
(6)
eEni„ /
2^2 V
Wq c® J
Die Bahn ist also eine Ellipse, die sich langsam dreht.
Das Perihel schreitet während eines Umlaufs um den Winkel
/
im Sinne des Umlaufs vor. Wir können eine solche Bahn
nach (I, pag. 429 unten) als quasiperiodische Bahn bezeichnen.
A und B sind die Integrationskonstanten. Nehmen wir 95 = 0
als Anfang.sperihel, so wird ebenso wie (I, pag. 434)
(7)
B = 0, A = eC, also
= o = C E cos y 9?).
Bezüglich der Größe der Perihelbewegung möge darauf
aufmerksam gemacht werden, daß sie für alle Ellipsen von
gleichem p gleich ist, daß sie also nicht direkt abhängt von
der Exzentrizität der Ellipse. Für den Grenzübergang von
der Ellipse in den Kreis ergibt sich sonach eine gewisse Dis-
kontinuität, da man beim Kreise geometrisch überhaupt nicht
von einer Perihelbewegung sprechen kann.
§ 2. Die Energie der relativistischen Kepler-Ellipse.
Die auf das Perihel (99 = 0) bezüglichen Größen mögen
durch den Index 0 ausgezeichnet werden. Es ist also
Oq = (7(1 -j- £), = {rpX,
Der Flächensatz (1) gibt daher für 99 = 0
ßn eBil + e)f^ , \V \
464
A. Sommerfeld
und der Energiesatz (5)
(B)
Vi-ßl
1 +
eE
ypc
) + ')) (' + ,«!?) ■
Durch Elimination von ßf^ aus (A) und (B) ergibt sich
der gesuchte Wert von TF. Diese scheinbar etwas künstliche
Bestimmung von TF ersetzt hier die direkte Ausrechnung in
I, Gl. (7). Die Elimination erfolgt nach dem Schema
und liefert
1 +
TF
1 + (1 + ^,2
(1 + .)^
mit der vorübergehenden Abkürzung
(8)
h = , so daß 7^ = 1 — b^.
pc
Hiernach wird
TT^
1 +
. _ 1 I - 1/2
7"
7
&2)-1/2 [ ftSj-l/j
1 + (2 ( 1 + e) - ( 1 + = j 1 + ( 1 _ .2) I
^ 2 7»
8 y*
Bezeichnen wir den früheren, ohne Berücksichtigung der
Relativität gefundenen Wert (I, GL (7)) mit TF^
(9)
TFo =
2p^ ^
SO haben wir nunmehr
TF„
3 ¥
(10) rr= g +
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
465
Mit c = 00 wird 6 = 0, 7 = 1, also wie es sein muß,
W = Wq. Man überzeugt sich übrigens leicht, daß b einen
Mittelwert des bei der Ellipsenbewegung variabeln Geschwindig-
keitsverhältnisses ß bedeutet und daß bei der Kreisbewegung
bis auf mit c verschwindende Größen h gleich ß wird. Dem-
entsprechend können wir auch sagen, daß die Größe 1 — 7^, die
nach (8) mit übereinstimrat, von der Größenordnung ß^ wird.
i; 3. Der Quantenansatz für die quasiperiodische Bahn.
Indem wir die Quantenbedingung für unsere Phasenintegrale
(11)
für q = (p
« q = r
aus (I, § 1) ungeändert übernehmen, haben wir zu beachten,
daß bei unserer quasiperiodischen Ellipse die Integration nach
9? nicht von 0 bis 2 7i wie bei der früheren periodischen Bahn,
2 n
sondern von 0 bis — zu erstrecken ist; in der Tat wiederholt
7
sich nach diesem Winkelumlauf Ort und Geschwindigkeit des
Elektrons. Hiernach lautet die erste der in (11) enthaltenen
Gleichungen wegen p = konst.
2,-t
(12) p ^ dp =^nli, p = .
0
Bei der zweiten dieser Gleichungen ist unter p zu ver-
stehen
= m r — mp
dr
dp
j) dr do
dp ^ dp ‘
Hier ist m die variable Masse, also von ß abhängig; in-
dem wir aber den Flächensatz (1) benutzt haben, hat sich die
Masse eliminiert und der Ausdruck für pr vereinfacht. Unsere
zweite Gleichung (11) kann daher so geschrieben werden
466
A. Sommerfeld
y
Y
0
0
Indem wir hier y — y cp als Integrationsvariable eingeführt
haben, haben wir zugleich die Ausführung der Integration auf
(I, Gl. (10)) zurückgeführt. Setzen wir den dortigen Wert für
unser Integral und zugleich den Wert (12) für p ein, so er-
gibt sich
(13)
Wir bilden sogleich diejenige Kombination, von welcher der
Energieausdruck (10) wesentlich abhängt, nämlich (vgl. auch (8)) :
1 — 1
p^y~ {n‘-\-ny'^Y‘
(14)
Es ist also nicht mehr die reine Quautensumme -}- n,
die den Energieausdruck bestimmt, sondern es kommt wegen
des (von 1 wenig verschiedenen) Faktors y^ auch auf die
Einzelwerte von n' und n an ; freilich nur insoweit, als wir
Korrektionsglieder von der Ordnung 1 — y^, d. i. nach der Be-
merkung am Schluß des vorigen Paragraphen von der Ord-
nung berücksichtigen. Das Ergebnis ist folgendes;
Während nach der gewöhnlichen Mechanik die Energie
der n n' verschiedenen Kreis- und Ellipsenbahnen, die zu
dem gleichen Werte von n n‘ gehören, genau übereinstim-
men, fällt sie mit Rücksicht auf die veränderliche Elektronen-
masse für diese n n' verschiedenen Bahnen jeweils ein wenig
anders aus. Die zugehörige Spektrallinie, oder richtiger ge-
sagt, der zugehörige Term der Spektrallinie geht entsprechend
den n -\- n' Erzeugungsmöglichkeiten in ein System von w -j- w'
Die Feinstruktur der WasserstoflF- etc. Linien.
467
benachbarten Linien oder Termen auseinander, also bei n + w' = 2
in ein Dublett, bei n -f- n' = 3 in ein Triplett etc. Hierzu
einige kritische Bemerkungen :
1. Die Quantenansätze (12) und (13) sind gegen früher
durch Hinzutreten von Potenzen des Faktors y abgeändert,
welcher seinen Ursprung hat in der Perihelbewegung der Elek-
tronenbahn. Diese Perihelbewegung ist naturgemäß eine recht
empfindliche Größe und würde sich, bei kleinen Abänderungen
des Kraftgesetzes vielleicht merklich ändern. Ob durch die
allgemeine Relativitätstheorie das Kraftgesetz oder die Be-
wegungsgleichungen abgeändert werden oder ob nach derselben
Theorie die Gravitation des Kerns mit zu berücksichtigen ist,
habe ich bisher nicht geprüft. Ich möchte aber auf die Mög-
lichkeit wenigstens hinweisen, daß die in der Einleitung be-
merkte Unstimmigkeit in den absoluten Größen einen derartigen
Ursprung haben könne.
2. Außer von der Veränderlichkeit der Masse wird die
Perihelbewegung von der magnetischen Wirkung des Kerns
beeinflußt, welche direkt ein Drehmoment in der Bahnebene
liefert und daher die Gleichung des Flächensatzes abändert.
Während die magnetische Energie des Elektrons, wie wir sagen
können, in der Veränderlichkeit der Masse steckt und daher
von uns berücksichtigt worden ist, haben wir die magnetischen
Kräfte des Kerns ausgeschaltet, indem wir diesen als ruhend
annahmen. Ich habe mich aber überzeugt, daß der Einfluß
dieser Kräfte von geringerer Ordnung ist als derjenige der
veränderlichen Masse. Er liefert für die Perihelbewesfunff als
4-
Wert von 1 — y^ den Beitrag — , während die Veränder-
lichkeit der Elektronenmasse den Beitrag lieferte (AZ = Kern-
masse). Jener Einfluß ist also 500 mal so klein und übrigens
von umgekehrtem Vorzeichen wie dieser. Daraus geht her-
vor, daß das relativistische Korrektionsglied erster Ordnung
durch den magnetischen Einfluß des Kerns nicht merklich ab-
geändert wird; wohl aber würde das Korrektionsglied zweiter
Ordnung dadurch beeinflußt werden. Da uns das letztere nur
468
A. Sommerfeld
in qualitativer, nicht in quantitativer Hinsicht interessiert, habe
ich die Behandlung der Kernbewegung hier unterdrückt.
3. Wenn wir von der Bedeutung der Relativitätstheorie
für die Probleme der Spektrallinien sprachen , so ist damit
eigentlich nur die Veränderlichkeit der Elektronenmasse ge-
meint. Die ältere Theorie des starren Elektrons würde daher
für unsere Fragen ebenfalls ausreichen und merklich zu den-
selben Konsequenzen führen wie die Relativität, nur natürlich
auf rechnerisch viel komplizierterem und weniger übersicht-
lichem Wege. Durch Annahme des ruhenden Kerns ist ja
von vornherein für die Beschreibung der Elektronenbewegung
ein raumzeitliches Ruhsystem vorgezeichnet (bei beweglichem
Kern durch den Schwerpunkt von Elektron und Kern). In
diesem Ruhsystem hat z. B. die Entfernung r und der Im-
puls ^,=my seine legitime Bedeutung, so dah die feineren
Fragen der Relativität hier nicht auftreten. Ich möchte aber
darauf hinweisen, dab manche Formulierungen der vorangehen-
den Arbeit (I) relativistisch nicht in Strenge haltbar sind, so
3 T ■ dT
z. B. die Beziehung p = . , welche \nq= oder in —
dq
dH
abzuändern wäre, sowie der im letzten Paragraphen von
dq
(I) behandelte Zusammenhang zwischen kinetischer Energie und
Phasenintegralen. Vielleicht kann der Hinweis hierauf dazu
führen, den Quantenansatz in relativistischer Beziehung zu ver-
bessern und die mehrfach genannte Unsicherheit in den Ab-
solutwerten zu beheben.
^ 4. Zusammenfassung der bisherigen Resultate.
Indem wir aus Gl. (14) in Gl. (9) und (8) eintragen, be-
kommen wir
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
469
Zahl
Hier hat N wie früher die Bedeutung der Rydbergschen
h -s ’ •
<i und ö sind neue Abkürzungen:
Im Falle des Wasserstoffs ist natürlich E = e und di = a ;
im allgemeinen wird dagegen ^ eine ganze Zahl größer als 1,
also (5 ein Vielfaches von a.
Einsetzen von (15) in (10) liefert zunächst
(17) TF= -
Nh
{n‘ \ e
3(5
i +
10^2
-\-ny''^y {n‘-\-ny^y
Hier ist noch die Entwicklung für n‘ ny‘^ einzutragen.
Nach (8) hat man
= {n‘ n) [I — 5®
n‘ -\- n y^ = n' n — (1 — y^) n — n‘ -y n — n
n \
n' + nj'
Nach (8), (12) und (16) ist aber bis auf Glieder von
kleinerer Ordnung als d^:
id
= ‘‘f (l+ -f),
\ J
n‘ y“ (1 — 6®)
also mit derselben Genauigkeit
_
n{n n
8 d 32
n' ny'^ ~ {n' -y n) [\
{n‘ + n y^)~- = (n' + w) ^ 1
d {n' -j- ny^)~* =
48 d^
n(n + n') n^(n-i-n') n^(n-i-n')
16d2
(«' -|- w) ■* ( d + , ,,
\ n(n-\- n )
d^ (n' -f- ny^)~^ = (n‘ -j- n)~^ d^.
470
A. Sommerfeld
Aus (17) folgt daraufhin
Nh
W =
(n' ny
1 “h
3d
n{n-\-n‘) (n -y n‘)‘
+
32 d" 48^2 48(32 10 \
n^{n-\-n‘) ' n^{n-]-n‘y n{n-\- n‘y~' {n-[-n‘y)'
Das mit (5 behaftete erste Korrektionsglied zieht sich zu-
sammen zu
{n -j- n‘
das mit d® behaftete zweite Korrektionsglied wird :
d2
{n-\- n
^.(32(»±7+48(>^-»y-48«t^.o) =
{n -f- n
r(
42 + 144 ” +144(”
n \n
+ 32
GT)
Der Ausdruck für W kann daher so geschrieben werden :
W =
(18)
Nh
(w + w
fi^e) {l + (¥H+?(f) +
+
{n + n
Hier ist n durch Gl. (16) gegeben; für die (absichtlich
unbestimmt geschriebenen) Koeffizienten Ä, B, C hat unsere
Rechnung ergeben:
^ = 5, B=8,
(19) n‘ /«'\2 /«'\3
(7= 42 + 144 + 144
CT--
Der Wert von C kann, wie am Schluß des vorigen Para-
graphen unter 2. bemerkt wurde, durch die hier nicht berück-
sichtigte Kernbewegung und ihre magnetische Wirkung beein-
flußt werden. Worauf es uns bei diesem Korrektionsglied zweiter
Ordnung allein ankommt, ist dieses, daß ein solches Korrektions-
glied überhaupt auftritt und zwar mit positivem Werte von C.
Seine Existenz wird sich in Fig. 3 bemerklich machen.
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
471
Bezüglich des Wertes von Ä besteht eine eigenartige
Schwierigkeit. A mißt die relativistische Korrektion erster
Ordnung im Palle n' = 0, d. i. £ = 0, also im Falle der ein-
fachen Kreisbahn. Für die Kreisbahn läßt .sich aber die Energie
bei veränderlicher Elektronenmasse leicht direkt angeben, wie
bereits Bohr getan. Man hat zunächst
11^ =
V\ — ß^
cE
a '
r = a ist der Kreisradius, ß ist gleich , wenn co die kon-
c
stante Winkelgeschwindigkeit bedeutet. Da der Kreis eine
rein periodische, keine quasi-periodische Bahn ist, scheint es
angebracht, den gewöhnlichen Quantenansatz 2jip = nh bei-
zubehalten, welcher zusammen mit dem Gesetz der Zentri-
fugalkraft liefert
V\ — ß
2 ^0 3 2 TP
a^ü) = = eE
2 2 Y l ß^
aco =
2 71 eE
nh ’
4 71® Mq e E
V\-ß^ =
4 71® m^eE
Kl -7
Für W ergibt sich hiernach in erster Näherung:
27i®mne®JS'®
1 +
3a
EV
e
2 —
4a
271® m^e^E^
Dagegen folgt aus (18) mit »' = 0 bei Vernachlässigung
der zweiten Näherung:
ÄafEy\
w® V e / y ■
472
A. Sommerfeld
Die direkte Ausrechnung liefert also A = l, während wir
früher ^ = 5 fanden. Der Unterschied liegt, wie man sich
leicht überzeugt, an dem verschiedenen Quantenansatz für die
periodische und quasiperiodische Bahn. Wenn wir TU aus (18)
für w' = 0 berechnen, bilden wir sozusagen den Limes der
Energie für eine Ellipse von verschwindender Exzentrizität,
unter Beibehaltung der für alleExzentrizitäten gleichen Perihel-
bewegung. Dagegen bestimmt die direkte Ausrechnung die
Energie, die zu der Exzentrizität Null gehört, ohne Rücksicht
auf die Perihelbewegung. Diese Diskontinuität des Grenzüber-
gangs, auf welche schon am Schlüsse von § 1 hingewiesen
wurde, liegt offenbar nur in unserer Auffassung des Vorgangs,
nicht in dem Vorgänge selbst, und dürfte daher physikalisch
keinen Einfluß haben. Der Wert Ä = b, zu dem unsere all-
gemeine Rechnung führte, kann daher verdächtig erscheinen,
ebenso aber auch der Wert A = l. Es ist dieses ein weiterer
Grund, weshalb wir es in Gl. (18) vorzogen, die Formel mit
unbestimmten Koeffizienten A, B, C zu schreiben. Die Schlüsse,
auf die es uns ankommt, sind zum Glück von dem Zahlenwerte
von A und im wesentlichen auch von demjenigen von B und C
unabhängig.
§ 5. Allgemeine Folgerungen.
Es liegt im Sinne des Ritzschen Kombinationspriuzips,
welches seinen adäquaten Ausdruck in der Bohrschen Theorie
findet, wenn wir die folgenden allgemeinen Aussagen nicht für
die Wellenlänge oder Schwingungszahl der Serienlinien, son-
dern für den einzelnen Serienterm formulieren. Die Beobach-
tungen an der Serienlinie ergeben sich aus zwei Serientermen,
einem positiven und einem negativen. Der positive Serien-
tei'm entspricht der dem Vorzeichen nach umgekehrten, also
positiv genommenen Energie der Endbahn, der negative der-
jenigen der Ausgangsbahn.
a) Ein Serienterm mit n n‘ — 2 erscheint als Dublett,
entsprechend den beiden möglichen Zerlegungen von 2 :
2 = 2 -i- 0 und 2 = 1 + 1.
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
473
(Die dritte Möglichkeit 2 = 0 + 2 wurde in (I, § 5) aus
geometrischen Gründen abgewiesen.) Die beiden zugehörigen
Energiewerte bezeichnen wir mit TF2.0 und TFi,i. Nach (18)
ergibt sich, wenn wir hier und im folgenden die zweite Kor-
rektion als unwesentlich nicht berücksichtigen :
Ist der fragliche Serienterm ein positiver, so wird die
zugehörige SchwingungsdiflFerenz , die durch die Verschieden-
heit der beiden Energiewerte veranlaßt wird :
II l,! 11^2,0
(20)
Diese Schwingungsdifferenz ist positiv, d. h. die Linie
n — 1, n' = 1 hat die größere Schwingungszahl wie die Linie
n = 2, n' — 0. Erstere Linie entspricht der einzigen hier mög-
lichen Ellipse, letztere dem Kreise. Wir werden annehmen,
daß immer die Kreisbahn die wahrscheinlichste und daß je-
weils die Ellipsenbahn um so unwahrscheinlicher ist, je größer
ihre Exzentrizität wird. Im Besonderen stimmt damit überein,
daß wir die Ellipse mit der Exzentrizität 1 , welche n' = 0
entsprechen würde, grundsätzlich ausgeschlossen, also mit der
Intensität Null veranschlagt haben. Unsere Annahme über die
Intensitäten ist eine naheliegende Zusatzhypothese und wird
durch die Tatsachen durchweg bestätigt; mit unserer Theorie,
die nur von der Lage der Linien spricht, steht sie naturgemäß
in keinem notwendigen Zusammenhänge. Auf Grund dieser
Zusatzhypothese stellen wir fest: Entsteht das Dublett aus
einem positiven Terme, so liegt die stärkere Linie, welche der
Kreisbahn entspricht, nach Rot hin. Dies ist, allgemein ge-
sprochen, der Fall der Nebenserien. Verdankt dagegen das
Dublett seine Entstehung einem negativen Terme, so liegt die
stärkere Linie, die die Kreisbahn darstellt, auf der violetten
Seite. Dies ist der Fall der .Hauptserie (Dg ist stärker und
violetter als D,).
Sitzungsb. d. matb.-phys. Kl. Jahrg. 1915.
31
474
A. Sommerfeld
b) Ein Serienterm mit » -j- w' = 3 gibt Anlaß zu einem
Triplett entsprechend den drei möglichen Zerlegungen der
Zahl 3:
3 = 3 + 0, 3 = 2 + 1, 3 = 1 + 2.
Die zugehörigen Energie werte werden mit W3,o, TDij, i,
lEi,a bezeichnet, wobei sich hier wie im folgenden der erste
Index auf n, der zweite auf n‘ bezieht. Die Energiedifferenzen
werden
14^3,0 =
IDi,. - TFi-i =
NliaJß
3* “
NhaB
(M)(
e
NhaB
3*
3
2
Die aufeinander folgenden Komponenten haben die Schwin-
gungsdifferenzen
(21)
TF2, 1 — 11+0 _ 1 NaB(Ey
h 2 3* V e y ’
Tri,2 — lFi,i 3NaBfEy
h ~ 2 3* UJ’
Ihr Verhältnis ist also
J : A = 1 : 3.
Die in (21) gewählten Vorzeichen sind für einen posi-
tiven Term gemeint. Hier liegt die stärkste Linie, die Kreis-
bahn, auf der roten Seite und es stufen sich die Intensitäten
des Tripletts nach Violett hin ab. Bei einem negativen Term
sind die Aussagen umzukehren.
c) Ein Serienterm mit w + w' = 4 ruft ein Quartett her-
vor, entsprechend den vier Zerlegungsmöglichkeiten
4 = 4 + 0, 4 = 3+1,
4 = 2 + 2, 4 = 1 + 3.
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
475
Die Energiedifferenzen sind
NhaB 1 (EV
1^3,1 Wi,o =
4*
(f)'
NhaB 2 fEV
3
„r N h (l B f S
»fl,;) — — 7j
2\ /E
4*
NJt^ B
4^
(f)‘
2
EV
e
Die Schwingungsdifferenzen der aufeinander folgenden Kom-
ponenten sind
(22)
zlj- = —
A )’2
— 1 NaB/EV
h S A* \e)'
TF2,2 — TKs,! _ 2 NaB (EV
h 3 4^ \e)'
(f)-
j IKi, 3 — 41 2,2 Na B
= ,r— = ^ 4‘
Ihr Verhältnis wird also
zl V, ; zl )'2 : zl J'3 = 1 : 2 : 6.
Bezüglich Vorzeichen und Stärkeverhältnis gilt dasselbe
wie unter b).
1 .
d) Ein Serienterm vom Charakter gibt Anlaß zu einem
D
Quintett mit Schwingungsdifferenzen der aufeinander folgenden
Komponenten vom Verhältnis:
1 2
4’ 3
1.1 _ 1.1 _ 1
4’ 2 3' 1 2
1 5^ 5 5
4 ■ 1 2 ■ 6 ' 2
3:5:10:30 usf.
e) Ein Serienterm vom Charakter
P
ist in Strenge
ein-
fach. Er entspricht einer und nur einer Kreisbahn. Unter den
Wasserstoff-ähnlichen Termen ist er der einzig einfache Term.
f) Liegt die Multiplizität im konstanten, also positiven
Term, so wiederholt sie sich ungeändert durch die ganze Serie.
Wir haben Dubletts, Tripletts etc. von konstanter Schwingungs-
31*
476
A. Sommerfeld
differenz, wie sie allgemein von den Nebenserien her bekannt
sind. Aus a) geht hervor, daß die hierbei beobachtete Inten-
sitätsabstufung (von Kot nach Violett) von unserer Theorie
richtig wiedergegeben wird. Aus h) wird sich ergeben, daß
die ira konstanten Term begründete Multiplizität im allge-
meinen überlagert wird von einer im variabeln Term gelegenen
Multiplizität.
g) Liegt die Multiplizität im negativen, also variabeln
Term und ist der konstante Term einfach (w=l, Kreisbahn),
so kommt in der zu beobachtenden Linie die Multiplizität
des variabeln Termes rein zum Ausdruck. Entsprechend den
Nummern m -j- m' = 2, 3, 4, . . . des variabeln Termes wird
die erste Linie der Serie ein Dublett, die zweite ein Tiäplett,
die dritte ein Quartett etc. Die Intensitäten stufen sich bei
allen diesen Linien nach Rot ab, indem die Kreisbahn wegen
des negativen Vorzeichens des Termes die violetteste Linie des
Gebildes wird. Die in Schwingungszahlen gemessene Ausdeh-
nung des Gebildes nimmt mit wachsender Numerierung ab, wegen
des Faktors {m -f- m'Y im Nenner des Energieausdrucks (18).
In diesen beiden Punkten (Verhalten der Intensität und der
Größe des Gebildes) besteht eine Analogie zu den Hauptserien
der Elemente, allerdings keine vollständige Analogie, da die-
jenigen Elemente, bei denen die gewöhnlichen Hauptserien be-
obachtet werden, zu wenig Wasserstoffähnlich sind. Bei Wasser-
stoff selbst ist die hier beschriebene , Hauptserie“ ultraviolett,
vgl. § 6, 2.
h) Ist sowohl der konstante positive wie der variable
negative Term mehrfach, so muß zunächst (schon aus ener-
getischen Gründen) die Multiplizität des negativen Termes die
größere sein. Liefert z. B. der konstante Term ein Dublett,
so entspricht dem variabeln Terme, für sich genommen, in der
ersten Serienlinie ein Triplett, in der zweiten ein Quartett etc.
Die Überlagerung beider Multiplizitäten könnte man sich nun
in der Weise vorgenommen denken, daß die beiden Linien des
Dubletts in der ersten Seriennummer je aus 3, in der zweiten
aus 4 etc. Komponenten bestehen, die ihrerseits die unter
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
477
b), c) etc. bestimmten Abstandsverhältnisse haben. Die Linie
(n n‘, m -j- m‘) würde dann ein Gebilde von im ganzen
(n 4" -}- wi') Komponenten sein. Diese Auffassung ist
indessen wohl nicht haltbar : vielmehr erschien uns ein anderer
Standpunkt wahrscheinlicher, demzufolge die Zahlen w, m'
einzeln genommen nicht kleiner sein dürfen als die Zahlen n, n'
(vgl. I, § 5). Infolgedessen werden wir in dem als Beispiel
herangezogenen Falle w + n' = 2 , m -j- m' = 3, 4, 5, . . .
vielmehr die folgende Feinstruktur der aufeinander folgenden
Serienlinien erwarten :
Erste Linie . . . («, n') = (2,0), (w, m') = (3, 0), (2,1)
= (1,1), =(2,1), (1,2).
Die Hauptlinie des Dubletts (2,0), (3,0), die der Kom-
bination von zwei Kreisbahnen entspricht, ist nach der roten
Seite von einem Satelliten (2,0), (2,1) begleitet; ebenso hat
die schwächere Linie des Dubletts (1,1), (2,1), die der Kom-
bination von zwei Ellipsen entspricht, den Satelliten (1,1,), (1,2).
Zweite Linie . . . (w, n‘) = (2,0), (m, nt‘) = (4,0), (3,1), (2,2)
= (1,1), =(3,1), (2,2), (1,3).
Hier sind also die Linien des Dubletts von je 2 Satelliten
begleitet, in der nächsten Seriennummer von je 3 etc., und zwar
stets nach Violett hin gelegen und in dieser Richtung der
Intensität nach abnehmend. Als Beispiel vgl. Fig. 1 betr. Ha
und Hß. Die Ausdehnung des Satellitengebildes zieht sich
dabei nach dem unter g) Gesagten mit wachsender Nummer
der Serienlinie schnell zusammen, so daß die Multiplizität des
variabeln Termes sich überhaupt nur in den niedrigsten Num-
mern bemerkbar machen und in den höheren allein die Mul-
tiplizität des konstanten Termes persistieren wird.
i) Bei Wasserstoff- ähnlichen Termen anderer Elemente er-
warten wir eine ähnliche Feinstruktur und zwar um so ge-
nauer, je Wasserstoff- ähnlicher der betreffende Term ist, d. h.
N
ie genauer er die Form —z hat.
478
A. Sommerfeld
k) Über die Wasserstoff-unähnlichen Terme, welche nicht
N
die Form haben, können wir naturgemäß im wesentlichen nur
negative Aussagen machen. Die beim Wasserstoff zusammen-
fallenden und nur relativistisch getrennten Terme (n, w'),
(m, m‘) werden hier auseinander fallen. Die dabei auftreten-
den Multiplizitäten, die man teils als Multiplizitäten, teils als
verschiedene Serientypen deutet (vgl. I, § 6), haben ihren Ur-
sprung in der Beschaffenheit des Atomfeldes und seiner Ab-
weichung vom Felde des Coulomhschen Gesetzes. Die Mul-
tiplizitäten werden daher hier von ganz anderer Größenordnung.
Trotzdem ist ihre Struktur der der Wasserstoff-ähnlichen Linien
verwandt; man vergleiche die vollständigen Dubletts und Tri-
pletts von Rydberg mit dem hier unter h) Gesagten. Die Auf-
gabe kann hier nicht sein, die Lage und Struktur der Linien
vorherzubestimmen, sondern muß darin bestehen, aus den
spektroskopischen Erfahrungen die Natur des Atomfeldes, also
den Aufbau des Atoms zu ermitteln. Natürlich wird auch
hierbei unsere Theorie der Phasenintegrale entscheidend mit-
zuwirken haben; es wird allerdings nötig sein, sie vorher für
die Anwendung auf nichtperiodische Bahnen zu erweitern.
1) Während bei den gewöhnlichen Flammen- und Bogen-
E E
Spektren — = 1 ist, hat man in den Funkenspektren = 2.
c ^
Handelt es sich um Wasserstoff-gleiche oder Wasserstoff-ähn-
liche Funkenspektren (Helium), so finden auf sie die voran-
gehenden Schlüsse volle AnAvendung, mit der Maßgabe, daß
die Komponentenabstände der Feinstruktur gegenüber den ge-
wöhnlichen Spektren bei sonst gleichen Bedingungen vergrößert
Bei Funkenspektren
erscheinen, wegen
liegen also die Bedingungen für die Prüfung der Theorie gün-
stiger wie bei den gewöhnlichen Spektren ; man kann hier
erwarten, bei höheren Seriennummern entsprechend kompli-
ziertere Strukturen nachzuweisen, wie unter den gewöhnlichen
Bedingungen.
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
479
m) Die Funkenspektren entstehen in einfach geladenen
Atomen. Bohr hat bereits den Fall von Funkenspektren höherer
Ordnung (mehrfach geladener Atome) ins Auge gefaßt. Der
äußerste Grenzfall dieser Spektren liegt bekanntlich in der
FC-Serie der charakteristischen Röntgen-Frequenzen vor, wobei
die Möglichkeit der Aufladung zunimmt mit der Ordnungszahl
der Elemente im natürlichen System. Bei den Röntgen-Fre-
quenzen, insbesondere denjenigen der Schwermetalle, werden
also Multiplizitäten von makroskopischer Größe auftreten. Hier
wird die Prüfung unserer Theorie am sichersten erfolgen können.
§ 6. Wasserstoff und positiv geladenes Helium.
1. Balmersche Serie.
Der konstante Term der Balmerschen Serie gibt An-
laß zu einem Dublett von konstanter Schwingungsdifferenz.
Die Größe J vh desselben wird uns im folgenden stets als Maß-
einheit dienen. Sie beträgt nach (20) wegen E = e:
(23)
Zl Vjj
NaB
Die Beobachtung hat ergeben
Al
J >'
Michelson ....
Ha
0,14 A. E.
0,32 cm“'
n ....
H,
0,08
0,42
Fabry und Buisson
Ha
0,132
0,307
Der letzte Wert ist der zuverlässigste. Wir nehmen also an
Arn= 0,31. Nach (23) berechnen wir daraus mit a = 13.10“®,
N =1, 1.10® cm~* :
B — 3,6 gegen B = 8 nach (19).
Diese Unstimmigkeit im Koeffizienten B ist ein ernstlicher
Einwand gegen die derzeitige Form unserer Theorie, aber nicht
gegen die Theorie selbst. Sie weist auf eine Unvollkommen-
480
A. Sommerfeld
heit hin, die aber im folgenden nicht stören wird, wenn wir
die weiteren Angaben stets auf den theoretischen Wert von
Avh beziehen und in diesem den Koeffizienten B erfahrungs-
gemäß korrigiert denken. Bezüglich der Stärke der beiden
Dublettkomponenten ergibt die Beobachtung in Übereinstim-
mung mit der Theorie (§ 5 a) und dem allgemeinen Tatbestand
bei Nebenserien, daß die stärkere Komponente die rötere ist.
Wegen des variabeln Termes sollten die beiden Dublett-
linien begleitet sein bei Ha von je einem, bei Hß von je zwei,
bei Hy von je drei Satelliten etc. (vgl. §5h), deren Inten-
sitäten nach Rot abnehmen. Wegen der großen ünschärfe der
i/-Linien und der geringen Abstände dieser hinzutretenden
Komponenten ist ihre Beobachtung wenig aussichtsvoll. Wenn
einige Beobachter gelegentlich von mehreren Komponenten der
Il-Linien sprechen, so liegt es nahe, dies auf einen ungewollten
Stark -Effekt zu schieben. Weniger wegen der Möglichkeit
einer experimentellen Prüfung als wegen der späteren Anwen-
dung auf Li und zur Erläuterung der allgemeinen Behaup-
tungen in § 5 gebe ich hier die Figuren für Ha und Hß. Die
Länge der Linien soll in einem qualitativen Maßstab die mut-
maßlichen Intensitäten darstellen. (Indem wir die Intensität
Av„
AVf,
Ar^Av, Äij Ai^Aii
FiR. 1
der Kreisbahn gleich 1 nehmen, lassen wir die für die Ellipsen-
bahnen mit wachsender Exzentrizität gleichmäßig zu Null ab-
nehmen.) Der Maßstab für die Schwingungszahlen mußte bei
Hß doppelt so groß gewählt werden wie bei Ha, um die Figur
nicht zu undeutlich zu machen. In den entsprechenden Figuren
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
481
für Hy und H würden sich die Komponenten so enge an die
Dublettlinien herandrängen (wegen des hier auftretenden Fak-
tors bzw. daß sie nicht mehr zu zeichnen, geschweige
O D
denn zu beobachten sind.
Zur Erläuterung diene folgendes. Bei Ha, linke rötere
Liniengruppe, entspricht die Hauptlinie der Entstehungsweise
aus zwei Kreisbahnen
(n, n') — (2,0), (m, m‘) = (3,0), Intens. = 1.1.
Der Satellit dieser Linie gehört zu dem Schema
(24) 1
(n, n') = (2,0), (»t, w') = (2, 1), Intens. = 1 • — .
o
Der gegenseitige Abstand beider beträgt nach (21) und (23)
, 1 NaB 12* 8 ,
^V, = Jj'w= J VH.
Bei Ha, rechte violettere Liniengruppe, ist das Schema
{n, n') = (1,1), (m, m‘) = (3,0)
nach unserer Auffassung nicht realisierbar wegen zunehmender
radialer Quantenzahl des Überganges. Die zugehörige Linie
ist daher in der Figur punktiert gezeichnet. Die stärkste Linie
dieser Gruppe gehört vielmehr zu dem Schema
1 2
(n, n') = (1,1), (w, m‘) = (2,1), Intens. = g
und die schwächste Linie zu
(n, n‘) = (1,1), (m, m‘) = (1,2), Intens. = ^.~.
Der gegenseitige Abstand der beiden letzteren Linien wird
nach (21)
(24).
Av^ =
3
2
NaB
3*
3 2*
2 3*
vb =
8
27
Avh.
Entsprechend ist die Figur für Hß gezeichnet. Die Ab-
stände der aufeinander folgenden Komponenten der röteren
Gruppe sind hier nach (22)
482
A. Sommerfeld
(25)i
und die der violetteren Gruppe
(25)2
Die Aussicht für den Nachweis dieser Feinstruktur ist
hiernach bei Ha und Hß gering, noch geringer bei den höheren
Gliedern der Balmer-Serie.
2. Ultraviolette Serie.
Dieselbe hat die Formel
unter Fortlassung der Korrektionsglieder. (Natürlich müßten
wir hier und im folgenden von unserem Standpunkte aus eigent-
lich schreiben m -f- 'm' statt m.) Sie ist von Lyman gemessen
worden, neuerdings bis nahe an die Grenzfrequenz v — N
heran. Sie gibt das einfachste Beispiel für den in § 5 g be-
sprochenen hlauptserien-Fall mit konstantem einfachen Term.
Ihre aufeinander folgenden Linien sollen hiernach sein ein
Dublett, Triplett etc. Die bisherigen Messungen reichen wohl
nicht aus, um dieses zu prüfen.
3. Ultrarote Serie.
Von Ritz vorhergesagt und von Paschen in ihren zwei
ersten Nummern beobachtet, ist die Serie
Sie besteht nach unserer Theorie wegen des konstanten
Termes — der Hauptsache nach aus einem Triplett von kon-
o
stanter Schwingunwsdifferenz. Die von Rot nach Violett auf-
O O
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
483
einander folgenden und ihrer Intensität nach abnehmenden
Komponenten haben nach (21) die Abstände:
, l Na B 12* . 8 ,
~ 2 3* ~ 2 3* ~ 81
g
Av^ = SAv^ = Avji.
Als Bild dieses Tripletts kann man die für He gemeinte
Fig. 2 a ansprechen, wenn man diese auf in den Schwingungs-
zahlen und Schwingungsdifferenzen reduziert. Bei H wird hier-
nach die absolute Größe dieses Tripletts sehr klein, derart,
daß seine Beobachtung zumal im ultraroten Frequenzgebiet
wohl ausgeschlossen ist.
Einfach geladenes Helium.
Wenngleich sich aus der Dispersionstheorie*) ergeben hat,
daß das neutrale Heliumatom nicht die einfache von Bohr an-
genommene Gestalt haben kann, daß vielmehr der Heliumkern
selbst schon komplizierter gebaut sein muß, liefern die Funken-
spektren des Heliums, bei denen dieses also ein Elektron ver-
loren hat und daher einfach positiv geladen ist, bisher keine
Andeutung dieser Komplikation. Wir werden also gegenwärtig
das geladene Helium als Wasserstoff-gleich behandeln, mit dem
Unterschiede natürlich, daß hier E=2e zu setzen ist. Be-
kanntlich sind die Funkenspektren des Heliums früher als
Hauptserie und H. Nebenserie des Wasserstoffs beschrieben wor-
den und sollen auch hier der Kürze halber so bezeichnet werden.
Auf die charakteristische Verschiedenheit der Rydbergschen
Zahl, welche die Zugehörigkeit zum Helium beweist, brauchen
wir nicht einzugehen, da es uns nur auf die Differenzen der
Schwingungszahlen ankommt, nicht auf deren Absolutwerte.
*) P. Debye, diese Berichte, Januar 1915, A. Sommerfeld, Elster
und Geitel, Festschrift, pag. 578. Braunschweig 1915.
484
A. Sommerfeld
4. Sog. Hauptserie des Wasserstoffs.
Ihre Formel ist im Groben
j’ = 4
(-■ - '
VS' m\
, m = 4, 5, 6, . . .
Der konstante Term bedingt ein Triplett von konstanter
Schwingungsdifferenz durch die ganze Serie mit dem Kom-
ponentenabstand 1 : 3 und mit nach Violett abnehmendem Inten-
sitätsverhältnis. Wegen
soluten Werte der Schwingungsdifferenzen hier 16 mal gün-
stiger wie im vorhergehenden Falle, nämlich
(26)
Diese Tripletts sind durch mehrere Glieder der Serie hin-
durch von Paschen beobachtet worden mit dem theoretischen
Komponentenabstand 1:3 und genau im richtigen Verhältnis
zu den Wasserstoff-Dubletts. Ich berechne z. B. nach den For-
meln (26) aus den Paschen’schen Messungen von zl j-j und A
heim ersten Gliede der Serie rückwärts /1j'j/ = 0,31 hzw. 0,30.
Auch die Schätzung des Intensitätsverhältnisses liegt im Sinne
der Theorie. Uber die Zahlen seiner Messungen wird Herr Paschen
demnächst selbst berichten. Es sei bemerkt, daß Beobachtung
und Theorie unabhängig voneinander vorgegangen und nur
durch einen Briefwechsel in Verbindung gebracht worden sind.
5. Sog. II. Nebenserie des Wasserstoffs.
Die Glieder dieser Serie mit ungeradem ni bilden die
Pickeringsche Serie; diejenigen mit geradem m sind kürzlich
zuerst von Evans ^) beobachtet, liegen in nächster Nähe der
Balmer-Linien und weichen von ihnen nur wegen des ver-
schiedenen Wertes von N ab. Die zusamraenfassende Dar-
stellung der Gesamtserie im Groben lautet
•) Phil. Mag., Februar 1915, pag. 284.
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
485
Wegen des konstanten Ternies erwarten wir, dals die Fein-
struktur jeder Linie ein Quartett ist mit den Komponenten-
abständen, vgl. (22)
_ 1 NaB 1
' * 3 3
'VH,
^»2 = 3
Al’ = 2A Vfi.
Die letzte schwächste Linie dieses Quartetts ist im richtigen
Abstand 3 /I von der Hauptlinie von Paschen in mehreren
Gliedern der Serie gefunden worden ; von der zweiten und dritten
Komponente dagegen hat sich bisher nichts ergeben. Einst-
weilen bin ich geneigt, diesen negativen Befund auf mangelnde
Auflösung zu schieben. Auch Paschen meint, daß seine bis-
herigen Beobachtungen noch nicht gegen die Existenz dieser
zwei Komponenten entscheiden. Die Linien sind nur schwach
photographiert. Dabei kann eine so feine Struktur unbemerkt
bleiben.
In Fig. 2 b ist dieses Quartett, in Fig. 2 a das vorige
Triplett dargestellt, wie es dem konstanten Term allein ent-
spricht. Das Hinzukommen des variabeln Terms bedingt nach
unserer Auffas.sung Satelliten auf der roten Seite, und zwar
t
1
1
1
1
1
' 1
1
1
Fig. 2 a Fig. ‘2 b
mit der Seriennummer von zunehmender Zahl und abnehmen-
den Abständen von der Hauptlinie. In den höheren Serien-
gliedern kann sich daher der variable Term nur mehr durch
eine Abschattierung der betreffenden Hauptlinie nach Rot gel-
tend machen. Die höheren Serienglieder würden daher direkt
das in den Fig. 2 dargestellte Endgebilde verwirklichen. Bei
den niederen Seriengliedern würde dagegen durch das Hinzu-
486
A. Sommerfeld
treten der Satelliten und das Ausfallen der Hauptlinien (vgl.
die in Fig. 1 punktierten Linien) auch in den Schwingungs-
Verhältnissen gewisse Abweichungen von dem hier dargestell-
ten Endgebilde hervorgebracht werden. Die fraglichen Ab-
weichungen können nach dem Vorbilde von Fig. 1 und den
dort gegebenen Erläuterungen leicht konstruiert werden. Als
Beispiel vgl. das Li-Dublett im nächsten Paragraphen. Es sei
bemerkt, daß die oben mitgeteilte, an Gl. (26) angeschlossene
Berechnung von A vh aus den Paschen’.schen Messungen des
Lfe-Tripletts bereits den Endzustand des Tripletts, nicht den
durch den variabeln Term modifizierten Anfangszustand zu
Grunde legt. Es sind zwar von Paschen bei jenem Triplett
Begleiter auf der roten Seite gefunden, welche ihre Zugehörig-
keit zu dem variabeln Term auch experimentell verraten und
bei den höheren Seriengliedern an die Hauptlinien heranrücken
resp. ganz verschwinden. Aber sie stimmen nur teilweise mit
den Erwartungen unserer Theorie überein.
Auf Grund dieser Bemerkungen müssen wir daher unsere
Folgerungen über die Satelliten, die aus dem variabeln Terme
entstehen, als unsicherer hinstellen wie diejenigen über die
Hauptlinien, die dem konstanten Terme entspringen. Deshalb
wurde auch in den Fig. 2 vorerst von jenen Satelliten abgesehen.
§ 7. Lithium und neutrales Helium.
Wir wenden uns jetzt zu den Wasserstoff-ähnlichen Ele-
menten. Diese werden wir unter den kleinsten Atomgewichten
zu suchen haben. ^
Es handelt sich zunächst um den dem Werte ^ benach-
2*
barten Term solcher Elemente und die dabei zu erwartenden
Dubletts. Dieser Term tritt auf als positives konstantes Glied
der I. und H. Xebenserie und als negatives Glied in der ersten
Linie der Hauptserie. Dem letzteren Vorkommen entsprechend
wird der Term allgemein mit 2 p bezeichnet. Den äußerst
nützlichen Tabellen von Dunz^) entnehme ich folgende Werte:
b Bearbeitung unserer Kenntnisse von den Serien, Diss. Tübingen 1911.
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
487
Li
2p
28581
N
2p
(2 — 0,041)'
He
29221
(2 — 0,063)'
Parhe
27174
(2 + 0,009)'
H
27419
22
An erster Stelle steht Lithium, an zweiter dasjenige Helium-
spektrum, dessen Linien als Dubletts beobachtet werden, an
dritter Stelle das früher als Parhelium bezeichnete Helium-
spektrum, welches einfache Linien zu haben scheint, an letzter
N
Stelle der entsprechende WasserstoflFterm Nach der ersten
Zeile weicht also Li und mehr noch He nach der einen Seite,
Parrhelium sehr wenig nach der anderen Seite von Wasser-
stoff ab. Diese Abweichung bringt die zweite Zeile noch
rationeller zum Au.sdruck durch Vergleich des Nenners des
betreffenden Serienterms mit dem Balmerschen Nenner 2^.
Aus der Ähnlichkeit der Serienterme schließen wir auf
eine Ähnlichkeit der Atomfelder und der einschlägigen Elek-
tronenbahnen. Also wird auch bei Li der Term 2 p entstehen
entweder aus einem annähernden Kreis oder aus einer Ellipse
von annähernd dem Verhältnis zwischen kleiner und großer
Achse. Die zugehörige Struktur wird also die eines Dubletts
sein von annähernd der Größe des Wasserstoffdubletts.
Daß die Lithiumlinien doppelt sein müssen, war nach der
Analogie mit den Serien der übrigen Alkalien zu vermuten.
Zeeman hat die Dublizität von A = 6708 zuerst nachgewiesen.
Vollständigere Daten verdanken wir Kent. Kent findet aus
der 11. Nehenserie bzw. dem zusammenfallenden ersten Gliede
von Hauptserie und H. Nebenserie
Av — 0,336, 0,339, 0,340 cm~'
und aus dem ersten bzw. zweiten Gliede der 1. Nebenserie
Av — 0,306, 0,326 cm“’ .
1) Astrophysical Journal, Bd. 2, 1914, pag. 343. Die Arbeit ist in
Tübingen ausgeführt.
488
A. Sommerfeld
Wir haben also, wie wir erwarteten, fast genau das Wasser-
stoffdublett zJj’ = 0,31 cm“*.
Den Unterschied zwischen den J r der I. und der II. Neben-
serie hält Kent für reell. Ich möchte in dieser Hinsicht mit
allem Vorbehalt auf folgende Erklärungsmöglichkeit hinweisen.
Die erste Linie der ersten Nebenserie entspricht durchaus Ha
(wie wir noch sehen werden, ist der negative zweite Term
dieser Serie bei Li noch Wasserstoff-ähnlicher wie der posi-
tive ei’ste); man kann also für diese Linie die erste Fig. 1
heranziehen, ebenso für die zweite Linie die zweite Fig. 1.
Miht man nun in jener als Dublettabstand den Abstand von
der Hauptlinie links bis zu der Hauptlinie rechts, die um
g
zl r, = - zl vu (vgl. Gl. (24)i) von der punktierten Linie ab-
ö 1
steht, so erhält man einen um 10®/o kleineren Abstand als
das theoretische zl Auf die Zi-Linie übertragen würde sich
an Stelle des Dublettabstandes 0,34, wie er aus der II. Neben-
serie folgt, der um 10°/o kleinere Wert 0,31 ergeben, der bei
der ersten Linie der I. Nebenserie tatsächlich beobachtet ist.
Mißt man ebenso in der zweiten Fig. 1 den Dublettabstand
von der Hauptlinie links bis zu der Mitte der beiden stärkeren
Komponenten rechts, die nach (25)i um
Jv, JVg _ 1
2 ~ 32
von der punktierten Linie absteht, so findet man einen um
3°/o kleineren Wert des Abstandes als den mit Avu bezeich-
neten Wert. Dementsprechend können wir bei der zweiten
Linie der 1. Nebenserie von Li statt des sonst beobachteten
Wertes 0,34 den um 3®/o kleineren Wert 0,33 erwarten, was
ebenfalls der Beobachtung entspricht. Bei der II. Nebenserie
dagegen tritt diese Komplikation nicht auf, weil der Term ns
bekanntlich stets einfach ist. Wenn unsere Deutung richtig
ist, würden wir hier eine sehr befriedigende Bestätigung des
bei den Balmer-Linien nicht nachweisbaren Einflusses des zweiten
Terms auf die Dublettbreite haben, von dem am Ende von
§ 6, 1 die Rede war.
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
489
Beim Helium ist die in der obigen Tabelle dargestellte
Abweichung des Serienterms vom Wasserstoff größer als beim
Lithium und liegt nach derselben Seite wie bei letzterem.
Während wir bei Li eine kleine Vergrößerung des Wasser-
stoffdubletts hatten, werden wir bei He eine größere Ver-
größerung desselben erwarten. Tatsächlich ergeben die Tabellen
für He Jr = 1,05 cm“’ .
Bei Parhelium ist die Abweichung des fraglichen Terms
viel kleiner als bei Lithium und liegt nach der anderen Seite.
Hier werden wir daher eine geringe Verkleinerung des Wasser-
.stoffdubletts erwarten, d. h. einen Wert Av<.0,Sl cm~’.
Damit stimmt es, daß Parhelium ein ausgezeichnetes Bei-
spiel für scheinbar genau einfache Linien und für normalen
Zeeman -Effekt liefert. Letzteres braucht natürlich nur zu
heißen, daß der Paschen-Back-Eff'ekt wegen Engheit des Du-
bletts schon bei kleinsten Magnetfeldern in Kraft tritt. Daß
sich auch die Linien von Parhelium schließlich als doppelt
herausstellen, ist natürlich keineswegs ausgeschlossen.
Noch Wasserstoff-ähnlicher als der Term 2p verhält sich
bei Li, He und Parhelium der Term 8 d, wie die folgende
Tabelle zeigt
3rf
’dd
Li
12202,5
(3-0,0020)2
He
12208,0
(3—0,0026)2
Farbe
12204,25
(3—0,0022)2
H
12186,0
32
Dieser Term müßte also in großer Reinheit die interes-
santen Tripletts, der Term A:d die Quartetts zeigen, die wir
oben beim Funkenspektrum des Heliums (§ 6, 4) besprachen.
Wenn unsere obige Deutung der Abweichung des Li-Dubletts
richtig ist, so haben wir in diesen bereits Merkmale der Exi-
stenz der Tripletts im ersten Gliede der 1. Nebenserie des Li,
des Quartetts im zweiten Gliede. In den gewöhnlich beob-
achteten Serien tritt der Term 3 d leider nicht als konstanter
positiver Term auf, so daß es hier zu einer vollen Ausbildung
Sitzungsb. d. math.-phys. Kl. Jahrg. 1915. 32
490
A. Sommerfeld
des Tripletts wie beim Funkenspektrum des Heliums nicht
kommen kann. Wohl aber kommt 3 d als positiver Term der
Bergmann -Serie vor. Wir müssen also behaupten, dah die
Bergmann -Serie (abgesehen von einer etwaigen Multiplizität
des zweiten eigentlichen Bergmann-Terms) aus Tripletts von
konstanter SchwingungsdilFerenz mit dem Komponentenabstande
1 : 3 besteht von der oben beim Wasserstoflf in § 5, 3 berech-
neten (also leider sehr minutiösen) absoluten Größe, und zwar
um so genauer, je Wasserstoff-ähnlicher der Term 2id ist. Auch
bei Na, K u. a. ist die Ganzzahligkeit des Terms 3 d recht
befriedigend, so daß die Bergmann-Serien auch dieser Elemente
guten Erfolg versprechen für den Nachweis unseres Triplett-
Typus, ebenso die Bergmann-Serie mit dem positiven Term 4 d
für den Nachweis unseres Quartett-Typus.
Besonders hervorheben möchte ich, daß unsere Diskussion
des Z(i-Dubletts die Brücke bildet zur Deutung der Dubletts
der Alkalien, also zunächst des D-Dubletts, und anderer Wasser-
stoff-unähnlicher Terme. Wie in § 5 k) hervorgehoben, reichen
die allgemeinen Betrachtungen hier natürlich nicht aus, son-
dern müssen spezielle Untersuchungen über die Atomfelder ein-
greifen, bei denen neue Konstanten zur Charakterisierung der
letzteren eingeführt werden. Im Gegensatz dazu können wir
sagen, daß unsere Wasserstoff-ähnlichen Multiplizitäten durch-
weg durch Null-konstantige Formeln dargestellt werden, d. h.
nur universelle Größen benutzen.
§ 8. K- und /.-Serie der charakteristischen Röntgen-Frequenzen.
Wir stützen uns auf folgende Tatsachen:
1. Die stärkste Linie der AT-Serie, die Linie, beob-
achtet von 13 bis Z = 60 durch Mo.seley^) und Malmer*)
{Z = Ordnungszahl der Elemente im natürlichen System), wird
nach Moseley dargestellt durch die Formel
(27)
9 Phil. Mag. 26, p. 1024, 27, p. 703.
-) Diss. Lund 1915.
Die Feinstruktur der Wasserstott- etc. Linien.
4!J1
Der Faktor -- — 92 ~ 4 ergibt sich nach Rydberg^) mit
einer Genauigkeit größer als P/oo.
2. Die jfir«-Linie ist nach weicheren Strahlen hin von einer
schwächeren Linie begleitet, die wir nennen werden. Der
Abstand von JC, und ist durch Mahner zwischen = 35
und Z = 60 gemessen. Wir sprechen also von dem iT-Dublett
und nennen seine Schwingungsdifferenz Jv.
3. Eine zweite Linie der Serie, die Linie, ist noch
härter wie A„ und in demselben Bereich wie Kn gemessen.
Eine dritte Linie A,,, härter als Kß, ist bisher nur in wenigen
Beispielen bekannt (Bragg, E. Wagner, Malmer).
4. Die bei gleichem Z weichere A-Serie ist, bei hohen
Ordnungszahlen Z, die bestbekannte Serie. Ihre stärkste Linie
heißt Ln, gemessen von Moseley u. a.
5. Von Moseley sind noch eine Reihe weiterer Linien der
A-Serie teils gemessen, teils nur beobachtet. Die gemessenen
Linien bezeichnet er mit Lß, A,^,, Ly. Sie sind alle härter
wie Ln. Ihre Formel ist noch nicht bekannt.
6. Zwischen den Schwingungszahlen von Kn, Kß und La
besteht nach KosseD) die Beziehung
(28)
Kß-Kn^Ln.
Bohr weist darauf hin, daß diese Beziehung eine Anwen-
dung des Ritzschen Kombinationsprinzips auf die Röntgen-
Frequenzen bedeutet. Sie besitzt daher eine durch das ganze
optische Spektrum hindurch bewährte große Sicherheit.
7. Aus (28) folgern wir als Darstellung der Frequenzen
von Kß und La mit Rücksicht auf (27)
(29)
Phil. Mag. August 1914, pag. 148.
2) Bericht der deutschen phys. Ges. 1914.
492
A. iSouimeil'eld
Die Bezeichnung M ist mit Rücksicht auf eine dritte, noch
nicht entdeckte Serie, die ,J/-Serie“, gewählt, deren Grenz-
frequenz durch N 21 dargestellt wird. Zu (29) ist zu bemerken,
dah der erste Term von Kß und streng WasserstofiF-gleich
wird, ebenso wie es erfahrungsgemäß beide Terme von Ka sind.
Die Untersuchung des ilZ-Terms, über dessen Charakter nichts
ausgemacht ist, ist eine interessante Aufgabe, die uns aber
hier nichts angeht.
Die Folgerung 2, Existenz eines jK^-Dubletts, hätten wir
nach unserer Theorie unmittelbar aus der Darstellung (27)
ziehen können. Während der erste Term derselben strenge
einfach ist, ist der zweite doppelt. Da er negatives Vorzeichen
hat, muß das Dublett umgekehrt liegen, wie z. B. beim Wasser-
stoff, d. h. die stärkere Linie (AT«) ist die härtere, was der
Erfahrung entspricht. In derselben Weise können wir aus
der Darstellung (29) schließen, daß La ein Dublett sein muß
vermöge seines positiven ersten Terms. Der Charakter des
zweiten Terms scheidet dabei, als unbekannt, völlig aus. Dieses
Z-Dublett muß dieselbe Schwingungsdifferenz und umgekehrte
Lage wie das AC-Dublett zeigen : Die stärkere Linie (La) ist
die weichere; die schwächere zweite Linie des Dubletts ist auf
der härteren Seite zu suchen. Nach unserer Formel für die
aus dem Terme entstehenden Dubletts, Gl. (20), könnten
wir die zweite Linie des L-Dubletts voraus berechnen. Wir
würden sie mit der Moseleyschen Linie Lß identisch finden.
In der Tat hat 8. W. Kos.seD) empirisch gezeigt, daß in
Schwingungszahlen gilt:
(30) Lß— La^ Ka — Ka-.
Diese Feststellung Kossels ist unabhängig von meiner
Theorie erfolgt und hat mich umgekehrt, bei Gelegenheit eines
Colloquium -Vortrages von Hrn. Kossel, dazu geführt, meine
Theorie auf die Röntgen -Frequenzen anzuwenden. Gl. (30)
besagt, daß wir die Schwingungsdifferenz J r des AT-Dubletts
1) Berichte der deutschen phys. Ges. lOlh.
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Idnien.
-19:5
ebenso gut oder vielmehr besser aus dem L-Dublett entnehmen
können, wenn wir als solches nach Kossel die Linien La und
Lß zusammenfassen. Die Messung des L-Dubletts ist deshalb
die bessere, weil die Wellenlängendifferenz bei den weicheren
L-Linien gröber ist, als bei gleicher Schwingungsdifferenz die-
jenige der härteren /C-Linien.
Unsere Theorie erlaubt nun aber, nicht nur Existenz und
Gleichheit der K- und Z-Dubletts, sondern auch ihre Gröbe
vorher zu sagen. Nach Gl. (20), der ersten und einfachsten
Anwendung unserer Theorie, soll nämlich sein
, NaBfEY
während andererseits nach Gl. (23) war
Jvfi =
NaB
2*
Also folgt
(31) Av=(^^y.Av„ = {Z—iyAvu.
Hier ist ^ nach der Moseleyschen Formel (27) für Ka
und nach der daraus abgeleiteten Formel (29) für L„ gleich
Z — 1 angenommen worden.
Av
Nach (31) mub also konstant und gleich zJj'//sein.
(Z — 1)
Diese Beziehung bewährt sich mit auberordentlicher Schärfe
durch das ganze natürliche System hindurch von Z=39(U)
bis Z=79 (Äu), d. h. in dem ganzen Bereich, in dem Mes-
sungen vorliegen. Es fallen eigentlich nur zwei Elemente,
nämlich Z=34 {Se) und Z = 35 (Br) aus der Regel heraus.
Offenbar ist hier, bei Beginn der Reihe, wegen des fehlenden
Anschlusses an Nachbarelemente, die Auswahl der richtigen
Linie aus den Malmerschen Aufnahmen erschwert gewesen.
Das Nähere zeigt Fig. 3. Die aus den AC-Dubletts ge-
wonnenen Punkte sind durch Kreuze, die aus den Z-Dubletts
durch kleine Kreise bezeichnet. Die letzteren liegen viel regel-
A. iSomiiierfeld
■t!U
mät^iger wie die ersteren, was wir nach Art ihrer Messung zu
erwarten haben. Bei den iC-Dubletts habe ich einige Werte
nach gef. brieflicher Mitteilung von Hrn. Malmer gegenüber
den in seiner Dissertation gedruckten Zahlen abgeändert. Die
verbesserten Werte liegen fast durchweg mehr im Sinne unserer
Regel, wie die ursprünglichen.
Fi-. 3
Durch die Beobachtungswerte kann man ohne Zwang eine
Kurve hindurch legen, welche sich durchweg in der Nähe des
Wasserstoffwertes /fra = 0,31 hält. Unsere Regel ist also
exakt bestätigt.
Der kleine Gang in den Versuchs werten, der sich in dem
Anstieg der Kurve von kleineren zu größeren Z äußert, kann
dabei verschiedene Ursachen haben.
a) Am nächsten liegt es, hierin eine Wirkung unseres
Korrektionsgliedes zweiter Ordnung, des mit dem Faktor C
behafteten Terms in Gl. (18) zu sehen. Bildet man nämlich
nach dem Vorbilde von (20) die Differenz des Ausdruckes (18)
für n' = n = 1 und für n = 2, ^^' == 0, so ergibt sich unter
Beibehaltung auch des zweiten Korrektionsgliedes
Jr —
Wi,o—m,o NaB/uyi
Oi
[
1 +
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Linien.
495
Der hier eingefuhrte Koeffizient 1) ei gibt sich nach (19) zu
(32) I) - = 10-
4
E
Tragen wir die Werte für Avh und — = Z — 1 ein, so
folgt nunmehr
Av = Avh{Z — \Y{\ -\- a{Z—\fD}.
An der oberen Grenze unseres Gebietes, Z=79, ist die
Korrektion a{Z — 1)^ keineswegs mehr zu vernachlässigen; sie
beträgt nämlich:
a{Z— 1)2 = 13.10-6 • 782 = 8.10-2.
Mit dem berechneten Werte D — 10 würde sich hiernach
sogar ein wesentlich stärkerer Gang der Kurve in Fig. 3 ei-
geben, als er aus den Beobachtungen folgt. Die Beobach-
tungen geben nämlich eine Vergrößerung der Werte bei großen
Z gegenüber denen bei kleinem Z nicht um 80°/o, sondern nur
etwa um 30 “/o.
Nach den Zweifeln, die sich am Ende von § 4 gegen die
absoluten Zahlenwerte von A, B und G erhoben, wäre es mög-
lich, daß der Wert ü — 10 zu groß ist. Wir begnügen uns
daher mit der qualitativen Feststellung, daß der Gang der
Fig. 3 im Sinne eines positiven Wertes von D liegt, wie ihn
unsere Theorie verlangt.
b) Eine andere Unsicherheit liegt in dem Faktor (.Z— 1)2
der Moseleyschen Formel (27) und der daraus abgeleiteten
Formeln (29). Im Sinne des Kombinationsprinzips und der
allgemeinen Seriengesetze steht es nämlich frei, den fraglichen
Faktor für beide Terme von AT« verschieden anzusetzen und
dementsprechend (27) und (29) folgendermaßen abzuändern:
'(z_/,)2 _ {z-iy\
12 22 J
(27')
(29')
= n(^
K,.
N
(Z~-hY
12
{z-iy
22
— M
. K,
3/
49H
A. Sommerfelu
Hier weist der Buchstabe k auf ^ Grenze der Ä^-Serie“.
der Buchstabe / auf „Grenze der L-Serie“ hin. Während die
Exaktheit der Faktoren und durch den Nachweis der
1-
K- und /y-Dubletts im Sinne unserer Theorie aufs sicherste
gestützt wird, sagt unsere Theorie über die jeweils wirksamen
Kernladungen, d. h. die Faktoren (Z — ky und (Z — If nichts
aus. Eine Abänderung der Zahlen k und l gegen 1 wird ersicht-
lich neben der groben Zahl Z die Darstellung der Schwingungs-
zahlen V nur verhältnismäßig wenig beeinflussen. Übrigens ist
in jedem Falle bei den Gl. (27) und (29) noch die Relativitäts-
Korrektion für die Kreisbahnen hinzuzufügen, d. h. unser mit
dem Koeffizienten A behaftetes Glied in Gl. (18), welches bei
großen Werten vonZ — Ä und Z — l keineswegs zu vernach-
lässigen ist. Auch aus diesem Grunde ist z. B. die Moseleysche
Formel für Ä'« noch nicht als definitiv anzusehen.
Ist nun in dem A-Term tatsächlich Z — 1 in Z — l abzu-
ändern, so ist auch Gl. (31) abzuändern in
(3n
Av = {Z—JfAv„.
Wir hätten dann, um in Fig. 3 konstante Ordinaten zu
Av Av
erhalten, nicht, wie wir es taten, iji’ sondern ^
auftragen müssen. Unsere Darstellung in Fig. 3 muß daher
auch aus diesem Grunde einen kleinen Gang zeigen (klein, da
die jedenfalls mäßige Zahl J neben der großen Zahl Z steht).
Übrigens bemerke man, daß die Relativitäts-Korrektion, auf
deren Notwendigkeit bei der Darstellung der v soeben hin-
gewiesen wurde, für die Jr durch Dilferenzbildung herausfällt.
Die Feinstruktur der K- und //-Linien gestattet daher, die
Natur des Z-Terms unmittelbarer und einfacher zu prüfen, als
es die durch die Relativitäts-Korrektion komplizierte Lage der
K- und /-Linien selbst ermöglicht.
c) Schließlich ist noch bei den /-Dubletts auf den mög-
lichen Einfluß des negativen zweiten Terms (des Gliedes M
in (29)) hinzu weisen. Wenn dieser Term, wie es wahrschein-
Die Feinstruktur der Wasserstoff- etc. Ijinien.
107
lieh ist, deu Charakter ^ hat und daher, für sich betrachtet,
zu Tripletts Anlaß gibt, so würde für das Dublett (L„, L/)
genau dasselbe zutreflfen wie für die Wasserstoff-Linie Ä, ; wir
können uns daher, vom Maßstabe abgesehen, direkt auf Fig. 2
beziehen. Aus dieser Figur geht hervor, einmal, daß L„ und
Lß von Satelliten auf der weicheren Seite begleitet sein sollen
(bei Pt-Aufnahmen von E. Wagner sind solche in der Tat vor-
handen), sodann aber, daß der gemessene Abstand der Haupt-
linie La und der Hauptlinie Lß nicht genau gleich sein soll
dem theoretischen Dublett. welches wir aus dem ersten Term
vom Charakter ^ errechneten, sondern etwas kleiner ausfallen
müßte, nämlich, um den Abstand der beiden ersten Linien des
Tripletts, welches zu dem zweiten Term ^ gehört. Um also
das gemessene L-Dublett auf den theoretischen Wert (31) von
Av zu korrigieren, der dem ersten Term allein entspricht,
hätten wir die Beobachtungswerte des L-Dubletts um einen
gewissen Bruchteil ihres ganzen Wertes zu vergrößern. Da-
durch würde die ganze Kurve der Fig. 3 ein wenig gehoben
und die durchschnittliche Übereinstimmung ihres Verlaufes mit
A Vff — 0,31 noch verbessert werden. Dagegen würde bei den
Ä^-Dubletts eine entsprechende Korrektion nicht anzubringen
sein, weil der erste Term von AT« einfach ist und deshalb das
aus dem zweiten Term berechnete Dublett in der Beobachtung
der JV-Serie rein zum Ausdruck kommt.
Die Verhältnisse liegen bei der K- und L-Serie genau
so, wie bei der Hauptserie und H. Nebenserie einerseits, der
I. Nebenserie andrerseits der im vorigen Paragraphen bespro-
chenen Lithium-Dubletts. Da der erste Term der Hauphserie
und der zweite der H. Nebenserie einfach ist, ergaben sich bei
diesen Serien Dubletts von strenge konstanter Schwingungs-
differenz. Dagegen ergab die Beobachtung in der I. Neben-
serie ein merklich niedrigeres A r, welches wir im Anschluß
an Fig. 1 auf die Multiplizität des zweiten Terms dieser Serie
198
A. Sommerfeld
schoben. Überhaupt besteht eine durchgehende Anologie zwi-
schen der K-Serie der X-Strahlung und den Hauptserien des
sichtbaren Lichtes, sowie zwischen der L-Serie der X-Strah-
lung und der sichtbaren I. Nebenserie. —
Offenbar spielt der Vergröherungsfaktor {Z — 1)* (resp.
allgemeiner {Z — l)*) bezüglich der Beobachtbarkeit der K- und
L-Dubletts ganz dieselbe Rolle wie der für das Funkenspek-
trum charakteristische Faktor 2* = 16 bei den Paschen’schen
Beobachtungen der i^e-Tripletts. So wie diese Tripletts und
die von uns vermuteten anologen Quartetts gegenüber den ent-
sprechenden Erscheinungen beim Wasserstoff versechszehnfacht
erscheinen und dadurch der genauen Messung zugänglich wer-
den, erscheint im Gebiete der Röntgen-Strahlung das minu-
tiöse Wasserstoff-Dublett durch den Faktor (Z — lü, der bei
den schweren Elementen von der Ordnung 10® wird, makro-
skopisch vervielfacht; es ist daher in diesem Gebiete, trotz
seiner einstweilen noch wenig ausgebildeten Meßtechnik, viel
genauer möglich, die zweifache Natur der Quantenbahnen des
Terms festzustellen, als bei der direkten Beobachtung der
Wasserstoff-Dubletts. Man könnte geradezu sagen, daß man
den genauesten Wert für das Wasserstoff-Dublett erhält durch
Messung der Schwingungsdifferenz von Lß und L„ bei Platin
oder Gold.
Nachschrift bei der Korrektur, 10. Februar 101(5.
1. Die inzwischen von Hrn. Planck veröffentlichte Struktur-
theorie des Phasenraumes (D. physik. Gesellschaft, 1915, pag. 407
und 438) deckt sich in ihrer Anwendung auf das Coulombsche
Gesetz (Berliner Akademie, 16. Dezember 1915) vollständig mit
meiner die Phasenintegrale betreffenden Forderung. Man über-
zeugt sich davon am direktesten, wenn man die Formeln (18)
für große Achse und Parameter der quantentheoretisch aus-
gezeichneten Ellipsen bei Planck (Berl. Akad.) vergleicht mit
meinen Formeln (21) für die große und kleine Achse derselben
Die Feinstruktur der Wasserstofl- etc. Linien.
oder mit den Fig. 3, 4, 5 in der Abh. I. Die Auffassung der
Balmerschen Serie dagegen ist bei Planck und mir grundsätzlich
verschieden ; soviel ich sehe, kann die Plaucksche Auffassung
keine Rechenschaft geben von den Multiplizitäten der Spektral-
linien, im Besonderen nicht von den Wasserstoflf-Dubletts.
2. Die mehrfach betonte Unstimmigkeit in der absoluten
Größe des Wasserstolf-Dubletts läßt sich dadurch beseitigen»
2 TZ
daß man die Phasenintegrale in II, § 3 nicht von 0 bis
erstreckt, sondern, ebenso wie bei nicht-relativistischer Rech-
nung und scheinbar ohne Rücksicht auf die Perihelbewegung
der Kepler-Ellipse, von 0 bis 2 n. Dann ergibt sich an Stelle
von (12) und (13):
n h
und an Stelle der Zahlen werte in (19) und (32)
A = \, B = 4, U = 2 -t- 12 -h 24 f 4
n J
Der Wert B = 4 stimmt mit dem im Anfang von § 6
aus den besten Messungen abgeleiteten Werte B = 3,6 über-
ein; der Unterschied von 10®/o entspricht dabei genau dem
Umstande, daß ebenso wie Li (§ 7) oder wie in der X-Serie
(§ 8) die Dublettgröße bei Ha um 10®/o zu klein gemessen
wird gegenüber dem idealen Grenzwert dieses Dubletts in den
höheren Seriengliedern. Andererseits stimmt der Wert = 1
überein mit derjenigen Relativitätskorrektion, die unmittelbar
aus den Kreisbahnen berechnet wurde (Schluß von § 4), und
beseitigt daher die störende Diskontinuität beim Übergänge
von den Ellipsenbahnen mit kleiner Exzentrizität zu der Kreis-
bahn. Endlich erklärt der gegen früher viermal kleinere Wert
von D auch im Wesentlichen quantitativ den Gang der Kurve in
Fig. 3. Die Hebung der Kurve bei großen Z beträgt nämlich
jetzt nicht mehr 80 “/o, sondern nur 20®/o(nach den Beobach-
tungen waren es 30®/o). Unser abgeänderter Quantenansatz
500 A. tJoinmerfeld, Die Feinstruktur der Wasserstott- etc. Linien.
behebt also alle zahlenmäßigen Unvollkommenheiten unserer
Theorie, ohne die allgemeinen Folgerungen zu beeinträchtigen.
Der neue Ansatz läßt sich auch sehr schön verstehen : als
(^uantenansatz vom Standpunkte eines mit der Perihelbewegun
mitrotierenden Koordinatensystems, durch dessen Einführun
das Problem der Quantenverteilung im relativistischen Falle
reduziert wird auf dasjenige im nicht- relativistischen Falle
unserer Abhandlung I, so daß jede Willkür oder Unsicherheit
im Ansätze behoben ist.
tc bc
Sitzungsberichte
der
mathematisch-physikalischen Klasse
der
K. B. Akademie der Wissenschaften
zu München
1915. Heft I
Januar- bis Märzsitzung-
Mtochen 1915
Verlag der Königlich- Fayerischen Akademie der Wieeenschaften
in Kommission des 6. Frauz’sclien Terlsgs (J. Roth)
Seite
Mitteilungen über die Klasseneitzungen vom Januar^ Pebruar u. Marz 1*
Abhandlungen. - -
P. Debye: Die Konstitution des Wasserstoff- Moleküls. . . 1.
A. Prihgsheiin; Über eine charaktenatisQhe Eigenschaft söge-
nannter Treppenpolygone, und deren Anwendung auf einen - -
Fundamentalsatz der Funktionentheorie- . . . : - . 21 < ~ -
A. Pringsheim: Nachtrag zu-der vorstehenden Abhan^ung . 68^.-
5. Finsterwalder; Eine neue Lösung der Gründaufgabe der Luft-
phötögrammetrie . - . ^ , . ... 67
M. Lagally: Zur Theoiie der Wirbelschichten . . " . . 79
6. Mittag-Leffler:\,Über die analytische Darstellung -eines ein- •
deutigen Zweiges einer monogenen Funktion ^ . . 109
E. Cznher; Eine igepmetrische Aufgabe ' . - ~ - - - ■ 166
a ; ' __
^ 1
JLkademiaeb« Bacfadrnekerei von F. Straub in Uunohen. .
Sitzungsberichte
der
mathematisch-physikalischen Klasse
der
K. B. Akademie der Wissenschaften
zu München
1915. Heft II
Mai- bis Julisitzung
München 1915
Verlag der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften
in KommisiHOD des 6, Franz'sclieu Veclagg (J. Rotli)
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Seite
Mitteilungen über die Klaasensitzungen vnm Mai, Juni und Juli '6*
Abhandlangen.
H. Liebmann: Die Liesche Geraden-Kugdtraneförmation und ihre
Verallgemeinerungen . ... • • • -189
S. Finsterwalder.-^ Ül>er die Ausgleichung des zukünftigen baye- ^
/' rischen Hä/Uptdreiecksnetzes . . . ' . . . 199
A. F,öppl: Die Lösung der Spannungsaufgabe für das Ausnahme- ,
; fachwerk . . ... . . . 211
A.;'Vja38: Über die Transformation linearer Formen und die Lösung ,
linear«- Gleichungen . . ., . . . . . 231
F. Böhm: Beiträge zum Äquivalenzproblem der Raumkurven 267
0. Szaaz: Über eine besondere Klasse unendlicher Kettenbrüche
mit komplexen Elementen - . . . . . ' . 281
0. Frank: „Anwendung des Prinzips der gekoppelten Schwingungen "
auf einige physiologische Probleme . , . • . • 289
E. Landau: Über Dirichlets Teilerproblem . . . . . 317
AksübiuiKi'li« nucti<lruckbrei voD P. Straiil) in M Uneben.
Sitzungsberichte
der
mathematisch-physikalischen Klasse
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K. B. Akademie der Wissenschaften
zu München
1915. Heft III
November- und Dezembersitzung
München 1915
Verlag der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften
in Kommission des 6. Frsnz'schen Verlags (J. RoUi)
Seit«
Mitteilungen über die Klassensitzungen vom November und Dezember 9*
Verzeichnis der itn Jahre 1915 eingelaufenen Druckschriften . 13^
Abhandlungen.
M. Schmidt: Senkungserscheinungen an der Frauenkirche in
München und Lageänderung von Hauptdreieckspunkten in
Südbayern (mit 1 Tafel) 329
A. Endrös: Die Gezeiten, Seiches und Strömungen des Meeres
bei Aristoteles 365
A. Pringsheim: Ober die Weierstraßsche Produktdarstellung
ganzer transzendenter Funktionen und über bedingt kon-
vergente unendliche Produkte . . . . . . 387
H. Fischer; Über die Einwirkung von Brom auf einige Tyrrol-
derivate . - . 401
G. Mittag-Leffler: Über einen Satz des Herrn Serge Bernstein 419
A. Sommerfeld:, Zur Theorie der Balmerschen Serie ; . 425
A. Sommerfeld: Die Feinstruktur der Wasserstoff- und der
Wasserstoff- ähnlichen Linien . . . ... . 459
Akadtsmische BucbdrucksrSi vou F, Btniub iu MOucIhid.
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