Skip to main content

Full text of "Sämtliche Werke"

See other formats


9311 eve 1941 € | 1 


N 


ge 


8 ! 


| 5 


>. 


Friedrich von Matthiffong 


ſaͤmmtliche Werke. 


er 
— 


* 


re DAR ® 
Enthält: 


Gedichte. 


FFT 


Wien, 1814. 


In Commiſſion bey Cath. Gräffer und Härter. 


2 


* . 


2 


Gedichte 


von 


Friedrich von Matthiſſon. 


Se ey rer L:hieni.d 


Neueſte, ſehr vermehrte und vollftändigfte 
Ausgabe. 


Wien 1815. 


In Commiſſion bey Cath. Gräffer und Härter. 


Matthiſſons Gedichte. 


ter gi. 


A 2 


>>>> BIDIIIDIIIII>IIII><< <<< ce << <<< ec 


Sn b a . 


Diet. 1a Bm 
1.7370 68 1208 


ö Seite. 
Opferkränze auf Dankaltäre. Vevay. 
Bern. 2 2 
„ 
Rom. 2 P 2 2 2 7 2 P z 2 
Magdeburg. - 
Frankfurt am Mayn. 2 = 2 > 2 2 : 11 
Bogen in Tyrol. ; ⸗ 2 = 2 E : 15 
Anſpach. 2 2 2 2 z z 2 7 g 16 
Baſel. 2 2 2 2 z . 2 2 2 2 19 
Stuttgard. 2 2 3 3 2 2 2 2 2 21 
Nyon. z z 2 2 2 . = z 25 
Sandersleben. 2 z E 2 e e : e 30 
Wörlitz. 1806. z 2 2 2 2 2 2 z 34 
Wörlitz. 1807. = 2 e 2 : 2 2 2 37 
Auf der Reife. : 2 z s 2 z s c 39 
Vury bey Vevay. . 2 2 2 2 2 2 4 
Im Livinerthale. = 2 2 2 2 z 2 44 
Lugano. : aM 2 e 2 P 5 2 45 
Die Landſchaft. 2 2 2 2 z 5 2 : 40 
Blume des Andenkens. = z 2 2 2 2 z 47 
Villa Pliniana. z z 2 2 z z 2 48 
Hesperiens Zauber. 2 z 2 2 z 2 E 50 
Der heilige Plinius in Como. RER e e 52 
Petrarchs Virgil in Mailand. s P EINE : 55 
Der Herbftabend. = 2 2 2 2 : 2 54 
Tibur. Am letzten Abend des Jahrs 1795. 56 
Sympoſium in Tibur, z 2 z 2 2 z 2 57 
Angelika. Arent eee 50 


* 
* 

* 
* 


* 


2 “ 2 
7 


* 
* 
* 
\ 
* 
* 
* 
nano 


* 
* 
* 
* 
* 
** 
* 
* 
© 


* 


era VI S 


Angelika's Kranz. - p e s . 2 60 
Gemähldeausſtellung. = E r z z 2 2 61 


Raphaels Verklärung. = : z 2 E z e 62 


Campo Vaccino. “ ⸗ . - 2 z z 7 63 
Monologen in Italien. z : : 2 2 2 65 
Raphaels Madonnen. Guido's Madonnen. 2 2 70 
Raphaels Cäcilia. Domenigino’s Cäcilia. 2 N 71 
Guido's Aurora. Guercino's Aurora. - + 2 22 
Lord Blockhead in Rom. < 2 2 + - 2 73 
Halcyoniſche Tage. > 2 . - P 2 74 
Baja. . z 2 2 7 7 2 z z 2 75 


Der Lorber an Virgils Grabe. 335 Ei > 76 
Die Enpreffen im Weingarten. z : 2 : z 727 


Hamiltons Vaſen. = 5 5 2 z D r : 78 
Paſtum. z z z z 2 : 2 z z 79 
An eine Auelſe 32 se se Ye sage 80 
Stummes Dulden. E : 2 * 2 z 81 
An die Nymphen. 2 e . - 2 2 2 82 
Der Fremdling. = 3 * 0f% e e We 93 
Die Schatten. 2 z 2 z 2 z z z 86 
Der Geiſtertanz.⸗ : : z z ER 87 


Strophen, dem Geburtsfeſte eines ee Prinzen geweiht. 89 
Lied der Nixen. 2 2 2 z + 2 2 2 91 
Sehnſucht nah Rott. = = 2 se „ 3% 93 
Hygea. 2 2 2 2 
Gemählde der Zei. 12 2 2 02.2 2 „1:05 
Erkannte Wohlthat. 2 2 2 2 z . z 110 


* 


Vergebliche Frage. . z - P 33 zen 111 
Pomona's Haine. 2 2 . - z z P 112 
An Salis. 2 7 z z a z z 2 2 115 
Todtenopfer. = . 5 2 2 5 2 z T 114 
Klage der Oreaden. : e : P 2 „Nu 115 
Geßners Schatten. z z 2 z FIIR 2 116 
Verheerte Wälder. ⸗ - 5 2 2 z 117 
Abeli's Landſchaften. z 2 2 2 2 2 z 118 


Die Stimme in der Wüfte, > zu , mn re 
Abendſpatziergang bey Innsbruck. = 2 x ⸗ . 120 
Tyrols Landſtraßen. z : 2 2 2 
Ermahnung in Tyrol. D 2 
Die Eypreffe an Gräbern. . - 2 z = 123 
Abenteuer des weiſen und tapfern Ritters Alin. 8 124 


u“ 
* 
* 
* 
— 

» 

0 


Nandgloſſen. - 
Zauberlied. = 


N 
* 
* 
* 


Deere 


i 


* 


t 


* 


* 


ra u m. 


D nne 


Das Grab. D : s ⸗ 2 


Hochzeitlied. An Heinrich von Saldern. 


* 


Zwey Jünglin ge an ihre Mutter. 
Epitaph. 2 2 2 z x 
Regentenſpie gel, = 2 z z 
Angebinde auf Eduards Wiege. 
Feldblumen. Carlsbad und Eger. 

Die neuen Argonauten. 1 
Heldenſkolie. - : 
Opfergeſang. = : P 
Lied am Zeitenſtrome. 


* 
* * 


* 
* 


Opfergeſang an Hygea. : 
An Haug und ſeine Luiſe. 8 
Zuruf. 7 z 2 2 2 2 


Theatergeſange zur Churwürdenfeyer in Stuttgard 


An den Frieden. z z u 


An die Muſen im Pantheon zu Wörlitz. 


* 


— 
2 


z 


— 
2 


* 


Danklied. Dem Landesretter von den Einwohnern der Stadt 
Worlitz mit einem Eichenkranze geweiht. 


Gebeth für den Landesvater. 6 
An den Weltgeiſt. : ; 


* 


n n 


Fragment einer afademifchen Rede. 
Empfindſamkeiten am Rheinfalle. -: 


Goldene Lehren eines phlegmatiſchen Kosmopoliten an 


nen auf Reifen gehenden Sohn. 
Charaͤden. z e z D 


Logogryph. An den Oberforſtmeiſter von Wildungen. 


Die Naſenfeyer. Eine Tafelcantate. 
Guckkaſtenlied. P 2 z 7 
Morgenhymnus einer neuen Sappho. 


* 


7 


7 


W 


7 


z 


£ 


7 


Reiſeplan. An Herrn Scherer von Grandclos. 


N 


* 


2 


7 


* 


2 * * 


* R * 


157 
159 
161 
163 
164 
166 
168 
184 
189 
102 
193 
194 
198 
200 
201 
207 
208 


210 
213 
215 


219 


22 
— 


224 
227 
251 
235 
253 
239 
241 


essen VIII ere 


Seite. 
Wortſpieldialog. 2 D B z 2 a = 244 
Unauflösbares Räthſel. Prolog. - ⸗ 7 a 2 245 
Stammbuchsblatt für Peregrinus. 2 2 2 247 
Poſſe. x z 2 . 3 2 2 2 250 
Lob der Bewegung. 7 7 7 D 2 2 252 
Ideal eines Hauslehrers. 2 7 7 2 2 = 255 
Verlobungsanzeige. z ⸗ 2 2 2 a ⸗ 257 
Heirathsanzeige. ⸗ z 2 z z 2 2 3 258 
Entbindungsanzeige. # 7 z - 5 2 2 259 
Porträt eines Hundes. 5 = z P 7 261 
Anmerkungen. a z z : z 7 „ 


iter Zeilr um. 


1795 bis 1799. 


Matth. Werke. 2. B. N 


e 


DIIIHITIITTII I TIFI . . <a ce ee ee << ce <<< 


Opferkränze auf Dankaltare, 


Gen u. 
1799. 


Wo der See, mit grüner Welle, 
Dumpf der moosbedeckten Zelle 
Schroffe Klippenwehr umſchäumt, 
Hallt dein Nahm', in ſtiller Feyer, 
Wenn der Berge Silberſchleyer 
Sich mit Abendgold beſäumt. 


Der Gewährung Stunde ſegnet, 
Da ſein Auge dir begegnet, 
Dankend hier ein Eremit, 
Deſſen Bruſt, im freyen Schooße 
Wilder Felſen, für das Große, 
Schon und Gute reiner glüht. 


Wenn der Alpen Rieſengipfel, 
Wenn des kleinen Landhofs Wipfel, 
Sanft gewiegt im Vollmondsſchein, 
Und des Seewalds Buchenhallen 
Deinem Blick vorüberwallen, 
Dann, Electra, denk' auch ſein. 

A 2 


III LIN 4 DIILE 


Der Erinn'rung ſoll im Gärtchen, 
Vor der Clauſe Weidenpförtchen, 
Ein Altar ſich fromm erhöh'n; 
Da wird einſt am Fluthenſpiegel 
über des Entſchlaͤfnen Hügel 
Einſam die Cypreſſe wehn. 


Selig, ſelig ſey dein Leben! 
Selig dein Hinuberſchweben 
Zu verwandter Geiſter Chor! 
Walle, ſpaͤt, im Sternenkranze, 
Hoher Geiſt, von Glanz zu Glanze, 
Aus dem Nebelthal' empor. 


EE S S S SCC K 


II. 


1794. 


* 


Schweb', erhabener Geiſt! empor zum Gipfel, 
Wo im ewigen Atherglanz die Hoffnung 

Des unſterblichen Seyns ihr Götterantlitz 
Freundlich entſchleyert. 


Gleich dem Hirten auf hoher Alpenſpitze, 
Der im Sonnenſchein ſingt, indeß Gewitter 
Unten donnern: erblickſt du da des Grabthals 
Nebelgefilde. | 


Aber golden und rein ſiehſt du der Heimath 
Sterne leuchten! O Seele! bis zum Hinflug 
Dir dein Genius winkt, weil' auf dem heitern 
Gipfel der Hoffnung! 


— 6 — 


CCC 


III. 
C 0 m 0. 


1795. 


An Como's Waſſerſpiegel, wo ſchlank und hoch 
Aus Myrthenblüthen ſich die Cypreß erhebt, 

Und brauſend bey der Pliniana 

Luftiger Halle der Strom herabſchaͤumt: 


Da hellte meinem Auge dein Genius 
Der Zukunft Fernen. Sieh! deine Lebensbahn, 
Nicht mehr ein ſchroffer Bergpfad, neigte 
Sanft ſich am Arno durch Lorberhaine! 


DIIIIDIIIIDIPII II II ya << << ec eeeece 


Pk in der Hoffnung 
Magiſchen Spiegel, 
Schau' deiner Zukunft 
Liebliche Landſchaft: 
Lorber und Pinje! 
Myrth' und Cypreſſe! 
Glänzender Ather! 
Blumen im Winter 
Noch auf den grauen 
Reſten der Vorwelt! 


Dort ein umbüſchtes 
Freundliches Landhaus, 
Hoch an der Tiber 
Heiligen Ufern! 

Da wird, beym Reigen 
Scherzender Horen, 


N 2 8 9 


Lacheſis Händen 
Golden des Daſeyns 
Faden entgleiten, 
Bis dich der hehren 
Gruft - Pyramide 
Todtenfeld aufnimmt. 


Harre nur muthvoll! 
Dulde mit Hochſinn! 
Sicher, ſo ahn' ich, 
Wirſt du des Circus 
Stäubende Laufbahn 
Durch das Triumphthor 
Siegend verlaſſen. 


>I>Iy >>> >m >>> >>>>> >>> ee ee Le LES E€ 


v. 
Magdeburg. 
EFT 


Ich preiſe die Götter, 
Die Frieden dir ſandten; 
Es hörten die Hohen, 

Die Guten, mein Flehn! 


Ich preiſe die Götter! 

Als Pſychen ſie ſandten, 

Die Bothinn des Friedens: 
Da tagte die Nacht! 


Als Pſyche, wie Hesper 

Nach Alpengewittern, 

Dein Innres durchſtrahlte: 
Da floh das Gewölk! 


Als ihrer Gefühle 
Melodiſchem Einklang 
Die deinen erbebten: 

Da ſchwieg der Orcan! 


nur 10 usa 


Ich preiſe die Götter, 
Die Milden, die Großen, 
Die Rettung verhießen 
Dem Dulder Oreſt. 


Sie preiſ' ich, bis Odem 

Und Laute mir ſchwinden: 

Sie ſandten Electra 
Zum Genius ihm. 


Vernimm, o Electra! 

Vom Nebelgeſtade 

Der öden Verbannung 
Des Einſamen Lied. 


Wann lachſt du entnebelt, 

O Ather! mir wieder? 

Wann winkſt du Befreyung, 
O Genius! mir? 


ren 11 e 


F TTT 


VI. 
Frankfurt am Mayn. 
1798. 


Die Sonnen, die Erden, 

Die Sterne ſie ſchwinden 

Im Strome der Wandlung: 
Das Ewige bleibt! 


Die Freuden der Menſchen 
Sind flüchtig wie bunte 
Gewölke des Abends: 

Das Ewige bleibt! 


Was iſt es, was länger 

Als Erd' und Orion 

Und Sirius dauert, 
Das Ewige, was? 


Was iſt es, Electra, 
Das noch auf den Trümmern 
Zerſcheiterter Welten 

Den Edlen beglückt? 


era 12 1 
Das biſt du, o Gleichklang 
Der ahnlich geſchaffnen 
Harmoniſchen Seelen, 
So ewig, wie Gott! 


Du wandelſt Orcane 

In Hauche des Lenzes, 

Schaffi Oden zu Garten 
Hesperiens um! 


Du hallſt, durch die Bahnen 

Der Sonnenſyſteme 

Entzlcken, der Geiſter 
Unſterblichem Chor. 


Ihr tönſt du, der hohen 

Vertrauten des Himmels, 

Ergebung und Hoffen 
Im Thale der Nacht! 


2 13 d 


DIIIINIIIDIIDIIIIIII>I<<CLE CI EI EL SE LEE EEE 


VII. 
Boten in Tyrol. 


11985 


Noch toſen die Fluthen, 

Noch brauſen die Stürme, 

Noch walten Dämonen 
Im Wolkengezelt! 

Wir ſchweben umnachtet, 

Auf donnernder Woge; 

Es funkelt am Himmel 
Kein leitender Stern! 


Doch herrſcht noch die Hoffnung 

Gewaltig am Steuer, 

Und raſcher nach Süden 
Beginnt ſchon der Lauf, 


Wo werden wir ſcheitern? 

Wo werden wir landen? 

Wo deckt uns die Erde? 
Wo birgt uns die Fluth? 


* 


9 14 nn 


Das wiſſen die Götter! 

Weir ahnen und harren, 

Wir kämpfen und ſtreben, 
Wir opfern und flehn! 


O laßt uns, ihr hohen 

Unſterblichen Herrſcher, 

Noch ein Mahl gelingen 
Die ſüdliche Fahrt! 


Ihr hört unſer Flehen! 

Es hat euch Electra 

Mit himmliſchem Auge 
Den Buſen bewegt! 


Schon ſinken die Wogen, 

Schon ruhn die Orcane, 

Und herrlich im Oſten 
Steigt Eos empor! 


Wie ſchwellen die Segel 

Vom günſtigen Hauche! 

Wie fliegen die Küſten 
Des Winters vorbey! 


Und blauer und blauer 

Verkläͤrt fih der Ather, 

Und linder und linder 
Umweht uns die Luft! 


m 15 Nen 
Elyſiſche Töne 
Durchbeben die Fluren! 
Elyſiſche Düfte 
Durchathmen den Hain! 


Die Götter ſind mit uns: 

Wir landen! wir landen! 

Und alles iſt Himmel, 
Und alles iſt Ruh'! 


Hier ſtröme Kronion 

Des Friedens die Fülle 

Voll Huld auf Electra’s 
Umſchatteten Pfad! 


Umwall' ihr, o Schleyer 
Beglückender Täuſchung, 
Getaucht in den Purpur 

Aurorens, die Stirn! 


Der Sterbliche müßte 
Dem Elend erliegen, 
Durchwebte ſein Leben 
Nicht freundlicher Wahn! 


A 16 neuen 


CCC T SC EEE SETS ee ec ee 


„Die nächtlichen Stunden, 
Die lichten Secunden 

Enteilen 

Gleich Pfeilen; 
Ach! hier iſt kein Weilen.“ 

* 
Als du, Electra, 

Dieſes geſungen, 
Grub das Verhängniß 
Streng' in des Schickſals 
Eherne Tafel: 


„Lang' auf der Erde, 
Tochter der Prüfung. 
Sollſt du noch weilen! 
Viel noch erdulden, 
Hoffen und harren, 


nen 17 nem 
Wähnen und fürchten, 
Zweifeln und glauben, 
Saen in Fülle, 
Selber nicht ernten, 
Überall ahnen, 
Nirgends erlangen; 
Hebe die Blicke 
Zu den Geſtirnen! 
Dort nur iſt Heimath; 
Hier nur Verbannung. 
Du biſt unſterblich! 
Schnell, wie des Stromes 
Wechſelnde Woge, 
Schwindet des Lebens 
Angſtender Traum.“ 


Und durch des Athers 
Nachtende Fernen 
Wandelt' in grauſen 
Wettern Jehovah. 


Als du, Electra, 
Jenes geſungen, 
Grub auch ein Seraph 
Mild in des Schickſals 
Eherne Tafel: 


„Lang' auf der Erde, 
Tochter der Prüfung, 
Sollſt du noch weilen! 
Balſam in tauſend 
Matth. Werke. 2. B. 5 


18. 
Wunden zu träufeln, 
Thranen zu trocknen, 
Menſchen vom Tode 
Muthig zu retten, 
Lebensgeſchicke 
Göttlich zu leiten, 
Und als ein hoher 
Himmliſcher Schutzgeiſt 
Unter den armen 
Kindern der Erde 
Segnend zu wandeln, 
Bis du zur Heimath 
Wieder dich aufſchwingſt. 
Hebe die Blicke! 

Froh zu den Sternen, 
Tochter des Himmels, 
Der deiner Thränen 
Keine vergißt!“ 


Und durch des Athers 
Glänzende Bläue 
Wandelt' im ſanften 
Säuſeln Jehovah. 


23 1 9 re 


PIDIIDIIIIIIIII II > 7 ae SS 


Noch haſt du, Electra, 

Die Borde des Lemans 

Im Blüthengewande 
Des Frühlings erblickt; 


Noch ſtrebteſt, Electra, 

Den rauh'ſten der Pfade 

Zum eiſigen Bernhard 
Du muthig empor; 


Noch haſt, an der Schwelle 
Des Throns, du den König 
Der ſilbernen Alpen 

Mit Wonne begrüßt; 


Noch wehten vom Eismeer, 
Auf Montanverts Höhen 
Olympiſche Lüfte 
Verjüngung dir zu; 
B 2 


mr... — 0 see 


Noch hat auf dem Eiland 
Von Biel dich des Genfers 
Gefeyerter Schatten 

Im Lenzhauch umſchwebt; 


Noch hallen die Chöre 
Der ewigen Schöpfung 
Dir Himmelsaccorde 

Ins ahnende Herz; 


Noch ſiehſt du mit Blicken 

Voll glühenden Lebens 

Den Schleyer der Zukunft 
Mit Velde beſumt; 


Noch knospen am Wege 
Dir Blumen die . 
Der Odem des Lenze 


Enthüllt ſie gewiß! 


D'rum trockne die Zähren! 

Entſchattet erhebe 

Dein Auge gen Himmel: 
Des Guten iſt viel! 


nn 2 nn 


DIIPAIIFIFIIIII II III SS SAS S S cTice se ec << 


Du, das dem Erwachen 
Des Tags, der Electra 
Dem Himmel entwinkte, 
Neun Mahl ſchon erklang: 


Gedämpft, wie das Beben 

Aoliſcher Harfen 

Im Winde des Frühlings, 
Ertön', o mein Lied! 


Denn Wehmuth umſchleyert 

Mir heute die Seele, 

Wie Duft in der Mondnacht 
Den VBlüthenbaum hüllt. 


Und wollt' auch die Freude 

Mit Jubel ihr goldnes 

Gefieder verbreiten, 
Vermöchte ſie's nicht! 


nern 22 . 
9 
Ihr himmliſches Antlitz, 
Der Sterblichen Wonne, 
Hat noch von den Edlen 
Hygea gewandt. 


Ach! drücken den Schleyer 
Der ahnenden Pſyche 
Nicht Wettergewölke 

Mit ängſtendem Grau'n? 


Hygea, du hehre, 

Du freundliche Göttinn, 

O neig' auf Electra 
Dein Antlitz herab! 


Sie ſpendete Roſen 

Mit ſegnenden Händen, 

In Fülle: o duftet 
dicht Eine für fie? 


Vernimm es, o Göttinn! 

Und ſpende der Edlen 

Noch Blumen! Du haſt ja 
Der Blumen ſo viel. 


Dann ſoll meinen Saiten 

Ein Hymnus entrauſchen, 

Hoch bis zu der Sphaͤren 
Melodiſchem Tanz. 


2 
ern 2 5 * 


Und nun, meine Harfe, 

Geweiht nur der Tugend, 

Der Freundſchaft und Liebe, 
Und dir, o Natur: 


Nun halle den Jubel 

Der vollſten Accorde, 

Und werde zur Stimme 
Des heiligſten Danks! 


Wem dank' ich's, du Hohe, 
Daß gern meinem Liede 
Germanien horchte? 

Wem anders, als dir? 


Dir dank' ich den Edlen 

Mit kindlichem Herzen 

Und männlichem Geiſte 
Am Ufer des Inns! 


Daß mir, von Lugano 
Bis Päſtum, die Gärten 
Hesperiens blühten, 

Ich dank es nur dir! 


Nur ein Mahl vergönne 

Mir gnädig, Kronion, 

Dir, wo du auch wandelſt, 
doch Roſen zu ſtreu'n: 


7 2 4 * 


Dann winke das düſtre 
Verhängniß; ich ſchwebe 
Mit Wonne zum Lande 

Der Schatten hinab! 


i „ 29 K— 


e CL EEE SEHE E<c€ 


Willkommen willkommen! 

Am Rebengeſtade 

Des Lemans, du hehrer, 
Du freundlicher Tag! 


Dir töne die Harfe 

Mit feſtlichem Klange, 

Dir bebe die Seele 
gelodiſch, wie fie! 


Mit der holden Purpurblume, 
Der Sylphid' im Reiche Florens, 
Die in Maglans Götterhaine 
Jüngſt Electra freudig grüßte, 
Biſt du ſchön bekränzt. 

Dir zur Seite ſchwebt Hygea 
Mit entwölktem Himmelsantlitz, 


„een 2 6 ernsten. 


u der Rechten die kryſtallne 
Hochge efüllte Nectarſchale, 
Hell, wie Thau der Morgenröthe, 
„ Heil und Kraft. 


— 


O Wonne! dir duftet, 
Electra, die Schale; 

O Wonne! dir ſpendet 
Sie Labung und Heil. 


Nun ſteigen, im Schimmer 
Aurorens, auf's neue 
Dir freundliche Bilder 

Der Hoffnung empor! 


dicht zum letzten Mahl erblickte 
Trunken dein geweihtes Auge, 
In des Niedergangs Verklärung, 
Des erhabnen Berges Gipfel, 
Den die heil'gen Sterne krönen; 
Nicht zum letzten Mahl umhauchten 
Dich die reinen Balſamlüfte 
Auf den Höh'n von Bionace 
Wo noch Treu' und Einfalt N 
Wo des Weltlaufs Donnerſtürme 
Nur aus dumpfer Ferne brauſen, 
Pan und Bacchus und Pomona 
Gern in trauter Eintracht wandeln, 
Und des goldnen Alters Sitten 
Kraftgefühl und Frohſinn lohnt. 


essen 27 n 
Drum blicke mit feſtem, 
Erhabnem Vertrauen 
Zum freundlichen Sterne 
Der Hoffnung empor! 


Mild ſchimmert in heitrer 
Hesperiſcher Bläue 
Die Sonne des Lebens 

N Im Weſten dir einſt! 


— 


Doch noch Manches iſt zu tragen, 
Zu erkämpfen, zu erſiegen, 

Eh des heitern Erdenabends 

Linde Mayenlüfte ſchmeichelnd, 
Die vom rauhen Pilgergange 
Heiße Stirn umwehn! 

Aber, wie die Kraft des Pulvers 
Die granitnen Rieſenmaſſen 

In des Simplons Schaueröden 
Endlich doch zum Heerweg ebnet: 
So, mit Muth und Selbſtvertrauen, 
Wirſt du, durch die dunkle Landſchaft, 
Die vom Ziele noch dich ſcheidet, 
Eine Bahn dir endlich ebnen, 

Wo dir Schattenbäume faufeln, 
Wo dir Nachtigallen flöten, 

Wo dir tauſend Blumen duften, 
Wo dir Silberquellen rauſchen, 
Und mit treuen Mutterarmen 

Du die treue, gute Tochter, 

O Natur, umfängſt! 


. 2 8 rea 


Der Menſchen Geſchlechter 

Erſcheinen und ſchwinden, 

Wie Blumen der Wieſe, 
Wie Blätter des Hains: 


Du, ſegnende Mutter 

Der Weſen, bleibſt ewig, 

Im wechſelnden Tanze 
Der Horen, dir gleich! 


Natur! wenn je von meiner Harfe 

Ein dir gefällig Lied ertönte: 

O ſo vernimm, was ich dir heute 

In dieſes Haines Dämmrung flehe, 

Vo Genien des Friedens walten, 

Und deines Allerheiligſten Altar, 

Der Montblanc, in entwölkter Majeſtät 
Der fanft bewegten Erle Laub durchblinkt! 
Laß Sie, der dieſe Saiten beben, 

In deines Tempels Feyerſtille 

Vergeblich nie den Frieden ſuchen, 

Den Ihr die Welt verſagt! 

Nimm Sie an deinen Buſen, wenn es ſtürmt! 
Gewähr' Ihr Alles, was Sie kindlich fleht! 
Der Himmelsgaben, ſo Ihr Herz erfreu'n, 
Haſt du die Fülle, ewig gute Mutter! 

O ſtröme ſie herab auf Ihren Pfad, 

So lange Pfyche, von der Heimath fern, 
Noch ahnend, mit gebundnem Atherflügel, 
Im Lande der Entſagung einſam wandelt! 


* 29 . 
Du haſt mich vernommen, 
Allgütige Mutter! 
Zum glücklichen Zeichen 
Entſchwebt eine Taube 
Auf ſilbernen Schwingen, 
Als Bothinn des Friedens, 
Zur ländlichen Wohnung, 
Wo ſinnend Electra 
Im Schatten jetzt weilt. 


PR 
nrsen JO „28 


C 


XII. 
Sanders leben. 


1805. 


— 2. 


Ach! kein hesperiſches 
Zaubergefilde 

Spendet mir Myrthen, 
Und des Cyklamens 
Duftenden Purpur; 
Ach! nicht Bolz ano's 
Rebengebirge 

Beut der Cypreſſe 
Zarteſten Sprößling 
Mir aus entwölktem 
Glänzenden Ather; 
Ach! nicht am herrlichen 
Spiegel Geneva's 
Winkt mir von ſchroffer 
Klippe des Sinngrüns 
Flatternde Ranke: 
Deinem Erwachen 
Kränze zu winden, 
Heiliger Tag! 


— 3 . 
An des Bructerus Felſenfuße, 
Wo des Legionentödters 
Hermann großer Schatten 
Oft in monderhellten Nächten, 
Zürnend dem entarteten Geſchlecht der Enkel, 
Durch der Tannen Wipfel rauſcht, 
Und wo der hohe Sänger Gottes 
Und des Vaterlandes, Klopſtock, 
Den erſten Lichtſtrahl trank: 
Füg' ich Moos, der Hoffnung ſchönſtes Sinnbild, 
(Der Winter ſieht es grünend, wie der Lenz /) 
Zum Opferkranz. 
O nimm ihn huldvoll an, Electra! 
Des Dankes fromme Thräne 
Hat ihn geweiht. 


Auch unter nordiſchen 
Tannen, mit hoher 
Feſtlicher Wonne, 
Und mit den vollſten 
Jubelaccorden 
Der dir geweihten 
Einſamen Leyer, 

Sey mir geſegnet, 
Sey mir willkommen, 
Heiliger Tag! 

Drey Mahl geſegnet, 
Drey Mahl willkommen, 
Bringſt du Hygeas 
Roſenumkränzte 
Schale des Heils! 


— 32 voron 
Bringſt du des Friedens 
Himmliſche Blüthe, 
Lieblich der Wehmuth 
Schleyer zu kränzen, 
Der noch Electra’s 
Locken umwallt; 

Sey mir geſegnet, 
Sey mir willkommen, 
Heiliger Tag! ö 


O Vater der ewigen Liebe! 

Der du der allbelebenden Sonne 

Den Flammenocean, 

Jahrtauſenden zu leuchten, 

Und dem Lichtwurm ſeinen kurzen Schimmer, 
Ein ſpannenlanges Räumchen zu erhellen, 
Mit gleicher Huld verliehſt: 

O ſtärke deine Dulderinn 

Mit neuer Lebenskraft! 

O ſegne deine Trauernde 

Mit neuer Lebensfreude! 

Daß kein Ton auf deinem Pſalter 
Unvernehmlich ihrem Ohr verwehe, 

Daß deiner Schöpfung Herrlichkeit 
Zurück aus ihrer Seele ſtrahle, 

Wie der goldne Sternenhimmel 

Aus unbewegter Fluth, 

Und Hoffnung, deine holde Tochter, 
Nicht mehr durch Thränen lächelnd 

Im Traum der Zukunft ihr erſcheine! 


ern 35 e 
Laß ihres Erdenlebens letzte Schimmer 
Sich ſanft verlieren in das Morgenroth 
Des großen Tages, dem kein Abend folgt, 
O Vater der ewigen Liebe! 


—— rn nn nn nennen ne 


C 


Matih. Werke. 2. B. 


wu. 34 un 


DIIIDIIIIIZIIII II rr 


Tochter des Himmels, Erinnrung! 
Trockne mit den goldnen Locken 
Mitleidsvoll den Thau der Wehmuth 
Heute von Electra's Auge! 


Tochter des Himmels, o Hoffnung! 
Kränze mit dem Blüthenzweige, 
Der noch ſpäte Frucht verkündet, 
Heute der Erhabnen Scheitel! 


Und du, ſeit zwölf Mondeswechſeln 
Unberührte Harfe, töne 
Ihr ein feſtlich Lied. 


Wie hell von des Abends 

Verklärung die Alpen 

Noch glänzen, wenn Dunkel 
Die Thäler ſchon hüllt: 


— 55 — 
So glänze vom Strahle 
Des Himmels, Electra, 
Hoch über dem Dunkel 
Der Erde dein Haupt! 


Dann wird ſie dir lächeln 

Die Hore des Morgens, 

Der in der Entſagung 
Gefilde dich rief. 


Dann wird ſich durch reines 
Erhabnes Bewußtſeyn 
Beflügeln im Sturme 

Des Lebens dein Geiſt! 


Empor zu den Sternen! 
Wo herrlich des Friedens 
Unſterbliche Blume 

Dem Dulder einſt blüht. 


Dort wird ſie dir duften, 

Die hier auf den Steppen 

Des Lebens den Waller 
Im Traume nur kränzt. 


Mit ſtürzender Schnelle 

Verrauſchen die Jahre, 

Und eh' wir's noch wähnen, 
Iſt alles vollbracht. 


C 2 


Ach! bier ift kein Bleiben! 
Kein Haben, kein Halten, 
Kein dauernd Umfangen, 
Nur Täuſchung und Schmerz!“ 


Schon müſſe mein Grabmahl 

Sich dunkel bemooſen, 

Wenn zu den Geſtirnen 
Electra ſich ſchwingt! 


Dann rufet von einem 

Der heiligen Sterne 

Oreſtes: Willkommen! 
Dem Genius zu. 


Der Genius wandelt 
Mit glänzenden Schwingen, 
- Und hebet zum Gruße 
Die ſegnende Hand. 


OIIDR 5 7 7777 


DIPIIII>IIIIII I IF III EC Sei ces << ces 


i Im ſtürzenden Strome 
Der Zeiten verſchwinden 
Die Kinder der Erde, 
Wie nichtiger Schaum. 


Electra! noch ſchwebſt du 
Auf zürnenden Wogen, 
In ſchwankender Barke, z 
Doch haͤltſt du das Ruder 
Mit kräftiger Hand. 
Sey muthvoll, und ſteure, 
Wie Nadel und Sterne 
Dich leiten: denn länger 
Als, fern von den Fluren 
Der heimiſchen Inſel, 
Der herrliche Dulder 
Odyſſeus das Grollen 
Poſeidons, die Tücke 
Des grauſen Cyklopen, 


„ 38 — 


Das Raſen der Stürme, 

Den Aufruhr der Meere, 
Durch Klugheit und Mannfinn , 
Ein Sieger, bekämpfte: 

Sollſt noch auf den Fluthen 
Des Lebens du ſchiffen! 

So wollen's die hohen 
Unſterblichen Mächte! 

Drum hat ſich Ergebung 
Dir freundlich geſellt; 

Drum gießt in die Sturmnacht 
Ihr Morgenroth Hoffnung. 
Vertrau'n auf die Götter 

Hat nie zum Verderben 

Am Steuer geherrſcht! 


— 59 were 


T>FIII III III II III II I ET ET CE ec ec ee ce 


XV. 


Auf dei Reihe. 
1808. 


Muthig nach Süden 
Strebten wir Schiffer; 
Doch es erwachte 
Plötzlich ein Sturm. 


Sieh! da gewahrten 
Wir eines Eilands, 
Blühend, gleich Tempe's 
Herrlicher Flur. 


Und es erkämpfte 
Sicher den Hafen 
Unſer umwogtes 
Krachendes Boot. 


unter der Freundſchaft 
Wirthliches Obdach 
Barg die Verſchlagnen 
Rettend ein Gott. 


* 4 0 92 22 


Und wir erharrten 
Ruhig den Fahrwind, 
Ohne zu wünſchen, 
Ohne zu flehn. 


Was uns die Götter 
Gnädig verſagen, 
Was uns die Götter 
Gnädig verleihn: 


Sollen mit Hochſinn 
Still wir erwarten; 
Guten ergeht es 
Ewig doch gut! 


Ja! der bekränzten 
Gegenwart Lächeln 
Hellt des Vergangnen 
Düſtres Gewölk; 


Heitert der Zukunft 
Nebelgefilde, 
Heitert des Ausgangs 
Nächtlichen Pfad. 


Friede dir, Hohe! 
Freude dir, Edle! 
Bis zu des Ausgangs 
Nächtlichem Pfad! 


mus 41 nern 
„ f 


DRI>IIIIIIIIINIIIDIII< Ce <e < ce i ce i ec <<ce 


XVI. 
rh ee ein. 
| 180. 


Einſt konnt' ich mit hoher 
Begeiſterung Jubel 
Dich feſtlich begrüßen, 

Du heiliger Tag! 


Einſt lachte dein Morgen, 

Einſt lachte dein Abend 

Mir ſanftes Entzücken 
Und Frieden in's Herz! 


Da ſtrahlten des Athers 

Gefilde mir lichter, 

Da blinkte mir heller 
Der weſtliche Stern. 


Warum hüllt ein düſtrer Schleyer 
Heute deine Morgenröthe? 
Warum ſchließen ſich die Blumen? 


— 42 — 
Warum bebt in Trauerklängen 
Und in dumpfer Todesklage, 
Wie am Grabe trauter Lieben, 
Die gedämpfte Saite dir? 


Sie, von ungezählten Edelthaten 
Die fromme Vollbringerinn, 
Electra, Gottes Freundinn und der Menſchen, 
Sie ringt mit bitt'rer Qual! 
Schmerzvoll ſind ihre Tage, 
Schlummerlos ſind ihre Nächte, 
Und die Hoffnung wendet 

Oft ihr holdes Antlitz 

Von ihr ab! 

Darum iſt der Tag mir trübe, 
Der in goldnem Himmelslichte 
Vormahls mir erſchien; 

Darum ſchließen ſich die Blumen, 
Die zu Kränzen einſt ich wand, 
Darum tönt in dumpfer Klage 
Das mit Trauerflor umwundne 
Saitenſpiel. 


O du, der du droben den Reihn der Geſtirne 
Leiteſt an Banden der ewigen Liebe, 

Der du die heiligen Alpen 

Deinem Himmel zu Säulen gabſt; 

Aus deſſen Hand die Oceane quollen 

Und der Morgenröthe Thau; 

O du, der du der Freuden ſo viel ſchaffſt, 
Jedem ein überſtrömend Maß: 


nn AI neree 
Allerhalter! Allerbarmer ! 
Neig', o neige dein Ohr 
Gnädig dem Sohne des Staubes, 
Und erquicke der Dulderinn Herz! 
Nimm von ihr die ſtechende Qual, 
Und laß der Hoffnung Auge 
Wieder freundlich ihr lächeln! 
Auf daß deiner herrlichen Schöpfung, 
Die ſelbſt in dieſem Eden 
Ihr wintertrüb' und unerquicklich ward, 
Sie wieder ſich freue! 
Daß der Abendhimmel 
In freundlichgoldner Heitre 
Deinen Frieden ins Herz 
Ihr ſenke, du Vater der Liebe, 
Bis wolkenlos ihr Erdentag ſich neigt! 


Dein Nahm' iſt Erbarmen! 
Drum harrt nach dem Sturme 
Der Dulderinn Seele, 
Mit ſtillem Vertrauen, 
Im friedlichen Säuſeln, 

O Herr, deines Heils! 


ä—qZu— — — — 


wen 4 4 . 


SINN N ee ee ee ee cc 


— 


Im Liv WERTET 


1795. 


Hinter uns hob ſich der Gotthard nun ſchroffer den 
Sternen entgegen 
Und der Cikade Geſchrill hallte durch Reben und 
Korn. 
Freudig begrüßt’ ich die traute Verkünderinn füdli— 
cher Milde, 
Wie man des Nachtigallhains Erſtlingsgeſänge 
begrüßt. 


mr 45 emwue 


EEE en ne Te 7727977277755. 2 7277257 


S ug a n 0 


Heitres Lugano! du lachteſt uns Pilgern des eiſigen 
Gotthards, 
Wie nach Orkanen der Port Schiffern im Abend⸗ 
roth lacht. 
Ciner Gondel gewahrten wir auf der bepurpurten 
Klarheit 
Deines romantiſchen Sees; uferwärts wogte ſie 
raſch. 
Schneller durchgleitet Poſeidons Geſild', in der zier⸗ 
lichen Muſchel 
Mit dem Delphinengeſpann, Pſyche, die Schif— 
fende, kaum! 
Und wir erkannten die nordiſche Sappho von fern an 
dem Schleyer, 
Der in Luiſiums Hain luftig die Stirn ihr um 
flog. 


eva 46 essen 


SCC ETC CE LE IE SE EEE 


Die Landſchaft. 


Hier in des Feigenbaums dunkler Umlaubung das 
friedliche Moosdach, 
Jene Cascade, die wild über den Felſenhang 
ſchäumt, 
Nah, die mit Pinjen bekrönten, mit Lorbern umgür: 
teten Hügel, 
Fern, die Ruinen der Burg, kühn in die Bläue 
gethürmt: 
Herrlich vor Tauſenden mußte dieß heute dem Wan— 
drer erſcheinen, 
Der ſich auf Alpenſchnee noch geſtern im Nebel 
verlor. 


use 47 won 


e r ic ieh 


Blume des Andenkens 


Blüht im Frühlingskranze dir noch die Roſe, 
Wenn du, beym geflügelten Abendreigen, 
Leichter wie Sylphiden auf Blumen hinſchwebſt, 
Liebliches Mädchen? 


Oder krönt ſie trauernd, als Todtenopfer, 
Das der Sehnſucht Genius fromm dir weihte, 
Schon dein Grabmahl? Wandelt dein freyer Geiſt 
ſchon 
uber den Sternen? 


Jahre ſchwanden: aber dein Bild erſcheint mir, 
Wo durch Alpenſchlünde der Waldſtrom donnert, 
Und wo Nachtigallen am Quell auf Myrthen 
Flötend ſich wiegen! 


127 48 sure 


DIT TI I IF IFSTIII FI III IE ES << ce <ce ce << ce 


Villa Pliniana. 


Unter Cypreſſen und Lorbern, am luftigen Sturze 
der Quelle, 
Welche dir, Plinius, einſt ländlichen Schlummer 
gerauſcht, 
Und wo du dankbar ein Wäldchen den Muſen und 
Grazien weihteſt, 
Hatte zum fröhlichen Schmaus Komus die Freun— 
de geſchaart. 
Und wir erhoben die Hände zur Speiſ' und zum köſt⸗ 
lichen Tranke, 
Den uns die Quelle gekühlt, gleich den Heroen 
Homers. 
Plinius machte den Wirth; doch keinem Geſpenſte 
des Kirchhofs 
Oder dem ſteinernen Gaſt Don Juans glich die 
Geſtalt. 
Freundlich, in Agathons Bildung, vertheilt' er des 
attiſchen Salzes, 
Vieles erzählt' er von Rom, Vieles vom weiſen 
Trajan. 
Schon war die Sonne geſunken; die Ruderer mahn— 
ten zur Heimfahrt; 


f 


na 49 S 


Eleitend auf ſpiegelnder Fluth, ſangen wir: 
„Kennſt du das Land?“ 
Luſtig begrüßte von Como's Geſtad' uns die gellende 
Syrinx. 
Alſo beſchloß noch Muſik dieſen harmoniſchen Tag. 
5 


Matth. Werke. 2 B. D 


1 50 1 


S e e e e e SEELE e ee 


Hens pet ens Za ub 


Iſt's ein elyſiſcher Traum? ein holdes mileſiſches 
Mährchen, 

Was mit ſo warmer Magie freundlich die Bruſt 

mir umfängt? SEHR 


Die Muſe. 


Selbſt in der Wirklichkeit ſanften, dich brünſtig um— 
ſchlingenden Armen, 
Ahnt, wie's dem Sterblichen ziemt, Täuſchung 
dein zweifelndes Herz. 
Kein aus den Düften elyſiſcher Blumen gewobenes 
Traumbild 
Hat, unter Myrthen am Quell, ſo dich mit 
Wonne berauſcht. 
Sieh! dieſe glänzende Reine des Athers, dieß ewig 
vermählte 
Zeitigen, Keimen und Blühn, dieſe ſo mild vom 
Olymp 


„ 

uͤber die Schöpfung ergoßnen lebendigen Tinten der 
Jugend, 

Und der Begeiſtrung Hauch glühend am Grabe 
. der Zeit: 

Fremdling! das iſt es, was Menſchen und ſelber un— 

ſterblichen Göttern 

Hier mit ſo warmer Magie freundlich den Buſen 

umfängt. 


D 2 


wsıen 52 sr 


DIIIIIIIIIIIIDIIIIIFII<c< ee ee ee ee ee ee <ce 


Der heilige Plinius in Como. 


Unter den Heiligenbildern, gereiht in den Hallen 
des Domes, 
Strahlſt du, Sanct Plinius, auch, Como's be— 
rühmteſter Sohn. 
Freund, wie kamſt du herein, im Schwefelgewande 
der Hölle? 
Weil dir dieß Wunder gelang, warſt du des 
Nimbus auch werıh! 


ern 53 m 


DEPIIIIIIIIII>IyI> >>> z<izeel tie te ee 


Petrarchs Virgil in Mailand. 


Schwärmen wir Kinder der Erde doch alle, nur an— 
ders und anders 
Tief in der Stille der Bruſt oder mit Pomp und 


Geſang. 
Offentlich küßt in Loretto der Pilger den heiligen 
Breynapf: 


Heimlich ein frommer Poet hier den Geliebten 
Petrarchs. 


— — — — 


7 54 2 


XS SSS r > << ee ce ee ee ee ce 


Der BETT TA de: 


Hespers bleiche Trauerkerze 
Lodert an des Tages Gruft, 

Durch der Kiefern öde Schwärze 
Sauſt ſo bang die Abendluft. 


Dunſtige Phantome gleiten 
Auf des Moores Nebelmeer, 
Und ein halb verwehtes Läuten 
Tönt vom fernen Kloſter her. 


Schwermuth ſchauert durch die Haine, 
Wenn der Wind die Wipfel regt, 
Auf des dürren Laubes Bräune 
Hat der Tod ſein Bild geprägt. 


Lunen gleich, nach Ungewittern, 
Lacht mir des Befreyers Bild, 

Und durch Pſyches Kerker zittern 
Strahlen, wie Aurora mild. 


un 55 K 
Bis den Nebeln der Verbannung 
Rettend ihn der Tod entreißt, 
Steh, mit kräftiger Ermannung, 
Jedem Sturm des Edeln Geiſt. 


Wenn er, ſelbſt in morſcher Barke, 
Durch der Fluthen Aufruhr ſchwebt, 

Herrſcht am Steuer kühn der Starke, 
Bis die Brandung ihn begräbt. 


Wandte thatenloſes Trauren 

Je des Schickſals ernſten Plan? — 
Feſt, mit Hochſinn auszudauren, 
Trotz dem Schickſal, weiß der Mann! 


. 
irn 56 vo 


C r 


Am letzten Abend des Jahrs 1795. 


Geeich Elyſiums Lenzen lacht der Winter 

In den Gärten der Hesperiden; herrlich 
Prangt ihr Apfel im Grun der Haine; Zephyr 
Wiegt ſich auf Blumen. 


Sieh! wir Fremdlinge weihn, auf Tiburs Hügel, 
Dir, venuſiſcher Schwan, der keuſchen Daphne 
Dunkel glänzendes Haar, und ſprengen opfernd 
Milden Albaner. 


Schauerund flüſtern die Wipfel, und melodiſch 
Hallt's, wie Silbergetön: Die Jahr' entſtürmen! 
Morgen Schatten und Aſche, kraͤnzt mit Myrthen 
Heute den Becher! 


— 57 — 


. Eee ceeeeE 


Sympoſium in Tibur. 


Hurtig, mein wackrer Francesco, den Tempel der 
Veſta zu ſchmücken! 
Siehe! den Korb, der des May's holdeſte Kinder 
| bewahrt. 
Flicht um die Säulen den Sprößling der Myrthe mit 
ſilbernen Blüthen, 
Und auf den Eſtrich ergeuß Purpur und Gold und 
Azur. 
Dorthin die gaſtliche Tafel! So ſchirmt auch vor 
Heltos Gluthen 
Uns den gehenkelten Krug ſichrer des Feigenbaums 
Zelt. 
Luſtig s nun, ihr Freunde! Hier dampfen ge— 
dupfte Forellen, 
Die durch die Grotte Neptuns wagten den tödtli— 
chen Sprung; 
Hier, in bekränzten Pokalen, blinkt echter horazi— 
ſcher Nektar, 
Deſſen der Halbgott mit Luſt noch im Olympus 
gedenkt, 


wa 58 men 
Ihm, dem Unſterblichen, ſprengen wir feſtlich des 
Trankes zum Opfer! 
Dort, wo der Pfaffe nun plärrt, ſang er, von 
Göttern belauſcht: 
„Heute verſcheucht, o Genoſſen, mit Weine die 
Schmerzen der Seele! 
Morgen auf's neue durchpflügt ihr das unendliche f 
Meer!“ 


— 99 — 


NN e e e e ce i<< 


oe bike 


Dres Mahl beſucht ich nun ſchon Angelika's Woh— 
nung; doch immer 
Sah' ich Angelika nur, ihrer Gemaͤhlde nicht 
eins. j 
D'rum hab' ich heute die Stunde, wo nach der Bor: 
gheſiſchen Villa 
Oder zur Meſſe ſie fährt, klüglich vom Diener 
erforſcht. 
Träf ich zum tauſendſten Mahl Angelika bey den Ge— 
mählden, 
Würd' ich zun tauſendſten Mahl doch nur Angelika 
ſehn. 


erwa 6 0 99 7 


drs sss Eee ee ee Se 


Ang eli k a d Ka 


Als, auf Apollons Geboth, Aglaja die Krone des 
kachruhms 
Flocht für Angelika's Haupt, ſangen die Muſen 
im Chor: 
„Mög'ſt du an Schöne die Blumen der lächelnden 
Hebe verdunkeln, 
Du, die wir ſegnen und weih'n, Zierde der edel— 
ſten Stirn!“ 
„Hauche, gleich Cypriens Kranz, ambroſiſche Düfte!“ 
rief Pallas. 
„Blüh' unverwelklich durch mich!“ ſprach die Be— 
ſcheidenheit ſanft. 


wun 61 nn 


PIIIDIIIIIIIIIIIIII>IEL LE EL EL ELLE ELLE LE EEE 


Gemähldeausſtellung. 


Meiſter und Jünger der Kunſt bewundern dieß Zau— 
bergemahlde 
Unſrer Angelika laut; knirſchend verbirgt ſich der 
ö Neid. 
Nur eine Tochter Apolls und Vertraute der hohen 
Kambnen 
Spricht: Eures Preiſes fürwahr ſchämt ſich der 
ſchwache Verſuch! 
„Was dem Pasgquin wir verzeihn, darf Kindern dee 
Götter nicht hingehn! 
Rede! die Tochter Apolls nennt sh” Angelika, 
Freund! 


5 
e 62 F 


— . > I > >>> <<< <<< ee ec ce 


Raphaels Verklärung. 


Als er das Wunderbild kaum der hohen Verklärung 
vollendet, 
Trug ſeine Seele zu Gott freundlich ein Seraph 
empor. 
Göttlich das Göttliche lohnend, erhub, in der Fun 
des Lebens | 
Und in der Slüthe des Ruhms, ihn zur Verklä— 
rung der Herr. 


C 


Seht! wie der bärtige Mönch zur Kanzel die Tonne 
ſich aufſtellt, | 
Dicht vom unendlichen Troß lungernder Bettler 


umdrängt. 
Hier, wo die Roſtra ſich einſt am Tempel Kronions 
erhoben, 
Und ihres Redners Triumph über den Erdkreis er— 
ſcholl. 
Cicero's Donner verhallten; es folgte die Capuzi— 
nade; 
Feldherrn, im Pompe des Siegs, wichen der 
Prozeſſion. 
Mäͤrtyrerbilder, geweiht in Loretto, küßt gläubig der 
Pilger, 
Wo dein bekränzter Altar, heitre Concordia, 
ſtand! 


Dort, um den Bogen Severs, wo Krüppel ihr Jam— 
merlied heulen, 
Thürmten Jahrhunderte ſtets höher und höher 
den Schutt. 


wm 64 ren 
Dürftigkeit flickte das Obdach an traurende Marmor— 
portale, 
So wie die Schwalb' an den Sims klebte das 
luftige Neſt. 
Wo ſich mit Wundern der Kunſt, o Friede, dein 
. Heiligthum ſchmückte, 
Lagern, dem Fleiſcher zur Wahl, Stiere ſich 
käuend umher. 
Wo, vor dem Kaiſerpallaſte, die Prätorianer in 
ſtolzer 
Herrlichkeit ſchimmerten, dreht einſam der Sei— 
ler das Rad. 
Krähend nimmt Poliſchinell ſeinen Stand, wo, nach 
heiliger Sage, 
In den flammenden Riß muthig ſich Curtius 
warf. 
Ha! wie zum komiſchen Liebling des Markts die Ge— 
meinde der Frommen 
Schnell ſich vom tragiſchen kehrt, welcher die 
Tonne beſtieg! 


7 vd e SEE ee 


Monologen in Italien. 


1. 
Der Dichter. 


5 daß ein Lied mir gelänge zu Roma's unſterbli— 
f chem Preiſe, i 
Hier, wo die Leyer Virgils weilte den horchen— 
den Strom! 
Ha! ſchon entſteigen den finſtern Ruinen der Vor— 
zeit Gebilde, 
Silbern, wie Luna dem Schooß nächtlicher Flu— 
then entfteigt. 


2. 
Der Mahler. 
Selig wie Götter durchſchweb' ich den Himmel der 


Kunſtideale, 
Wo mit der Palme von fern Raphaels Genius 
| winkt. 
So muß die ärmlichſte Koſt ſich mir in Ambroſia 
wandeln, 
Und mir die Nymphe des Borns reichen der Hebe 
Pocal. 


Matth. Werke. 2. B. E 


„ 66 mem 
3. 


Der Kaufmann. 


Schon war Livorno mir hold, noch freundlicher lacht 
mir Venedig, 
Spielt nur zu Hamburg indeß nicht ein Gewiſſer 
Bankrot. 
Hoffentlich meid' ich nun Roms geldkaperndes Künſt— 
lergeſindel; 
Leider noch zog ich von Rom nicht einen Groſchen 
Profit. 


4. 
Der Krieger. 


Würde doch Florenz, die Schöne, zum Winterquar— 
tiere genehmigt! 
Nirgends behagte der Kuß, nirgends der Wein 
mir fo ſuß. | 
Mahomet, wären ihm je Toscana's Brünetten er- 
ſchienen, 
Hätte ſein himmliſches Reich ſicher nach Florenz 
verlegt. 


2 
Der Pilger. 
Tauſend Mahl küſſ' ich den Boden, wo Bethlehems 
Hüttchen, vom Arme 


Göttlicher Träger umfaßt, leuchtenden Wolken 
entſank, i 


Und man in Truhen von Silber, geſchmückt mit Ru⸗ 
binen und Perlen, 
Märtyrerſchädel bewahrt und Patriarchengebein! 


6. 
Der Prieſter. 


Herrliche Stimmung des Volks! Ich hab' es mit 
Wonne betrachtet, 

Jüngſt als die Prozeſſion über den Waffenplatz 

809 , 

Wie der Soldat, mit dem Kolben, den hyperborei— 

ſchen Ketzern, 
Die nicht im Kothe gekniet, Rippen und Arme 

zerſtieß. 


7. 


Der Cameraliſt. 


Während man fern ein Geſümpf in Hungerland müh— 
ſam verwandelt, 
Wildert ein Segensland hier, das nur des Pflu— 
ges bedarf. 
Wenn Monopole tyranniſch den Arm der Cultur nicht 
entmarkten, ’ 
Sproßten, ſtatt Reben und Korn, ſchwerlich hier 
7 und Genſt. 


— 68 um 


8. 
Der Reiſebeſchreiber. 


Kletternd in altem Gemäuer zu ſpähn, hat ſo man— 
che Beſchwerde; 
Kunſtgallerien zu durchſchau'n, koſtet ſo manchen 
Zechin! 
Darum begnüg' ich mich bloß, für's Publicum nie= 
der zuſchreiben, 
Was der Bediente vom Platz mir auf dem Zim— 
mer dictirt. 


9. 
Der Antikenſammler. 


Daß dieß entzückende Bein, den Bädern des Titus 
i entgraben, 
Einem Apollo gehört, zeigt uns die Muscula— 
tur. 
Täuſchend wird Freund Cavaceppi das Bruchſtück 
ergänzen, und freudig 
Rühmt ſich Britannia dann eines antiken Apolls. 


10. 
Die Opernſängerinn. 
Statt der Guineen bringt nun Amor Zechinen. Der 
Lordſchaft von London 
Iſt auf dem nähmlichen Fuß Roms Cardinalſchaft 
gefolgt. 


69 mann 
Völlig im Grunde das alte Syſtem! Denn, von 
Moskau bis Napel, 
Bleibt ja der Mann immer Mann, bleibt ja das 
Gold immer Gold. 


11. 
Der Seiltänzer. 


Fröhlich nun ſpann' ich mein Seil! Mir klingen har— 
moniſch die Taſchen! 
Hungernd verflucht' ich Paris, hungernd ver— 
wünſcht' ich Berlin. 
Aber dich ſegn' ich, Neapel, wo glänzenden Künft: 
lertalenten 
Täglich durch edles Metall glänzendes Recht wie— 
derfährt. 


12. 
Der Bettler. 


Suppe wird hier in den Klöſtern zur Stunde des 
Mittags geſpendet, 
Und iſt man irgend nur flink, füllt man der 
5 Töpfe wohl drey. 
Selig in päpſtlicher Huth ſchlag ich der Juſtiz nun 
ein Schnippchen, 
Welche mir Galgen und Rad jüngſt auf den 
Rücken gebrannt. 


rasen 70 . 


Ss Draa ann 7 ee 


Raphaels Madonnen. 


Gnädig zum Bildniſſe ſaß dem Jüngling die gött— 
liche Jungfrau, 
Und von den Seraphim ward freudig ihr Bild— 
niß erkannt. 


Guido's Madonnen. 


— — 


Lieblich, mit Geniuswärme gezauberte Mädchenge— 
ſtalten, 
Trügt ihr doch Myrthen im Haar, ohne den 
Phosphoruskranz! 


een 71 n 


Sr .. 


Raphaels Cäcilia. 
Urbild begeiſterter Liebe! Dir ſchwingt auf ätheri— 
ſchen Flügeln 


Mächtig die Seele ſich nach! Heilige! bethe für 
uns! 


Domenichino's Cäcilia. 


Würdig des Meiſters biſt du, ſobald man als Ha— 
remsprinzeſſinn, 
Oder als Potiphars Weib, reitzende Schöne, 
dich ſieht! 


. A > II I > ELLE LEE ELLE ELLE 


Guido's Aurora. 


Weder der Schwächling Apoll, noch Eos die Bäu— 
rinn aus Flandern, a 
Eine der Horen allein feſſelt mit ſüßer Gewalt. 


Guercino's Aurora. 


Nur die getiegerten Roſſe der Göttinn ſind herrlich; 
doch Tithon, 
In Lazaronigeſtalt, bettelt um einen Bajock. 


use 7 3 rer 


E TTT 


, En 0 M 


Der Cuſtode.“ 


Hier noch Newtons höchſt ähnliche Büſte von 
ö Roſſo antico, 

Aus einer Säule gehau'n, die man zu Tivoli 

fand. 


Der Lord. 


Herrlich! vortrefflich! bezaubernd! Ein Kopf im er— 
habenſten Style! 
Doch, mit Erlaubniß, mein Herr, iſt er auch 
wirklich antik? 


rn 7 4 nes 


FCC 


on 


HSalcyonıfbe Tage. 


1796. 


Mild umglänzten zu Napel uns halcyonifhe Tage; 
Ruhig blieb immer das Meer, ſtill der erſchöpfte 
Veſuv. 
Warfſt du da, murrend wie Jonas, dein Tagebuch 
nicht in den Winkel? 
Aber die Menſchlichkeit, Freund, opferte Kränze 
des Danks! 


ron 7 5 u 


DWIIDIMIIMWIID II III III <EI ELLE LEE EL LEE EEE 


Neben der Aloe wuchern hier indiſche Feigen am 
| Steinwall, 
Welcher des Kaiſerpallaſts glänzenden Porticus 
trug, 
Und der miſeniſche Golf noch ſchirmt er die Barke 
des Fiſchers 
Wirthlich, wie er einſt Roms mächtige Flotten 
geſchirmt. 


CC LEE ELLE LE CL 


Der Lorber an Virgils Grabe. 


Lange von Pilgern zerzauſt, verdorrte der heilige 
Lorber, 
Welchen Kalliope zog, endlich am Grabe Vir— 
gils. 
Aber ſo weiſſagte Cuma's erhabne Prophetinn: Ein 
andrer 
Grünt, von Apollon gepflegt, einſt über Klop— 
ſtocks Gebein. 


DIIIIIIIH II II) I > ID > >>> ect CAC CS 


Die Cypreſſen im Weingarten. 


Jenes „ dem Schooß' Amphitritens entſchwellende 
Thyrſusgefilde 
Ladet vom ſtäubenden Pfad uns zur erquicken⸗ 
den Raſt. 
Seht! es geſellt ſich der düſteen Cypreſſe dort freund— 
lich die Rebe, 
Wie ſich dem Schmerze die Luſt freundlich im 
Leben geſellt. 


. III II FI I > ES Eee ee ee 


Hamiltons Vaſe n. 


Unſre Gemählde copirteſt du, Tiſchbein! zur Freude 
der Muſen, 
Doch dem Erläutrer, beym Styx! flögen wir 
gern an den Kopf. 
Send' uns nach Weimar! Der Magus der griechi— 
ſchen Lampe wird glorreich 
Dieſen verfinſternden Qualm gothiſcher Fackeln 
zerſtreu'n. 


. . . >> CL Lee Le EEE Ei 


Nur im Geſange der Dichter blüht Päſtums ge 
| feyerte Roſe! 
Traurig umwanken des Schilfs bräunliche Kol⸗ 
ben ihr Grab. | 
Wallte nicht Opfergewölk, beym Jubel der Hymne, 
vom Altar, 
a, wo der Asphodell nun Düfte des Orkus 
verhaucht? 
Klangſt du auf Marmor, o Münze! die tief den 
Ruinen der Landmann 
Schwarz und gepräglos entgräbt, nicht in den 
Hallen des Markts? 
Aber die mächtigen Tempel der poſeidoniſchen Meer— 
ſtadt 
Bothen Jahrtauſende ſchon Trotz der verzwei— 
felnden Zeit. 


nossa Bo era 


DIIDIIIIIIDII Hy II > ya . ⁵—m.ü— ee e<< 


un ine e 


Quelle des einſamen Thals, von ſchirmenden Wi— 
pfeln umfaufelt, 
Wenn auch kein Wandrer dich nennt, wenn 
auch kein Barde dich pries, 
Bleibſt du dennoch vor allen Gewäſſern der Erde 
mir theuer, 
Bis dein erbleichendes Bild ſanft in die Lethe 
ſich taucht. 0 
Ach! in Hesperien ſelbſt erklang dir die Laute der 
Wehmuth, 
Dir auf Parthenopes Flur, dir am entbrann— 
ten Veſuv, 
Dir in den Göttergefilden der Poſeidoniſchen Tempel, 
Wo noch des ſcheidenden Jahrs Hora mit Blu— 
men ſich krönt; 
Dir auf 955 grauen Ruinen, am Grabe der heili— 
gen Roma, 
Dir an des Anio Sturz, und am blanduſiſchen 
Quell. 
O daß die ſilbernen Alpen erſt wieder im Süden 
mir glänzten! 
Alles zieht mich zu dir unwiderſtehlich zurück. 


. 81 4 


( T e EEE EL ELEEIE 


u me Dude n. 


Feige Sterbliche nur und aberwitzige Schwärmer 
Schrey'n von den Dächern ihr Weh, Mitleid er— 
bettelnd vom Volk. | 
Klage geziemt nicht dem Starken. Im Kampf mit 
a dem eiſernen Schickſal 
Siegt nur die rüſtige That; Worte ſind Beute 
des Sturms. 
Schlägt ihm ein ähnliches Herz, fo güb' er ſich ganz 
und auf ewig: 
Ward ihm dieß Kleinod verſagt, werd' er ſich 
ſelber die Welt. 


Matth. Werke. 2. B. 5 


—— 82 * 


r / e 


An die Ry m pe 


Schützt allgütig, ihr Nymphen, die Stätte des hei— 
ligſten Bundes! 
Nimmer bekränze der Faun hier der Mänade den 
Kelch. 
Nur den Grazien ſpendet beym Reigen die duftenden 
Glöckchen, 
Welche die Schläfe des Mays, ſchimmernd wie 
Silber, umblühn. 


2 83 wenn 


CCC <« 


Der Fremdling. 


Ergebung ſtrahlt vom beſſern Stern 
Wie Morgenſchein herab. 

Der Erdkreis, überall des Herrn, 
Beut überall ein Grab. 

Empor durch Eisgefilde drang 

Ich ſonder Pfad und Spur; 
Verzweiflung nur wagt ſolchen Gang! 
Die Wüſte ſtarrte Meilen lang, 

Ein Beinhaus der Natur. 


Hier, wo der Grashalm wieder wallt, 
Die Bergluft milder hauchte, 
Im Thal der Heerde Läuten hallt, 
Und fern ein Dörfchen raucht: 
Hier denk' ich dein, o Vaterland! 
Wie, tief in Harm verſenkt, 
Des Jünglings, der am Klippenſtrand 
Sein Grab in Schiffbruchstrümmern fand, 
Getreue Liebe denkt. 


Cr 


F 2 


„ 
Wild loderte, gleich Atna's Gluth, 
Der Todesgötter Zorn; 
Zerſchmettert, ach! verſank in Blut 
Des UÜberfluſſes Horn. 
Verwüſtung donnerte die Schlacht, 
Wo jüngſt von Luſtgeſang 
doch Saatfeld, Anger, Strom und Schacht, 
Und freudig vom Gewühl der Jagd 
Gebirg' und Forſt erklang. 


Ein Chaos von Ruinen thürmt 
Sich längs der Felſenwand, 
Wo ſtill, vom Nußbaumhain' umſchirmt, 
Der Väter Wohnung ſtand. 
Die Thräne, die hier brennend fällt, 
Sie muß die letzte ſeyn! 
Wem Selbſtgefühl den Buſen ſchwellt, 
Der trägt im Innern eine Welt, 
Wo nimmer Stürme dräu'n. 


Ihm flammt der Unſchuld Göttermuth, 
Den kein Verhängniß raubt! 
Des Mißgeſchicks Tyrannenwuth 
Beugt nie des Edlen Haupt! 
Er weiß, daß der Befreyung Plan 
Durch Irrgewinde führt, 
Und herrlich ſich, am Ziel der Bahn, 
In Glanz das Dunkel, der Orkan 
In Frühlingswehn verliert. 


— 


nun BD mom 

Drum kann im weiten Schöpfungsraum 
Er, ein Verlaßner, ſtehn, 
Und doch des Daſeyns öden Traum 
Mit Lächeln dauern ſehn; 
Wenn ſelbſt bis an des Grabes Rand 
Ihn ſchwarze Nacht umfließt, 
Kein Herz an ihn ſich liebend band, 
Und eine kalte Miethlingshand 
Sein brechend Auge ſchließt. 


2 


2 86 un 


CCC ann nn 2 22227 


Die Schatten. 


Freunde, deren Grüfte ſich ſchon bemoosten! 
Wenn der Vollmond über dem Walde dämmert, 
Schweben eure Schatten empor vom ſtillen 

Ufer der Lethe. 


Seyd mir, Unvergeßliche, froh geſegnet! 
Du vor Allen, welcher im Buch der Menſchheit 
Mir der Hieroglyphen ſo viel gedeutet, 
Redlicher Bonnet! 


Längſt verſchlürft im Strudel der Brandung wäre 
Wohl mein Fahrzeug, oder am Riff zerſchmettert, 
Hättet ihr nicht, Genien gleich, im Sturme 
Schirmend gewaltet. 


Wiederſehn der Liebenden! Wo der Heimath 
Goldne Sterne leuchten, o du der armen 
Pſyche, die gebunden im Grabthal ſchmachtet, 
Heiligſte Sehnſucht! 


— — — — 


>I I’ I’ IH IH I>IIDII>I>>I III I I EL EL E EEE ELE ELLE ELLE 


Den G ite zu u z. 


Pulvis et umbra sumus. 
Nor. 


Die breterne Kammer 
Der Todten erbebt, _ 
Wenn zwölf Mahl den Hamme 
Die Mitternacht hebt. 


Raſch tanzen um Gräber 
Und morſches Gebein 

Wir luftigen Schweber 
Den ſauſenden Reihn. 


Was winſeln die Hunde 
Beym ſchlafenden Herrn? 

Sie wittern die Runde 
Der Geiſter von fern. 


Die Raben entflattern 
Der wüſten Abtey, 
Und fliehn an den Gattern 
Des Kirchhofs vorbey. 


Wir gaukeln, wir ſcherzen 
Hinab und empor, 

Gleich irrenden Kerzen 
Im dunſtigen Moor. 


O Herz! deſſen Zauber 
Zur Marter⸗ uns ward, 

Du ruhſt nun, in tauber 
Verdumpfung, erſtaͤrrt. 


Tief bargſt du im düſtern 
Gemach unſer Weh; 
Wir Glücklichen flüftern 
Dir fröhlich: Ade! 


russea 89 rss” 


>>>>>>>>>>>>>>7> . 


Strophen 


dem Geburtsfeſte eines deutſchen Prinzen geweiht. 


9 75 


Zu oft entheiligt ward die Leyer, 

Die von der Großen Lob' erklang: 
Drum hülle du, zu dieſes Tages Feyer, 
Dich in der Wahrheit Atherſchleyer, 
Und weihe deinen Preisgeſang 

In ihres Tempels Heiligthume, 

O Muſe! wo des Lobes Blume, 

Von keines Heuchlers Blick vergiftet, 
Den Würdigen zu kränzen, düftet. 


Doch überliefert eine Sage, 
Ihr ſchwinde Duft und Farbenglanz, 
Wenn niedre Selbſtſucht ſie zu brechen wage, 
Im Trauerlaub am Sarkophage, 
Und in des Feldherrn Lorberkranz: 
Dir blüht ſie fort in holder Schöne, 
Daß ſie Georg den Edlen kröne; 
Preiswerth, wo bey der Kriegsdrommeten 
Geſchmetter Land und Strom ſich röthen; 


5 n 

Preiswerth, wo im Olivenhaine 
Apollons Kunſte friedlich blühn; 
Preiswerth, wo am bethränten Leichenſteine 
Verwaiste bang, im Sternenſcheine, 
Wie an des Mitleids Altar knien; 
Preiswerth im häuslich frohen Kreiſe, 
Wo, nach der beſſern Griechen Weiſe, 
In Sokrates beſcheidnen Hüllen, 
Die Grazien den Becher füllen. 


Georgium! wo Lethes Friede 
Mild in der Schwermuth Buſen ſinkt, 
Mit Wonne grüß' ich heut' auch dich im Liede! 
Du lachſt voll Reitz, als hätt' Armide 
Dem finſtern Chaos dich entwinft. 
Kühn hat, was nur nach Idealen 
Delille's Zaubertöne mahlen, 
In dir, der Sandflur abgerungen, 
Zur Wirklichkeit ſich aufgeſchwungen. 


Mög' Er ſich deiner Schattenhallen, 
Wo Roſen ihm die Horen ſtreu'n, 
Und ſinnend beym Geſang der Nachtigallen, 
Die Muſen gern im Mondlicht wallen, 
Noch zehn Olympiaden freu'n: 
Sanft, wie der Aolsharfe Beben, 
Verhalle dann ſein erſtes Leben, 
Indeß Heroen ſich im neuen 
Zu ſeines Laufs Genoſſen weihen. 


EFT 


id ner Nit e n. 


Ihr Knaben, roſig wie der May, 

Der Tag iſt ſchwül, herbey! herbey! 
Flink tummelt euch zum Bade! 

Kennt ihr der Niren muntre Schaar, 

Von Auge ſchwarz und grün von Haar? 
Sie lauſcht am Schilfgeſtade! 


Wer uns die Händchen herzhaft reicht 
Und, wenn die Fluth an's Kinn ihm ſteigt, 
Nicht bang' um Hülfe wimmert: 
Der folgt uns, ha! zu welchem Schmaus! 
Wohl in des Waſſergottes Haus, 
Ganz von Demant gezimmert. 


Da ſpendet ſtets ein Weihnachtsbaum, 

Die Zweige blank von Silberſchaum, 
Bald Feigen, bald Roſinen; 

Den ſchüttelt ihr, wenn's euch behagt, 

Rumort und ſchwärmt, ſo lang' es tagt, 
Und reitet auf Delphinen. 


Was ihr begehrt, wird ſtracks vollbracht! 
Dukaten kann euch Nacht für Nacht 

Ein ſchwarzer Kobold münzen. 
Dann heißt's nicht mehr: Man ſoll und muß! 
Ihr ſauſt und braußt im Überfluß, 

Und ſchimmert wie die Prinzen. 


Drum tummle, wer ſich tummeln kann! 
Kreiſch' immerhin der Schultyrann 

dach euch die Bruſt ſich heiſer: 
Ihr taucht hinab, ihr ſchwebt uns zu, 
Und endet wohlgemuth im Nu 

Die Schmach der Birkenreiſer. 


row. 99 4 


Sars S Ir N EL << ce Le<e<iceeeceies 


Sehnſucht nach Rom. 


Alme Sol, curru nitido diem qui 

Promis et celas, aliusque et idem 

Nasceris, possis nihil urbe Roma 
Visere majus. 


Hor. 


Wie Philoktets umwölkten Blicken 
Der Vatererde lachend Grün, 

Auf Lemnos unwirthbarem Rücken, 
In jedem Halm zu weben ſchien: 


So mahnt mich, wo der Wildniß Ranken 
Hier um des Kloſters grauen Dom 
Im goldnen Morgenſtrahle wanten, 
Selbſt jedes Moos an dich, o Rom! 


Es brauſen, Königinn der Tiber, 
Nur deines Nahmens Feyerhall 
Der Alpen Stürme mir herüber, 
Ihn donnert mir der Ströme Fall! 


nen 94 mw 
Wenn Eos früh die Wipfel vorher, 
Grüß' ich Borgheſes Paradies; 
Wenn Philomel' ihr Nachtlied flötet, 
Den Lorberwald von Medicis. 


Wenn ſich die Frühlingsblum' entfaltet, 
Pamphilis Anemonenflur; 
Doch ach! bis dieſe Bruſt erkaltet 
Aus öder Fernung Nebel nur. 


Daß, eh' des Daſeyns Fackel ſänke, 
Ich ein Mahl noch den Himmelsduft 
Der Hesperidengärten tränke, 
Und ihres Athers Zauberluft! 


Daß mir der Hohen Schluß vergönnte, 
Im Abendlicht' Anthuſa's Höhn 
Und ihre Göttermonumente 
Mit Einem Blick nur noch zu ſehn! 


Euch, Siegesbogen, Baſiliken, 
Dich, ſtillerhabnes Pantheon, 
Und Obelisken, euch! Antiken 
Am Nil der Vorwelt Pilgern ſchon. 


Und, Coliſeum, dich! So brauſend 
Sich auch des Zeitſtroms Woge bricht, 
Du trotzteſt mächtig dem Jahrtauſend, 
Nur dem gekrönten Freoler nicht! 


one 95 en 
Dich, Forum, wo der Strom der Wahrheit 
Sich von den Lippen Cicero's 
So oft, mit Arethuſas Klarheit 
Und mit des Rheinfalls Kraft, ergoß. 


Wo er, der glücklichſte der Streiter, 
Für Freyheit, Recht und Vaterland, 
Der ernſten Nemeſis Gewethter, 
Ein Fels im Wogenaufruhr, ſtand; 


Und, würdiger der Siegespalme, 
Als wen Bellonens Wagen trug, 
Wie Hagelſturz der Ceres Halme, 
Der Mordwuth Rotte niederſchlug. 


Von Roma's Wundern ſeyd vor allen, 
Des Bildners Wunder, mir gegrüßt! 
Ihr Göttlichen, in deren Hallen 
Der Schönheit Urquell ſich ergießt! 
Wie Bienen zum Hymettus, kehrte 
Selbſt vom erhabnen Meiſterſtück, 
Wo Raphael den Herrn verklärte, 
Zu euch, doch nur zu euch mein Blick; 
Vom Nachglanz der geſunknen Sonne, 
Die einſt den Praxitelen ſchien, 
Sieht euch mein Geiſt, mit Schmerz und Wonne, 
Noch ſtets im Traum der Sehnſucht glühn! 


na 96 1 0 
Dich, deſſen Qual die Seele tiefer 
Als Ugolino's Qual bewegt, 
O Dulder! dem des Unthiers Kiefer 
Sich grau'nvoll in die Seite ſchlägt; 


Euch, quirinaliſche Koloſſe! 
Die ihr den Hall des Ruhms vernehmt, 
Indeß der Arm die Flammenroſſe 
Jach, wie Neptun die Fluthen, zähmt; 


Dich, Torſo! weitgepriesne Trümmer 
Des Sohns der langen Wundernacht, 
Dem, an der Thaten Ziel, der Schimmer 
Von Hebe's Nektarſchale lacht; 


Dich, Sonnengott im Belvedere! 
Doch Mnemoſynens Jammerton 
Füllt deines Tempels dumpfe Leere, 
Und Echos ſeufzt: Er iſt entflohn! 


Wann winkt die ernſte Pyramide, 
Die ſich am Scherbenberg' erhebt, 
Zum Thal mich hin, wo Lethes Friede 
Um ſtille Fremdlingsgräber ſchwebt? 


Werd ich, an Veſta's Tempelrunde, 
Ach! unter Götterſchwärmerey'n, 
Den Grazien, in heil'ger Stunde, 
Nie mehr den erſten Becher weihn? 


Wie oft, bis zu der Sterne Schwinden, 
Hab' ich dem Katarakt gelauſcht, 
Der wild in Tiburs Felſenſchlünden 
Und ſtolz in Flaccus Hymnen rauſcht! 


* 


Wann werd' ich wieder dich erklimmen, 
Albanos Berg, auf deſſen Höhn, 
Im Mondlicht, oft Heroenſtimmen 
Des Donnrers Tempelhain entwehn? 


Hoch ſey der hehre Tag gefeyert, 
Als hier, von Rom bis Oſtia, 
Mein Blick, vom Zeitgewölk entſchleyert, 
Der Thatenbühnen größte ſah! 


Verweht, gleich einem Nachtphantome, 
War plötzlich der Verödung Graun; 
Des Tempes Haine, rings am Strome, 
Durchſchwaͤrmten Oread' und Faun. 


Froh ſtaunte da die Morgenhore 
Der goldnen Zeiten Wiederkehr; 
Die Bann- und Fluchſtadt der Gregore 
Und Alexander war nicht mehr. 


Wie jauchzten des Olymps Päane, 
Als um den alten Palatin 
Die Roma der Vespaſiane 
In ſtolzer Herrlichkeit erſchien! 


Matth. Werke. 2. . G 


erren 8 


Als aus dem Grauſe der Vernichtung 
Der Tempel Majeſtät ſich hob, 
Und ihren Roſenflor die Dichtung 
Mild um die Schöpfung wieder wob! 


Wie ſcholl, an lodernden Altären, 
Dem Gotte, der zum Indus drang, 
Der milden Spenderinn der Ahren, 
Und ihm, dem Heerdenſchützer, Dank! 


Wie ſchwebte, bis die Berge weſtlich 
In Grau ſich tauchten, dir zum Preis, 
Der Hekatomben Wolke feſtlich 
Um deine Burg, Befreyer Zeus! 


Wie ſorglich waltete, vom Scheine 
Der heil'gen Opfergluth verklärt, 
In göttlich hoher Seelenreine, 
Der Jungfrau'n Chor um Veſta's Herd! 


Wie glänzten vom Tyrrhenermeere 
Der Flotten Purpurſegel her! 
Wie drängten Heere ſich an Heere, 
Von ferner Zonen Beute ſchwer! 


Wie wälzte die entzückte Menge 
Sich brauſend, längs der Tiber Bord, 
Beym Donnerhall der Siegsgeſänge, 
Mit des Triumphzugs Pompe fort! 


Am Capitol, dem Felſenſitze 
Des Adlers, der mit ſtolzem Flug', 
Im Thatenſturm, Kronion's Blitze 
Voran den Weltbezwingern trug: 


Soll da nicht einmahl meine Seele 
Noch dem Tyrannenmörder glühn, 
Und vor dem hohen Mark-Aurele, 
Dem Genius der Menſchheit, knien? 


Dort iſt's, wo, im verklärten Lichte 
Des Abendſtern's in ſtillen Seen, 
Der Vorwelt göttliche Geſichte 
Lebendig vor uns auferſtehn! 


Wo Rom in ernſter Heldenſchöne, 
Indeß der Weltkreis ahnend ſchwieg, 
Im Waffenſchimmer, wie Athene, 
Verhängnißvoll der Nacht entſtieg; 


kind, mit Alcidens Kraft, ſchon muthig 
Der Drachen viel als Kind bezwang, 
Eh' ſie, von tauſend Kämpfen blutig, 
Des Erdballs Diadem errang! 


Wie lauſchte, ſchwebten ſtill der Manen 
Geweihte Chöre dort empor, 
Den Scipionen, den Trajanen, 
Und, Cato, dir mein trunknes Ohr! 


G 2 


nme 100 wu 
Dort, wo der fernſten Nachwelt Sohne, 
Dem Himmelsgluth im Buſen wallt, 
Ein jeder Stein, mit Heroldstone, 
Ins Herz noch dieſe Nahmen hallt! 


wen 101 wer 


FFT I I LE LS ELLE ELLE ES CE E ES E 


S hg e a, 
1798. 


— 


(Die Scene ſtellt ein mit Stat en und Büften geziertes Vor— 
zimmer dar.) 


Iſt's doch, als dürfte mir auf Erden 
Die bleibende Stätte nirgends werden! 
Anſiedle mich kaum in einem Ort, 
So muß ich Armſte ſchon wieder fort. 
Bald zwingt mich Bacchus zu entfliehn, 
Bald heißt mich Amor weiter ziehn. 
Auch fährt ſo oft der Schlangenſtab 
Des grämlichen Vaters Asculap 
Mir durch den jovialen Sinn, 
Daß ich ſchier hypochondriſch bin. 
(Der Schauplatz verwandelt ſich in einen prächtig decorirten 
Saal, mit vielen Gemählden großer Meiſter.) 
Will jetzt in dieſen Saal eintreten, 
Zum großen Vater der Götter zu bethen, 
Daß er ein ſtilles Sorgenfrey 
Der irrenden Pilgerinn verleih. 
(Umher blickend.) 
Fürwahr! in ſolchem Zaubergemache 
Zu haufen, wäre recht meine Sache. 


102 rm 
Wie herrlich, wohin das Auge blickt! 
Mit Bildern die Wände ſo reich geſchmückt! 
Wo die Magie der Kunſt gefällt, 
Vergeſſ' ich Körper- und Geiſterwelt. 
Heg' ein Mahl tief in meiner Bruſt 
Am Schönen glühende Jugendluſt; 
Auch ohne meinen Beyſtand wär' 
Das Reich der Künſte wüſt' und leer. 
War’ ich dem Homer nicht hold geweſen, 
Wir würden wohl keine Ilias leſen; 
Hätt' ich in des Vatikans Pallaſt 
Den Raphael nicht mit Lieb' umfaßt, 
Er hätte, Trotz aller Geniusmacht, 
Kein Meiſterwerk ans Licht gebracht! 
Doch ſich zu loben in's Angeſicht 
Ziemt einer Göttinn ſelber nicht. 
Will hier indeß meinen Blick berauſchen! 
(Nach einer Pauſe.) 
Doch ſtill, die zierlichen Diener lauſchen! 
(Der Herr des Pallaſtes erfcheint,) 
Da tritt ein ſtattlicher Mann herein, 
Das wird des Hauſes Gebiether ſeyn! 
Mein Roth den Wangen aufgelegt, 
Ein ſtattlich Feldherrnkleid er tragt; 
D'ran zeigt, als hoher Thaten Preis, 
Sich Friedrichs Adler, einem Kreis 
Von Silberſtrahlen eingeſtickt: 
Doch ihn ſein Antlitz beſſer ſchmückt, 
Der Spiegel edler Menſchlichkeit, 
Dem ihren Glanz die Wahrheit leiht, 


won 1 03 Aa 


Drum darf ich ſonder Scheu wohl wagen, 

Des Herzens Wunſch ihm vorzutragen. 
(Ihn anredend.) 

Mich, die der Synodus der Arzte 

Oft bis zur Ungebühr verſchwärzte, 

Hygea von den Griechen genannt, 

Durchzog dieß elyſeiſche Segensland, 

Wo, mit Minervens Kranz geziert, 

Ein menſchenbeglückender Fürſt regiert; 

Wo ſich die Wüſte zum Tempe verſchönt, 

Und aller Muſen Hymnus tönt: 

D'rum hat dieß Feenland vor allen 

Mir Weltumſtreiferinn wohlgefallen. 

Im Süden iſt's noch dumpf und ſchwühl, 

Gewähr', o Herr, mir ein Aſyl! 

Zwar könnt' ich im Olympus thronen, 

Doch iſt's auch dort jetzt übel wohnen; 

Parteywuth raſ't in Wettern 

Auch unter den ganzen und halben Göttern. 

Geſtatteſt du gaſtfreundlich mir 

In dieſem Bilderſaal Quartier, 

So ſcheidet mich von dir fortan 

Nichts mehr auf deiner Lebensbahn. 

Du nimmſt mich nach Georgenhaus 

Zur ſchönen Mapzeit mit hinaus. 

Ich folge dir zum Fürſtenſchloſſe, 

Schwing' hinter dir mich flink zu Roſſe, 

Begleit', in Amazonentracht, 

Dich bey der muntern Klapperjagd, 

Ruh' neben dir, zu ſüßerm Traume, 

Wohl auf des Lagers weichem Flaume; 


rs 104 ruweon 


Auch theilt' ich treu, zögſt du in's Feld, 
Die Strohmatratz' im Kriegsgezelt. 

Ich will bis an des Lebens Gränzen 

Mit Roſen deine Stirn umkränzen, 
Und ſpät einſt ſoll an Charons Nachen 
Zum letzten Mahl mein Blick dir lachen. 


(Donner aus heitrer Luft.) 


O glückliches Zeichen! 
Mich hörte der Vater 
Der ſeligen Götter! 
Er donnert Gewährung 
Aus glänzender Bläue; 
Sein Adler entſandte 
Den zückenden Strahl! 


nn 105 rssee 


DIIIIIIIIIIIIIIII II IE ELLE ES E<S Eee << 


Gemählde der Zeit 


Quem vocet diyùm populus ruentis 


Imperi rebus? 
Hor, 


1799 


Von Afrika bis zu des Gotthards Wolkenpfaden 
Raſ't furchtbar der Zerſtörung Wuth; 

Die Nymphen in den Seen und allen Strömen baden 
Mit Grauſen ſich in Blut. 


Aus Meeren brüllt der Tod, der Tod von Berg' zu 
Berge, 
Wo donnernd Heer an Heer ſich drängt, 
Und ohne Beben hat der Vorzeit ſtille Sarge 
Die Raubgier aufgeſprengt. 


Mit hundert Rachen würgt des Rottengeiſtes Hyder; 
Europa ſieht's und ſtarrt betäubt. 
Erſcheint kein Cherub, der zurück das Unthier wieder 
Mit Flammenruthen ſtäubt? 


„ 106 rum 
Die Zwietracht ſchaut mit Luſt ſtatt Sicheln Dolche 
ſchleifen; 
Triumphe ziſcht ihr Vipernmund; 
Ihr wild ergoßnes Haar thut, gleich Kometen— 
ſchweifen, 
Der Völker Drangſal kund. 


Schuf, o Gerechtigkeit! dein Schwert der Arm des 
Stärkern 
Zur Mörderaxt nicht frevelnd um? 
Ward, Ariſtide gleich Verworfnen ae . 
Nicht Patriotenruhm? 


Der Künſte Tempel dampft, geſchmettert von den 
Bomben; 
Des Krieges eh'rner Fuß zertrat, 
Von Irlands Rieſendamm bis zu den Katakomben 
Parthenopes, die Saat. 


Altar der Menſchlichkeit! den Jubeltön' umhallten, 
Du trauerſt auf entweihter Flur; 

Von deinem heitern Pfad, wo Millionen wallten, 
Birgt hohes Gras die Spur. 


Das Mitgefühl verdumpft: man hört mit kaltem 
Lächeln, 
Was tief die Seele ſonſt bewegt, 
Seit jeder Zephyr, der uns kühlt, ein Todesröcheln 
Auf ſeinem Fittig trägt. 


nern 107 vorm 
Wohin verſcheucht, wohin, dich, die auf Tiburs 
Hügel 
So ſüß in Flaccus Laute ſang, 
O Freud', als lieh' der Sturm dir ſeine ſchnellſten 
Flügel, 
Der Kampfdrommete Klang? 


Willſt du, entgöttert von Europa's Nationen, 
Auf Au'n der beſſern Heimath nur, 
Im Schirm des Brotbaum's und der Kokuspalme, 
wohnen, 
Bey Kindern der Natur! 


Ach! ſoll auf ewig keins der blutbeträuften Lande 
Dein Frühlingsantlitz wieder ſehn, 

Wo, rauher Lüfte Spiel, noch deiner Blumenbande 
Verwelkte Blätter wehn? 


O Göttinn! eh' du flohſt, küßt' ich, mit heißen Zähren, 
Dir des Gewandes Roſenſaum: 

Da goß dein letzter Blick den Abglanz beßrer Sphären 
In meines Daſeyns Traum. 


Des Winzers Hochgeſang verſtummte längſt am 
Rheine, 
Wo ſchaudernd nun die Sonne ſteigt, 
Und von Erſchlagnen rings die dorrenden Gebeine 
Auf allen Rebhöh'n bleicht. 


en 106 . 
Seht! wie der Landmann im Ruin der Hütte jam⸗ 
| mert, 
Die jüngft fein ganzes Glück umfaßt, 
Und ihn ein Knabe feſt im Todeskrampf umklammert, 
Nach Brot weint und erblaßt! f 


Den Kranz der Grazien um Hochheims Wonnebecher 
Riß der Verwildrung Strudel fort; 
Der Jungfrau'n Angſtruf ſchallt durch dunkle Blätter— 
daͤcher; 
Der Tanzplan raucht von Mord. 


Hoch aus den Burgen ſchau'n der Helden Geiſter 
nieder, 
Und ſehn ergrimmt, wie Deutſche fliehn, 
Wie die Parteywuth ſiegt und Brüder gegen Brüder, 
O Grau'n! die Schwerter ziehn. 


Auf Naſſau's Peſte jüngſt weilt' ich mit Ahnungs— 
ſchauern, 
Das Herz der düſtern Zukunft voll, 
Als, fernem Donner gleich, dumpf durch die öden 
Mauern 
Der Geiſter Zürnen fhol: 


„Seyd ihr noch Hermanns Blut? Zurück zum Ca— 
pitole 
Schreckt' er des Römeradlers Flug! 
Werth Luthers noch, der kühn die ſcheußlichen Idole 
Des Irrwahns niederſchlug?“ 


f 


vr 109 em 
„Thuiskons Volk! du bothſt Jahrhunderte den Stür— 
men, 
Gleich deinen Eichenwäldern Trutz? 
Du ſtandſt, ein Alpenfels, den Wetter ſchwarz um— 
thürmen, 
Der Unterdrückten Schutz.“ 


„Da tönt' aus Herzensgrund noch bey der Feinde 
Toben: 
Ein' feſte Burg iſt unſer Gott! 
Wie die Gewaltigen im Schlachtorkan zerſtoben! 
Ha! deinem Schwert' ein Spott!“ 


Ein Mitter zog herauf. Der Sturm, in wildem 
Grimme, 
Verwehte, was von Zwietracht, Schmach, 
Nr Sittenpeſt und Knechtſchaft noch die 
Stimme 


Der Heldengeiſter ſprach! 


4 110 errra 


. II > IIDI II FI II DI<a << ece ce te << ce 


Erkannte Wohlthat. 


1798. 


Wer noch zum Gipfel der Dole vom Ufer des Le— 
i mans empordrang, 
Eh' vor Parteywuth und Krieg Eintracht und 
Sicherheit flohn; 
Wer an den galliſchen Küſten des Mittelmeers ruhig 
noch weilte, 
Eh' der Entvölkerung Fluch traf das geſegnete 
Land; 
Wer noch in Frieden das heilige Rom, vor der Kunſt— 
commiſſäre 
Plündrung begrüßte: der dankt niemahls den 
Göttern genug. 


we 111 . 


FEE > << <<< ee < ee << << cc 


Vergebliche Frage. 


Sind wir ein Spiel der Dämonen? So fragt' ich, 
| als auch von den Alpen 
Blut ſich in Strömen ergoß, als auch Helvetia 
fiel. i 
Lange ſchon harr' ich der Antwort; doch fürchterlich 
raſen Orkane, 
Welche den tröſtenden Laut freundlicher Götter 
derwehn. 


* 


, 112 „ 


C re 


Pomon as Heine 


Schrecklich! die Haine Pomona's, mit purpurnem 
Segen belaſtet, 
Stürzt ohne Frommen und Nutz grauſam der 
wüthende Feind. i 
Schändlicher kann ich doch nichts als dieſe Verheerung 
mir denken; 
Minos verdamm' euch dereinſt, Frevler! zu Tan: 
talus Qual. 


2 1 13 son 


EE . SSA ASA SKS SKK CAS SSS 1 


An Sali. 


1799. ’ 


* 


Salis! dich ſucht' ich umſonſt am Ufer der blutigen 
Limmat; 
Heil! dem Geſtade, wo nichts weiter den Su⸗ 
| chend en täuſcl ht. 
Salis! ich drang, dich zu ſehn, durch Rußlands und 
Auſtriens Heere, 
Mancherley Mühſal und Noth ſchuf mir der e 
Ser mende Troß. 


Ach! ſchon im Geiſte vernahm ich ͤtheriſche Silber— 


accorde, 
Wie du im Königspallaſt, wie du im Waffen: 
gezelt, 3 
Wie du in Rhätiens Wäldern, am Fuße des grauen 
Kalandas, 


Und vor dem ländlichen Herd frommer Penaten 
ſie ſchlugſt. 
Aber ich ſpähte vergeblich dir nach an der blutigen 
Limmat: 
Heil! dem Geſtade, wo nichts weiter den Su— 
chenden täuſcht. 


Matth. Werke. 2 B. H 


wa 114 user 


>DII>5II3y zz e te<ceice 


Todtenopfer. 


Heilige Mächte des Orcus! blickt gnädig empor zu 
den Kränzen, 
Einem Geliebten, und, ach! einer Geliebten ade 
weiht. 
Dieſer den Manen des treuſten Gefährten der Kind— 
heit und Jugend, 
Der in der Blüthe mir ſtarb: dieſer den Manen 
der Schweitz. 


wi. 14 5 sr... 


IDIDIDIIDYDDDIYDI III e 


Kade Ner Or enad eig. 


Auch auf den Alpen verſtummte das friedliche Yan: 
ten der Heerden, 
Neben der Freyheit Altar blutet erſchlagen der 
Hirt. 
Geister durchächzen die Luft; der Adler ſchwebt über 
der Wahlſtatt; 
Pan der Verſorgende zürnt; Wales die Ländliche 
floh, f 
Und von der Wappenfigur der berniſchen Burgen und 
Münzen 
Herrſcht in der Ode nun bald wieder das Urbild 
allein. 


5 2 


ma 116 „ 


FFC . 0K . ELEIELE 


Geß ners Schatten. 


— —— — 


Der Hirt. 


Schatten des redlichen Geßners! nicht mehr, bey 
der Helle des Mondes, 
Wallſt du im heiligen Hain, welcher dein Denk— 
mahl umweht. 
Ach! wann entſchwebſt du den Ufern der heiligen 
Lethe wie vormahls, 
Daß uns, geſegnet von dir, neu ſich beblüme 
die Trift? 


Der Genius. 


Wenn aus dem Graus der Verödung ein beßres Hel— 
vetien aufblüht, 
Und das erweichte Geſchick Winkelrieds Manen 
verſöhnt. 


nme 117 . 


DIDIIDIIIDIIIIIIIIII > << ce like ee ecce 


Biechbrrrte Walde. 


Denen das Leben du ſorgſam gefriſtet, o Pan! die 
| Dryaden 

Würgt nun der eiſerne Mars täglich zu Tauſen— 

den hin. | 

O daß nur jene dem Todesverhängniß entrännen, 
. die ſegnend 

Einſt, an der Limmat und Sihl, Geßner dem 
Enkel erzog. 


ra 11 8 5 


>> IIIII>>I>I III II . ⁵— ͤ 7 —— ee ee 


KIeriV9 Lan di cas en. 


Aberlbs Alpengemählde find jetzo, wie von der 
geftorbenen 

Mutter das redendfte Bild einem Verwaisten, 
mir werth. 

An des Larariums Wänden, der ernſten Erinnerung 

heilig, 
Häng' ich zu Roms und Athens düſtern Ruinen 
fie auf. | 


na 119 „uns 


57577 e Dee ce . tetcceeiegs 


Die Stimme in der Wüſte. 


Der Wanderer. 


Nein! dich verewigt kein Milton, Europa's ver— 
lorenes Eden! 

Weil ſich die Muſe vor Schmerz und vor Ent— 
ſetzen verhüllt. 

Traun! dem Thuepdides wäre der zitternde Griffel 


entſunken, 
Hätt' uber Attika Zeus ähnlichen Jammer ver— 
hängt. 


Die Stimme. 


Nichts iſt verloren, ſo lange nicht Mannſinn und 
; Selbſtgefühl wanken. 
Einſt, wenn die Aſche verglüht, ſchwingt ſich der 
Phönix empor. 
aich, das weiland an goldenem Seil uns zur 
Thorheit gegängelt, 
Leitet am Bettelſtab nun wieder der Weisheit 
uns zu. 


» k ——— ——— nn 


rn 1 > 0 rg 


DIIIIIIII>I III I II > I > EEE LE ESEL EEE TEE 


Abendſpatzier gang 


bey Innsbruck. 


Blumenduft athmen die Winde des Abends empor 
von den Triften; 5 

uͤber den Alpen Tyrols leuchtet der filberne Mond. 

Feyernd verſtummen die Ihäler, nur dumpfig am 


Felſengeſtade 
Brauſen des reiſſenden Inns grünliche Fluthen 
vorbey. 


Sey mir geſegnet, o Friede! der von den helveti— 
ſchen Alpen 
und vom lemaniſchen See rraurend fein Antlitz 
gewandt, ö 
Heilig ſey jetzo dem Wandrer das Land, wo mit 
Weinlaub und Ähren 
Deinen goldnen Altar ſicher die Fore noch kränzt; 
Wo der Vergangenheit Bilder um Nebel der Ferne 
verdämmern, 
Und nur die Gegenwart ihm treu an den Buſen 
ſich ſchmiegt. 


. 121 wem 


T ̃⁵ —K . I>ESEISTEeL EEE e<cc<ie 


Tyrols Landſtraßen, 


Segen den menſchlichen Fürſten „ die kräftig den 
Straßenbau fördern, 
Eichenlaub hätte zu Rom ihnen die Scheitel um⸗ 
kränzt. 
Segen der großen und guten Thereſia, welche den 
2 Heerweg, 
Feſt, wie gegoffen aus Erz, kühn durch die Al: 
pen geſprengt. 
So durch die ſtarrende Wildniß, bekränzt von der 
Wieg' und dem Sarge, 
Ebnen mit göttlicher Huld Freundſchaft und Liebe 
den Pfad. 


9 1 7 122 2 


CC ee 


Ermahnung in Tyrol. 


Wollt ihr denn ewig vergleichen? Schon iſt nun 
Tyrol euch zuwider, 

Weil es nicht völlig die Schweitz, wie aus dem 
Spiegel, euch zeigt. 

Soll der Gedank' an das Große, was fehlt, mit dem 
Großen, was da iſt, 

Immer uns thöricht entzwey'n? Seht in Tyrol 

doch Tyrol! 


vores ı 23 sr 


II PII>>III II III II I< ee ee eek SSA CSA SS 


Die Cypreſſe an Gräbern. 


Du, deren ſchlanke Geſtalt zum Ather ſo nymphen— 
haft aufſchwebt, 
Nächtlicher Melancholie wardſt du mit Unrecht 
geweiht, | 
Warum ſoll Urnen und Grüfte dein liebliches Haar 
nur umwallen, 
Und nur durch Todtengebein wurzeln dein mäch— 
3 tiger Fuß? 
Weil du Hesperiens Gärten mir hold vor die Seele 
gezaubert, 
Kränz', o Cypreſſe! dein Laub heute der Freude 
Pocal. 


ww. 124 errra 


FCC EL ee ee 


* 


Abenteuer 
des 


weiſen und tapfern Ritters Alin. 


— 
* 


An den Sylphen Ariel. 


Daß du nicht mehr um Hesperiens Blüthen ſchwebſt, 
o Sohn der Morgenröthe, vernahm ich geitern vom 
Salamander Flox, den, auf ſeiner letzten Reiſe nach 
dem Kaukaſus, die wohlbekannten Accorde deines 
ätheriſchen Saitenſpiels, in einem ſchönen Thale von 
Ger rgien, ſehr unerwartet überraſcht hatten. 

Die Nachricht traf gerade mit einem kleinen 
Feſte zuſammen, das dem Andenken jener Frühlings— 
abende geheiligt war, wo auch ich, in Frascati's blü⸗ 
henden Myrthengebüſchen, und unter den goldnen 
Orangenwipfeln bey Fondi, dieſen ſchmelzenden Har— 
monien der Geiſterwelt mit ſchwärmeriſcher Entzü— 
ckung lauſchte, wie die heilige Cäcilia des göttlich— 
ſten der Mahler dem über ihr auf Lichtwolken ſchwe— 
benden Orcheſter des Himmels. 

Flox findet dringende Urſachen, ſeine Rückreiſe 
nach Aſien zu beſchleunigen. Ungeſäumt, wie es ei⸗ 


, 125 wm 

nem praktiſchen Weiſen ziemt, faſſe ich die Gelegen— 
heit bey der Stirnlocke; und ſo empfängſt du das 
Lied von den Abenteuern des weiſen und tapfern Rit— 
ters Alin. Nimm die Bagatelle mit Nachſicht auf. 
Sie mag dir zugleich beurkunden, daß die Nebel des 
Spleens und der Mißlaune tief unter dem ſonnigen 
Alpengipfel hinziehen, zu welchem du, liebenswür— 
diger Sylphe, durch die Magie deiner überirdiſchen 
Töne, mein Gemüth fo mächtig erhobſt. 

Ich grüße dich, o Sohn der Morgenröthe, und 
hauche den geiſtigſten Kuß, den die eingeſchleyerte 
Pſyche durch das grobe Medium des Erdenſtoffes zu 
hauchen vermag, auf den Saum deiner unſterblichen 
Schwingen! 


rw. 126 wen 


. III I > > eceLeeeieeeeeeeee 


A wigt le was, whose very sight wou'd 
Intitle him: Mirrour of knighthood. 
Butler. 


Früh, bey des Morgenſterns Erbleichen, 
Verließ Alin der Väter Schloß; 

Laut wieherte, zu gutem Zeichen, 

Drey Mahl ſein andaluſiſch Roß. 


Gleich den Alciden und Rinalden, 
Grüßt' er, mit ſeinem Schildkumpan 
Hans Degenhaupt von Unterwalden, 
Der Helden lorbervolle Bahn. 


Zuerſt erſchien er in Marokko, 
Wo ihm ein abgefeimter Skies, 
Des Gauklers Urbild im Tarokko, 
Der Kaiſerſtadt Armiden pries. 


Taub, wie Ulyß, der Vielgereiſ'te, 
Dem ſchmelzenden Sirenenton, 
Eilt' er, gewarnt vom beſſern Geiſte, 
In ſauſendem Galopp davon. 


„ 127 tere 
Den Dey, der Mörderhorden ſchirmte/ 
Durchrannt' er mit demantnem Spieß, 
Und malmte ſeine ſtolzbethürmte 
Granitne Felſenburg zu Kies. 


Entkerkerte gefangner Weiber 
Ein ganzes Türkenparadies, 
Indeß der Schildknapp' ihre Räuber 
In ſiedend Bergöhl tauchen hieß.“ 


Zwölf Ritter, durch Cytherens Gnade 
Mit Roſen Amathunts bekränzt, 
Höhnt' er zurück zum ſteilen Pfade, 
Wo hehr des Nachruhms Tempel glänzt. 


Hüllt' einen Fant, der, halb verſchifert, 
Oft mit Sonnet und Madrigal 

Des Hains Dryaden eingeſchlafert, 

Zu beſſerm Zeitvertreib in Stahl. 


Aus eines Magus Zauberparke 
Erlöſt' er eine Prinzenſchaar, 
Die, Trotz der Ahnherrn Göttermarke, 
Zum Grabſcheit hier verurtheilt war. 


Die ganze Macht und Wehr des Feigen, 
Den Ring, vor deſſen Talisman 
Sich alle Geiſter dienſtbar neigen, 
Verſenkt' er in den Ocean. 


2 128 . 
Jetzt näherte ſich dem Giganten 
Von Afrika des Helden Zug; 
Der Wüthrich ſpannte den Geſandten 
Des Papſtes grade vor den Pflug. 


Da ſtürzte, jach wie Hagelwetter, 
Durch Mehren- und Eunuchentroß, 
Alin, der Unterdrückten Retter, 

Sich auf den gräulichen Koloß; 


Ward Meiſter vom gewalt'gen Stecken, 
Dem Eichſtamm, den der Halbmenſch trug, 
Womit er ſtracks den Kopf des Recken 
Zu Millionen Splittern ſchlug. 


Flink über Berge, Seen und Ströme 
Ging's nun, das Fabelreich zu ſchau'n, 
Wo finſtre Wolkendiademe 
Des Atlas Rieſenſtirn umgrau'n. N 

Auch hier, den Frevler nur zu ſtrafen 
Schied er vom tauben Stoff den Kern; 
Erniederte bald Herrn zu Sclaven, 
Erhöhte Sclaven bald zu Herrn. 


Den Vicekönig, noch verwundet 
Durch edler Frau'n gerechte Wehr, 
Sandt', in ein Stachelfaß geſpundet, 
Er auf dem nächſten Strom' in's Meer. 


run 129 neuen 
Den Oger, der, den Hexengäſten 
Zum unerhörten Abendmahl, 
In Schäferhütten und Palläſten, 
Den Säugling aus der Wiege ſtahl: 


Ihn ſtieß, den Leib voll Schwefelholzer, 
Des Ritters Arm zur Unterwelt; 
Dort ward er, nach Gebühr, dem Wälzer 
Des ſchweren Marmors beygefellt. 


Im Irrgewinde ſeiner Fahrten 
Sah Japan auch den Paladin; 
Beflorte Prieſterchöre ſchaarten 
Mit lautem Jammer ſich um ihn: 


„O Held! ein grauſes Ungeheuer 
Verödet rings der Inſel Strand, 
D'rum hat, als Schutzgeiſt und Befreyer, 
Dich unſrer Väter Gott geſandt.“ 


„Schon irren, blaß wie Mormordujien, 
Der Wohner viel in Wüſteney'n; 
Gleich Bergen thürmt ſich an den Küſten 
Der Brüder dorrendes Gebein!“ 


Im Sprung, wie ein Tarantelkranker, 
Stürmt' er bergabwärts raſch zum Sund, 
Und drehte den geglühten Anker 
Nachbohrend in des Drachen Schlund. 


Math. Werke. 2. B. a 


wen 130 r 
Durch Bußgebeth und Faſten gelber 
Als Bernſtein oder Türkenkorn, 
Schlug der Monarch ihn huldreichſt ſelber 
Zum Cavalier vom goldnen Horn. 


D'rauf bäumt ſich vor dem biedern Degen 
Ein ee Haſelwurm! 
Sein Wuthgebrüll gleicht Wetterſchlägen, 
Sein Schnauben raſ't wie Donnerſturm. 


Leicht ſchwang, als wär's ein Feen, 
Alin der Keule ſichre Wucht, 
Und ſchmettert' in den Eiſenſchädel 
Des Unthiers eine weite Schlucht. 


Willkommen! jauchzt' ihm nun Agypten, 
Wo er noch freudig manchen Band 
Von Caglioſtro's Manuſcripten 
Im Schooß der Pyramiden fand. 


Schnell drang er in die dunkeln Tiefen 
Der alten Obeliskenſchrift, 
Daß kaum das Wort vom Logogryphen 
Ein Bel-Esprit geſchwinder trifft; 


Durchwüuͤhlte nach geſchnittnen Steinen, 
Kanopen, Münzen, Skarabeen 
Und morſchen Mumiengebeinen 
Den Schutt verſunkner Mauſoleen. 


1351 0. 
Der Alterthümer ſandt' er viele 
Dem Hofmuſeum nach Madrid, 
Auch ſchwamm der größten Krokodile 
Lebendig eine Sammlung mit. 


Heil dem, durch den die Künſte blühen! 
Als Mitglied grüßt ihn das Diplom 
Der ſämmtlichen Akademieen 
Von Kopenhagen bis nach Rom. 


Ein Bruchſtück vom erhabnen Streben 
Des Ritters in Minervens Hain 
Hier epiſodiſch einzuweben, 
Haucht uns die Göttinn ſelber ein. 


Alin, am Königshof erzogen, 
Ward früh die Zierde von Madrid 
Durch Kolb' und Speer, durch Schwert und Bogen, 
Durch Stierduell und Lanzenritt. baer 


Doch ſchmückte, zu des Jünglings Ruhme, 
Dieß goldne Motto ſeinen Schild: 

In der Kamönen Heiligthume 

Bleibt auch der Sinn des Kriegers mild. 


Drum ſchweift' im Freyſtaat der Stienzen 
Alin als kühner Volontär, 
Mit Pallas Ohlzweig ſich zu kränzen, 
Durch Saat- und Brachgefild' umher. 
82 


Pr 
— 


ren 1 3 2 nee 


Maß geometriſch alle Gänge 
Im Labyrinthe der Natur; 
Schrieb vom Calcül der Meereslänge 
Und von des Zirkels Quadratur; 


Entdeckte, mit des Sehrohrs Hülfe, 
Als königlicher Aſtronom: 
Den Mars regier' ein weißer Sylphe, 
Den Uranus ein ſchwarzer Gnom. 


Im tiefſten Thal, am ſchroffſten Kegel 
Der Alpen hieß er Kräuter mäh'n, 
Und, präparirt nach Rouſſeau's Regel, 
In Folianten zierlich nähn. 


Alinia equestris taufte 
Der Held, was ihm als nahmenlos 
Ein Apotheker ſchlau verkaufte, 
Vom Hainſtamm bis zum Aftermoos— 


Das dem Linnäus einzupaſſen, 
Schien unſerm Ritter nicht bequem; 
Er ſchob allein zwölf neue Claſſen 
Ins alte Sexualſyſtem. 


In Klüfte ſah man ihn ſich zwangen, 
Und manchen Fels der Pyrenä'n 
Vom Fuße bis zum Wirbel ſprengen, 
Der Urwelt Grundſtoff zu erſpähn. 


rusıa ı 33 era 


Auch der Zergliedrungskunde Meiſter, 
Drang bey des Mittags Glanz' Alin 
In Wüſteney'n, wo dir, o Heiſter, 
Aurora kaum zu dämmern ſchien. 


Er zählt' im zarten Lebenskeime 
Die Sippſchaft bis zum jüngſten Tag, 
Und jede Million der Bäume, 
Die deutlich in der Wallnuß lag. 


Welch Staunen! als vom Erſtlingspipen 
Der Brut im Ey, ſein Preistractat, 
Verherrlicht durch Bodoni's Typen, 
Ans Licht in Salamanka trat. 


Des Paradoxen großer Prieſter, 
Sprach er dem Anerkannten Hohn; 
Merkurs germaniſchen Torniſter 
Warf er im Zorn vom Helikon. 


Wie blühſt du, rief er, hier fo ſpärlich, 
O Zauberblume des Genies? 
In Fülle zog dich, Seltne, jährlich 
Vordem das Treibhaus zu Paris! 


Naoch immer in Apolls Revieren, 
Claciſſa, Triſtram, Agathon? 
Nach Rußland euch zu deportiren, 
Bemannt ſich die Fregatte ſchon! 


„ 154 — 
Hier dulden wir nur Mönchsgeſichter, - 
Der Humpen Klang, des Turneys Kampf, 
Geſpenſterclubb, vermummte Richter, 
Banditengräu'l und Höllendampf! 


A 'ordre! brüllt er ungezogen, 
Als bey der Muſen Weihgeſang, 
Sich königlich zum Sternenbogen 
Ein Rieſenadler, Göthe, ſchwang. 


Wer ſchnöder Gleißner Myſtik haßte, 
Wer Garve, Mendelſohn und Kant 
In Kopf und Herz lebendig faßte, 
Hieß Frömmler ihm und Obſcurant. 


Er läſterte der Vorwelt Schätze 
Im Vatikan und Capitol; 
Bernini, Mylord Briſtols Götze, 
Ward auch des Ritters Kunſtidol. 


Bey Raphaels Apotheoſe 
Ließ er des Aufruhr Fahne wehn, 
Und ſchmäht', in Capuzinerproſe, 
Was Engel mit Entzückung ſehn. 


Ihn dünkten, wie ſelbſt mit Erröthen 
Sein Biograph uns referirt, 
Barbariſch Angelos Propheten 
In Fiſchbeinwämſer eingeſchnürt. 


un 135 mm 
In Guido's blonden Himmelskindern 
Erblickt' Alin die Büßungsqual 
Von Sünderinnen unter Sündern 
Vor einem Keuſchheitstribunal. 


Oſtad' und Kallot! jauchzend leerte 
Zu eurem Preis, beym Bacchanal, 
Daß Lethes Geiſterchor es hörte, 
Der Paladin den Feſtpokal. 


Ihm lag Athen in gleicher Ferne 
Mit Grönland und Botanybay; 
Drum zeigt' er klar: wie das Moderne 
Des Bildners echter Kanon ſey. 


Die Luſt am Nackten zu verwürzen, 
Moderniſirte, ſehr galant, 
Alin durch Pantalons und Schürzen 
Des Paradieſes Urgewand; 


Vergoldete die Zwickelbärte 
Den Heiligen des Laterans; 
Pflanzt' einen Cherub mit dem eee 
Fromm auf das Grabmahl Hadrians; 


Ließ Hörner, die den Mönch entzücken, 
Der Stirn des Pantheons verleihn, 
Und ſchanzt' in marmorne Perrücken 
Der Kaiſer Büſten grämlich ein; 


. 1356 — 

Loft am Gebälke die Verkröpfung, 
Durch ein Decret, vom Künſtlerbann, 
Und predigte, bis zur Erſchöpfung, 

Im Volkston, gegen Winkelmann; 


Pries auf Lutetiens Theater 
Den Gang des griechiſchen Kothurns, 
Und ſchaute voll entbrannter Krater, 
Den Mond? O nein! den Ring Saturns. 


Dieß jedermännlich zu beweiſen, 
Galt, in der Vollkraft Ungeſtüm, 
Des ritterlichen Sarras Eiſen 
Den ſchärfſten Syllogismus ihm. 


Auch hieß er tief des Erdballs Adern 
Nach Philoſophenſtein durchhau'n, 
Um eine Stadt von goldnen Quadern 
Für Platons Republik zu bau'n. 


Von dem, was, mit und ohne Nahmen, 
Alin in's Publicum geſandt, | 
Bewahrt, als Almanach für Damen, 
Die Quinteſſenz ein Foliant. 


Genug für den geweihten Kenner! 
Ins Gleis, o Muſe, nun zurück! 
Alin! wo tummelſt du den Renner? 
Wo bändigſt du das Mißgeſchick? 


DIESER 197 u... 
Hoch auf des Bructers grauen Zinnen 
Zerſprengſt du den Walpurgisball 
Der braunen Beſenreiterinnen, 
Sammt ihrem ganzen Carneval. 


doch ſpielt Beelzebub den Braven, 
Der unerträgliche Pedant! 
Nur waren ſchier des Rachens Laven 
Schon gegen Luthern ausgebrannt. 


Längſt, ohne Schweif und Hahnenkralle, 
Ward uns der Wicht in's Hirn geprägt, 
Und ſchließlich hatte man zu Halle 
Ihm Klau'n und Hörner ſtumpf geſägt. 


Wir ſehn zum jämmerlichſten Fetiſch 
Den alten Herrn hier degradirt, 
Und ſo vom Duodram' äſthetiſch 
Die Kataſtrophe motivirt. 


Jetzt an des Wunderſchildes Nabel, 
Den ihm der Held entgegenſchwang, 
Zerſplitterte die Seelengabel, 
Daß dumpf der Abgrund wiederklang. 


Der Trappen Spur vom Pferdehufe 
Ward prieſterlich mit Blut bekreutzt, 
Und Satanas in einer Kufe 
Geweihter Naphta todt gebeitzt. 


1 1 3 0 * 


Die Trauerpoſt ſtand auf der Stelle 
Gedruckt in Hamburgs Zeitungsblatt, 
Wobey, nach deutſchem Brauch, die Hölle 
Des Beyleids Thränen ſich verbath. 


Der Chronik Schluß, die bey den Reiſen 
Alin's den Griffel uns gelenkt, 
Hat, ach! im Bunde mit den Mäuſen, 
Saturn ins alte Nichts verſenkt. 


Was knittert plötzlich, wie die Kruſte 
Des Sees behm erſten Schlittſchuhlauf? 
Schlug in des Schreins beſtäubtem Wuſte 
Ein Buch ſich nicht von ſelber auf? 
Es war kein Blendwerk! Bey den Göttern, 
Des Ritters Fata ſonnenklar! 
Auf Löſchpapier, mit rothen Lettern, 
Zu Kölln gedruckt in dieſem Jahr. 


Ihn ſchaut, in ſaubern Holzſchnittbildern, 
Man hier im Kampfe, dort im Zelt, 
Und muntre Knittelreime ſchildern, 
Wie er zuletzt ſein Haus beſtellt. 


O Jammer, deſſen Centnerſchwere 
Den Körper ſchauerlich zum 8 
Uns zu verkrüppeln fähig wäre, 
Er ſtarb den Tod des Sokrates! 


ee 
Auch in den letzten Abenteuern, 
So fern wir unſerm Urtheil trau'n, 
Erneu't der Schwarm von Ungeheuern 
Und Rieſen ſtets des Leſers Grau'n. 


Doch ſehn die Herrn einander ähnlich 
Wie Goliath und Holofern: 
Die Langeweile leiht gewöhnlich 
Dem Einerley die Krücken gern! 


Das Einerley verwünſcht ein Jeder, 
Selbſt in den Mährchen der Magie, 
Und ſchrieb' ein Seraph mit der Feder 
Aus ſeinem eignen Fittig ſie! 


nur 1 4 0 42 


. EC LELEL LEE 


Randgloſſen. 


Alinia equestris faufte | 
Der Held, was ihm als nahmenlos 
Ein Apotheker ſchlau verkaufte. 


Die Idee, ſeinen Nahmen in einer ſchönen Blume 
zu verewigen, hat etwas fo Reitzendes und Gefälli— 
ges, daß die Verſuche, auf dieſe Art in den Tempel 
der Unſterblichkeit einzuſchlüpfen, beſonders unter un— 
ſern botaniſirenden Damen, ſich immer mehr verviel— 
fältigen. Folgender denkwürdigen Blumentaufe haben 
wir unlängſt ſelbſt mit beygewohnt. 

Frohlockend, wie der badende Archimedes, als 
er die Waſſerwage erfunden hatte, kam die ſchöne 
Donna Gabriele, am Arme ihres gelehrten Haus— 
freundes, mit einer neu entdeckten Pflanze vom Spa— 
Biergange zurück. Ehe noch eine Viertelſtunde verfloſ— 
ſen war, hatte man ſchon den botaniſchen Findling, 
unter dem lieblich tönenden Nahmen einer Gabriela 
formosissima, der Pflanzenpreſſe übergeben. Da 
begann der Chevalier von St. R*** mit der ihm 
eigenthümlichen Feyerlichkeit: Savez- vous bien, 


muss 1 4 1 nn 


Madame, quelle plante vous venez d’immor- 
taliser par le plus beau nom de univers? Une 
plante de la plus hasse extraction! Une gueuse, 
ui court tous les grands chemins de l’Europe! 
Enfin, lignoble Zchium vulgare] La vilaine 
Viperine! 

Juste ciel! rief die ſchöne Entdeckerinn, mit 
einem Ausdrucke des Entſetzens, der uns alle ver— 
ſteinerte, floh in ihr Boudoir, und hatte die Grau— 
ſamkeit, acht Tage lang, ſelbſt fuͤr den gelehrten 
Hausfreund, unſichtbar zu bleiben. 

Heinrich Frauenlob. 


Er ſchob allein zwölf neue Claſſen 
Ins alte Sexualſyſtem. 


Das Pflanzenſyſtem des ſchwediſchen Ritters 
Linnäus, womit ein reiſender Arzt aus Deutſch— 
land mich kurzlich bekannt machte, iſt ſeitdem mein 
angelegentlichſtes Studium geworden. Ich werde da— 
her gewiß eifrig darauf bedacht ſeyn, meinen Zu— 
hörern, denen die vier und zwanzig Claſſen ſchon 
ziemlich geläufig ſind, auch die zwölf neuerdings 
hinzugekommenen ins Gedächtniß zu prägen. Unſer 
botaniſche Garten iſt zwar eine ſcheußliche Wildniß, 
wo der Senecio vulgaris und das Leontodon 
tar axacum ihre ſeit Menſchengedenken ufurpirte 
Oberherrſchaft immer noch zu behaupten fortfahren; 
dagegen aber hat unſere Bibliothek die koſtbarſten 
botaniſchen Kupferwerke des vorigen Jahrhunderts 
aufzuweiſen. Auch bringen die zahlreichen Ruinen 


essen 1 4 2 R — 


der alten Königinn der Städte einige der intereſſan⸗ 
teſten Moosarten hervor- 
Rom. Gregorio Bandettini. 
17 9 8. Prof. der Botanik. 


Welch Staunen! als, vom Erſtlingspipen 
Der Brut im Ey, ſein Preistractat, 
Verherrlicht durch Bodoni's Typen, 

Ans Licht in Salamanka trat. 


Fragment eines Geſprächs. 


Fopp. Was, um aller Muſen willen! kann 
Bodoni's Offizin, dieſe ruhmwürdige Zierde von 
Parma, mit, Salamanka zu verkehren haben? 

Fapp. Deine Frage trifft, welches dir viel— 
leicht nicht allzu häufig begegnet ſeyn mag, dießmahl 
gerade den rechten Mann. Während meines Aufent— 
haltes in Salamankg beſchloß der akademiſche Senat 
dieſer ehrwürdigen, alten Univerſität, nach vieljäh— 
rigen Debatten, Alin's Preisſchrift, zum Ruhme 
Spaniens, mit möglichſter typographiſcher Pracht, 
auf eigene Koſten heraus zu geben. Was konnte nun 
wohl natürlicher ſeyn, als den Druck derſelben durch 
den unübertroffenen Meiſter in Parma beſorgen zu 
laſſen? Umſtändlicher habe ich dieſes Vorganges in 
meinen ſpaniſchen Kreutz- und Querflü⸗ 
gen Meldung gethan, zu welcher höchſt humoriſti— 
ſchen und originellen Toilettenlectüre ich ſchon lange 
vergeblich einen Verleger ſuche. 

Fopp. Mein edler Freund, in ſolchem Falle 
thut man wohl, ſein eigener Verleger zu werden. 


wm 1 45 reren 

Nimm dieſe verroſtete Piſtole, laß, bey Überrei— 
chung des Pränumerationsplans, ihre, dem Herzen 
zugekehrte Mündung dein Rednertalent unterſtützen, 
und, ich verwette mein eleganteſtes Ballkleid gegen 
dei nen ſchäbigen Mollrock, und meinen lockenreichen 
Haarwuchs gegen deine ſtrohfarbene Ziegenperrücke, 
daß du dich nächſtens, gleich mir und jedem andern 
Lieblinge des Plutus, geachtet, gefeyert, beneidet, 
und deine ſchmale, dunkle Hühnerſteige in eine breite, 
hellbeleuchtete Treppe verwandelt ſehen wirſt. Zwar 
folgt vielleicht, aus dem Fenſter engherziger Philiſter, 
dir mancher pathetiſche Nachruf, der ungefähr wie 
Voleur, Hihgwayman oder Induſtrieritter klingt; 
aber das achteſt du wie Lettenkugeln aus dem Blas— 
rohre muthwilliger Knaben, und wandelſt, ſtets den 
Blick auf das vergoldete Ziel geheftet, deine Bahn 
hehr und raſtlos, wie der ſtillkreiſende Mond. 


Clariſſa, Tristram, Agathon. 


Titel dreyer alten Romane, die zu ihrer Zeit, 
wie ich mich aus meiner Kindheit noch gar deutlich 
erinnere, beynahe denſelben Applausum fanden, 
deſſen ſich in unſern Tagen, wo die Sonne des Ge— 
ſchmacks im ominöſen Zeichen des Krebſes leuchtet, 
die zwölf ſchlafenden Jungfrauen und 
der Alte Überall und Nirgends zu erfreuen 
haben. Dermahlen habe ich keinen der bemeldeten 
drey Artikel mehr vorräthig. Schon vor mehreren 
Jahren hat ſich ein junger Otaheiter, der nähmliche, 
welchen Capitän Cook nach England mitbrachte, 
und der aus lobwerther Curioſität auch das heilige 


144 — 
römiſche Reich frequentirte, während ſeiner Winter— 
reſidenz in unſerer guten Stadt nicht entblödet, mir 
dieſelben diebiſcher Weiſe abzuführen und ſich damit 
auf flüchtigen Fuß zu ſetzen. Geſchahe dieſes am Mit— 
telgute ſchon damahls, welch ein Unſtern, o ihr Huld 
göttinnen und Muſen! würde jetzt erſt meinen Ritter— 
und Geſpenſterbüchern aufgegangen ſeyn! 

Termiculus Pulſatorius, 

Privatgelehrter und Bücherverleiher. 


Hier dulden wir nur Mönchsgeſichter, 
Der Humpen Klang, des Turneys Kampf, 
Geſpenſterelubb, vermummte Richter, 
Banditengräu'l und Höllendampf. 


Wie bezaubert mich ein fo glorwürdiger Triumph 
unſerer adorirten Romane aus den Zeiten der Ritter— 
ſchaft und des Vehmgerichts! Die Leſung dieſer über— 
herrlichen Bücher hat den Verſtand und das Herz 
meiner geliebten Pflegetöchter, die alle dereinſt mu— 
ſterhafte Hausmütter und Gattinnen zu werden hof— 
fen, ſo treibhauskräftig entwickelt und veredelt, daß 
ſie von den angeſehenſten jungen Gelehrten und Bel— 
lettriſten dieſer von allen Göttern und Göttinnen ge— 
benedeyeten Königsſtadt nicht nur des intimſten Um— 
ganges, ſondern auch eines fruchtweiſſagenden, äthe— 
riſch-moraliſchen Briefwechſels gewürdiget werden. 
Es iſt ein ſeelenerhebender Anblick, die holden und 
lernbegierigen Schülerinnen am Arme der muntern 
und liebenswürdigen Weltweiſen, geröthet vom ſter— 
benden Scheine des Tages, oder beſtrahlt vom Sil— 
berlichte der keuſchen, ſympathetiſchen Gedankenfreun— 


wen 145 N 
dinn Luna, in den Alleen des Thiergartens luſtwan⸗ 
deln zu ſehen! Von welchem erhabenen, faſt an 
platoniſche Schwärmerey gränzenden Feuereifer muß⸗ 
ten die Gemüther der edlen Jünglinge ſich nicht elecz 
triſirt fühlen, um jener Beharrlichkeit fähig zu were 
den, mit welcher ſie ihre gleichſam im Sturmſchritte 
eroberten Kenntniſſe der zarten Wachstafel des weibe 
lichen Herzens einzugraben bemüht fi ind! Auch aus 
dem Militärſtande nehmen einige würdige Cavaliere 
ven Bildung und Geſchmack nicht ſelten an dieſen 
wiſſenſchaftlichen Promenaden Antheil. Solche öffent⸗ 
liche Liaisons, als das bewährteſte Verhutungsmit⸗ 
tel heimlicher Liebesintriguen, auf das thätigſte zu 
befördern, bin ich, wie es einer gewiſſenhaften Pfle— 
gemutter ziemt, von jeher eifrig bemüht geweſen. 
Wohl ward in meinen Frühlingstagen der echten und 
allein humaniſirenden Geiſtescultur noch das Wiegen 
lied geſungen! 
La Citoyenne Maillard, 
Vorſteherinn einer Töchterſchule. 


Bernini, Mylord Briſtol's Götze, 
Ward auch des Ritters Kunſtidol. 


Ich war Zeuge von der bacchantiſchen El 
ckung, mit welcher mein hoher Gebiether, oft Stun⸗ 
den lang, in der Villa Borgheſe vor Bernini's Da— 
vid verweilte. Er pflegte zu behaupten, jener un⸗ 
nachahmliche Künſtler habe in ſeinem Wettkampfe mit 
der Natur den rühmlichſten Sieg errungen, und im 
Ganzen bey weitem mehr geleiſtet, als die große 
ai Werke. 2. B. K 


3 rm 146 79 
Mutter der Dinge ſelbſt, nach der einmahl herge— 
brachten Regel, zu leiſten gewohnt ſey; denn kein 
Sterblicher vermoͤge, ſelbſt durch die gewaltſamſte 
Leibesverdrehung, die Attitude des ſchleudernden Hir— 
tenknaben nachzuahmen. Auch habe der menſchliche 
Körper, nach der genaueften anatomiſchen Zählung, 

mit nichten eine ſo anſehnliche Menge von Muskeln 
aufzuweiſen, wie der Pluto, Apollo und andere 
Werke des gedachten Meiſters: folglich ſehe die Mae 
tur auch hier ſich im allerevidenteſten Nachtheile ge⸗ 
gen Bernini's ſchöpferiſchen Genius. 

Der wackere Lord Briſtol darf mit vollem 
Rechte der Ehre ſich freuen, an der Seite meines 
unvergeßlichen Gebiethers zu erſcheinen, und wahr⸗ 
lich! nur die grüngelben Lippen der Schelſucht kön⸗ 
nen einer ſolchen Auszeichnung ihn für unwuͤrdig er⸗ 
klären. War er es nicht, den der gerechte Abſcheu vor 
Raphaels Transfiguration zu dem kühnen Gedanken 
erhob, dieß von ganz Europa abergläubiſch angeſtaunte 
Gemählde in die Nacht der Vergeſſenheit zu ſtür— 
zen? Und wodurch anders, als durch eine neue Be— 
handlung des Gegenſtandes „ welche alle die Voll⸗ 
kommenheiten witklich in ſich vereinigen ſollte, die 
das getäuſchte Vorurtheil in der alten fälſchlich zu 
entdecken wähnte? Ein gutmüthiger Franzos brachte 
dieß für die Veredlung und Berichtigung des Kunff: 
geſchmacks ſo wichtige Werk mit dem glücklichſten Er⸗ 
folge zu Stande. Es ward im Pantheon ausgeſtellt; 
aber, leider! deutete das Thermometer der echten 
Kunſtwürdigung noch immer auf Null, und, ſiehe 


7773 147 von 
da! das genialiſche Product müßte den ai zur Un⸗ 
En incognito antreten. 


Scanarello, 
ehemahliger Secretär des Ritters Ali 


Die Luft am Nackten zu verwurzen, 
Moderniſirte, ſehr galant, 
Alin durch Pantalons und Schürzen 
Des Paradieſes Urgewand. 


Ewiger Sonnenſchein umſtrahle das theure a 
Haupt des gottſeligen Prinzen Colonna dereinſt im 
neuen Jeruſalem! uͤppige Gräuelbilder und nackte 
ſteinerne Götzen aus dem Heidenthume hatten den 
prächtigen Saal ſeines Pallaſtes zu Rom bisher zum 
Sammelplatze von leichtfertigen Weltkindern gemacht, 
deren verderbter Sinn, unter dem Deckmantel des 
Kunſtſtudiums, an dieſer Gallerie Sodoms ein mehr 
als animaliſches Behagen fand. Da hieß er, durch, 
einen geübten Pinſel, die nackten Figuren der Ge⸗ 
mählde auf das Anſtändigſte mit den nöthigen Klei- 
dungsſtücken verſehen, und den ſteinernen Götzen 
Schärpen von Gips), die den Marmor in größter 
Vollkommenheit nachahmen, um den frechen Leib her- 
ziehen, fo daß Erſtere wie Letztere nunmehr ſelbſt 
von zarten Jungfrauen und unſchuldigen Kindern 
ſonder Argerniß angeſchaut und e werden 
mögen. N 


Die Hölle trauerte, * Himmel freute ſich. 


sin ungenannten Sefandifgattoprdige: 


K 2 


. 148 eva 
Welch eine angenehme Überraſchung für mich, 
daß auch competente Richter des Auslandes meinen 
geringen Drapirungstalenten den gewünſchten Bey— 
fall nicht vorenthalten! Hier, in meiner durch Hel— 
den der Kunſt und Helden der Kirche gleich berühm— 
ten Vaterſtadt, hat eine hohe Nobleſſe die Gnade 
gehabt, vorzüglich den Faltenwurf des weißen Ge: 
wändchens, das ich einem niedlichen Amor vom Paul 
Veroneſe um die Hüften legte, mit dem huldreichen 
Lächeln eines unzwepdeutigen Beyfalls zu beehren. 
Bamboccio, 
Hiſtorienmahler zu Nom. 


Ließ Hörner, die den Mönch entzücken, 0 17 
Der Stirn des Pantheons verleihn. 

Sollte der Verfaſſer, wie zu, vermuthen ſteht/ 
durch dieſes triviale und unedle Bild die beyden Thür⸗ 
me haben andeuten wollen, welche das Pantheon 
zieren, ſo erweiſet er dem verewigten Ritter eine 
Ehre, die derſelbe, vermöge der aus dem Chore ſei— 
ner übrigen Tugenden fo, hell hervorglänzenden Bes 
ſcheidenheit, ſich, allem Vermuthen nach, ſelbſt 
würde verbethen haben. Nicht der große Alin, ſon⸗ 
dern der große Bernini ſetzte dem alten Tempel jenen 
Hauptſchmuck auf. Suum cuique. | 

| Scanarello. i 
n Secretär des Ritters Alin. 


Auch hieß er tief des Erdballs Adern 

Nach Philoſophenſtein durchhau'n. a 

Grabe bis zum Centralfeuer des Erdballs, pro— 
faner Empiriker, dein Streben iſt fruchtlos. Hier, 


* 149 * 
auf der ehrwürdigen Scheitel des Kaukaſus, lodern 
meine Schmelzöfen, glühen meine Tiegel und bro— 
deln meine Retorten, zur endlichen Bändigung des 
bis hierher unbezabmbaren rothen Leuen! Kein Hohn— 
geziſch lucianiſcher Poliſchinelle ſoll das große, unter 
günſtigen Augurien begonnene Werk in ſeinem Rie— 
ſenlaufe hemmen! Mein aus dem feinſten Urſtoffe 
der Schöpfung gebildeter Wunderſtab und der hohe 
Aſtralgeiſt orphiſcher und hermetiſcher Sublimirung, 
Coagulirung und Präcipitation, führen es raſch der 
Vollendung entgegen. 

Der Einſtedler auf dem Kaukaſus. 


Von dem, was, mit und ohne Nahmen, 
Alin in's Publicum geſandt. 


Zahlreich waren meines großen Gebiethers Werke, 
und feine Feder glich an Schnelle dem hin- und her— 
ſchießenden Schifflein des Webers. Mir lag es ob, 
die Schriften Alins aus dem beynahe ganz unleſerli— 
chen Manuſcripte für den Druck in's Reine zu ſchrei— 
ben, und wie glücklich, wenn es beym bloßen Copi⸗ 
sen fein Bewenden gehabt hätte! Aber da waren zu: 
gleich verrenkte Perioden auf die Beine zu bringen, 
abgeſtandene Anecdoten in Laugenſalz zu beißen, Eric 
tiſche Rattenpulver durch allerley chemiſche Prozeſſe 
in unſchädliche Bonbons zu verwandeln, Faunen⸗ 
ſprünge auf Menſchenſchritte zu reduciren, dunkle 
Götterſentenzen in die Sprache der Erdenkinder zu 
nbertragen, tauſend und aber tauſend grammatiſche 
Böcke zur Linken zu ſtellen, und die ſämmtlichen 


. 150 — 

Gran; : und Feldmarkungspoſten der Interpunction 
zu beſetzen. Bey dieſer wahrhaft herkuliſchen Arbeit 
bin ich nicht ſelten vor Mißbehagen und überdruß 
zum tinten- und federſcheuen Hypochondriſten ge— 
worden. O wie oft hätte ich, nach dem Beyſpiele 
von Alkmenens erhabenen Er rzeugten bey einem ähn⸗ 
lichen Tagewerke, den unter meinem Fenſter vorbey— 
rauſchenden Guadalquivir durch die dickbäuchigen Fo— 
liohefte des fingerfireften unter allen Polygraphen 
leiten mögen! 

Der große Mann gerieth gewöhnlich in eine laut 
aufjauchzende Jubelextaſe, wenn er Titel für ſeine 
gelehrten Productionen erſonnen hatte, die prächtig 
und majeſtätiſch in's Ohr fielen und zu ungemeinen 
Erwartungen berechtigten; aber leider! wurden ſelbſt 
feine gutmüthigſten Leſer dadurch faſt immer an das 
Wort Hotel auf dem Schilde ſchmutziger und uner: 
quicklicher Zigeunerkneipen erinnert. 

„Der Herr Ritter von Alin,“ hieß es r einſt 
in einem angeſehenen kritiſchen Zeitblatte „ „wolle 
uns die vielleicht allzu freymüthige Außerung verzei⸗ 
hen, daß der Titel des hier mit unbefangener Par— 
teyloſigkeit zu prüfenden Quartanten ſich einer hand— 
greiflichen Unwahrheit ſchuldig zu machen, oder, um 
den weiſen Houynhmuß des brittiſchen Lucians 
einen milderen Ausdruck abzuborgen, mit dem Dinge, 
das nicht iſt, in die nähmliche Categorie zu ge— 
hören ſcheint.“ 

Bey dieſem Anlaſſe hielt mein hoher Gebiether 
ſeinen Büchern, Büſten, Inſtrumenten, Minera— 
ſien, dem angoriſchen Kater, Amorino genannt, 


vr 151 — 


und meinem unbedeutenden Individuum, mit der ihm 
angebornen impoſanten Königsattitüde, folgenden 
denkwürdigen Monolog: „Kleinigkeit! ich achte das 
keinen Mückenſtich! Wie ſelten leiſteten Univerſaleli— 
xire, was der Gebrauchszettel, und Geiſteswerke, was 
die Subſcriptionsanzeige verhieß, und wann hat man 
erlebt, daß deßhalb auch nur eine Fliege ſeiner ge— 
ſummt oder eine Hummel groͤber gehummt habe? 
Der wahre Weiſe taucht ſeinen Glauben an mora— 
liſche, intellectuelle, literariſche und politiſche Voll— 
kommenheit in den Deſtillirkolben des alten Pyrrho, 
von welchem berfo.nmen find die Zweifler und Schwer: 
gläubigen, oder bethet mit dem glattzüngigen Pope, 
den ich, beyläufig geſagt, wegen ſeiner ſchulmeiſter— 
haften Correctheit niemahls in das hehre Pantheon 
meiner Lieblingsdichter einführen mochte: Selig 
ſind, die nichts erwarten, denn ihnen 
wird nichts fehlſchlagen.“ 

Wohlgeſprochen, unſterblicher Alin! Ach! ich 
erliege der Allgewalt dieſer Erinnerungen! Thränen 
drängen ſich in meine Augenwinkel, rollen mir über 
Wangen und Bart, fallen auf den Kiel meiner Fe⸗ 
der, und miſchen ſich ſympathetiſch mit dem ſeiner 
Erlöſung harrenden Tintentropfen! Theure Mänen 
des tapferſten der Helden und des Erhabenſten der 
Weiſen, kann euch wohl ein würdigetes Opfer dar⸗ 
gebracht werden, als dieſe Zaͤhren, welche freywillig 
die melancholiſche Farbe meiner Seele und meines 
Trauermantels annehmen? 

S ehe, 
ehemahliger Secretär des Ritters Alin. 


* . 
es 1 52 nasse 


Bewahrt, als Almanach für Damen, 
Die Quinteſſenz ein Foliant. 


So arg die Zumuthung, einen Folianten im 
Strickbeutel umberzutragen, an und fur ſich ſelbſt 
auch ſcheinen mag, ſo wird demungeachtet, Dank 
ſey es der glücklichen Wahl des Titels! das Werk ſich 
reiſſend genug verbreiten. Der Almanachstitel iſt ein 
Einlaßbillet, das dem grimmigſten Cerberus ein We— 
deln, und dem ungeſchlachteſten Thürſteher eine Ver— 
beugung abnöthiget. Aus dieſen Gründen bin ich ge 
ſonnen, Benjamin Schmolkens himmli⸗ 
ſches Bußopfer, als einen von meinem verewig⸗ 
ten Großvater mir durch Erbſchaft anheim gefallenen 
Verlagsartikel, unter dem Titel eines Almanachs 
der Cderubim und Seraphim, von Neuem in 
Umlauf zu ſetzen. Ein angebetheter Lieblingsſchriftſtel⸗ 
ler wird poetiſche und proſaiſche Einſchiebſel und eine 
berühmte Meiſterhand zwölf Monathskupfer dazu lie 
fern. Die Süjets zu den Letzteren werden aus der 
bewunderten Zauberflöte entlehnt werden. Der 
Kalender bekommt die gewöhnliche Einrichtung, bis 
auf den Umſtand, daß jeder großmüthige Beförderer 
dieſes gemeinnützigen Unternehmens, dem es gelingt, 
mehr als hundert Subſcribenten zu ſammeln, den 
Nahmen eines Heiligen daraus verdrängen, und an 
deren Stelle den ſeinigen leſen wird. 

Dermestes Typographus, 
Buchhändler zu Neuabdera. 


esse ı53 RANDE 
DI>I>>>>>III>III I III I I << ce ie ee ce ce 


Zauberlied. 


Endlich „alte Wundergerte, | 


uͤber ein Jahrtauſend 
Nur in Gräbern hauſend, 
Hobſt du dich an's Licht hervor; 
Furchtbar krachte das geſperrte 
Geiſterthor. 


Wahrlich, als wir Hexenjünger 
Dich auf Alraunbeeten 
Ahnungsvoll erſpähten, 

Waltete mit unſrer Schaar 

Salomo's erhabner Finger 
Unſichtbar. 


In des Erdballs Mittelpuncte, 
In des Mondes Grüften, 
In der Sterne Klüften, 

Herrſcht allmächtig auf und ab 

Der in Drachenblut getunkte 
Zauberſtab. 


wen“ 154 usa 
Treu dem Satz der Meiftergilde 
f Laßt aus Memphis Tiefen 
Dunkle Hieroglyphen 
Eng' uns um die Zirkel reihn, 
Und zum Weihaltare bilde 
Sich Gebein. 


Wenn die Leichenſteine beben, 

An des Kirchhofs Eiben 

Sich die Blätter ſträuben, 
Und aus morſcher Särge Nacht 
Sieben Flämmchen bläulich ren 

sts 8 


Vierter Zeitraum. 


1.799 bis 1811. 


Ku ps 

; 2 2 ii 
LE RW }; x 
ER W . 

. . 5 „ * 


9 3 


A 


x 


WDIDIIIIIIIIIFIYIIIFTE<EL S e e 


Das Gra d. 


ä — 


Death, sad refuge Nein the alen of Fate! 
Cray. 


Kein Erdenlant ſchlaͤgt an der Todten Ohr, 
Und ihren Schlummer, tief und eiſern, bricht 
Der Morgenglocke Klang, der Vögel Chor, 

Im dumpfen Schooß der düſtern Woh nung nicht. 


Beglückt, wen dieſes Ports Umſchirmung birgt / 
Wo der Orkane Wüthen ewig ſchweigt, 
Kein Haß vergiftet, keine Zwietracht würgt, 
Und nimmer der Verleumdung Natter ſchleicht! 


Da täuſcht kein Wahn, berauſcht kein Sinnentraum 
Mit Hoffnungsbildern aus dem Feenreich, 
An Leer' und Unbeſtand dem Farbenſchaum 
Der überſonnten Katarakte gleich. 


Da trennt erkaufter Argliſt Hochverrath 
Der Freundſchaft und der Liebe Bündniß nie; 
Da hemmt kein Ocean, kein Alpenpfad 
Die Wechſeltöne zarter Sympathie. 


sur 158 von 


Da wohnt die Ruh, die nur am Staube weilt, 
Das Brot mit dem zufriednen Landmann bricht, 
Die wunde Bruſt gekränkter Unſchuld heilt, 

Und freundlich Kranze mit der Kindheit flicht. 


Der Menſchheit Freuden ſchlüpfen ohne Spur 
Mit Sylphentritten über Nebelgrund; 
Ach! ihrer Schmerzen Drachenhorde nur 
Schweift ene 1 um der Erde Rund. 


Der Mitempfindung Troſt, u wovor 8 Weh 
Der Sterblichen zurück zum Orkus flieht, =‘ 
Treibt ſeltne Blumen, gleich der Aloe, W 
Die, von der Heimath fern, ein Kerker zieht. 


Zu grauſam hehlt, im ſchwankenden Gewühl, 
Indeß der Jugend Frühlingslaub verdorrt, 
Der Zufall, bey des Lebens Maskenſpiel, | 
Verwandten Seelen das Erkennungswort!“ 


— 


ern 159 nen 


. III II >> >> >> dt ee ee eeeiet 


Hochzeitlied. 


An Hein rich von Saldern. 


1799. 


f — — — 


Jüngling welch ein Loss iſt dir gefallen! 
Deine trunkne Seele glaubt es kaum. 
Iſt's, gewoben in Aurorens Hallen, 
Rur ein goldner Frühlingstraum? 


Nein, es iſt kein Traum! Vom Zauberbande 
Ihrer Arme fühlſt du dich umſtrickt, 
Und in roſenfarbne Feenlande 
Hat ihr Lächeln dich entzückt. 


Glänzend von des Maytags Morgengolde, 
Wallt ſie aus dem Brautgemach hervor, 

Dein für Erd' und Himmel nun die Holde, 
Die dein Genius erkor. 


Hell verklärt ihr Blick der Zukunft Ferne 
Bis ans Grab; von ihren Lippen wehn 

Ahnungslispel, daß auf beſſerm Sterne 
Liebende ſich wiederſehn. 


wora 160 ra 
Aber wiſſ', o Glücklicher! die Blume 
Der erſehnten Herzensruh gedeiht 
Unverwelklich nur im Heiligthume 
Eng' umſchränkter Häuslichkeit. 


eee 161 cee 


CCC SE ES Ce ce ee 


Zwey Jünglinge an ihre Mutter 


— ——— — 
| 


Wie Blumengefilde 

Vom Purpur Aurorens 
Elyſiſch verklärt: 

So lacht uns Beglückten 
Im Frühſchein der Jugend 
Das Leben durch dich! 


Du leiteteſt ſicher 
Die zitternden Flüge 
Des erſten Gefühls; 
Du bahnteſt die Pfade 
Zum Schönen, zum Guten, 
Zum Wahren ſo ſanft! 


i D du, der mit Banden 
Der ewigen Liebe 
Die Welten umſchlang: 
O ſtröm' auf ihr Daſeyn 
Der Segnungen Fülle 
Allgütig herab! 
Matth. Werke. 2. B. 8 


„ 

Was weih'n wir zur Gabe, 
Was weih'n wir zum Opfer, 
Geliebteſte, dir? 

Es weckte der Odem 
Des Lenzes die Blume 
Zum Kranze noch nicht. 


Die heiligſten Laute, 
Die glühendſten Thränen 
Der Lieb' und des Danks, 
Wir weih'n ſie zur Gabe, 
Wir weih'n ſie zum Opfer, 
Geliebteſte, dir! 


2 2 1 63 N un 


FTC c EL EL EL LEE SL EIELEE 


pit ap h. 


nur 


Was der verwandelten Erde vom redlichen Sel— 
mar gehörte, | 
Mütterlich birgt es im Hain heiliger Hoffnung 
ihr Schooß. 
Seine Seel' iſt bey Gott, im Jahrbuch der Biedern 
ſein Nahme, 
Und in der Freunde Gemüth nimmer verblei— 
chend ſein Bild. 
Leſer! fragſt du nach Lobſchrift und Hymne, ſo blick 
auf der Gattin 
Unverſiegbares Weh dieſſeits der trennenden 
Gruft; wi: 
Oder wenn einſt (o Triumph der Vollendung!) du 
mit dem Geliebten 
Ihr begegneſt im Licht, auf ihre Wonne durch 
ihn! 


em 
d 


ensen i 64 2 


rr r S SSK 


Regentenſpiegel. 


Unſterblichkeit verkläre dieſe Gruft, 

Wo Benno, König von Makarien, 

Der Achtundvierzigſte des Rahmens, ruht. 

Der Frühlingsmond verjüngte dreyßig Mahl 

Dieß Wonneland! wo (Dank dem Göttergleichen!) 
In Strömen Milch und Wein und Honig fleußt, 
Seit auf der Väter demantfeſtem Thron 

Er mit dem Geiſt Lykurgs und Xenophons 

Und mit dem Herzen Ariſtidssgewaltet. 

Ihr Hütten, zeugt es, wo des Wohlſtands Baum 
Zugleich mit Blüth' und Frucht ſo herrlich prangt! 
Zeugt's, ihr Palläſte, wo mit Vundestreue 

Dem Schönen ſich das Gute fromm vermählt! 


Vertauſche deine Lorber, o Apoll! 
Mit dem Cypreſſenkranz: Dir ſtarb ein Liebling. 
Kniet, ihr Kamönen, mit ergoßnem Haar, 
Um dieſen Sarkophag: Euch ſtarb ein Prieſter! 
O Mavors! weine, wenn du weinen kannſt: 
Zum zweyten Mahl ſtarb Alexander dir! 
Doch du; Makariens verwaistes Volk, 
Zerſchmilz in Thränen ganz: Dir ſtarb ein Vater! 


9 1 65 122 


Die Mitwelt nannt' ihn den Regentenſpiegel; 
Den Halbgott müſſ' ihn Klio, die Gerechte, 
Auf des Verdienſt's granitner Tafel nennen! 
Am Schattenſtrande wird Homer noch zürnen, 
Daß dieſes Königs großes Heldenleben 

Nicht in ſein großes Dichterleben fiel! 


vuven 1 66 usa 


FFT — —— ce ee ee ee ee e<ecce 


Angebinde auf Eduards Wiege. 


Ruhe fanft, o Kind, am treu'ſten Buſen! 

Daämmert ſchon in dir vielleicht ein Traumbild, 
O ſo miſch' ein Genius die Farben: 
Frühlingsgrün und Morgenroth! 


Freu' des goldnen Alters dich, als Knabe! 
Nenn' im Schlachtenſpiel dich Alexander! 
Nenne dich Homer, ſchmückſt du mit Reimen 
Eines Hänflings Todtenkreutz! 

Krön', als Jüngling, den Pokal mit Roſen! 
Trink von keuſchen Lippen Götterwonne! 
Aber waffne dich mit Klopſtocks Weisheit: 
Denn des Lenzes Blüthe ſtirbt! 


Kränze dich, als Mann, mit Lorberzweigen! 
urch Apolls und Mavors hehre Tempel 
trebe kühn zu den beſonnten Zinnen 
er Unſterblichkeit empor! 


2 
5. 
— 
N 
— 
D 
— 


6 167 sn 
Schlummr', im Silberhaar, auf deinen Kränzen 
Ohne Schmerz hinüber, und erwachen 
Jenſeits, ein heroengleicher Jüngling, 
Bey Anakreon und Kleift!- 


, 168 wm 


>>2>>>>>>>>>>>>> FIIDEL SELL ee ee ee 


Feld blumen. 
Carlsbad und Eger. 


1800. 


1. 


Blümchen Wunderhold. 


Oft auf dem Gipfel des Pindus gedieh ſchon das 
g magiſche Blümchen 
Wunderhold, ſeltner am Hang, niemahls am 
Fuße des Bergs. 


3: 
Erfas. 
Laßt ſie nur welken die Myrthen des flatternden 
Knaben von Paphos; 


Noch um verſilbertes Haar grünen die Lor— 
ber Apolls. 


9 nr 


9. 
Alcibiades an die Götter. 
Feige nur fürchten den Tod! Doch graut mir vor 
Krankheit und Alter! 
Götter! verſetzt an den Styr mich in der Fülle 
der Kraft. 


4. 
Die Mode. 


Selbſt auf den Strömen von Blut, die Mars durch 
Europa geleitet, 
Fährt, in vergoldetem Schiff, ruhig die Mode 
nach Wien. 


25 


Frauenlob. 


Riemahls beynah wird von jenem verſtändigen Weibe 
geſprochen; 
Traun! der Mann iſt beglückt, dem zur Ge— 
fährtinn ſie ward. 


8 
Evangeliſcher Sinn. 


Offen 80 Jedem dein Herz, doch da die Geladnen 
dir zögern, 
Stoppelſt nach Lahmen du ſtets oder nach 
Krüppeln am Zaun. 


7297 170 re. 
Te 
Freundſchaft. 
Arm iſt Lyda. Sie zählt in Stammbuchsregiſtern die 
Freunde. 


Einen beſitz' ich nur, aber in dieſem die 
Welt. 


8. 
Die Leihbibliothek. 
Staubig, doch ſonſt ohne Makel, ſind Wieland 


und Gothe zu ſchauen, 
Aber an Kramer und Spieß haftet unend— 
licher Schmutz. 


9. 


Das Krankenhaus. 


Biethet der kupfrige Doctor den Kranken am Ein⸗ 
gang willkommen, 
Denk' ich der Höhle des Leun, welche den Aus— 
gang verſagt. 


10. 
Gebeth. 


Send' uns nicht Sonnenſchein, Zeus! wir Armen 
erſticken im Staube; 

Send' uns nicht Regen herab, ach! wir er— 
trinken im Schlamm. 


Journaliſtenpolitik. 


Lauſchende Neutralität in der Meinung bleibt jetze 
das Klügſte; 
Scylla würgt rechtshin und links ſtrudelt Cha— 
rybdis empor. 


12. 
Der Saal. 


Gerne vermeid' ich, ſo prachtvoll er ſchimmert, den 
Saal der Geſellſchaft, 
Wo dem ſchüchternen Ruf ſchüchtern die Grazie 
lauſcht. 


15, 
Die zwey Schlüſſel im Kloſter. 


Der Bibliothekſchlüſſel. 


Seit dem weſtphäliſchen Frieden verzehr' ich mich ro— 
b ſtend im Winkel, 
Ach! Hi es trauert mein Schloß ſchmählich 
von Spinnen durchwebt. 


Der Kellerſchlüſſel. 
Glänzend erblickſt du mich zwar, doch dünn wie die 
Schlüſſel der Hölle; 
Zwanzig Mahl jeglichen Tag dreht mich der 
Kellner im Schloß. 


waren 172 . 
14. 
Die fünf Heilquellen. 


Jeglicher Heilquell hat nun ſein eigenes Krankheits— 
regiſter, 
Das, nach der Arzte 2 Decret, jährlich ſich min⸗ 
dert und mehrt. 


15. 
Der Freundſchaftsſitz. 


Was mit gigantiſchen Lettern die Mode dem Felſen 
hier eingrub, 
Gräbt nur die Freundſchaft in's Herz ihrer Ge: 
weihten, und ſchweigt. 


16. 


Der Ball. 


Nach dem Tacte verſchlich die Hypochondrie mit dem 
Asthma; 
Zwanzig Minuten, dann ſtarb an der Entkräf— 
tung der Ball. 
1 
17. 
Die neue Sappho. 


Dichten und lieben will Clärchen, um Sappho zu 
heiſſen; doch wünſchte 
Sie des leukadiſchen Sprungs gern übeshoben 
zu ſeyn. 


3 
rin 173 ren 
18. 
Wunſch einer Dichterinn. 


Ein Mahl möcht' ich doch wohl des Aufgangs der 
Sonne mich freuen, 
Den ich, in Thomſons Manier, nicht ohne 
Beyfall beſang. 


iQ. 
Der Mineralog. 


Mit dem bergmänniſchen Hammer umher an den Fel— 
ſen zu kleppern 
Gibt ſo ein Anſehn, und gleich heißt man ein 
Mineralog. 


20. 
Die Braut. 
Meines Verlobten Epiſteln und Conterfey möcht' ich 
zerreiſſen, 
Tummelt der ſchlanke Cornet unter dem Fen— 
ſter ſein Roß. 


21 


air 


Junker Veit an fernen Decovateux. 


Cäſar führt ja kein Wappen? Hinweg mit der Buͤſte 
des Kahlkopfs 
Von dem Reichsfreyherrnporträt meines Uräl— 
terpapa's! 


& 


a ner 174 ww 
22. 
Neuer Glaubensartikel. 
Weiland ſchien mir der Verein zu moraliſchen Zwe— 
cken der ſchwerſte; 
Tauſendfach ſchwerer ſcheint nun der zu politi— 
ſchen mir. 


2995 
Herablaſſung. 
Fielding und Richardſon ſchrieben ganz leidlich; 
auch hab' ich ſchon zwey Mahl, 
Auf des Verlegers Geboth, ihrer Manier mich 
bedient. 


24. 
Niezenſion 
Nichts als der Zwirn in dem Drama gehört ihm, 
womit er die Lappen, 


Welche dem Britten er ſtahl, ſchlottrig zu— 
ſammengenäht. 


25. 
To aſt. 
Was wir lieben! Klingt an! ſpricht Rolf, und in 
gleicher Secunde 


Klingt auch, mein Dämon bezeugt's, zwanzig 
f Hetären das Ohr. 


26. 


Reiſeanſtalten. 


Die Tante. 


Nur in dem Schlage zur Linken das niederſäͤchſiſche 
Kochbuch 
Neben dem Kubach placirt, und dem Wach— 
holderligueur! 


Die Nichte. 
Wohl! meine gnadigfte Tante, und bleibt noch ein 
Räumchen uns übrig, 
Steck' ich für mich noch die zwölf ſchlafen— 
den Jungfra u'n hinein. 


27. 
Scandal. 


Stieg da die e Gräfinn nicht gar in die 
Chaiſe zum Pfaffen? 
Gleich wo der Pfaffe kutſchirt, packt ſich die 
Sünde mit auf. 


7 1 7 6 7255 


28. 
Der Theatervorhang in Carlsbad, 


auf welchem die Muſen mit Sprudelbechern ergeben 
ſind. 


Daß nicht vor Zorn bey erbärmlichem Spiel die neun 
Schweſtern erkranken, 
Wird hier als Präſervativ ihnen der Sprudel gereicht. 


29. 
Eiferſucht. 
Welch ein entſetzlicher Jammer, im Bad' ein Ge— 
fangner zu ſitzen! 
Hollb! ſchon wieder treppauf klirrte der Sporn 
des Majors. 


30. 
Gelehrte Coketten. 
Todtlich zuwider ſind mir die gelehrten Coketten! ihr 
Wiſſen 
Tragen der Seele ſie auf, wie den Carmin 


dem Geſicht. 
a 
Die Berühmre. 


In der Jenaiſchen Zeitung der Literatur prangt ihr 
Nahme, 
Den der verwilderte Sohn fluchend im Schil⸗ 
derhaus nennt. 


. 177 rn 
4 32. 
Der Hausfreund. 


Hausfreund nennt ſich der Schalk! So nannte der 
eiſerne Kriegsgott 
Hausfreund ſich in Vulkans tückiſchem Netze. 
wohl auch? 


32 
Roſaura an Kleon. 


Glätten und ſäubern Sie das, doch ſchnell! der Ver— 
leger hat Eile. 
Fehlt noch ein Ströphchen etwa, Beſter, fo 
ſchalten Sie's ein! 
Tilgen Sie ſorglich die Schmach der orthographiſchen 
g Suͤnden, 
Und was noch eckicht erſcheint, ründe ſich lieb— 
lich und ſanft:? 
Denn weder Schönheit noch Jugend rührt jetzo die 
kritiſche- Wehme; 
Helena's Buſen ſogar träf' unerbittlich ihr 
Dolch. 


34. 
Fromme Induſtrie. 


Nur Ein Auge beym Bethen erhebſt du gen Himmel, 
das andre, 
Wie du dich, Heuchler, auch ſtellſt, ſchielt nach 
der Buchdruckerey. 
Matth. Werke. 2. B. M 


35. 


Der Stammbaum. 


Leg', o Freyherr, das Beil getroſt an die Wurzel 
dem Stammbaum, 

* Früchte fo herb ſchon ſeit Jahrhunder— 
ten ſind. 


36. 
Die Zofe. 


Jahre lang flickt' ich dem Liebſten die Strümpfe von 
Wolle mit Seide, 
Siehe! ſo wurden zuletzt Strümpfe von Seide 
daraus. 


37. 
Beſeitigter Irrthum— 
Jener Fremdling, der uns an Plumpheit ein Roß— 
kamm geſchienen, 


Iſt, wie man eben vernimmt, Prinzeninſtruc— 
tor. O weh! 


38. 
Der ländliche Dichter. 


Würdig beſingſt du die bräutlichen Küſſe der ländli- 
chen Unſchuld, 

Du, den im großen Berlin gratis kein Mäd— 
chen umarmt. 


— 8 — 
39. 
An einen genialiſchen Lohnüberſetzer. 


Konnteſt du, ſtattliches Roß, zum Gaule des Karrns 
dich erniedern? 
Lockt in die Schranken des Kampfs dich die 
Drommete nicht mehr? 
Pfui! dich zum Buchfabrikanten um kärglichen Lohn 
„zu vermäkeln! 
Rühmlicher nähmft du denn doch Karſt oder 
Spaten zur Hand. 


40. 
Der Zerftreute, 
Daß ich Ihr Drama zu hoch in der Zeitung erhob, 
wie natürlich! 
In der Zerſtreuung, mein Herr, wähnt' ich, 
es wäre von mir. 


41. 
Der Pädagog. 


et doch zwingt mich die Roth, mein Heil als 

Erzieher zu ſuchen! 

Schon war ich Zahnarzt, Sufar, Autor und 
Komödiant. 


M' 2 


run 180 ersth 
42. 
An einen jungen Dichter, 
der ein Handbuch der Aſthetik kaufte. 


Laß die Laterne daheim! Dir leuchtet unſterbliche 
Klarheit, 
Selbſt in cimmeriſcher Nacht, weil dich der 
Genius führt. 


45. 
Trompetenſtoß. 


Deutschland, merk' auf! mein Gedicht in ächt arioſti— 
ſchen Stanzen 

Naht ſich der Scene bereits, wo man den Hel- 
den ſcalpirt. . 


44. 
Bram arbas. 
Theuer und abgeſchmackt find' ich die Antikritik mit 
| der Feder; 
Rechtlich und wohlfeil zugleich die mit dem 
ſpaniſchen Rohr. 


45. 
Die Moorgegend. 
Du fogae mahnſt an Hesperien mich, o mephitiſches 
» Moorland, 
Als des pontiniſchen Sumpf's treffendſte Mi— 
niatur. 


46. 


Die Lehrſtunde. 


Das Fräulein. 
Wahrlich, Herr Doctor, das nenn' ich mit günſti— 
gem Winde geſegelt! 
Geſtern die Pflanzen, und heut kommen die 
Steine ſchon d'ran. 


Der Doctor. 
Fräulein, hier iſt ein Fragment von einem helveti— 
ſchen Urberg; 
Deutlich erkennt man darin Feldſpath und 
Glimmer und Quarz. 


Das Fräulein. 
Hurtig notiren wir das! ſchon hör' ich die Tante 
beym Theetiſch! 
Morgen, Herr Doctor, nicht wahr, Tactik 
und Aſtronomie? 


Der Doctor. 
wehe noch, fo Gott will! Wir gehn wur enchklopä— 
diſch zu Werke; 
Raum für der Wiſſenſchaft Mark hat ja die 
winzigſte Nuß. 


* 182 „ 
47. 
Buchhändlerbillets. 


Erſtes. 
Schneiden Sie, köſtlicher Freund, aus Werken von 
Kant oder Fichte 
Nir ein Kalenderchen zu, Kindern zum Weih— 
nachtsgeſchenk. 


Zweytes. 
Plötzlich ſpedire der Herr, den Bogen zum Thaler, 
im Guſto . 
Wielands mir einen Roman oder ein Rit⸗ 
tergedicht. 
Drittes. 
Dürft' ich für acht Louisd'or mich wohl Ihres Nah: 
mens bedienen? 
Was mein Student mir verdeutſcht, würde 
dann reiſſend gekauft. 


Viertes. 
Liefern Sie baldigſt ein Bändchen romantiſch-hiſto— 
riſchen Inhalts, 
Das zu den zwanzig anbey folgenden e 
| ſich paßt. 
Fünftes. 
Nichts mehr von Verſen, mein Herr! jetzt brauch' 
z ich ein tuͤchtiges Handbuch, 
Welches die Hebammenkunſt faßlich für Kinder 
auch macht. 


me 185 nern 
Sechstes. 
Bitte für dieſen Ducaten des Taſchenbuchs Ehre zu 
retten, 
Und mit der fahrenden Poſt folgt noch ein 
Röllchen Tabak. 


Sie bentes. N 
Klopſtocks Meſſias zu reimen? Vortrefflich! das 
wird ihn verjüngen; 
Selbſt ein Meſſias gefällt hier, wenn er altert, 
nicht mehr. 


CECE 


Die neuen Argonauten. 


Sic nos diva potens Cypri, 
Sic fratres Helenae, lucida sidera, 
Ventorumque regat pater. 


Hor. 


Spannt die Segel jauchzend auf, 
Ruſtige Gefährten! 2 

Trotz der Braven, die vom Lauf 
Nie zur Heimath kehrten. 


Zeus, den Schirmer in Gefahr, 
Auf! ihn hoch zu preiſen: 
Drey Mahl ſahn wir ſeinen Aar 
Um den Wimpel kreiſen. 


Wo ſich Muth und Jugendluſt 
In der Seele regen, 

Ehern ſtammt ſich da die Bruſt 
Der Gefahr entgegen. 


— 185 — 
Muthig, Brüder, wenn fie dräut! 
Nur im Kraftgefühle 
Männlicher Beharrlichkeit 
Kämpft man ſich zum Ziele. 


Hört ihr, wie der Fahrwind ſauſ't? 
Taumelnd fliehn die Küſten; 

Der umſchäumte Kiel durchbrauſ't 
Raſch die Waſſerwüſten. 


Seht! von unſern Melodien 
Mächtig angezogen, 

Gaukelt fröhlich der Delphin 
Im Kryſtall der Wogen. 


Laßt, beym letzten Abendftrabl - 
An der Heimath Gränzen, 
Syrakuſer im Pocal 
Noch zum Abſchied glänzen. 


Heil, den Lieben, drey Mahl hoch! 
Bis zum Wiederſehen, 

Deren weiße Schleyer noch 
Am Geſtade wehen. 


Dem Gedächtniß eures Hains, 
Wo wir opfernd ſchieden, 
Sprengen wir des Götterweins 
Fromm, ihr Tyndariden!“ 


e 186 1 
Blickt voll Huld auf unſer Schiff, 
Wenn Gewitter lohen 
Und bey Nacht am Felſenriff 
Wirbelſtröme drohen! 


Auch den Schlummernden, die hier 
Schnell wie Schaum verſchwanden, 
Ch’ des Lorbers Heldenzier 
Um die Stirn ſie wanden: 


Werd' ein Kelch, umhaucht vom Duft 
Junger Blüthenſproſſen, 

Auf die ungeheure Gruft 
Feſtlich ausgegoſſen. 


Mit Sirenenſang entrief 
Hoffnung fie dem Hufen, 
Die, viel hundert Klafter tief, 
Unter uns nun ſchlafen. 


Im gebrochnen Dämmerſchein 
Von Poſeidons Hallen 
Schmiegen ſich um ihr Gebein 

Zackige Korallen. 


Froh gewagt, iſt halb gethan! 
Mag der Abgrund ſtürmen, 
Und bis an des Mondes Bahn, 
Sich die Woge thürmen! 


rosa 187 A 

Mag (der Wechſelwinde Spiel 

In der Brandung Rachen) 
Morſch des Fahrzeugs Bau vom Kiel 

Bis zum Wimpel krachen: 
Kühnheit, dem Olymp entſandt 

Von den großen Göttern, 
Waltet noch mit ſtarker Hand 

Auf zerſchellten Bretern! 


Kühnheit ſcheucht, wenn Erd' und Meer 
Leichen grau'nvoll decken, 

Tief zum Tartarus das Heer 
Blaſſer Todesſchrecken. 


Auf! im höchſten Feyerton, 

Unter Jubelchören, 

Ihr bis an den Acheron 
Huldigung zu ſchwören! 


Die Trophäen ihrer Macht 
Strahlen, gleich den Sternen 

Der entwölkten Sommernacht, 
Aus der Vorwelt Fernen. 


Jaſons Kampfgenoſſen hieß, 
Zwiſchen Ungeheuern, 

Sie dem goldnen Wundervließ 
Stät entgegenſteuern. 5 


„ 188 — 

Sie beflügelte den Speer 

In Achilleus Händen, 

Tauſendfach dem Troerheer 
Tod und Schmach zu ſenden; 


Stählte des Odyſſeus Kraft, 
Dem verruchten Thoren 

Lodernd den Olivenſchaft 
In die Stirn zu bohren: 


Stürzte ſich bey Marathon 
Unter die Barbaren; 
Führte durch den Rubikon 

Cäſar's Heldenſchaaren! 


Alles weicht, wo ſie gebeut! 
Ihre Streitcohorten 
Sprengten der Unmöglichkeit 
Diamantne Pforten. 


Auf! im höchſten Feyerton, 
Unter Jubelchören, 

Ihr bis an den Acheron 
Huldigung zu ſchwören! 


un 189 rum 


PIIZIIIIIIII II Hy >>> <<< <a ce ec ter ee<e 


Heldenſco ine 


Ev nuprou zAadı To FD Hop. 
R ANAT. 


Triumphgeſang töne 

Gen Himmel und kröne 
Mit Jubel das Mahl! 

Sprengt Nektar zum Preiſe 

Der Todten: dann kreiſe 
Der Bundespocal. 


Nun feyern die Schwerter, 
Durch Scharten uns werther 
Als Demant und Gold. 
Wie ſchön! ſie zu gürten, 
Umſchlungen von Myrthen, 
Der Tapferkeit Sold! 


Wir warben um Ehre, 
Dem Sauſen der Speere 
Begegnend mit Luſt. 


een 190 2 
Daß rühmlich wir warben, 
Verkünden die Narben 
Der Stirn und der Bruſt. 


Der Edle muß wagend 
Und männlich entſagend 
Die Götter nur ſcheu'n! 
Dann ſprießen, dann blühen 
Ihm Lorbern aus Mühen, 
Und Roſen aus Pein. 


Stät waltet ſein Streben! 
Wenn ungleich im Leben 
Die Fäden auch ſind, 
Und wechſelnd die Parze 
Bald goldne, bald ſchwarze 
Den Sterblichen ſpinnt. 


Die ſtygiſche Barke 
Verachtet der Starke 
Beym Droh'n der Gefahr. 
Sein Wink iſt Vereidung, 
Sein Schwertſchlag Entſcheidung, 
Er ſelbſt eine Schaar. 


Der Tod weiht die Braven, 
Den Herrn wie den Sclaven, 
Zum Göttergeſchlecht. 

Jahrtauſende ſegnen 
Die glorreich Erlegnen 
Für Wahrheit und Recht. 


erw 191 N 
Sprengt Nektar zum Preiſe 
Der Todten: dann kreiſe 

Der Bundespocal. 
Triumphgeſang töne 
Gen Himmel und kröne 
Mit Jubel das Mahl! 


mus“ 1 92 . 


RIIIDIIIIIIIIDIIDIII n 


Opfergeſang. 


— — un men 


A m zehnten Aug u ſt 


1800. 


Ihr Parzen, Muſen, Horen und Dryaden, 
Auf! einen Kreis um den Altar zu ſchließen! 
Zu Franzens Opferfeſt ſeyd ihr geladen; 
Sein treues Volk ſinkt flehend euch zu Füßen. 
Hell, wie der Thau, worin ſich Blumen baden, 
Laß, Zeus, du Höchſter! feine Tag’ entfließen, 
Und nie verheerend mehr die Elb-Najaden 
Durch ſein Elyſium die Fluth ergießen. 
Mög' er, nach mehr als fünf Olympiaden, 
Wie jetzt ſein Roß mit Vollkraft noch umſchließen! 
Der Frohſinns Myrthe müſſe ſeinen Pfaden 
Stets auf Hygea's Zauberwink entſprießen, 
Bis, an der Leihe friedlichen Geſtaden, 
Agnes und Erdmannsdorff ihn ſpät be 
grüßen! 


195 room 


DIIIII> ² > Ir > > pe cc eeTeeei<te A 


Lied am Zeitenſtrome. 


Am Zeitenſtrome wallen wir 
Auf Dornen dort, auf Roſen hier, 
Heut bey Geſang der Nachtigall, 
Und morgen bey des Donners Hall. 


Der Geiſt am Strome wies die Bahn 
Uns Wallern ernſt und freundlich an. 
Streng zwiſchen Wieg' und Sarg gebeut 
Die eiſerne Nothwendigkeit. 


Doch nach dem rauh'ſten Tritt verheißt 
Dem Starken der gerechte Geiſt 
Erhöhten Muth, erhöhte Kraft, 
Frey vom Orkan der Leidenſchaft! 


and, Werke, 23. N 


. 1 94 rose 


DIIDZIIPIIIFFIIIIIII I IE CSS Eee tee Se e 


Opfergeſang an Hygea. 


r 


1802. 


| Wir ſingen dir Hymnen 
Wir winden dir Kränze, 
Wir ſprengen zum Opfer 
Dir köſtlichen Wein: 


Hygea! du höchſtes 
Verlangen der Menſchen; 
Hygea! du höchſtes 
Entzücken der Welt. 


Dir danken wir, Göttinn! 
Früh, wenn ſich mit Golde 
Der purpurne Schleyer 
Aurorens beſäumt. 


ra 199 ee 
Dich preiſen wir, Göttinn! 
Spät, wenn in des Abends 
Verklärung, meerunter 
Sich Hesperus neigt. 


Du haſt unſern Herrſcher, 
Du haſt unſern Vater 
Den ehernen Pforten 
Des Orkus entführt. 


Schon ſchwebte ſein Leben 
Am nächtlichen Strande; 
Schon theilte der Nachen 
Die ſtygiſche Fluth; 


Schon winkten die Geiſter 
Der theuern Geſchiednen 
Vom Ufer der Lethe 
Willkommen! ihm zu. 


Du reichteſt ihm freundlich 
Die Schale des Lebens; 
Da trank er, der Dulder, 
0 Göttinn! dein Heil. 


Nun ſchwiegen die Stimmen 
Des ahnenden Jammers, 
Nun wandelte plötzlich 
Die Thräne ſich um. N 
N 2 


seen 196 N 
Auf Deſſau's Gefilde 
Goß herrlich auf's Neue 
Die Sonne der Hoffnung 
Ihr goldenes Licht. 


Wie eilen, wie ſtreben 
Die Väter, die Mütter, 
Die Kinder zum Hügel 
Des Opfers empor! 


Nie hallten des Dankes 
Begeiſterte Chöre 

In vollern Accorden 

Um deinen Altar! 


Wir ſingen dir Hymnen, 
Wir winden dir Kränze, 
Wir ſprengen zum Opfer 
Dir köſtlichen Wein! 


O neige, du Hohe! 
Uns gnädig dein Antlitz, 
Uns gnädig, du Milde! 
Dein himmliſches Ohr. 


Auch dir wird ein Tempel 
Im Zaubergefilde 
Von Wörlitz noch glänzen, 
Am Spiegel der Fluth! 


vers 197 r 
Dann wähnſt du, mit Floren 
Und mit den Kamönen, 
Dich wieder im alten 
Geliebten Athen! 


. 198 LE 77 


FFC . EL CELL 


An Haug und feine Luiſe. 


18 0 2. 


Roſen der Freude, 
Wie ſie nur ſelten 
Sterblichen duften, 
Spendete freundlich 
b Euch das gerechte 
Lohnende Schickſal! 


Nur mit der Freundſchaft 
Blum' auf dem Sarge 
Werden ſie welken: 

Denn in umſchränkter 
Häuslichkeit Schatten 
Zog ſie die hohe 
Himmliſche Liebe. 


Sterbet an Einem 
Tag', ihr Beglückten! 
Keiner begrabe 
Weinend den Andern! 


A 
Wohnet auf Einem 
Stern' als Verklärte 
Einſt im entwölkten 
Glanze der Gottheit! 


*. 200 . 


DIIIIIIIIFIIIIIIDI . ec ee ee ec 


. 


Ales kann ſich umgeſtalten! 

Mag das dunkle Schickſal walten. 
Muthig! auf der ſteilſten Bahn. 

Trau' dem Glücke! trau' den Göttern! 
Steig, trotz Wogendrang und Wettern, 
Kühn, wie Cäſar, in den Kahn. 


Laß den Schwächling angſtvoll zagen! 
Wer um Hohes kämpft, muß wagen! 
Leben gelt' es oder Tod! 

Laß die Woge donnernd branden! 
Nur bleib immer, magſt du landen 
Oder ſcheitern, ſelbſt Pilot! 


— un 


„ 201 . 


ECC TTT 


Theater geſänge 
zur Churwürdenfeyer in Stuttgart. 
1803. 


1. 
Chor. 


Auf Roſenpfaden ſchien der Sonne goldnen Wagen 
Ein Chor von Freuden heut' empor zu tragen! 
Mit Eichengrün die heitre Stirn umwunden, 
Umtanzten triumphirend ihn die Stunden. 

O ſey uns mit Hymnen der Wonne 

Gegrüßt am Altare des Bundes, o Sonne! 

Du führſt, an milder Strahlenhand, 

Den Tag, der dir, o Vaterland! 

Den ſchönſten deiner Kränze wand. 


Eine Stimme. 


Jüngſt lagen unſre Fluren 
(Dein Paradies, o Deutſchland!) fern und nah 
In gräßlicher Betäubung de, 


— 202 num 
Wohin der Sohn der Hoffnung ſah, 
Verwaisten ihn des Kriegs tiefeingedrückte Spuren. 
Dem Donner der Geſchoſſe, 
Dem Kampfdrommetenklang, 
Dem Sturz der zermalmenden Roſſe, 
Verſtummte des Pflügers und Winzers Geſang. 
Wir ſahn des Neckars blutige Wellen 
Zürnend aus den Ufern ſchwellen; 
Ach! bis tief in den ſchaudernden Rhein 
Rollten ſie Todtengebein. 


Wie war dir, Würtemberg, als dir zum erſten Mahle 
Der Stern des Friedens wieder ſchien? 
Der holde Stern, vor deſſen Zauberſtrahle 
5 Abgrunds bleiche Larven fliehn? 

Du füllteſt unter Freudenzähren, 

Bekrönt mit Weinlaub und mit Ahren, 
Des Dankes Opferſchale, 

Und feyerteſt ſein hehres Glänzen, 

Auf blumenvollem Grün, 

Entzückt bey Reigentänzen 

Und Jubelmelodien. 


Chor. 


O ſey uns mit Hymnen der Wonne 
Gegrüßt am Altare des Bundes, o Sonne! 
Du führſt, an milder Strahlenhand, 

Den Tag, der dir, o Vaterland! 
Den ſchönſten deiner Kränze wand, 


DEP 203 rere 
2. 
Wechſelchor. 
Die Altwürtemberger. 
Willkommen uns mit Bundesgruß 

Am Vaterlandsaltar, ihr Brüder! 
Der Eintracht holder Genius 
Blickt ſegnend auf uns nieder. 


Die Neuwürtemberger. 


Willkommen uns, o Tag der Bundesweihe, 
Willkommen uns am Vaterlandsaltar! 
Froh bringen wir ein Herz voll Biedertreue 
Zum Erſtlingsopfer dar. 

Alle. 

Heller ſtrahlte dein Gefieder 
Bey der Brüder 
Bundesgruß 
Von der Gottheit Abglanz wieder, 
Holder Genius! 
Und dein Segenswort 
Tönte füß, wie Sphärenmelodie. 
Himmliſcher! verlaß uns nie! 


>; 
Wechſelchor. 
Die Neuwürtemberger. 


Der fernſten Enkelzeit gewoben 
O ſey dieß goldne Segensband! 


cee 20 4 —— 


Vernimm, was heilig wir geloben, 
Du theures Vaterland! 
Uns, wenn Gewitter furchtbar dräu'n, 
Wie bey des Maytags mildem Schein, 
Bis in den Tod nur dir zu weihn. 

Die Altwürtemberger. 

Der neuen Brüder Wohl als Brüder uns zu weihn, 
Mit Blumen ihre Pfade zu beſtreu'n, 
Geloben wir, vernimm's, o Vaterland! 

Und ziehn es feſter noch zuſammen, 
Mit Hochgefühlen, die vom Himmel ſtammen, 
Das goldne Segensband. 


Alle. 
Der fernſten Enkelzeit geſchlungen 
O ſey dieß goldne Segensband! 
Das Herz hat ſich der Erd' entſchwungen! 
Dank ſey, und Preis, o Weltgeiſt, dir geſungen! 
Dir Dank und Preis, o Vaterland! 


45 
Tanzchor. 


Willkommen, o Freude! 
Auf ſilbernen Schwingen, 
Im roſigen Kleide, 

Dir huldigen wir 

Mit feſtlichem Tanze! 
Selbſt Greiſe verjüngen 
Sich, Grazie, dir! 


„ 205 num 
Mit magiſchem Glanze 
Erfüllſt du die Hallen, 
Und jubelnd erſchallen, 
Wie aus Einer Bruſt, 
Harmonien der Luſt 
In Himmelsaccorden zum Sternenrevier! 


5. 
Schlußchor. 

Anbethung dir, der Millionen Sphären 
Ins Unermeßliche geſä't! 
Du zählſt, wie deine Welten, unſre Zähren, 
Vernimmſt der Staubgebornen Dankgebet, 
Und ihren Preisgeſang, 
Wie deiner Welten Jubelklang! 


Sanft, wie dein Frühlingsmorgenlicht, 
Blick' auf des Landes Vater nieder! 
Du weißt's, o Gott, nicht nur die Lippe ſpricht, 
Mein! tief hallt aus des Herzens Fülle wieder, 
Wie deine Donner ernſt und feyerlich: 
Lang' lebe Churfürſt Friederich! 


Mild, wie dein Frühlingsmorgenlicht, 
Blick' auf des Landes Mutter nieder, 
Zum Segen uns durch dich vom Strand 
Der Königinn der Meere geſandt, 
Du weißt's, o Gott, nicht nur die Lippe ſpricht. 
Nein! tief hallt aus des Herzens Fülle wieder, 
Wie Nachtigallgeſang im Lenzgefilde: 
Lang' lebe Churfürſtinn Mathilde! 


DARF 206 ren 
Anbethung dir, der Millionen Sphären 
Ins Unermeßliche gefü’t! ’ 
Du zaͤhlſt, wie deine Welten, unfre Zähren, 
Vernimmſt der Staubgebornen Dankgebet, 
Und ihren Preisgeſang, 
Wie deiner Welten Jubelklang. 


wre 20 7 run 


DIIDIIIIPIIIIIIDIIIIPII<LLECcL Sec et 


An den Frieden. 


Schöner, ſeit die goldnen Sphären rollen, 
Strahlte Phöbus Antlitz nie! 

Hehr, wie dem Olympe ſelbſt entquollen, 
Jubelt Wonnemelodie! 


Da, wo jüngſt des Krieges Eumenide 
Noch die Todesfackel ſchwang, 

Grüßt dich, holder Götterſohn, o Friede, 
Frommer Hirten Lobgeſang! 


Dir, des Heils allſegnendem Erneuer, 
Glänzt der Tag in höherm Licht, 

Und die Hoffnung neigt uns, ohne Schleyer, 
Ihr verklärtes Angeſicht! 


2 
err 2 08 r 


PIIDIIIIIDIIIIIIIIFPII<S CELL ESEL ESEL ES 


An die Mufen 
im Pantheon zu Wörlitz. 


Am zehnten Auguſt 
1805. 


Freundlich war der hohen Dioskuren 
Antlitz eurem Schiffe zugewandt: 

Heil'ge Schweſtern, ſeyd auf Deſſau's Fluren 
Uns willkommen von der Tiber Strand! 


Wann hat je, vereint in vollem Chore, 
Wie einſt Hella's Tempel ihr geſchmückt, 

Deutſchlands weites Erbe, ſeit Aurore 
D'rin Palläſte röthet, euch erblickt? 


Er, deß Genius, trotz den Armiden, 
Wundervolle Zaubergürten ſchuf, 

Rief euch aus dem Hain der Hesperiden, 
Und ihr folgtet freudig ſeinem Ruf: 


e 209 verwen 
Den ihr liebtet, göttliche Kamönen, 

Ihn von ſeines Daſeyns Frühling an; 
Leitetet zum Heiſigthum des Schönen 

Ihn mit Erdmannsdorff und Winkelmann. 


Seht ihr jene Nektarſchale glänzen, 
Die an ſeiner Jahresfeyer heut 

(Eilt, o eilt, fie feſtlich zu bekraänzen!) 
Ihm die Göttinn der Geſundheit beut? 


Jugendröthe glüht auf feiner Wange! 
Neue Lebensfülle ſtrahlt fein Blick! 

Singt ihr Muſen: „Leb', o Vater, lange! 
Spät erſt kehre zum Olymp zurück!“ 


„Sanft in goldnem Abendglanz verliere 
Sich die letzte Blume deiner Bahn, 

Und von deinem edlen Roß entführe 
Dich ein Götterwagen himmelan!“ 


Streut, ihr Freundlichen, dem Liebling Rofen ; 
Und nach zehn Olympiaden ſoll 

Erſt ſein ſtilles Grabmahl ſich bemooſen, 
Überthaut von frommer Thränen Zoll: 


Dauernd bleibt ſein Nahm' in eurem Munde, 
Bleibt ſein Bild euch in die Bruſt geprägt, 

Heil'ge Schweſtern, bis die letzte Stunde 
Euren Künſten und dem Erdball ſchlagt! 


— . — 


Matth. Werke. 2. Bd. O 


on 2 10 nova 


e 


Danklied. 


Dem Landesretter von den Einwohnern der Stadt 
Wörlitz mit einem Eichenkranze geweiht. 


1807. 


Sey laut mit Jubelſchall gegrüßt, 
Du, den der Gottheit Licht umfließt, 
O Rettungstag, den wonnevoll 

Des Enkels Dank noch ſegnen ſoll! 


Geworfen war das finſtre Loos, 
Und uns verſchlang der Tiefe Schooß, 
Wo nicht im Sturm ein Schutzgott kam, 
Und hülfreich uns in Obhut nahm. 


Wer war der Schutzgott weiſ' und gut, 
Deß hoher deutſcher Biedermuth 
Hart an der ſchwarzen Tiefe Rand, 
Ein Fels im Ungewitter, ſtand? 


6 211 dam 
Heil! Heil! geliebter Vater Franz, 
Dir drey Mahl Heil! im Bürgerkranz, 
Den wir, im feſtlichen Verein, 
Froh Deinem theuern Haupte weihn. 


Du warſt der Schutzgott, groß und gut, 
Deß hoher deutſcher Biedermuth, 
Hart an der ſchwarzen Tiefe Rand, 
Ein Fels im Ungewitter, ſtand. 


Schon ſtürmte rings, wie Meeresfluth, 
Des Kriegs verhängnißvolle Wuth; 
Ein Wink! und, was ein Eden hieß, 
Ward ein verlornes Paradies. 


O Anhalts echter Heldenſohn! 
Da tratſt Du vor Napoleon, 
Mit ungebeugtem Herrſcherſinn, 
tur Deines Volks gedenkend, hin. 


Und, wie durch Allmachtswink des Herrn, 
Verklärte ſich der Hoffnung Stern; 
Die ſchwarze Donnerwolke ſchwand; 
Gerettet war das Vaterland! 


Daß, wie der Baum, dem Heergewühl 
Nicht auch der gute Bürger fiel, 
Und uns in ſtiller Jugendpracht 
Des Friedens goldne Sonne lacht: 


www 212 r. 
Wem dankt, mit freudetrunknem Blick, 
Dein Volk dieß unbeſcholtne Glück? 
Dir, dem wir Herz und Leben weihn, 
Dir, unſerm Vater, Dir allein! 


Dir gilt ein Herz, das treu Dir ſchlägt, 
Worin Dein Bild ſich dauernd prägt, 
Die Thräne, die der Dank Dir zollt, 
Mehr als der ganzen Erde Gold! 


D'rum ſey mit Jubelſchall gegrüßt, 
Du, den der Gottheit Licht umfließt, 
O Rettungstag, den wonnevoll 
Des Enkels Dank noch ſegnen ſoll! 


ren 2 1 3 — 


FFT III ee ee sc ieccekeee<e 


Gebet h 


är den Tan de duc t er. 


r 


Neujahrstag. 


1811. 


Du, vor dem das Jahrtauſend ein flüchtiger Tag 
iſt, Jehovah! 
Neig', o neige dein Ohr väterlich unſerm Ge— 
beth! 
Grünend bewahre den Kranz der Geſundheit dem 
Haupte des Fürſten, 
Den du vor Allen erkohrſt, Menſchenbeglücker 
zu ſeyn! 
Ströme dein Wohlthun auf ihn von allen Geſtirnen 
hernieder; 
Höchſter! dich preiſen wir dann! Höchſter! dir 
ö danken wir dann! 
Gut ſeyn und edel, gilt Alles vor dir: das iſt un— 
ſer Herrſcher! 
Darum gewähr' ihm voll Huld ſtets, was das 
Herz ihm erfreut. 


— 214 wem 
Fröne mit Segen ſein Wirken, o Gott! und mit 
Kraft ſein Beginnen! 
Sey du den Wäldern ein Schirm, ſey du den 
Fluren ein Schutz! 
Nie dem Schwerte mehr weiche die Sichel in Deſſau's 


Gefilden, 
Und nur des Jägers Geſchoß höre der wildreiche 
Forſt. 
Du, dem das tobende Meer in friedliche Gränzen 
zurückflieht, 


Zähm' auch den Strom, der des Walls Boll— 
werk oft furchtbar bedroht. 
Schutze den Tempel von Wörlitz, den Franz dei— 
ner Ehre gelobte, 
Vor deinen Blitzen, und bald ſchalle ſein Frie— 
densgelaut! 
Unter dem Donner des Kriegs hob kühn dieſer heilige 
Tempel 
Sich zur Vollendung empor. Ruhm dem Er— 
bauer, und Preis! 
Schaff' ihm der Freuden ſo viel, als Bäume dem 
Enkel er pflanzte! 
Schaff' ihm des Guten ſo viel, als er des Gu— 
ten gethan! 
Du, vor dem das Jahrtauſend ein flüchtiger Tag iſt, 
Jehovah! 
Neig', o neige dein Ohr väterlich unſerm Ge— 
beth! 


—ͤũ—)Vꝓ— ꝰ́ꝙꝓ—lf . — 


mn 2 15 . 


FFF 
* 


An den Weltgeiſt. 


Weltgeiſt! wie dort auf den Waſſern der neugeſtal— 
teten Erde, 
Webt noch immer dein Hauch, dringt wo in's 
Leben ein Keim; 
Kommt nun der Menſch und ordnet, wie Luftſtrich 
und Sonn' es gebiethen, 
Und der ſtillwirkende Mond, alles mit weiſem 


Bedacht: 
O dann weiche ſein zitterndes Hoffen dem heiligen 
Glauben, 


Daß du mit Liebe vollführſt, was mit Vertrau'n 
er begann! 


[3 g N Pr N rn 16 5 * ‘ 
“ro BY aa 7 %: 
FEN OR 455 n 


g 1 2 85 W 1 * 7 75 OR %: 


3 t 
} 24 $ 
2 Per 7 IK 4 + 7 a 
= * * 
N 
1 
— * 5 EN 
* .. ers 
h * Y 
3 * g e7 5 Ag „ 7 
* * — 
- 2 
— „ 4 5 
pi 2 6 
Dach, 4 — 
8 2 
k 5 v E j 
* 


= x Baer . 
5 2 E ER Er . 
a zZ 4 R 1 > 
= Rn) sun 2 1 * 1 1 1 
— . 1 Vr 


- 1 N 1 1 5 
9 g ee 1 175 N 2 


Pr ... * * 1% 3 A “ N R j 
- „ BR 02 Bi uhr 87 Di 3 RM 7 4 , 
Pe N 218 1 * Th KL, RG Sa a m 
N n > er 75 
1 W N N f 
F e 
8 DE 1670 A r Bi nn 
RE AL x 5 * c er eig 
AR — 7 * 
a 
4 
F DR 
* 
* 
2 f 


Anmaßungsloſe Jovialitäten. Reſultate von Auf: 
gaben und Herausforderungen in Freundeskreiſen. Er— 
innerungsmarken glücklicher Abende, verlebt mit edlen 
Menſchen. Ephemeren, die ihren Tag mitflattern mö⸗ 
gen unter den ähnlichen Ephemeren dieſer Zeit. 


C ..... .. ei: secte cette 


eig ment 


* 


ne ata demi ſ chen Nede. 


— 


Da die Mißlaune, dieſes grüngelbe, und, den 
Forſchungen des berühmten ſchwediſchen Ritters zu— 
folge, polypenartige Ungeheuer, vor deſſen Peſthau— 
che die Roſen des Frohſinnes dahinſterben, als hatte 
der arabiſche Giftwind Smum ſie angeweht, und 
von deſſen Geiſer, wogegen der Geifer der Klapper— 
ſchlange ſich verhält wie Quellwaſſer zu Scheidewaſſer, 
der hundertſte Theil eines Tropfens hinreicht, den 
allerloſeſten Vogel in den hoͤchſt bejammernswerthen 
Zuſtand einer lebenslänglichen Mauſe zu verſetzen; 
da, ſage ich, dieſe von Göttern und Menſchen ge— 
ächtete und vermaledeyte Ausgeburt der Hölle, bey 
deren bloßer Nennung jeder rechtgläubige Humoriſt 
ſich mit dem Zeichen des Kreutzes zu verſehen hier— 
durch angewieſen wird, immer noch fortfaͤhrt, mit 
einer Unſcham, die ſich zwar denken, fedoch nicht 
ſchildern laßt, die Zahl ihrer Schlachtopfer täglich 
unter uns zu mehren, und die Gränzpfähle ihres, 
gegen alle himmliſche und irdiſche Rechte ufurpirten 
Gebiethes immer weiter vorzurücken: ſo haben wir, 
Präſident, Ceremonienmeiſter, Archivar, Geheim— 


* 220 wm 

ſchreiber, Bey ſitzer und Mitglieder der unter glückli— 
chem Vogelfluge geſtifteten Akademie der Jo— 
vialität, und zwar nach wiederhohlter Anrufung 
unſeres Schutzheiligen -Kleeblatts Cervantes, 
Rabelais und Sterne, auf das Allerfeyerlichſte 
verfügt und beſchloſſen, mehrbemeldeter Geißel der, 
ohnehin ſchon ſonder Ziel und Maß gehudelten Er— 
denkinder, offene Fehde anzukündigen, und im Falle 
ſie ihre weltkundige tollkühne Frechheit zu dem uner— 
hörten Grade ſteigern ſollte, ſich auf unſerm eigenen 
Grund und Boden oder auch nur in der Nahe des— 
ſelben betreten zu laſſen, ihr durch Zwicken, Knei— 
pen, Hauen, Stechen, Brennen, Sengen, Quet⸗ 
ſchen, Würgen, Naſpeln, Schaben, Schroten, 
Stampfen und andere dieſer verwandte Proceduren 
mit unermüdlicher Beharrlichkeit und echtem altritter— 
lichen Glaubensmuthe ſo lange zuzuſetzen, bis der 
ſchwarze Geiſt ihr ausfährt, und ihr ſcheußlicher Leich— 
nam da liegt, wie Sanct Georgs aufgeſpießter Lind— 
wurm, ein Gräuel ſelber den Wölfen des Gefildes 
und den Raben unter dem Himmel. 

Nur erſt nach dem Triumphe über die Erbfein— 
dinn aller geſelligen Freuden dürßen wir hoffen, je⸗ 
den Zweck, den wir mit der Gründung dieſer hoch— 
verehrlichen Akademie verknüpften, auf eine eben ſo 
dauerbare als glorwürdige Weiſe zu erreichen, und 
die Götterchen des Frohſinnes und der Schäkerlaune, 
ſammt ihrer ganzen ziegenfüßigen Sippſchaft der 
Schnurren, Schnaken und Schwänke, nicht mehr, 
wie bisher, nur als flüchtige Beſucher, ſondern als 
feſt angeſiedelte, treue und redliche Hausgenoſſen in 


wen 221 W. 

unſerer Mitte zu ſehen. Dieſes ſey demnach unſer 
kraftvollſtes Streben, thätigſtes Wirken und raſtlo— 
ſeſtes Treiben: ſo wird unſere, unter dem Patronate 
des alten Spaßvogels Momus aufblühende Societät, 
zum Heil der Lebenden und zum Segen der künfti— 
gen Generationen, fortblühen und fortgrünen, wie 
ein Baum an Waſſerbächen zur Zeit der Dürre, und 
noch vom Urenkel des Urenkels, bald mit dem heili— 
gen Froſtſchauer der Ehrf urcht, bald mit der glühen— 
den Röthe der Nacheiferung, durch Logogryphen, 
Charaden und Räthſel in den dreyhundert und fünf— 
und ſechzig Taſchenbüchern des zwanzigſten Jahrhun— 
derts als unerreichbares Vorbild geprieſen, gefeyert 
und verherrlichet werden. 


ne 232 urn 


>>>>> . II Fe ic<e ee ee ee 


Empfindſamkeiten 


a ‚ r N Hein 


Begeiſtert von der Muſenquelle, 
Sprach ein Poet an dieſer Stelle: 
Ihr Götter, welche Waſſerhölle! 


Weg mit den Felſen! dacht' ein Krämer, 
So hat's, vom Zürcher bis zum Bremer, 
Der Handelsmann hinfort bequemer. 


Betäubt vom Wogendonner, ſagte 
Ein Britte, welchem nichts behagte, 
Weil ihn der Hypochonder plagte: 
Verdammter Lärm! Dieß wäre jene a 
Zehntauſend Mahl geprieſ'ne Scene? 
Mag eine Dichterſchaar mit Staunen 
Ihr Lob in alle Welt poſaunen, 
Und jedes Her, ihr ftarker pochen: 
Ich ſeh' den Teufel Milchbrey kochen. 


— 225 mem 
Doch der Geſcheid'ſte von den Vieren 

Rief beym unendlichen Muſſiren: 

Du Herr der Himmel und der Erden! 
Ach, ließeſt gnädig du 
Durch mich ein Wunder zu, 
So müßt' in dieſem Nu 

Der Schaumberg hier Champagner werden! 


reser 2 2 4 sen 


PPP II I > I I > > > > EEE << ce <<< SSA A 


Goldene Lehren 


eines phlegmatiſchen Kosmopoliten an ſeinen auf Reiſen 
gehenden Sohn. 


Si fractus illabatur orbis, 
Impavidum ferient ruinae. 


Hor. 


Wenn grauſe Donnerſtürme raſen, 
Daß ungeheure Strecken 
Sich rings mit Felſenblocken 
Geſtürzter Berge decken: 
Dann laß, in wohlgereimten Phraſen, 
Dich zwar verfhütten, doch nicht ſchrecken. 


Wenn dumpf des Atna's Tiefen krachen, 
Und aus entbrannten Schlünden 
Durch ſchwarze Lavarinden 
Sich Flammenſtrome winden: 
Donn ſaume nicht, am Schwefelrachen 
Dein Pfeifchen ruhig anzuzunden. 


, 225 — 
Wenn um des Kriegs Panier und Wimpel, 
Beim Schmettern der Drommeten, 
Beym Donner der Musketen, 
| Sich Land und Woge röthen: 
Dann lehre friedlich deinen Gimpel 
Den Heldenmarſch von Deſſau flöten. 


Wenn auf gediegner Straße ſchändlich 
Die Poſtillone ſchleichen, 
Wie mit gefallten Eichen, 
Kanonen oder Leichen: | 
Dann denke, daß auch Schnecken endlich 
Das vorgeſetzte Ziel erreichen. 


Wenn von der Pleiße, Lein' und Saale 
Bis an die gelbe Tiber, 
Die Wirthe ſchmäͤhlich über 
Das Ohr dich hau'n, o Lieber! 

Dann zahle! zahle! zahle! zahle! 

Was hätteſt du vom Gallenfieber? 


Hörſt. du, in Wein- und Haffehhäuſern, 
Vom Köpfen, Radebrechen, 
Tortur und Strang, den frechen 
Parteygeiſt wüthend ſprechen: 

Dann folge klüglich den Carthäuſern, 

Und öffne nur das Maul zum Zechen. 

Wenn, wie vom Vieh der Sündfluth Arche, 
Von ungeſchlachten Limmeln, i 
Die Phöbus Bild verſtümmeln, 
Des Pindus Haine wimmeln: 


Matth. Werke. 2. V. ge: 


— — 226 1 
h auf's Ohr und ſchnarche, 
eberdig Sturm zu bimmeln. 


Wenn Amors bunte Sommerſchloſſer 
Vor dir ſich ſchwarz befloren, 
Weil einem andern Thoren 
Dein Liebchen Huld geſchworen: 
Dann ſollſt du, in den Leib das Meſſer? 
Nein! in den Pfropf den Zieher bohren. 


Zuletzt, um deinen Ruhm zu ſichern, 
Statt kahlen Verſiferen 
Stets nachzuwrekekeren, 
Magſt du, Trotz Makbeths Hexen, 

Aus neun und neunzig Reiſebüchern 

Das hundertſte zuſammenklekſen! 


>III>IIIII II >>>I>> . ² . eee 


Charaden. 


1. 


Bezaubernd zu der Götter Sternenſitzen, 
Bezaubernd zu des Orkus Flammenblitzen, 
Dringt meines Erſten Harmonieenhall; 
Bald Niagara's Donnerfall, 

Bald Flötenhauch der Nachtigall. 

Sein Genius kann aller Sphären 
Vereinten Wohlklang dir gewähren. | 


Doch flögſt dem Gegentheile du 
Als ſüßerm Ohrenſchmauſe zu; 


(Was wir jedoch, beym Styx! in unſern Tagen 
Im Traum' und Scherze kaum zu fürchten wagen) 


Dann würde dir der heiſ're Ton 
Der kecken Selbſtrezenſion 
Von meinem Zweyten um fo baß behagen. 


Wird aber dieß zu meinem Ganz en, 
Dann muß mit ſeinen Diſſonanzen, 
So rauh fie auch noch immer tönen, 
Sich plotzlich jedes Ohr verſöhnen; 
P 2 


wre 22 8 2 


Dann bebt, voll ahnungsvoller Luſt, 
Ihm ſelbſt der zarten Jungfrau Bruſt, 
Als Sinnbild der erhabnen Triebe 
Von Muttertreu' und Mutterliebe. 


9 
P777 


Der Mann von ſchöpf'riſchem? 
Den, Leſer, dir mein Ganzes nenn 
Und der, gleich einem ſchönen Stern 
Vom allerreinſten Silberglanz, 

Mit majeſtätiſch-jugendlichem Prangen 
Am Künſtlerhimmel aufgegangen, 
Verdient, als Guido's Zögling nicht allein 

Den Lorber aus des Latoniden Hain, 

Nein! auch als Menſch den deutſchen Eichenkranz⸗ 
Sein Herz, voll hoher Kindlichkeit, 

Blieb ſtets von meinem Erſten fern, 

Und nur den Grazien geweiht; 

Mein Zweytes aber iſt er ganz. 


alent 7 


5 
er 2 


7 


X 
Den Choragete vieler Aner, 

Vom Schulrath bis zum Secundaner, 
Nennt, Sylbenfreund, mein Erſtes dir. 
Mein Zweytes miſſen Franziskaner, 

nicht minder Südſeeinſulaner, 
Auch Bettler, ſonder Ungebühr. 
Mein Ganzes iſt im Norden 

Oft für den trägen Sclaven 

Des hochgeſtrengen Grafen 
Ermuntrungs-Inſtrument geworden. 


ersA 23 9 use 
4. 


Habt ihr mein Zweytes überſtiegen, 
Dann trinkt, in ſüßen Wonnezügen, 
Ihr von der Etſch bis zum Veſuve 
Mein Erites unverfälscht und rein 
In allen Karavanſerey'n. | 
Wie dieß ein Zögling der Vitruve, 
Ein genialer Architekt, 
Mit lorberwerthem Ruhm bedeckt, 
Den euch mein Ganzes nennt, 
Sammt vielen andern Söhnen 
Der göttlichen Kamönen, 
Im Freundeskreiſe 
Zu Libers Preiſe, 
Noch oft bekennt. 

5. 

Mein Erſtes nennt den trefflichen Copiſten 
Des Trefflichſten, was auf den reichen Liſten 
Italiſcher Originale ſteht; 
Mein Zweytes einen großen Harmoniſten, 
Der Hand in Hand mit Graun und Benda geht; 
Mein Ganzes den unſterblichen Linguiſten, 
Der, wie Europa freudig eingeſteht, 
Im Allerheiligſten der Documente 
Die Finſterniß vom Licht' auf ewig trennte. 


6. 


Das erſte Sylbenpaar 
Stellt ein Object uns dar, 


won 250 — 
Das auf der Lebensbahn, 
Gleich einem Talisman, 
Jedoch nur inhaltſchwer, 
Zu Lande, wie zu Meer, 
Am Ganges, wie am Belt, 
Die Noth im Zügel hält. 


Das zweyte Sylbenpaar 
Stellt einen Werkmann dar, 
Der das Verbothsdecret 
Totaler Nudität, 

(Durch Eva's Naſchorgan 
Gefügt in Satans Plan,) 
Artiſtiſch nie geſchmäht, 
Juriſtiſch nie verdreht. 


Das Ganze lebt im Stadtgewühl 
Von einer Art von Taſchenſpiel. 


sun 281 — 


EEC T 


gd ger e h. 


An den Oberforſtmeiſter von Wildungen. 


Das Ganze nennt den Biedermann, 

Der Teutonidens Herz gewann, 

Weil ſeines Lied's Begeiſterung 

Zur Sonne flog mit Hymnenſchwung; 

Den Schillers, Göthe's, Herders Lob 
So wahr, als ungeſchminkt erhob. 

O ſend' ihm, Freund, zu Braga's Preis, 
Aus deinem Forſt ein Eichenreis! 


Wenn jetzt ein Federſtrich das Haupt 
Dem Nahmen des Geprieſ'nen raubt, 
Dann, wie durch Feenwort, umhüllt 
Des Wahnes und der Täuſchung Bild 
Dich mit dem zartgewobnen Schleyer, 
So faltenreich und ungeheuer, 

So wunderſam und wandelbar, 
Wie keiner noch auf Erden war; 
Er naht und weicht und wallt und ſinkt, 
Hier wetterſchwarz, dort goldbeblinkt. 


un tilge noch ein Zeichen weg, 
So ia au'ſt, auf hohem Alpenſteg, 


en 232 usa 
Du freudig einen ehrenwerthen, 
Mit Recht gefeyerten Gelehrten; 
Ihn, welcher, wie Sauffur und Haller, 
Ein ſtein- und pflanzenfroher Waller, | 
Das Nützliche mit Anmuth eint, 
Ihn, jetzt und auch in Zukunft aller 
Berathnen Schweitzerpilger Freund. 


Schlägſt du den Kopf auch dieſem ab, 
So öffnet ſich der Vorwelt Grab, 
Und aus dem Dunkel ſteigt empor 
Der Pöbelgötzen Matador, 
Den Frömmlern ſeiner Zeit erſt Gott, 
Dann ſchmachvoll ihrer Kinder Spott. 
Drum deck' auf ewig immerhin 
Der Schleyer unſ'res Zweyten ihn, 
Der aber, ſo gebeut's Apoll, 
Des hochbelobten Hymnenſängers 
Und vielgerühmten Alpengängers 
Revier auf ewig meiden ſoll. 


2 


—— ... SSA SSS SSS 


Die Naſenfeyer. 


Ein a felean date. 


Chor. 


Gunzende Naſen ſind leider! nur glänzendes Elend! 
Kaum funkeln 
Bacchus Rubinen, ſo ſtellt grauſam ſich Atro— 
pos ein. 


Ein Weinhändler. 


Platina, Silber und Gold ſind wahrlich ſpottwohl— 
feil zu nennen 
Gegen das Kupfer, womit Bacchus die Naſe 
t plattirt. 


Ein Schiffscapitän. 


Fiele dir endlich das Loos, auf einem Pharos zu 
hauſen! 

O Salamander! du warft Wächter und Leuchte 
zugleich. 


7 
Ein Polizeybeamter:- 
Feuer verkünden die Trommeln, und Feuer die brül: 
lenden Wächter, 
Wenn deiner Naſe Reflex nächtlich die Fenſter 
durchglüht. 


Ein Mineralog. 
Weinſteinkryſtalle bepurpurn dir Wangen und Naſe; 
nun fragt ſich's: 
Ob dieß vulkaniſcher Stoff, oder neptuniſcher 
ſey? 


Ein Legationsſecretär. 
Stille war's lang' im Veſuv, da ſchien deine Na 
9 
in den Krater. 
Ploͤtzlich nan ſchrie das Volk: Sanct Januar, 
ſteh' uns bey! 


3 


Ein Dichter. 
Sterbend ſinken die Fliegen zu Boden am Naſen— 
vulkane; 
So am entbrannten Veſuv ſank'ſt du, o Pli— 
nius! einſt. 


Chor. 
Glänzende Naſen ſind leider! nur glänzendes Elend! 
Kaum funkeln 
Bacchus Rubinen, ſo ſtellt grauſam ſich Atro— 
pos ein. 


mn — —ů —— —- 


ww. 255 ww. 


EFFECT 


Guckkaſtenlied. 


Ich bin ein guter wälſcher Mann, 

Komm' aus Verona ſo eben an; 

Zu werther Chriſtenheit Nutz und Frommen 
Hab' ich meinen Kaſten mitgenommen. 


Die heil'gen drey Könige mit ihrem Stern 
Hätt' ich in meinem Kaſten ſo gern! 
Doch haben bemeldete Majeſtäten 
Aus chriſtlicher Demuth ſich das verbethen. 


Nun ſtellt' ich mir andre, ſtatt dieſer Drey, 
Mit Kronen und Zeptern, in Glied und Reih'; 
Wie billig, erſcheint an ihrer Spitze 
Der König der Könige, Preußens Fritze. 


Horcht! Henoch und Methuſalem 
Im Schloſſ' zu Neujeruſalem, 
Wie ſie, an Feſt- und Jubeltagen, 
Die Paradieſespauken ſchlagen! 


Auf offnem Markt ſteht Bathſeba 
Im Brunnentrog' wie Heva da; 
Sie trillert ein Liedchen von Minn' und Freude, 
Und ſchielt nach dem Dichter im Purpurkleide. 


Da baumelt Kronprinz Abſalon; 
Syrah der Monarch: Mein Sohn! mein Sohn! 
Hätt'ſt du doch, nach der Mode Ritus, 
Dein Haupt beſchoren a la Titus. 


Hierneben ſtellt ein Sünderpaar 
Sich dem geneigten Auge dar; 
Sie wittern eine Badewanne, 
Und, Frauenſpiegel, dich, Suſanne! 


Von Holofern und Goliath 
Muſikt und predigt Land und Stadt, 
Daher mag ihrer Feldherrnthaten 
Mein friedlicher Kaſten gern entrathen. 


Was nun ſich zeigt, iſt Babels Bel,“ 
Und unter den Löwen Daniel. 
Des Himmels Glanz umleuchtet Saulum 
Und ſeht! er fallt mit feinem Gaul um. 


Herr Lucifer brüllt ſonder Scheu 
Zur Mitternacht umher als Leu; 
Doch nach dem erſten Hahnenrufe 
Weicht ſchon die Tatze dem Pferdehufe. 


nor 257 — 
Frau Loth, wie gleich der Anblick lehrt, 

Steht jammervoll in Salz verkehrt: 

Er zecht ſich, der Natur zum Hohne, 

Zu ſeinem eigenen Schwiegerſohne. 


Blickt auf! Der König Salomon 
Stolzirt auf feinem Haremsthron! - 
Recht fo! Die Weisheit Salomonis 
Macht ihn Achthunderten zum Adonis! 


Iſcharioth hängt ſein Genick 
Zu böſer Stund' an einen Strick; 
Seht! wie die Teufel nach ihm ſchnappen! 
Welch Heulen und welch Zähneklappen! 


Huhu! der böſe Beelzebub 
Gibt Martin Luthern einen Schub; 
Doch das Mahl bekommt der Spaß ihm übel, 
Er ſalbt ihn mit dem Tintenkübel. 


Hoch überfleugt Held Robertſon 
Den Ikarus im Luftballon; 
Der Erdball erſcheint ihm ein Körnlein Sandes, 
Und Uranus fragt: Woher des Landes? 


Nach dieſer ungeheuern Kluft 
Umwittert euch Pariſer Luft. 
Rechts präſentiren ſich die Garden, 
Links Incroyables und Poiſſarden. 


— 258 — 
Hier ſchleppt ein Pfäͤfflein Kreutz und Quer 
Den Ablaß-Trödelkarrn umher: 
Laut ſchallt's von Hamburg bis nach Mailand: 
Gelobt ſeyſt du, der Weiber Heiland! 


Im Chor ſchreyt jener Pilgerſchwarm: 
O Mutter Gottes, dich erbarm! 
Daß auch an ſterbliche Sonnette 
Unſterblichkeit ſich liebend kette! 


Nun mach' ich meinen Kaſten zu, 
Und wünſche den Herren eine ſanfte Ruh, 
Doch mir, dem armen Hiſtorienmahler, 
Statt kupf'riger Groſchen blanke Thaler! 


— ; 
7 7 299 are 
< 


DI YDII>I>IIIIIIII II III << SSA AK K KCC SS 


Morgenhymnus einer neuen Sappho. 


Vor dem goldnen Sommermorgen 
Schwinden luſtig meine Sorgen, 
Losgeſtrickt von Harm und Schmerz, 
Tanzt mein Herz. 


Dazu pumpen auch die Triebe 
Einer frühlingsheitern Liebe 
Mir den Honigſeim der Luſt 
In die Bruſt. 


Jeder Stich, den der gewetzte 
Pfeil Cupido's mir verſetzte, 
Bleibe, Trotz dem Pindusquell, 
Fontanell. 


Marſch von hier, o Muſenrudel! 
Dein Geklimper, dein Gedudel 
Bleibt bis zum Vermählungsact 
Eingepackt! 


essen 240 wenn 
Zwar es pflegt nur unſre Jugend, 
Fern vom Heiligthum der Tugend, 
Tollen Eulenſpiegelein 
Sich zu weih'n 


Doch ich ſchau' mit Adlerswonne; 
Jauchzend auf zur Tugendſonne; 
Bey ſo heißer Minnebrunſt 
Welche Kunſt! 


Ha! du wobſt aus Morgenklarheit 
Einen Leibrock mir 5 0 Wahrheit! 
Darf nun Flunkerey und Wahn 
Mir ſich nahn? 


Lodert mir dein Himmelsfeuer, 
O dann trotzt auch meine Leyer, 
Bis zur Schattenrepublik, 
Der Kritik! 


won 241 un 


777 T . SEELE EEE 


Reiſeplan. 
An Herrn Scherer von Grandeleos. 


N = 1 * 
Lyon 1792. 


Freund! unſer Barometer 
Verkündet heitern Ather; 
D'rum wär' ich wohl geſonnen, 
Noch eh' der März begonnen, 
Trotz dem Rumor der Zeiten, 
Die Rhon' hinab zu gleiten, 
Um fromm zu Laura's Aſche, 
Mit leichter Weidmannstaſche, 
Nach Sitte der Poeten, 
Die Wallfahrt anzutreten. 
Doch darf in Schreckenstagen 
Man ſolchen Kreutzzug wagen? 
Zumahl auf der mit Blute 
Getränkten Reiſeroute 
Durch Avignon, zur Grotte 
Von Clüſa's Urnengotte? 
Verſagſt du mir dein Votum, 

| So ſchlägt mein Hoffnungsboot um! 

Matth. Werke. 2. B. 3 


e 242 eee 

Der Kleine wird indeſſen 
Sein Amo nicht vergeſſen, 
Wird fleißig wiederleſen, 
Wer Herkules geweſen, 
Und was zu Xerxes Zeiten 
Von Kriegsbegebenheiten, 
Wie auch in Cäſars Tagen 
Sich alles zugetragen. 
Auch wird er beym Spatzieren 
Nach neuen Pflanzen ſpüren, 
Harmoniſch, wie die Katzen, 
Der Geige Saiten kratzen, 
Aus Pappe Käſtchen ſchuſtern, 
Die Marionetten muſtern, 
Geſchwind, als könnt' er hexen, 
Auf Bilder Farben klekſen, 
Und ſich mit Zuckerbrötchen, 
Thee, Mandelmilch, Paſtetchen, 
Und andern Leckergaben 
Im Sonntagskränzchen laben. 


O mög' indeß den Schaaren 
Verlotterter Barbaren, 
Die Gallien verheeren, 
Ein zweyter Cäſar wehren! 
O mög' indeß die Horden, 
Die ſengen, plündern, morden, 
Jourdan, den Kopfabſchneider, 
Zigeuner, Häringsweiber, 
Und andre Poiſſarden, 
Sammt allen Afterbarden, 


nn 2 49 win 


Und feilen Libelliſten, 

Und ſchmutzigen Clubbiſten, 
Auch ſonſtiges Geſindel, 

Vom Stickrahm bis zur Spindel, 
Vom Toilettenſpiegel, 

Bis zum Fiackerzügel, 

Und ach! vor auen Dingen, 
Wonach die Edlen ringen, 

Die eingeſchwärzte Zweyheit 
Egalität und Freyheit: 
(Nur Wolkenbild den Rotten 
Entmenſchter Sanscllotten!) 
Die Nemeſis ergreifen 

Und in dem Styr erſäufen! 


sure 2 4 4 79 


— — . I II I > y EL EL <<< ce ec < 


Wortſpieldialog⸗ 


A. 


Was erhob den großen Caſtellan der Himmelsburg 
Bode, und Bode, den unnachahmlichen Copiſten 
genialiſcher, Urbilder zum Sonnengipfel einer wohl 
verdienten Celebrität? | 


B. 


* 


Stern e. 


— 


ren 2 A 5 72 


— — . tlg cchtieise 


unauflöskare⸗ Räthſel. 


Nach Greſſets. 


On me porte sur la tete, 
Et Lon me nomme chopeau; 
Devine, grosse tete! 


ee — —⅜ Ä 


Prolog. 


Angefeuert durch dein edles Beyſpiel, mein lieber 
Agathon, hat auch dein Freund ſich an einen Über⸗ 
ſetzungsverſuch gewagt. Wie aber die edelſten Dog— 
gen es nur mit Löwen aufnehmen, ſo ward, um 
conſequent zu ſeyn, und um eine, meiner nicht un— 
würdige Glorie mir zu ſichern, das ſchwerſte Original 
aller Sprachen und Zeiträume von meinem Genius 
gewählt. Zahlloſe Schwierigkeiten traten, gleich hun— 
dertarmigen Koloſſen, mir entgegen. Mein Muth 
konnte auf einen Moment zwar erſchüttert, aber Feiz 
nesweges gebeugt werden. Wie der Sohn der langen 
Wundernacht mit dem Zauber des Giganten Anteus, 
rang ich mit Sylbenmaß, Sprache, Wortfügung und 
Rhythmus. Ein boher Sieger ſtand ich endlich am 
Ziele, gefeyert und geprieſen von den Edelſten im 


erren 246 — 
Volke, und kühn darf ich nun behaupten, ein der 
Mitwelt und Afterwelt unübertreffbares Kunſtideal 
im Heiligthume der Muſen aufgeſtellt zu haben. Ich 
nehme daher nicht den mindeſten Anſtand, dasſelbe 
für den Lieblingsſohn meines Geiſtes zu erklaren, 
und ihm, wie der wackere Bürger dem ſeinigen, 
das Meiſterſiegel der Vollendung mit eigener vater— 
licher Hand auf die Stirn zu drücken. Pe 


Das unauflösbare, 
allen Ddipen trotzende Räthſel. 


Ich hang’ am Kopf’, 
Und heiße Zopf; 
Nun rathe, Tropf! 


wen 2 2 . 


CCC —— c ES <SEITSTELLEI<ELEE 


Stamm buchsblatt 
für per e gun nau s. 


— 


Laß fünf auch heute g'rade 
Wie geſtern ſeyn; 

Hemm' in Fortunens Rade 
Die Speichen ein; 

Steh feſt bey der Blokade 
Von Schurkerey'n, 

Wie dort am Elbgeſtade 
Der Königsſtein: 

Sonſt kömmſt du ſonder Gnade 
Um dein Latein. 

Nie bitt' um Reim und Suade 
Des Pindus Neun, 

Und laß der Croiſade 
Zu ihrem Hain 

Und ſeines Quell's Raſade 
Sich Andre freu'n; 

Selbſt Räthſel und Charade 
Sind Kinderey' n. 

Bleibſt du ſtocktaub für fade 
Klingreimerey'n, 


1 


— 248 — 
Wird auf der Maskerade 
Der guten Fey'n 
Wie gern! Sheherezade 
Dein Liebchen ſeyn! 
Bleib treu der Gasconade; 
Nur laß dir fein 
Von Teniers und Oſtade 
Die Farben leih'n. 
Vor Amors Bundeslade 
Tanz' froh den Reihn, 
Bald würde ſonſt Leukade 
Sich uns erneu'n; 
Zerfließ nicht, wie Pomade, 
Im Vollmondsſchein 
Beym Schall der Serenade: 
„Ich denke dein!“ 
Laß auf Jeremiade 
Und Litaney'n, 
Selbſt auf dem rauh'ſten Pfade, 
Dich niemahls ein. 
Der Lebens-Bambocciade 
Dich baß zu freu'n, 
Verſcheuch des Quells Najede 
Von deinem Wein; 
Doch flieh' auch der Mänade 
Zechmelodey'n! 5 
Im Ganzen bleib Nomade! 
Dann wird Gedeih'n 
Zur Erdenpromenade 
Dir Gott verleih'n; 


9 249 3 
Dang bringſt du keinem Bade 
Sechs Dreyer ein, 
Von Lauchſtädts Esplanade 
Bis an den Rhein; 
Dann wird die Freybrigade 
Der Lohnlakay'n, 
Von Rom bis Apenrade, 
Dir Vivat ſchrey'n, 
Und auf beſonntem Pfade 
Führt Schwager Hain, 
Als Knöchling, ohne Wade, 
Mit Sanduhr? Nein! 
Ein himmliſcher Alcade 
Mit Heil'genſchein 
Dich ſpät in's Eldorade 
Der Geiſter ein, 
Um, reif zum Engelgrade, 
Los aller Pein, 
Weit, weit vom Flammenbade 
Und Qualverein, 
Der Siegs-Hallelujade 
Choriſt zu ſeyn. 


— 
essen 290 1 


NN Ddr e Nr SSS SS SSS SSC 


voife 


Schier bis zue Überſchnappung ſtolz 

Auf des vermorſchten Stammbaum's Holz, 
Und als Strohſiedeldilettant 

Im Wochenblatt für Stadt und Land 
Des Pindus Don Quixot genannt, 

War Junker Veit von Haſenbein 

Der Zielpunct aller Witzeley'n, 

Vom Oberamtmann bis zum Schreiber, 
Vom Pfarrer bis zum Eſeltreiber. 

Bald ſah man, zur Geſpenſterzeit, 
Durch Dorn und Korn den Junker Veit, 
Gleich Hunden, die das Wild verfehlen, 
Sich auf des Reimes Fährte quälen, 
Bald vor dem großen Hofthorwappen 

Im Wonnerauſch nach Athem ſchnappen. 
Indeß Jan Hagel das beſcherzte, 

Erklürte ein Synodus der Arzte: 
Verloren an dieſem Edelmann 

Sey Tropfbad, Nieswurz und Trepan. 
Dann hoben, wie Wielands Zauberfiſche, 
Doctores, an ihrem Berathungstiſche, 
Die atzelumdämmerten Häupter empor, 


BE 251 . 


Und riefen einſtimmig in hellem Chor: 
Das iſt, was Vater Hippokrat 
Schon ſonnenklar bewieſen hat, 
Der incurabelſte der Narren: 
Er laborirt am Doppelſparren! 


rn 252 u 


>>>23 Nr ATI Eee Wurst Au 


Lob der Bewegung. 


Nach einer däniſchen Handſchrift. 


Bewegt ſich nicht alles, was lebt? 

Was hoch im Ather ſchwebt? 

Was durch die Wälder ſtreicht, a f 

Und was an Krücken keucht? 

Was durch die Hecken ſchlüpft, 

Und an den Teichen hüpft? 

Was auf zwey Beinen tanzt? 

s ſich auf viere pflanzt? 

Was in der Stube ſpatziert, 

Und auf dem Wall promenirt? 

Vom Elephanten bis zum Biber, 

Vom Läufer bis zum Karrenſchieber, 

Von der Hofdame bis zur Schnecke, 

Marſchirt, was Luft höhlt, feine Strecke. 

D'rum ruf' ich, mit freudiger Regung, 

Vivat! hoch die Bewegung! 

Iſt Mancher, zu Waſſer wie zu Land, 

Durch Bewegung auch aus der Welt gerannt; 

So hat ſich auch Mancher, mit Kraft r ge: 

rüſtet, 

Durch Sitzen und Liegen von Grund aus ver— 
wüſtet. 


vorn 253 1 


Dann klopft man, als gält' es zehn tauſend Curen, 
An Thüren und Fenſter nach Wundertincturen. 
Vergeblicher Norhſchuß! denn Asculap 

Neigt ſelten zum Segnen den Schlangenſtab. 


Mutter Eva lag weichlich auf Raſen geſtreckt, 
Als fie der leibhafte Sey bey uns geneckt. 
Wäre ſie nur fein luſtig über Gräben geſprungen, 
Oder hätte dem Frühroth entgegengeſungen, 
Einen Schleifer getanzt, Schmetterlinge gehaſcht, 
Sie hätte fürwahr nicht vom Apfel genaſcht; 
Und Klapperbein mit der gräßlichen Hippe, 
Blieb ewig ein Fremdling der lüſternen Rippe; 
Wir lebten ein Leben, ſammt und ſonders, 
Unbetaſtbar den Krallen des Hypochonders; 
Auch drückten uns nimmer die Schuldenhöker 
Vom Schneidermeiſter und Apotheker. | 


Vernehmt es, ihr Brüder! im Zorn ergeh's 
über Großvaterſtühl' und Canapee's! 
Canapee's zumahl ſind gefährliche Dinger, 
Und hätte ſie auch ein magiſcher Finger 
eit Blumen und Blärtern gar künſtlich verziert; 
Weh' dem, den die Lockung zum Raſten verführt! 


Setzen wir d'rum in des Erdwallens Lotto 
Den Spruch: Nührt und regt euch! ein, als 
Motto! 
Und ſo wünſch' ich herzlich den Herren und Frauen, 
Zu Roß wie zu Fuß, auf luſtigen Auen 


9 254 wen 
Das Heil der Bewegung und Begleiter un 
Jovial, empfindſam, keck und fo weitern 
Die, bey den Wettern, die ſtets uns dräuen , 
icht gleich aus dem Schlummer die Schildwacht 

ſchreyen; 

Wenn etwa ein Regenguß niederfährt, — 
Und Cloacinens Element empört, 
Dasıan Füß' und an Falblas geſellig ſich grünt z 
Und e wie Franzen, am Unterkleid We 10 


Wil einſt Ton Mors mir bie Kehle ver⸗ 
35 ſchnü ren, 
So ruf ih zuletzt, bey; weit offenen Thüren, 
Noch, mit doppelt freudiger Regung: 
Vivat! in Ewigkeit hoch die Bewegung! 
Zumahl, wenn es gilt, in den Weltenkreiſen 
Mit Strahlen des Lichts um die Wette zu reiſen, 
Durch der Unendlichkeit Regionen, 
Und, Jo Triumph! ohne Poſtſtationen! 


2 
ere 255 7 72 


„ 5 s „I CNN LLC CA CCS 
. 9 


Ideal eines Hauslehrers. 


— 


In einem Luſtſchloß auf dem Lande 
Wird für drey junge Herrn vom Stande, 
Des Nahmens großer Ahnen werth, 
Ein Lehrer Knall und Fall begehrt. 
Für das geſchickteſte Subject 

Steht ſchon der Kammertiſch gedeckt. 
Zu merken! Der Begehrte ſey 

An Seel' und Körper fehlerfrey! 
Sehr gut! iſt er ein Vielgereiſter, 
Und auch der freyen Künſte Meiſter. 
Sind ihm, wie wir im Sprichwort ſagen, 
Die Augen größer, wie der Magen, 
Das heißt, iſt er ein ſchwacher Eſſer, 
Und laſſer Trinker, deſto beſſer! 
Franzöſiſch, Griechiſch und Latein 
Muß von der feinſten Sorte ſeyn. 
Gewurzelt ſteh' er, gleich der Eiche, 
In der Gelahrtheit weitem Reiche. 
Im Nothfall muß, vor allen Dingen, 
Ihm ein galanter Vers gelingen, 

Und auf des Forſtfachs grüner Bahn 
Hab' er ſich trefflich umgethan. 


— 255 — 

Daß er mit Flöt' und Violine 
In Winterſtunden uns bediene, 
Und manchem Schwank von Feen und Rittern, 
Das Zwergfell kräftig zu erſchüttern, 

dach muthig froh beſtandner Jagd, 
Nun das verſteht ſich ungeſagt. 
Er ſoll das Kleeblatt unſ'rer Lieben 
Im Reiten, Tanzen, Fechten üben. 
In jeder arbeitsfreyen Stunde 
Ergetz' ihn die Dreſſur der Hunde; 
Wer damit waltet nach den Regeln, 
Der darf zum Lohn am Sonntag kegeln. 
Auch ſey er im Verſchnitt von Haaren 
Und im Raſiren wohl erfahren. 
Der Jahrgehalt macht funfzig Gulden, 
Nebſt Tilgung der Studentenſchulden. 


— 


n 257 wer 


VIIIIIIIIII III > II - ae e e 


VBerlodbungsangeige 


— 


Daß ich beym Italiener Pino, 

Auf dem Kraͤhwinkelſchen Caſino, ‘ 
Nach eines raſchen Walzers Runde, 

An Fräulein Adelheid Jucunde 

Felicitas von Elſenmoor 

Mein unberathnes Herz verlor, 

Und, leider, auch ihr Eh'genoß 

Zu werden auf ihr Ja beſchloß, 

Wird hiermit Freunden, Anverwandten, 
Correſpondenten und Bekannten, 

Eh's Fama noch umherpoſaunt, 

Durch mein Organ in's Ohr geraunt. 
Die Braut, ſeit dreyßig Jahren ſchon 
Berühmt auf Deutfhlands Helikon 

Als Urbild eleganter Sitten, 

Laßt ſich das Mitgefühl verbitten. 


5 


Matth. Werke. 2. B. 8 N 


wu 258 W 


F. ˙ A DISS <a ce c<e<< SSS CEN 


Heir th san ze 


— — — 


Verdammniß allen Hageſtolzen 

In Pluto's Pech- und Schwefelgluth! 

Mit hundert ſcharfgeſpitzten Bolzen 
Zerfleiſche ſie Cupido's Wuth! 

Ha! welch ein götterwerthes Hymen 
Vollzogen wir zu Halberſtadt! 

Nun muß der Weg ſich ſtets beblümen, 
Selbſt wenn des Lebens Winter naht, 
Das Firmament hängt uns voll Geigen, 
Die Freude ſchwingt den goldnen Stab, 

Und Millionen Engel ſteigen 

Die Jacobsleiter auf und ab. 

Noch haben (perlt, o Wonnezahren!) 5 
Groll, Zwieſpalt, Eiferſucht und Neid 
Die reinſte Melodie der Sphären 
Durch keine Diſſonanz entweiht! 

Und doch, man wol’ es tief erwägen, 
Sind vier und zwanzig Stunden ſchon, 
Seit uns der prieſterliche Segen 

In's Ehſtandsjoch geſpannt, entflohn! 
Dieß thun den Städten und den Städtchen, 
Vom Harzgebirge bis zum Sund, 

In größter Eil' durch's Wochenblättchen 
Wir aus dem dritten Himmel kund. 


e 259 r 


c rr 


Entbin dungs anzeige. 


Mein vielgeliebtes Weib gebar 

Mir ein geſundes Zwillingspaar- 
Entrufen einem Hochzeitſchmauſe, 
Begann ſogleich der Arzt vom Haufe, 
(Ein ſcharf betonter Wiederhall 

Des hochberühmten Doctors Gall), 
Den Hirn-, vielmehr Gedankenkaſten 
Der Neugebornen zu betaſten. 

Er ſprach: Schlecht ſteht's mit den Organen! 
Dem Einen, täuſcht mich nicht mein Ahnen, 
Wird einſt, bey federleichtem Schweben, 
Das Haar der Galgenzephyr heben. 

Des Raub's Organ iſt unverkennbar, 
Und ſo das Reſultat auch nennbar. 

Vom Andern, dieß erſcheint noch klarer, 
Weil hochverpönte Pſeudothaler 

Er widermünzlich prägen wird, 

Erblick' ich auch den Hals verſchnürt. 
Was kann ich armer Vater nun 

Bey ſolcher Prophezeyung thun, 

Als die verſchwaͤrzten Kinderſeelen 

Dem Himmelreiche zu befehlen? 


ern 260 wm 


O daß der Tod noch heute käme, 

Und freundlich in den Arm fie nahme! 
Dann ſchwebten aus dem Ihranenthafe 
Sie ſtracks empor zum Jubelſaale, 

Wo man in eignem Gut nur webt, 

Und folglich nicht nach fremdem ſtrebt; 
Wo man kein Geld im Beutel trägt, 
Und folglich auch kein falſches prägt; 
Dort iind fie Cherubsfahnenſchwenker, 
Und hier höhlt einſt fie doch der Henker! 


mes 901 *. 
F rr 


Porträt eines Hundes. 


Ein brauner Mops hat ſich verlaufen, 
Der, ſchon ſeit Jahren krank und matt, 
Nicht aufſtand von der Lagerſtatt; 

Sein ängſtliches Geſchnarch und Schnaufen 
Verkündigt euch auf hundert Schritte, 
Daß er den Herrn verloren hat. 

Ihn unverkennbar macht ein Schwind 
Auf ſeines Rückens kahler Mitte; 

Auch iſt ſein rechtes Auge blind. 

Der einen Hinterpfote Knochen 

Hat ihm ein Hausfeind morſch zerbrochen, 
So daß durch's Leben, voll Verdruß, 
Dreybeinig er ſich ſchleppen muß. 

Der Schweif, einſt in ein Thor verkeilt, 
Iſt in drey Glieder abgetheilt. 

An Vorderzähnen ſind nur ſieben 

Dem armen Thier noch übrig blieben. 
Der Finder rufe: Monbrjoux! 
Allons! nur dem Verlaufnen zu, 


na 202 — 
Und zwar mit etwas Ungeſtüm, 
So folgt er frank und willig ihm. 
Dem, welcher dieſen treuen Hund 
Uns wiederbringt friſch und geſund, 
Reicht man bey Aaron Moſes bar 
Zwölf Gulden zur Belohnung dar, 


n merk unge n. 


ei h a Frets a EN anni! 
5 eee e re Piel U 
Be RE Pit N 90 dan 


PIIIIIIIIIIPIIIIID> I pe CCC S SSS CA e 


m iin ee th a . 


Das Livinerthal, an der Südſeite des St. Bott: ” 
hardsberges, welches bey dem Dorfe Polleggio endet, ge— 
hört, wegen ſeiner romantiſchen Felſenanſichten, herr— 
lichen Bäume, reichen Waſſerfälle und kräftigen Vege— 
tation, zu den reitzendſten Bergthälern der Welt, und 
wird daher mit Recht als eine der vorzüglichſten Schulen 
für den Landſchaftsmahler betrachtet. 


Lugano. 


Bey dieſer, im italieniſchen Helvetien, am Ufer des 
davon benannten Sees gelegenen Stadt, können die 
über den St. Gotthardspaß nach Latium wallfahrtenden 
Pilger ſich zuerſt mit dem Zurufe begrüßen: Italien! 
Denn hier beginnt die Phyſiognomik der die Südländer 
charakteriſirenden Gewächſe. 

Die nordiſche Sappho. Friederike Brun, 
geb. Münrer, welche der Verfaſſer, mit dem gemein- 
ſchaftlichen Freunde von Bonſtetten, hier auf ſeiner 
Durchreiſe mach Italien, unerwartet wieder antraf. 


Villa Pliniana. 


Hier bewohnte der jüngere Plinius, deſſen Vater 
ſtadt Como war, ein anſpruchloſes, aber durch die um— 
gebende Landſchaft reitzendes Landhaus. An einem Fel— 
ſenabhange ſteht jetzt ein modernes Gebäude, welches 
den Nahmen Villapliniana führt. Waſſerreiche Bä— 
che ſtürzen ſich auf deyden Seiten in Katarakten herab. 
Aber eine ſeltene Laune der Natur umfaßt das Gebäude 


„ 266 — 
ſelbſt. In feiner Witte iſt ein Waſſerbehaͤlter. Die Quelle, 
welche ihn füllt, fließt periodiſch, und ſteigt und fällt 
nach beſtimmten Geſetzen. Zu einer genauern Beobach— 
tung dieſer Fluth und Ebbe iſt ein Maßſtab angebracht. 
In der Mauer der Halle findet man die auf dieſe inter— 
mittirende Quelle Bezug habenden Worte aus einem 
Briefe des Plinius an feinen Freund Licinius mit gol-⸗ 
denen Lettern eingegraben: Fons oritur in monte, per 
st xa decurrit, excipitur cvenatiuncula manu facta: ibi 
paululum retentus in Larium laeum decidit. Hujus mira 
natura: ter in die statis auctibus ac diminutionibus 
erescit decrescitque. Cernitur id palam, et cum summa 
voluptate deprebenditur. Juxta recumbis et vesceris; 
atque etiam ex ipso fonte (nam est frigidissimus) potas; 
interim ille certis dimensisque momentis vel subtrahitur, 
vel assurgit. Si diutius ubserves, utrumque iterum ac 
tertio videas. 
Plin. Ep. L. IV. 30. 
Petrarchs Virgil in Mailand. 

Dieſer berühmte Codex, welcher Anmerkungen von 
Petrarchs Handſchrift und die kurze Geſchichte der erſten 
Erblickung der ſchönen Laura, als Inſcription vor dem 
Titelblatte, enthält, iſt, als eine der erſten Seltenhei— 
ten der ambroſianiſchen Bibliothek zu Mailand, nach 
Paris übergegangen. 


Der Herbſtabend. 

Wenn er, ſelbſt in morſcher Barke. Das 
Bild it von einem Gemählde Vernets entlehnt, auf 
welchem der Steuermann eines ſchon ſinkenden Schiffes, 
immer noch mit ungebeugtem Muthe, das ihm anver— 
traute Steuerruder feſt hält. 


Ti bur. 


Dir venuſiſcher Schwan. Anfpielung auf Ho⸗ 
razens zwanzigſte Ode im zweyten Buche, wo der Dich— 


wu 267 921. 


ter, in einen Schwan verwandelt, über den Erdball 
hinſchwebt und ſich feine künftige Unſterblichkeit weiſſagt, 
Venuſium war ſein Geburtsort. 


Angelika. 


Angelika Kauffmann ward zu Schwarzen⸗ 
berg, einem Dörfchen im Walde von Bregenz, gebo— 
ren. Dort ſteht noch ihr Familienhaus. Man nannte fie 
Angelika, nach einer Kloſterfrau von Salis-See⸗ 
wis, ihrer Mutter Freundinn, und ihrer Taufpathe. 
Ihr Vater war Mahler, und verfertigte fromme Vilder 
für die Klöſter, und Altarblätter für die kleinen Kirchen 
der Lombardey. Frühe käm ſie aus dem Alpenthale weg, 
von dem aber für immer ſüße Bilder der Ruhe und Un— 
ſchuld ihr in Geiſt und Herz blieben. Oft begleitete ſie 
den Vater auf ſeinen Gewerbreiſen in Oberitalien. Zu— 
erſt offenbarte ſich ihr Kunſtgenie, als ſie ſo große Mühe 
hatte, die Buchſtaben und Zahlen aus der Kinderfibel 
zu lernen, und man dagegen Naſen, Ohren und Ge— 
ſichtsprofile, welche dieſes Elementarbuch Nürnbergs 
zierten, auf dem häuslichen Schiefertiſche in hundert Co— 
pien wiederfand. Die guten Altern verſtanden den Wink 
der Natur, und Angelika zeichnete früh unter der vä— 
terlichen Leitung. Einſt nahm ihr Vater ſie mit nach 
Mailand. Noch in den Spätjahren des Lebens glänzten 
ihre Augen wie vom Wiederſcheine des Morgenroths, 
das damahls in ihrer jungen Seele aufging, als ſie nun 
eine heilige Familie von Raphael, und das Abendmahl 
von Leonardo da Vin ei erblickte. Jetzt hatten die 
verworrenen Bilder ihrer Phantaſie Leben, und die Wün— 
ſche ihrer Bruſt ein Ziel erhalten! Oftmahls kehrte fie. 
auf ihren vielen Reiſen, über die Alpen für Wochen und 
Monathe in das väterliche Thal zurück. Traurig war ſie, 
erfahren zu haben, daß nun ein Wagenweg nach Schwar— 
zenberg gehe, ſtatt des engen Fußpfades: „Wenn nur 


— 268 — 


nicht Unſchuld und Treue nun auch geſchwind zum Lande 
hinausfahren!“ ſeufzte fie herzlich. 

Im Jahre 1796 wurde mir zu Rom einige Mahle 
das Vergnügen zu Theil, der verewigten Angelika 
Kauffmann, während ſie vor der Staffeley arbeitete, 
aus deutſchen Dichtern vorzuleſen Immer horchte ſie, 
an der Themſe, wie an der Tiber, den Geſängen der 
vaterländiſchen Muſe mit Wohlgefallen. 

Eines Vormittags hörte ſie, mit hohem Intereſſe, 
einige lyriſche Stücke von Schiller, mahlte aber da— 
bey mit ruhiger Beſonnenheit fort Auf dieſe folgte eine 
der reichſten, originellſten und genievollſten poetiſchen 
Compoſitionen, die mir in unſerer Sprache bekannt ſind: 
Der Wanderer von Göthe. Mein ahnender Sinn hatte 
mich nicht getäuſcht. Der Eindruck, den dieſe echtgrie⸗ 
chiſche Antike in ihrem zartfühlenden Gemüthe hervor— 
brachte, war ſo mächtig, daß fie plötzlich den Pinſel nie: 
derlegte, und mit einem wunderbar concentrirten Aus— 
drucke der Stimme um eine zweyte Lectüre bath. Das 
ganze Weſen der ſtillen, veſtalenhaften, in ſich gewand— 
ten Angelika ward, wie durch einen gewaltigen elek— 
triſchen Schlag, erhöht und erſchüttert Thränen füllten 
ihr ſeelenvolles Auge Ihr Schweigen war das Schwei— 
gen einer begeiſterten Muſe. Endlich brach ſie mit ſchö— 
nem Enthufiasmus in die Worte aus: „Welche Gluth 
der Empfindung! Welch ein Zauber des Colorits! Welch 
eine Tiefe des Kunſtſinns! O die Scene, wo der Wan⸗ 
derer das Kind auf den Armen wiegt, und die junge 
Frau mit der Trinkſchale vom Brunnen zurückkommt, 
will ich verſuchen darzuſtellen! Sie ſteht ſo lebendig vor 
mir da, daß es von meiner Seite nichts weiter bedarf, 
als einer treuen Copie“ Zwey Tage nach dieſem Beſuche 
in Angelika's Arbeitszimmer verließ ich Rom. Kurz 
nachher wälzte der Krieg ſich immer weiter über Italien 
fort. Ein langer Winterſchlaf der Kunſt folgte dieſer ver⸗ 


— 269 — 

hängnißvollen Epoche. Hat die von den Stürmen der 
Zeitbegebenheiten hart bedrängte Künſtlerinn ihre, in Abs 
ſicht auf das Gemählde nach Gothe, ſich ſelbſt fo feyer— 
lich gethane Zuſage erfüllen können, oder nicht? Dieſe 
Frage, fo oft ich fie ſchriftlich und mündlich ſeitdem auch 
wiederhohlte blieb noch immer ohne befriedigende Ant— 
wort. Mußte Angelika, wie leider die Wahrſcheinlich— 
keit befürchten läßt, es alſo bloß bey der idealiſchen Em— 
pfängniß bewenden laſſen, ſo hätten wir allerdings ein 
in jeder Hinſicht vortreffliches Bild zu betrauern; denn 
ſchwerlich wurde wohl jemahls ein Süjet mit fo glühen— 
der Liebe von ihrem Genius ergriffen, wie dieſes. 


Raphaels, Verklärung. 


Raphael ſtarb kurz nach der Vollendung dieſes 
ſeines gefeyerteſten Gemähldes, im Jahre 1520, 


Der Lorber an Virgils Grabe. 


An einer kleinen Kluft, auf der reitzenden Höhe von 
Poſilippo, unweit Neapel, ſteht das antike Gemäuer, 
Virgils Grab genannt. Anmuthig uinſchattet iſt das 
Plätzchen, wo der Dichter vielleicht lebend oft verweilte, 
wenn auch gleich dieſes Monument ſeine Aſche nicht birgt. 
Den Lorber auf dem Gemäuer ſucht man eben fo vers 
geblich, wie zu Päſtum die Roſen. Auch keine Spur neu: 
aufkeimender Sprößlinge iſt unter dem Geranke der 
Bromberen und des wilden Weinſtockes zu entdecken. 


Hamiltons Vaſen. 


Die Seele Hamiltons hing in den ſpäteren Le— 
bensjahren mit eben der Leidenſchaft an dieſen ſchönen 
und geheimnißvollen Phantaſiebildern der Vorwelt, als 
in den früheren an den Ausbrüchen des Veſuvs. Seine 
Sammlung altgriechiſcher Vaſen, jetzt größten Theils 
nach London verſetzt, galt für eine der erſten in der Welt. 


II EN 2 7 0 * 


Wilhelm Tiſchbeins Umriſſe derſelben ſind keinem 
Kunſtfreunde unbekannt, oder ſollten es zum wenigſten 
nicht ſeyn. Dieſer gelehrte Kunſtler erklärt die Figuren 
auf den meiſten dieſer Gefäße, in Abſicht auf Richtigkeit 
und Leichtigkeit der Zeichnung, für unübertrefflich, und 
jedem Copiſten (Trotz der geübteſten Meiſterhand) für 
unerreichbar. 


Plä ſſt u m. 


Dieſe altgriechiſche Colonie führte auch den Nah— 
men Poſeidonia, weil Neptun daſelbſt vorzüglich 
verehrt wurde. Von ihren merkwürdigen Reſten zeichnete 
ein junger Mahler zu Neapel, gebürtig aus dem beuach— 
barten Flecken Capaccio, um das Jahr 1752 etwas ab, 
und zeigte es ſeinem Meiſter. Einige Engländer ſahen 
dieſe Entwürſe und wurden dadurch begierig, den Ort 
ſelbſt zu beſuchen. Von der Zeit an wurden die Neapo— 
litaner, von denen die wenigſten bisher die Überbleibſel 
einer ganzen Stadt in ſolcher Nähe geahnet hatten, auf- 
merkſam. Der Graf Gazoles that eine Reiſe dapin, 
und ließ alles genau abzeichnen, um ein eignes Werk 
darüber zu ſchreiben. 

Man unterſcheidet noch deutlich die in's Gevierte 
gezogenen Ringmauern, nebſt den Stadtthoren. Sie 
ſind aus großen Quadern, die nach der auswendigen 
Seite wie Diamanten zugefpigt find, ohne Mörtel zu: 
ſammengeſetzt. Innerhalb erheben ſich zwey Tempel und 
ein öffentliches Gebäude, welches die meiſten Antiquare 
für eine Baſilika, und de wenigſten für ein Gymnaſium 
halten. Außer dem Paatheon zu Rom trifft man keine 
Gebäude aus dem Altertyume von ſo vollſtändiger Er— 
haltung an. An einem Tempel ſind noch beyde Giebel 
völlig erhalten. Alle drer Monumente haben einen Säu— 
lengang rings umher. Man zählt an beyden Tempeln 
gegen Weſten und Oſten ſechs Säulen, gegen Süden 


und Norden an dem einen vierzehn, und an dem andern 
dreyzehn, die beyden Eckſäulen mitgerechnet. Das us 
nere der Tempel iſt, nach antiker Üblichkeit, von einer 
Mauer umgeben. Alle Säulen ſind doriſcher Ordnung 
und kannelirt, jedoch ohne Baſe. 

An den drey Gebäuden iſt der obere Theil des Ge— 
bälkes, nähmlich der Carnieß, weggelaſſen; und weil 
fie die älteſten architectonifchen, Denkmähler doriſcher 
Ordnung ſind, ſo bemerkt man, daß die Triglyphen und 
Metopen nicht nach der Art, wie man in der Folge ſie 
ausbildete, angebracht wurden. 

Mitten in den Ringmauern der Stadt liegt das Am— 
phitheater, wovon noch zehen Reihen Sitze und die dar— 
unter beſindlichen Gewölbe ſich aufrecht erhalten haben. 


Hier wo der Asphodell nun. (Asphodelus 
ramosus. L.) Dieſe Blume, welche ſehr häufig in der 
Gegend um Päſtum angetroffen wird, verbreitet einen 
unbeſchreiblich widrigen Geruch. 


as fir nere 


Parthenope. Neapel. Die pofeidoni: 
Then Tempel. Die Monumente von Päfium. 


Am blanduſiſchen Quell. Ein Quell in der 


Nähe von Horazens Villa im ſabiniſchen Haine 
Hora t. Od, 13. lib. 3 


Strophen, dem Geburtsfeſte eines deut— 
ſchen Prinzen geweiht. 
Georgium. Der fogen zunte Georgengarten bey 
Deſſau. Meine kleine hier davon gelieferte Zeichnung 
eignet ſich übrigens kaum zur Vignette für die muſter— 
hafte Beſchreibung dieſer ſchönen Kunſtlandſchaft durch 
meinen Freund Auguſt von Rode. 


6 272 won 
Sehnſucht nad Rom. 


Philoktet. Des Poas Sohn, und ein Freund 
des Hereules. Auf ſeinem Zuge gegen Troja ward er, 
auf der Inſel Lemnos, durch den Biß einer Natter am 
Fuße verwundet, und dieſe traurige Einöde blieb fein 
Aufenthalt, bis er wieder hergeſtellt wer. 

Eos. Der griechiſche Nahme der Kurora. 

Borgheſes Paradies. Die Villa Borg⸗ 
heſe behauptet unter allen römiſchen Villen unſtreitig 
den erſten Rang, theils wegen ihres reichen Kunſtſcha— 
tzes, theils wegen des wahrhaft großen und edlen Ge— 
ſchmacks in ihren Park- und Gartenvartien. 

Der Lorberwald von Medicis. Ein Abend⸗ 
ſpatziergang in der an Lorberbäumen vorzüglich reichen 
Villa Medieis, gehört zu den angenehmſten, die 
man in Rom zu dieſer Tageszeit machen kann, weil 
nicht nur die Stadt, fondern auch ein grofler Theil der 
umliegenden Gegend, beym Untergang der Sonne, von 
hier aus in der vortheilhafteſten und prachtvollſten Be— 
leuchtung erſcheint 

Pamphilis Anemonenflur. In der Villa 
Pamphili, vor der Porta die S. Pancrazio, gewährt 
die unglaubliche Menge weißer, violetter und ſcharlach— 
rother Anemonen, welche auf einer anſehnlichen, von 
majeſtätiſchen Pinjen eingeſchloſſenen Wieſenfläche, ſchon 
in den erſten Tagen des Märzmonaths u} einen 
ſehr reitzenden Anblick. 

Anthuſa. Das alte Rom hatte einige geheime 
Nahmen, um, bey etwaiger Entweibung feiner eigent— 
lichen, unter dieſen dem Schutze der Götter empfohlen 
werden zu konnen. Einer davon hieß AvYovoz, die Blüte 
hende. 

Siegesbogen Die Triumphbogen des Titus, 
Septimius, Severus und Gonjtantinus. 


nun 2 7 3 7 7 


Obelisken. Antiken am Nil der Vor— 
welt Pilgern ſchon Die Vorſtellung, daß dieſe my— 
ſtiſchen Säulen fhon zu einer Zeit, die für uns graues 
Alterthum iſt, als Neſte des grauen Alterthums vom 
Fremdlinge aufgeſucht und betrachtet wurden, macht ih— 
ren Anblick noch impoſanter und ehrwuürdiger Vor bey: 
nahe zwey tauſend Jahren erklärte ein Prieſter zu The— 
ben in Agypten dem reiſenden Germanicus die Hiero— 
glyphenſchrift eines uralten Obelisken. „Germanicus be— 
fab” , erzählt Tacitus im zweyten Buche feiner Annalen, 
»die wichtigen Reſte des alten Thebens, und wirklich 
war noch ägyptiſche Schrift an den Obelisken zu ſehen, 
die von ehemahliger Größe zeugte. Einer der älteſten 
Prieſter mußte die Landesſprache dolmetſchen.“ 


Coliſeum. Das unter dieſem Nahmen bekannte 
Amphitheater Vespaſians würde noch unverſehrt da ſte— 
hen, wenn nicht ein beträchtlicher Theil desſelben, zu— 
erſt durch barbariſche Völker, und hierauf durch barba— 
riſche Päpſte wäre zertrümmert worden. Unter den Letz— 
teren hat Paul III. am unerbittlichſten gegen dieſes er— 
habene Monument gewüthet, indem er den ungeheuern 
Farneſiſchen Pallaſt einzig von Steinen des Coliſeums 
erbauen ließ. Auch zum Pallaſte von St. Marco und 
der Cancellaria mußte es die Materialien liefern. 


Forum. Dieſer Mittelpunct der ehemahligen Welt: 
beherrſchung, wo das römiſche Volk ſeine Verſammlun— 
gen, und Cicero ſeine unſterblichen Neden hielt, heißt 
jetzt Campo Vaceino, und bleibt, noch in feiner Vers 
ſunkenheit, für den fühlenden Geſchichts- und Alter— 
thumskenner die merkwürdigſte Stelle des Erdbodens. 
In einem unbeträchtlichen Raume finden ſich hier eine 
Menge von architectoniſchen Denkmählern vereinigt, die 
der ergänzenden Einbildungskraft einen Genuß gewähren, 
wovon nur diejenigen ſich einen Begriff machen können, 


— 


Matth. Werks, 2 V. : 2 


res 2 7 4 * 


welche jemahls, den Livius oder Tacitus in der Hand, 
dieſen heiligen Boden betreten haben. 

Arethuſa. Eine durch mehrere Dichter des Alter— 
thums berühmte Quelle bey Syrakus, die jetzt aber größ— 
ten Theils verſchüttet iſt. l 

S. Ovid, Metam. V. 574 641. 

Nemeſis Sie beugte den Nacken des Übermüthi— 
gen und Stolzen, verfolgte mit unerbittlicher Strenge 
den Verbrecher und Frevler, und erhob den edlen Unter— 
drückten aus dem Staube. Sie wird meiſtens mit einem 
Zaume oder einem Längen maße in den Händen abge— 
bildet. 

Der Mordwuth Rotte. Die Verſchwörung 
des Catilina. 

Hymettus. Ein Berg im attifhen Gebiethe, 
welcher Thymian und andere Bienenkräuter in großer 
Menge hervorbrachte, und deſſen Honig für den vorzüg— 
lichſten in der Welt gehalten wurde. 

Dich, deſſen Qual. Die Gruppe des Laokoon. 
Dieß iſt das Werk, welches, wie Plinius ſagt, allen 
Statuen und Gemählden des Alterthums vorzuziehen iſt; 
und es gibt kein auf uns gekommenes antikes Denkmahl 
der Bildhauerey, welches ſo große Kenntniſſe des Künſt— 
lers vorausſetzte, als dieſes. 

Ugolino. Der Hungertod Ugolino's und feiner 
Söhne iſt durch Dante's Erzählung (Inferno. Canto 
33.), Gerſtenbergs Trauerſpiel, und den dieſe gräß— 
liche Scene darſtellenden Kupferſtich nach Reynolds, hin— 
reichend bekannt. In Piſa hat ſich das Andenken dieſer 
Begebenheit noch durch Überlieferung erhalten; aber die 
Stelle des Hungerthurms weiß Niemand mehr mit Zu— 
verläſſigkeit anzugeben. 

Euch, quirinaliſche Koloſſe. Die koloſſali— 
ſchen Statuen der beyden Roſſebändiger, die nach der 


Meinung der meiſten Antiquare den Kaſtor und Pollux 
vorſtellen. Sie ſtanden ehemahls am Eingange des Ha— 
fens von Alexandrien, von wo Kaiſer Conſtantin fie 
nach Rom bringen und in feinen Thermen aufſtellen ließ, 
aus deren Schutte ſie hervorgezogen wurden. 

Dich, Torſo. Der Rumpf des Hercules, den 
Michael Angelo für das größte Meiſterwerk der alten 
Kunſt hielt. Die Hauptvortrefflichkeit desſelben beſteht 
in der weichen, beſtimmten und fließenden Muskulatur, 
und ganz beſonders in der Feinheit und Leichtigkeit der 
Übergänge der Muskeln. 

Dich, Sonnengott im Belvedere. Der 
vatikaniſche Apoll, das höchſte Ideal himmliſcher, über 
die Natur erhabener Schönheit. Dieſe Statue ward aus 
Griechenland, wahrſcheinlich durch den Nero, nach An— 
tium, dem heutigen Nettuno, gebracht, wo man fie 
vor etwa dreyhundert Jahren wieder ausgrub. 

Die ernfte Pyramide Die Pyramide des Ca: 
jus Ceſtius, bey welcher die in Rom ſterbenden Prote— 
ſtanten begraben werden. 

Scherbenberg. Dieſer Hügel, der im alten Rom 
Mons testaceus (Scherbenberg) hieß, hat eine Höhe von 
etwa hundert und funfzig Fuß, und iſt aus den nach und 
nach auf einer Stelle zuſammengeworfenen Scherben der 
Töpferöfen entſtanden, die ſchon zu Tarquins des Altes 
ren Zeiten in dieſer Gegend waren. Die heutigen Ro: 
mer nennen ihn Monte testaccio und haben Weinkeller 
darin angelegt, welche ſich durch ihre außerordentliche 
Kühle vor allen übrigen auszeichnen. 

Veſta's Tempelrunde. Der Tempel der Veſta 
zu Tivoli, dem ehemahligen Tibur. Er ſteht im Garten 
des Wirthshauſes, auf einem Felſen, an deſſen Fuße 
der Teverone vorbeyrauſcht. Die meiſten Reiſenden hal— 
ten ihre Mahlzeiten darin. 
a 2 


Ü 


Dem Katarakt. Der Teverone ftürzt fih nicht 
weit vom Tempel der Veſta, aus einer Höhe von drey— 
ßig Ellen, durch die berühmte Neptunsgrotte, in das 
enge, darunter liegende Felſenthal. Diefer Fluß hieß 
bey den Alten Anio. Brutus, Caſſius, Varus, Mä— 
cenas, Properz und Quintilian hatten Landhäuſer in 
dieſer Gegend, für welche aber Niemand eine entſchiedene 
Vorliebe gehabt zu haben ſcheint, als Horaz, der hier 
ſein Leben zu beſchließen wünſchte, und dem kein Win— 
kel der Erde freundlicher lachte. 


Quam domus Albuneae resonantis, 
Et praeceps Anio et Tiburni lucus et uda 


Mobilibus pomaria rivis, 
Od. VII. Iib. 1. 


Tibur Argeo positum colono, 
Sit meae sedes uiinam senectae; 
Sıt modus lasso maris et viarum 
Militiaeque, 
Od. VI. lib. 2. 


Alban os Berg. Auf dem albaniſchen Berge, 
(Mons albanus, jetzt Monte cavo) lag der, unter dem 
zweyten Tarquin erbaute Tempel des Japiter latialis, 
von deſſen Ringmauer ſich noch ein Theil erhalten hat. 
Hier opferten die triumphirenden Feldherren einige Tage 
nach dem capitoliniſchen Opfer, und hier feyerte man in 
älteren Zeiten die Feſte des lateiniſchen Bundes. Von 
dem gepflaſterten Wege, welcher zum Tempel führte, 
ſieht man noch anſehnliche Reſte, die zu den ſchönſten 
Fragmenten antiker Straßen gehören. Die Ausſicht vom 
Gipfel des Berges vereinigt fo viele große und anzie— 
hende Gegenſtände, daß kein Neiſender Italien verlaſ— 
fen ſollte, phne den Monte cavo beftiegen zu haben. 


Gregor und Alexander. Wenige Päpſte ba: 


* 


re A ee 

ben unſtreitig den Mißbrauch der hierarchiſchen Gewalt 
weiter getrieben, als Gregor VII und Alexander VI. 

Palatin. Rom begann mit der Bebauung des pa— 
latiniſchen Hügels, in deſſen Nähe nachher die ſchönſten 
und größten Denkmähler der Baukunſt entſtanden. 

Mark: Aurel Die Ritterſtatue dieſes Kaiſers, 
auf dem Platze des Capitols, iſt unter den wenigen an— 
tiken Kunſtwerken in Bronze, die der Zerſtörung ent— 
gangen ſind, das vollkommenſte. 


Gemählde der Zeit. 


Erſcheint kein Cherub Dem Dichter ſchweb— 
ten bey dieſer Strophe die Figuren von Raphaels 
Engeln im vaticaniſchen Pallaſte vor, die den Heliodor 
aus dem Tempel treiben, und zu dem Vollkommenſten 
gehören, was die Mahlerey hervorgebracht hat. 

Und Ariſtide gleich Verworfnen einzu: 
kerkern. Ariſtides, mit dem Ehrennahmen der Ge— 
rechte, war einer der unbeſcholtenſten und redlichſten 
Patrioten im alten Athen. 

Von Irlands Rieſendamm. Der Rieſen— 
damm (Giant's Causeway) an der Küſte von Antrim in 
Irland, beſteht, gleich der Fingalsgrotte, aus unge— 
heuern, durch die Hand der Natur zuſammengefügten 
Baſaltſäulen. e 

Katakomben, unterirdiſche Gänge mit weitläuf— 
tigen Seitenkammern und Irrwegen nach allen Rich— 
tungen, ſinden ſich noch jetzt in Agypten ſowohl aus den 
früheſten Zeiten der Pharaone, als aus den Zeiten der 
Ptolomäer in der Nekropolis bey Alexandrien in Sici— 
lien, ſowohl aus den Zeiten der griechiſchen Coloniſa— 
tion bei Syrakus, als aus dem Zeitalter der Sarace— 
nen, in Etrurien aus ſehr frühen Zeiten, als das Ver— 
brennen der Todten dort noch nicht eingeführt war, und 


ws 2 7 8 ua 


wieder aus ſehr fpäten, und endlich, in Verſchlingun— 
gen und Windungen, die vielleicht bis nach Oſtia gehen, 
in Roms Umgegend. Dieß alles wird durch das neue, 
ſeit vierzig Jahren vorbereitete, und nun in Paris er— 
ſchienene Werk des ehrwürdigen Greiſes Seroux 
d'Agincourt (Histoire de Part par les monumens de- 
puis sa decadence au 4. siecle jusqu'à son renouvelle- 
ment au 16 par Seroux d’Agincourt, Paris 1810) in licht- 
vollen Überſichten uns dargeſtellt. Herr Artaud lie— 
ferte zu gleicher Zeit über die Katakomben von Rom ein 
durch Mannigfaltigkeit des Inhalts und Leichtigkeit 
des Vortrags im nähmlichen Grade anziehendes Werk: 
Voyage dans les Catacombes de Rome, par un membre 
de Académie de Cortone. Paris 1810. 

Parthenope. Der äliefte Nahme der Stadt 
Neapel. 

Tiburs Hügel. Einige der ſchönſten Oden des 
Q. Horatius Flaccus athmen ſeine ſchwärmeriſche 
Vorliebe für Tibur, welche ſelbſt noch durch das heutige 
Tivoli gerechtfertiget wird, wiewohl die Zeit von den 
Denkmählern der altrömiſchen Herrlichkeit nur Schutt 
und Ruinen übrig ließ. 


Im Schirm des Brotbaums und der Ko— 
kuspalme. Viele Leſer denken ſich hier gewiß mit 
dem Dichter die Inſel Otahiti, wo wir, wie Wie— 
land ſagt, mit Recht ſo erſtaunt ſind, unſere Lieblings— 
träume von arkadiſcher Unſchuld, Einfalt, Ruhe und 
kummerfreyem Wohlleben eines Volkes, das in ewiger, 
unbeſorgter, lieblicher Kindheit am Buſen der Natur 
hängt, realiſirt zu ſehen. 


K IRF DEE IE 


Man vergeſſe nicht, daß die Entſtehung dieſes Ge— 
dichts in das für die Schweitz ſo verderbliche Jahr 1799 


sera 2 79 C 


fällt. Damahls konnte Niemand die Erfüllung der am 
Ende vorkommenden Weiſſagung unwahrſcheinlich fin— 
den, welches jetzt glücklicher Weiſe wieder der Fall ſeyn 
kann. 


a eli e n 
Dich auf Alraunbeeten. Die Rockenphiloſo— 
phie ſchreibt der Wurzel des Alrauns (Atropa mandragora 
L.) ganz beſondere magiſche Kräfte zu. 


Opfer geſan g. 

Zu Franzens Opferfeſt. Leopold Fried: 
rich Franz, älteſter regierender Herzog und Fürſt 
zu Anhalt-Deſſau. 

Agnes und Erdmannsdorff. Agnes, die 
Schweſter, und Erdmannsdorff, der Jugendfreund 
des Herzogs, waren, einige Monathe zuvor, nicht lange 
nach einander, geſtorben. Die Biographie Erdmanns— 
dorffs, vom trefflichen Verdeutſcher des Vitruv, muß 
jedem Freunde des Guten und Schönen willkommen 
ſeyn. 


— — u 


5. 10% 1 N Tre 
7211) * 21 aa eee 
fe. fi Wii 1. 17 . i dene 


Er 


227.5 1580 45 a 
RETTEN 69 
1 x eur 


ie 1 
e . 


2 


* 


PLEASE DO NOT REMOVE 
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET 


UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY 


PT Matthisson, Friedrich von 
2428 Sammtliche Werke 

M6A1 

1814 


Bd.2